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Cruiser Edition Sommer 2015

Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!

Die (fast) luftig-fluffige Sommerausgabe vom Cruiser. Die Themen: Equality Dance: Cruiser war im Tanzkurs. Schwule Migranten: Wenn die eigene Familie einem das Leben zur Hölle macht. Und: Wo man richtig gut baden gehen kann!

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Interview | Claudia Meier<br />

Bruce Jenner wurde zu Caitlyn und liess<br />

sich von Starfotografin Annie Leibovitz<br />

für «Vanity Fair» ablichten<br />

gopädin. Für uns Transfrauen ist es<br />

hartes Training, es ist, als würde man<br />

ein Instrument lernen. Viel Schweiss<br />

und manchmal auch Tränen stecken in<br />

meiner Stimme.<br />

Es gab und gibt bekannte Transfrauen,<br />

die durch ihre berechtigten Probleme<br />

aufgefallen sind.<br />

Tatsächlich gibt es einige tragische<br />

Schicksale unter uns Transfrauen,<br />

aber auch unter den Transmännern.<br />

Ich sage allen Betroffenen: Wenn du<br />

den Weg nicht gehen musst, gehe ihn<br />

nicht, gehe den Weg nur, wenn es<br />

wirklich keinen anderen gibt – es wird<br />

kein Spaziergang! Doch viele, für die<br />

besagter Weg der einzige war, erleben<br />

in der Tat eine Art des Erwachens, des<br />

Aufblühens.<br />

Hast du ein Rezept zum Glücklichsein?<br />

Nun, ich habe gelernt, auch mal Fünfe<br />

gerade sein zu lassen, nicht immer alles<br />

so eng zu sehen und dass ich natürlich<br />

selbst Toleranz gegenüber meinen<br />

Mitmenschen zeige. Tatsächlich fühlt<br />

sich heute für mich jeder Tag an wie<br />

Weihnachten, Geburtstag und Ostern<br />

zugleich.<br />

Hast du nie eine miese Laune?<br />

Klar gibt es auch mal einen Tag, an<br />

dem ich lieber im Bett bleiben möchte<br />

– meistens dann, wenn ich wieder mal<br />

mit meinem Kopf gegen eine gesellschaftliche<br />

Hürde gelaufen bin. Aber<br />

spätestens im Bett wird mir dann klar,<br />

dass es Zeit ist zu überlegen, wie diese<br />

Hürde zu umgehen, zu übersteigen, zu<br />

untergraben oder zu durchstossen ist<br />

– womit wir ja wieder beim Thema wären:<br />

Es gibt noch viel zu tun für uns<br />

Transmenschen!<br />

«Ich denke, es ist falsch,<br />

einem Vorbild wie<br />

Caitlyn nachzueifern –<br />

jeder Transmensch<br />

soll seinen eigenen Stil<br />

entwickeln.»<br />

Konkret – welche Hürden müssen aus<br />

dem Weg geschafft werden?<br />

Für mich gibt es drei Arten von Problemen.<br />

Als Erstes nenne ich die Vorurteile<br />

der Gesellschaft, das Zweite sind<br />

die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

und schliesslich gibt es noch die absolut<br />

unnötigsten, nämlich die systembedingten,<br />

technischen Probleme. Gerade<br />

Letztere wären einfach zu<br />

beheben. Es gab beispielsweise einen<br />

«Herrn Claudia Sabine Meier». Eigentlich<br />

wäre es ja ein Leichtes, dem System<br />

beizubringen, dass es einfach die<br />

Anrede ändern soll. Auch um rechtliche<br />

Hürden zu meistern, benötigen die<br />

Betroffenen meist sehr viel Kraft,<br />

Ausdauer und oft auch ein gutes finanzielles<br />

Polster. Einen grossen<br />

Raum nehmen die zuerst genannten<br />

Probleme ein, die Vorurteile in den<br />

Köpfen der Gesellschaft. Ich wünschte<br />

mir oft, es gäbe mehr Transmenschen,<br />

die eine erfolgreiche Geschichte erzählen,<br />

denn meist liest man halt von<br />

tragischen Schicksalen.<br />

Klar ist, dass iene, die in den Fokus<br />

der Medien geraten, nie mehr in die<br />

Anonymität abtauchen können – das<br />

ist der Preis, der zu zahlen ist. Dennoch<br />

bin ich überzeugt, dass gute Berichte<br />

dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.<br />

Um das Gespräch optimistisch zu<br />

schlies sen: Welches ist dein persönliches<br />

Highlight in Sachen Fortschritt?<br />

Mein Highlight ist die Anerkennung,<br />

die mir vom Militär zuteil wurde.<br />

Denn es war wegen meiner Vergangenheit<br />

nicht ganz einfach, als tauglich<br />

erklärt zu werden – die militärische<br />

Krankheitslehre glaubt noch<br />

immer, dass Transmenschen zwingend<br />

untauglich sind. Dennoch ist es mir<br />

gelungen, anerkannt zu werden! Noch<br />

während des Kosovoeinsatzes wurde<br />

ich angefragt, ob ich Interesse hätte,<br />

als Leiterin des Verpflegungszentrums<br />

in Stans tätig zu sein – mehr Anerkennung<br />

kann ich kaum verlangen. Mir<br />

scheint, als hätte sich auch in der Armee<br />

viel punkto Vorurteil und Stigma<br />

zum Guten gewendet.<br />

Zur Person:<br />

Claudia Sabine Meier wurde als<br />

Andreas 1968 in Bern geboren. Als gelernter<br />

Koch übernahm sie die Direktion<br />

des Viersternehotels «Schwefelberg-Bad»<br />

im Berner Gantrischgebiet.<br />

Sie heiratete, wurde Vater und realisierte,<br />

dass sie der Transsexualität<br />

nicht entrinnen konnte. Seit 2010 lebt<br />

Andreas als Claudia Meier. 2012 zog<br />

sie vor Gericht, um ihren Namen und<br />

ihren Persönlichkeitsstatus zu ändern,<br />

ohne die dafür nötige geschlechtsangleichende<br />

Operation vorzunehmen –<br />

sie gewann den Kampf und schuf damit<br />

zwei Präzedenzfälle in der Schweiz.<br />

Heute hat Claudia Meier das Hotel verkauft<br />

und entschied sich entsprechend<br />

ihrem Wunsch von 1991, einen friedensfördernden<br />

Einsatz im Kosovo zu<br />

leisten; im Anschluss daran übernahm<br />

sie das Verpflegungszentrum in Stans.<br />

Sie ist derzeit Single und taucht in ihrer<br />

Freizeit regelmässig im Vierwaldstättersees<br />

oder fährt mit dem Töff<br />

um den See.<br />

FOTO: PD<br />

28 <strong>Cruiser</strong> <strong>Edition</strong> <strong>Sommer</strong> | <strong>2015</strong>

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