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Festival der Künste 2009 Acht Seiten Schwarz-Special Michel Comte

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28zett 2–09 / forschungindien, april <strong>2009</strong>„Imagine Peace!“, ein Workshop des InstitutsDesign2context in Kooperation mit Khoj,International Artists’ Association, fand in NewDelhi vom 15.–19. April <strong>2009</strong> statt, in Verbindungmit dem internationalen <strong>Festival</strong> politischerFilme „Persistence Resistance“ des IndiaInternational Centres. Am Workshop warenzwölf Künstler und Designerinnen aus Indien,Pakistan, Sri Lanka und den Kaschmir-Regionenbeteiligt, unter <strong>der</strong> Leitung von Pooja Sood. DieZusammenarbeit mit Design2context geht aufeine Anregung von Lillian Fellmann zurück,wurde vorbereitet von Maru Martinez und vorOrt durchgeführt von Clemens Bellut*.Die Studios von Khoj liegen im Süden Delhis, auf gleicherHöhe mit dem selbst für europäische Verhältnisse geradezuunerträglich verschwen<strong>der</strong>ischen Einkaufszentrum SelectCitywalk – aber auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Seite in einemillegal und unorganisiert entstandenen kleinen, armseligenStadtteil aus eng gesetzten Bauten.Die Arbeitssituation ist Teil eines Forschungsprojekts, dasunter dem Titel „Imagine Peace!“ am Institut Design2context<strong>der</strong> ZHdK durch Ruedi Baur initiiert worden ist. Den grundlegendenImpuls dazu hat es von <strong>der</strong> Auffälligkeit, dass esheute, an<strong>der</strong>s als in den 70er- und 80er-Jahren, so ausserGebrauch gekommen ist, sich in einer visuellen Sprache von„Frieden“ zu artikulieren. Die Suche, Sammlung und Untersuchung<strong>der</strong> visuellen Sprache von „Frieden“ findet auf dreiWegen statt: in einem Web-Archiv (peace.zhdk.ch), in einerkritischen visuellen „Enzyklopädie“, die 2010 im Verlag LarsMüller Publishers erscheinen wird, und in internationalenWorkshops mit Grafikern, Fotografinnen und Künstlern (bislangaus El Salvador, Brasilien, China, Spanien, Indien). Dieleitende Hypothese ist, dass <strong>der</strong> auffällige und doch kaum bemerkteVerlust <strong>der</strong> Imaginationsfähigkeiten womöglich teilhatan den <strong>der</strong>zeitigen Unfriedfertigkeiten in <strong>der</strong> Welt – unddass es womöglich einer Neubelebung dieser Imaginationskraftbedarf. Dazu kann die Forschung und die internationaleZusammenarbeit ein Beitrag sein.Gleichzeitig erschwerend und thematisch beför<strong>der</strong>nd warenin Delhi die untereinan<strong>der</strong> wirkenden politischen und religiösenSpannungen (Indien–Pakistan, Indien–Sri Lanka, Indien–Kaschmir),die <strong>der</strong> Fragestellung eine unausweichlichePräsenz gegeben haben. Viele <strong>der</strong> Künstlerinnen und Designer– und entsprechend auch ihre Arbeiten – sind von dengrausamen und anhaltenden Erfahrungen von Krieg, Gewaltund Terror gezeichnet. Gegen die europäische Perspektivehaben sie vehement die unerbittliche Kritik aufgrund ihrerpolitischen Erfahrung vorgebracht, dass kein Begriff und keinBild von „Frieden“ für sie je brauchbar sein werde, seitdemdie politischen und militärischen Repressionsmächte dieRede von „Frieden“ unhintergehbar okkupiert haben. Wervon „Frieden“ spricht, signalisiert seine Kollaboration mitden Unterdrückern. Zu <strong>der</strong>selben Zeit in Delhi vorgebracht,als <strong>der</strong> Bürgerkrieg in Sri Lanka zu seinem letzten Höhepunktim vernichtenden Sieg <strong>der</strong> Regierungstruppen über die TamileTigers im Norden des Landes getrieben wurde, wo Tausendehilfloser Menschen vermutlich von beiden <strong>Seiten</strong> hingemetzeltworden sind.Die Workshop-Arbeit konnte sich erst freier machen, als wiruns an <strong>der</strong> Frage orientiert haben, was sich in den Blick stellt,wenn von etwas wie „Frieden“ die Rede ist. Von dort aus habensich bildliche Realisierungen entwickelt, die alles Vordenklichehinter sich gelassen haben: schlicht mit Kohle zuPapier gebrachte Ornament-Elemente, häufige bildliche Präsenzerinnerter familiärer Situationen vor Zerstörung, Mordund Vertreibung (Gargi Raina, Sajad Malik, T. Sanathanan),erschütternde filmische Frauenporträts von Flüchtlingen in<strong>der</strong> Kashmir-Region (Sonia Jabbar) usw.Heuristisch haben wir unterschieden, was wir als sprachlicheund bildliche Rede von „Frieden“ kennen: zunächst als Abwesenheitvon Krieg und Gewalt („no war!“); dann das, waswir als paradiesischen „Frieden“ <strong>der</strong> Unschuld, <strong>der</strong> Abwesenheitvon Wi<strong>der</strong>sprüchen verwenden; und schliesslich, was wir– so selten – als zivilbürgerliche Haltung <strong>der</strong> Austragung vonDisharmonie, Ungleichheit und Differenzen denken können.Aber über das eigentliche „Friedens“-Thema hinaus war dasgestalterische Experiment von überraschenden Erfahrungenbegleitet: Keinem <strong>der</strong> Künstler und Designerinnen gegenüberstellt sich die sonst so bohrende Frage, warum sie dastun, was sie tun. Und dort von Indien aus hat sich die Fragedes Verhältnisses von Kunst und Design nicht nur nicht gestellt,son<strong>der</strong>n in einer entscheidenden Hinsicht sozusagenkraftvoll entrüstet: Sie unterscheiden nicht so sehr Kunst undDesign als vielmehr eine kontextlose Kunst von einer Kunst,die mitten im Leben steht – in gesellschaftlichen, politischen,alltäglichen Wirkungszusammenhängen, die die Übergängezum Design unkenntlich machen. Bezeichnen<strong>der</strong>weise istnirgendwo sonst <strong>der</strong> Institutsname Design2context so ausdrücklichselbstverständlich genommen worden, als fragloseZuversicht einer Zusammenarbeit, die einige <strong>der</strong> Künstlerinnenund Designer dort ausdrücklich suchen.* Clemens Bellut, Philosoph, ist stellvertreten<strong>der</strong> Leiter des Instituts Design-2context, Departement Design (clemens.bellut@zhdk.ch).Teilnehmende Künstlerinnen und Designer:Madhushree Dutta (Bombay, film maker)Gargi Raina (Baroda, artist)Gigi Scaria (Delhi, artist)Sonia Jabbar (Delhi, journalist)Jagath Weerasinghe (Colombo, artist-academician)Vasudha Thozur (Baroda, artist)Gwendolyn Kulick (Lahore, designer)Sajad Malik (Srinagar, artist)Showket Kathjoo (Srinagar, artist-teacher)Wasim Wani (Aligarh, artist-teacher)Sonal Jain (Guwahati, film maker, photographer)T. Sanathanan (Jaffna, artist)Weitere Informationen: http://khojworkshop.org)

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