privat bank ag - Kunsthandel Widder
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LENE SCHNEIDER-KAINER<br />
Wien 1885 –1971 Cochabamba, Bolivien<br />
Die in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Wien hineingeborene Helene Schneider-Kainer<br />
genoss den Luxus einer tatkräftigen Unterstützung elterlicherseits, um eine in dieser Zeit für<br />
Frauen unübliche, umfassende künstlerische und humanistische Bildung erfahren zu können.<br />
Die vielseitige Künstlerin nützte diese Gelegenheit in unterschiedlichsten Richtungen und<br />
versuchte sich als Fotografin, Regieassistentin, Modeschöpferin, Bühnenbildnerin, sowie in<br />
der architekturtechnischen Zeichnung. Dieser ganzheitliche Kunstbegriff entsprach seit dem<br />
Jugendstil einem Zeitphänomen, war jedoch in diesem Ausmaß für eine Frau in den 20er Jahren<br />
überaus ungewöhnlich. Bereits 1917 gelang dem Mitglied der abgespaltenen Freien Secession<br />
eine von Kritikern hochgelobte Ausstellung im renommierten Berliner Kunstsalon Gurlitt,<br />
wodurch sich die Künstlerin rasch in der Haute-Volleé Berlins etablierte. Nach Aufenthalten<br />
in Paris und Amsterdam und neuerlichen Ausflügen ins Bühnenfach, eng<strong>ag</strong>ierte das Berliner<br />
T<strong>ag</strong>blatt die Künstlerin, den Schriftsteller Bernhard Keller auf einer zweijährigen Asienreise als<br />
Dokumentationsmalerin zu begleiten.<br />
Im Erfahrungsschatz dieser Expedition entstand auch unsere Dorflandschaft in Kaschmir.<br />
Man erkennt im Bildmittelgrund zwei mit Rückenkörben schwer beladene Frauen, die mit ihrem<br />
Kind zu einem sich in die Tiefe schlängelnden Bach gehen, um Wasser zu holen oder Wäsche<br />
zu waschen. Mit dem analytischen Blick der Naturforscherin wird die üppige Palmenvegetation<br />
blattweise wiedergegeben, wobei sie in ihrem ungestüm wuchernden Strich den Gegensatz zu<br />
den blockhaften Hütten im Hintergrund und der konstruierten Holzbrücke imunmittelbaren<br />
Vordergrund betont. Die Bilder aus den Report<strong>ag</strong>en dieser ausgedehnten kultur-, sozial- und<br />
naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurden in zahlreichen berühmten M<strong>ag</strong>azinen der 20er<br />
Jahre abgedruckt, darunter auch in der Vogue. Vorliegendes Gemälde ist deshalb eine zeitdokumentarische<br />
Rarität im Werk einer noch umfassender zu entdeckenden Wiener Künstlerin. Für<br />
die österreichische Kunstgeschichte stellt die Malerin Schneider-Kainer ein seltenes Beispiel eines<br />
neuen emanzipierten Künstlerinnentypus dar, der mit einem großen Entdeckungsdrang und<br />
einer unüblichen Aufgeschlossenheit fremdländischer Kulturen gegenüber ausgestattet war.<br />
72 ÖSTERREICHISCHE MODERNE IM AUSLAND