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Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2/2012

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142<br />

Politik<br />

NEUE UNTERSUCHUNGS- UND BEHANDLUNGSMETHODEN<br />

Innovationen auf Herz<br />

<strong>und</strong> Nieren geprüft<br />

Den Einen geht es nicht schnell genug, die Anderen haben die Ruhe<br />

weg. Hersteller, Krankenhäuser <strong>und</strong> Patienten fordern mehr Tempo<br />

bei der Einführung neuer Untersuchungs- <strong>und</strong> Behandlungsmethoden.<br />

Krankenkassen <strong>und</strong> der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss halten<br />

dagegen: Echte Innovationen sind so selten wie Goldstaub. Mit dem<br />

Versorgungsstrukturgesetz kommt jetzt die Erprobungsregelung für<br />

nicht-medikamentöse Produkte.<br />

Es war eine Frage der Zeit. Nachdem mit<br />

dem Arzneimittelmarktneuordungsgesetz<br />

(Amnog) 2010 die Nutzenbewertung<br />

für Arzneimittel eingeführt wurde,<br />

kommt jetzt auch die Nutzenbewertung<br />

für neue, nicht-medikamentöse Medizinprodukte<br />

<strong>und</strong> Verfahren. Derzeit werden<br />

sie noch mit dem CE-Zertifikat auf den<br />

Markt gebracht. Das Zulassungsverfahren<br />

sei sicher, argumentiert die Industrie, da<br />

die Anforderungen an die Wirksamkeit<br />

eines Produktes oder Verfahrens der höheren<br />

Risikoklassen streng seien <strong>und</strong> klinische<br />

Bewertungen voraussetzten. Absolut<br />

nicht ausreichend, urteilen hingegen<br />

der Spitzenverband der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung (GKV) <strong>und</strong> das Institut<br />

für Qualität <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit<br />

im Ges<strong>und</strong>heitswesen (IQWIG). Einzig<br />

<strong>und</strong> allein ein nachgewiesener medizinischer<br />

Nutzen oder Zusatznutzen mache<br />

ein neues Produkt zu einer Innovation.<br />

Nutzenbegriff erstmals im Gesetz<br />

Das Versorgungsstrukturgesetz, das im<br />

Januar <strong>2012</strong> in Kraft getreten ist, setzt<br />

zwischen diesen beiden Fronten an. „Gelangt<br />

der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />

bei der Prüfung von Untersuchungs- <strong>und</strong><br />

Behandlungsmethoden (…) zu der Feststellung,<br />

dass eine Methode das Potenzial<br />

einer Behandlungsmethode bietet,<br />

ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend<br />

belegt ist, kann der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />

(…) eine Richtlinie zur Erprobung<br />

beschließen, um die notwendigen<br />

Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens<br />

der Methode zu gewinnen“, heißt es<br />

im Gesetz. Das ist zwar ein ganzes Stück<br />

entfernt von einer serienmäßigen Nut-<br />

zenbewertung nicht-medikamentöser<br />

Produkte <strong>und</strong> Verfahren analog zur Nutzenbewertung<br />

von Arzneimitteln. Jürgen<br />

Windeler hat diese zum Verdruss des<br />

B<strong>und</strong>esverbandes Medizintechnologie<br />

(BVMed) schon gefordert, noch bevor er<br />

überhaupt sein Amt als IQWIG-Chef angetreten<br />

hat. Aber erstmals findet sich<br />

der Begriff des medizinischen Nutzens<br />

überhaupt in einem Gesetz wieder –<br />

„<strong>und</strong> das ist schon einmal ein Anfang“,<br />

sagt Windeler, „denn hier wird die Notwendigkeit<br />

einer Nutzenbewertung anerkannt.“<br />

Auch Mechtild Schmedders vom GKV-<br />

Spitzenverband begrüßt die Erprobungsregelung<br />

als ersten Schritt – nicht weniger,<br />

aber auch nicht mehr. Viel zu diffus<br />

sei der Begriff des Potenzials, außerdem<br />

müsse der Gesetzgeber klarstellen, in-<br />

ANTRAGSWAHN<br />

Das NUB-Verfahren treibt manchmal absonderliche<br />

Blüten. So beantragen manche<br />

Krankenhäuser einfach alles – ohne Rücksicht<br />

auf ihr Leistungsspektrum <strong>und</strong> was da<br />

eigentlich angeboten wird. Vor zwei Jahren<br />

etwa blamierten sich 18 Kliniken, als sie den<br />

NUB-Status für Petrophagizimab beantragten.<br />

Aus dem Formular geht hervor, dass der<br />

aus der seltenen Steinlaus (Anmerkung: Dieses<br />

Tier hat Loriot entdeckt!) gewonnene<br />

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bekämpfe. Der molekulare Wirkmechanismus<br />

sei 100 Prozent bio, die teilmurinen,<br />

monoklonalen Antikörper sollten am besten<br />

dem Trinkwasser beigemischt werden. Die<br />

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie <strong>und</strong><br />

Onkologie hatte sich diesen Spaß erlaubt<br />

<strong>und</strong> das Formular ins Netz gestellt.<br />

wieweit er die Hersteller finanziell in<br />

die Pflicht nehmen wolle. „Im Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen hat alles Potenzial“, sagt<br />

Schmedders. „Auf diese Weise wäre jedes<br />

Verfahren in der Erprobung drin, der GBA<br />

könnte nichts mehr ausschließen, <strong>und</strong> die<br />

GKV müsste alles bezahlen.“ Zumindest<br />

was das Potenzial angeht, kann Rainer<br />

Hess sie vielleicht beruhigen. „Der Begriff<br />

,Methode mit Potenzial‘ muss durch den<br />

GBA zunächst noch genau abgegrenzt<br />

<strong>und</strong> konkretisiert werden“, sagt der unparteiische<br />

GBA-Vorsitzende. Gleichwohl<br />

kann er ihre Finanzierungssorgen damit<br />

nicht aus der Welt räumen. „Inwieweit<br />

die Hersteller an diesem Modell in einem<br />

angemessenen Maß finanziell beteiligt<br />

werden können, werden wir noch klären<br />

müssen.“<br />

Zu klären ist noch eine ganze Menge<br />

mehr. Bislang kommen neue Untersuchungs-<br />

<strong>und</strong> Behandlungsmethoden<br />

(NUB) – anders als im ambulanten Sektor,<br />

wo sie nur dann in den Leistungskatalog<br />

der Vertragsärzte aufgenommen<br />

werden, wenn der Gemeinsame B<strong>und</strong>esausschuss<br />

(GBA) ihnen bescheinigt, dass<br />

sie nützlich, notwendig <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

sind – in das Vergütungssystem der<br />

Krankenhäuser, ohne dass diese Kriterien<br />

systematisch geprüft werden. Seit fünf<br />

Jahren implantieren deutsche Chirurgen<br />

beispielsweise die sogenannte endovaskuläre<br />

Aortenklappe, eine künstliche<br />

Herzklappe, die über einen Katheter ins<br />

Herz eingebracht wird, sich dort mittels<br />

eines Ballons entfaltet <strong>und</strong> die kaputte<br />

Herzklappe verdrängt. Die Methode ist<br />

schonender als ein offener chirurgischer<br />

Eingriff <strong>und</strong> für Hochrisikopatienten<br />

<strong>Orthopädie</strong> <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | April <strong>2012</strong>

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