Stahlbau-Nachrichten 01/2007 - Verlagsgruppe Wiederspahn
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<strong>Stahlbau</strong>-<strong>Nachrichten</strong> Bauen im Bestand 7<br />
Die alte Stadt erwacht zu neuem Leben<br />
Altbausanierung in Berlin-Kreuzberg<br />
Noch in den 1980ern lag die Bergmannstraße<br />
in Kreuzberg mit ihren dunklen und<br />
unsanierten Häusern am Rande des Geschehens.<br />
Hierhin verirrten sich vor allem diejenigen,<br />
die in den zahlreichen Trödelläden<br />
nach Brauchbarem für ihre Wohnungseinrichtung<br />
stöberten.<br />
Beispielhafte Stadtreparatur<br />
Dies änderte sich in den 1990er-Jahren. Der frische<br />
Wind der Wiedervereinigung ermutigte viele, sich<br />
mit neuen Geschäftsideen in die Selbstständigkeit<br />
zu wagen. Hatten sich noch Jahre zuvor Hausbesetzer<br />
der vernachlässigten Häuser bemächtigt, so<br />
erwachte jetzt neues Interesse der Besitzer an ihren<br />
Gebäuden. Das um den Chamissoplatz gelegene<br />
Viertel erfreut sich heute dank seiner mit der historischen<br />
Bebauung erhaltenen Atmosphäre größter<br />
Beliebtheit bei Wohnungssuchenden.<br />
Die Häuser in der Bergmannstraße 102 und 103<br />
fanden einen neuen Eigentümer, der nach Zusammenlegung<br />
der Grundstücke hier auf hohem gestalterischem<br />
und technischem Niveau Beispielhaftes<br />
für die Stadtreparatur, nach den Wellen von Abrisssanierung<br />
der Nachkriegszeit und behutsamer<br />
Stadterneuerung als Antwort hierauf, leistete.<br />
Hatte in den Gründerzeiten Berlins die Tempelhofer<br />
Vorstadt noch vor den Mauern Berlins gelegen, so<br />
entstand hier infolge des einsetzenden Baubooms<br />
quasi ein gründerzeitliches Gewerbegebiet: Händler<br />
für Holz und anderes Baumaterial legten am Fuße<br />
des Kreuzbergs ihre Lager an. Im Laufe der Zeit<br />
wurden auch hier die Grundstücke bebaut. Es entstanden<br />
die für Kreuzberg typischen Gebäude mit<br />
einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten in dichter<br />
Blockstruktur. So fügte sich auch auf dem Grundstück<br />
Bergmannstraße 102–103 ein Gewerbehof<br />
mit drei- bzw. viergeschossigen Wohngebäuden an<br />
der Straße und einem fünfgeschossigen Bau und<br />
Fabriketagen im Blockinneren ein.<br />
Schrittweise erfolgte die Umgestaltung des Areals.<br />
Damit veränderte sich zugleich auch die Gewerbestruktur:<br />
Das für Kreuzberg typische Gewerbe – Maschinenbau,<br />
Wagen-Werkstatt, Silberwarenfabrik<br />
– wich Dienstleistungen wie Grafik-Design, Sportstudio,<br />
Arzt- und Rechtsanwaltspraxen.<br />
Gründerzeitgebäude in Berlin<br />
© Michael J. Schädler<br />
Zunächst wurden die straßenseitigen Wohnhäuser<br />
um eine Etage auf die Höhe der Nachbargebäude<br />
aufgestockt, um eine durchlaufende »Berliner Trauflinie«<br />
von 18 m herzustellen. Zugleich wurden die<br />
Dachgeschosse ausgebaut. Dabei war die Gestaltungsabsicht,<br />
dem Auge beim Blick auf die Straße<br />
an dieser Stelle einen Point de Vue zu bieten. So<br />
entstanden an der Fassade Rückterrassierungen mit<br />
darüber in die Straße hineingeschobenen, weit ausschwingenden<br />
Kupferdächern. In Verbindung mit<br />
der großzügigen Verglasung bildet der Neubauteil<br />
eine eigenständige Ergänzung zum bestehenden<br />
Alten, ganz ohne Anbiederung und bloße Nachahmung<br />
des Alten.<br />
Die Fassade wurde, entgegen historischen Bauten,<br />
mit einem Glattputz versehen. Dieser wurde in<br />
Anlehnung an historische Vorbilder mit den im<br />
Klassizismus gebräuchlichen Farben Rot und Blau in<br />
Wischtechnik gestrichen; die übersteigerte Wolkigkeit<br />
des Anstrichs wiederum trägt als Ersatz für den<br />
Stuck zur Lebendigkeit und Ästhetik der Fassade<br />
bei.<br />
Bergmannstraße 103<br />
© Linus Lintner<br />
Erdgeschosse<br />
In einem weiteren Schritt wurden die Erdgeschosse,<br />
früher bereits von Läden zu Wohnungen umgewandelt,<br />
wieder zu großzügigen Geschäftsräumen<br />
rückgebaut. Dabei wurden die Kellergeschosse mit<br />
einbezogen.<br />
Die Fensteröffnungen wurden vergrößert und mit<br />
einer ungewöhnlichen Schaufensterkonstruktion<br />
versehen: Auf eine Stahlkonstruktion aus U-Profilen<br />
wurden einzelne rahmenlose Glasscheiben<br />
geschraubt, durch Neoprenprofile thermisch getrennt.<br />
Die Fenster stehen als Kästen ähnlich den<br />
Oberschossen aus der Fassade heraus. Im Inneren<br />
wurden durch umfangreiche Stahl-Abfangungen<br />
große stützenfreie Räume geschaffen. Der gesamte<br />
Erdgeschossboden, etwa 1 m über Straßenniveau<br />
gelegen, wurde als Stahlbetonhohldielendecke<br />
erneuert; längs der Straße stellt eine 1,50 m breite<br />
Öffnung die Sichtverbindung zum Untergeschoss<br />
her.<br />
Mit dem Ladenumbau wurden die Hauseingänge,<br />
seit dem Umbau an der Straße gelegen, wieder in<br />
die Durchfahrten hineinverlegt. Die Durchfahrten<br />
selbst, vorher als Läden genutzt, wurden wieder