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115 / 1 - VICO Wissenschaftliches Antiquariat und Verlag OHG

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� 10<br />

Pierre Ramus erlitt in Frankreich ein blutiges Schicksal, als<br />

er 1571 in der berüchtigten Bartholomaeusnacht zu Paris<br />

ermordet worden ist. Er durchreiste zuvor auch Deutschland<br />

<strong>und</strong> erlebte dort zunächst einen triumphalen Erfolg.<br />

Zu Beginn des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde besonders im pro-<br />

testantischen Raum die Lehre von Ramus verurteilt <strong>und</strong><br />

teilweise in den Universitätstatuten als Lehrmethode<br />

verboten. Auch die Schriften von Ramus wurden teilweise<br />

vernichtet, so dass originale Schriftzeugnisse dieser<br />

Zeit besonderen Wert einnehmen.<br />

11-3 CUJAS, Jacques (1522-1590), Paratitla in libros quinquaginta Digestorum, seu Pandectarum<br />

Imperatoris Iustiniani. Köln (Coloniae Agrippinae), Apud Ioannem Gymnicum,<br />

sub Moncerote, 1570. Klein-Oktav. Titelblatt mit Druckersignet, (32), 335 S. Zeitgemäßer<br />

Halbpergamentband mit Buntpapierüberzug auf den Buchdeckeln. 750,--<br />

Frühe (dritte) Ausgabe der Paratitla von Cujas, erster deutscher (Raub-) Druck!<br />

Die 1570 erschienen Paratitla von Cujas, die hier erstmals in einem Raubdruck erschienen<br />

sind, sind der Versuch, die Digestentitel in ihrem Zusammenhang neu zu begründen. Mit<br />

dem Beginn des Erscheinens waren die Paratitla ein hochangesehenes, ja berühmtes Werk.<br />

Der ordo digestorum wird dem Leser verständlich gemacht <strong>und</strong> neu begründet. Es ist eine<br />

„epochemachende Arbeit von unvergänglichem Wert“ (Troje, Graeca leguntur, 161).<br />

III. GERICHT, PROZESS, ADVOKATUR:<br />

Entwicklung der Beweiswürdigung, Gerichtsentscheidungen <strong>und</strong> Präjudizien,<br />

Rechtsgutachten<br />

Der Vorwurf, der lange lebendig gehalten<br />

wurde, die humanistische<br />

Iurisprudenz sei eine rein akademische<br />

Rechtslehre gewesen, konnte schon durch die<br />

textkritischen Arbeiten, wenn nicht widerlegt, so<br />

doch erschüttert werden. Den alten Texten wieder<br />

ihren Glanz geben, war das immer wieder verwendete<br />

Motto auf den vielfachen Portraits von Andreas<br />

Alciat: Andreas prisco reddit sua jura nitori.<br />

Die verstärkte Einsetzung philologischer Mittel<br />

hatte zwei Ziele, die der Rechtspraxis unmittelbar<br />

dienten. Wird der Text richtig interpretiert,<br />

so muss man zwangsläufig zum gleichen Ergebnis<br />

kommen, so war die eine Gr<strong>und</strong>überzeugung. Die<br />

Subsumtionstechnik ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

für den Aufbau der Rechtspraxis, für die Ausbildung<br />

des gelehrten Richters <strong>und</strong> für die Bildung<br />

einer Advokatur. Sie ist auch Gr<strong>und</strong>voraussetzung,<br />

damit der Staat überhaupt Gesetze erlassen<br />

kann. Diese Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen waren<br />

in Europa nur vereinzelt gegeben. Die Suche<br />

nach dem richtigen Text bei der Interpretation des<br />

Corpus iuris civilis war das zweite Ziel. Die Schaffung<br />

einer einheitlichen Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />

war <strong>und</strong> ist eine für die Rechtspraxis eminent bedeutende<br />

Frage.<br />

Gerade in der Epoche der humanistischen<br />

Iurisprudenz blühte das Prozessrecht auf <strong>und</strong><br />

schuf bedeutende Werke. Den Anfang machte<br />

der größte Jurist in der Epoche der humanistischen<br />

Iurisprudenz Andreas Alciat, der zunächst<br />

in der Rechtspraxis tätig war. Bis zu seiner Berufung<br />

nach Avignon war er Rechtsanwalt in Mailand,<br />

von 1523 bis 1527 nahm er diese Tätigkeit<br />

wieder auf, nachdem die Vertragsverhandlungen in<br />

Avignon gescheitert waren. Alciat genehmigte 1538<br />

die Publikation einer prozessualen Vorlesungsreihe,<br />

mit der er die Präsumptionenlehre neu begründete.<br />

Ein von Alciat nicht autorisierter Text zum gesamten<br />

Prozessrecht fand ebenfalls ein wissensbegieriges<br />

Publikum.<br />

Die Voraussetzungen zur Einsetzung<br />

eines unabhängigen Richters bedürfen<br />

dieser Schritte. Die Frage des Beweisrechts<br />

<strong>und</strong> der Beweiswürdigung sind gr<strong>und</strong>legend<br />

in dieser Zeit. Eine freie Beweiswürdigung war<br />

dem Ius Commune noch fremd, die Ausbildung der<br />

Richter auf allen Instanzen ließ dies nicht zu. Die<br />

Rezeption des gelehrten Prozesses drang auch in<br />

das gebildete Bürgertum vor, wie das Lehrbuch von<br />

Ayrer beweist. Das Reichskammergericht, gegründet<br />

1495, war hälftig mit gelehrten Juristen besetzt.<br />

Diese Signalwirkung erfasste dann das gesamte<br />

Rechtswesen <strong>und</strong> schließlich auch die Juristenausbildung,<br />

die immer (noch) den gelehrten Juristen<br />

als Ausbildungsziel formuliert. Die Besetzung der<br />

Gerichte war schwierig, insbesondere der unteren<br />

Instanzen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wurden die Rechtsfakultäten<br />

zu Spruchkammern ausgeformt, eine<br />

auch durchaus lukrative Einnahmequelle für die<br />

Mitglieder der Juristenfakultäten. Bisweilen übertraf<br />

die Qualität der Spruchkammern die der Juristenfakultäten,<br />

etwa der berühmte Schöppenstuhl<br />

zu Leipzig, dessen prominentestes Mitglied Benedikt<br />

Carpzov war. Der Schöppenstuhl war nicht<br />

nur oberste Instanz, Ratgeber der ratsuchenden Untertanen,<br />

sondern auch urteilsschreibende Instanz

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