Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2/2012
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Politik<br />
NEUE UNTERSUCHUNGS- UND BEHANDLUNGSMETHODEN<br />
Innovationen auf Herz<br />
<strong>und</strong> Nieren geprüft<br />
Den Einen geht es nicht schnell genug, die Anderen haben die Ruhe<br />
weg. Hersteller, Krankenhäuser <strong>und</strong> Patienten fordern mehr Tempo<br />
bei der Einführung neuer Untersuchungs- <strong>und</strong> Behandlungsmethoden.<br />
Krankenkassen <strong>und</strong> der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss halten<br />
dagegen: Echte Innovationen sind so selten wie Goldstaub. Mit dem<br />
Versorgungsstrukturgesetz kommt jetzt die Erprobungsregelung für<br />
nicht-medikamentöse Produkte.<br />
Es war eine Frage der Zeit. Nachdem mit<br />
dem Arzneimittelmarktneuordungsgesetz<br />
(Amnog) 2010 die Nutzenbewertung<br />
für Arzneimittel eingeführt wurde,<br />
kommt jetzt auch die Nutzenbewertung<br />
für neue, nicht-medikamentöse Medizinprodukte<br />
<strong>und</strong> Verfahren. Derzeit werden<br />
sie noch mit dem CE-Zertifikat auf den<br />
Markt gebracht. Das Zulassungsverfahren<br />
sei sicher, argumentiert die Industrie, da<br />
die Anforderungen an die Wirksamkeit<br />
eines Produktes oder Verfahrens der höheren<br />
Risikoklassen streng seien <strong>und</strong> klinische<br />
Bewertungen voraussetzten. Absolut<br />
nicht ausreichend, urteilen hingegen<br />
der Spitzenverband der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung (GKV) <strong>und</strong> das Institut<br />
für Qualität <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
im Ges<strong>und</strong>heitswesen (IQWIG). Einzig<br />
<strong>und</strong> allein ein nachgewiesener medizinischer<br />
Nutzen oder Zusatznutzen mache<br />
ein neues Produkt zu einer Innovation.<br />
Nutzenbegriff erstmals im Gesetz<br />
Das Versorgungsstrukturgesetz, das im<br />
Januar <strong>2012</strong> in Kraft getreten ist, setzt<br />
zwischen diesen beiden Fronten an. „Gelangt<br />
der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />
bei der Prüfung von Untersuchungs- <strong>und</strong><br />
Behandlungsmethoden (…) zu der Feststellung,<br />
dass eine Methode das Potenzial<br />
einer Behandlungsmethode bietet,<br />
ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend<br />
belegt ist, kann der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />
(…) eine Richtlinie zur Erprobung<br />
beschließen, um die notwendigen<br />
Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens<br />
der Methode zu gewinnen“, heißt es<br />
im Gesetz. Das ist zwar ein ganzes Stück<br />
entfernt von einer serienmäßigen Nut-<br />
zenbewertung nicht-medikamentöser<br />
Produkte <strong>und</strong> Verfahren analog zur Nutzenbewertung<br />
von Arzneimitteln. Jürgen<br />
Windeler hat diese zum Verdruss des<br />
B<strong>und</strong>esverbandes Medizintechnologie<br />
(BVMed) schon gefordert, noch bevor er<br />
überhaupt sein Amt als IQWIG-Chef angetreten<br />
hat. Aber erstmals findet sich<br />
der Begriff des medizinischen Nutzens<br />
überhaupt in einem Gesetz wieder –<br />
„<strong>und</strong> das ist schon einmal ein Anfang“,<br />
sagt Windeler, „denn hier wird die Notwendigkeit<br />
einer Nutzenbewertung anerkannt.“<br />
Auch Mechtild Schmedders vom GKV-<br />
Spitzenverband begrüßt die Erprobungsregelung<br />
als ersten Schritt – nicht weniger,<br />
aber auch nicht mehr. Viel zu diffus<br />
sei der Begriff des Potenzials, außerdem<br />
müsse der Gesetzgeber klarstellen, in-<br />
ANTRAGSWAHN<br />
Das NUB-Verfahren treibt manchmal absonderliche<br />
Blüten. So beantragen manche<br />
Krankenhäuser einfach alles – ohne Rücksicht<br />
auf ihr Leistungsspektrum <strong>und</strong> was da<br />
eigentlich angeboten wird. Vor zwei Jahren<br />
etwa blamierten sich 18 Kliniken, als sie den<br />
NUB-Status für Petrophagizimab beantragten.<br />
Aus dem Formular geht hervor, dass der<br />
aus der seltenen Steinlaus (Anmerkung: Dieses<br />
Tier hat Loriot entdeckt!) gewonnene<br />
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bekämpfe. Der molekulare Wirkmechanismus<br />
sei 100 Prozent bio, die teilmurinen,<br />
monoklonalen Antikörper sollten am besten<br />
dem Trinkwasser beigemischt werden. Die<br />
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie <strong>und</strong><br />
Onkologie hatte sich diesen Spaß erlaubt<br />
<strong>und</strong> das Formular ins Netz gestellt.<br />
wieweit er die Hersteller finanziell in<br />
die Pflicht nehmen wolle. „Im Gr<strong>und</strong>e<br />
genommen hat alles Potenzial“, sagt<br />
Schmedders. „Auf diese Weise wäre jedes<br />
Verfahren in der Erprobung drin, der GBA<br />
könnte nichts mehr ausschließen, <strong>und</strong> die<br />
GKV müsste alles bezahlen.“ Zumindest<br />
was das Potenzial angeht, kann Rainer<br />
Hess sie vielleicht beruhigen. „Der Begriff<br />
,Methode mit Potenzial‘ muss durch den<br />
GBA zunächst noch genau abgegrenzt<br />
<strong>und</strong> konkretisiert werden“, sagt der unparteiische<br />
GBA-Vorsitzende. Gleichwohl<br />
kann er ihre Finanzierungssorgen damit<br />
nicht aus der Welt räumen. „Inwieweit<br />
die Hersteller an diesem Modell in einem<br />
angemessenen Maß finanziell beteiligt<br />
werden können, werden wir noch klären<br />
müssen.“<br />
Zu klären ist noch eine ganze Menge<br />
mehr. Bislang kommen neue Untersuchungs-<br />
<strong>und</strong> Behandlungsmethoden<br />
(NUB) – anders als im ambulanten Sektor,<br />
wo sie nur dann in den Leistungskatalog<br />
der Vertragsärzte aufgenommen<br />
werden, wenn der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />
(GBA) ihnen bescheinigt, dass<br />
sie nützlich, notwendig <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />
sind – in das Vergütungssystem der<br />
Krankenhäuser, ohne dass diese Kriterien<br />
systematisch geprüft werden. Seit fünf<br />
Jahren implantieren deutsche Chirurgen<br />
beispielsweise die sogenannte endovaskuläre<br />
Aortenklappe, eine künstliche<br />
Herzklappe, die über einen Katheter ins<br />
Herz eingebracht wird, sich dort mittels<br />
eines Ballons entfaltet <strong>und</strong> die kaputte<br />
Herzklappe verdrängt. Die Methode ist<br />
schonender als ein offener chirurgischer<br />
Eingriff <strong>und</strong> für Hochrisikopatienten<br />
<strong>Orthopädie</strong> <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | April <strong>2012</strong>