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MOTORRAD Classic 5/2015

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SPORT I<br />

Yamaha TZ 350-3<br />

ein tapferer Kämpfer. Katayamas Sieg in<br />

Anderstorp, nach einem harten Zweikampf<br />

mit Kork Ballington in der letzten<br />

Kurve, führte zu einigem Gemurmel und<br />

Geraune über seinen Fahrstil und bescherte<br />

ihm den heute noch bekannten Spitznamen<br />

„Kamikaze“. Der nahm es gelassen,<br />

und es passte zu seiner Vorliebe für Straßenrennkurse,<br />

dass er beim Lauf zum finnischen<br />

GP in Imatra seinen fünften GP-<br />

Sieg in acht Rennen einfuhr, nachdem er<br />

bei einsetzendem Regen auf Slicks an Tom<br />

Herron und Jon Ekerold vorbeipreschte<br />

und so zum ersten japanischen Motorrad-<br />

Weltmeister wurde. Obwohl er die beiden<br />

letzten Rennen in Brünn und Silverstone<br />

ausließ, hatte Katayama am Ende doppelt<br />

so viele Punkte auf dem Konto wie der<br />

Zweitplatzierte Herron.<br />

Die Bosse in Japan waren beschämt<br />

angesichts der Tatsache, dass der Triple<br />

das Werksmotorrad so klar geschlagen<br />

hatte. Schade, denn Mr. Kuratomo mochte<br />

das Projekt und kurzzeitig gab es Pläne<br />

für einen neuen Motor mit Magnesiumgehäuse.<br />

Doch kurz nach dem ersten Sieg<br />

von Katayama mit dem neuen, stärkeren<br />

Bike in der Saison 1978 in Venezuela wurde<br />

alles gestoppt und er durfte es nicht<br />

mehr fahren. Kent Andersson glaubte zu<br />

wissen, warum. „Im Werk war man sehr<br />

aufgebracht, denn man hatte gerade die<br />

neue RD 350 LC in Arbeit. Hier bieten<br />

sie also einen ‚Renner mit Licht‘ für die<br />

Straße an, und wir haben die Straßen­<br />

Weltmeisterschaft mit einer Yamaha gewonnen,<br />

die nicht mal von Yamaha gebaut<br />

wurde. Ich bin sicher, deswegen wurde<br />

uns der Einsatz 1978 untersagt.“<br />

Diese kurzsichtige Entscheidung bedeutete,<br />

dass Yamaha nie wieder einen<br />

WM-Titel in der 350er-Klasse erringen<br />

sollte, bevor die Kategorie Ende 1982 eingestellt<br />

wurde. Jon Ekerolds WM-Krone<br />

1980 wurde offiziell auf einer Bimota gewonnen,<br />

und Kawasaki errang alle anderen<br />

Titel. Das war umso bedauerlicher,<br />

weil die 87 PS bei 12 300/min, welche die<br />

TZ 350-3 laut Ferry Brouwer Ende 1977<br />

leistete und die sich als standfest erwiesen,<br />

nicht nur sehr achtbar gegenüber den 78<br />

PS einer sehr gut gehenden TZ 350 waren,<br />

sondern sich auch mit den 82 PS der letzten<br />

ultimativen Rivalin von Kawasaki, der<br />

KR 350 mit dem Drehschieber-Twin messen<br />

konnten. Erst die 90 PS starke Square<br />

Four-RTM schaffte es 1981, stärker und<br />

schneller als Yamahas Triple zu sein.<br />

Nach gelegentlichen Einsätzen als<br />

Forschungsobjekt an der Universität in<br />

Belfast und bei irischen Straßenrennen<br />

holte Ferry Brouwer das Weltmeisterbike<br />

zurück nach Holland, wo er es zusammen<br />

mit seinem Freund Kent Andersson akribisch<br />

in den Originalzustand versetzte.<br />

Als Ferry mir also die Chance bot, diese<br />

Der links angeschweißte<br />

dritte Zylinder fällt nicht<br />

auf – der Triple wirkt wie<br />

aus einem Guss<br />

Ikone in Misano zu fahren, musste er garantiert<br />

nicht zweimal fragen. Die Sitzposition<br />

auf der TZ 350-3 ist sehr 70ertypisch<br />

– man sitzt gefühlt mehr in als auf<br />

dem Bike, in Position gequetscht hinter<br />

dem überdimensionalen 25-Liter-Tank,<br />

der nötig war, um dem größeren Durst des<br />

Dreizylinders gerecht zu werden. Die Fußrasten<br />

sind enorm hoch montiert, zu hoch<br />

für mich, um meine Stiefelspitzen darauf<br />

zu platzieren, wenn ich denn in den<br />

Hanging-off-Fahrstil verfallen wollte. Beim<br />

Fahren merkt man nichts von der einseitigen<br />

Motorlage, und der Motor ist hoch genug<br />

im Rahmen eingepflanzt, sodass selbst<br />

in den schnellen Linkskurven unter Einsatz<br />

aller Gripreserven der heute montierten<br />

Avon-Reifen nichts aufsetzt.<br />

Der Triple ist schwer, aber stark<br />

Beim Schiebestart scheint sich der Triple<br />

tatsächlich ein wenig wuchtiger anzufühlen<br />

als der Twin, wobei der Start ohnehin<br />

eine eigene Kunst ist, wie ich oft leidvoll<br />

erfahren musste. Doch ich befinde mich<br />

da in guter Gesellschaft, seit Kent Andersson<br />

gestand, dass Ago sie nie richtig<br />

starten konnte. So erklärt sich auch seine<br />

Aufholjagd durchs gesamte Feld beim<br />

Triple-Debüt in Hockenheim. Man muss<br />

lernen, die TZ beim ersten Lebenszeichen<br />

mit der Kupplung „einzufangen“, langsam<br />

ans Gas zu gehen und den Motor auf<br />

Drehzahl zu bringen, bevor man ihr dann<br />

die Sporen gibt. Bemerkenswert sind die<br />

deutlichen Vibra tionen des 120-Grad­<br />

Motors ganz unten und in der Mitte, die<br />

bei Drehzahlen über 9000/min allmählich<br />

verschwinden und sich dort ein sanfterer<br />

Lauf einstellt. Es half übrigens ebenfalls<br />

nicht besonders, dass die TZ für einen<br />

warmen italienischen Sommertag viel zu<br />

fett bedüst war. Dazu kam, dass die Yamaha<br />

zu lang übersetzt war. Ich konnte nie<br />

mit Vollgas im letzten Gang die Misano-<br />

Gegengerade runterbrennen und musste<br />

gar vier Mal pro Runde in den Ersten<br />

schalten, der erstens sehr kurz ist und<br />

zweitens unter dem Leerlauf liegt, wenn<br />

man vom Zweiten runterschaltet, was<br />

mich mehr als ein Mal antriebslos in die<br />

Schikane rollen ließ.<br />

Versuche, den Grip der Avons zu<br />

nutzen und mit mehr Speed im Zweiten<br />

durchzukommen, funktionierten nicht<br />

wirklich, denn unterhalb von 8000/min<br />

liefert der Triple keine, wirklich gar keine<br />

Leistung. Und der heftige Schlag, den der<br />

Motor dir versetzt, wenn die Leistung einsetzt,<br />

schürt den dringlichen Wunsch, die<br />

Drehzahl jederzeit im oberen Bereich zu<br />

halten. Verhungern im Zweiten war also<br />

112 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 5/<strong>2015</strong> www.motorrad-classic.de

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