ZEITREISEN - IAAC
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In dem Augenblick, wo sie den Stich empfand stand ein wunderschöner Prinz vor ihr und blickte sie<br />
ganz freundlich an. Da gingen sie zusammen herab. Die Jagdhunde sprangen und wedelten: die<br />
Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen unterm Flügel hervor, sahen umher und flogen ins Feld.<br />
Die Fliegen auf den Wänden krochen weiter: das Feuer in der Küche flackerte und kochte das Essen:<br />
und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige, daß er schrie: und die Magd rupfte das Huhn fertig.<br />
Aber außerhalb des Schlosses wirkte der Zauber der dreizehnten Frau, und es tat sich eine moderne<br />
und fremde Welt auf als ob hundert Jahre durch das Land gegangen wären. Und in dieser fremden<br />
Welt wurde die Hochzeit des Königsohnes mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert, und sie<br />
lebten vergnügt bis an ihr Ende.<br />
Michael Ende: Rätsel<br />
Drei Brüder wohnen in einem Haus,<br />
die sehen wahrhaftig verschieden aus,<br />
doch willst du sie unterscheiden,<br />
gleicht jeder den anderen beiden.<br />
Der erste ist nicht da, er kommt erst nach Haus.<br />
Der zweite ist nicht da, er ging schon hinaus.<br />
Nur der dritte ist da, der Kleinste der drei,<br />
denn ohne ihn gäb's nicht die anderen zwei.<br />
Und doch gibt's den dritten, um den es sich handelt,<br />
nur weil sich der erst' in den zweiten verwandelt.<br />
Denn willst du ihn anschaun, so siehst du nur wieder<br />
immer einen der anderen Brüder!<br />
Nun sage mir: Sind die drei vielleicht einer?<br />
Oder sind es nur zwei? Oder ist es gar - keiner?<br />
Und kannst du, mein Kind, ihre Namen mir nennen,<br />
so wirst du drei mächtige Herrscher erkennen.<br />
Sie regieren gemeinsam ein großes Reich -<br />
und sind es auch selbst! Darin sind sie gleich.<br />
Aus: Momo. Thienemann Verlag 1973, S. 154<br />
Einsteins Dreams: 11. Mai 1905<br />
Aus: Alan Lightman: Und immer wieder die Zeit. Einsteins Dreams. (Heyne Taschenbuch).<br />
Bei einem Gang durch die Marktgasse macht man eine seltsame Beobachtung. Die Kirschen in den<br />
Obstverkaufsbuden liegen säuberlich aufgereiht, die Hüte im Putzmacherladen sind ordentlich<br />
übereinandergestapelt, die Blumen auf den Balkonen vollkommen symmetrisch angeordnet, auf dem<br />
Boden der Bäckerei liegt kein Krümel, auf den Steinfliesen der Speisekammer ist keine Milch<br />
verschüttet. Alles ist an seinem Platz.<br />
Wenn eine fröhliche Gesellschaft ein Restaurant verläßt, sind die Tische aufgeräumter als vorher.<br />
Wenn ein leichter Wind durch die Straße geht, wird das Pflaster saubergekehrt, werden Schmutz und<br />
Staub an den Stadtrand befördert. Wenn Wellen gegen das Ufer schlagen, stellt sich seine<br />
ursprüngliche Form wieder her. Wenn Laub von den Bäumen fällt, schlißen sich Blätter wie Gänse zu<br />
einer V-Formation zusammen. Wenn Wolken Gesichter bilden, bleiben diese Gesichter erhalten.<br />
Wenn aus einem Ofenrohr Rauch in ein Zimmer dringt, schwebt der Ruß in eine Zimmerecke, so daß<br />
die Luft rein bleibt. Balkone, deren Anstrich Wind und Wetter ausgesetzt ist, gewinnen mit der Zeit an<br />
Glanz. Das Krachen eines Donners bewirkt, dass sich eine zerbrochene Vase wieder zusammenfügt,<br />
dass die Scherben wieder an die Stelle springen, an der sie vorher waren, und sich exakt miteinander<br />
verbinden. Der Duft eines vorüberkommenden Zimtkarrens verstärkt sich mit der Zeit, statt sich zu<br />
verlieren.<br />
Kommen einem diese Vorgänge nicht sinderbar vor?<br />
In dieser Welt ist der Ablauf der zeit mit wachsender Ordnung verbunden. Ordnung ist das Gesetz der<br />
Natur, die universale Tendenz, die kosmische Richtung. Wenn die Zeit ein Pfeil ist, so deutet dieser<br />
Pfeil in Richtung Ordnung. Die Zukunft bedeutet Struktur, Organisation, Vereinigung, Verstärkung, die<br />
<strong>ZEITREISEN</strong> - 16. INTERNATIONALE PROJEKTWOCHE DES <strong>IAAC</strong> IN TANZENBERG SEITE 61