Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2/2012
Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2/2012
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LESERBRIEF<br />
Generalisten versus Spezialisten<br />
Deutschland zeichnet sich bisher durch<br />
eine gute flächendeckende, dezentrale<br />
Versorgung auch in der Chirurgie/<strong>Unfallchirurgie</strong>/<strong>Orthopädie</strong><br />
aus. Mit der zunehmenden<br />
Spezialisierung der nachwachsenden<br />
Kollegen ergibt sich über kurz<br />
oder lang zwangsläufig das Problem, dass<br />
die „R<strong>und</strong> um die Uhr-Versorgung“ in Zukunft<br />
so nicht mehr möglich sein wird.<br />
Deutschland muss sich jetzt entscheiden,<br />
ob es diese Versorgung so weiter möchte<br />
– wenn ja, dann müssen wir als leitende<br />
Ärzte die Ausbil-<br />
dung der nachfolgenden<br />
Kollegen<br />
wieder auf breitere<br />
Beine stellen <strong>und</strong><br />
auch die Ausbildungskatalogeent-<br />
sprechend anpassen. Wenn nein, werden<br />
wir auch in Deutschland das amerikanische<br />
System mit ausschließlich zentralen,<br />
hochspezialisierten, wenigen Kliniken<br />
bekommen. Wollen wir das wirklich als<br />
zukünftige Patienten <strong>und</strong> Angehörige?<br />
Und was kostet das <strong>und</strong> wie wird Qualität<br />
dann sein?<br />
Ich selbst bin leitende Chirurgin in der<br />
Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Regelversorgung. Als Mitbegründerin<br />
der „Generalisten der Chirurgie“<br />
erlebe ich täglich, wie wertvoll <strong>und</strong><br />
zum Teil wegweisend eine breite chirurgische<br />
Ausbildung der Chirurgen/Orthopäden<br />
für unsere Patienten ist. Dies gilt<br />
sowohl bei der Diagnosestellung als auch<br />
bei der definitiven operativen Versorgung<br />
im OP. Beispiele aus der täglichen<br />
Praxis gibt es mehr als genug.<br />
<strong>Orthopädie</strong> <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | April <strong>2012</strong><br />
Mein Anliegen ist es, die Versorgungssituation<br />
in Deutschland kritisch zu<br />
beleuchten, die Öffentlichkeit dafür zu<br />
sensibilisieren <strong>und</strong> gegebenenfalls die<br />
notwendigen Veränderungen in der Ausbildung<br />
der angehenden operativ tätigen<br />
Kollegen anzumahnen <strong>und</strong> einzuleiten.<br />
Durch die derzeitige erhebliche Überbewertung<br />
des Spezialistentums auch oder<br />
gerade in der öffentlichen Anerkennung<br />
wird zusätzlich verhindert, dass sich potenziell<br />
interessierte Student/innen für<br />
den Beruf des Chirurgen/Unfallchirurgen/Orthopäden<br />
als Generalisten entscheiden.<br />
Denn zusätzlich zum ohnehin<br />
erhöhten Arbeitsaufwand in dieser Sparte,<br />
der vertieften <strong>und</strong> gegebenenfalls verlängerten<br />
Ausbildung kommt dann noch<br />
die tägliche vermehrte Arbeits- <strong>und</strong> vor<br />
allem die Dienstbelastung hinzu, der sich<br />
die selektiv tätigen Spezialisten ja entziehen,<br />
da sie die breite Notfallversorgung<br />
wohl nicht – mehr – beherrschen.<br />
Wenn man also zu dem Schluss kommen<br />
sollte, dass wir diese Allro<strong>und</strong>er noch<br />
brauchen – <strong>und</strong> dies trifft nicht nur in der<br />
Chirurgie/<strong>Unfallchirurgie</strong>/<strong>Orthopädie</strong> zu,<br />
sondern auch in allen anderen Disziplinen<br />
(Innere Medizin, Pädiatrie, Kardiologie,<br />
etc.) –, dann müssen diese Kolleg/<br />
innen jetzt gesucht, ausgebildet, motiviert<br />
werden, <strong>und</strong> die Politik muss dafür<br />
sorgen, dass diese Generalisten-Tätigkeit<br />
Aus unserem Fach<br />
Regelmäßig berichten wir in den OUMN über die Debatten zur Weiterbildungsordnung. In deren Mittelpunkt<br />
steht häufig die Frage, ob <strong>und</strong> wie dem Trend zur Spezialisierung in der Chirurgie Rechnung<br />
ge tragen werden kann oder sollte. Dr. Martina Mittag-Bonsch, Mitbegründerin des Vereins „Generalisten<br />
der Chirurgie“ schildert hier ihre Sicht.<br />
Das Ziel der Ausbildung von Generalisten widerspricht in keiner<br />
Weise einer zusätzlichen selektiven Spezialisierung in einzelnen<br />
Bereichen.<br />
auch entsprechend anerkannt <strong>und</strong> vergütet<br />
<strong>und</strong> gezielt gefördert wird.<br />
Damit jedoch keine Missverständnisse<br />
aufkommen : Das Ziel der Ausbildung von<br />
Generalisten, das heißt Ärzten mit einer<br />
breiten Basis sowohl in der Diagnostik<br />
als auch im OP, widerspricht in keiner<br />
Weise einer zusätzlichen selektiven Spezialisierung<br />
in einzelnen Bereichen <strong>und</strong><br />
heißt auch nicht, dass das Rad der Geschichte<br />
zurückgedreht werden soll. Nur<br />
ausschließlich mit<br />
reinen „Spezialisten“<br />
kann unsere<br />
derzeitige sehr gute<br />
Versorgung auf einem<br />
hohen Level<br />
in Zukunft nicht gehalten<br />
werden oder wird möglicherweise<br />
nicht mehr finanzierbar.<br />
Dieses Thema sollte für alle leitenden<br />
Ärzte, aber auch für die verantwortlichen<br />
Politiker sehr interessant sein, wo es<br />
doch ohnehin bereits schwierig genug ist,<br />
überhaupt entsprechenden Nachwuchs<br />
in der Medizin <strong>und</strong> speziell in den operativen<br />
Fächern zu finden.<br />
Dr. Martina Mittag-Bonsch<br />
Dr. Martina Mittag-<br />
Bonsch<br />
Chefärztin der Abteilung<br />
für Chirurgie am<br />
Klinikum Crailsheim<br />
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