Mitteilungen und Nachrichten 63/2011 - Deutsche Gesellschaft für ...
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Aus der DGU<br />
38<br />
HOTT® – Hand-over-Team-Training<br />
Interdisziplinäres SchockraumTeamtraining mittels realitätsnaher Simulation <strong>und</strong> videogestütztem<br />
Debriefing<br />
G. Conrad 1 , U. Obertacke 2 , M. Rall 3 , T. Hammer 2 , N. Südkamp 2 , P. Strohm 2 1 DRF, 2 DGU, 3 TÜPASS<br />
Die optimale Versorgung kritisch Kranker<br />
oder Verletzter ist in einem Schockraum nur<br />
durch multi- <strong>und</strong> interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
möglich. Die deutsche <strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>für</strong> Unfallchirurgie (DGU) hat unter<br />
Berücksichtigung der aktuellen Literatur<br />
<strong>und</strong> unter Berücksichtigung der geltenden<br />
Standards <strong>und</strong> apparativen <strong>und</strong> personellen<br />
Möglichkeiten das Weißbuch Schwerverletztenversorgung<br />
verfasst, in dem die<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> die Arbeit in einem<br />
Schockraum definiert sind. Schon durch<br />
die flächendeckende Einführung der ATLS-<br />
Kurse durch die DGU hat sich die Qualität<br />
in den deutschen Schockräumen verändert.<br />
Durch die Zusammenarbeit verschiedener<br />
Berufsgruppen bestehen jedoch nicht<br />
nur individuelle Fehlermöglichkeiten, sondern<br />
wegen der Schnittstellen auch weitere<br />
Fehlerquellen. Ein Faktor, der häufig wenig<br />
Beachtung in anderen Kursformaten <strong>und</strong><br />
Weiterbildungscurricula findet, ist die Kommunikation<br />
sowohl im eigenen Team als<br />
auch zwischen den Fachdisziplinen. Eine optimale<br />
Kommunikation kann aber neben anderen<br />
Faktoren aus dem Bereich der ‚Human<br />
Factors’ (Entscheidungsfindung, Situation<br />
awareness, Vermeiden von Fixierungsfehlern<br />
etc.) effektiv dazu beitragen, Fehler zu vermeiden.<br />
Solche Konstellationen sind in vielen<br />
anderen Hochrisiko-Hochsicherheitsbereichen<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> regelmäßige <strong>und</strong> intensive<br />
realitätsnahe Simulations-Team-Trainings<br />
(z. B. Luftfahrt, Ölbohrinseln, Flugzeugträger<br />
etc.). Heutzutage kann nicht mehr erwartet<br />
werden, dass medizinische Teams eine komplexe<br />
Schockraumversorgung ohne Training<br />
optimal durchführen können.<br />
Ursache der Fehler aus dem Bereich der<br />
„Human Factors“ ist häufig eben nicht mangelndes<br />
Fachwissen, sondern sind Probleme<br />
beim Umsetzen des Wissens unter den Bedingungen<br />
der Realität.<br />
In anderen Hochsicherheitsdomänen hat<br />
sich seit Jahrzehnten deshalb das Simulatortraining<br />
unter Berücksichtigung von Human<br />
Factors in Form von Crew Ressource Management<br />
(CRM: Techniken <strong>und</strong> Verfahren,<br />
um alles Wissen im Team <strong>für</strong> die schwierige<br />
Aufgabe zu mobilisieren <strong>und</strong> den Tücken des<br />
„Human Error“ zu entgehen) als eine herausragende<br />
Möglichkeit zur nachhaltigen Reduktion<br />
von vermeidbaren Fehlern etabliert.<br />
Patientensicherheit<br />
Patientensicherheit ist kein statischer Zustand,<br />
sondern muss gerade in der Notfallversorgung<br />
immer wieder aktiv <strong>und</strong> neu<br />
errungen werden. Patientensicherheit wird<br />
durch die Handlungssicherheit des medizinischen<br />
Teams bestimmt. Verhaltensprinzipien,<br />
welche die Sicherheit bei der Bewältigung<br />
von kritischen Situationen (Notfall,<br />
Zwischenfall) erhöhen, können seit einiger<br />
Zeit auch in der Medizin durch Simulator-<br />
Training unter Einsatz von realitätsnahen<br />
Patientensimulatoren dargestellt werden.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage von Erfahrungen mit<br />
Simulationstraining <strong>für</strong> präklinische Teams<br />
wurde in einem Pilotprojekt ein Schockraum-Simulatortraining<br />
begonnen, basierend<br />
auf „Critical incident Reporting“, d. h.<br />
dem Nachstellen von wirklichen Vorfällen<br />
<strong>und</strong> Abläufen, um mit schwierigen Situationen<br />
routinierter umgehen zu können.<br />
Lernziele des Schockraum-<br />
Simulatortrainings<br />
Die Teilnehmer sollen durch dieses Simulationstraining<br />
Gr<strong>und</strong>kenntnisse über die<br />
Entstehung von Fehlern in der Medizin, die<br />
Bedeutung der Human Factors <strong>und</strong> Aspekte<br />
der Systemsicherheit inklusive Incident Reporting<br />
System erhalten. Sie sollen die Relevanz<br />
<strong>und</strong> Bedeutung von Human Factors<br />
sowie dem Crew Ressource Management<br />
(CRM) im Rahmen de Patientenversorgung<br />
im Schockraum erleben <strong>und</strong> bei anderen im<br />
Rahmen der Liveübertragung beobachten.<br />
Die Teilnehmer sollen sowohl als Teammitglied<br />
aber auch als Teamleiter realitätsnahe<br />
Schockraumszenarien durchgeführt haben.<br />
Wichtig sind auch die Kenntnisse zur Bedeutung<br />
<strong>und</strong> Wirkung der CRM-Prinzipien basierend<br />
auf den Vorarbeiten von Wiener, Kanki,<br />
Helmreich <strong>und</strong> Gaba. Danach sollten die Teilnehmer<br />
die 15 CRM-Leitsätze (nach Gaba/<br />
Stanford) im Kontext der Versorgung medizinischer<br />
Notfälle im Team anwenden können.<br />
Weiterhin sollen die Teilnehmer Videosequenzen<br />
von simulierten Behandlungsszenarien<br />
unter dem Blickwinkel von Teamwork<br />
<strong>und</strong> individuell-kognitiven Aspekten im<br />
Sinne von CRM interpretieren <strong>und</strong> diese im<br />
Team diskutieren. Das eigene Handeln soll<br />
im Rahmen von realitätsnahen Teamsimula-<br />
tionen mit Unterstützung der ausgebildeten<br />
CRM-Simulations-Instruktoren reflektiert<br />
werden. Dabei erlernen die Teilnehmer die<br />
Gr<strong>und</strong>prinzipien des Feedbacks mit besonderem<br />
Fokus auf die Debriefings <strong>und</strong> damit<br />
auch eine Struktur zur Besprechung kritischer<br />
Ereignisse im Team.<br />
Als teambildende Maßnahmen haben<br />
die Teilnehmer typische <strong>und</strong> kritische<br />
Schockraumfälle geübt <strong>und</strong> den Informationsfluss<br />
<strong>und</strong> die Teamarbeit im Schockraum<br />
sowohl als Teammitglied als auch als<br />
Teamleiter optimiert. Danach können die<br />
Teilnehmer auch die aktuellen Leitlinien<br />
im Kontext realer Schockraumsituationen<br />
umsetzen, nehmen Anregungen einer optimalen<br />
Schockraumstruktur <strong>und</strong> Schockraumprozesse<br />
<strong>für</strong> den eigenen Schockraum<br />
(Abläufe, Geräteanordnung, SOP’s etc) mit.<br />
Alles Vorgenannte erhöht <strong>und</strong> verbessert<br />
die Patientensicherheit im Schockraum.<br />
Ein weiterer Lerneffekt wird Wochen oder<br />
Monate nach dem Simulatortraining bestätigt,<br />
wenn Szenarien aus dem Simulator<br />
„draußen“ unter realen Bedingungen<br />
„nacherlebt“ werden.<br />
Bisherige Erfahrungen<br />
Das Konzept des HOTT-Simulationstrainings<br />
basiert auf einem Trainingskonzept, das die<br />
DRF-Luftrettung zusammen mit TÜPASS auf<br />
Basis des Crisis Resource Management entwickelt<br />
hat. DRF-Luftrettung <strong>und</strong> TÜPASS<br />
haben ein simulationsbasiertes Teamtrai-<br />
Zielgruppe<br />
Das Training richtet sich an die Teams, die<br />
in die Patientenversorgung im Schockraum<br />
eingeb<strong>und</strong>en sind:<br />
■■Anästhesisten, ■■Unfallchirurgen, ■■Notärzte, ■■Rettungsassistenten, ■■Schockraumpflegepersonal, ■■Anästhesiepflegepersonal, optional auch an weitere Teams im Schockraum<br />
wie z. B. Radiologen, Neurochirurgen,<br />
Viszeralchirurgen, Thoraxchirurgen, Kardiochirurgen,<br />
Kinderchirurgen, Urologen, MKG-<br />
Chirurgen u. v. a. m.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> <strong>63</strong>/<strong>2011</strong>