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Inhalt S. 1-45 - Baugenossenschaft der Buchdrucker eG

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1927 - 2002<br />

75 JAHRE<br />

GENOSSENSCHAFTLICHER<br />

WOHNUNGSBAU<br />

BAUGENOSSENSCHAFT DER BUCHDRUCKER EG


<strong>Inhalt</strong>sverzeichnis Seite<br />

Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Hamburg und die Wohnungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong>en und die Genossenschaftsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 1927 bis 19<strong>45</strong><br />

Die Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

Wohnanlage Braußpark<br />

Die Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Die Bauausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Die Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Die Gleichschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Max Cohn - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

Die Ablösung <strong>der</strong> Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

Die NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Kriegsende und Neubeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 19<strong>45</strong>-2002<br />

Der Neuanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

Desolate Finanzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

Die Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

„Wir bauen selbst“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Willi Zieher - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

Karl Muus - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

Der Wie<strong>der</strong>aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

Die Genossenschaft unter neuer Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

Die Pfund-Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

5


GRUSSWORT ZUM 75-JÄHRIGEN JUBILÄUM DER<br />

BAUGENOSSENSCHAFT DER BUCHDRUCKER EG<br />

Wer sich erinnert, lebt in <strong>der</strong> Vergangenheit. Wer aber nicht weiß, woher er<br />

kommt, weiß nicht, wohin er will.<br />

Erinnern und gleichzeitig den Blick in Gegenwart und Zukunft richten – das<br />

75jährige Bestehen eines Unternehmens wie <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

<strong>eG</strong> ist hierfür ein guter und schöner Anlass.<br />

Wie <strong>der</strong> Unternehmensname auch heute noch zeigt, haben vor 75 Jahren sieben<br />

Männer, überwiegend Angehörige des graphischen Gewerbes, die „<strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ gegründet, um vor allem Angehörige dieses Berufsstandes<br />

und ihre Familien mit gesunden und bezahlbaren Wohnungen zu versorgen. Der Berufsstand <strong>der</strong><br />

<strong>Buchdrucker</strong> ist zwar schon so gut wie ausgestorben, die Genossenschaft existiert aber auch nach 75 Jahren noch.<br />

Dieses ist ein Beleg für gute, solide und kontinuierliche genossenschaftliche Arbeit.<br />

Dieses ist nicht selbstverständlich, denn im Zweiten Weltkrieg wurde bis auf 20 Wohnungen <strong>der</strong> gesamte<br />

Wohnungsbestand <strong>der</strong> Genossenschaft zerstört.<br />

Es spricht für die Genossenschaft – Vorstände, Aufsichtsräte, Mitarbeiter und Mitglie<strong>der</strong> –, dass sie sich mit<br />

aller Kraft an den Wie<strong>der</strong>aufbau ihrer Häuser machte und es heute zu einem Bestand von rund 1.700<br />

Wohnungen gebracht hat.<br />

Mit diesem Wohnungsbestand zählt die <strong>Buchdrucker</strong>-Genossenschaft zwar nicht zu den großen Wohnungsbaugenossenschaften,<br />

dieses muss aber gerade unter dem Aspekt <strong>der</strong> Verwaltungsnähe und <strong>der</strong> allenthalben<br />

zu verzeichnenden verstärkten Hinwendung zu den Mitglie<strong>der</strong>n kein Nachteil sein.<br />

So liefert die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong> ein lebendiges Beispiel dafür, dass die über ein Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

alte Genossenschaftstradition auch heute und in <strong>der</strong> Zukunft ihre Bedeutung hat. Wohnen bei<br />

Genossenschaften ist und bleibt attraktiv.<br />

Ich beglückwünsche namens unseres Verbandes die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zum 75-jährigen Jubiläum<br />

sehr herzlich. Wir danken für die in dieser Zeit zum Nutzen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> erbrachten Leistungen und<br />

die För<strong>der</strong>ung des Genossenschaftsgedankens. Für die zukünftige Arbeit wünschen wir weiterhin viel Erfolg<br />

und alles Gute.<br />

Dr. Joachim Wege<br />

Verbandsdirektor<br />

Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.<br />

7


DHAMBURG UND DIE WOHNUNGSFRAGE<br />

Der Große Brand von 1842, bei dem in <strong>der</strong> Hamburger<br />

Innenstadt 1.750 Häuser und öffentliche Gebäude vernichtet<br />

wurden, machte 20.000 Menschen obdachlos, das<br />

waren über 10 Prozent <strong>der</strong> hamburgischen Bevölkerung.<br />

Der mit dem Wie<strong>der</strong>aufbau verstärkt einsetzende Etagenhausbau<br />

mit Geschosswohnungen brachte allerdings<br />

keine Lösung für die sich durch die wachsende Einwohnerzahl<br />

verschärfende Wohnsituation einkommensschwacher<br />

Bevölkerungsschichten. Der dafür notwendige<br />

Kleinwohnungsbau war verhältnismäßig teuer. Auch war<br />

die Vermietung an min<strong>der</strong>bemittelte Personen für die<br />

Investoren nicht attraktiv, da infolge von konjunkturbedingter<br />

Arbeitslosigkeit und Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen mit<br />

häufigerem Wohnungswechsel und Mietausfällen zu rechnen<br />

war. Höhere Renditen und gesichertere Mieteinnahmen<br />

versprach dagegen <strong>der</strong> Bau von Großwohnungen.<br />

Arbeiter, aber auch kleine Angestellte und untere Beamte<br />

waren gezwungen, einen Teil ihrer Wohnung unterzuvermieten<br />

o<strong>der</strong> selbst als Einlogierer mit eigenem Zimmer<br />

o<strong>der</strong> als Schlafgänger nur mit einer Übernachtungsgelegenheit<br />

zur Untermiete zu wohnen.<br />

Der privat finanzierte Wohnungsbau orientierte sich an<br />

<strong>der</strong> größtmöglichen Ausnutzung <strong>der</strong> Baugrundstücke. Die<br />

tief in die Bauplätze hineinreichenden, sich – um überhaupt<br />

eine seitliche Lichtzufuhr zu ermöglichen – nach<br />

hinten verjüngenden Mietshäuser, die Schlitzbauten,<br />

erlaubten keine ausreichende Besonnung und Luftzufuhr.<br />

Zusätzliche Hinterhofbebauung mit Wohnhöfen, Terrassen<br />

und Passagen erhöhte die Rentabilität.<br />

Von 1850 bis 1930 stieg die Einwohnerzahl in Hamburg<br />

von 214.600 Menschen auf 1,236 Millionen. Der Wohnungsbau<br />

konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt<br />

halten. Insbeson<strong>der</strong>e die Masse <strong>der</strong> mittellosen Arbeiter<br />

lebte in engen, ungesunden und überbelegten Unterkünften.<br />

Wohnräume ohne Fenster, Mangel an Luft und<br />

Licht, fehlende sanitäre Anlagen, Feuchtigkeit und<br />

Schlitzbau und Innenhofbebauung, Hammerbrookstraße 44.<br />

9


10<br />

Ungeziefer kennzeichneten die völlig unzureichende<br />

Wohnsituation.<br />

Im Jahre 1892 wurden schließlich die Versäumnisse in<br />

<strong>der</strong> Wohnungspolitik und die daraus resultierenden<br />

schlechten und unhygienischen Wohnverhältnisse sicht-<br />

Gängeviertel 1935.<br />

bar, als in <strong>der</strong> dicht bebauten und überbevölkerten Hamburger<br />

Innenstadt eine Cholera-Epidemie ausbrach, die<br />

innerhalb von zehn Wochen 8.000 Todesopfer for<strong>der</strong>te.<br />

Zwar wurde nun die Sanierungsbedürftigkeit <strong>der</strong> schlimm-<br />

sten Wohnquartiere in <strong>der</strong> Alt- und Neustadt anerkannt,<br />

in denen bis zu 80.000 Menschen lebten, doch wurden<br />

we<strong>der</strong> die nach dem Abriss neu gebauten Wohnhäuser<br />

den Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten <strong>der</strong> bisherigen<br />

Bewohner angepasst, noch entstanden Wohnungen<br />

in ausreichen<strong>der</strong> Zahl. Daran än<strong>der</strong>te grundsätzlich<br />

auch das „Gesetz betreffend die För<strong>der</strong>ung des Baues kleiner<br />

Wohnungen“ von 1902 nichts. Der Hamburger Senat<br />

setzte weiterhin vor allem auf privatwirtschaftliche<br />

Lösungen. Zwar enthielt das Gesetz erste Ansätze für ein<br />

stärkeres staatliches Engagement, doch beruhte das<br />

Ansteigen des Kleinwohnungsbaues vor allem auf <strong>der</strong><br />

Lockerung <strong>der</strong> baupolizeilichen Vorschriften, die eine<br />

kostengünstigere Bauweise ermöglichte und somit die<br />

Gewinnerwartung steigerte. Für die auf niedrige Mieten<br />

angewiesene Arbeiterklasse erschienen preisgünstige<br />

Wohnungen mit einem baulichen Mindeststandard am<br />

ehesten durch die Ausschaltung des privatwirtschaftlichen<br />

Gewinnstrebens realisierbar. Der Sozialdemokrat<br />

Otto Stolten – 1901 <strong>der</strong> erste und für drei Jahre einzige<br />

sozialdemokratische Bürgerschaftsabgeordnete – for<strong>der</strong>te<br />

deshalb nicht nur die Unterstützung des Kleinwohnungsbaus<br />

durch öffentliche Mittel, son<strong>der</strong>n den staatlichen<br />

Wohnungsbau als solchen.<br />

Obwohl breite Bevölkerungsschichten unter <strong>der</strong> Wohnungsmisere<br />

litten, waren die politisch Verantwortlichen<br />

nicht bereit, einschneidende Verän<strong>der</strong>ungen herbeizuführen.<br />

Dies lag nicht zuletzt an dem undemokratischen<br />

Wahlrecht in Hamburg, das die Grundeigentümer und<br />

die Notablen (Ehrenbeamte und -richter) begünstigte.<br />

Sie stellten nur etwa 1 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung, wählten<br />

aber 80 <strong>der</strong> 160 Bürgerschaftsabgeordneten. Nach einer<br />

weiteren Wahlrechtsverschärfung 1906 entfielen auf die<br />

niedrigste Steuerklasse – jene, die ein Jahreseinkommen<br />

von 1.200 bis 2.500 Mark versteuerten – lediglich 24


Die Neubaugebiete Barmbek-Nord und Dulsberg Anfang <strong>der</strong> 1930er Jahre (Fuhlsbüttler Straße - Habichtstraße).<br />

11


12<br />

Parlamentssitze. Damit war die Masse <strong>der</strong> Arbeiter und<br />

kleinen Angestellten von <strong>der</strong> politischen Partizipation<br />

ausgeschlossen.<br />

Bis 1918 än<strong>der</strong>ten sich die politischen Verhältnisse<br />

nicht. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) kam die Bautätigkeit<br />

ganz zum Erliegen. Entsprechend groß war die<br />

Wohnungsnot, als nach dem Ende des Krieges die Soldaten<br />

zurückkehrten und viele eine Familie mit eigenem<br />

Haushalt gründen wollten.<br />

Die Novemberrevolution von 1918 fegte das alte<br />

System hinweg. Der Kaiser dankte ab, Arbeiter- und Soldatenräte<br />

übernahmen die Macht. Das im Januar 1919<br />

eingeführte demokratische Wahlrecht gab zum erstenmal<br />

auch den Frauen das aktive und passive Wahlrecht.<br />

Die drängendsten Probleme waren 1918/19 die Wohnungsnot<br />

und die Lebensmittelknappheit. Vor diesem<br />

Hintergrund wurden Ideen entwickelt, die die kostengünstige<br />

Anlage von großflächigen Kleinhaussiedlungen<br />

mit Nutzgarten zur Selbstversorgung vorsahen. Für diese<br />

Überlegungen waren allerdings Siedlungsflächen erfor<strong>der</strong>lich,<br />

über die Hamburg nicht verfügte. Der damalige<br />

Baudirektor, Professor Dr. Fritz Schumacher, sprach sich<br />

für eine Erweiterung des Hamburger Staatsgebiets aus.<br />

Die Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot <strong>der</strong> Arbeiterschicht<br />

durch den Bau von Kleinwohnungen sah er als die sozialpolitische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung an, <strong>der</strong> er sich persönlich<br />

verpflichtet fühlte. Schumacher favorisierte Kleinwohnungssiedlungen<br />

mit Gartennutzung. Ohnehin war<br />

nach seinen Erkenntnissen das „Massenmietshaus“ eine<br />

eher teure Lösung. Der dreigeschossige Bau hatte sich<br />

als die „baulich billigste Form <strong>der</strong> Wohnungsgestaltung<br />

erwiesen“.<br />

Schumacher formulierte weitere Bedingungen für einen<br />

kostengünstigen Arbeiterwohnungsbau. Der Baugrund<br />

sollte die Kosten nicht unverhältnismäßig in die Höhe<br />

treiben. Damit schieden sowohl Gebiete entlang <strong>der</strong><br />

noch vom alten Senat begonnenen U-Bahnstrecken<br />

nach Langenhorn und in die Walddörfer aus, die zur Ansiedlung<br />

finanzstärkerer Bevölkerungsgruppen gedacht<br />

waren, als auch Hamburgs ausgedehntes Marschgelände,<br />

das für eine Besiedlung erst aufgefüllt werden musste.<br />

Auch sollten die Wohnungen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Arbeitsstätten<br />

liegen, so dass zeitraubende und kostspielige Anund<br />

Abfahrten entfielen.<br />

Für die Ansiedlung von Arbeitern favorisierte Schumacher<br />

den preußischen Geestrücken nördlich <strong>der</strong> Bille<br />

zwischen Horn und Bergedorf. Schon bald erwiesen sich<br />

die Groß-Hamburg-Pläne, die die Eingemeindung umliegen<strong>der</strong><br />

Städte und Gemeinden vorsahen, als unrealistisch.<br />

Der inzwischen zum Oberbaudirektor beför<strong>der</strong>te<br />

Fritz Schumacher musste bei seinen kostengünstigen<br />

Idealvorstellungen Abstriche machen. Für die Schaffung<br />

von Arbeiterwohnungen setzte Schumacher nun auf den<br />

konzentrierten Bau von 4- bis 6-geschossigen Etagenhäusern<br />

auf geeignetem Baugrund mit relativ günstiger<br />

Verkehrsanbindung. Großsiedlungen entstanden in den<br />

1920er Jahren vor allem in den Stadtteilen Barmbek –<br />

mit Schwerpunkten in Barmbek-Nord und auf dem<br />

Dulsberg –, in Winterhude – hier in <strong>der</strong> Jarrestadt – und<br />

in Hamm.


Zu den Wegbereitern <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Genossenschaften<br />

in Deutschland gehörten Hermann Schulze-Delitzsch,<br />

Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Victor Aimé Huber und<br />

Eduard Pfeiffer. Schulze-Delitzsch gründete 1849<br />

in Sachsen die ersten Einkaufsgenossenschaften für<br />

Tischler und Schuhmacher, um die durch die Industrialisierung<br />

in ihrer Existenz bedrohten Handwerker zu<br />

unterstützen. Unabhängig von Schulze-Delitzsch organisierte<br />

Raiffeisen Genossenschaften im landwirtschaftlichen<br />

Bereich. Huber setzte sich für den genossenschaftlichen<br />

Bau von Arbeiterwohnungen ein und<br />

Pfeiffer gründete die ersten Konsumgenossenschaften<br />

für Arbeiter.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e für die immer größer werdende Masse <strong>der</strong><br />

Arbeiter gewann <strong>der</strong> Genossenschaftsgedanke an Attraktivität.<br />

Die Genossenschaften entwickelten sich nicht nur<br />

zu einem Instrument <strong>der</strong> wirtschaftlichen Selbsthilfe, son<strong>der</strong>n<br />

bildeten eine neue Form <strong>der</strong> Solidargemeinschaft, in<br />

<strong>der</strong> sich die Wertvorstellungen und Ideale <strong>der</strong> klassenbewussten<br />

Arbeiter wi<strong>der</strong>spiegelten. Die auf Gleichberechtigung,<br />

Mitsprache und Solidarität gegründete Idee <strong>der</strong><br />

Genossenschaft erschien vielen als Alternative zum privatwirtschaftlichen<br />

Kapitalismus.<br />

Neben <strong>der</strong> SPD und den Gewerkschaften galten die<br />

Genossenschaften deshalb als die „dritte Säule“ <strong>der</strong> Arbeiterbewegung.<br />

Allein <strong>der</strong> 1899 von Adolf von Elm in<br />

Hamburg gegründete „Konsum-, Bau- und Sparverein<br />

‚Produktion’“ hatte 1910 fast 50.000 Mitglie<strong>der</strong>. Die verbreitetsten<br />

und mitglie<strong>der</strong>stärksten Genossenschaften<br />

waren Konsumvereine <strong>der</strong> Arbeiter, die sich nach <strong>der</strong><br />

Trennung von dem in <strong>der</strong> Tradition von Schulze-Delitzsch<br />

stehenden Allgemeinen Verband <strong>der</strong> deutschen Erwerbsund<br />

Wirtschaftsgenossenschaften im Zentralverband<br />

DIE BAUGENOSSENSCHAFTEN UND DIE<br />

GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG<br />

deutscher Konsumgenossenschaften Hamburg (ZdK)<br />

zusammenschlossen.<br />

Bis Anfang <strong>der</strong> 1930er Jahre erlebte die Genossenschaftsbewegung<br />

eine stetige Aufwärtsentwicklung. Mit<br />

<strong>der</strong> wachsenden wirtschaftlichen Stärke engagierten<br />

sich zahlreiche Konsumgenossenschaften auch im Kleinwohnungsbau.<br />

Die Hamburger ‘Produktion’ hatte bis<br />

1914 bereits 4.000 Wohnungen gebaut. Allerdings war<br />

<strong>der</strong> genossenschaftlich organisierte Wohnungsbau sehr<br />

viel schwieriger zu bewerkstelligen als <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />

zu Konsumvereinen. Zunächst musste Eigenkapital<br />

zur Verfügung stehen. In <strong>der</strong> Regel zahlten die Mitglie<strong>der</strong><br />

von Wohnungsbaugenossenschaften mehrere<br />

Monatsgehälter als Geschäftsanteil ein. Es waren Kenntnisse<br />

über die Finanzierungsmöglichkeiten, die För<strong>der</strong>bedingungen<br />

und das Baurecht erfor<strong>der</strong>lich, so dass Bauvorhaben<br />

ohne fachliche Beratung und Begleitung nicht<br />

durchgeführt werden konnten. Und schließlich vergingen<br />

von <strong>der</strong> Planung bis zum Bezug <strong>der</strong> Neubauwohnung<br />

oft mehrere Jahre. Zwar wurde 1889 mit einer Neufassung<br />

des ersten noch von Schulze-Delitzsch 1867 in die<br />

preußische Nationalversammlung eingebrachten Genossenschaftsgesetzes<br />

die beschränkte Haftung eingeführt<br />

und dadurch eine Genossenschaftsgründung sehr viel<br />

attraktiver, weil die Mitglie<strong>der</strong> nun nicht mehr mit<br />

ihrem gesamten Vermögen hafteten, doch ohne staatliche<br />

Unterstützung blieb die Finanzierung das größte<br />

Problem. Nur mitglie<strong>der</strong>starke Genossenschaften wie die<br />

‘Produktion’ o<strong>der</strong> von finanzstarken, sozialreformerisch<br />

orientierten bürgerlichen Kräften gegründete Bauvereine<br />

waren in <strong>der</strong> Lage, Wohnungsbau in größerem<br />

Maßstab durchzuführen. Und doch gingen von diesen<br />

Anfängen entscheidende Impulse aus. Dem spekulativen<br />

13


14<br />

Bau von Mietskasernen und Hinterhofbauten, in denen<br />

Menschen auf engstem Raum unter schlimmsten hygienischen<br />

Bedingungen lebten, setzten die Genossenschaften<br />

die Errichtung von menschenwürdigen Wohnungen<br />

ohne Gewinnstreben entgegen. Die Genossenschaft<br />

bot Schutz vor Eigentümerwechsel, Mietsteigerungen<br />

und Kündigungen. Die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> waren<br />

als Miteigentümer an <strong>der</strong> Erhaltung und <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong><br />

Häuser interessiert. Die Selbstverwaltung gab ihnen<br />

die Möglichkeit, Verbesserungen herbeizuführen. So


entstanden begrünte Innenhöfe, Kin<strong>der</strong>spielflächen<br />

und an<strong>der</strong>e Gemeinschaftseinrichtungen<br />

wie Wäschereien und Versammlungsräume. Hier<br />

wurden Wohnungsreformvorstellungen verwirklicht,<br />

die einen Lebensraum nach den Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> Menschen schufen. Nachbarschaftshilfe<br />

und vielfältige gemeinschaftliche Aktivitäten<br />

waren Ausdruck einer neuen Wohn- und<br />

Lebenskultur.<br />

Während des Ersten Weltkrieges war die Bautätigkeit<br />

zum Erliegen gekommen. Die ohnehin<br />

existierende Wohnungsnot wurde durch die aufgeschobene<br />

Haushaltsgründung <strong>der</strong> nun heimkehrenden<br />

Soldaten noch verstärkt. Dass <strong>der</strong> Handlungsdruck<br />

in Hamburg groß war, zeigt das bereits<br />

wenige Wochen nach <strong>der</strong> Novemberrevolution<br />

verabschiedete „Gesetz vom 20. Dezember 1918<br />

betr. die För<strong>der</strong>ung des Baues kleiner Wohnungen“.<br />

Damit wurden die seit langem von <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />

gefor<strong>der</strong>ten Reformen realisiert.<br />

Eine flexiblere Handhabung <strong>der</strong> Bauvorschriften<br />

sollte den Bau preisgünstiger Kleinwohnungssiedlungen<br />

erleichtern. Die Hamburgische Beleihungskasse<br />

für Hypotheken wurde mit <strong>der</strong> Durchführung<br />

staatlicher För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen für<br />

den Wohnungsbau beauftragt. Zum erstenmal<br />

wurde <strong>der</strong> Einsatz öffentlicher Mittel für den Bau<br />

von Wohnungen realisiert.<br />

Allerdings zeichnete sich schon bald nach <strong>der</strong><br />

Revolution ab, dass angesichts <strong>der</strong> desolaten Wirtschaftslage<br />

we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat noch die Privatwirtschaft<br />

in <strong>der</strong> Lage waren, die Wohnungsnot kurzfristig<br />

zu beheben. So schritten die Wohnungssuchenden<br />

zur Selbsthilfe. Sie organisierten sich<br />

über Berufsverbände o<strong>der</strong> gründeten eigene<br />

Mit 3408 Stimmen im Stadtgebiet wurde Hermann Abel 1924 in die Hamburgische<br />

Bürgerschaft gewählt.<br />

15


16<br />

Vereine wie die <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>reichen, <strong>der</strong> Wohnungslosen<br />

und <strong>der</strong> Kriegsheimkehrer. In Hamburg ermöglichten die<br />

mit den verän<strong>der</strong>ten politischen Verhältnissen eingeführte<br />

öffentliche Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung immerhin die<br />

Unterstützung solcher Initiativen. Dass „jedem Deutschen<br />

eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien,<br />

beson<strong>der</strong>s den kin<strong>der</strong>reichen, eine ihren Bedürfnissen<br />

entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu<br />

sichern“ sei, hatte sogar Eingang in die Weimarer Verfassung<br />

gefunden. Die staatliche Unterstützung begünstigte<br />

die Gründung zahlreicher neuer Wohnungsbaugenossenschaften.<br />

Ihre Zahl war in Deutschland von 1888 bis 1908<br />

von 28 auf 764 gestiegen. Anfang <strong>der</strong> 1920er Jahre kam es<br />

zu einer Gründungswelle, die mehrere Tausend neuer<br />

Genossenschaften hervorbrachte, so dass 1928 reichsweit<br />

4.132 <strong>Baugenossenschaft</strong>en existierten.<br />

In vielen Fällen waren die Gewerkschaften direkt o<strong>der</strong><br />

im Hintergrund an den Neugründungen beteiligt. Diese<br />

vor allem lokalen Aktivitäten verlangten nach einer<br />

übergeordneten Koordination und Betreuung. Der<br />

Deutsche Bauarbeiterverband legte auf seinem Gewerkschaftstag<br />

in Leipzig 1922 mit seinem Beschluss zur<br />

Unterstützung einer Gemeinwirtschaftspolitik den<br />

Grundstein für die Errichtung einer Verbundorganisation<br />

nach dem Vorbild <strong>der</strong> gewerkschaftlich-genossenschaftlichen<br />

Volksfürsorge. Die freigewerkschaftlichen Spitzenverbände,<br />

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund<br />

(ADGB), Allgemeiner freier Angestelltenbund<br />

(AfABund) und Allgemeiner Deutscher Beamtenbund<br />

(ADBB) sowie die Arbeiterbank und <strong>der</strong> Verband sozialer<br />

Baubetriebe, ein Zusammenschluss von etwa 200<br />

Produktivgenossenschaften im Bausektor, die nach <strong>der</strong><br />

Revolution entstanden waren, gründeten am 14. März<br />

1924 die „Deutsche Wohnungsfürsorge A.G. für Beamte,<br />

Angestellte und Arbeiter“ (DEWOG). Die Aufgabe <strong>der</strong><br />

DEWOG bestand darin, die Bauvorhaben <strong>der</strong> ihr angeschlossenen<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong>en mit den eigenen,<br />

genossenschaftlichen Baubetrieben durchzuführen. Damit<br />

entstand im Wohnungssektor ein geschlossenes<br />

gemeinwirtschaftliches System, das vom Bau bis zur Vermietung<br />

und Unterhaltung <strong>der</strong> Wohnungen genossenschaftlich<br />

organisiert war. Mit dem 1927 gegründeten<br />

DEWOG-Revisionsverband deckte die freigewerkschaftlich-genossenschaftliche<br />

Dachorganisation für<br />

ihre Genossenschaften ein weiteres, gesetzlich vorgeschriebenes<br />

Arbeitsfeld ab.


DIE GRÜNDUNG<br />

DIE BAUGENOSSENSCHAFT DER<br />

BUCHDRUCKER 1927-19<strong>45</strong><br />

Die schwierige Finanz- und Wirtschaftssituation<br />

nach dem Ersten Weltkrieg sowie fehlende<br />

wohnungspolitische Konzepte verhin<strong>der</strong>ten<br />

zunächst einen Kleinwohnungsbau in großem<br />

Maßstab. Im Rahmen einer Sofortmaßnahme<br />

wurde 1919 die vollständige staatliche Finanzierung<br />

einer ganzen Siedlung mit 800 Kleinhäusern<br />

in Langenhorn beschlossen. Baudirektor<br />

Schumacher stellte dazu fest, dass damit in<br />

„Hamburg zum erstenmale zwei wohnungspolitische<br />

Momente“ verwirklicht worden seien:<br />

„die lange erstrebte, viel umstrittene Kleinhaussiedlung<br />

im Nutzgarten und die aktive<br />

staatliche Wohnungsfürsorge“.<br />

Der staatliche Wohnungsbau blieb allerdings<br />

die Ausnahme. Nur auf dem Dulsberg wurde Die Hyperinflation 1923.<br />

noch ein weiteres Projekt mit 1.370 Kleinwohnungen<br />

verwirklicht. Vor allem die jetzt an<br />

<strong>der</strong> Regierung beteiligten Sozialdemokraten setzten auf Wohnungsbau mit 472 fertiggestellten Wohnungen sei-<br />

den genossenschaftlichen Wohnungsbau und dessen nen Tiefststand.<br />

Unterstützung. So kam es bereits Anfang <strong>der</strong> 1920er Die Währungsreform beendete die Inflation, doch die<br />

Jahre zur Gründung zahlreicher <strong>Baugenossenschaft</strong>en, Geldentwertung verschärfte noch den Kapitalmangel im<br />

doch <strong>der</strong> sichtbare Erfolg im Wohnungsbau blieb aus. Die Bausektor. Ohne staatliche Intervention war an eine Bele-<br />

staatliche För<strong>der</strong>ung, die zunächst auf die Beleihungsbung <strong>der</strong> Bautätigkeit nicht zu denken. Die Voraussetzunhöchstgrenze<br />

von 70 Prozent <strong>der</strong> Gesamtbaukosten angegen wurden durch die III. Steuernotverordnung <strong>der</strong><br />

setzt wurde, erwies sich als zu niedrig. Hohe Baustoff- Reichsregierung geschaffen, die die Län<strong>der</strong> und Kommupreise<br />

und die beginnende Inflation brachten zusätzliche nen ab dem 1. April 1924 verpflichtete, eine „Geldent-<br />

Schwierigkeiten. So wurden in <strong>der</strong> Zeit 1919 bis 1924 nur wertungsausgleichssteuer vom bebauten Grundstück“ zu<br />

etwa 11.000 Wohnungen in Hamburg gebaut. 1923, im erheben. Mindestens 10 Prozent <strong>der</strong> sogenannten „Haus-<br />

Jahr <strong>der</strong> Hyperinflation, als am Ende 1 Dollar 4,2 Billiozinssteuer“ mussten in die „Neubautätigkeit“ fließen. In<br />

nen Mark kostete, erreichte <strong>der</strong> staatlich geför<strong>der</strong>te Hamburg wurde die als Zuschlag auf die Grundsteuer<br />

17


18<br />

erhobene Hauszinssteuer bis Anfang 1926 ausschließlich<br />

für die För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaues verwendet. Mit den<br />

zur Verfügung stehenden Geldmitteln und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

von 85 Prozent <strong>der</strong> Gesamtbaukosten konnte <strong>der</strong> dringend<br />

notwendige Kleinwohnungsbau nachhaltig belebt<br />

werden. Schon 1925 för<strong>der</strong>te die Hamburgische Beleihungskasse<br />

4.126 Neubauwohnungen. Im darauf folgenden<br />

Jahr waren es bereits 7.899.<br />

Um eine größere Zahl von Wohnungen zu för<strong>der</strong>n,<br />

wurde <strong>der</strong> Beleihungssatz schrittweise auf <strong>45</strong> Prozent<br />

gesenkt. Da die Beschaffung <strong>der</strong> I. Hypothek – bis zu 40<br />

Prozent <strong>der</strong> Baukosten – in <strong>der</strong> Regel keine Probleme<br />

bereitete, regten die zinslosen staatlichen Kredite den<br />

Wohnungsbau deutlich an. Die Beschaffung des restlichen<br />

Eigenkapitals wurde durch zusätzliche Baukostenzuschüsse<br />

erleichtert. Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>Baugenossenschaft</strong>en und<br />

gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften profitierten<br />

von <strong>der</strong> Wohnungsbaupolitik.<br />

Die Versäumnisse <strong>der</strong> vorangegangenen Jahre konnten<br />

durch die ersten Erfolge jedoch nicht aufgewogen werden.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Wohnungssuchenden stieg weiter und<br />

erreichte immer neue Rekorde. Ende 1925 meldete das<br />

Wohnungsamt 32.239 Wohnungssuchende, vier Jahre<br />

später waren bereits 55.625 Wohnungssuchende registriert.<br />

Die größte Nachfrage bestand auf dem Kleinwohnungssektor.<br />

Um angesichts <strong>der</strong> steigenden Bedarfe überhaupt<br />

eine Entlastung zu erzielen, wurde verstärkt auf den<br />

Kleinstwohnungsbau gesetzt. Bei etwa 50 Prozent <strong>der</strong><br />

1930 erstellten Wohnungen handelte es sich um 2-Zimmer-Wohnungen.<br />

1927, im Gründungsjahr <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Buchdrucker</strong>, zeichnete sich eine Fortsetzung <strong>der</strong> bereits<br />

deutlich belebten Bautätigkeit ab. Zum erstenmal reichte<br />

die Zahl <strong>der</strong> fertiggestellten Wohnungen mit 10.641 wie<strong>der</strong><br />

an das Vorkriegsniveau heran. Bis 1931 konnte die<br />

Neubautätigkeit in dieser Größenordnung fortgeführt<br />

werden. Die Lösungen im Kleinwohnungsbau durch die<br />

Siedlungsbau-Gesellschaft <strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong> Frank im Hamburg-Barmbek<br />

fanden 1927 nationale und internationale<br />

Beachtung. Insbeson<strong>der</strong>e über das von Frank entwickelte<br />

Laubenganghaus, bei dem durch die Erschließung <strong>der</strong><br />

Wohnungen über offene Gänge weniger Treppenhäuser<br />

notwendig waren, so dass ein Zwölftel <strong>der</strong> Kosten gespart<br />

werden konnte, berichtete die Presse wie<strong>der</strong>holt. Auch<br />

wurden 1926/1927 weitere <strong>Baugenossenschaft</strong>en gegründet.<br />

Doch nicht nur die Bereitschaft <strong>der</strong> Bauträger sicherte<br />

den Erfolg <strong>der</strong> Wohnungsbaupolitik, son<strong>der</strong>n auch die<br />

staatliche För<strong>der</strong>ungs- und Planungstätigkeit. Fritz Schumachers<br />

Pläne zur Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot waren inzwischen<br />

weitgehend ausgereift und mit den Wettbewerben<br />

für das Wohngebiet Jarrestadt und das Wohnquartier<br />

Dulsberg 1926 wurden Siedlungen mit mehreren tausend<br />

Wohnungen in Angriff genommen. Eine im August 1927<br />

veröffentlichte Statistik zeigte aber auch, dass gerade in<br />

Hamburg die Wohnungsnot beson<strong>der</strong>s groß war. Auf je<br />

1.000 Wohnungen kamen 126 Haushaltungen und Familien<br />

ohne eigene Wohnung. Unter den sieben deutschen<br />

Städten mit über 500.000 Einwohnern war nur in Leipzig<br />

die Wohnungsversorgung noch schlechter. Die fortbestehende<br />

Wohnungsnot einerseits und die erfolgreiche staatliche<br />

Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung an<strong>der</strong>erseits veranlassten<br />

die zur Selbsthilfe entschlossenen Menschen, sich genossenschaftlich<br />

zu organisieren und Wohnungen zu bauen.<br />

Unter diesen äußeren Bedingungen kamen am 27.<br />

September 1927 sieben Männer zusammen, um den<br />

„Gemeinnützigen Bauverein für Kleinwohnungen von<br />

Groß-Hamburg“ zu gründen. Bei den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n<br />

handelte es sich um zwei Kaufleute, einen kaufmännischen<br />

Angestellten, zwei Schriftsetzer, einen Straßenbahner<br />

und einen Prokuristen. Vermutlich kannten sich


Protokoll <strong>der</strong> Gründungsversammlung am 27. September 1927.<br />

19


20<br />

die sieben Männer seit längerer Zeit. Aus dem<br />

Kreis <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> waren einige selbst o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

Angehörige im Druckgewerbe tätig, so dass<br />

erste Kontakte möglicherweise über berufliche<br />

Zusammenhänge entstanden waren. Die Gründungsversammlung<br />

fand in <strong>der</strong> Wohnung des<br />

Schriftsetzers Rudolf Schmidt in <strong>der</strong> Hohensteiner<br />

Straße 3 auf dem Dulsberg statt. Dieser<br />

gehörte mit dem kaufmännischen Angestellten<br />

Hans Timm zu den Initiatoren. Dem Gründungsprotokoll<br />

zufolge führte Schmidt in seinem<br />

einleitenden Vortrag aus, „daß alle Anwesenden<br />

als Wohnungssuchende sich vor zu<br />

hohen Mieten zu schützen hätten“. Somit darf<br />

als Motiv <strong>der</strong> Genossenschaftsgründung die<br />

eigene Betroffenheit angenommen werden,<br />

auch wenn keiner <strong>der</strong> sieben Männer später eine<br />

Genossenschaftswohnung bezog. Schmidt selbst<br />

bewohnte eine erst wenige Jahre zuvor auf dem<br />

Dulsberg errichtete Kleinwohnung. Fest steht<br />

dagegen, dass die Gründung von Anbeginn dem<br />

Gemeinwohl dienen sollte. Die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

sollte auf gemeinnütziger Grundlage<br />

errichtet werden „im Interesse und zur Hebung<br />

einer gesunden und sozialen Wohnungswirtschaft“.<br />

Weiter führte Schmidt aus: „Nur durch<br />

Errichtung von Klein- und Kleinstwohnungen<br />

und eine raumsparende Ausnutzung <strong>der</strong> Wohnflächen,<br />

selbstverständlich unter Beachtung<br />

aller neuzeitlichen hygienischen und sanitären<br />

Anlagen, sei ein billiges und gesundes Wohnen<br />

möglich.“<br />

Die Gründung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> war<br />

offensichtlich seit geraumer Zeit bis ins Detail<br />

vorbereitet worden. We<strong>der</strong> gab es über die soziale<br />

Eintragung in das Genossenschaftsregister am 21. Oktober 1927.


Ausrichtung des Bauvereins noch über die Organisationsform<br />

eine Diskussion. Auch die Wahl des Vorstandes und<br />

des Aufsichtsrates verlief ohne Zwischenfall. In den Vorstand<br />

wurden Rudolf Schmidt als Geschäftsführer, <strong>der</strong><br />

Kaufmann Henry Paaby als Rechnungsprüfer und Hans<br />

Timm als Beisitzer gewählt. Die übrigen vier Männer bildeten<br />

den Aufsichtsrat. Sie wählten aus ihrer Mitte den<br />

Kaufmann Paul Loduchowski zum 1. Vorsitzenden und den<br />

Prokuristen Max Borstelmann zum 2. Vorsitzenden. Der<br />

Schriftsetzer Adolf Berendt übernahm das Amt des 1.<br />

Schriftführers und <strong>der</strong> Straßenbahner Franz Eichler das des<br />

2. Schriftführers. Die treibende Kraft bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> war ohne Zweifel Rudolf Schmidt.<br />

„Um von vornherein alle Streitigkeiten für die zukünftige<br />

Verwaltung auszuschalten“, brachte Hans Timm den<br />

Antrag ein, Schmidt „als zukünftigen Verwaltungsbeamten<br />

mit unkündbarem Vertrag und einem den Zeitverhältnissen<br />

und dem grade entsprechenden Gehalt einzusetzen“.<br />

Der Antrag wurde zwar einstimmig angenommen,<br />

vorerst musste jedoch ehrenamtlich gearbeitet werden.<br />

Die Geschäftsstelle befand sich in <strong>der</strong> Wohnung von<br />

Henry Paaby, Gneisenaustraße 40.<br />

Am 15. Oktober 1927 erschien <strong>der</strong> Vorstand beim Hamburger<br />

Amtsgericht, um die Registrierung zu beantragen.<br />

Unter <strong>der</strong> Nr. 538 wurde <strong>der</strong> „Gemeinnützige Bauverein<br />

für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg, eingetragene<br />

Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht“ am 21.<br />

Oktober 1927 im Genossenschaftsregister eingetragen. In<br />

<strong>der</strong> beim Amtsgericht eingereichten Satzung wurde die<br />

von Schmidt auf <strong>der</strong> Gründungsversammlung bereits<br />

umrissene Absicht, Klein- und Kleinstwohnungen zu<br />

bauen, weiter präzisiert. So sollte <strong>der</strong> Hauptzweck <strong>der</strong><br />

Genossenschaft darin bestehen, „Min<strong>der</strong>bemittelten ein<br />

ihrem Einkommen entsprechendes Heim – eine 2-Zimmerwohnung<br />

von etwa 50 Quadratmetern Wohnfläche –<br />

in eigens errichteten Hochbauten zu beschaffen.“ Auch<br />

war an kin<strong>der</strong>reiche Familien gedacht, die „durch raumsparende<br />

Ausnutzung <strong>der</strong> Räumlichkeit und dadurch<br />

erreichte Verbilligung <strong>der</strong> Miete eine 3-Zimmerwohnung<br />

[...], die eine Einbauküche, einen Zentralwohnraum und<br />

2 Schlafzimmer – in <strong>der</strong> Größe von etwa 65-80 Quadratmetern<br />

Wohnfläche –“ erhalten sollten. Eine Mitgliedschaft<br />

konnten alle volljährigen Personen erwerben. Das<br />

Eintrittsgeld betrug 5 Reichsmark (RM). Das Mitglied<br />

verpflichtete sich, mindestens ein Geschäftsanteil in<br />

Höhe von 50 RM zu erwerben. Der Anteil konnte in einer<br />

Summe o<strong>der</strong> zu monatlichen Raten von 5 RM eingezahlt<br />

werden. Die Beteiligung war auf 30 Geschäftsanteile<br />

begrenzt.<br />

Bereits auf <strong>der</strong> Genossenschaftsversammlung am 13.<br />

November 1927 berichtete Rudolf Schmidt über erfolgversprechende<br />

Verhandlungen bezüglich eines Bauvorhabens<br />

am Braußpark in Hamm mit knapp 200 Wohnungen.<br />

Vorstandsmitglied Hans Timm erwartete hingegen<br />

Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit<br />

durch die Hamburgische Beleihungskasse. Er hielt es<br />

deshalb für ratsam, „einflußreiche Herren als För<strong>der</strong>er“ in<br />

den Aufsichtsrat zu bitten. Der Vorstand glaubte, mit Hermann<br />

Paeplow eine geeignete Person gefunden zu haben,<br />

<strong>der</strong> für entsprechende Verhandlungen mit den Behörden<br />

und dem Architekten eine Vollmacht erhielt.<br />

Doch Paeplow erfüllte offensichtlich nicht die in ihn<br />

gesetzten Erwartungen. Schon wenige Wochen später<br />

wurde eine Verbindung zum Verband Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>,<br />

Gau Hamburg, aufgenommen. Rudolf Schmidt<br />

wollte damit seinen „Lieblingsgedanken“ verwirklichen<br />

und alle wohnungssuchenden <strong>Buchdrucker</strong> in <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

zusammenschließen. Der Vorstand nahm den<br />

Vorschlag an, weil die sieben Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

„fast alle <strong>Buchdrucker</strong> o<strong>der</strong> Angehörige“ waren und<br />

21


22<br />

„dadurch die Grundlage hierfür geschaffen“ war. Am 24.<br />

Januar 1928 stellten Rudolf Schmidt und ein Hausmakler<br />

dem Vorstand des Verbands <strong>der</strong> Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>,<br />

Gau Hamburg, ein zweites in Aussicht genommenes Projekt<br />

vor. Hierbei handelte es sich um ein Bauvorhaben in<br />

Barmbek-Nord zwischen <strong>der</strong> Meisenstraße und Lämmersieth.<br />

Schmidts Vorstellung fand Anerkennung, und die<br />

<strong>Buchdrucker</strong> beschlossen, die Genossenschaft moralisch<br />

zu unterstützen und dem Wohnblock nach Wiener Muster<br />

den Namen „Gutenberghof“ zu geben. Vereinbart wurde<br />

außerdem, dass <strong>der</strong> Gauvorstand eines seiner Mitglie<strong>der</strong> in<br />

den Aufsichtsrat <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> entsandte.<br />

Am 11. März 1928 beschloss eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />

den zunächst allgemein gehaltenen<br />

Paragraphen über die Mitgliedschaft folgen<strong>der</strong>maßen zu<br />

än<strong>der</strong>n: „Aufnahmefähig sind insbeson<strong>der</strong>e die Mitglie<strong>der</strong><br />

des Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>-Verbandes, Gau Hamburg<br />

(<strong>Buchdrucker</strong>-VereinHamburg-Altona)sowie<strong>der</strong>en Angehörige,<br />

soweit sie sich durch Verträge verpflichten können.“<br />

Die ersten acht Monate beschrieb Rudolf Schmidt im<br />

Mai 1928 als „dornenvollen Anfang“. Schwierigkeiten<br />

hatten nicht nur die Bemühungen um die Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Gemeinnützigkeit und die Suche nach einem „För<strong>der</strong>er“<br />

bereitet, auch personelle Verän<strong>der</strong>ungen mussten in<br />

<strong>der</strong> arbeitsintensiven Planungsphase bewältigt werden.<br />

Adolf Berendt verließ die Genossenschaft und übertrug<br />

im April 1928 seinen Geschäftsanteil auf den Schriftsetzer<br />

Willi Glass, <strong>der</strong> auch Berendts Aufsichtsratsmandat<br />

übernahm. Um die Satzungsbestimmung zu erfüllen, nach<br />

<strong>der</strong> in jedem Jahr einer von den auf drei Jahre gewählten<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> und einer <strong>der</strong> auf vier Jahre gewählten<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> ausscheiden musste, wurde die<br />

Amtsdauer zunächst per Los entschieden. Als Anfang<br />

1928 das Aufsichtsratsmitglied Eichler ausscheiden musste,<br />

kandidierte dieser nicht wie<strong>der</strong>. Statt seiner wurde <strong>der</strong><br />

im Februar 1928 als achtes Mitglied in die Genossenschaft<br />

aufgenommene Maschinensetzer Gustav Timm in den<br />

Aufsichtsrat gewählt. Darüber hinaus musste das<br />

zwischenzeitlich favorisierte Bauvorhaben Meisenstraße/<br />

Lämmersieth, das dem Vorstand <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> vorgestellt<br />

worden war, zurückgestellt werden, weil die<br />

hamburgische Baubehörde wegen <strong>der</strong> auf dem Nachbargrundstück<br />

geplanten Kirche nur eine dreigeschossige<br />

Bebauung zulassen wollte. Für die Genossenschaft stellte<br />

sich damit vermutlich die Frage <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />

für dieses Vorhaben. Um eine weitere Verzögerung zu<br />

vermeiden, wurde deshalb am 24. März 1928 <strong>der</strong> bereits<br />

im Vorjahr anvisierte Bauplatz am Braußpark für<br />

300.000 RM erworben.<br />

Damit war es Rudolf Schmidt, <strong>der</strong> sich nach eigenen<br />

Angaben mit <strong>der</strong> „Materie“ <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>en auskannte,<br />

gelungen, einen ersten wichtigen Schritt zu vollziehen.<br />

Sein Konzept muss für die Kreditgeber überzeugend<br />

gewesen sein, denn das Eigenkapital beschränkte<br />

sich auf die Geschäftsanteile <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

– am 31. Dezember 1927 bei sieben Mitglie<strong>der</strong>n 350,-<br />

RM. Da mit Ausnahme von Gustav Timm zunächst keine<br />

weiteren Mitglie<strong>der</strong> aufgenommen worden waren, hatte<br />

sich auch das Eigenkapital bis zum Grundstückskauf nicht<br />

erhöht. Vielmehr mussten von den Geschäftsanteilen die<br />

laufenden Kosten beglichen werden, die im Jahr 1927<br />

trotz „enorme[r] Einschränkung“ 46,81 RM betragen hatten.<br />

Die Arbeitsbelastung, die die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong><br />

auf sich genommen hatten, brachte Henry Paaby auf<br />

<strong>der</strong> ersten ordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 15.<br />

April 1928 zum Ausdruck. Er berichtete, dass die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

jeden Tag ein bis vier Stunden ehrenamtlich<br />

für die Genossenschaft tätig gewesen seien. Paaby<br />

machte deutlich, dass die „reine Genossenschaftsarbeit“<br />

zwar weiterhin ehrenamtlich zu leisten sei, aber mit


Beginn <strong>der</strong> Bautätigkeit gemäß dem Beschluss <strong>der</strong><br />

Gründungsversammlung vom 27. September<br />

1927 Rudolf Schmidt als Geschäftsführer eingestellt<br />

werden müsse, um den zu erwartenden<br />

Arbeitsanfall bewältigen zu können.<br />

Im Frühjahr 1928 war das Bauvorhaben soweit<br />

vorangeschritten, dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> zu<br />

einer Vorstellung des Projekts „Brausspark“ am 6.<br />

Mai einlud. Etwa 400 Personen folgten <strong>der</strong> Einladung,<br />

die sich vor allem an wohnungssuchende<br />

Drucker gewandt hatte. Auf <strong>der</strong> Tagesordnung<br />

stand: „Bekanntgabe <strong>der</strong> Bedingungen über die<br />

Erlangung einer Wohnung“ und „Beschlussfassung<br />

über die Verteilung <strong>der</strong> Wohnungen nach<br />

dem Bebauungsplan“. Hans Timm erläuterte die<br />

Finanzierung und erklärte, dass 10 Prozent <strong>der</strong><br />

Kosten von <strong>der</strong> Genossenschaft als Eigenkapital<br />

aufzubringen seien. Dies entsprach einem Eigenkapital<br />

von 1.000 bis 1.300 RM pro Wohnung.<br />

Dem Vorstand war es gelungen, über ein Baukostenzuschussdarlehen<br />

auch einen Großteil dieses<br />

Geldes aufzubringen. Zur Finanzierung des<br />

Restbetrags entschied <strong>der</strong> Vorstand, dass die<br />

Interessenten je nach Wohnungsgröße – 2 Zimmer<br />

300 RM, 2 1/2 Zimmer 375 RM, 3 Zimmer<br />

<strong>45</strong>0 RM und 3 1/2 Zimmer 500 RM – aufzubringen<br />

hatten, das in Raten mit einem Drittel<br />

Anzahlung einzuzahlen war. Die Wohnungen<br />

sollten nach den eingehenden Anmeldungen<br />

und nach dem gewünschten Einzugsjahr <strong>der</strong> Anwärter<br />

vergeben werden. Eine Verlosung lehnte<br />

<strong>der</strong> Geschäftsführer ab.<br />

Auch die folgenden Wochen blieben für die<br />

Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> arbeitsreich und nicht<br />

alles verlief nach Plan. So hatte <strong>der</strong> für das<br />

Bis 1929 wurde <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> mehrmals geän<strong>der</strong>t.<br />

23


24<br />

Projekt in Hamm zuständige Architekt bei <strong>der</strong> Beleihungskasse<br />

als Bauherrn „Wohngemeinschaft Brausspark“<br />

angegeben. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden,<br />

wurde eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung einberufen,<br />

auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Genossenschaftsname in § 1 <strong>der</strong> Satzung<br />

in „Wohngemeinschaft Brausspark. Gemeinnütziger<br />

Bauverein für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg“<br />

geän<strong>der</strong>t wurde. Die Än<strong>der</strong>ung wurde am 28. Mai 1928 ins<br />

Genossenschaftsregister eingetragen.<br />

Darüber hinaus stellte die Beleihungskasse weitere<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen zur Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit.<br />

So musste eine Klausel eingefügt werden, die es erlaubte,<br />

den Vorstand und den Aufsichtsrat um jeweils zwei, also<br />

bis zu fünf bzw. sechs Mitglie<strong>der</strong>, zu erweitern. Außerdem<br />

wurde verlangt, dass <strong>der</strong> bisherige Gründungskreis von<br />

acht Mitglie<strong>der</strong>n durch die Aufnahme von Neumitglie<strong>der</strong>n<br />

erweitert wird. Die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> hatten<br />

den Kreis <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bewusst klein gehalten. Sieben<br />

<strong>der</strong> acht Genossenschafter waren im Vorstand und Aufsichtsrat<br />

vertreten, so dass stets eine enge Abstimmung<br />

gewährleistet war und offizielle Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />

einen reibungslosen Verlauf garantierten. Auf <strong>der</strong> großen<br />

Versammlung für Wohnungsinteressierte wurde kein<br />

Hinweis auf den Erwerb einer Mitgliedschaft gegeben.<br />

Vermutlich wollten die Grün<strong>der</strong> an <strong>der</strong> bisherigen Praxis<br />

festhalten. Allerdings sprachen auch gute Gründe für eine<br />

Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Neuaufnahme. So hatten wie<strong>der</strong>holt<br />

unzuverlässige <strong>Baugenossenschaft</strong>en Genossenschaftsanteile<br />

ausgegeben und veruntreut. In diesem<br />

Zusammenhang führte <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende im<br />

Mai 1928 aus, dass „die Öffentlichkeit und insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Hamburg[ische]. Beleihungskasse neu gegründeten<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong>en sehr argwöhnisch gegenüber stehen“.<br />

Um den For<strong>der</strong>ungen nachzukommen, wurde<br />

beschlossen, dass „sämtliche Wohnungsanwärter, soweit<br />

sie <strong>Buchdrucker</strong> sind, [...] beim Amtsgericht [...] als<br />

Genossen eingetragen werden“.<br />

Einer außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung am<br />

22. Juni 1928 war die Aufnahme von drei neuen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />

vorausgegangen. Die beiden<br />

Schriftsetzer Hans Sauer und Richard Sonntag sowie <strong>der</strong><br />

<strong>Buchdrucker</strong> Kurt Müller gehörten zu den wohnungssuchenden<br />

Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong>n, die später Genossenschaftswohnungen<br />

in Hamm beziehen sollten. Auf <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung wurde entsprechend <strong>der</strong> neu<br />

gefassten Satzung <strong>der</strong> Vorstand um die bisherigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />

Gustav Timm und Willy Glass<br />

erweitert. Glass bezog später eine Wohnung im Braußpark<br />

Nr. 4. Den verbliebenen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n Paul<br />

Loduchowski und Max Borstelmann wurden die drei<br />

Neumitglie<strong>der</strong> an die Seite gestellt. Der sechste Platz im<br />

Aussichtsrat wurde für einen Vorschlag des Verbandes<br />

Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg, freigehalten.<br />

Mit <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Leitungsgremien wurden auch<br />

die Aufgaben neu verteilt. Während die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

Schmidt, Timm und Paaby ihre bisherigen Ämter<br />

beibehielten, fungierte Gustav Timm jetzt als Bauwart,<br />

und Willi Glass war zuständig für den Arbeitsausschuss.<br />

Loduchowski übte weiterhin den Aufsichtsratsvorsitz aus,<br />

Sauer wurde sein Stellvertreter. Borstelmann war 1.<br />

Schriftführer und kaufmännischer Berater, Sonntag 2.<br />

Schriftführer und Müller Beisitzer.<br />

Bereits vier Tage später tagte <strong>der</strong> Vorstand um zum<br />

erstenmal eine größere Zahl von Neumitglie<strong>der</strong>n aufzunehmen.<br />

46 <strong>Buchdrucker</strong> mit den Eintrittsnummern 13<br />

bis 58 wurden nun Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>. Am 2. Juli<br />

1928 folgten 16 <strong>Buchdrucker</strong> und bis zum Monatsende<br />

weitere 22. Zur außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

am 9. August 1928 erschienen 78 <strong>der</strong> inzwischen 96<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>. Die Versammlung, die nun


nicht mehr wie bisher in <strong>der</strong> Privatwohnung des<br />

Geschäftsführers Rudolf Schmidt stattfinden konnte,<br />

tagte im Lokal „Zur Hohenfel<strong>der</strong> Schäferhütte“, Lübecker<br />

Straße 84. Erneut mussten Satzungsän<strong>der</strong>ungen durchgeführt<br />

werden, um weitere For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Beleihungskasse<br />

zur Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit zu erfüllen.<br />

Darüber hinaus hatte die Beleihungskasse wenige Tage vor<br />

<strong>der</strong> Versammlung mitgeteilt, dass neue Richtlinien in <strong>der</strong><br />

Vorbereitung seien, die grundlegende Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Statuten für alle gemeinnützigen Genossenschaften und<br />

solche, die es werden wollen, beinhalteten. Um weitere<br />

aufwendige Mitglie<strong>der</strong>versammlungen zu vermeiden,<br />

beantragte <strong>der</strong> Geschäftsführer Schmidt für den Vorstand<br />

und den Aufsichtsrat eine Vollmacht zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Statuten. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.<br />

Noch am gleichen Tag tagten die Führungsgremien und<br />

beschlossen einstimmig, das Baudarlehen nach Größe<br />

gestaffelt auf 600, 700, 800 und 900 RM festzusetzen,<br />

wobei darin ein Unkostenbeitrag von 50 RM enthalten<br />

war. Damit kam die Genossenschaft <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Beleihungskasse nach, die die Einzahlung des Baudarlehens<br />

jeweils in Höhe einer Jahresmiete gefor<strong>der</strong>t hatte.<br />

Obwohl das Großprojekt sich noch in <strong>der</strong> Planungsphase<br />

befand und bei <strong>der</strong> Finanzierung nachgebessert<br />

werden musste, befasste sich die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

bereits mit einem weiteren Bauvorhaben. Wie aus dem<br />

Namen <strong>der</strong> Genossenschaft hervorging, sollte sich die<br />

Bautätigkeit nicht auf das Hamburger Staatsgebiet beschränken,<br />

son<strong>der</strong>n sich auf Groß-Hamburg erstrecken.<br />

Am 9. August 1928 erhielt <strong>der</strong> Vorstand die Genehmigung,<br />

zum Kauf eines Bauplatzes im damals noch zu<br />

Schleswig-Holstein gehörenden Altona, Ecke Legienstraße<br />

und Friedensallee, in Verhandlungen einzutreten.<br />

Einen Monat später konnte auch <strong>der</strong> sechste, noch offene<br />

Aufsichtsratsposten besetzt werden. Dem Vorstands-<br />

mitglied des Verbands Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg,<br />

Max Cohn, sollte <strong>der</strong> Sitz angeboten werden. Als<br />

am 19. September 1928 weitere 11 <strong>Buchdrucker</strong> mit den<br />

Eintrittsnummern 97 bis 107 aufgenommen wurden, war<br />

auch Max Cohn als 100. Mitglied <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

darunter.<br />

Für weitere Unannehmlichkeiten sorgte <strong>der</strong> im August<br />

beschlossene Beitritt zur „DEWOG-Revisions-Vereinigung“<br />

in Berlin. Der Revisionsverband gemeinnütziger<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong>en erklärte die bestehende Satzung für<br />

ungenügend, da sie den reichsgesetzlichen Bestimmungen<br />

nicht entspreche. Die DEWOG empfahl dringend die<br />

Annahme ihrer Mustersatzung. Da auch die Beleihungskasse<br />

in verschiedenen Punkten Än<strong>der</strong>ungen wünschte,<br />

entschieden sich Vorstand und Aufsichtsrat für die Übernahme<br />

<strong>der</strong> Mustersatzung und beriefen hierfür eine außerordentliche<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung ein. Am 7. Oktober<br />

1928 wurde die neue Satzung verabschiedet. Sie entsprach<br />

den Vorgaben <strong>der</strong> DEWOG und enthielt nur Beson<strong>der</strong>heiten<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> wie die bevorzugte Aufnahme<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n des Deutschen <strong>Buchdrucker</strong> Verbandes,<br />

Gau Hamburg. Auch wurde <strong>der</strong> Geschäftsanteil von<br />

ursprünglich 50 RM auf 300 RM angehoben. Erlaubt war<br />

jetzt <strong>der</strong> Erwerb von höchstens 10 Geschäftsanteilen.<br />

Hintergrund dieser Verän<strong>der</strong>ung waren vermutlich Haftungsgründe,<br />

denn für jeden Geschäftsanteil betrug die<br />

Haftsumme300RM.DassdieMitglie<strong>der</strong>nichtnochzusätzlich<br />

belastet werden sollten, wird in einem geson<strong>der</strong>ten<br />

Beschluss deutlich. Danach sollten alle zukünftigen Mieter<br />

<strong>der</strong> Wohnanlage Braußpark, die ohnehin durch das Baudarlehen<br />

belastet waren, zunächst nur eine Anzahlung auf<br />

einen Geschäftsanteil in Höhe von 50 RM leisten. Bei <strong>der</strong><br />

Rückzahlung des Baudarlehens sollte dann später <strong>der</strong><br />

Geschäftsanteil auf 300 RM ergänzt werden. Von allen<br />

übrigen, als „För<strong>der</strong>er“ bezeichneten Genossenschafts-<br />

25


26<br />

Nach <strong>der</strong> Aufnahme von Sauer, Müller und Sonntag, die in den Aufsichtsrat gewählt wurden, begann am 30. Juni 1928 die Registrierung<br />

einer größeren Zahl von Mitglie<strong>der</strong>n.


mitglie<strong>der</strong>n wurde ebenfalls nur die Zahlung von 50 RM<br />

erwartet. Da <strong>der</strong> Beschluss <strong>der</strong> Satzung wi<strong>der</strong>sprach, konnte<br />

er nicht umgesetzt werden. Tatsächlich zahlten alle Mitglie<strong>der</strong><br />

einen Geschäftsanteil über 300 RM ein. Auch die<br />

Mitbestimmungsrechte <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

wurden reduziert. Die in <strong>der</strong> ursprünglichen Satzung vorgesehene<br />

Wahl des Vorstandes durch die Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

wurde gestrichen. Die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

sollten zukünftig vom Aufsichtsrat auf unbestimmte Zeit<br />

ernannt werden.<br />

Ein Jahr intensiver ehrenamtlicher Arbeit war vergangen,<br />

bis nun sowohl hinsichtlich <strong>der</strong> personellen Besetzung<br />

als auch <strong>der</strong> satzungsmäßigen Bestimmungen eine<br />

solide Grundlage für die kommenden Jahre geschaffen<br />

worden war. Der Name <strong>der</strong> Genossenschaft war allerdings<br />

noch ein Provisorium geblieben. Im Juni 1928 beschloss<br />

die Mitglie<strong>der</strong>versammlung, die Bezeichnung „Wohngemeinschaft<br />

Brausspark“ nach <strong>der</strong> Fertigstellung des ersten<br />

Bauabschnitts zu streichen und wie<strong>der</strong> den alten Titel mit<br />

dem Zusatz „<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ zu führen.<br />

Vorübergehend nannte sich die Genossenschaft<br />

daher: „Wohngemeinschaft Brausspark. Gemeinnütziger<br />

Bauverein für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg<br />

e.G.m.b.H. (<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>)“. Ab<br />

dem 10. August 1928 hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> ihre<br />

Geschäftsstelle in <strong>der</strong> Wohnung von Geschäftsführer<br />

Rudolf Schmidt, Hohensteiner Straße 3.<br />

Nachdem die Anfangsschwierigkeiten weitgehend überwunden<br />

waren, zeigte sich allerdings auch, dass sich die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> von ihrer Gründungsidee, „Min<strong>der</strong>bemittelten“<br />

und „kin<strong>der</strong>reichen Genossen“ preisgünstige<br />

Wohnungen zur Verfügung zu stellen, bereits deutlich entfernthatte.ZwarwurdeandiesemZielauchin<strong>der</strong>neuenSatzung<br />

festgehalten, doch mit <strong>der</strong> Ausrichtung auf die <strong>Buchdrucker</strong><br />

hatte sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> einer Klientel<br />

von gut verdienenden Facharbeitern zugewandt. Auch<br />

hatten sich die finanziellen Anfor<strong>der</strong>ungen gegenüber<br />

den ersten Plänen vervielfacht. Nicht <strong>der</strong> Erwerb eines<br />

Geschäftsanteilsüber50RMwarjetztausreichend,son<strong>der</strong>n<br />

die Anzahlung auf einen Anteil in gleicher Höhe, die Einzahlung<br />

eines Baudarlehens in Höhe von 700 RM für eine 2<br />

1/2ZimmerwohnungunddieHaftungmit300RM.Dietatsächlich<br />

zu zahlenden 750 RM entsprachen etwa dreieinhalb<br />

Monatslöhnen eines gut verdienenden Druckers.<br />

Die Gemeinnützigkeit wurde <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

durch die zuständige Kommission <strong>der</strong> Hamburgischen<br />

Beleihungskasse am 6. Dezember 1929 zuerkannt. Auch<br />

gegen die gewünschte Än<strong>der</strong>ung des Firmennamens<br />

bestanden keine Einwände, so dass beim Amtsgericht die<br />

Umbenennung <strong>der</strong> Genossenschaft in „<strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ beantragt wurde. Dementsprechend<br />

wurde <strong>der</strong> Eintrag ins Genossenschaftsregister am<br />

29. Dezember 1929 geän<strong>der</strong>t.<br />

Der <strong>Baugenossenschaft</strong> wurden durch die Befreiung von<br />

<strong>der</strong> Stempelabgabe und von <strong>der</strong> Körperschaftssteuer weitere<br />

Vergünstigungen gewährt. Durch eine Verordnung<br />

des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 wurde die<br />

Gemeinnützigkeit vorübergehend in Frage gestellt. Einem<br />

Antrag <strong>der</strong> Genossenschaft vom 23. Dezember 1931 um<br />

Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen<br />

gab die Finanzdeputation nicht statt. Erst nachdem<br />

die <strong>Baugenossenschaft</strong> beim Verwaltungsgericht Klage<br />

eingereicht hatte, wurde dem Antrag am 3. März 1933<br />

stattgegeben.<br />

Am 1. Juni 1930 wurde die Geschäftsstelle <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> ins Nachbarhaus, Hohensteiner<br />

Straße Nr. 1, Parterre, verlegt. Die Sprechzeiten<br />

fanden dienstags und freitags von 19.30 bis 20.30 Uhr<br />

statt. Sonnabends wurde eine Sprechstunde im Gewerkschaftshaus<br />

am Besenbin<strong>der</strong>hof durchgeführt.<br />

27


28<br />

WOHNANLAGE BRAUSSPARK<br />

Die Finanzierung<br />

Obwohl zwischenzeitlich ein Bauvorhaben in Barmbek-<br />

Nord favorisiert worden war, blieb das Projekt, mit dem<br />

sich die Genossenschaft nach ihrer Gründung<br />

zunächst befasste, das erste Bauvorhaben, das<br />

überhaupt realisiert wurde.<br />

Der Kaufvertrag für das Grundstück wurde<br />

bereits im März 1928 geschlossen, doch die<br />

Finanzierung des Projekts war noch keineswegs<br />

gesichert. Die Beschaffung <strong>der</strong> finanziellen<br />

Mittel in Höhe von 1,25 Millionen Reichsmark<br />

auf dem Kapitalmarkt bereitete große<br />

Schwierigkeiten. So berichtete Geschäftsführer<br />

Schmidt im Juni 1928: „Wo wir uns jetzt um<br />

Geld bemühen, ist uns gesagt worden: ‘Machen<br />

Sie doch eine G.m.b.H.’.“ Auch <strong>der</strong> Direktor<br />

<strong>der</strong> Hamburger Sparkasse hatte sich dahingehend<br />

geäußert, dass eine Gesellschaft schneller<br />

Geld bekomme als eine Genossenschaft. An<br />

<strong>der</strong> genossenschaftlichen Organisation wurde<br />

allerdings festgehalten, auch wenn hier bereits<br />

die später durchgeführte Ernennung <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

auf unbestimmte Zeit<br />

beschlossen wurde. Die Protagonisten versprachen<br />

sich davon, dass „die geschäftliche<br />

Abwicklung stets eine stabile sein“ würde, „und die Kreditwürdigkeit<br />

[...] gesichert“ sei. Tatsächlich wurde im<br />

Oktober 1928 in <strong>der</strong> neuen Satzung die Ernennung <strong>der</strong><br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> durch den Aufsichtsrat festgelegt.<br />

Als Vorbild dienten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> an<strong>der</strong>e Genossenschaften,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Hamburger ‘Produktion’.<br />

Die Bemühungen um die Finanzierung des Bauvorhabens<br />

kamen unterdessen nur schleppend voran. Am 10.<br />

September 1928 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat,<br />

„demnächst <strong>der</strong> Zentrale des <strong>Buchdrucker</strong>-Verbandes ein<br />

Hypothekengesuch zu unterbreiten.“ Gut zwei Wochen<br />

später unterrichtete Geschäftsführer Schmidt Vorstand<br />

und Aufsichtsrat ausführlich über den weiterhin uner-<br />

Braußpark - Blick auf das Gelände vor <strong>der</strong> Aufhöhung. Die Straße „Braußpark“<br />

wurde von 1912 bis 1914 angelegt.<br />

freulichen Sachstand in <strong>der</strong> Finanzierungsfrage: „Schmidt<br />

erklärte, daß das Bauvorhaben Brausspark baupolizeilich<br />

in Ordnung ist. Lei<strong>der</strong> sind wir noch nicht in <strong>der</strong> Lage, bei<br />

<strong>der</strong> Beleihungskasse betr. Vorbescheides etwas zu unternehmen,<br />

weil die Unterlagen zur Deckung <strong>der</strong> restlichen<br />

10 Prozent nicht in Ordnung ist. Ebenso ist <strong>der</strong> Beitritt<br />

zum Revisionsverband noch nicht erfolgt. Die Beschaffung<br />

<strong>der</strong> I. Hypothek, die wir bei <strong>der</strong> Hanseatischen


Versicherungsanstalt zu Lübeck beantragt haben, wird<br />

Anfang Oktober in einer Sitzung entschieden. Verlangt<br />

wird dazu [...] <strong>der</strong> Vorbescheid <strong>der</strong> Bel. Kasse, den wir bis<br />

dahin kaum beschaffen können.“<br />

Auf <strong>der</strong> außerordentlichen Generalversammlung am 23.<br />

Dezember 1928 wurde erklärt, dass nun „in absehbarer<br />

Zeit“ mit <strong>der</strong> Bautätigkeit begonnen werden<br />

könne. Dabei hatte sich unter den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />

Unmut über die Verzögerungen<br />

gezeigt. Aufsichtsratsmitglied Cohn<br />

versuchte, die Gemüter zu beruhigen, und verwies<br />

„unter Vergleichziehung mit an<strong>der</strong>en<br />

Genossenschaften [...], daß unsere Genossenschaft<br />

innerhalb eines Jahres schon bedeutende<br />

Fortschritte zu verzeichnen hätte“. Die<br />

ebenfalls demnächst erwartete Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Gemeinnützigkeit verzögerte sich hingegen<br />

noch um fast ein Jahr.<br />

Die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong><br />

Geldmittel waren vermutlich die wesentlichen<br />

Gründe für die Aufteilung des Bauprojekts in<br />

fünf Abschnitte. Immerhin gelang es Anfang<br />

1929, die Finanzierung <strong>der</strong> beiden ersten Bauabschnitte<br />

– Braußpark Nr. 2-4, Eitzensweg<br />

Nr. 4 und Wicherns Garten Nr. 1 - 7 –<br />

sicherzustellen. Dabei hatte sich die freigewerkschaftlich-sozialdemokratische<br />

Ausrichtung <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> mit <strong>der</strong> Anlehnung an die <strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft<br />

offensichtlich ausgezahlt. Die politischen<br />

Verbindungen reichten über den Vorsitzenden des<br />

Verbands Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg, und<br />

SPD-Bürgerschaftsabgeordneten, Friedrich Runtzler, bis<br />

zu den im Rathaus regierenden Sozialdemokraten. Nicht<br />

weniger wichtiger war die <strong>der</strong> gleichen Genossenschaftsrichtung<br />

angehörende Hamburger ‘Produktion’ – kurz<br />

‘PRO’ –, in <strong>der</strong>en Leitungsgremien Sozialdemokraten und<br />

Gewerkschafter saßen. Die ‘PRO’ war eine <strong>der</strong> stärksten<br />

Genossenschaften im Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften<br />

Hamburg. Sie hatte 1930 in Hamburg<br />

und Umgebung 128.631 Mitglie<strong>der</strong>. Die ‘PRO’ unterhielt<br />

254 Kolonialwarenläden, 118 Schlachtereien, 92 Brot-<br />

Ecke Wicherns Garten/Eitzensweg mit <strong>der</strong> Schlachterei <strong>der</strong> „Produktion“ (ca.1930).<br />

läden und 2 Kaufhäuser. In 4 Bäckereien, 2 Molkereien, 1<br />

Fleischwarenfabrik, 1 Kaffeerösterei, 1 Kellerei, 1 Möbelfabrik<br />

und mehreren Mühlen wurden eigene Produkte<br />

hergestellt. Die ‘PRO’ hatte 1930 einen Umsatz von fast<br />

85 Millionen Reichsmark und beschäftigte 4.629 Mitarbeiter.<br />

Die <strong>Buchdrucker</strong> waren in <strong>der</strong> Konsumgenossenschaft<br />

mit 1.467 Mitglie<strong>der</strong>n vertreten. Damit war ein<br />

Großteil <strong>der</strong> etwa 4.000 gewerkschaftlich organisierten<br />

<strong>Buchdrucker</strong> zugleich Mitglied <strong>der</strong> ‘PRO’.<br />

29


30<br />

Bei <strong>der</strong> ‘PRO’ fand die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

finanzielle Unterstützung für das Bauprojekt in<br />

Hamm. 520.000 RM stellte die Konsumgenossenschaft<br />

zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent zur Verfügung. Das<br />

waren 52 Prozent <strong>der</strong> durch Hypotheken gesicherten<br />

Kreditsumme für die ersten beiden Bauabschnitte. Die<br />

Hamburgische Beleihungskasse war mit 425.000 RM<br />

beteiligt. Weitere 42.000 RM wurden von zwei Privatpersonen<br />

eingebracht, darunter mit 15.000 RM <strong>der</strong><br />

mit <strong>der</strong> Bauausführung beauftragte Unternehmer Oscar<br />

Müller.<br />

Die ‘PRO’ verband mit ihrem Engagement das eigene<br />

Interesse an neuen Verkaufsstandorten. So wurde in den<br />

ursprünglichen Bauplan eine Ladenzeile aufgenommen, in<br />

<strong>der</strong> die ‘PRO’ einen Schlachterladen, einen Kolonialwarenladen<br />

und einen Brotladen einrichtete. Die Eröffnung<br />

einer solchen Ladengruppe entsprach <strong>der</strong> von <strong>der</strong> ‘PRO’<br />

angestrebten Angebotspalette.<br />

Die Bauanzeige für den Baubeginn <strong>der</strong> Wohnanlage am<br />

Braußpark ging bei <strong>der</strong> Baupolizei am 18. April 1929 ein.<br />

Nach vorbereitenden Arbeiten begann am 10. Juli 1929<br />

das Rammen <strong>der</strong> Pfähle, eine bautechnische Notwendigkeit<br />

zur Gründung <strong>der</strong> Häuser im Hammer Marschboden.<br />

Der erste Bauabschnitt umfasste den Braußpark und den<br />

Eitzensweg mit den hier geplanten Läden. Die Schlussbesichtigung<br />

durch die Baupolizei fand am 1. April 1930<br />

statt. Die Häuser des zweiten Bauabschnitts im Wicherns<br />

Garten wurden vier Wochen später abgenommen und<br />

schon am 1. Mai 1930 bezogen.<br />

Um den finanziellen Spielraum <strong>der</strong> Genossenschaft zu<br />

erweitern, empfahl Geschäftsführer Schmidt den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 28. April 1929 eine<br />

Beteiligung an <strong>der</strong> eingerichteten „Bausparkasse“. Im<br />

Dezember wurde die Höhe <strong>der</strong> angestrebten Spareinlage<br />

auf 200.000 RM festgelegt.<br />

Als Geschäftsführer Schmidt am 1. Juni 1930 den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

erneut über die Wohnungsbaufinanzierung<br />

berichtete, hatten sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

nachhaltig verschlechtert. Der Börsenkrach<br />

vom 25. Oktober 1929 hatte die Weltwirtschaft<br />

in eine Krise gestürzt. In Deutschland stärkten Massenarbeitslosigkeit<br />

und leere Staatskassen die Nationalsozialisten.<br />

Die innenpolitischen Verhältnisse führten schließlich<br />

zum Zusammenbruch <strong>der</strong> Weimarer Republik.<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> war durch die Ereignisse in zweifacher<br />

Weise betroffen. Zum einen konnten die arbeitslos<br />

gewordenen Mieter ihre Miete nicht mehr aufbringen,<br />

zum an<strong>der</strong>en versiegte die staatliche Unterstützung für die<br />

Finanzierung <strong>der</strong> weiteren Bauabschnitte. Auch in Hamburg<br />

wurde die „Hauszinssteuer“ zunehmend verwendet,<br />

um Lücken im Haushalt zu füllen. Schmidt berichtete,<br />

„mit welchen gewaltigen Schwierigkeiten die Beschaffung<br />

<strong>der</strong> I. Hypothek verbunden ist. Auch die Beschaffung des<br />

Zwischenkredits, welchen wir von <strong>der</strong> Bel. Kasse erbeten<br />

hatten, war absolut keine Kleinigkeit. Die Bel. Kasse lehnte<br />

unsere diesbez. gestellte Anfrage stets prompt ab, mit<br />

dem Bemerken, daß z. Zt. kein Geld vorhanden sei.“ Erst<br />

das persönliche Gespräch mit Beleihungskassendirektor<br />

Max Leuteritz, Sozialdemokrat und Präsident <strong>der</strong> Hamburgischen<br />

Bürgerschaft, machte die Bewilligung des<br />

Zwischenkredits in dieser schwierigen Zeit möglich. Mit<br />

dem Baubeginn des III. Abschnitts, Braußpark Nr. 14-20,<br />

für den bisher lediglich die Pfahlgründung ausgeführt worden<br />

war, konnte nach Einschätzung des Geschäftsführers<br />

in Kürze gerechnet werden, da die Verhandlungen mit <strong>der</strong><br />

Hamburgischen Baukasse AG kurz vor dem Abschluss<br />

standen. Allerdings for<strong>der</strong>te die Wirtschaftskrise auch<br />

hier ihren Preis. Nur durch eine Auslandshypothek zu<br />

einem Zinssatz von 8 3/4 Prozent konnten 262.000 RM<br />

beschafft werden. Das war <strong>der</strong> mit Abstand höchste Zins-


satz für das gesamte Bauprojekt. Auch hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

für den 40 Wohnungen umfassenden IV.<br />

Bauabschnitt von Leuteritz einen Vorbescheid erhalten,<br />

so dass auch hier mit den Gründungsarbeiten begonnen<br />

werden konnte. Neben <strong>der</strong> Beleihungskasse mit ihren<br />

staatlichen Krediten beteiligten sich am IV. und V. Bauabschnitt<br />

die Thüringische Landeshypothekenbank und<br />

die Hamburger Sparcasse von 1827.<br />

Die Bauausführung<br />

Das Baugrundstück am Braußpark umfasste etwa 6.800<br />

qm zwischen den Straßen Eiffestraße, Braußpark,<br />

Wicherns Garten und dem noch anzulegenden Eitzensweg.<br />

Es lag in <strong>der</strong> Hammer Marsch, die seit 1906 durch<br />

Sand aus den Boberger Dünen um mehr als 5 Meter aufgefüllt<br />

und so zur Besiedelung vorbereitet worden war. Das<br />

Grundstück wurde von <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> mit einer<br />

fertigen Bauplanung des Architekten Schöttler gekauft,<br />

<strong>der</strong> zugleich <strong>der</strong> bisherige Grundeigentümer gewesen war.<br />

Der Entwurf des Architekten sah eine Wohnanlage mit<br />

197 Wohnungen vor. Der fünfgeschossige – im Wicherns<br />

Garten viergeschossige – Bau mit Keller und Dachboden<br />

war als halbgeschlossener, rechteckiger Block vorgesehen,<br />

<strong>der</strong> zum Wicherns Garten auf einer Länge von 64 Metern<br />

geöffnet sein sollte. Schöttler hatte 35 Wohnungen mit 2<br />

Zimmern, 129 Wohnungen mit 2 1/2 Zimmern, 24 Wohnungen<br />

mit 3 Zimmern und 9 Wohnungen mit 3 1/2 Zimmern<br />

vorgesehen. An <strong>der</strong> ursprünglichen Planung wurde<br />

im Wesentlichen festgehalten, dennoch gab es gravierende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen. Entlang des Eitzenswegs wurde eine<br />

Ladenzeile eingerichtet. Außerdem wurden die zum Teil<br />

zum Innenhof gelegenen Treppenhäuser an die Straßen<br />

verlegt o<strong>der</strong> aber ein Zugang von <strong>der</strong> Straße geschaffen.<br />

Die größten Auswirkungen hatte die Aufgabe <strong>der</strong> im<br />

ersten Entwurf verwirklichten Querlüftung aller Woh-<br />

nungen. Die dabei vorgesehene Erschließung von jeweils<br />

zwei Wohnungen auf einer Treppenhausetage wurde<br />

zugunsten eines „Dreispänners“ aufgegeben. Jeweils eine<br />

<strong>der</strong> drei Wohnungen pro Etage hatte damit nicht die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Querlüftung. Die Wohnungsgrößen wurden<br />

deutlich reduziert. Während es sich im Entwurf vor allem<br />

um 2 1/2-Zimmer-Wohnungen mit etwa 62 qm handelte,<br />

wurden in den ersten beiden Bauabschnitten sehr viel<br />

mehr 2-Zimmer-Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen<br />

51 und 53 qm gebaut. Insgesamt konnte durch den<br />

kleineren Zuschnitt trotz <strong>der</strong> zusätzlichen Einrichtung <strong>der</strong><br />

Ladenzeile die Zahl <strong>der</strong> Wohnungen noch auf 208 erhöht<br />

werden. Auch wurden im Wicherns Garten Nr. 7 bisher<br />

nicht vorgesehene 1 1/2-Zimmer-Wohnungen mit 48 qm<br />

gebaut. Ihnen gegenüber lagen 3-Zimmer-Wohnungen mit<br />

70 qm, die zugleich den Abschluss <strong>der</strong> Blocks bildeten.<br />

Die Wohnanlage wurde als Klinkerbau ausgeführt und<br />

mit Loggien ausgestattet. Die Häuser Eitzensweg Nr. 4<br />

und Wicherns Garten Nr. 1-7 hatten 28 Loggien. Die<br />

Treppenhauseingänge waren mit einem Terrazzofußbodenbelag<br />

versehen. In den Wohnungen hatte die Küche<br />

eine Herdvorlage, und die Wände waren bis zur Höhe<br />

von 1,4 m mit glasierten Wandplatten ausgestattet. Die<br />

Badezimmer hatten einen Steinholzfußbodenbelag, die<br />

Loggien Asphaltbelag. Oberhalb <strong>der</strong> massiven Kellerdecke<br />

hatten alle Geschosse hölzerne Balkenlagen und<br />

Redpinefußbodenbelag. Alle Wohnungen waren an das<br />

Siel- und Wassernetz angeschlossen, verfügten über<br />

einen Kochgasanschluss und hatten eine Klingelanlage.<br />

Alle Räume waren mit elektrischem Licht ausgestattet.<br />

In den Treppenhäusern wurde eine drei Minutenlichtanlage<br />

installiert. Jede Wohnung verfügte über ein eigenes<br />

Klo mit Waschbecken. Von den <strong>45</strong> Wohnungen im Eitzensweg<br />

Nr. 4 und Wicherns Garten Nr. 1 - 7 hatten nur<br />

17 ein eigenes Bad mit einer emaillierten Badewanne.<br />

31


32<br />

Das Badewasser musste in einem Ofen für Kohlefeuerung<br />

erhitzt werden. Die Küchen mit angrenzen<strong>der</strong> Speisekammer<br />

waren mit einem Kachelherd und einem Feuertonausguss<br />

ausgestattet. Die Zimmer konnten mit freistehenden<br />

Kachelöfen o<strong>der</strong> eisernen Öfen beheizt<br />

werden. Die hölzernen Fußbodenbeläge wurden geölt und<br />

lackiert. Die inneren Decken und Wandflächen erhielten,<br />

sofern keine Wandplatten angebracht wurden, einen<br />

Leimfarbenanstrich. Im Kellergeschoss gab es neben 53<br />

Vorratsräumen und 5 mit feuerhemmenden Türen versehenen<br />

Mülleimerräumen 5 Waschküchen und 3 Badezimmer.<br />

Die Waschküchen verfügten über emaillierte<br />

Spülwannen und kupferne Waschkesselöfen. Im Dachgeschoss<br />

befanden sich 5 Trockenböden und 10 Vorböden<br />

mit abgetrennten Bodenräumen.<br />

Die Schlachterei an <strong>der</strong> Ecke Eitzensweg/Wicherns Garten<br />

verfügte über einen eigenen Kühlraum, <strong>der</strong> maschinell<br />

mit einer „Autofrigor-Kältemaschine“ unter Verwendung<br />

von Chlormetyl gekühlt wurde. Schlachterladen<br />

und Kühlraum hatten einen Terrazzofußboden, die Wände<br />

waren mit glasierten Wandplatten bis zu einer Höhe von<br />

2,40 m umkleidet. Darüber hinaus gab es zwei weitere<br />

hölzerne Kühlschränke. Für den Aufenthaltsraum wurde<br />

eine Nie<strong>der</strong>druckwarmwasserheizung betrieben.<br />

Der Verzicht auf eine generelle Querlüftung und die Verringerung<br />

<strong>der</strong> Wohnungsgrößen waren nicht die einzigen<br />

Kompromisse.AuchaufeinezunächstgeplanteZentralheizungwurdeausKostengründenbereitsfrühzeitigverzichtet.<br />

Bereits in die ersten fertig gestellten Wohnungen zogen<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Vorstands und des Aufsichtsrats ein.<br />

Doch nicht alle Konflikte konnten einvernehmlich<br />

geregelt werden. Ende Juni 1931 beschwerten sich Anwohner<br />

im Eitzensweg über die Motorengeräusche <strong>der</strong> Kühlanlage<br />

in <strong>der</strong> Schlachterei bei <strong>der</strong> Baupolizei. Zwar wurde<br />

<strong>der</strong> Motor durch eine „Kork-Gummi-Isolierung“ vom Auflager<br />

getrennt und damit eine Verbesserung erreicht, bei<br />

einer Überprüfung wurde jedoch festgestellt, dass „das<br />

Summen in <strong>der</strong> Wohnung über dem Kühlhaus immer<br />

noch recht störend“ sei. Wie<strong>der</strong>holt wurden auf den Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />

auch bauliche Mängel beklagt,<br />

wobei sich die Genossenschaft umgehend um die Behebung<br />

bemühte. Das Explosionsunglück am 8. Januar 1931<br />

im Erdgeschoss des gerade erst fertiggestellten Hauses<br />

Braußpark Nr. 16, bei dem <strong>der</strong> Bewohner ums Leben kam,<br />

war unterdessen nicht auf eine mangelhafte Installation<br />

<strong>der</strong> Gasanlage zurückzuführen. Das Unglück wurde durch<br />

einen halb geöffneten Gashahn ausgelöst. Das ausströmende<br />

Gas hatte sich am Feuer im Küchenherd entzündet.


DIE KRISE<br />

Auch in Hamburg hatte die Weltwirtschaftskrise katastrophale<br />

Folgen. Die Zahl <strong>der</strong> Arbeitsuchenden stieg von<br />

50.000 im Jahre 1928 auf fast 165.000 Ende 1932.<br />

Die Arbeitslosenquote lag bei 38 Prozent. Kürzungen bei<br />

den Versicherungsleistungen und Lohnsenkungen verschärften<br />

die Situation.<br />

In gut zweieinhalb Jahren – von September 1927 bis zum<br />

April 1930 – war es den Genossenschaftsgrün<strong>der</strong>n gelungen,<br />

ein Wohnprojekt mit über 200 Wohnungen zu initiieren<br />

und die ersten Wohnungen zu beziehen. Die Zahl <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> stieg bis Ende 1930 auf 275. Seit <strong>der</strong> Gründung<br />

waren insgesamt 340 Personen <strong>der</strong> Genossenschaft beigetreten.<br />

65 traten wie<strong>der</strong> aus, wobei 24 Mitglie<strong>der</strong> ihre<br />

Geschäftsanteile auf an<strong>der</strong>e übertrugen. Allerdings war<br />

schon in den Jahren 1929 und 1930 eine deutliche Verän<strong>der</strong>ung<br />

zu erkennen. Es hatten sich nicht nur die Abgänge<br />

von 20 auf <strong>45</strong> mehr als verdoppelt, auchdasVerhältniszwischen<br />

Austritt und Übertragung hatte sich verschoben.<br />

Während 1929 noch fast Zweidrittel <strong>der</strong> Abgänge auf<br />

Übertragungen zurückzuführen waren, lag 1930 die Zahl<br />

<strong>der</strong> Austritte dreimal so hoch wie die <strong>der</strong> Übertragungen.<br />

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach <strong>der</strong> Satzung eine<br />

Kündigung <strong>der</strong> Mitgliedschaft und damit die Auszahlung<br />

des Geschäftsanteils erst zum Ende des darauffolgenden<br />

Geschäftsjahres erfolgen konnte, also musste mindestens<br />

ein Jahr im voraus gekündigt werden. Es kann daher angenommen<br />

werden, dass die erhöhte Zahl <strong>der</strong> Austritte im<br />

Jahre 1930 bereits auf die finanziellen Probleme von<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n zurückzuführen war.<br />

Ende 1930 lagen bereits 43 Kündigungen zum 31.<br />

Dezember 1931 vor. Angesichts <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise<br />

waren weitere Austritte vorherzusehen. Ob diese Befürchtungen<br />

den Anlass dafür gaben, die Kündigungsfrist auf<br />

zwei Jahre zu verlängern, ist nicht bekannt. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

am 28. Juni 1931 wurde jedenfalls<br />

mit <strong>der</strong> neuen Satzung auch die geän<strong>der</strong>te Frist verabschiedet.<br />

Nur wer bis dahin gekündigt hatte, konnte noch<br />

zum 31. Dezember 1932 ausscheiden. Danach ausgesprochene<br />

Kündigungen wurden erst Ende 1933 wirksam.<br />

Somit verließen zum 31. Dezember 1932 nur 12 Mitglie<strong>der</strong><br />

durch Kündigung die Genossenschaft. Dafür waren 38<br />

Mitglie<strong>der</strong> vor allem wegen Zahlungsrückständen ausgeschlossen<br />

worden. Ihre Zahl hatte sich gegenüber dem<br />

Vorjahr fast verzehnfacht. Am Ende schieden 1931 und<br />

1932 jeweils 53 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> aus.<br />

Ohne die Satzungsän<strong>der</strong>ung wäre <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>rückgang<br />

zum Jahresende 1932 wahrscheinlich sehr viel<br />

größer ausgefallen. Nach <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung wurden noch im<br />

gleichen Jahr 66 Mitgliedschaften gekündigt. Über die<br />

Beweggründe lassen sich nur Vermutungen anstellen.<br />

23 Mitglie<strong>der</strong> hatten nie eine Genossenschaftswohnung<br />

gemietet. Sie glaubten entwe<strong>der</strong> nicht mehr an die Errichtung<br />

neuer Wohnungen o<strong>der</strong> hatten nicht mehr die<br />

finanziellen Mittel für den Bezug einer Neubauwohnung.<br />

Nach dem Adressbuch von 1934 wohnten nur noch acht<br />

<strong>der</strong> Ausgeschiedenen in Genossenschaftswohnungen.<br />

Alle an<strong>der</strong>en waren inzwischen ausgezogen. Auch hier<br />

kann die Mietbelastung eine Rolle gespielt haben.<br />

Zusammen mit weiteren Ausschlüssen schieden zum 31.<br />

Dezember 1933 insgesamt 71 Mitglie<strong>der</strong> aus.<br />

Zur Wahrung <strong>der</strong> Fristen fiel naturgemäß die Entscheidung<br />

über eine Kündigung am Jahresende. Dass allein im<br />

Dezember 1931 <strong>45</strong> Kündigungen ausgesprochen wurden,<br />

erscheint ungewöhnlich. Möglicherweise hatten sich<br />

finanzielle Probleme <strong>der</strong> Genossenschaft wie ein Lauffeuer<br />

verbreitet.<br />

Für 1928 und 1929 wiesen die Bilanzen einen Verlust<br />

von jeweils unter 800 RM aus. Im folgenden Jahr, in dem<br />

33


34<br />

die ersten Häuser bezogen werden konnten, erzielte die<br />

Genossenschaft bei einer Bilanzsumme von über 2,2<br />

Millionen Reichsmark einen bescheidenen Gewinn von<br />

141,<strong>45</strong> RM.<br />

1931 konnten mit 128 gegenüber 73 im Vorjahr wie<strong>der</strong><br />

erheblich mehr Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden. Immerhin<br />

zählte die Genossenschaft Ende 1931 350 Mitglie<strong>der</strong>,<br />

Auf dem Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyolfabrik baute die Genossenschaft 1931 (links <strong>der</strong> Suhrsweg).<br />

ein Stand <strong>der</strong> erst fast 20 Jahre später übertroffen wurde.<br />

Der Mitglie<strong>der</strong>zuwachs dürfte in erster Linie darauf<br />

zurückzuführen sein, dass es <strong>der</strong> Genossenschaft gelang,<br />

trotz <strong>der</strong> Wirtschaftskrise in Barmbek-Nord ein weiteres<br />

Bauvorhaben zu realisieren. Im Suhrsweg wurden „entgegenkommen<strong>der</strong><br />

Weise von <strong>der</strong> Bel.-K. [Beleihungs-<br />

kasse] 70 Wohnungen bewilligt“. Die ersten Häuser sollten<br />

schon im Oktober 1931 bezugsfertig sein. Das Projekt<br />

auf dem Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyol-Fabrik wurde<br />

von <strong>der</strong> freigewerkschaftlich-genossenschaftlichen Volksfürsorge<br />

mitfinanziert.<br />

Am Ende des Jahres 1931 stand jedoch fest, dass die Folgen<br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> erfasst hatten.<br />

Zum Ausgleich eines<br />

Verlustes von über 23.000<br />

RM wurden die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

mit 60 RM<br />

ihres Geschäftsanteils herangezogen.<br />

Mietausfälle,<br />

vermutlich vor allem durch<br />

Leerstand, verursachten mit<br />

knapp 3.000 RM gegenüber<br />

Mieteinnahmen von fast<br />

150.000 RM noch die<br />

geringsten Probleme. Allerdings<br />

waren die Mieten<br />

angesichts <strong>der</strong> schwierigen<br />

finanziellen Situation vieler<br />

Mieter in einer nicht näher<br />

bekannten Größenordnung<br />

gesenkt worden.<br />

Das größte Problem bereitete<br />

die im Oktober 1931<br />

kurzfristig erfolgte Kündigung<br />

eines Darlehens in Höhe 25.000 RM durch W. Böttcher<br />

zum 31. Dezember 1931, die die Genossenschaft in<br />

eine „<strong>der</strong> schwersten Krisen“ stürzte. Die insgesamt angespannte<br />

Lage hatte offensichtlich in den Leitungsgremien<br />

zu Unstimmigkeiten geführt. Willi Glass war mit Wirkung<br />

vom 22. September 1931 aus dem Vorstand ausgeschie-


den. Möglicherweise hatte sich Glass nicht mit seinen<br />

Vorstellungen zur Durchführung <strong>der</strong> Mietsenkung durchsetzen<br />

können. Auf seine Initiative hin beantragten 60<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />

die am 31. März 1932 stattfand.<br />

Noch bevor die von Glass eingebrachten Anträge behandelt<br />

wurden, zeigte sich, dass die Führungsgremien <strong>der</strong><br />

Genossenschaft sich nicht mehr auf die uneingeschränkte<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verlassen konnten. Auch<br />

ließ die aufgeheizte Stimmung offensichtlich heftigere<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen befürchten. Um den Verlauf <strong>der</strong><br />

Versammlung in geordnete Bahnen zu lenken, beantragte<br />

Aufsichtsratsmitglied Cohn zunächst die Übernahme <strong>der</strong><br />

bewährten Geschäftsordnung des <strong>Buchdrucker</strong>vereins.<br />

Während dieser Vorschlag angenommen wurde, erhielt<br />

<strong>der</strong> Antrag des Vorstandes, nach dem Ausscheiden von<br />

Glass die Zahl <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> von fünf auf vier<br />

zu senken, mit 89 zu 41 Stimmen nicht die erfor<strong>der</strong>liche<br />

Dreiviertelmehrheit.<br />

Anschließend wurde Glass’ Antrag beraten: „Die Generalversammlung<br />

wolle beschließen, den Vorstand zu<br />

beauftragen, die Mietesenkung dahingehend zu regeln,<br />

daß innerhalb <strong>der</strong> Bauabschnitte die Wohnungen in<br />

einem gleichmäßigen Prozentsatz gesenkt werden, da die<br />

jetzige Regelung zu starker Unzufriedenheit Anlaß gegeben<br />

hat.“ Nach einer längeren Diskussion wurde auf eine<br />

Abstimmung verzichtet, da die gesetzlichen Bestimmungen<br />

keinen Spielraum zuließen. Der zweite Antrag richtete<br />

sich gegen Hans Sauer, <strong>der</strong> dem Aufsichtsrat angehörte<br />

und zugleich als Hausverwalter am Braußpark tätig war.<br />

Er lautete: „Antrag auf Wi<strong>der</strong>ruf <strong>der</strong> Bestellung des Aufsichtsratsvertreters<br />

Gen. Sauer in seiner Eigenschaft als<br />

Aufsichtsratsmitglied und stellen den Misstrauensantrag<br />

gegen den Gen. Sauer in seiner Eigenschaft als Verwalter.“<br />

In <strong>der</strong> erhitzten Diskussion erhielt Sauer einen Ord-<br />

nungsruf und Glass warf Geschäftsführer Schmidt Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

vor. Abgestimmt wurde schließlich nur über den<br />

Misstrauensantrag gegen Sauer als Verwalter, <strong>der</strong> mit 52<br />

zu 21 Stimmen angenommen wurde. Bei 158 Anwesenden<br />

waren die Barmbeker Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

offensichtlich <strong>der</strong> Empfehlung gefolgt, sich bei den Streitigkeiten<br />

um den in Hamm tätigen Verwalter <strong>der</strong> Stimme<br />

zu enthalten.<br />

Am Schluss <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung, die um 20 Uhr<br />

begonnen hatte und erst nach Mitternacht endete,<br />

beklagte sich Geschäftsführer Schmidt darüber, dass ausgetretene<br />

Mitglie<strong>der</strong> falsche Angaben in Umlauf bringen<br />

und damit die Genossenschaft schädigen würden. Den<br />

Wortbeiträgen ist zu entnehmen, dass dabei die Liquiditätsprobleme,<br />

die eine Auszahlung <strong>der</strong> Genossenschaftsanteile<br />

verzögerten, eine Rolle spielten.<br />

Auf <strong>der</strong> Hauptversammlung am 28. Juni 1932 musste<br />

Geschäftsführer Schmidt die Verluste des Jahres 1931<br />

erläutern. Obwohl alle Mitglie<strong>der</strong> zum Verlustausgleich<br />

herangezogen wurden, fiel <strong>der</strong> Bericht offensichtlich überzeugend<br />

aus. Die Bilanz wurde einstimmig genehmigt,<br />

Vorstand und Aufsichtsrat ebenfalls einstimmig entlastet.<br />

Für das laufende Geschäftsjahr zeichnete Schmidt allerdings<br />

ein düsteres Bild. „Katastrophal ist <strong>der</strong> Ausblick für<br />

1932“, so <strong>der</strong> Geschäftsführer. Wegen <strong>der</strong> Darlehenskündigung<br />

vom Vorjahr wurde ein Prozess beim Landgericht<br />

und beim Oberlandesgericht geführt. Auch waren Verhandlungen<br />

mit <strong>der</strong> Beleihungskasse ergebnislos verlaufen,<br />

so dass neun Monate nach Ausbruch <strong>der</strong> Finanzkrise<br />

noch keine Lösung in Sicht war. Angesichts <strong>der</strong> schwierigen<br />

finanziellen Situation wurden nun Stimmen laut,<br />

das Gehalt von Geschäftsführer Schmidt auf monatlich<br />

300 RM zu senken.<br />

Die Verluste lösten eine Kündigungswelle aus. Vor <strong>der</strong><br />

Jahresmitglie<strong>der</strong>versammlung lagen keine zehn Kündi-<br />

35


36<br />

Wohnblock Suhrsweg Nr. 3-11 nach dem Wie<strong>der</strong>aufbau 1950.<br />

gungen vor. Nach <strong>der</strong> Generalversammlung am 18. Juni<br />

1932 folgten bis zum Monatsende 16 Kündigungen. Ein<br />

erster Höhepunkt wurde im August erreicht, als vor allem<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> im Suhrsweg austraten. Allein<br />

am 9. August 1932 kündigten sieben Mitglie<strong>der</strong> in den<br />

Häusern Suhrsweg Nr. 3 bis 11. Im Suhrsweg Nr. 11, wo<br />

in 12 <strong>der</strong> 16 Wohnungen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

wohnten, traten alle Mitglie<strong>der</strong> aus. Zehn kündigten bis<br />

zum 10. August 1932. Zwei konnten später bewogen<br />

werden, ihren Austritt zurückzunehmen.<br />

Im Dezember<br />

kündigten weitere 40<br />

Mitglie<strong>der</strong>, so dass am Jahresende<br />

128 Austritte mit<br />

Wirkung zum 31. Dezember<br />

1934 vorlagen.<br />

In den vorangegangenen<br />

Jahren wohnten von denjenigen,<br />

die aus <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

ausschieden, später<br />

nur noch wenige in Genossenschaftswohnungen.<br />

Von<br />

den 119 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n,<br />

die ihre Kündigung<br />

nicht zurückzogen,<br />

wohnten nach dem Adressbuch<br />

von 1934 noch 59 in<br />

Genossenschaftswohnungen.<br />

Fast die Hälfte <strong>der</strong> Ausgetretenen<br />

dürfte somit<br />

wegen <strong>der</strong> Finanzkrise und<br />

<strong>der</strong> Heranziehung zum Verlustausgleich<br />

ausgetreten<br />

sein. Vor allem die Bewohner<br />

im Suhrsweg kündigten<br />

reihenweise schon bald nach <strong>der</strong> Verkündung <strong>der</strong> Verluste,<br />

während die Kündigungen im Dezember 1932 fast alle aus<br />

<strong>der</strong> Wohnanlage am Braußpark kamen. Hier wohnten<br />

Willi Glass und Kurt Müller, die beide am 29. Dezember<br />

1932 kündigten. Am darauffolgenden Tag reichte auch<br />

Vorstandsmitglied Gustav Timm seine Kündigung ein.<br />

Alle drei hatten 1928 zum erweiterten Grün<strong>der</strong>kreis<br />

gehört, wobei Timm als Vorstandsmitglied über die aktuelle<br />

Finanzsituation informiert war.


Die Zahl <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> drohte damit<br />

dramatisch zu sinken. 1932 wurde nur ein neues Mitglied<br />

aufgenommen. Bis 1935 gab es keine Neuzugänge. Der<br />

Jahresabschluss 1932 wies ein Defizit von 42.074,85 RM<br />

aus. Zum Ausgleich sollten von jedem Mitglied – einschließlich<br />

<strong>der</strong> zum 31. Dezember 1932 ausgeschiedenen<br />

– erneut 130,- RM vom Geschäftsanteil eingezogen<br />

werden. Mehr als Zweidrittel des üblicherweise eingezahlten<br />

Geschäftsanteils von 300 RM wären danach verloren<br />

gewesen. Ohne Zweifel stand die Kündigungswelle im<br />

Zusammenhang mit den Verlusten. Nach dem Ausscheiden<br />

von 133 Mitglie<strong>der</strong>n zum 31. Dezember 1934 sank die<br />

Mitglie<strong>der</strong>zahl auf 94. Angesichts <strong>der</strong> finanziellen Probleme<br />

<strong>der</strong> Genossenschaft versuchte die Mehrheit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>,<br />

wenigstens einen Teil des eingezahlten Geldes zu<br />

retten. Viele dürften auch einen völligen Zusammenbruch<br />

befürchtet haben, bei dem sie im schlimmsten Fall mit<br />

weiteren 300 RM gehaftet hätten.<br />

Als <strong>der</strong> Vorstand auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 29.<br />

Mai 1933 die Bilanz präsentierte und <strong>der</strong> Aufsichtsrat die<br />

Annahme empfahl, kam es zum Eklat. Mit 74 gegen 11<br />

Stimmen wurde <strong>der</strong> Jahresabschluss abgelehnt und eine<br />

Kommission gewählt, die den Auftrag erhielt, die Bilanz<br />

zu prüfen. Das Hauptproblem <strong>der</strong> Genossenschaft war ein<br />

unbebautes Grundstück an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße, das<br />

zum Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyol-Fabrik gehörte, auf<br />

dem bereits Wohnungen errichtet worden waren. Zum<br />

einen bestand angesichts <strong>der</strong> schwierigen wirtschaftlichen<br />

und innenpolitischen Situation 1932/33 keine Möglichkeit,<br />

auf dem Gelände die Finanzierung von Neubauwohnungen<br />

sicherzustellen, so dass die durch den Ankauf des<br />

Bauplatzes anfallenden Unkosten nicht über Mieteinnahmen<br />

gedeckt waren. Zum an<strong>der</strong>en sprach Geschäftsführer<br />

Schmidt auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung von einer<br />

„beträchtlichen Wertmin<strong>der</strong>ung des unbebauten Platzes“.<br />

Sinkende Grundstückspreise, eine später erwähnte Sanierung<br />

des Fabrikgeländes o<strong>der</strong> auch die von <strong>der</strong> Baubehörde<br />

vorgesehene Straße, die das Gelände teilte und damit<br />

den Wohnungsbau begrenzte, mögen dazu beigetragen<br />

haben, dass <strong>der</strong> Wert des Bauplatzes zu hoch angesetzt war.<br />

Um den überhöhten Grundstückspreis nicht später auf die<br />

Mieten umlegen zu müssen, hatte <strong>der</strong> Vorstand empfohlen,<br />

den Umständen durch eine Abschreibung von 35.000<br />

RM Rechnung zu tragen.<br />

Der Bericht <strong>der</strong> Prüfungskommission, dem die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

Theodor Schrö<strong>der</strong>, Karl Gebhardt<br />

und Walter Tesch angehörten, wurde am 3. Juni 1933 verabschiedet.<br />

Zunächst wurden die Bemühungen des Vorstandes<br />

anerkannt, die Voraussetzungen für eine möglichst<br />

baldige Bebauung des Bauplatzes an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße<br />

zu schaffen. Als weiterer Grund wurde genannt, dass<br />

nur <strong>der</strong> tatsächliche Wert des Grundstückes von den<br />

Geldgebern für die Beleihung anerkannt werden würde.<br />

Eine Rücksprache mit dem DEWOG-Verbandsrevisor<br />

ergab, dass dieser eine Abschreibung in Höhe von ca.<br />

18.000 RM als unabdingbar ansah. Zwar mochte <strong>der</strong> Vorstand<br />

dem Vorschlag noch nicht uneingeschränkt folgen,<br />

weil damit auch die Höhe <strong>der</strong> auszuzahlenden Geschäftsguthaben<br />

gestiegen wäre, aber die Kommission zeigte sich<br />

zuversichtlich, auf dieser Basis eine Lösung finden zu können.<br />

Als eine Möglichkeit wurde in Betracht gezogen, dass<br />

ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> erklärten, „den Differenzbetrag<br />

solange <strong>der</strong> Genossenschaft zu stunden, bis die Liquidität<br />

eine ganze bezw. ratenweise Auskehrung zuläßt.“<br />

Der Vorstand übernahm schließlich den Lösungsvorschlag<br />

<strong>der</strong> Prüfungskommission, und so wurde die neue<br />

Bilanz auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 27. Juni 1933<br />

angenommen. Das Abstimmungsergebnis – 48 Ja-Stimmen,<br />

28 Nein-Stimmen und 12 ungültige Stimmen –<br />

zeigte jedoch die tiefe Zerrissenheit <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />

37


38<br />

Immerhin war es mit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>initiative gelungen,<br />

noch einen Teil des Geschäftsguthabens zu retten. Statt<br />

<strong>der</strong> ursprünglichen 130 RM wurden nur 80 RM für<br />

den Verlustausgleich eingezogen. Die wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten dürften allerdings <strong>der</strong> wesentliche Grund<br />

für 128 Kündigungen im Jahr 1933 mit Wirkung zum 31.<br />

Dezember 1934 gewesen sein.<br />

Ein Revisionsbericht vom Januar 1934 gibt Auskunft<br />

über die soziale Schichtung <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />

Da hier noch die Mitglie<strong>der</strong> berücksichtigt wurden,<br />

die bereits gekündigt hatten, kann davon ausgegangen<br />

werden, dass die Sozialstruktur repräsentativ war für die<br />

inzwischen bereits stark geschrumpfte <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />

Dem Bericht zufolge handelte es sich bei 170 <strong>der</strong> 227 Mitglie<strong>der</strong><br />

um Arbeiter, das entspricht 74,9 Prozent. Außerdem<br />

gehörten <strong>der</strong> Genossenschaft 33 Angestellte, elf<br />

Beamte und fünf Selbstständige an. Acht Personen wurden<br />

nicht zugeordnet. Bei ihnen handelte es sich vor allem<br />

um Hausfrauen und Rentner.<br />

Die Packerin Emma Spengler war im Mai 1929 das<br />

erste weibliche Genossenschaftsmitglied. Bis zum Revisionsbericht<br />

waren insgesamt elf Frauen eingetreten, von<br />

denen noch sechs <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> angehörten,<br />

darunter zwei Hausfrauen. Erst während des Zweiten<br />

Weltkrieges traten häufiger Frauen in die Genossenschaft<br />

ein, vermutlich in erster Linie, weil sich die Ehemänner<br />

im Krieg befanden o<strong>der</strong> bereits ums Leben gekommen<br />

waren.<br />

Unter den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n waren die Facharbeiter<br />

des Druckgewerbes beson<strong>der</strong>s stark vertreten. 92<br />

<strong>der</strong> vom Revisionsbericht erfaßten Mitglie<strong>der</strong>, das waren<br />

40,5 Prozent, arbeiteten in dieser Branche. Die Schriftsetzer<br />

und <strong>Buchdrucker</strong> stellten die stärksten Berufsgruppen.<br />

Vor 1933 waren 88 Prozent von ihnen in <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> organisiert.<br />

DIE GLEICHSCHALTUNG<br />

Die instabilen politischen Verhältnisse <strong>der</strong> Weimarer<br />

Zeit, die Ablehnung <strong>der</strong> demokratisch verfassten Republik<br />

in rechtskonservativen Kreisen und die mit <strong>der</strong><br />

Weltwirtschaftskrise einhergehende Radikalisierung<br />

politischer Kräfte am rechten und linken Rand des Parteienspektrums<br />

ebneten Adolf Hitler den Weg an die<br />

Macht. Der „Preußenschlag“, <strong>der</strong> Staatsstreich von<br />

Reichskanzler von Papen gegen die von <strong>der</strong> SPD geführten<br />

preußischen Regierung am 20. Juli 1932, leitete das<br />

Ende <strong>der</strong> Demokratie in Deutschland ein. Mit seiner<br />

Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war<br />

Hitler am Ziel. Systematisch wurden nun im ganzen<br />

Land Nationalsozialisten in Führungspositionen eingesetzt<br />

und das Führerprinzip – die Entscheidungsbefugnis<br />

von oben nach unten unter Ausschaltung demokratischer<br />

Beteiligungsformen – durchgesetzt. In Hamburg<br />

übernahmen die Nationalsozialisten am 8. März 1933<br />

die Macht. Der Terror <strong>der</strong> NS-Diktatur richtete sich vor<br />

allem gegen Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten<br />

und Gewerkschafter. Allerdings gab es auch die Bereitschaft<br />

zur Anpassung. Verantwortliche Funktionäre <strong>der</strong><br />

Freien Gewerkschaften versuchten, durch Loyalitätsbezeugungen<br />

ihren Organisationen die Weiterarbeit<br />

zu sichern. Selbst nach <strong>der</strong> reichsweiten Besetzung <strong>der</strong><br />

Gewerkschaftshäuser und <strong>der</strong> Verhaftung führen<strong>der</strong><br />

Gewerkschafter glaubten Repräsentanten in <strong>der</strong> Bürgerschaft,<br />

dass ein Arrangement mit den Nationalsozialisten<br />

möglich sei. Als Gewerkschaftsgruppe schieden<br />

sechs Abgeordnete aus <strong>der</strong> SPD-Fraktion aus und<br />

gingen ein Hospitantenverhältnis zur NSDAP ein.<br />

Schließlich wurden aber auch ihnen am 10. Juli 1933<br />

die Mandate entzogen. Das Verhalten <strong>der</strong> Gewerkschaftsvertreter<br />

signalisierte auch den ihr nahestehen-


den Organisationen, sich den neuen Machthabern<br />

anzupassen.<br />

Obwohl die Gleichschaltung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Buchdrucker</strong>nachaußenhinreibungslosverlief,lassensich<br />

doch Hinweise erkennen, die auf eine Rettungsaktion vor<br />

dem Zugriff <strong>der</strong> Nationalsozialisten schließen lassen. So<br />

wurde die Einberufung <strong>der</strong> für den 29. Mai 1933 vorgesehenen<br />

Generalversammlung, die nicht mehr in dem bereits<br />

verbotenen SPD-Parteiorgan „Hamburger Echo“ erscheinenkonnte,nichtimörtlichenNS-Blatt„HamburgerTageblatt“,<br />

son<strong>der</strong>n im „Deutschen Reichsanzeiger“ veröffentlicht.<br />

Das Protokoll vermerkt: „Geschäftsführer Schmidt<br />

verliest die vom Revisionsverband eingegangenen Richtlinien<br />

zur Durchführung <strong>der</strong> Gleichschaltung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

auf dem Boden <strong>der</strong> nationalen Regierung. Hierbei<br />

betonte Schmidt beson<strong>der</strong>s, dass <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

stets im Sinne <strong>der</strong> beruflichen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

N.S.D.A.P.-Kampfbünde handelte und unsere Aufträge<br />

ausschließlich dem gewerblichen Mittelstand zuführte.<br />

Ebenfalls hat <strong>der</strong> Vorstand ihm bekannte nationalsozialistische<br />

Geschäftsleute durch Aufträge unterstützt. Zur<br />

Durchführung <strong>der</strong> Richtlinien ist die Verwaltung auf das<br />

geringste Maß zu verkleinern.“ In den „Richtlinien für die<br />

Gleichschaltung<strong>der</strong>gemeinnützigenWohnungsunternehmen<br />

und Revisionsverbände“ wurde gefor<strong>der</strong>t, dass die<br />

Unternehmen „einerseits unter sachkundiger und erfahrener<br />

Leitung“ stehen sollen, an<strong>der</strong>seits sollen die Verwaltungsorgane<br />

jeweils „in ihrer Mehrheit mit Persönlichkeiten besetzt<br />

[werden], die auf dem Boden <strong>der</strong> nationalen Regierung stehen.“<br />

Nicht vertreten sein sollten „staats- und wirtschaftsfeindlich“<br />

eingestellte Personen, zu denen in <strong>der</strong> Richtlinie<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> KPD, <strong>der</strong> Revolutionären Gewerkschaftsopposition<br />

(RGO) und <strong>der</strong> Sozialistischen Arbeiterpartei<br />

(SAP) gezählt wurden sowie Sozialdemokraten und<br />

Gewerkschafter, „die sich schon bisher durch Wühlarbeit<br />

und aggressive Agitation betätigt haben“. Der Vorstand<br />

empfahl, den Richtlinien zu folgen und die Zahl <strong>der</strong> Aufsichtsrats-<br />

und Vorstandsmitglie<strong>der</strong> auf jeweils drei zu<br />

senken. Die entsprechende Satzungsän<strong>der</strong>ung sowie die<br />

For<strong>der</strong>ung, mindestens 51 Prozent <strong>der</strong> Sitze in den Leitungsgremien<br />

mit Nationalsozialisten zu besetzen, wurde<br />

von 116 Anwesenden einstimmig angenommen. Bekanntmachungen<br />

sollten zukünftig im „Hamburger Tageblatt“<br />

und im „Hamburger Anzeiger“ vorgenommen werden.<br />

Der bisherige Vorstand, bestehend aus Rudolf Schmidt,<br />

Henry Paaby sowie Hans und Gustav Timm, trat ebenso<br />

zurück wie <strong>der</strong> Aufsichtsrat, dem seit 1928 Paul Loduchowski,<br />

Hans Sauer und Max Cohn, seit 1931 Gottfried<br />

Frank, <strong>der</strong> Richard Sonntag abgelöst hatte, und seit 1932<br />

Willi Zieher angehörten. Theodor Schrö<strong>der</strong>, <strong>der</strong> 1929 für<br />

Kurt Müller gewählt worden war, und Max Borstelmann<br />

waren 1932 ausgeschieden. Der 1932 ebenfalls in den Aufsichtsrat<br />

gewählte Schulz konnte sein Amt nicht annehmen,<br />

weil die beabsichtigte Aufhebung des Beschlusses,<br />

nur <strong>Buchdrucker</strong> in den Aufsichtsrat zu entsenden, vor<br />

1933 nicht mehr zustande kam.<br />

Nicht wie<strong>der</strong> kandidierten <strong>der</strong> turnusmäßig ausgeschiedene<br />

Max Cohn, dem als Juden rassische Verfolgung<br />

drohte, und Willi Zieher, <strong>der</strong> als Sozialdemokrat und<br />

Gewerkschaftsangestellter politische Verfolgung fürchten<br />

musste. Geschäftsführer Schmidt empfahl die Wie<strong>der</strong>wahl<br />

von Sauer und des bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

Loduchowski. Als dritten Kandidaten präsentierte<br />

er den Schriftsetzer Karl Pettschow, <strong>der</strong> ebenso<br />

wie Sauer <strong>der</strong> NSDAP angehörte. Während Loduchowski<br />

und Pettschow mit 100 und 90 Stimmen bei<br />

107 gültigen von 111 abgegebenen Stimmen einen überwältigenden<br />

Vertrauensbeweis erhielten, landete <strong>der</strong><br />

wenig beliebte Sauer mit 31 Stimmen weit abgeschlagen<br />

auf dem dritten Platz. Gottfried Frank und Wilhelm<br />

39


40<br />

Schiefelbein, die als parteilose Kandidaten angetreten<br />

waren, kamen auf 28 und 19 Stimmen.<br />

Wegen eines Formfehlers – Hans Sauer hatte im ersten<br />

Wahlgang nicht die erfor<strong>der</strong>liche Mehrheit <strong>der</strong> abgegebenen<br />

Stimmen erreicht – musste die Wahl wie<strong>der</strong>holt<br />

werden. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 27. Juni 1933<br />

traten erneut Sauer, Frank und Schiefelbein an. Hans<br />

Sauer wurde mit 25 gegen 21 und 4 Stimmen gewählt,<br />

obwohl <strong>der</strong> Versammlungsleiter darauf hingewiesen hatte,<br />

das nach <strong>der</strong> 51 Prozent-For<strong>der</strong>ung nur NSDAP-Mitglied<br />

Sauer wählbar sei. Offensichtlich um die Wahl nicht weiter<br />

zu blockieren, hatten 43 Anwesende ungültige Stimmzettel<br />

abgegeben.<br />

Dem neu gewählten Aufsichtsrat fiel die Aufgabe<br />

zu, einen ebenfalls mehrheitlich aus NSDAP-Mitglie<strong>der</strong>n<br />

bestehenden Vorstand zu berufen. Dies scheint keine<br />

Probleme bereitet zu haben, denn schon am 30. Mai 1933,<br />

am Tag nach <strong>der</strong> Generalversammlung, wurde dem Amtsgericht<br />

mitgeteilt, dass Gustav Timm im Zuge <strong>der</strong><br />

Vorstandsverkleinerung ausgeschieden sei. Die übrigen,<br />

Rudolf Schmidt und Hans Timm, beide inzwischen Mitglied<br />

<strong>der</strong> NSDAP, sowie Henry Paaby wurden in ihren<br />

Ämtern bestätigt.<br />

Es spricht einiges dafür, dass die vormals sehr stark zur<br />

freigewerkschaftlich-sozialdemokratischen Richtung tendierende<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> unter den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n abgesprochene Vorkehrungen getroffen hatte,<br />

um eine Übernahme durch die NSDAP zu verhin<strong>der</strong>n. Zu<br />

den Absprachen dürfte gehört haben, dass führende<br />

Genossenschaftsvertreter zum Schutze <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

in die Hitler-Partei eintraten. An<strong>der</strong>s ist <strong>der</strong> Verlauf<br />

<strong>der</strong> „Gleichschaltung“, die in ähnlich gelagerten Fällen<br />

zu heftigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen führte, in solch<br />

geordneten Bahnen kaum zu erklären. So hätte im Konfliktfall<br />

<strong>der</strong> anerkannte Aufsichtsratsvorsitzende Lodu-<br />

chowski wohl kaum 93,5 Prozent und das NSDAP-Mitglied<br />

Pettschow 84,1 Prozent <strong>der</strong> Stimmen erhalten können.<br />

Auch die Wahl von Parteimitglied Sauer spricht<br />

nicht für eine nationalsozialistische Übernahme. Wäre er<br />

<strong>der</strong> Kandidat <strong>der</strong> Hitler-Anhänger gewesen, so befand sich<br />

eine solche Gruppe deutlich in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit. Da er aber<br />

auch we<strong>der</strong> im ersten noch im zweiten Wahlgang einen<br />

nationalsozialistischen Gegenkandidaten erhielt, gab es<br />

anscheinend keine Alternative. Vorbehalte gegen die Person<br />

Sauers und seine Parteimitgliedschaft kamen dagegen<br />

durch die Stimmabgabe für parteilose Kandidaten und die<br />

zahlreichen ungültigen Stimmen zum Ausdruck.<br />

Am Ende zeichneten sich Aufsichtsrat und Vorstand<br />

durch eine bemerkenswerte Kontinuität aus. Nur ein Aufsichtsratsmitglied<br />

war neu und <strong>der</strong> verkleinerte Vorstand<br />

konnte mit bewährten Kräften unter <strong>der</strong> Geschäftsführung<br />

von Rudolf Schmidt seine Arbeit fortsetzen.<br />

Trotz <strong>der</strong> schwierigen wirtschaftlichen Lage <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

zeichneten sich erste positive Tendenzen ab. So<br />

war es gelungen, mit Böttcher und <strong>der</strong> Ichthyol-Gesellschaft<br />

eine Verlängerung <strong>der</strong> Hypotheken zunächst bis<br />

Ende des Jahres auszuhandeln. Allerdings waren dann<br />

60.000 RM fällig. Tatsächlich dürfte die im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Gleichschaltung demonstrierte Anpassungsfähigkeit<br />

mit <strong>der</strong> weiterhin angespannten Finanzsituation<br />

zusammenhängen. Dauerhaft waren die Probleme <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> nur durch eine Bebauung des Platzes<br />

an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße zu lösen. Darauf wies Geschäftsführer<br />

Schmidt in seinem Geschäftsbericht für 1933 noch<br />

einmal hin. Das Bauvorhaben war allerdings ohne staatliche<br />

Unterstützung nicht zu realisieren. So hatte Schmidt<br />

am 29. Mai 1933 verlauten lassen, „daß die verzweifelten<br />

Situationen überwunden werden und die Genossenschaft<br />

sich auch berufen fühlt, mitzuwirken an dem Aufbau<br />

des deutschen Vaterlandes, Sorge zu tragen für billigen


Wohnraum und für Arbeitsbeschaffung Gutes zu leisten“.<br />

Der Geschäftsführer setzte seine Hoffnungen auf den von<br />

<strong>der</strong> NS-Reichsregierung eingerichteten „10 Millionen<br />

Stützungsfond“. Es sollte ein Beihilfeantrag an den<br />

Reichsarbeitsminister gestellt werden, um die zum Jahresende<br />

fällige Hypothek auszahlen zu können.<br />

Die Hoffnungen des Vorstands erfüllten sich nicht,<br />

obwohl den Verantwortlichen <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

bewusst war, dass eine Antragstellung nur Erfolg versprach,<br />

wenn alle Sanierungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />

waren, „um nicht zu einer Illiquidität zu kommen“. Rückblickend<br />

wurde betont, dass <strong>der</strong> Stützungsfond „infolge<br />

<strong>der</strong> scharfen Erfüllungsbestimmungen nicht in Anspruch<br />

genommen werden konnte“. Immerhin gelang es dem<br />

Vorstand Ende 1933, erfolgversprechende Verhandlungen<br />

zur Beschaffung <strong>der</strong> I. Hypothek einzuleiten, so dass<br />

Aussichten bestanden, an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße Wohnungen<br />

zu bauen. Auch zeigten sich die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

Rudolf Schmidt, Hans Timm und Henry Paaby<br />

in ihrem Geschäftsbericht für 1933 überzeugt, den „unbebauten<br />

Platz durch Errichtung von billigen 2-Zimmerwohnungen<br />

restlos ausnützen zu können, zumal die<br />

Nachfrage hierfür infolge des aktiven Arbeitsbeschaffungsprogramms<br />

<strong>der</strong> Reichsregierung und <strong>der</strong> gewährten<br />

Ehestandsdarlehen sehr rege ist.“ Trotz aller Schwierigkeiten<br />

bezeichneten sie die <strong>Baugenossenschaft</strong> als<br />

„lebensfähig“. Auch zeichnete sich eine Lösung für die<br />

Rückzahlung des Darlehens von Böttcher ab. Der Revisionsverband<br />

bezifferte die Gewinnerwartung für 1934 auf<br />

21.000 Reichsmark. Für den Fall, dass das Bauvorhaben<br />

noch nicht realisiert werden konnte, sollte die Rückstellung<br />

für den im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau<br />

notwendigen Straßenbau in Höhe von 8.200 RM aufgelöst<br />

werden. Allerdings gab es einen gravierenden Vorbehalt.<br />

Der Vorstand machte deutlich, dass die Vorschläge<br />

nur umzusetzen seien, wenn sich die 128 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>,<br />

die gekündigt hatten und zum 31.<br />

Dezember 1934 ausscheiden würden, „in ihrem eigensten<br />

Interesse mit einer Rückzahlung ihres Geschäftsguthabens<br />

in Teilbeträgen bis längstens Juni 1937 einverstanden<br />

erklären. Es könnte sonst leicht damit zu rechnen<br />

sein, daß <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> erhebliche Schwierigkeiten<br />

erwachsen würden, bezw. eine Auskehrung des<br />

Geschäftsguthabens unmöglich gemacht wird.“<br />

41


42<br />

Max Cohn –<br />

ein<br />

Lebensbild<br />

Max Cohn wurde am 23. September 1878 im damals zur<br />

preußischen Provinz Schleswig-Holstein gehörenden Altona<br />

geboren. Er wuchs in einem jüdischen Elternhaus auf und<br />

besuchte die jüdische Schule in Altona. Seine Schriftsetzerlehre<br />

absolvierte er ebenfalls in Altona. Nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />

arbeitete er in verschiedenen Druckereien, bis er 1908<br />

bei Giradet & Co, Herausgeber des Hamburger Anzeigers,<br />

eine Anstellung als Schriftsetzer fand. Max Cohn trat frühzeitig,<br />

etwa um 1900, in die Gewerkschaft <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

ein. Ab 1927 gehörte er dem Vorstand des <strong>Buchdrucker</strong>-Vereins<br />

Hamburg-Altona als erster Schriftführer an. Als Vorstandsmitglied<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaft wurde er im September<br />

1928 in den Vorstand <strong>der</strong> im Aufbau befindlichen <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> berufen. Er war das 100. Mitglied<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />

Max Cohn wohnte mit seiner nichtjüdischen Ehefrau<br />

Johanne in Barmbek, Pestalozzistraße 76, 3. Stock. Aus <strong>der</strong><br />

Ehe gingen drei Kin<strong>der</strong> hervor. Die noch im Elternhaus lebende<br />

Tochter Louise arbeitete als Verkäuferin, Sohn Kurt war<br />

bei <strong>der</strong> Polizei beschäftigt. Max Cohn selbst hatte mit einem<br />

Jahresbruttoeinkommen von 2800 Reichsmark einen gut<br />

bezahlten Arbeitsplatz.<br />

Die Machtübernahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten 1933 stürzte<br />

die Familie ins Bodenlose. Im Zuge <strong>der</strong> Gleichschaltung<br />

musste Max Cohn aus dem Vorstand <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

und aus dem Gewerkschaftsvorstand ausscheiden. Die<br />

Mitgliedschaft in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> kündigte er im<br />

Dezember 1934. Sohn Kurt wurde aus rassischen und<br />

politischen Gründen entlassen. Er floh 1934 aus<br />

Deutschland und begab sich nach Haifa/Palästina.<br />

Tochter Louise wurde ebenfalls arbeitslos. Max Cohn<br />

wurde zwar zunächst weiterbeschäftigt, ließ sich aber<br />

1934 aufgrund seiner Zuckerkrankheit in den Ruhestand<br />

versetzen. Damit wurde offensichtlich eine firmeninterne<br />

Lösung gefunden, die Max Cohn vor einer<br />

drohenden Entlassung aus rassischen Gründen bewahren<br />

sollte. So war es Giradet & Co immerhin noch möglich,<br />

neben <strong>der</strong> Invalidenrente in Höhe von 50,60 RM aus <strong>der</strong><br />

betrieblichen Pensionskasse monatlich 50 RM zu zahlen.<br />

1948 berichtete die Firmenleitung über die damaligen Vorgänge:<br />

„Wir sind froh, dass es uns möglich gewesen ist, ihn<br />

auf die Pensionskasse zu übernehmen, die wir gegen die<br />

Arbeitsfront und gegen sonstige Politisierungsmaßnahmen all<br />

die Jahre hindurch erfolgreich verteidigt haben, so dass er<br />

wenigstens in Bezug seiner Pension verbleiben konnte.“ Auch<br />

erklärte Giradet & Co, dass Max Cohn trotz <strong>der</strong> seit 1928<br />

bekannten Diabetes 1934 noch voll arbeitsfähig war und für<br />

sein Ausscheiden allein die NS-Politik <strong>der</strong> Judenverfolgung<br />

verantwortlich war.<br />

In den Jahren 1934 bis 1937 verschlechterte sich Max<br />

Cohns Gesundheitszustand zusehends. Eine Nagelbettentzündung<br />

offenbarte die sehr schlechte Einstellung <strong>der</strong> Diabetes.<br />

Den Extremitätenbrand konnte auch eine Beinamputation<br />

nicht mehr aufhalten. Max Cohn starb am 4. März<br />

1938 im Alter von 59 Jahren.<br />

Ohne Zweifel war Max Cohn durch die rassische Verfolgung<br />

in eine finanzielle Situation geraten, in <strong>der</strong> er sich we<strong>der</strong><br />

die notwendige ärztliche Behandlung noch eine den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

einer Zuckerdiät entsprechende Ernährung leisten<br />

konnte.


DIE ABLÖSUNG DER<br />

GENOSSENSCHAFTSGRÜNDER<br />

Auch wenn die Annahme, dass führende Vertreter <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> noch vor <strong>der</strong> allgemeinen Aufnahmesperre<br />

ab dem 1. Mai 1933 in die NSDAP eintraten, um die<br />

Genossenschaft vor Schaden zu bewahren, waren Zugeständnisse<br />

an die neuen Machthaber unumgänglich. Unter<br />

<strong>der</strong> Überschrift „Werte Mitglie<strong>der</strong>! Deutsche Volksgenossen!“<br />

ließ <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende Loduchowski die<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> wissen, dass „die Genossenschaft<br />

von jetzt ab streng nach dem nationalsozialistischen<br />

Führerprinzip geleitet und verwaltet“ werde. Dementsprechend<br />

wurde die Geschäftsordnung geän<strong>der</strong>t: „Sämtliche<br />

Punkte <strong>der</strong> Tagesordnung werden vom Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

o<strong>der</strong> Vorstand zur Kenntnis gegeben und<br />

erläutert – wo notwendig, wird abgestimmt. Eine Diskussion<br />

findet nicht statt. Deutsche Männer vermögen soviel<br />

Urteilsfähigkeit aufzubringen, dass sie – bei Abstimmungen<br />

– ohne Beeinflussung selbständig entscheiden<br />

können. Anfragen sind schriftlich zu formulieren.“<br />

Anschließend erläuterte Loduchowski die Bestätigung <strong>der</strong><br />

alten Vorstandsmitglie<strong>der</strong>. Um mögliche Zweifel auszuräumen,<br />

führte er aus, dass „die Gleichschaltungsbestimmungen<br />

uns das Recht zur Wie<strong>der</strong>wahl gegeben haben“.<br />

Auch den propagandistischen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

nach Kürzung <strong>der</strong> Gehälter glaubten die<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> nachkommen zu müssen. Der Aufsichtsratsvorsitzende<br />

ließ jedenfalls verkünden, dass<br />

Geschäftsführer Schmidt sein monatliches Gehalt um<br />

100 RM und sein Stellvertreter Timm seinen Pauschalspesensatz<br />

um 15 RM gesenkt hätten. Kassierer Paaby verzichtete<br />

auf eine „seit langem“ anstehende Erhöhung.<br />

Der Vorstand identifizierte sich nach außen hin sehr viel<br />

stärker mit dem Nationalsozialismus. Er betonte in einer<br />

Erklärung an die Mitglie<strong>der</strong>, „dass wir als treue Kämpfer<br />

unseres Führers Adolf Hitler jede Herabsetzung <strong>der</strong><br />

nationalsozialistischen Bewegung strengstens ahnden<br />

werden. Nebst <strong>der</strong> Sorge um das Wohl <strong>der</strong> Genossenschaft,<br />

ist die Totalität <strong>der</strong> Gesinnung unser letztes und<br />

höchstes Ziel. – Für uns gibt es keine 99%ige, son<strong>der</strong>n<br />

nur 100% Nationalsozialisten.“ Wer „zukünftig durch<br />

mutwillige Verbreitung übler Re<strong>der</strong>eien eine Störung bzw.<br />

Schädigung des Geschäftsbetriebes verursacht o<strong>der</strong> durch<br />

sein Verhalten eine unbegründete Herabsetzung <strong>der</strong><br />

Geschäftsleitung herbeiführt“, dem wurde ein Ausschluss,<br />

verbunden mit einer Wohnungskündigung, angedroht.<br />

Die Androhung solcher Maßnahmen war allerdings auch<br />

geeignet, um überzeugte Nationalsozialisten davon abzuhalten,<br />

vorschnell Zweifel an <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Gesinnung <strong>der</strong> Genossenschaftsführung zu äußern.<br />

Tatsächlich gelang es den Genossenschaftsgrün<strong>der</strong>n<br />

zunächst, die <strong>Baugenossenschaft</strong> weiter zu führen. Auch<br />

eine Überprüfung sämtlicher Bauvereine durch die Hamburger<br />

Finanzdeputation, die mit einem Schreiben vom 6.<br />

September 1933 auf einem Fragebogen alle Namen <strong>der</strong><br />

Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> angefor<strong>der</strong>t hatte,<br />

blieb ohne Beanstandungen. Allerdings war die Fragebogenaktion<br />

nicht die letzte Maßnahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten,<br />

um die Genossenschaften zu überprüfen.<br />

Offensichtlich waren die Revisionsverbände angewiesen,<br />

ausführliche Berichte auch hinsichtlich <strong>der</strong> Durchführung<br />

<strong>der</strong> Gleichschaltung vorzulegen. Jedenfalls ist auch<br />

von an<strong>der</strong>en Genossenschaften bekannt, dass nach <strong>der</strong><br />

Erstellung umfassen<strong>der</strong> Prüfberichte Anfang 1934 personelle<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in den Verwaltungsgremien durchgeführt<br />

wurden.<br />

Die Revision <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

fand am 29. und 30. Januar 1934 statt. Der Bericht vom<br />

15. Februar umfasste 20 Seiten und beinhaltete bezüglich<br />

43


44<br />

<strong>der</strong> „Gleichschaltung“ und <strong>der</strong> Geschäftsführung keine<br />

Beanstandungen. Gleichwohl wurde auf die schwierige<br />

finanzielle Situation hingewiesen. So hatte sich das Verhältnis<br />

von Eigenkapital zu Fremdkapital durch die<br />

Abschreibung <strong>der</strong> Verluste aus 1931 und 1932 von den<br />

Geschäftsguthaben <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verschlechtert. Als<br />

problematisch wurden die Kündigungen von 132 Mitglie<strong>der</strong>n<br />

– neben den 128 Austrittserklärungen waren vermutlich<br />

bereits weitere vier Ausschlüsse verfügt worden –<br />

zum Jahresende angesehen, wodurch sich das Eigenkapital<br />

um weitere 20.000 RM verringern würde. Dazu führte<br />

<strong>der</strong> Revisor aus: „Die Verwaltung muß daher bestrebt sein,<br />

eine Auffüllung <strong>der</strong> eigenen Mittel in die Wege zu leiten,<br />

was allerdings erst dann erreicht werden kann, wenn die<br />

Vermietbarkeit <strong>der</strong> Wohnungen nicht mehr auf die bisherigen<br />

Schwierigkeiten stößt (Arbeitslosigkeit). Erst dann<br />

wird die Genossenschaft wie<strong>der</strong> mit einem nennenswerten<br />

Mitglie<strong>der</strong>zugang rechnen können.“ Gemeint war<br />

offensichtlich, dass Wohnungssuchende sich nach Einzahlung<br />

eines Geschäftsanteils auf die Warteliste <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

setzen ließen. Zu diesem Zeitpunkt stand<br />

jedenfalls keine Wohnung <strong>der</strong> Genossenschaft leer.<br />

Gravieren<strong>der</strong> waren dagegen die Liquiditätsprobleme.<br />

Die kurzfristigen Verbindlichkeiten überstiegen die flüssigen<br />

Mittel und For<strong>der</strong>ungen um 27.000 RM. Dieser<br />

schlimmste Fall würde allerdings nur eintreten, wenn<br />

Böttcher die Auszahlung seiner Hypothek in einer<br />

Summe verlangen würde und wenn die Straßenbauarbeiten<br />

zur sofortigen Ausführung kommen würden. Insgesamt<br />

rechnete <strong>der</strong> Revisor angesichts eines erwarteten<br />

Überschusses für 1934 und wegen <strong>der</strong> möglichen Inanspruchnahme<br />

von Privatdarlehen nicht mit einer Zahlungsunfähigkeit.<br />

Als Ergebnis <strong>der</strong> Revision wurde festgestellt,<br />

dass die Wirtschaftlichkeit befriedigend sei. In <strong>der</strong><br />

Schlussbemerkung heißt es: „Die völlige Gesundung <strong>der</strong><br />

Genossenschaft ist zu erwarten, wenn es gelingt, die noch<br />

unbebauten Grundstücke zu bebauen.“<br />

Schon wenige Wochen nach Fertigstellung des Revisionsberichts<br />

wurde Geschäftsführer Schmidt durch<br />

einen Senatsbeschluss vom 7. März 1934 gemeinsam<br />

mit den an<strong>der</strong>en Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n seines Amtes<br />

enthoben. Als Treuhän<strong>der</strong> setzte das NS-Regime den<br />

Nationalsozialisten Arthur A. Hoffmann, Kaufmann<br />

und Holzgroßhändler, ein. Über die Hintergründe dieser<br />

Maßnahme liegen keine gesicherten Erkenntnisse<br />

vor. In einer Rede des später ebenfalls eingesetzten<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden, Rechtsanwalt Robert Flemming,<br />

ist von wirtschaftlichen und politischen Gründen<br />

die Rede. Während Flemming es bezüglich <strong>der</strong><br />

politischen Gründe bei allgemeinen Äußerungen zur<br />

nationalsozialistischen Politik beließ, führte er als wirtschaftliches<br />

Argument den „drohenden Zusammenbruch“<br />

an. Dabei wäre eine Gesundung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

auch nach Ansicht des Revisors durch ein<br />

Bauprojekt auf <strong>der</strong> vorhandenen Fläche möglich gewesen.<br />

Diese Lösung war offensichtlich von den neuen<br />

Machthabern nicht gewollt. Einiges spricht dafür, dass<br />

doch politische Gründe ausschlaggebend waren und<br />

möglicherweise verdiente Parteigenossen versorgt werden<br />

sollten, denn mit Schmidt wurden alle Vorstandsund<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> abgelöst. So handelte es<br />

sich bei den eingesetzten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />

überwiegend um Personen aus dem<br />

Baugewerbe. Dass hier Interessenkollisionen entstehen<br />

konnten, wurde anscheinend auch von den Nationalsozialisten<br />

erkannt. Jedenfalls verfügte die Hamburgische<br />

Finanzverwaltung 1936, dass Angehörige des<br />

Baugewerbes ausscheiden mussten. Auch wurde bei <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>besetzung we<strong>der</strong> ein Genossenschaftsmitglied<br />

noch ein Bewohner einer Genossenschaftswohnung in


die Verwaltungsgremien berufen. Selbst wenn es sich<br />

nicht um Versorgungsfälle gehandelt haben sollte,<br />

bestand deutlich ein großes Misstrauen gegenüber<br />

den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n und den dortigen<br />

NSDAP-Vertretern. Schließlich sollte nicht vergessen<br />

werden, dass in dieser Zeit eine gezielte Denunziation<br />

aus NSDAP-Kreisen o<strong>der</strong> gegenüber einflussreichen<br />

Parteifunktionären genügte, um missliebige Personen<br />

abzusetzen.<br />

Tatsächlich scheinen persönliche Motive eine Rolle<br />

gespielt zu haben. So beantragte Gottfried Frank, <strong>der</strong> 1933<br />

bei den Aufsichtsratswahlen als parteiloser Kandidat zweimal<br />

gegen NSDAP-Mitglied Hans Sauer unterlegen war,<br />

auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung 1935, Sauer aus <strong>der</strong><br />

Genossenschaft auszuschließen. Daraufhin erklärte<br />

Geschäftsführer Hoffmann, dass ein Ausschluss nicht<br />

ohne Grund erfolgen könne. Während alle damaligen<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> ausscheiden mussten, habe <strong>der</strong> frühere<br />

Aufsichtsrat noch nicht vollständig ausgeschlossen<br />

werden können. Der Fall Sauer sollte geprüft werden.<br />

Am 27. März 1934 bestellte die Hamburgische Finanzverwaltung<br />

Rechtsanwalt Robert Flemming, Klempnermeister<br />

Hermann Dabruntz und Töpfermeister Adolf<br />

Matzky zu Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n und Arthur A. Hoffmann,<br />

<strong>der</strong> die Geschäftsführung übernahm, sowie den<br />

Buchhalter Fritz Meyer und Malermeister Wilhelm<br />

Hückstädt zu Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n. Die Übernahme verlief<br />

nicht reibungslos. Bis zum Juni 1934 musste die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> nicht nur den neuen Geschäftsführer,<br />

son<strong>der</strong>n auch den bisherigen bezahlen. Geschäftsführer<br />

und Vorstandsmitglied Schmidt, die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

Paaby und Timm sowie Aufsichtsratsmitglied Pettschow<br />

wurden aus <strong>der</strong> Genossenschaft ausgeschlossen. Im Jahresabschluss<br />

1934 sind 600 RM als einbehaltene<br />

Geschäftsguthaben des früheren Vorstandes unter<br />

„Außerordentliche Erträge“ verbucht. Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende<br />

Paul Loduchowski gehörte bis zu seinem<br />

Tod 1936 <strong>der</strong> Genossenschaft an. Das letzte <strong>der</strong> abgesetzten<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verwaltungsgremien, Hans Sauer,<br />

kündigte zum 31. Dezember 1940.<br />

<strong>45</strong>


46<br />

DIE NS-ZEIT<br />

Am 7. Juni 1934, drei Monate nachdem Arthur A. Hoffmann<br />

von den Nationalsozialisten als Treuhän<strong>der</strong> eingesetzt<br />

worden war, fand eine Mitglie<strong>der</strong>versammlung statt.<br />

Einstimmig wurden die von <strong>der</strong> Hamburgischen Finanzverwaltung<br />

ernannten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />

bestätigt. Am Ende <strong>der</strong> Versammlung kam <strong>der</strong><br />

neue Geist deutlich zum Ausdruck, als <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende<br />

Flemming die Anwesenden auffor<strong>der</strong>te, sich<br />

von den Plätzen zu erheben und „Unserem Führer und<br />

Volkskanzler Adolf Hitler und unserem geliebten Vaterland<br />

ein dreifaches Sieg-Heil“ auszubringen.<br />

Hoffmann konnte bereits erste Ergebnisse des neuen<br />

Kurses vorlegen. So wurde die Absicht, auf dem Grundstück<br />

an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße zu bauen, endgültig aufgegeben.<br />

Der neue Geschäftsführer hatte zunächst die Ichthyol-Gesellschaft<br />

dazu bewegen können, den Bauplatz<br />

zurückzunehmen. Da jedoch keine Einigung über die dann<br />

fällige Grun<strong>der</strong>werbssteuer von ca. 10.000 RM erzielt werden<br />

konnte, wurde vereinbart, gemeinsam einen Käufer zu<br />

suchen. Die Ichthyol-Gesellschaft erklärte sich bereit, ab<br />

dem 1. April 1934 alle Lasten für dieses Grundstück zu tragen.<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> konnte sich damit insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Sorge um den Kredit von Böttcher entledigen, <strong>der</strong><br />

zudem mit 9 Prozent Zinsen sehr teuer war.<br />

Hoffmann verkündete sodann die Auflösung <strong>der</strong> „Baudarlehenssparkasse“,<br />

die er als „unsoziales Konto“ bezeichnete.<br />

Diese Maßnahme wurde mit „lebhafter freudiger<br />

Zustimmung“ aufgenommen. Eine Auszahlung des Geldes<br />

sollte allerdings erst erfolgen, wenn es die Kassenlage<br />

erlaubte. Die Spareinlagen wurden auch deshalb aufgelöst,<br />

weil vorerst nicht an die Errichtung von Neubauten<br />

gedacht wurde, „da hierfür“, so Hoffmann, „vorläufig [...]<br />

gar keine Gel<strong>der</strong> zu bekommen sind.“ Nach seiner Mei-<br />

nung sollte ohnehin „für die Zukunft <strong>der</strong> Grundsatz gelten,<br />

dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> nur baut, wenn die nötigen<br />

Gel<strong>der</strong> ihr selbst zur Verfügung stehen.“ Hoffmann<br />

vollzog damit den Willen <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Machthaber. Im Zuge <strong>der</strong> großstadtfeindlichen ‘Blut und<br />

Boden’-Ideologie wurden nun Kleinhaussiedlungen statt<br />

Geschossbauwohnungen propagiert.<br />

Im Jahr 1934 wurden in Hamburg nur 676 neue Wohnungen<br />

gebaut, weniger als die Hälfte mit öffentlichen<br />

Mitteln. So gesehen waren Hoffmanns Maßnahmen unter<br />

den neuen politischen Bedingungen <strong>der</strong> einzige Ausweg.<br />

Da zudem die Gewinn- und Verlustrechnung für 1933<br />

trotz <strong>der</strong> Belastung durch den Bauplatz einen Überschuss<br />

von 427,15 RM auswies, befand sich die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

nun auf dem Weg <strong>der</strong> finanziellen Gesundung. Das<br />

zweite große Problem, das im Revisionsbericht ebenfalls<br />

erwähnt worden war, konnte dagegen nicht gelöst werden.<br />

Obwohl <strong>der</strong> wirtschaftlichen Erholung nichts mehr im<br />

Wege stand und den Mitglie<strong>der</strong>n, die gekündigt hatten,<br />

eine Rücknahmefrist bis zum 30. September 1934 eingeräumt<br />

wurde, machte kaum jemand Gebrauch von diesem<br />

Angebot, auch wenn <strong>der</strong> neue Aufsichtsratsvorsitzende<br />

Flemming verkündet hatte, dass durch das Abkommen<br />

mit <strong>der</strong> Ichthyol-Gesellschaft „viele Mitglie<strong>der</strong>, die bereits<br />

ihren Austritt angekündigt hatten, zur Rücknahme ihrer<br />

Aufkündigung veranlasst“ worden seien. Den 128 Kündigungen<br />

folgte ein Rückgang von 133 Mitglie<strong>der</strong> zum 31.<br />

Dezember 1934, neun Mitglie<strong>der</strong> hatten ihre Kündigung<br />

zurückgezogen und 14 waren ausgeschlossen worden, darunter<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Vorstands und des Aufsichtsrats.<br />

Damit verlor die <strong>Baugenossenschaft</strong> innerhalb eines Jahres<br />

58,6 Prozent ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Mögen die finanziellen<br />

Probleme <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> für die Kündigung<br />

zunächst ausschlaggebend gewesen sein, so sind doch weitere<br />

Gesichtspunkte zu bedenken, die einer Rücknahme


des Austritts entgegengestanden haben dürften. Zumindest<br />

für diejenigen, die auf den Bezug einer Wohnung<br />

gehofft hatten, bestand kein Anlass mehr für eine Mitgliedschaft.<br />

Auch mag ein bei den freigewerkschaftlichsozialdemokratisch<br />

orientierten Genossenschaften aus<br />

politischen Gründen allgemein zu beobachten<strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>rückgang eine Rolle<br />

gespielt haben. Nachdem absolut zuverlässige<br />

Nationalsozialisten die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

übernommen hatten, bestand jedenfalls<br />

erst recht kein Grund mehr, Mitglied zu<br />

bleiben.<br />

Die Entwicklung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlen<br />

blieb auch in den folgenden Jahren ein<br />

Schwachpunkt. Erst 1935 gab es wie<strong>der</strong> sieben<br />

Zugänge. Allerdings handelte es sich<br />

dabei vor allem um die sechs Vorstandsund<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>, die erst in die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> eintraten, als das finanzielle<br />

Risiko weitgehend gebannt war.<br />

Auch die 17 von 22 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n,<br />

die kündigten, „als die Genossenschaft<br />

mit den größten Schwierigkeiten<br />

kämpfte“ und zum 31. Dezember 1935 aus-<br />

schieden, konnten nicht von ihrem Entschluss<br />

abgebracht werden. Lediglich zwei<br />

hatte ihre Kündigung zurückgezogen. Fünf<br />

Mitglie<strong>der</strong> wurden ausgeschlossen, weil sie<br />

„trotz wie<strong>der</strong>holter Auffor<strong>der</strong>ungen ihren<br />

Verpflichtungen zur Mietzahlung nicht nachgekommen“<br />

waren. Hierbei handelte es sich vermutlich um Mietrückstände,<br />

denn die Betroffenen bewohnten keine<br />

Genossenschaftswohnung mehr. Die Gleichschaltung<br />

spielte dabei keine erkennbare Rolle. Erst nach <strong>der</strong><br />

Annahme <strong>der</strong> Bilanz mit dem erneuten Verlustaus-<br />

gleich kündigten mehrere Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />

Die meisten erklärten ihren Austritt aber erst am Ende<br />

des Jahres 1933.<br />

In den folgenden Jahren verließen nur noch wenige<br />

Mitglie<strong>der</strong> die Genossenschaft. Allerdings konnten auch<br />

Braußpark Nr. 12: Wolfgang Schlorf (rechts) mit Freund vor dem Hauseingang<br />

(ca. 1937). Familie Schlorf wohnte in Nr. 4. Otto Schlorf trat 1931 in die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

ein.<br />

kaum Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden. Zum Jahresende<br />

1938 erreichte die Genossenschaft mit nur noch 67 Mitglie<strong>der</strong>n<br />

den Tiefststand. Dabei hatte sich <strong>der</strong> Vorstand<br />

bemüht, die Mitglie<strong>der</strong> zu halten. Als das Geschäftsjahr<br />

1934 trotz „einer doppelt so hohen Abschreibung auf<br />

Gebäude und Grund und Boden als in den Vorjahren“<br />

47


48<br />

mit einem Gewinn von knapp 21.000 RM abschloss,<br />

sollten 10.080 RM den Mitglie<strong>der</strong>n zur Auffüllung<br />

<strong>der</strong> in den vorangegangenen Jahren zum Verlustausgleich<br />

herangezogenen Geschäftsanteile gutgeschrieben werden.<br />

Diese Absicht hielt einer rechtlichen Prüfung allerdings<br />

nicht stand.<br />

Die geschäftliche Entwicklung verlief 1935 so gut, dass<br />

im Geschäftsbericht für 1936 bereits die Auszahlung einer<br />

Dividende angekündigt wurde, die in Höhe von 4 Prozent<br />

auf das Geschäftsguthaben erfolgte. Neben <strong>der</strong> Rückzahlung<br />

<strong>der</strong> Mieterdarlehen sollte nun auch verstärkt Eigengeld<br />

für zukünftige Bauvorhaben angesammelt werden.<br />

1937 wurden die Wohnungen an die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

sogar billiger vermietet, um einen Anreiz für<br />

den Erwerb einer Mitgliedschaft zu geben. Zu diesem Zeitpunkt<br />

waren nur 53 <strong>der</strong> insgesamt 278 Wohnungen von<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n bewohnt.<br />

Anfang 1936 kam die <strong>Baugenossenschaft</strong> einer For<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Hamburgischen Finanzverwaltung nach, Angehörige<br />

des Baugewerbes in den Verwaltungsgremien<br />

auszuwechseln. Dabei wurde auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

am 21. März 1936 nicht nur Klempnermeister<br />

Dabruntz und Töpfermeister Matzky, son<strong>der</strong>n auch<br />

Rechtsanwalt Flemming und somit <strong>der</strong> komplette Aufsichtsrat<br />

abgelöst. Flemming verlor offensichtlich das<br />

Interesse an <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> und wurde zum 31.<br />

Dezember 1936 ausgeschlossen. Auf Vorschlag von<br />

Geschäftsführer Hoffmann wurden Theodor Schrö<strong>der</strong>,<br />

Henry Grobe und Gottfried Frank zu Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />

bestimmt. Am 13. Mai 1936 bestellte <strong>der</strong> neue<br />

Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Gottfried Frank<br />

Walter Tesch an Stelle von Malermeister Hückstädt zum<br />

Vorstandsmitglied. Als Ende 1937 Fritz Meyer ausschied<br />

und Willy Köhler in den Vorstand aufrückte, setzten<br />

sich die Verwaltungsgremien mit Ausnahme von Arthur<br />

Hoffmann wie<strong>der</strong> aus langjährigen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />

zusammen. Mit Ausnahme von Tesch, <strong>der</strong> 1929<br />

eintrat und als kaufmännischer Angestellter arbeitete,<br />

waren alle an<strong>der</strong>en bereits 1928 Genossenschaftsmitglied<br />

geworden und im Druckgewerbe tätig. Schrö<strong>der</strong><br />

und Frank hatten schon vor 1933 dem Aufsichtsrat<br />

angehört, und Tesch war Mitglied <strong>der</strong> Bilanzprüfungskommission<br />

gewesen.<br />

Mit dem Personalwechsel wurde keine grundlegende<br />

Än<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> eingeleitet.<br />

Betont wurde seit 1935 in den Geschäftsberichten,<br />

dass eine Neubautätigkeit angestrebt werde. Konkrete<br />

Verhandlungen über den Ankauf eines Bauplatzes kamen<br />

jedoch erst 1940 zustande. Auch wurde in diesem Jahr zum<br />

erstenmal Eigengeld für den Wohnungsneubau in Höhe<br />

von 20.000 RM zurückgelegt. Dazu vermerkte <strong>der</strong><br />

Geschäftsbericht für 1940: „Selbstverständlich kann mit<br />

dem Beginn <strong>der</strong> Schaffung neuer Wohnungen erst nach<br />

dem Kriege gerechnet werden.“<br />

Ein Schwachpunkt <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> war <strong>der</strong> niedrige<br />

Mitglie<strong>der</strong>bestand und die damit verbundene geringe<br />

Eigenkapitalausstattung. Die Hoffnung, Neumitglie<strong>der</strong><br />

durch geplante Bauvorhaben gewinnen zu können, hatte<br />

sich vorerst zerschlagen. Auch <strong>der</strong> Mietnachlass an<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> zeigte kaum Wirkung. Erst<br />

1940 gelang es, die Mitglie<strong>der</strong>zahl durch 36 Eintritte wie<strong>der</strong><br />

auf 104 zu erhöhen. Die Anstieg war nicht zuletzt<br />

durch ein intensives Werben unter den Mietern möglich<br />

geworden. So konnte die Zahl <strong>der</strong> an Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

vermieteten Wohnungen von 61 im Jahre 1939<br />

auf 90 im darauffolgendem Jahr gesteigert werden. Möglicherweise<br />

wurde auch bei <strong>der</strong> Neuvermietung auf eine<br />

Mitgliedschaft gedrängt. Allerdings gab es 1940 nur 15<br />

Wohnungswechsel. In den Jahren zuvor waren zwischen<br />

35 und <strong>45</strong> Mieter ausgezogen.


Trotz steigen<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlen blieb das Interesse<br />

am Genossenschaftsleben gering. So bedauerte<br />

Geschäftsführer Hoffmann auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

1939 die Teilnahme von nur 30 Mitglie<strong>der</strong>n,<br />

die sich außer den Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />

eingefunden hatten. Auch zu früheren<br />

Zeiten, als die <strong>Baugenossenschaft</strong> noch über<br />

300 Mitglie<strong>der</strong> zählte, hatten kaum mehr als die<br />

Hälfte an den Versammlungen teilgenommen. Doch<br />

die Zahlen zeigen, dass sich auch die regelmäßigen<br />

Besucher von einst längst abgewandt hatten.<br />

Zur Mitglie<strong>der</strong>versammlung 1940, die mit einem<br />

gemeinsamen Hören einer Rundfunkrede von Adolf<br />

Hitler begann, erschienen außer den Aufsichtsratsund<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n noch einmal 32 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

In den folgenden Jahren kamen, vermutlich auch<br />

durch Einberufungen zur Wehrmacht, keine 20 Personen<br />

mehr zusammen. Die letzte Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />

die Hoffmann während <strong>der</strong> NS-Zeit einberief,<br />

fand am 28. Januar 19<strong>45</strong> mit insgesamt 11<br />

Teilnehmern statt. Zum erstenmal wurde in den Privaträumen<br />

des Geschäftsführers getagt.<br />

Bis zum Kriegsende war die Besetzung <strong>der</strong> Verwaltungsgremien<br />

nahezu unverän<strong>der</strong>t geblieben. Nur für<br />

den verstorbenen Henry Grobe war 1941 <strong>der</strong> Schlosser<br />

Wilhelm Roos in den Aufsichtsrat nachgerückt.<br />

Die Leitung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> hatte allerdings<br />

weitgehend in den Händen von Arthur Hoffmann<br />

und einer Mitarbeiterin gelegen. Vorstandsmitglied<br />

Köhler wurde 1939 und Aufsichtsratsmitglied Frank<br />

1940 zur Wehrmacht einberufen. Ab 1942 wurde<br />

Vorstandsmitglied Tesch „zur Erledigung wichtiger<br />

Arbeiten in den Osten berufen“.<br />

Schon bald nachdem Hitler 1939 mit dem Angriff<br />

auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte,<br />

Blick auf die zerstörten Häuser im Wicherns Garten Richtung Eiffestraße. Auf<br />

<strong>der</strong> linken Seite standen die Häuser <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>.<br />

49


50<br />

machten sich die Auswirkungen <strong>der</strong> Kriegsführung<br />

bemerkbar. Schon im Geschäftsbericht für 1940 ist vermerkt,<br />

dass „die Inangriffnahme je<strong>der</strong> nicht lebenswichtigen<br />

Instandsetzung wegen Handwerkermangels auf später<br />

verschoben werden“ müsse. Die Arbeiten zur Einrichtung<br />

von Luftschutzräumen schlugen mit fast 12.000 RM zu<br />

Buche. Weitere Mauerdurchbrüche sollten in den Kellern<br />

noch durchgeführt werden.<br />

Aus wirtschaftlicher Sicht bestand dagegen kein Anlass<br />

zur Klage. Mietausfälle waren kaum zu verzeichnen und<br />

die finanzielle Situation verbesserte sich zusehends. So<br />

unternahm die Genossenschaft weitere Anstrengungen,<br />

Eigenkapital anzusammeln, um „sofort nach dem Kriege“<br />

Wohnungen bauen zu können. Bis 1942 wurden bereits<br />

125.000 RM angespart. Für das Geschäftsjahr 1944 konnte<br />

ein Rekordgewinn von fast 34.000 RM erzielt werden,<br />

so dass 19<strong>45</strong> noch einmal eine Dividende in Höhe von 4<br />

Prozent auf das Geschäftsguthaben – je Mitglied 10 RM –<br />

ausgezahlt wurde.<br />

Die Wirklichkeit sah an<strong>der</strong>s aus. Hitlers Krieg hatte<br />

Deutschland in eine Trümmerlandschaft verwandelt. Tod,<br />

Flucht, Obdachlosigkeit, Hunger und Kälte bestimmten<br />

den Alltag <strong>der</strong> Menschen. Die Luftangriffe <strong>der</strong> Alliierten<br />

zerstörten in Hamburg etwa 300.000 Wohnungen, dass<br />

waren über 50 Prozent des Bestands. Die schlimmsten<br />

Auswirkungen hatten die Flächenbombardements Ende<br />

Juli / Anfang August 1943. 3.000 Flugzeuge warfen 9.000<br />

Tonnen Bomben über <strong>der</strong> Stadt ab. Brandbomben entfachten<br />

Feuerstürme, die ganze Stadtteile in Schutt und<br />

Asche legten. In wenigen Tagen fanden in Hamburg<br />

36.000 Menschen den Tod, 1 Million Hamburger wurden<br />

obdachlos.<br />

Die Stadtteile Hamm und Hammerbrook waren<br />

beson<strong>der</strong>s stark betroffen. Bereits in <strong>der</strong> ersten Nacht, vom<br />

27. auf den 28. Juli 1943, wurde die Wohnanlage am<br />

Braußpark fast völlig zerstört. Nur die Häuser Wicherns<br />

Garten Nr. 5 und 7 blieben, wenn auch beschädigt, mit 20<br />

Wohnungen erhalten. Als wenige Tage später Barmbek<br />

bombardiert wurde, erlitt die Wohnanlage im Suhrsweg<br />

einen Totalschaden. Der Mitte Februar 1944 erstellte<br />

Geschäftsbericht für 1943 vermerkt dazu: „Das abgelaufene<br />

Geschäftsjahr 1943 stand völlig unter dem Eindruck<br />

<strong>der</strong> Feindeinwirkungen auf Hamburg. 21 von unseren 23<br />

Häusern wurden total zerstört. Bis heute konnte eine Klärung<br />

aller in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen<br />

nicht erfolgen.“ Auch im Verlauf des Jahres 1944<br />

konnten noch nicht alle Fragen zur Schadensregulierung<br />

beantwortet werden. Die erhalten gebliebenen beiden<br />

Häuser wurden notdürftig instand gesetzt. Die Ersetzung<br />

<strong>der</strong> Mietausfälle durch die Reichsregierung entledigte die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> zumindest <strong>der</strong> Sorgen um die Zins- und<br />

Tilgungszahlungen für die Hypotheken.


Mit <strong>der</strong> deutschen Kapitulation am 8. Mai 19<strong>45</strong> endete<br />

<strong>der</strong> Zweite Weltkrieg in Europa. Das in weiten Teilen zerstörte<br />

Hamburg war durch die kampflose Übergabe am 3.<br />

Mai 19<strong>45</strong> von weiteren Verwüstungen verschont geblieben.<br />

Die ersten Wochen nach dem Kriegsende waren<br />

geprägt von dem täglichen Kampf ums Überleben. Die<br />

Beschaffung von Nahrungsmitteln, die Herrichtung einer<br />

Unterkunft und die Suche nach Familienangehörigen<br />

bestimmten den Alltag. Erst allmählich begann sich das<br />

Leben <strong>der</strong> Menschen zu normalisieren. Ein Zeichen dafür<br />

war die Wie<strong>der</strong>eröffnung <strong>der</strong> Hamburger Schulen am 6.<br />

August 19<strong>45</strong>.<br />

Neben <strong>der</strong> Lebensmittelknappheit und dem Energiemangel<br />

war die Wohnungsnot das dritte große Problem in<br />

<strong>der</strong> Hansestadt. Trotz Zuzugsbeschränkungen stieg die<br />

Bevölkerung in Hamburg vom 1. Juni bis Mitte September<br />

19<strong>45</strong> um 112.000 Menschen. In seiner Rundfunkrede vom<br />

12. September 19<strong>45</strong> bezeichnete Bürgermeister Rudolf<br />

PetersendieWohnungsversorgungalsdasschwierigsteProblem.Baumaterialienkonntenkaumbeschafftwerden,weil<br />

die Transportkapazitäten nicht ausreichten und weil es an<br />

Kohle zur Energieversorgung mangelte. Die BaumaßnahmenbeschränktensichdeshalbaufdienotdürftigeInstandsetzung<br />

leicht beschädigter Wohnungen. Um die nach<br />

Hamburg zurückkehrenden Menschen überhaupt unterbringen<br />

zu können, beschlagnahmte das Wohnungsamt –<br />

wie schon im Krieg – Zimmer in Wohnungen und Einzelhäusern.<br />

Schließlich begann die britische Militärregierung<br />

mit <strong>der</strong> Aufstellung von Notunterkünften auf Trümmergrundstücken,<br />

Straßen und Grünflächen. Bis Ende 19<strong>45</strong><br />

wurden42.000HamburgerinNissenhüttenuntergebracht.<br />

Während <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau zerstörter Häuser auf sich<br />

warten ließ und vorerst nur Bebauungspläne für die<br />

KRIEGSENDE UND NEUBEGINN<br />

Zukunft entworfen wurden, stand die Wohnungswirtschaft<br />

vor ganz an<strong>der</strong>en Problemen. Mit <strong>der</strong> Kapitulation<br />

hatte das Deutsche Reich aufgehört zu existieren. Deshalb<br />

wurden ab Mai 19<strong>45</strong> auch keine Ausgleichszahlungen<br />

mehr getätigt, die für die durch die Bombenschäden entstandenen<br />

Mietausfälle gewährt worden waren. Diese<br />

Zahlungen waren für die meisten Wohnungseigentümer<br />

von existenzieller Bedeutung, weil nur so die Kreditzinsen<br />

und Tilgungsraten gezahlt werden konnten. Auf diese Problematik<br />

wies <strong>der</strong> Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen<br />

bereits frühzeitig hin.<br />

Der Verband war 1934 von den Nationalsozialisten<br />

als Einheitsverband gegründet worden. Die Pflichtmitgliedschaft<br />

vereinigte alle gemeinnützigen Wohnungsunternehmen<br />

in Schleswig-Holstein, Hamburg und<br />

Mecklenburg. Als Dachorganisation wurde <strong>der</strong> Reichsverband<br />

des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens<br />

eingerichtet. Die nach verschiedenen Interessengruppen<br />

in fünf Spitzenverbänden organisierte gemeinnützige<br />

Wohnwirtschaft von vor 1933 gehörte damit <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

an. Auch nach 19<strong>45</strong> wurde an dem Einheitsprinzip<br />

festgehalten.<br />

Erich Klabunde, seit 1939 Geschäftsführer des Verbands<br />

norddeutscher Wohnungsunternehmen, war nach 19<strong>45</strong><br />

maßgeblich an <strong>der</strong> Neuorganisation <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />

Wohnungswirtschaft in Westdeutschland beteiligt und<br />

wurde Direktor des Gesamtverbands. Schon frühzeitig<br />

wies er auf die beson<strong>der</strong>en Probleme <strong>der</strong> Wohnungsbaugenossenschaften<br />

hin. An<strong>der</strong>erseits verstand er es, deutlich<br />

zu machen, dass die <strong>Baugenossenschaft</strong>en über das<br />

Potential für einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau verfügten.<br />

Bereits Anfang Oktober 19<strong>45</strong> legte <strong>der</strong> Geschäftsführer<br />

dem zuständigen Hamburger Senator ein Memorandum<br />

51


52<br />

Ruinen Ecke Eitzensweg /Braußpark.


über „Die Zukunft <strong>der</strong> Hypothekenzinsen für zerstörte<br />

Häuser“ vor. Ausführlich erläuterte er die Situation <strong>der</strong><br />

Wohnungsunternehmen, bei denen seit Einstellung <strong>der</strong><br />

Ausgleichszahlungen für zerstörte Wohnungen die<br />

Hypothekenzinsen und Tilgungsraten aufliefen. Mit <strong>der</strong><br />

erwarteten Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Gerichtstätigkeit wurden<br />

Klagen gegen säumige Schuldner o<strong>der</strong> gar die Rückzahlung<br />

von Hypothekarkrediten befürchtet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft wies er<br />

nach, dass diese Unternehmen, <strong>der</strong>en Gesamtkapital bis<br />

zu 92 Prozent aus Fremdkapital bestand, nicht in <strong>der</strong><br />

Lage sein würden, etwaigen For<strong>der</strong>ungen nachzukommen.<br />

Dazu <strong>der</strong> Verbandsgeschäftsführer:<br />

„Völlig abwegig sind die Gedanken einer Weiterzahlung<br />

<strong>der</strong> Hypothekarzinsen für zerstörte Häuser, soweit es<br />

sich um den Wohnungsbestand gemeinnütziger Unternehmen<br />

handelt.<br />

Deren größte Gruppe sind Genossenschaften von<br />

Arbeitern, Angestellten, Beamten und sonstigen Beziehern<br />

kleiner und kleinster Einkünfte. Es dürfte we<strong>der</strong> wirtschaftlich<br />

tragbar noch politisch verantwortbar sein, diesen<br />

Genossenschaften zuzumuten, dass sie zur Zahlung<br />

von Hypothekenzinsen die von ihren Mitglie<strong>der</strong>n mühsam<br />

aufgebrachten Genossenschaftsanteile verwenden.<br />

Hierbei ist beson<strong>der</strong>s zu berücksichtigen, dass <strong>der</strong> Genosse<br />

einer Wohnungsbaugenossenschaft in keiner Weise an <strong>der</strong><br />

Rentabilität des Hauses beteiligt ist, son<strong>der</strong>n lediglich an<br />

eventuellen Ausfällen. Die Dividende ist auf höchstens<br />

4% jährlich gesetzlich begrenzt. Dividendenausfälle des<br />

einen Jahres können also nicht durch eine spätere erhöhte<br />

Dividende ausgeglichen werden.<br />

Jede Beeinträchtigung <strong>der</strong> Genossenschaften würde<br />

zu einer Zerstörung des <strong>Baugenossenschaft</strong>sgedankens<br />

führen – es steht aber fest, dass <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong><br />

Wohnungswirtschaft nur erfolgreich vorgenommen wer-<br />

den kann, wenn in stärkerem Umfange als bisher die<br />

Wohnungssuchenden in <strong>Baugenossenschaft</strong>en eingeglie<strong>der</strong>t<br />

werden und diese ihre Ersparnisse als Genossenschaftsanteile<br />

zur Verfügung stellen. Der Genossenschaftsgedanke<br />

verdient schließlich aus politischen<br />

Gründen beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung und darf deswegen nicht<br />

durch ein unvertretbares Vorgehen zugunsten <strong>der</strong> Gläubiger<br />

gestört werden.“<br />

Schon 1948 legte Erich Klabunde in <strong>der</strong> Verbandszeitschrift<br />

„Gemeinnützige Wohnungswirtschaft“ ein „Programm<br />

für den Wohnungsbau“ vor. Seine Überlegungen<br />

sollten später die wesentliche Grundlage des ersten Wohnungsbaugesetzes<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland werden.<br />

Dass sich die Wohnungsnot, es fehlten in den Westzonen<br />

schätzungsweise 4 bis 5 Millionen Wohnungen, nur<br />

durch den Einsatz öffentlicher För<strong>der</strong>ungsmittel lin<strong>der</strong>n<br />

lassen würde, stand für den Verbandsdirektor außer Frage.<br />

Ebenso überzeugend konnte <strong>der</strong> Experte <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft<br />

darlegen, dass <strong>der</strong> private Mietwohnungsbau<br />

wegen <strong>der</strong> fehlenden Eigenkapitalausstattung noch über<br />

längere Zeit kaum in <strong>der</strong> Lage sein würde, Wohnungsneubauten<br />

zu errichten. Er favorisierte deshalb die gemeinnützigen<br />

Genossenschaften und Gesellschaften, die die<br />

„Sammlung des erfor<strong>der</strong>lichen Eigenkapitals durch die<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> wohnungsbaubedürftigen Mitglie<strong>der</strong><br />

bzw. Mieter erheblich früher ermöglichen“. Die wichtigsten<br />

Elemente des Wohnungsbauprogramms waren die<br />

For<strong>der</strong>ung nach einem langfristigen Programm mit konkreten<br />

Bauzahlen für die nächsten fünf Jahre sowie die<br />

Festlegung <strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>nden Wohnungsgrößen und <strong>der</strong><br />

späteren Höchstmiete. Nur so ließ sich nach seiner Überzeugung<br />

das Wohnungsproblem für breite Schichten <strong>der</strong><br />

Bevölkerung zu erschwinglichen Mietpreisen lösen.<br />

Als Abgeordneter des Ersten Deutschen Bundestages<br />

<strong>der</strong> oppositionellen SPD gelang es Erich Klabunde, seine<br />

53


54<br />

Vorstellungen in dem ersten deutschen Wohnungsbaugesetz<br />

vom 28. März 1950, das „einmütig“ bei wenigen<br />

Stimmenthaltungen angenommen wurde, weitgehend<br />

umzusetzen.<br />

Der Verbandsdirektor sah in dem Wohnungsbaugesetz<br />

eine große Chance für die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen.<br />

Nach seiner Einschätzung würden sie ihren<br />

Bestand in den nächsten zehn Jahren um 1,5 Millionen<br />

Wohnungen erweitern können, das entsprach etwa einem<br />

Drittel <strong>der</strong> erwarteten Neubauwohnungen.<br />

Dem genossenschaftlichen Gemeinnutzen wurde damit<br />

gegenüber dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben<br />

zu neuer Geltung und Auftrieb verholfen. Die Prognose<br />

sollte sich bewahrheiten. In <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong><br />

1950er Jahre schwankte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />

Wohnungsunternehmen beim Wohnungsneubau zwischen<br />

35 und 42 Prozent. Als 1964 in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

mit 623.000 fertiggestellten Wohnungen ein weiteres<br />

Rekor<strong>der</strong>gebnis erzielt wurde, waren es immer noch<br />

30 Prozent.


Zunächst verhin<strong>der</strong>ten fehlende Baumaterialien, dringende<br />

Instandsetzungsarbeiten und Bedarfe <strong>der</strong> Besatzungsmacht<br />

einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau. Als Ende 1946<br />

Paul Nevermann die Baubehörde übernahm, flossen nur<br />

11 Prozent <strong>der</strong> knappen Baustoffe in den Wohnungsbau.<br />

Obwohl <strong>der</strong> Beschluss, zukünftig 35 Prozent des Baumaterials<br />

für den sozialen Wohnungsbau vorzusehen, umgesetzt<br />

werden konnte, war die Aufbautätigkeit mit 5.280 und<br />

8.612 Wohnungen 1947/48 und 1948/49 noch bescheiden.<br />

Zunächst wurden insbeson<strong>der</strong>e ausgebrannte Ruinen<br />

wie<strong>der</strong> aufgebaut. Vorhandene Mauern senkten den<br />

Bedarf an Baumaterial. Wegen <strong>der</strong> verkehrsgünstigen<br />

Lage und <strong>der</strong> zumindest in Teilen stehen gebliebenen<br />

Großsiedlungen konzentrierte sich <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

zunächst vor allem auf Barmbek.<br />

Um überhaupt Baumaterial, das zu 95 Prozent im Hamburger<br />

Umland produziert wurde, in die Hansestadt zu<br />

holen, ging die Baubehörde ungewöhnliche Wege: „Wer<br />

für den Wohnungsbau Baustoffe nach Hamburg bringt,<br />

bekommt die Baugenehmigung für eine bestimmte Größenordnung.“<br />

Tatsächlich wirkten sich jetzt geschäftliche<br />

Beziehungen aus. Doch musste weiterhin improvisiert<br />

werden. Als während <strong>der</strong> Ernährungskrise 1946/47 bei<br />

den „BMW-Betrieben“ (Bäcker, Metzger, Wirte) eine verstärkte<br />

Bautätigkeit zu beobachten war, im Wohnungssektor<br />

aber Arbeitskräftemangel herrschte, erhielten die<br />

Bauarbeiter im Wohnungsbau von <strong>der</strong> Ernährungsbehörde<br />

auf Schwerarbeiterkarten zusätzliche Lebensmittel.<br />

Der Hamburger Senat traf frühzeitig die Vorbereitungen<br />

für einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau. 1947 wurde <strong>der</strong> Generalbebauungsplan<br />

verabschiedet. Das Aufbaugesetz von 1949<br />

bildete die rechtliche Grundlage, und <strong>der</strong> Aufbauplan von<br />

1950 schuf einen verbindlichen Rahmen für die städte-<br />

WIEDERAUFBAU IN HAMBURG<br />

bauliche Entwicklung. Mit <strong>der</strong> Währungsreform im Juni<br />

1948 kehrte wie<strong>der</strong> Vertrauen in das Geldwesen zurück.<br />

Die Schaufenster <strong>der</strong> Geschäfte füllten sich, <strong>der</strong> Tauschhandel<br />

und die Schwarzmärkte verschwanden. Zusammen<br />

mit den wirtschaftspolitischen Weichenstellungen für<br />

eine soziale Marktwirtschaft bildete die Währungsreform<br />

die Grundlage für den konjunkturellen Aufschwung.<br />

Obwohl die Rahmenbedingungen damit geschaffen waren<br />

und sich Hamburgs Regierung intensiv um den Wohnungsbau<br />

bemühte, überstieg <strong>der</strong> Finanzbedarf die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Hansestadt.<br />

Erst mit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Bundesrepublik und <strong>der</strong><br />

Anerkennung des Wohnungsbaus als Aufgabe <strong>der</strong><br />

Bundesregierung konnte in <strong>der</strong> Finanzierungsfrage eine<br />

befriedigende Antwort gefunden werden. Von nicht<br />

unerheblicher Bedeutung waren dabei die Mittel aus<br />

dem amerikanischen European Recovery Program (ERP),<br />

dem nach dem US-Außenminister benannten Marshallplan.<br />

Bereits im September 1949 flossen 81,5 Millionen<br />

DM ERP-Mittel in ein Sofortprogramm für den Wohnungsbau.<br />

Hamburg erhielt 2,3 Millionen DM. Bei <strong>der</strong><br />

Verteilung <strong>der</strong> Bundesmittel für den Wohnungsbau wurde<br />

Hamburg 1950 mit 30,2 Millionen DM berücksichtigt,<br />

20 Prozent stammten aus dem ERP-Programm. Die Verwendung<br />

<strong>der</strong> Marshallplan-Gel<strong>der</strong> war an Bedingungen<br />

geknüpft. Neben dem für alle För<strong>der</strong>programme geltenden<br />

Grundsatz, möglichst billigen Wohnraum zu schaffen,<br />

sollte das ERP-Programm insbeson<strong>der</strong>e solchen Arbeitern<br />

zugute kommen, für die kein geeigneter Wohnraum zur<br />

Verfügung stand und die deshalb in einer nicht zumutbaren<br />

Entfernung vom Arbeitsplatz untergebracht waren.<br />

In Hamburg wurden mit den ERP-Gel<strong>der</strong>n vor allem<br />

gemeinnützige Wohnungsunternehmen geför<strong>der</strong>t. Sie<br />

55


56<br />

erhielten 1950 von den insgesamt 6,4 Millionen DM 4,7<br />

Millionen.<br />

Jetzt konnte auch in Hamburg <strong>der</strong> Wohnungsbau deutlich<br />

gesteigert werden. In den 1950er Jahren wurden in<br />

<strong>der</strong> Hansestadt durchschnittlich etwa 25.000 Wohnungen<br />

gebaut, bis zu 90 Prozent davon im öffentlich geför<strong>der</strong>ten<br />

sozialen Wohnungsbau. Die Miete für den sozialen Wohnungsbau<br />

wurde durch Senatsbeschluss auf 1,00 DM/qm<br />

Wohnfläche festgesetzt. Grundsätzlich wurden nur Kleinwohnungen<br />

geför<strong>der</strong>t. Für 2-Personen-Haushalte waren<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau und Notunterkünfte am Bie<strong>der</strong>mannplatz - Barmbek 1950.<br />

Wohnungen in <strong>der</strong> Größe von 20 - 28 qm vorgesehen, für<br />

drei Personen bis 40 qm, für vier Personen bis 50 qm und<br />

für fünf Personen bis 60 qm. Die durchschnittliche Wohnfläche<br />

sollte <strong>45</strong> qm nicht überschreiten. Mit 47,4 Neubauwohnungen<br />

auf 1.000 Einwohner belegte Hamburg<br />

1953 den Spitzenplatz in <strong>der</strong> Bundesrepublik. Die frühzeitige<br />

und vorausschauende Aufbauplanung zahlte sich aus.<br />

Mit <strong>der</strong> Richtfeier <strong>der</strong> 300.000 Wohnung am 17. November<br />

1960 wurde <strong>der</strong> Wohnungsbestand <strong>der</strong> Vorkriegszeit<br />

wie<strong>der</strong> erreicht.


DER NEUANFANG<br />

Ganze 20 <strong>der</strong> einst 278 Wohnungen waren <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> geblieben, 93 Prozent des<br />

Bestands war vernichtet. Die Bewohner in Wicherns Garten<br />

Nr. 5 und 7 hatten immerhin ein Dach über dem Kopf.<br />

Die Alltagssorgen, insbeson<strong>der</strong>e die Beschaffung von<br />

Lebensmitteln, teilten sie allerdings mit allen an<strong>der</strong>en<br />

Einwohnern. Je<strong>der</strong> verfügbare Flecken Erde wurde für die<br />

Gartennutzung kultiviert. So beantragte Helma Nonnenmacher,<br />

Wicherns Garten Nr. 7, im Februar 1946 die Nutzung<br />

von 250 qm Genossenschaftsgelände zur Eigenversorgung.<br />

Die meisten <strong>der</strong> ausgebombten Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

blieben <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> treu. Viele hofften vermutlich,<br />

eines Tages eine wie<strong>der</strong>aufgebaute Wohnung<br />

beziehen zu können. Zu diesem Personenkreis gehörte<br />

Toni Höppner, die bis 1943 mit ihrem Mann Hans Höppner<br />

in Braußpark Nr. 8 gewohnt hatte und nun in Hagenburg<br />

am Steinhu<strong>der</strong> Meer lebte. Aus dem Schreiben, das<br />

Frau Höppner Anfang August 19<strong>45</strong> an die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

sandte, geht deutlich hervor, dass sie auf eine baldige<br />

Rückkehr nach Hamburg hoffte und dass sie fest mit<br />

<strong>der</strong> sofortigen Aufnahme <strong>der</strong> Aufbautätigkeit rechnete,<br />

die ihr den Bezug einer Genossenschaftswohnung in<br />

naher Zukunft ermöglichen würde. Frau Höppner teilte<br />

zudem das Schicksal zahlreicher Ehefrauen. Ihr Mann war<br />

1944 als Soldat im Osten ums Leben gekommen.<br />

Am 21. Oktober 19<strong>45</strong> fand die erste Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

nach dem Krieg statt. Neben vier Vertretern<br />

des Vorstands und des Aufsichtsrats waren 30 Mitglie<strong>der</strong><br />

erschienen. Die Teilnehmerzahl war damit gegenüber den<br />

Generalversammlungen <strong>der</strong> letzten Jahre deutlich gestie-<br />

DIE BAUGENOSSENSCHAFT DER<br />

BUCHDRUCKER 19<strong>45</strong>-2002<br />

Helma Nonnenmacher, Wicherns Garten Nr. 7, beantragte die<br />

Nutzung von Grasland zur Eigenversorgung.<br />

gen. Auf <strong>der</strong> Tagesordnung stand die Neuwahl des Aufsichtsrats.<br />

In <strong>der</strong> Diskussion um die Vorschläge vermerkt<br />

das Protokoll namentlich nur Willi Zieher, <strong>der</strong> 1932/33<br />

dem Aufsichtsrat angehört hatte und sich jetzt beim Aufbau<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaft im Graphischen Gewerbe enga-<br />

57


58<br />

gierte. Es darf vermutet werden, dass sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

Zieher für eine Neubesetzung aussprach und sich gegen die<br />

bisherigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> Gottfried Frank und<br />

Theodor Schrö<strong>der</strong> wandte, die 1933 gegen die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong><br />

opponiert hatten und während <strong>der</strong> NS-<br />

Zeit in das Leitungsgremium aufgerückt waren. Zwar wurden<br />

Stimmen laut, die eine Wie<strong>der</strong>wahl for<strong>der</strong>ten, doch<br />

verzichtete Schrö<strong>der</strong> von sich aus auf eine Kandidatur.<br />

Die Versammlung wählte schließlich Karl Koch als Vorsitzenden<br />

sowie Ernst Trilck und Walter Hartung in den<br />

Aufsichtsrat.<br />

Den alten, auf unbestimmte Zeit bestellten Vorstand mit<br />

Arthur Hoffmann als Vorsitzendem sowie Walter Tesch<br />

und Willy Köhler beließ <strong>der</strong> neue Aufsichtsrat allerdings<br />

im Amt. Tesch und Köhler waren offensichtlich nicht<br />

belastet, nur das ehemalige NSDAP-Mitglied Arthur<br />

Hoffmann wurde im Rahmen <strong>der</strong> Entnazifizierung von <strong>der</strong><br />

britischen Militärregierung überprüft und am 20. Mai<br />

1947 mit einem Verbot belegt, die Genossenschaft zu vertreten.<br />

Das Vertretungsverbot wurde neun Monate später<br />

wie<strong>der</strong> aufgehoben.<br />

DESOLATE FINANZLAGE<br />

Im ersten Geschäftsbericht nach dem Krieg, <strong>der</strong> im Mai<br />

1946 vorlag, musste <strong>der</strong> Genossenschaftsvorstand erklären,<br />

dass die wirtschaftliche Lage völlig ungeklärt sei.<br />

Durch die seit dem 1. April 19<strong>45</strong> eingestellten Ausgleichszahlungen<br />

für Mietausfälle durch Kriegszerstörungen waren<br />

alle Tilgungszahlungen sowie die Zahlung von Hypothekenzinsen<br />

und Grundsteuern eingestellt worden. Bis<br />

zum Jahresende lief aus den Verpflichtungen für Hypothekenzinsen<br />

und Grundsteuern ein Zahlungsrückstand in<br />

Höhe von 59.189,07 RM auf. Anfang 19<strong>45</strong> nachgezahlte<br />

Nutzungsschadenvergütungen verringerten das Defizit, so<br />

dass die Jahresbilanz für 19<strong>45</strong> einen Verlust von 36.035,82<br />

RM auswies. Selbst die beiden erhalten gebliebenen Häuser<br />

konnten den Jahresabschluss nicht verbessern. Die<br />

beschädigten Häuser verursachten Instandsetzungs- und<br />

Reparaturkosten, so dass sie trotz des Mietaufkommens<br />

nicht rentabel waren. Angesichts <strong>der</strong> Finanzlage arbeiteten<br />

Geschäftsführer Hoffmann, Vorstand und Aufsichtsrat<br />

ab dem 1. August 19<strong>45</strong> ehrenamtlich. Auch Mietermässigungen,<br />

die in <strong>der</strong> Vergangenheit gewährt worden waren,<br />

wurden zum 1. Oktober 19<strong>45</strong> gestrichen.<br />

Trotz <strong>der</strong> desolaten Lage wurde eine Verschmelzung mit<br />

einer an<strong>der</strong>en Genossenschaft auf <strong>der</strong> ersten Nachkriegsversammlung<br />

im Oktober 19<strong>45</strong> abgelehnt. Selbstbewusst<br />

beschlossendieMitglie<strong>der</strong>,dass„an<strong>der</strong><strong>eG</strong>enossenschaften<br />

in unserer Genossenschaft aufgehen“ können. Zugleich<br />

wurde damit <strong>der</strong> Wille bekundet, die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

wie<strong>der</strong> aufzubauen. Tatsächlich wurde noch 19<strong>45</strong> eine<br />

Überprüfung <strong>der</strong> zerstörten Gebäude durchgeführt. Dabei<br />

ergabsich,dassdieRuinenimWichernsGartenundimEitzensweg<br />

für den Wie<strong>der</strong>aufbau genutzt werden konnten.<br />

Alle an<strong>der</strong>en Häuser mussten neu aufgebaut werden.<br />

Die Erwartung, möglichst bald mit dem Wohnungsbau<br />

beginnen zu können, erfüllten sich nicht. Fehlende Baumaterialien<br />

und begrenzte För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stadt setzen<br />

dem Bausektor enge Grenzen. Im Geschäftsbericht für<br />

1946 kommt eine resignative Stimmung zum Ausdruck:<br />

„Die ganzen Schwierigkeiten <strong>der</strong> Nachkriegszeit spiegeln<br />

sich darin, dass wir auch im Jahre 1946 bezüglich Ausbau,<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau bzw. Neubau nicht einen Schritt<br />

weiterkommen konnten.“ Erschwerend kam hinzu, dass<br />

die ausbaufähigen Gebäude in Hamm in einem Sperrgebiet<br />

lagen, das nach den schweren Bombenangriffen 1943<br />

in dem beson<strong>der</strong>s stark zerstörten Stadtteil eingerichtet<br />

und noch immer nicht wie<strong>der</strong> frei gegeben worden war.


Bis zur Währungsreform am 21. Juni 1948 konnte die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> keine einzige Wohnung<br />

bauen. In den letzten Wochen und Monaten vor <strong>der</strong><br />

erwarteten Währungsumstellung „waren nicht einmal<br />

mehr Handwerker für die notwendigsten Instandsetzungen<br />

zu bekommen“. Auch die Entschädigungsfrage war noch<br />

völlig ungeklärt. Über 200.000 RM Hypothekenzinsen<br />

waren seit Mai 19<strong>45</strong> aufgelaufen. Die Bilanz zum 20. Juni<br />

1948 wies einen Gesamtverlust seit Kriegsende in Höhe<br />

von 183.463,86 RM aus. Der Hypothekenstand betrug<br />

Ende 1947 fast 2,5 Millionen Reichsmark. Dem gegenüber<br />

standen nur die Grundstückswerte, die beiden Häuser im<br />

Wicherns Garten, 166.000 RM Rücklagen und die<br />

Geschäftsanteile <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. In dem Prüfbericht des<br />

Revisionsverbandes heißt es dazu, dass „die wirtschaftliche<br />

Lage <strong>der</strong> Genossenschaft völlig abhängig von einem angemessenen<br />

Lastenausgleich bei den zerstörten Objekten“<br />

sei.FürbedenklichhieltendieRevisorendiegeringeEigenkapitalausstattung,<br />

die Ende 1946 noch 6,6 Prozent des<br />

Gesamtkapitals ausgemacht hatte und mittlerweile von<br />

den Verlusten fast vollständig aufgezehrt worden war. Die<br />

Zahlungsbereitschaft konnte nur aufrechterhalten werden,<br />

weil die Verbindlichkeiten aus dem zerstörten Hausbesitz<br />

gestundet wurden. Immerhin konnten die Verwaltungsausgaben<br />

auf ein Minimum gesenkt werden. Nicht<br />

einmal die Auslagen wurden erstattet, so dass sich die<br />

Geschäftsunkosten für 1946 auf 38,26 RM reduzierten.<br />

DIE WÄHRUNGSREFORM<br />

Die Währungsumstellung schuf für die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung.<br />

Vor allem profitierte sie von <strong>der</strong> Geldumstellung im<br />

Verhältnis 10:1. Die rückständigen Hypothekenzinsen<br />

in Höhe von 203.322,32 RM reduzierten sich auf<br />

20.332,32 DM und die inländischen Hypotheken in<br />

Höhe von fast 2,2 Millionen RM schrumpften auf 219.978<br />

DM. Die englische Pfund-Hypothek blieb dagegen ein<br />

dauerhaftes Problem. Die Auslandsschuld wurde im Verhältnis<br />

1:1 umgerechnet. Aus den 12.843 Pfund ergab<br />

sich zu einem Kurs von 13,43 DM für 1 englisches Pfund<br />

eine Hypothekenschuld in Höhe von 172.482 DM. Den<br />

Verbindlichkeiten in Höhe von über 422.000 DM standen<br />

die Trümmergrundstücke und die Häusern im Wicherns<br />

Garten mit einem veranschlagten Wert von 431.612,88<br />

DM gegenüber, so dass ein Reinvermögen von gut 9.000<br />

DM ausgewiesen werden konnte.<br />

Die als Umstellungsgrundschuld ausgewiesene Differenz<br />

zwischen RM- und DM-Verbindlichkeiten konnte schon<br />

durch Verzichtsanträge nach dem „Gesetz zur Sicherung<br />

von For<strong>der</strong>ungen für den Lastenausgleich“ auf die im<br />

Krieg zerstörten Häuser um rund 85 Prozent reduziert werden.<br />

Von weiteren Verzichtsanträgen, die nach dem<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Gebäude zu stellen waren, wurden<br />

zusätzliche Entlastungen erwartet. Auf dieser Grundlage<br />

war es <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> nunmehr möglich, die<br />

Finanzierung neuer Wohnungen und damit den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

in Angriff zu nehmen.<br />

Die Klärung <strong>der</strong> finanziellen Situation gab <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

neuen Auftrieb. Erneut wurde von <strong>der</strong> Leitung<br />

eine Verschmelzung mit einer an<strong>der</strong>en Genossenschaft<br />

entschieden abgelehnt und auf den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

und die Erhaltung <strong>der</strong> Selbstständigkeit gesetzt. Intensiv<br />

bemühte sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> nun um die Erteilung<br />

von Baugenehmigungen und die Finanzierung des Wohnungsbaus.<br />

Auch musste die Mitglie<strong>der</strong>werbung intensiviert<br />

werden, um den Eigenkapitalanteil zu stärken. Die<br />

Mitglie<strong>der</strong>zahl, die sich zuletzt 1940 mit 36 Zugängen auf<br />

104 Mitglie<strong>der</strong> deutlich erhöht hatte und seitdem bis<br />

59


60<br />

Ende 1946 langsam auf 128 Mitglie<strong>der</strong> gesteigert werden<br />

konnte, war bereits leicht rückläufig. Am 31. Dezember<br />

1948 hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> noch 121 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> nach<br />

19<strong>45</strong> an ihre traditionell sozialdemokratisch-gewerkschaftliche<br />

Ausrichtung anknüpfte, kam durch die<br />

Beschlüsse zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Satzung auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

am 14. Mai 1948 zum Ausdruck. Die Einladungen<br />

zur Generalversammlung und einmalige<br />

Bekanntmachungen wurden jetzt wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> SPD-Zeitung<br />

„Hamburger Echo“ veröffentlicht. Später fanden<br />

auch wie<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlungen im Gewerkschaftshaus<br />

am Besenbin<strong>der</strong>hof statt. Als Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

sollten insbeson<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> neu<br />

gegründeten Industrie Gewerkschaft Graphisches Gewerbe<br />

und Papierverarbeitung (später IG Druck und Papier)<br />

aufgenommen werden.<br />

Für die Kontinuität <strong>der</strong> Ausrichtung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

auf die Arbeitnehmer im Druckgewerbe von <strong>der</strong><br />

Gründungszeit bis in die Nachkriegszeit stand vor allem<br />

Willi Zieher. Zieher wurde nach 19<strong>45</strong> wie<strong>der</strong> als Hauptkassierer<br />

von <strong>der</strong> IG Druck und Papier eingestellt und<br />

gehörte dem Gewerkschaftsvorstand <strong>der</strong> Region Nordmark<br />

an. Nach dem Ende <strong>der</strong> NS-Diktatur beteiligte er<br />

sich wie<strong>der</strong> intensiv an <strong>der</strong> Genossenschaftsarbeit. In <strong>der</strong><br />

ersten Hälfte <strong>der</strong> 1950er Jahre, die von internen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> geprägt war,<br />

kam ihm eine ausgleichende Rolle zu. Willi Zieher gehörte<br />

dem Aufsichtsrat noch einmal von 1951 bis 1957 an.<br />

Von denjenigen, die vor 1933 den Leitungsgremien angehört<br />

hatten und im Zuge <strong>der</strong> Gleichschaltung ausscheiden<br />

mussten, war er <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> nach 19<strong>45</strong> wie<strong>der</strong> Führungsaufgaben<br />

übernahm. Die Vermutung liegt nahe, dass<br />

es Willi Zieher war, <strong>der</strong> 1951 die Benennung eines Neubaukomplexes<br />

im Stadtteil Barmbek-Nord in „Guten-<br />

berghof“ vorschlug, eine Idee, die schon 1928 geboren<br />

worden war.<br />

Die enge Verbindung zur Gewerkschaft kam auch darin<br />

zum Ausdruck, dass <strong>der</strong> langjährige Vorsitzende <strong>der</strong> IG<br />

Druck und Papier Nordmark, Max Thoma, Mitglied <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> war und eine Genossenschaftswohnung<br />

in <strong>der</strong> Starstraße bewohnte.<br />

Doch die Mitglie<strong>der</strong>werbung bereitete allergrößte Probleme.<br />

Im Jahr 1947 hatte nur ein einziges Mitglied<br />

gewonnen werden können. Auch im ersten Halbjahr 1948<br />

– vor <strong>der</strong> Währungsreform – gab es nur einen Eintritt.<br />

Obwohl sich die Genossenschaft nach <strong>der</strong> Währungsreform<br />

um Baugenehmigungen bemühte und <strong>der</strong> Beginn des<br />

Wohnungsbaus in greifbare Nähe rückte, waren bis zum<br />

Jahresende 1948 nur zwei weitere Aufnahmen zu verzeichnen.<br />

Das Haupthin<strong>der</strong>nis dürfte für viele Interessierte<br />

das Aufbringen eines Geschäftsanteils von 300 DM<br />

gewesen sein, eine Summe, über die kaum ein Arbeitnehmer<br />

nach <strong>der</strong> Währungsreform verfügte.<br />

„WIR BAUEN SELBST“<br />

Ende April 1949 berichtete Geschäftsführer Arthur<br />

Hoffmann, dass <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> ersten Häuser<br />

begonnen habe. In dieser Phase erhielt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

einen neuen, entscheidenden Impuls, über dessen<br />

Zustandekommen keine näheren Angaben vorliegen. Fest<br />

steht hingegen, dass die Genossenschaft dringend Neumitglie<strong>der</strong><br />

brauchte, nicht zuletzt um den Eigenkapitalanteil<br />

für den zukünftigen Wohnungsbau sicherzustellen und<br />

nach Möglichkeit zu erhöhen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

herrschte ein eklatanter Wohnungsmangel, <strong>der</strong> auch die<br />

wirtschaftliche Entwicklung behin<strong>der</strong>te. Zahlreiche<br />

Arbeitnehmer waren unzureichend untergebracht, lebten


Willi Zieher –<br />

ein<br />

Lebensbild<br />

Willi Zieher wurde am 28. November 1892 in Hamburg<br />

geboren. Er erlernte den Beruf des Schriftsetzers. Willi Zieher<br />

wurde 1911 Mitglied <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft und<br />

gehörte seit 1920 <strong>der</strong> SPD an. Am 1. Oktober 1928 wurde<br />

er vom Verband <strong>der</strong> Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg-<br />

Altona, als Betriebskassierer eingestellt. Es war auch Mitglied<br />

des gewerkschaftlichen Bibliotheksausschusses. Mit <strong>der</strong> Mitgliedsnummer<br />

246 zählte Willi Zieher zu den Mitglie<strong>der</strong>n, die<br />

schon 1929 in die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> eingetreten<br />

waren. Er wohnte im Braußpark Nr. 4, dem ersten von<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> errichteten Wohnblock. 1932 wurde<br />

er in den Aufsichtsrat <strong>der</strong> Genossenschaft gewählt, den er<br />

im Zusammenhang mit <strong>der</strong> NS-Gleichschaltung schon im<br />

darauffolgenden Jahr wie<strong>der</strong> verlassen musste.<br />

Nach <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> Gewerkschaft durch die Deutsche<br />

Arbeitsfront (DAF) wurde Willi Zieher am 15. Juli<br />

1933 von den Nationalsozialisten fristlos entlassen –<br />

angeblich, weil er eine von den neuen Machthabern<br />

angesetzte Besprechung nicht besucht hatte. In <strong>der</strong> Zeit bis<br />

1939 war Willi Zieher insgesamt drei Jahre arbeitslos. Das<br />

Arbeitsamt verweigerte eine Vermittlung aus politischen<br />

Gründen. Mehrmals wurden ihm durch Freunde vermittelte<br />

Beschäftigungen nach Bekanntwerden seiner früheren<br />

Gewerkschaftstätigkeit gekündigt. Erst im<br />

November 1939 fand er wie<strong>der</strong> eine Dauerstellung<br />

als Maschinensetzer beim „Hamburger<br />

Anzeiger“, da mit Kriegsbeginn Arbeitskräfte<br />

gesucht wurden.<br />

Willi Zieher gehörte <strong>der</strong> „Lie<strong>der</strong>tafel Gutenberg“ an, <strong>der</strong>en<br />

stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> er viele Jahre war. In ihr fanden<br />

während <strong>der</strong> NS-Zeit regimekritische Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> früheren<br />

<strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft zusammen. Nach 19<strong>45</strong><br />

beteiligte sich Willi Zieher am Aufbau <strong>der</strong> Gewerkschaften.<br />

Er wurde wie<strong>der</strong> als Hauptkassierer von <strong>der</strong> IG Druck und<br />

Papier eingestellt und gehörte dem Gewerkschaftsvorstand<br />

des Bezirks Nordmark an. Seine im Juli 1943 zerstörte Wohnung<br />

am Braußpark konnte er nach dem Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

1950 wie<strong>der</strong> beziehen.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich Willi Zieher<br />

erneut in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Nach mehreren vergeblichen<br />

Anläufen wurde er 1951 in den Aufsichtsrat gewählt.<br />

Willi Zieher war damit <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Machtübernahme<br />

<strong>der</strong> Nationalsozialisten bereits den Leitungsgremien<br />

<strong>der</strong> Genossenschaft angehört hatte und diese Arbeit nach<br />

19<strong>45</strong> fortsetzen konnte. Während <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in den 1950er<br />

Jahren spielte er eine ausgleichende Rolle. Nach <strong>der</strong> erneuten<br />

Absetzung von zwei Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n gehörte Willi<br />

Zieher vorübergehend vom 18. August bis zum 24. November<br />

1954 dem Vorstand an. Er gehörte dem Aufsichtsrat bis<br />

zu seinem Tod an. Willi Zieher starb am 11. Juni 1957.<br />

61


62<br />

getrennt von ihren Familien o<strong>der</strong> mussten lange Anfahrtswege<br />

in Kauf nehmen. Bei einer Versorgung mit Wohnraum<br />

war es kein Problem, dringend benötigte Arbeitskräfte<br />

in die Hansestadt zu holen. Auch im Verlagshaus<br />

Broschek herrschte Arbeitskräftemangel. Das Familienunternehmen<br />

hatte zur Weimarer Zeit mit <strong>der</strong> Herausgabe<br />

des „Hamburger Fremdenblattes“ zu den großen Zeitungsverlegern<br />

in Hamburg gehört. Die Kupfertiefdruckanstalt<br />

des Verlags entwickelte sich zur größten auf dem europäischen<br />

Festland. Kurt Broschek, <strong>der</strong> 1936 von den Nationalsozialistenenteignetwordenwar,konnteseinenBetrieb<br />

nach dem Ende <strong>der</strong> Diktatur wie<strong>der</strong> übernehmen. Das Verlagshaus<br />

wurde allerdings von <strong>der</strong> britischen Militärregierung<br />

beschlagnahmt, die hier ihre überregionale Zeitung<br />

„Die Welt“ drucken ließ. Die Militärregierung wollte mit<br />

<strong>der</strong> Zeitung einen Beitrag zum demokratischen Aufbau in<br />

Deutschland leisten, wobei „Die Welt“ als einzige Tageszeitung<br />

für die gesamte britische Zone einen Maßstab in <strong>der</strong><br />

Presseberichterstattung setzen sollte. Die Besatzungsmacht<br />

scheute jedenfalls keine Mühen, um dem Prestigeprojekt<br />

zum Erfolg zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund<br />

ist es naheliegend, dass die britische Militärregierung auch<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Unterbringung <strong>der</strong> Verlagsmitarbeiter<br />

ihren Einfluss geltend machte.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach Möglichkeiten, die Unterbringung<br />

<strong>der</strong> Belegschaft zu verbessern, kam es zum Kontakt mit<br />

dem Geschäftsführer des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmer.<br />

Dr. Julius Brecht, <strong>der</strong> 1948 die Nachfolge<br />

von Erich Klabunde angetreten hatte, empfahl den<br />

Broschek-Vertretern, mit <strong>der</strong> Bemerkung, „die habens<br />

nötig“, zur <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zu gehen.<br />

Im März 1949 war die Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong><br />

Belegschaft <strong>der</strong> Firma Broschek & Co. und <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> soweit gediehen, dass die<br />

„Selbsthilfsaktion ‘Wir bauen selbst’“ gemeinsam durch-<br />

geführt wurde. Dazu wurden an die Wohnungssuchenden<br />

Fragebögen zur <strong>der</strong>zeitigen Unterbringung ausgegeben.<br />

Die Firma Broschek för<strong>der</strong>te die Aktion, indem sie <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> ein Darlehen in Höhe von 60.000 DM<br />

gewährte, ein Betrag, <strong>der</strong> die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

beim Wie<strong>der</strong>aufbau erheblich erweiterte.<br />

Die Selbsthilfeaktion brachte einen ersten großen Mitglie<strong>der</strong>schub.<br />

Am 18. Mai 1949 traten 104 Neumitglie<strong>der</strong><br />

in die <strong>Baugenossenschaft</strong> ein. Bei den meisten handelte es<br />

sich um Drucker. Bis zum Jahresende folgten weitere 59<br />

Eintritte, so dass <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bestand bis zum 31.<br />

Dezember 1949 auf 279 Mitglie<strong>der</strong> angewachsen war.<br />

Die Genossenschaftsleitung hatte es verstanden, mit <strong>der</strong><br />

„Selbsthilfsaktion“ den Fortbestand <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

zu sichern, die Voraussetzungen für den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

<strong>der</strong> zerstörten Gebäude zu schaffen und sogar die<br />

Grundlage für eine weitere Expansion vorzubereiten. So<br />

kaufte die Genossenschaft im August 1949 in Barmbek-<br />

Nord ein im Privatbesitz befindliches Ruinengrundstück,<br />

das die Bedingungen des ausschließlich auf den Ruinenausbau<br />

angelegten staatlichen För<strong>der</strong>programms erfüllte.<br />

Allerdings wurde es von den Führungskräften versäumt,<br />

frühzeitig Vertreter <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft in die<br />

Genossenschaftsarbeit einzubeziehen. Im September 1949<br />

beantragten 29 Neumitglie<strong>der</strong> eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />

die am 12. Dezember 1949 stattfand.<br />

Es lag ein Antrag vor, den Aufsichtsrat von drei auf sechs<br />

Mitglie<strong>der</strong> zu erweitern. Für den Aufsichtsrat kandidierten<br />

drei Vertreter <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft und Willi Zieher,<br />

ein geschätztes, langjähriges Genossenschaftsmitglied,<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gewerkschaftsarbeit tätig war. Die neuen<br />

Mehrheitsverhältnisse wurden deutlich, als mit Friedrich<br />

Wilhelm Frei, Karl Muus und Herbert Winkelmann drei<br />

Broschek-Vertreter mit einem großen Stimmenvorsprung<br />

gewählt wurden.


Karl Muus –<br />

ein<br />

Lebensbild<br />

Karl Muus wurde am 5. März 1917 in Hamburg geboren.<br />

Am 1. April 1933 begann er eine Schriftsetzerlehre im Verlagshaus<br />

Broschek & Co, die er nach einer vierjährigen<br />

Lehrzeit erfolgreich beendete. Anschließend wurde er zum<br />

Arbeitsdienst und zur Wehrmacht eingezogen. Mit einer kurzen<br />

Unterbrechung musste Karl Muus von 1939 an am<br />

Krieg teilnehmen. Er wurde in Polen, an <strong>der</strong> Westfront und<br />

in Russland eingesetzt. Am 4. Februar 1946 kehrte er aus<br />

amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm seine<br />

Tätigkeit als Schriftsetzer bei Broschek wie<strong>der</strong> auf.<br />

Im August 1948 wurde Karl Muus als Betriebsratsmitglied<br />

zur Erfüllung seiner Amtspflichten von seiner Tätigkeit als<br />

Facharbeiter freigestellt. Bis zum 30. April 1958 übte er<br />

ununterbrochen das Amt des Betriebsratsvorsitzenden aus.<br />

In Anerkennung seiner Verdienste wurde er zum 1. Mai<br />

1958 in das Angestelltenverhältnis übernommen und als<br />

Personalsachbearbeiter beschäftigt. Als Karl Muus wenig<br />

später auf eigenen Wunsch ausschied, bescheinigte ihm sein<br />

Arbeitgeber, dass er sich stets um „die ‚Nöte des kleinen<br />

Mannes’ zum Wohl von Mitarbeiter und Unternehmen<br />

eingesetzt“ habe.<br />

Als Betriebsratsvorsitzen<strong>der</strong> war Karl Muus 1948/49<br />

maßgeblich an dem Zustandekommen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zur<br />

Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft beteiligt.<br />

Gemeinsam mit über 100 Kollegen trat er im Mai 1949<br />

in die Genossenschaft ein. Noch im selben Jahr wurde er in<br />

den Aufsichtsrat gewählt, dem er bis 1959 angehörte und<br />

dessen Vorsitzen<strong>der</strong> er seit 1951 gewesen war. Anschließend<br />

wechselte er in <strong>der</strong> Vorstand.<br />

Am 1. Januar 1960 übernahm Karl Muus die Geschäftsführung<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Wie kein an<strong>der</strong>er hat er die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg geprägt. Er hatte einen entscheidenden Anteil<br />

daran, dass sich die Genossenschaft aus <strong>der</strong> desolaten<br />

Finanzlage befreien und ihren Wohnungsbestand gegenüber<br />

dem Vorkriegsniveau deutlich ausbauen konnte. Als Karl<br />

Muus 1982 als Geschäftsführer in den Ruhestand trat,<br />

verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong> über 1556 Wohnungen.<br />

Nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand gehörte er<br />

noch bis 1987 dem Aufsichtsrat an. Karl Muus starb am<br />

6. November 2001.<br />

63


64<br />

DER WIEDERAUFBAU<br />

Nach <strong>der</strong> Währungsreform intensivierte die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> ihre Bemühungen um den<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau. Im November 1948 begannen<br />

die Vorbereitungen für den Aufbau des Häuserblocks<br />

in Hamm am Braußpark. Es war beabsichtigt,<br />

den gesamten Block wie<strong>der</strong> mit kleinen<br />

Wohnungen zu sozialen Mieten herzustellen.<br />

Schon die erste Anfrage bei <strong>der</strong> Baubehörde<br />

zeigte, dass die Wohnanlage zukünftig deutlich<br />

kleiner ausfallen würde. Die Stadtplanung sah<br />

die Verbreiterung <strong>der</strong> Eiffestraße um mehr als<br />

das Doppelte auf 65 m vor. Eine Maßnahme, die<br />

vollständig zu Lasten <strong>der</strong> nördlichen Wohngebiete<br />

ging und damit auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> betraf.<br />

Ende April 1949 konnte Geschäftsführer<br />

Hoffmann berichten, dass nunmehr mit dem<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> ersten Häuser begonnen worden<br />

sei, nachdem die Wie<strong>der</strong>aufbaukasse die<br />

Finanzierung zugesagt habe. Bis zum Jahresende<br />

konnten die Häuser Wicherns Garten Nr. 1 und<br />

3 sowie Eitzensweg Nr. 4 unter Verwendung <strong>der</strong><br />

ausgebrannten Ruinen rohbaufertig hergestellt<br />

werden. Auch die Häuser Braußpark Nr. 2 und<br />

4, die mit Ausnahme <strong>der</strong> Keller völlig zerstört<br />

waren, wurden in diesem ersten Bauabschnitt<br />

wie<strong>der</strong>aufgebaut.<br />

Der Aufbau war allerdings nicht ohne Probleme<br />

erfolgt. Der Wohnungsbau lief in Hamburg<br />

erst allmählich an und die Wohnungsnot<br />

war nach wie vor sehr groß. So dienten auch die<br />

im Braußpark erhalten gebliebenen Keller als<br />

Notwohnungen. Der <strong>Baugenossenschaft</strong> war<br />

Kellerbewohner auf den Trümmergrundstücken verzögern den Wie<strong>der</strong>aufbau.


Die Wohnungsnot war so groß, dass selbst notdürftig hergerichtete Kellerräume<br />

als Wohnungen dienten.<br />

zur Auflage gemacht worden, die Kellerbewohner<br />

vor Baubeginn an<strong>der</strong>weitig unterzubringen. Im<br />

Braußpark Nr. 2 und 4 verzögerte sich <strong>der</strong> Baubeginn,<br />

weil keine Einigung erreicht werden konnte.<br />

An die Baubehörde schrieb Geschäftsführer Hoffmann<br />

mit <strong>der</strong> Bitte um Unterstützung: „Wegen dieser<br />

Kellerbewohner kämpfen wir jetzt seit Wochen<br />

den erbittersten Kampf“. Dass die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

für das Verhalten <strong>der</strong> Bewohner kein Verständnis<br />

zeigte, ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, wurde<br />

doch damit die Fertigstellung von dringend benötigten<br />

Wohnungen und damit auch die Unterbringung<br />

von Menschen verzögert. Allerdings sollte<br />

dabei die häufig sehr schwierige Lage <strong>der</strong> Kellerbewohner<br />

berücksichtigt werden, die froh waren,<br />

überhaupt eine Unterkunft zu haben. Vermutlich<br />

wurde auch die Situation genutzt, um möglichst<br />

hohe For<strong>der</strong>ungen zu stellen. Unter welchen<br />

Bedingungen die Bewohner zum Teil leben mussten,<br />

geht aus <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung einer Kriegswitwe<br />

hervor, die mit ihrem schwerkriegsverletzten Bru<strong>der</strong><br />

in einer Kellerwohnung am Braußpark Nr. 12<br />

wohnte. Die Frau, die 1943 ausgebombt worden war<br />

und 19<strong>45</strong> eine Ersatzwohnung für die britische<br />

Besatzungsmacht räumen musste, wandte sich an<br />

Bürgermeister Brauer mit <strong>der</strong> Bitte um 65 qm Dachpappe,<br />

die sie zur Abdichtung <strong>der</strong> nach ihren Ausführungen<br />

völlig durchnässten Kellerwohnung<br />

dringend benötigte, aber nicht beschaffen konnte.<br />

Kurzfristig konnte das Bauordnungsamt nicht helfen,<br />

weil keine Dachpappe zur Verfügung stand.<br />

Am 1. April 1950 konnten in den Häusern<br />

Wicherns Garten Nr. 1 und 3 sowie Eitzensweg<br />

Nr. 4 die ersten Wohnungen bezogen werden. Bis<br />

zum 1. Juni 1950 war <strong>der</strong> gesamte Bauabschnitt mit<br />

65


66<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau 1950/51: Braußpark, Eitzensweg<br />

65 Wohnungen und einem Laden vermietet. In Barmbek-<br />

Nord konnten noch 1950 zwei weitere Bauvorhaben abge-<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau 1950 auf dem neu erworbenen Ruinengrundstück<br />

Stellbergstraße Nr. 32 / Starstraße Nr. 28-34.<br />

schlossen werden. Die auf dem zugekauften Ruinengrundstück<br />

Stellbergstraße 32 / Starstraße 28-34 wie<strong>der</strong> errichteten<br />

65 Wohnungen, in die die Broschek-Gel<strong>der</strong> flossen,<br />

wurden am 1. Oktober 1950 bezogen und die ebenfalls 65<br />

Wohnungen im Suhrsweg Nr. 3-11 zwei Monate später.<br />

Damit verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong> Ende 1950 wie<strong>der</strong><br />

über 215 Wohnungen und einen Laden.<br />

Ganz den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zeit entsprechend wurden<br />

vor allem Klein- und Kleinstwohnungen gebaut, so dass<br />

die Wohnungsgrößen sehr ähnlich o<strong>der</strong> sogar identisch<br />

waren mit <strong>der</strong> ursprünglichen Planung. Im Suhrsweg entstanden<br />

aus den 70 im Jahre 1931 errichteten Wohnungen<br />

jetzt 65. Auch die Ausstattung bewegte sich auf dem<br />

Niveau <strong>der</strong> späten 1920er Jahre. An eine Zentralheizung<br />

war aus Kostengründen nicht zu denken, und Badegelegenheiten<br />

gab es – wie im Suhrsweg mit einer Badewanne<br />

in jedem Keller <strong>der</strong> vier Häuser – überwiegend als<br />

Gemeinschaftseinrichtung.<br />

Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft bot trotz <strong>der</strong><br />

enormen Wohnungsnot die Chance, unter den gegebenen<br />

Umständen relativ schnell eine Wohnung zu erhalten.<br />

Der Kupfertiefdrucker Friedrich Blöhse bewohnte Anfang<br />

1949 mit seiner Frau und einem Säugling ein Drittel einer<br />

Nissenhütte – 13 Quadratmeter. Er beteiligte sich an <strong>der</strong><br />

Selbsthilfeaktion <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft und wurde im<br />

Mai 1949 Mitglied <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Bereits zum 1.<br />

Juni 1950 konnte er eine Wohnung im wie<strong>der</strong>aufgebauten<br />

Haus Nr. 2 am Braußpark beziehen. Die Kriegswitwe<br />

Ortrud Schliack trat im September 1949 in die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

ein und erhielt zum 1. Dezember 1950 mit ihrer<br />

Mutter und ihrer Tochter eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung<br />

im Suhrsweg.<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> Wohnungen erfolgte nach <strong>der</strong> Reihenfolge<br />

<strong>der</strong> Mitgliedsnummern, wobei die Dringlichkeit<br />

und die sozialen Verhältnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ausschlag-


Trümmergrundstück Braußpark Nr. 6-12. Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />

Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />

Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />

67


68<br />

Durch weitere Grundstückskäufe konnte die <strong>Baugenossenschaft</strong> in <strong>der</strong> Starstraße Nr. 18 bis 36 Häuser<br />

errichten.<br />

gebend sein sollten. Ein ursprünglicher Vorschlag, einen<br />

Teil <strong>der</strong> Wohnungen direkt an die Broschek-Mitarbeiter<br />

zu vergeben, wurde verworfen.<br />

Mit dem Wie<strong>der</strong>aufbau von 50 Wohnungen am Braußpark<br />

Nr. 6 - 12, die am 1. September 1951 fertiggestellt<br />

wurden, hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> insgesamt wie<strong>der</strong><br />

266 Wohnungen und damit annähernd den Vorkriegsstand<br />

erreicht.<br />

In den folgenden<br />

Jahren konnte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

ihren Wohnungsbestand<br />

erheblich ausbauen.<br />

Vorteilhaft wirkte<br />

sich <strong>der</strong> frühzeitige<br />

Ankauf des Ruinengrundstücks<br />

in <strong>der</strong> Starstraße<br />

aus. In den Jahren<br />

1952 bis 1954 konnten<br />

benachbarte Grundstücke<br />

erworben werden,<br />

so dass sich heute die<br />

Häuser Nr. 18 bis 36 mit<br />

zusammen 109 Wohnungen<br />

im Besitz <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

befinden.<br />

Der zunächst größte zusammenhängendeWohnungskomplex<br />

entstand<br />

jedoch im Barmbeker<br />

„Vogelviertel“. Durch<br />

mehrere Kaufverträge<br />

gelang es <strong>der</strong> Genossenschaft,<br />

im Bereich <strong>der</strong><br />

Straßen Wachtelstraße,<br />

Adlerstraße, Pfauenweg und Lämmersieth ein Areal zu<br />

arrondieren, auf dem insgesamt 171 Wohnungen entstanden.<br />

Hier ganz in <strong>der</strong> Nähe hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

1928 eines ihrer ersten Bauvorhaben<br />

geplant, das dann aber nicht realisiert wurde. In Anknüpfung<br />

an die damalige Idee, die Wohnanlage „Gutenberghof“<br />

zu nennen, wurde jetzt bei <strong>der</strong> Grundsteinlegung<br />

<strong>der</strong> Name für den Neubau gewählt.


Baubeginn „Gutenberghof“ an <strong>der</strong> Wachtelstraße. Richtfeier „Gutenberghof“.<br />

Richtfeier „Gutenberghof“ 1952.<br />

Edmund Schmidt<br />

Rudolf<br />

Kleeblatt<br />

Friedrich Wilhelm<br />

Frei<br />

Walter Fritzsche<br />

Hans<br />

Beese<br />

Walter Hartung<br />

Erdmann<br />

Kröger<br />

Irene<br />

Hoffmann<br />

Willi Zieher<br />

Ortrud Schliack<br />

Karl Muus<br />

Herbert Winkelmann<br />

69


70<br />

Wohnblock „Gutenberghof“ von <strong>der</strong> Wachtelstraße.<br />

Die Geschäftsstelle in <strong>der</strong> Starstraße. Wohnblock Oertzweg / Dieselstraße.<br />

Der erste und <strong>der</strong> zweite Bauabschnitt<br />

mit 96 Wohnungen<br />

konnten am 1. November 1952<br />

bezogen werden. Die Fertigstellung<br />

des dritten Bauabschnitts<br />

mit 75 Wohnungen erfolgte zum<br />

1. September 1954.<br />

Hier im Pfauenweg 44 wurde<br />

im August 1954 die erste eigene<br />

Geschäftsstelle eingerichtet. Die<br />

Verlegung aus den Privaträumen<br />

<strong>der</strong> Familie Hoffman in <strong>der</strong><br />

Gustav-Freytag-Straße Nr. 7 war<br />

nach dem Ausscheiden von Irene<br />

Hoffmann als Geschäftsführerin<br />

notwendig geworden, kam aber<br />

auch dem Wunsch vieler Mitglie<strong>der</strong><br />

entgegen, da die meisten


Der erste Wohnblock mit Zentralheizung: Mühlendamm Nr. 10-18.<br />

Wohnungen sich in Barmbek-Nord befanden. Die Unterbringung<br />

<strong>der</strong> Geschäftsstelle in einem Laden am Pfauenweg<br />

war allerdings nur eine vorübergehende Lösung. Am<br />

15. Dezember 1955 wurde ein neues Büro im Neubau Starstraße<br />

18 eröffnet.<br />

Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre baute die Genossenschaft im<br />

Oertzweg/Dieselstraße weitere 56 Wohnungen. Bis dahin<br />

hatte sich <strong>der</strong> Wohnungsbau <strong>der</strong> Genossenschaft ausschließlich<br />

auf Hamm und Barmbek-Nord konzentriert.<br />

In Hamm wurden die Gebäude auf den eigenen Trüm-<br />

71


72<br />

Die ersten Eigenheime wurden als Reihenhäuser im Döringsweg, Lokstedt, gebaut.<br />

mergrundstücken wie<strong>der</strong>aufgebaut, während in Barmbek-<br />

Nord darüber hinaus eine Reihe von Grundstücken neu<br />

erworben wurden. Erst in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1950er<br />

Jahre wurde <strong>der</strong> Wohnungsbau auf an<strong>der</strong>e Stadtteile<br />

ausgedehnt. 1956 konnten im Mühlendamm Nr. 10 - 18<br />

(Hohenfelde) 46 Wohnungen bezogen werden und 1958<br />

in Hinter <strong>der</strong> Lieth Nr. 4-10 (Lokstedt) 50 Wohnungen.<br />

Mit Ausnahme des 1972 in <strong>der</strong> Pestalozzistraße 24 errichteten<br />

Bürohauses, dem heutigen Sitz <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>,<br />

wurde in Barmbek-Nord nur noch 1959 das<br />

Hochhaus an <strong>der</strong> Ecke Steilshooper Straße/Starstraße mit<br />

48 Wohnungen<br />

gebaut. Bis heute<br />

beschränkt sich <strong>der</strong><br />

Wohnungsbau <strong>der</strong><br />

Genossenschaft auf<br />

das Gebiet <strong>der</strong><br />

Freien und Hansestadt<br />

Hamburg,<br />

wobei bisher nur<br />

nördlich <strong>der</strong> Elbe<br />

gebaut wurde.<br />

Mit dem 2. Wohnungsbaugesetz,<br />

das<br />

die beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />

des Einzeleigentums<br />

vorsah,<br />

eröffnete sich ein<br />

neues Arbeitsfeld<br />

für den genossenschaftlichenWohnungsbau.<br />

Im Jahr<br />

1958 wurden in<br />

Lokstedt die ersten<br />

38 Eigenheime für<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> fertiggestellt, die von diesen<br />

käuflich erworben wurden.<br />

Am 31. Dezember 1959 verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> über 682 Wohnungen. Praktisch aus dem<br />

Nichts war es <strong>der</strong> Genossenschaft gelungen, einen Wohnungsbestand<br />

aufzubauen, <strong>der</strong> bereits um das Zweieinhalbfache<br />

über dem Niveau von vor 1933 lag. Mit dem<br />

Wachsen <strong>der</strong> Genossenschaft stellte sich auch die Frage<br />

<strong>der</strong> Partizipation <strong>der</strong> Neumitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Genossenschaftsarbeit.<br />

Der wirtschaftliche Erfolg allein garantierte<br />

keine personelle Kontinuität.


DIE GENOSSENSCHAFT<br />

UNTER NEUER FÜHRUNG<br />

Schon im Dezember 1949 hatten sich die Broschek-Mitglie<strong>der</strong><br />

mit einer Erweiterung des Aufsichtsrats durchgesetzt.<br />

Auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 24. Mai 1950<br />

brachten 33 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> den Antrag zur<br />

Erweiterung des Vorstandes auf vier Mitglie<strong>der</strong> ein. Zwar<br />

wurde <strong>der</strong> Antrag zuständigkeitshalber an den Aufsichtsrat<br />

überwiesen, doch dieser entsprach dem Wunsch, und<br />

am 7. Juli 1950 wurde <strong>der</strong> bei Broschek tätige Betriebsingenieur<br />

Friedrich Wilhelm Frei, <strong>der</strong> schon dem Aufsichtsrat<br />

angehört hatte, in den Vorstand berufen.<br />

Für Frei sowie für den turnusmäßig ausgeschiedenen<br />

Ludwig Kerber mussten im November 1950 zwei neue<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> gewählt werden. Bei <strong>der</strong> Wahl<br />

konnten sich mit Otto Braun und Willi Wilke wie<strong>der</strong>um<br />

zwei Neumitglie<strong>der</strong> durchsetzen. Willi Zieher musste sich<br />

erneut knapp geschlagen geben.<br />

Während im Aufsichtsrat die neu eingetretenen Mitglie<strong>der</strong><br />

die Mehrheit hatten und die Broschek-Belegschaft<br />

eine einflussreiche Fraktion stellte, war <strong>der</strong> Vorstand mit<br />

Ausnahme <strong>der</strong> Erweiterung um Friedrich Wilhelm Frei<br />

seit Jahren unverän<strong>der</strong>t geblieben. Der noch von den<br />

Nationalsozialisten eingesetzte Arthur Hoffmann stand<br />

immer noch als Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />

an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Es gelang ihm<br />

offensichtlich nicht, die Neumitglie<strong>der</strong> in die Arbeit einzubinden<br />

und ihre Vorstellungen zu berücksichtigen.<br />

Auch hatten sich im Geschäftsverkehr Abläufe eingespielt,<br />

die von den neuen Kräften nicht akzeptiert wurden.<br />

In einem Schreiben des Vorstandsmitglieds Walter Tesch<br />

an den Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Braun vom 9. Mai<br />

1951 kam deutlich zum Ausdruck, dass „Misstrauen und<br />

Verdächtigungen“ das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat<br />

und Vorstand belasteten. Unterschwellig wurde den<br />

Broschek-Leuten vorgeworfen, mehr die Interessen <strong>der</strong><br />

Belegschaft zu verfolgen und weniger die <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />

Schließlich eskalierte <strong>der</strong> Streit. Am 3. September<br />

1951 beschloss <strong>der</strong> Aufsichtsrat die Abberufung des Vorstands.<br />

Mit <strong>der</strong> vorübergehenden Geschäftsführung wurden<br />

die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Frei und Tesch beauftragt.<br />

Der ohnehin gesundheitlich angeschlagenen Hoffmann<br />

war offensichtlich über die Vorgänge unterrichtet o<strong>der</strong><br />

erklärte im Nachhinein seinen Rücktritt. Jedenfalls<br />

schied er mit Wirkung vom 2. September 1951 aus dem<br />

Vorstand aus. Allerdings mobilisierten die abgesetzten<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> ihrerseits Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>,<br />

die die Einberufung einer außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

veranlassten und einen Antrag zur Auflösung<br />

des gesamten Aufsichtsrats stellten.<br />

Die außerordentliche Generalversammlung fand am 27.<br />

September 1951 – dem 24. Jahrestag <strong>der</strong> Genossenschaftsgründung<br />

– statt. Anwesend waren 328 <strong>der</strong> 464 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />

Zunächst wurde die Abberufung des<br />

Vorstands in einer hitzigen Debatte behandelt und die<br />

bekannten Vorwürfe wie<strong>der</strong>holt. Tatsächlich scheint die<br />

Konfrontationslinie zwischen <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft<br />

und den übrigen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n verlaufen zu<br />

sein. Der einflussreiche Gewerkschaftsvorsitzende <strong>der</strong> IG<br />

Druck und Papier, Max Thoma, erklärte, „es muß anerkannt<br />

werden, dass Broschek sozial gehandelt hat“. Er<br />

wünschte, „es gebe in Hamburg noch mehr Firmen, die<br />

ebensoviel für ihre Belegschaftsangehörigen täten“.<br />

Schließlich rief Thoma aber zur Zusammenarbeit auf und<br />

unterstützte den bisherigen Vorstand. Allerdings sollte<br />

die spätere Entwicklung zeigen, dass das Drängen <strong>der</strong><br />

Borschek-Vertreter nach Verän<strong>der</strong>ungen durchaus berechtigt<br />

und eine professionellere Geschäftsführung <strong>der</strong><br />

expandierenden Genossenschaft notwendig waren.<br />

73


74<br />

Mit 140 Mitglie<strong>der</strong>n stellten die Broschek-Mitarbeiter<br />

bei weitem nicht die Mehrheit in <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />

Nach den beabsichtigten Bereinigungen – Streichung<br />

und Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n, zu denen kein Kontakt<br />

bestand und die ihren Verpflichtungen nicht nachkamen<br />

– wurde mit einem Mitglie<strong>der</strong>bestand von 416<br />

Personen gerechnet. Mit Beginn des Wohnungsbaues<br />

hatten zahlreiche Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden<br />

können. Dennoch bildete die Broschek-Belegschaft eine<br />

starke Fraktion, weil über die Betriebszugehörigkeit eine<br />

beson<strong>der</strong>e Verbundenheit bestand und Karl Muus als<br />

Betriebsratsvorsitzen<strong>der</strong> bei Broschek und als Aufsichtsratsmitglied<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> eine beson<strong>der</strong>s einflussreiche<br />

Position innehatte. Bei <strong>der</strong> anschließenden<br />

Abstimmung über die Abberufung des Vorstands stimmten<br />

157 Mitglie<strong>der</strong> dafür und 159 dagegen, 10 enthielten<br />

sich. Nach dieser Nie<strong>der</strong>lage trat <strong>der</strong> gesamte Aufsichtsrat<br />

zurück und machte den Weg für Neuwahlen frei. Die ebenfalls<br />

auf <strong>der</strong> Tagesordnung stehende Ablösung des Aufsichtsrats<br />

hatte sich damit erledigt. Bei den noch am gleichen<br />

Abend durchgeführten Wahlen kandidierten für die<br />

sechs Aufsichtsratssitze zwölf Personen. Mit 205 Stimmen<br />

erzielte Karl Muus das beste Ergebnis. Er hatte bereits<br />

deutlich über den Kreis <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft hinaus<br />

Anerkennung gefunden. Der Broschek-Mitarbeiter Herbert<br />

Winkelmann wurde ebenfalls wie<strong>der</strong>gewählt. Die<br />

Alt-Mitglie<strong>der</strong> setzten Willi Zieher erfolgreich durch.<br />

Irene Hoffmann, die Ehefrau des gestürzten Geschäftsführers,<br />

die seit Jahren die Büroarbeiten erledigte, konnte<br />

die Ende 1949 eingetretene Ortrud Schliack für eine Kandidatur<br />

gewinnen. Schliack war die erste Frau, die in das<br />

Gremium gewählt wurde. Keiner <strong>der</strong> beiden Gruppierungen<br />

gehörten Hans Neidhold und Rudolf Kleeblatt an.<br />

Bauingenieur Neidhold, <strong>der</strong> 1950 Mitglied geworden war,<br />

gehörte aber wie Kleeblatt zu den Neumitglie<strong>der</strong>n. Der<br />

Mitgliedsausweis von Ortrud Schliack, 1949.<br />

Innenansicht des Mitgliedsbuchs von Ortrud Schliack: Das Eintrittsgeld<br />

wurde bereits im August 1949 gezahlt. Verwendet wurden noch<br />

immer Mitgliedsbücher aus <strong>der</strong> Zeit von vor 1933.


gelernte Kaufmann Kleeblatt arbeitete<br />

in einer Im- und Exportfirma, in <strong>der</strong> er<br />

zum Teilhaber aufstieg. Er brachte kaufmännische<br />

Erfahrung und Verhandlungsgeschick<br />

mit. Von den bisherigen<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n waren nur<br />

Muus und Winkelmann geblieben. Braun<br />

und Wilke erhielten nicht die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Stimmen, während Koch und<br />

Trilck nicht angetreten waren. Die im<br />

Musiksaal des Gewerkschaftshauses am<br />

Besenbin<strong>der</strong>hof veranstaltete Versammlung<br />

begann um 19.00 Uhr und endete<br />

„nach teils turbulentem Verlauf“ kurz<br />

nach Mitternacht. Auf <strong>der</strong> außerordentlichen<br />

Generalversammlung wurde zwar<br />

durch eine Satzungsän<strong>der</strong>ung die Amtszeit<br />

<strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> auf fünf Jahre<br />

begrenzt, da aber die Abberufung <strong>der</strong> bis<br />

aufunbestimmteZeitbestelltenVorstandsmitglie<strong>der</strong><br />

gescheitert war, blieben Walter<br />

Tesch,WalterHartungundFriedrichWilhelmFreiohneWahldurchdenAufsichtsrat<br />

im Amt. Neu wurde nur Irene Hoffmann<br />

in den Vorstand entsandt. Sie<br />

übernahm zugleich die Geschäftsführung.<br />

AufdenerstenBlickhattesichdamitwenig<br />

in den Leitungsgremien <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

geän<strong>der</strong>t. Doch hatten mit Karl<br />

Herr Meyer-Hedde<br />

und Frau<br />

Hans und Lotte<br />

Neidhold<br />

Muus im Aufsichtsrat und Friedrich Wilhelm Frei im Vorstand<br />

zwei Broschek-Mitarbeiter die Vorsitze übernommen,<br />

die die Genossenschaft in neue Bahnen lenkten.<br />

Der mühsam gefundene Kompromiss in <strong>der</strong> personellen<br />

Besetzung <strong>der</strong> Leitungsgremien war nicht von langer<br />

Dauer. Erneut standen die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Walter<br />

Friedrich Wilhelm<br />

Frei<br />

Frau<br />

Tesch<br />

Walter Fritzsche<br />

Irene<br />

Hoffmann<br />

Walter<br />

Tesch<br />

Ortrud<br />

Schliack<br />

Frau Kleeblatt<br />

und Peter Kleeblatt Walter Hartung<br />

Karl Muus<br />

und Frau<br />

Willi Zieher<br />

Vorstand und Aufsichtsrat machen mit Familienangehörigen und Geschäftspartnern Anfang<br />

<strong>der</strong> 1950er Jahre einen Ausflug.<br />

Tesch und Walter Hartung in <strong>der</strong> Kritik. Beide wurden<br />

durch einen Aufsichtsratsbeschluss vom 8. April 1954<br />

von ihren Aufgaben entbunden. Von einer Neubesetzung<br />

<strong>der</strong> Vorstandssitze versprachen sich die Kritiker „1) eine<br />

bessere Zusammenarbeit , 2) eine Aktivierung <strong>der</strong> gesamten<br />

Vorstandsarbeit, 3) damit verbunden eine weit<br />

75


76<br />

Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied Irene Hoffmann, die Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />

Ortrud Schliack und Willi Zieher, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />

Friedrich Wilhelm Frei (von links nach rechts).<br />

grössere Ausschöpfung <strong>der</strong> Möglichkeiten, die Bautätigkeit<br />

innerhalb <strong>der</strong> Genossenschaft erheblich zu steigern“.<br />

Außerdem hatte es Spannungen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden<br />

Frei und <strong>der</strong> Geschäftsführerin Hoffmann<br />

gegeben. Tesch und Hartung hatten sich nicht<br />

in <strong>der</strong> Lage gesehen, die Gegensätze zu beseitigen. Frei<br />

erklärte sich zu einer „vorbehaltlosen Zusammenarbeit“<br />

bereit und von Hoffmann, die <strong>der</strong> Vorstandsarbeit fern<br />

geblieben war, wurde eine entsprechende Erklärung<br />

erwartet. Bei <strong>der</strong> Absetzung von Tesch und Hartung berief<br />

sich das Gremium darauf, dass die Amtszeit <strong>der</strong> beiden<br />

durch die Satzungsän<strong>der</strong>ung von 1951 beendet worden<br />

sei und sie nicht wie<strong>der</strong> bestellt worden seien. Das Amtsgericht,<br />

dessen Rat Tesch einholte, kam freilich zu <strong>der</strong><br />

Feststellung, dass die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> 1951 zwar nicht<br />

vom Aufsichtsrat bestätigt worden seien, dass sie aber<br />

nach <strong>der</strong> Satzungsän<strong>der</strong>ung als auf fünf Jahre gewählt zu<br />

gelten hätten. Erneut musste eine für den 16. Juli 1954<br />

einberufene außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

die Angelegenheit klären. Mit 157 zu 76 Stimmen bei<br />

10 Enthaltungen wurde dem Aufsichtsrat das Vertrauen<br />

ausgesprochen, woraufhin Walter Tesch und Walter Hartung<br />

zurücktraten. Geschäftsführerin Hoffmann hatte<br />

schon im April die Konsequenzen gezogen und zum 30.<br />

Juni 1954 gekündigt. Zugleich legte sie ihren Vorstandssitz<br />

nie<strong>der</strong>.<br />

Der Aufsichtsrat war sich frühzeitig darüber einig, den<br />

Kaufmann Rudolf Kleeblatt in den Vorstand zu entsenden.<br />

Nur vorübergehend wurde für die Zeit vom 18. August<br />

bis zum 24. November Willi Zieher als drittes Vorstandsmitglied<br />

bestellt. Nach dem Ausscheiden von Irene<br />

Hoffmann wurde vermutlich nach einer geeigneten Person<br />

gesucht, die zugleich die Geschäftsführung übernehmen<br />

sollte. Schließlich wurde mit Johannes Bechreiner <strong>der</strong> Vorstand<br />

wie<strong>der</strong> komplettiert. Bechreiner, von Beruf Schriftsetzer,<br />

arbeitete als Betriebsleiter und Prokurist in <strong>der</strong><br />

DruckereiHermannLange.Aucherwarkaufmännischversiert,<br />

und gemeinsam mit Rudolf Kleeblatt konnte er <strong>der</strong><br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> ein fachmännisches Fundament für<br />

eine erfolgreiche Geschäftsführung geben. Keiner <strong>der</strong> drei<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Frei, Kleeblatt und Bechreiner wollte<br />

offensichtlichseineberuflicheStellungaufgegeben,umdie<br />

Leitung <strong>der</strong> Genossenschaft hauptamtlich zu übernehmen.<br />

So wurden die Geschäfte von zwei kaufmännischen Angestellten<br />

unter <strong>der</strong> ehrenamtlichen Leitung <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong>erledigt.AufDauerwardieseSituationunbefriedigend.<br />

Als Friedrich Wilhelm Frei zum 2. September 1959<br />

auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausschied, wechselte<br />

<strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende Karl Muus in den Vorstand<br />

und nahm am 1. Januar 1960 seine Tätigkeit als hauptamtlicher<br />

Geschäftsführer auf. Bis in die 1980er Jahre, also zum<br />

Teil über 30 Jahre lang, bestimmten die langjährigen<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Karl Muss, Rudolf Kleeblatt und<br />

Johannes Bechreiner die Geschicke <strong>der</strong> Genossenschaft.


DIE PFUND-HYPOTHEK<br />

Die während <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise bei <strong>der</strong> Hamburgischen<br />

Baukasse aufgenommene Hypothek über 262.000<br />

RM hatte 1931 die Herstellung des Bauabschnitts Braußpark<br />

Nr. 14-20 gesichert. Das Kreditinstitut verpfändete<br />

das Grundpfandrecht einschließlich <strong>der</strong> ihm zugrundeliegenden<br />

For<strong>der</strong>ung an das Bankhaus J. Henry Schrö<strong>der</strong> &<br />

Co., London. Die Umstellung <strong>der</strong> Auslandsschulden bei<br />

<strong>der</strong> Währungsreform im Verhältnis 1:1 belastete die<br />

Genossenschaft erheblich. Zudem min<strong>der</strong>ten jährliche<br />

Zinsen in Höhe von 8.600 DM den Unternehmensgewinn,<br />

weil das beliehene Grundstück mit seinen total zerstörten<br />

Gebäuden keine Erträge brachte. Auch das Gesetz<br />

vom 24. August 1953 betreffend das Abkommen über<br />

deutsche Auslandsschulden und das dazu ergangene Ausführungsgesetz,<br />

das die Regelung von Verbindlichkeiten<br />

dieser Art zwischen Erstschuldner und Auslandsgläubiger<br />

vorsah, brachte keine Entlastung. Die Genossenschaft<br />

war im Sinne <strong>der</strong> Bestimmungen Zweitschuldnerin gegenüber<br />

<strong>der</strong> Auslandsgläubigerin. Das Ausführungsgesetz sah<br />

die Möglichkeit eines Anspruches auf Entschädigung<br />

bei Reichsmarkverbindlichkeiten vor, nicht jedoch bei<br />

Fremdwährungen. So schuldete die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

nach wie vor dem Londoner Bankhaus die volle Kreditsumme<br />

in Höhe von 12.843 £ Sterling sowie die bisher<br />

aufgelaufenen Zinsen, die sich bis zum 31. Dezember 1953<br />

auf 52.000 DM summiert hatten. Immerhin verringerte<br />

sich die Hypothekenschuld zwei Jahre später durch<br />

die Herabsetzung <strong>der</strong> Pfund-Kurses um 21.382 DM auf<br />

151.100 DM. Der Wert des Trümmergrundstücks wurde<br />

auf 55.000 DM veranschlagt und deckte damit weiterhin<br />

nur einen Bruchteil <strong>der</strong> Belastung.<br />

Erst 1958 konnte eine für die <strong>Baugenossenschaft</strong> günstige<br />

Lösung gefunden werden. Bis dahin war <strong>der</strong> jährliche<br />

Grundsteinlegung für das Hochhaus Braußpark Nr. 14<br />

am 2. April 1960.<br />

77


78<br />

Hochhaus Braußpark Nr. 14.<br />

Gewinn überaus spärlich ausgefallen, nicht zuletzt deshalb,<br />

weil die Zinsen für die Pfund-Hypothek zurückgelegt<br />

werden mussten. Obwohl die Vermietung <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> aufgebauten<br />

Häuser erst im Laufe des Jahres 1950 begann und<br />

für die zuletzt fertig gestellten Wohnungen nur die Dezember-Miete<br />

einging, reichten die Mieteinnahmen bereits<br />

aus, um alle Verpflichtungen zu decken, einschließlich <strong>der</strong><br />

Zinsen für die noch vorhandenen Trümmergrundstücke.<br />

Nur die Zinsen für die Pfund-Hypothek überstiegen<br />

die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>, so dass <strong>der</strong><br />

Geschäftsbericht statt mit einem kleinen Gewinn mit<br />

einem Verlust in Höhe von 7.438,64 DM abschloss. Bis<br />

1951 arbeitete die <strong>Baugenossenschaft</strong> mit Verlust. Das<br />

jeweils auf das folgende Geschäftsjahr vorgetragene Defizit<br />

summierte sich auf 34.369,70 DM. In den Jahren 1953<br />

bis 1957 schrieb die Genossenschaft zwar schwarze Zahlen,<br />

doch <strong>der</strong> jährliche Gewinn war so gering, dass <strong>der</strong> Verlustvortrag<br />

lediglich auf 22.967,92 DM abgesenkt werden<br />

konnte. Ohne die Zinsen für die Pfund-Hypothek wären<br />

die Altlasten allerdings längst getilgt gewesen.<br />

Das Jahr 1958 brachte die lang ersehnte Lösung. Auf<br />

dem Wege des „Vertragshilfeverfahrens“ wurde die<br />

Grundschuld auf den Grundstückswert herabgesetzt. Die<br />

seit <strong>der</strong> Währungsreform aufgelaufenen Zinsen wurden<br />

gestrichen. Die <strong>Baugenossenschaft</strong> war das erste Wohnungsunternehmen,<br />

das in Hamburg in einer solchen Fragen<br />

eine Einigung herbeiführen konnte. Die Lösung wirkte<br />

sich auf die Bilanz überaus günstig aus. Nach <strong>der</strong><br />

Abwicklung <strong>der</strong> Pfund-Hypothek konnte nicht nur <strong>der</strong><br />

Verlustvortrag getilgt werden, son<strong>der</strong>n darüber hinaus<br />

wurde das Geschäftsjahr 1958 mit einem Gewinn von<br />

124.319,64 DM abgeschlossen. Zum ersten Mal seit 19<strong>45</strong><br />

konnten wie<strong>der</strong> 3 Prozent Dividende an die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

ausgeschüttet werden.<br />

Im Spätherbst 1959 wurde mit dem Bau eines neungeschossigen<br />

Hochhauses auf dem Trümmergrundstück<br />

begonnen. Ein Großteil <strong>der</strong> Fläche musste allerdings an die<br />

Stadt Hamburg für die Verbreiterung <strong>der</strong> Eiffestraße abgetreten<br />

werden. Die 36 2-Zimmer-Wohnungen mit ZentralheizungundTiefgaragekonnten1961bezogenwerden.Das<br />

Waschhaus wurde als Gemeinschaftseinrichtung für alle<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> am Braußpark ausgelegt.


DIE BAUGENOSSENSCHAFT HEUTE<br />

Seit Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre konzentrierte sich <strong>der</strong> weitere<br />

Wohnungsbau mit Ausnahme des sechsgeschossigen<br />

Laubenganghauses an <strong>der</strong> Steilshooper Straße und des<br />

Der Bau des ersten Hochhauses: Ecke Steilshooper Straße / Starstraße im Winter 1958/59.<br />

Hochhauses am Braußpark außerhalb <strong>der</strong> bisher bevorzugten<br />

Stadtteile Barmbek-Nord und Hamm. Der Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

war in Hamburg bald abgeschlossen, so dass für den<br />

Wohnungsbau neue Gebiete ausgewiesen werden mussten.<br />

1964 wurde am Rimbertweg in Lokstedt ein Hoch-<br />

79


80<br />

Das sechsgeschossige Laubenganghaus an <strong>der</strong> Steilshooper Straße von <strong>der</strong> Starstraße aus gesehen, Architekt H. Behrs.<br />

haus mit <strong>45</strong> Wohnungen fertiggestellt, zwei Jahre später<br />

konnte in <strong>der</strong> Korachstraße in Lohbrügge eine Wohnanlage<br />

mit 104 Wohnungen bezogen werden, und 1969 wurden<br />

im Königskin<strong>der</strong>weg in Schnelsen 24 Wohnungen<br />

gebaut. Doch die meisten Wohnungen errichtete die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> in Rahlstedt. Von 1962 bis 1973<br />

entstanden in den Straßen Neuköllner Ring, Liliencronstraße,<br />

Düpheid und Schöneberger Straße insgesamt <strong>45</strong>8


Das alte Karl-Max-Uhlig-Haus an <strong>der</strong> Schöneberger Straße vor <strong>der</strong><br />

Bebauung.<br />

Wohnungen. Hier wurde<br />

ein eigenes Ladenzentrum<br />

mit einer Ladenfläche<br />

von etwa 800 qm<br />

errichtet.<br />

Der Wohnungsbau war<br />

eine <strong>der</strong> Hauptstützen<br />

des Wirtschaftsaufschwungs<br />

in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland bis<br />

zur Rezession 1966/67.<br />

Auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

hatte am Ende<br />

dieser Phase ihre höchsten<br />

Zuwachsraten. 1965<br />

befanden sich 292 Wohnungen<br />

im Bau, für weitere<br />

154 waren bis zum<br />

Das bisher größte Bauvorhaben in Rahlstedt, Fertigstellung 1968.<br />

Modell des Neubauvorhabens in Rahlstedt, Schöneberger Straße,<br />

mit rund 320 Wohnungen und einem Ladenzentrum.<br />

81


82<br />

Neuköllner Ring Nr. 36 und 38 / Liliencronstraße Nr. 104 und 116.<br />

Jahresende die Baugenehmigungen erteilt worden. Der<br />

Bestand <strong>der</strong> fertiggestellten Genossenschaftswohnungen<br />

belief sich auf 850 und die Zahl <strong>der</strong> bis zu diesem Zeitpunkt<br />

gebauten Eigenheime betrug 110.<br />

Mit Beginn <strong>der</strong> Rezession waren die meisten Wohnungen<br />

in Rahlstedt bereits gebaut. Auch wenn sich die Bau-<br />

branche noch einmal erholte und 1973 mit über 700.000<br />

Wohnungen ein neuer Rekord aufgestellt wurde, waren<br />

Wohnungsleerstände, nicht absetzbare Eigentumswohnungen<br />

und spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche<br />

deutliche Anzeichen für eine Krise in <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft.<br />

Die <strong>Baugenossenschaft</strong> übte angesichts dieser


Radenwisch Nr. <strong>45</strong> und 47.<br />

83


84<br />

Langenhorner Chaussee Nr. 605 und 607.<br />

Entwicklung Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Vorbereitung neuer<br />

Projekte. Außerhalb Rahlstedts wurden in den 1970er<br />

Jahre nur noch im Radenwisch (Schnelsen), in <strong>der</strong> Billwer<strong>der</strong><br />

Straße (Bergedorf) und im Borchertring (Steilshoop)<br />

insgesamt 143 Wohnungen gebaut. Die Zeit <strong>der</strong><br />

Großprojekte und des kontinuierlichen Ausbaus des<br />

Wohnungsbestandes war endgültig vorbei.<br />

In dem darauffolgenden Jahrzehnt baute die Genossenschaft<br />

in Hamm, Lokstedt und Langenhorn weitere 96<br />

Wohnungen. Als mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung Deutsch-


Lohkoppel Nr. 12-26.<br />

lands 1989 eine Wan<strong>der</strong>ungsbewegung von Ost nach<br />

West einsetzte und Hamburgs Bevölkerung innerhalb<br />

weniger Jahre um 100.000 Menschen zunahm, stieg auch<br />

die Nachfrage nach Wohnungen. Ein deutliches Anzeichen<br />

für den Wohnraummangel war <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong><br />

Kündigungen. Während 1988 und 1989 jeweils 7,8 Prozent<br />

<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>swohnungen einen Mieterwechsel<br />

zu verzeichnen hatten, sank <strong>der</strong> Prozentsatz<br />

in den beiden folgenden Jahren auf 4,8 Prozent und<br />

5,2 Prozent. Durch die erhöhte Nachfrage konnte <strong>der</strong><br />

85


86<br />

Fanny-David-Weg Nr. 2a-c.<br />

Wohnungsbau in Hamburg deutlich belebt werden.<br />

Mit 8.846 Genehmigungen im Wohnungsbau wurde im<br />

Jahre 1990 das beste Ergebnis <strong>der</strong> letzten 15 Jahre erreicht.<br />

Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr betrug 170 Prozent.<br />

Auch die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> betei-<br />

ligte sich am Bau neuer Wohnungen. Im Jahre 1992 wurden<br />

in <strong>der</strong> Lohkoppel in Bramfeld 56 Wohnungen fertiggestellt.<br />

Vier Jahre später konnte das bis heute letzte<br />

Wohnprojekt mit 28 Wohnungen im Fanny-David-Weg<br />

in Lohbrügge abgeschlossen werden. Die Baugenossen-


schaft erreichte mit 1.676 Wohnungen ihren höchsten<br />

Wohnungsbestand.<br />

Schon Anfang <strong>der</strong> 1960er Jahre wurde mit ersten<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen in den Nachkriegsbauten<br />

begonnen. So wurden bis 1963 aus allen Wohnanlagen die<br />

alten Waschkessel entfernt und durch vollautomatische<br />

Wascheinrichtungen ersetzt. Im Jahre 1970 begann die<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong>, die noch mit Kohleöfen und Kohleherde<br />

ausgestatteten Wohnungen zu mo<strong>der</strong>nisieren. Bei<br />

dem 1954 begonnenen Bauvorhaben am Mühlendamm<br />

war zum erstenmal eine Zentralheizung vorgesehen worden.<br />

Eine Maßnahme, die damals nicht unumstritten war,<br />

führte sie doch zu einer Verteuerung <strong>der</strong> Wohnungen.<br />

Bis Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre wurden alle Genossenschaftswohnungen<br />

mit Zentralheizung und eigenem Bad ausgestattet.<br />

Nur die neun 1979 in <strong>der</strong> Hufnerstraße erworbenen<br />

Wohnungenwurden erst 1982 mo<strong>der</strong>nisiert. Den kontinuierlich<br />

durchgeführten Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen<br />

waren jahrelange finanzielle Rückstellungen vorausgegangen.<br />

Allein die Kosten für den im Oktober 1973 abgeschlossenen<br />

Einbau einer Zentralheizung mit zentraler<br />

Warmwasservorbereitung für die 171 Wohnungen <strong>der</strong><br />

Wohnanlage „Gutenberghof“ beliefen sich auf weit über<br />

eine Million Mark.<br />

Heute liegt <strong>der</strong> Arbeitsschwerpunkt <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

neben den allgemeinen Instandhaltungsarbeiten in <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Einzelwohnungen. Dabei wird in<br />

Zukunft die Zusammenlegung von 1-Zimmer-Wohnungen<br />

eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielen. Für diese Wohnungen,<br />

die 9 Prozent des Wohnungsbestands ausmachen, besteht<br />

keine Nachfrage mehr. Der ersten bereits durchgeführten<br />

Zusammenlegung werden weitere folgen. Der <strong>der</strong>zeitige<br />

Bestand von 1.675 Wohnungen wird sich voraussichtlich<br />

in den kommenden Jahren verringern. Langfristig ist aber<br />

geplant, auch wie<strong>der</strong> Wohnungsneubau zu betreiben.<br />

Auch wenn mit <strong>der</strong> Steuerreform von 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit<br />

abgeschafft wurde, strebt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

auch heute nach einer optimalen wohnlichen<br />

Versorgung ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Der erwirtschaftete<br />

Gewinn fließt mit Ausnahme <strong>der</strong> an die Mitglie<strong>der</strong> ausgeschütteten<br />

Dividende vollständig zurück in das Unternehmen.<br />

Mit ihrer nicht an <strong>der</strong> Gewinnmaximierung ausgerichteten<br />

Geschäftspolitik wirkt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

dämpfend auf das Preisniveau für Mietwohnungen. Der<br />

Gemeinnutz ist geblieben. Insgesamt stellen die Hamburger<br />

Wohnungsgenossenschaften mit zusammen über mehr<br />

als 125.000 Wohnungen einen bedeutenden Faktor auf<br />

dem Wohnungsmarkt dar.<br />

Bei <strong>der</strong> nach dem Wegfall <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit geschaffenen<br />

Wahl, zukünftig als vollsteuerpflichtiges Wohnungsunternehmen<br />

o<strong>der</strong> als Vermietungsgenossenschaft<br />

weiterzuarbeiten, entschied sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> für<br />

die zweite Option. Als Vermietungsgenossenschaft müssen<br />

mindestens 90 Prozent <strong>der</strong> Einnahmen aus dem Geschäft<br />

„Vermietung von Wohnungen an Mitglie<strong>der</strong>“ fließen.<br />

Dafür tritt eine Befreiung von <strong>der</strong> Körperschafts-, Vermögens-<br />

und Gewerbesteuer ein. Die Einschränkung des<br />

Geschäftsbereichs betrifft vor allem gewerbliche Vermietungen.<br />

Auch <strong>der</strong> Bau von Eigenheimen ist jetzt nicht<br />

mehr möglich.<br />

Bisheutehatdie<strong>Baugenossenschaft</strong><strong>der</strong><strong>Buchdrucker</strong>ihre<br />

Selbstständigkeitbewahrt.NureinmalwurdenFusionsverhandlungen<br />

bis zu einem Vertragsabschluss gebracht. Am<br />

14. April 1970 billigte die Vertreterversammlung einstimmig<br />

einen Vertrag über die Verschmelzung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

Hamburg-Nordost. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung <strong>der</strong><br />

Hamburg-Nordost konnte dagegen bei 129 Ja- zu 65 Nein-<br />

Stimmen nicht die erfor<strong>der</strong>liche Dreiviertelmehrheit<br />

erreicht werden, so dass die Fusion scheiterte.<br />

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88<br />

Die langjährigen Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Karl Muus, Rudolf Kleeblatt und Johannes<br />

Bechreiner (von links nach rechts).<br />

Am 31. Dezember 2001 gehörten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 2.293 Mitglie<strong>der</strong> an. Damit war seit 1990<br />

zum erstenmal wie<strong>der</strong> ein geringfügiger Rückgang <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahl<br />

um neun Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vorjahr zu<br />

verzeichnen. Die Mitgliedsrechte werden heute von <strong>der</strong><br />

Vertreterversammlung wahrgenommen. In acht Wahlkreisen<br />

wählen die Mitglie<strong>der</strong> für je 35 angefangene<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> einen Vertreter. Die Vertreterversammlung<br />

wurde 1966 an Stelle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

eingerichtet, als <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bestand die Zahl<br />

1.500 überschritt und nach § 43a des Genossenschaftsgesetzes<br />

die Wahl von Vertretern notwendig wurde. Die entsprechenden<br />

Satzungsän<strong>der</strong>ungen verabschiedete die letzte<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 11. Dezember 1966 im<br />

Gewerkschaftshaus. Seither fungiert die Vertreterver-<br />

sammlung als Organ <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />

Sie wählt den Aufsichtsrat.<br />

Über Jahrzehnte hinweg stellte die Berufsgruppe<br />

<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> einen Großteil <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>. Diese Tradition konnte nach<br />

19<strong>45</strong> noch einmal aufgenommen werden.<br />

Der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer im graphischen<br />

Gewerbe stellte erneut die Nähe zur Gewerkschaft<br />

her, die beispielsweise in den im<br />

Gewerkschaftshaus durchgeführten Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />

zum Ausdruck kam.<br />

Heute hat sich die Mitglie<strong>der</strong>struktur grundlegend<br />

geän<strong>der</strong>t. Mit dem Ende <strong>der</strong> Wohnungsnot<br />

entfiel die Notwendigkeit, eine<br />

Wohnungssuche frühzeitig zu beginnen und<br />

sich dabei etwa an <strong>der</strong> Berufsgruppenzugehörigkeit<br />

zu orientieren. Außerdem ist das<br />

Berufsbild des Druckers durch die technische<br />

Entwicklung grundlegenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />

unterworfen gewesen, die mit einem erheblichen<br />

Stellenabbau einhergegangen ist. Geblieben ist <strong>der</strong><br />

Name: <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>.<br />

Zumindest in den Leitungsgremien wirkte die Tradition<br />

noch bis in die 1980er Jahre fort. Als <strong>der</strong> Gewerkschaftssekretär<br />

Willi Zieher 1957 starb, folgte ihm<br />

Gustav Bauck in den Aufsichtsrat. Bauck gehörte ebenfalls<br />

dem Betriebsrat bei Broschek an und war Anfang<br />

<strong>der</strong> 1950er Jahre Mitglied des Vorstands <strong>der</strong> IG Druck<br />

und Papier Nordmark. Als Nachfolger von Hans Neidhold<br />

übernahm Gustav Bauck 1964 den Aufsichtsratsvorsitz.<br />

Bis 1977 übte er das Amt aus. Anschließend<br />

gehörte er dem Aufsichtsrat noch bis zu seinem Tod am<br />

19. März 1981 als einfaches Mitglied an. Auch <strong>der</strong> aus<br />

<strong>der</strong> Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit kommende


Karl Muus wirkte 38<br />

Jahre für die <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />

Insgesamt<br />

zeichnen sich bis heute<br />

zahlreiche VorstandsundAufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />

durch eine langjährige<br />

Mitarbeit in den<br />

Gremien aus. So beendete<br />

1994 Günther<br />

Wilke nach 25 Jahren<br />

seine ehrenamtliche Tätigkeit,<br />

17 Jahre hatte<br />

er den Aufsichtsratsvorsitz<br />

ausgeübt. Gerhard<br />

Pampuch schied 1999<br />

aus dem Vorstand aus,<br />

dem er seit 1979 angehört<br />

hatte. Zuvor hatte<br />

er bereits 12 Jahre<br />

im Aufsichtsrat mitgearbeitet.<br />

Zu den<br />

langjährigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />

zählen<br />

außerdem Albrecht<br />

Eben-Worlee, Hans-<br />

Thomas Haas, Hans-<br />

Werner Kölble, Klaus<br />

Krause, Hans Neidhold,<br />

Hans-Joachim Oehlke<br />

und Josef Wachter. Auch Georg Ihrig und Heinrich<br />

Otte, die vorübergehend dem Vorstand als viertes<br />

Mitglied angehört hatten, waren zuvor im Aufsichtsrat<br />

tätig gewesen. Die einschneidendsten personellen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> neueren Zeit waren Anfang <strong>der</strong><br />

Festveranstaltung zum 50jährigen Bestehen 1977: die Mitarbeiterin Elisabeth Dettmann sowie die Vorstandsund<br />

Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> Johannes Bechreiner, Gustav Bauck, Gerhard Pampuch, Harald Lühmann und<br />

Karl Muus (von links nach rechts).<br />

1980er Jahre zu verzeichnen. Dem 1979 ausgeschiedenen<br />

Vorstandsmitglied Johannes Bechreiner folgten<br />

1983 Karl Muus und ein Jahr später Rudolf Kleeblatt.<br />

Kleeblatt, <strong>der</strong> 30 Jahre im Vorstand gewirkt hatte, wurde<br />

für seine Verdienste zum Ehrenmitglied des Vorstands<br />

89


90<br />

Rudolf Kleeblatt gehörte dem Vorstand 30 Jahre an und<br />

wurde 1984 zum Ehrenmitglied des Vorstandes ernannt.<br />

auf Lebenszeit ernannt. Nachdem 1984 Ortrud Schliack<br />

nach 33 Jahren ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat aufgegeben<br />

hatte, ging mit dem Ausscheiden von Rudolf Kleeblatt<br />

eine Ära zu Ende. Auch wenn Karl Muus noch<br />

weitere drei Jahre dem Aufsichtsrat angehörte, vollzog<br />

sich nun ein Generationswechsel. Dieter Keltermann,<br />

<strong>der</strong> am 1. August 1982 die Geschäftsführung übernommen<br />

hatte, wurde im Oktober 1983 in den Vorstand<br />

bestellt. Als Nachfolger von Rudolf Kleeblatt rückte<br />

Harald Lühmann in den Vorstand auf. Er hatte schon<br />

seit 1974 dem Aufsichtsrat angehört. Zusammen mit<br />

Gerhard Pampuch, <strong>der</strong> Johannes Bechreiner abgelöst<br />

hatte, setzte <strong>der</strong> neue Vorstand die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />

erfolgreich fort. Erneut zeichneten sich die<br />

folgenden Jahren durch ein hohes Maß an personeller<br />

Kontinuität in den Leitungsgremien aus. Dieter Keltermann<br />

und Harald Lühmann gehören dem Vorstand bis<br />

heute an. Für Pampuch wurde 1999 Uwe Dettmann in<br />

den Vorstand bestellt. Dettmann hatte zuvor zwölf Jahre<br />

dem Aufsichtsrat angehört, davon fünf Jahre als Vorsitzen<strong>der</strong>.<br />

Auch im Aufsichtsrat handelt es sich bei <strong>der</strong> Mehrheit<br />

um langjährige Mitglie<strong>der</strong>. Thilo Creutzer, <strong>der</strong> von Dettmann<br />

den Vorsitz übernommen hat, gehört dem Gremium<br />

seit 1988 an. Günther Discher ist seit neun Jahren Aufsichtsratsmitglied,<br />

Angelika Kasimir und Wilhelm Riebau<br />

seit acht Jahren. Für Renate Kluge, die 2001 nach 16 Jahren<br />

Mitarbeit im Aufsichtsrat ausgeschieden ist, wurde<br />

Bernd Nehls gewählt, <strong>der</strong> zusammen mit dem seit 2000<br />

amtierenden Axel Mangelsdorf zu den neueren Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />

zählt.


Die Geschäftsstelle heute, Pestalozzistraße Nr. 24.<br />

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92<br />

QUELLEN UND LITERATUR<br />

QUELLEN<br />

Amtsgericht Hamburg, Genossenschaftsregister<br />

Akten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>, Nr. 538<br />

Archiv <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />

Geschäftsberichte<br />

Mitglie<strong>der</strong>verzeichnis<br />

Protokolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>- und Vertreterversammlungen<br />

Protokolle <strong>der</strong> Aufsichtsrats- und Vorstandssitzungen<br />

Wohnungsakten<br />

Bezirksamt Hamburg-Mitte<br />

Bauakten: Braußpark 2/4, 6/12, 14 und Wicherns Garten 1/7<br />

Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg<br />

597 Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen<br />

Hamburger Feuerkasse<br />

Aktenzeichen 2<strong>45</strong>-1836, Wicherns Garten 1, 3, 5, 7<br />

Staatsarchiv<br />

Amt für Wohnungswesen<br />

Interviews mit Frau Dettmann, Frau Hönsch,<br />

Frau Kleeblatt, Frau Muus und Frau Schliack.<br />

LITERATUR<br />

80 Jahre öffentlich geför<strong>der</strong>ter Wohnungsbau in Hamburg. Katalog zur<br />

gleichnamigen Ausstellung, Hrsg.: Freie und Hansestadt Hamburg,<br />

Baubehörde - Amt für Wohnungswesen, Hamburg 1999.<br />

Brecht, Julius, Erich Klabunde: Wohnungswirtschaft in unserer Zeit,<br />

Hamburg 1950.<br />

Brecht, Julius: Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in einer<br />

marktwirtschaftlichen Wohnversorgung, in: Deutsche Siedlungs- und<br />

Wohnungspolitik. Gegenwartsproblematik und Zukunftsaspekte. Fest-<br />

schrift zum 25jährigen Bestehen des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen<br />

<strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität Münster i. W.,<br />

o. O., 1956, S. 151-175.<br />

Büttner, Ursula: Errichtung und Zerstörung <strong>der</strong> Demokratie in Hamburg:<br />

Freie Gewerkschaften, Senatsparteien und NSDAP im Kampf<br />

um die Weimarer Republik, Hamburg 1998.<br />

Hipp, Hermann: Wohnstadt Hamburg. Mietshäuser zwischen Inflation<br />

und Weltwirtschaftskrise, 2. Aufl., Hamburg 1986.<br />

Hipp, Hermann: Wohnungen für Arbeiter? Zum Wohnungsbau und<br />

zur Wohnungsbaupolitik in Hamburg in den 1920er Jahren, in: Arno<br />

Herzig, Dieter Langewiesche und Arnold Sywottek (Hrsg.): Arbeiter<br />

in Hamburg. Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit<br />

dem ausgehenden 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, Hamburg 1983, S. 471-481.<br />

50 Jahre <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> EG, Hamburg, o. J.<br />

[1977].<br />

Funke, Hermann: Geschichte des Mietshauses in Hamburg,<br />

Hamburg 1974.<br />

Hohlbein, Hartmut: Hamburg 19<strong>45</strong>: Kriegsende, Not und Neubeginn,<br />

2. Aufl., Hamburg 1985.<br />

Martens, Holger: Erich Klabunde 1907-1950, Hamburg 2001.<br />

1900-2000 Wohnen und Leben in Norddeutschland. 100 Jahre Verband<br />

norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V., hrsg. vom Verband<br />

norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V., o.O., o.J. [2000].<br />

Nevermann, Paul: Im Anfang war das Wort, in: Neues Hamburg VI,<br />

1951, S. 12-15.<br />

Nörnberg, Hans-Jürgen, Dirk Schubert: Massenwohnungsbau in<br />

Hamburg. Materialien zur Entstehung und Verän<strong>der</strong>ung Hamburger<br />

Arbeiterwohnungen und -siedlungen 1800-1967, Berlin (West) 1975.<br />

Novy, Klaus, Michael Prinz: Illustrierte Geschichte <strong>der</strong> Gemeinwirtschaft.<br />

Wirtschaftliche Selbsthilfe in <strong>der</strong> Arbeiterbewegung von den<br />

Anfängen bis 19<strong>45</strong>, Bonn 1985.


Novy, Klaus, Bodo Hombach u.a. (Hrsg.): Andres Leben. Geschichte<br />

und Zukunft <strong>der</strong> Genossenschaftskultur, Bonn/Berlin 1985.<br />

Rasmußen, Kerstin, Gunnar Wolf (Redaktion): Verän<strong>der</strong>ungen 1894-<br />

1994. Hamburg-Hamm im Spiegel erlebter Geschichte(n), Hamburg<br />

1994.<br />

Rieger, Josef (†), Max Mendel (†), Walter Postelt: Die Hamburger<br />

Konsumgenossenschaft „Produktion“ 1899-1949, Hamburg 1949.<br />

Ruck, Michael: Die öffentliche Wohnungsbaufinanzierung in <strong>der</strong> Weimarer<br />

Republik. Zielsetzungen, Ergebnisse, Probleme, in: Axel Schildt,<br />

Arnold Sywottek (Hrsg.): Massenwohnung und Eigenheim. Wohnungsbau<br />

und Wohnen in <strong>der</strong> Großstadt seit dem Ende des Ersten<br />

Weltkrieges, Frankfurt 1988, S. 150-200.<br />

Schädel, Dieter: Städtebau und Wohnungswesen in Hamburg. Eine<br />

Fallstudie zur Geschichte des Staatseingriffs zum Umbau und zur<br />

Sanierung <strong>der</strong> Stadt Hamburg unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des<br />

Wohnungswesens in <strong>der</strong> Zeit des großen Brandes 1842 bis zum Ende<br />

<strong>der</strong> Weimarer Republik, Quickborn 1988.<br />

Schumacher, Fritz: Hamburgs Wohnungspolitik von 1918 bis 1919.<br />

Ein Beitrag zur Psychologie <strong>der</strong> Gross-Stadt, Hamburg 1919.<br />

40 Jahre <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong>mbH 1927-1967,<br />

o. O., o. J. [1967].<br />

Wischermann, Clemens: Wohnen in Hamburg vor dem Ersten Weltkrieg,<br />

Münster 1983.<br />

BILDNACHWEIS<br />

Geschichtswerkstatt Barmbek: Seite 34<br />

Landesmedienzentrum: Seite 11<br />

Privatbesitz Schliack: Seite 61, 69 (2), 75, 76, 79<br />

Privatbesitz Hönsch: Seite 88<br />

Privatbesitz Kleeblatt: Seite 90<br />

Privatbesitz van <strong>der</strong> Walde-Schönfeld: Seite 42<br />

Staatsarchiv <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg: Seite 9, 10, 14, 56<br />

Stadtteilarchiv Hamm: Seite 28, 47, 49<br />

Alle an<strong>der</strong>en Bil<strong>der</strong> befinden sich im Archiv <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />

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94<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong><br />

Pestalozzistrasse 24<br />

22305 Hamburg<br />

Tel. 69 70 81-0<br />

Fax 61 73 99<br />

Internet: http://www.buchdrucker.de<br />

E-Mail: info@buchdrucker.de<br />

Gesamtherstellung:<br />

Druck- und Werbeservice Hagen GmbH<br />

Ivo-Hauptmann-Ring 15<br />

22159 Hamburg<br />

Tel. 64 5580-0<br />

Fax 64 55 80 18<br />

Text: Holger Martens<br />

Hamburg 2002

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