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SPORT I<br />
Yamaha TZ 350-3<br />
ein tapferer Kämpfer. Katayamas Sieg in<br />
Anderstorp, nach einem harten Zweikampf<br />
mit Kork Ballington in der letzten<br />
Kurve, führte zu einigem Gemurmel und<br />
Geraune über seinen Fahrstil und bescherte<br />
ihm den heute noch bekannten Spitznamen<br />
„Kamikaze“. Der nahm es gelassen,<br />
und es passte zu seiner Vorliebe für Straßenrennkurse,<br />
dass er beim Lauf zum finnischen<br />
GP in Imatra seinen fünften GP-<br />
Sieg in acht Rennen einfuhr, nachdem er<br />
bei einsetzendem Regen auf Slicks an Tom<br />
Herron und Jon Ekerold vorbeipreschte<br />
und so zum ersten japanischen Motorrad-<br />
Weltmeister wurde. Obwohl er die beiden<br />
letzten Rennen in Brünn und Silverstone<br />
ausließ, hatte Katayama am Ende doppelt<br />
so viele Punkte auf dem Konto wie der<br />
Zweitplatzierte Herron.<br />
Die Bosse in Japan waren beschämt<br />
angesichts der Tatsache, dass der Triple<br />
das Werksmotorrad so klar geschlagen<br />
hatte. Schade, denn Mr. Kuratomo mochte<br />
das Projekt und kurzzeitig gab es Pläne<br />
für einen neuen Motor mit Magnesiumgehäuse.<br />
Doch kurz nach dem ersten Sieg<br />
von Katayama mit dem neuen, stärkeren<br />
Bike in der Saison 1978 in Venezuela wurde<br />
alles gestoppt und er durfte es nicht<br />
mehr fahren. Kent Andersson glaubte zu<br />
wissen, warum. „Im Werk war man sehr<br />
aufgebracht, denn man hatte gerade die<br />
neue RD 350 LC in Arbeit. Hier bieten<br />
sie also einen ‚Renner mit Licht‘ für die<br />
Straße an, und wir haben die Straßen<br />
Weltmeisterschaft mit einer Yamaha gewonnen,<br />
die nicht mal von Yamaha gebaut<br />
wurde. Ich bin sicher, deswegen wurde<br />
uns der Einsatz 1978 untersagt.“<br />
Diese kurzsichtige Entscheidung bedeutete,<br />
dass Yamaha nie wieder einen<br />
WM-Titel in der 350er-Klasse erringen<br />
sollte, bevor die Kategorie Ende 1982 eingestellt<br />
wurde. Jon Ekerolds WM-Krone<br />
1980 wurde offiziell auf einer Bimota gewonnen,<br />
und Kawasaki errang alle anderen<br />
Titel. Das war umso bedauerlicher,<br />
weil die 87 PS bei 12 300/min, welche die<br />
TZ 350-3 laut Ferry Brouwer Ende 1977<br />
leistete und die sich als standfest erwiesen,<br />
nicht nur sehr achtbar gegenüber den 78<br />
PS einer sehr gut gehenden TZ 350 waren,<br />
sondern sich auch mit den 82 PS der letzten<br />
ultimativen Rivalin von Kawasaki, der<br />
KR 350 mit dem Drehschieber-Twin messen<br />
konnten. Erst die 90 PS starke Square<br />
Four-RTM schaffte es 1981, stärker und<br />
schneller als Yamahas Triple zu sein.<br />
Nach gelegentlichen Einsätzen als<br />
Forschungsobjekt an der Universität in<br />
Belfast und bei irischen Straßenrennen<br />
holte Ferry Brouwer das Weltmeisterbike<br />
zurück nach Holland, wo er es zusammen<br />
mit seinem Freund Kent Andersson akribisch<br />
in den Originalzustand versetzte.<br />
Als Ferry mir also die Chance bot, diese<br />
Der links angeschweißte<br />
dritte Zylinder fällt nicht<br />
auf – der Triple wirkt wie<br />
aus einem Guss<br />
Ikone in Misano zu fahren, musste er garantiert<br />
nicht zweimal fragen. Die Sitzposition<br />
auf der TZ 350-3 ist sehr 70ertypisch<br />
– man sitzt gefühlt mehr in als auf<br />
dem Bike, in Position gequetscht hinter<br />
dem überdimensionalen 25-Liter-Tank,<br />
der nötig war, um dem größeren Durst des<br />
Dreizylinders gerecht zu werden. Die Fußrasten<br />
sind enorm hoch montiert, zu hoch<br />
für mich, um meine Stiefelspitzen darauf<br />
zu platzieren, wenn ich denn in den<br />
Hanging-off-Fahrstil verfallen wollte. Beim<br />
Fahren merkt man nichts von der einseitigen<br />
Motorlage, und der Motor ist hoch genug<br />
im Rahmen eingepflanzt, sodass selbst<br />
in den schnellen Linkskurven unter Einsatz<br />
aller Gripreserven der heute montierten<br />
Avon-Reifen nichts aufsetzt.<br />
Der Triple ist schwer, aber stark<br />
Beim Schiebestart scheint sich der Triple<br />
tatsächlich ein wenig wuchtiger anzufühlen<br />
als der Twin, wobei der Start ohnehin<br />
eine eigene Kunst ist, wie ich oft leidvoll<br />
erfahren musste. Doch ich befinde mich<br />
da in guter Gesellschaft, seit Kent Andersson<br />
gestand, dass Ago sie nie richtig<br />
starten konnte. So erklärt sich auch seine<br />
Aufholjagd durchs gesamte Feld beim<br />
Triple-Debüt in Hockenheim. Man muss<br />
lernen, die TZ beim ersten Lebenszeichen<br />
mit der Kupplung „einzufangen“, langsam<br />
ans Gas zu gehen und den Motor auf<br />
Drehzahl zu bringen, bevor man ihr dann<br />
die Sporen gibt. Bemerkenswert sind die<br />
deutlichen Vibra tionen des 120-Grad<br />
Motors ganz unten und in der Mitte, die<br />
bei Drehzahlen über 9000/min allmählich<br />
verschwinden und sich dort ein sanfterer<br />
Lauf einstellt. Es half übrigens ebenfalls<br />
nicht besonders, dass die TZ für einen<br />
warmen italienischen Sommertag viel zu<br />
fett bedüst war. Dazu kam, dass die Yamaha<br />
zu lang übersetzt war. Ich konnte nie<br />
mit Vollgas im letzten Gang die Misano-<br />
Gegengerade runterbrennen und musste<br />
gar vier Mal pro Runde in den Ersten<br />
schalten, der erstens sehr kurz ist und<br />
zweitens unter dem Leerlauf liegt, wenn<br />
man vom Zweiten runterschaltet, was<br />
mich mehr als ein Mal antriebslos in die<br />
Schikane rollen ließ.<br />
Versuche, den Grip der Avons zu<br />
nutzen und mit mehr Speed im Zweiten<br />
durchzukommen, funktionierten nicht<br />
wirklich, denn unterhalb von 8000/min<br />
liefert der Triple keine, wirklich gar keine<br />
Leistung. Und der heftige Schlag, den der<br />
Motor dir versetzt, wenn die Leistung einsetzt,<br />
schürt den dringlichen Wunsch, die<br />
Drehzahl jederzeit im oberen Bereich zu<br />
halten. Verhungern im Zweiten war also<br />
112 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 5/<strong>2015</strong> www.motorrad-classic.de