Inhalt S. 1-45 - Baugenossenschaft der Buchdrucker eG
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1927 - 2002<br />
75 JAHRE<br />
GENOSSENSCHAFTLICHER<br />
WOHNUNGSBAU<br />
BAUGENOSSENSCHAFT DER BUCHDRUCKER EG
<strong>Inhalt</strong>sverzeichnis Seite<br />
Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Hamburg und die Wohnungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong>en und die Genossenschaftsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 1927 bis 19<strong>45</strong><br />
Die Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Wohnanlage Braußpark<br />
Die Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Die Bauausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Die Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
Die Gleichschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Max Cohn - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
Die Ablösung <strong>der</strong> Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
Die NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
Kriegsende und Neubeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 19<strong>45</strong>-2002<br />
Der Neuanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
Desolate Finanzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
Die Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
„Wir bauen selbst“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
Willi Zieher - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
Karl Muus - Ein Lebensbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
Der Wie<strong>der</strong>aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
Die Genossenschaft unter neuer Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
Die Pfund-Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
5
GRUSSWORT ZUM 75-JÄHRIGEN JUBILÄUM DER<br />
BAUGENOSSENSCHAFT DER BUCHDRUCKER EG<br />
Wer sich erinnert, lebt in <strong>der</strong> Vergangenheit. Wer aber nicht weiß, woher er<br />
kommt, weiß nicht, wohin er will.<br />
Erinnern und gleichzeitig den Blick in Gegenwart und Zukunft richten – das<br />
75jährige Bestehen eines Unternehmens wie <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
<strong>eG</strong> ist hierfür ein guter und schöner Anlass.<br />
Wie <strong>der</strong> Unternehmensname auch heute noch zeigt, haben vor 75 Jahren sieben<br />
Männer, überwiegend Angehörige des graphischen Gewerbes, die „<strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ gegründet, um vor allem Angehörige dieses Berufsstandes<br />
und ihre Familien mit gesunden und bezahlbaren Wohnungen zu versorgen. Der Berufsstand <strong>der</strong><br />
<strong>Buchdrucker</strong> ist zwar schon so gut wie ausgestorben, die Genossenschaft existiert aber auch nach 75 Jahren noch.<br />
Dieses ist ein Beleg für gute, solide und kontinuierliche genossenschaftliche Arbeit.<br />
Dieses ist nicht selbstverständlich, denn im Zweiten Weltkrieg wurde bis auf 20 Wohnungen <strong>der</strong> gesamte<br />
Wohnungsbestand <strong>der</strong> Genossenschaft zerstört.<br />
Es spricht für die Genossenschaft – Vorstände, Aufsichtsräte, Mitarbeiter und Mitglie<strong>der</strong> –, dass sie sich mit<br />
aller Kraft an den Wie<strong>der</strong>aufbau ihrer Häuser machte und es heute zu einem Bestand von rund 1.700<br />
Wohnungen gebracht hat.<br />
Mit diesem Wohnungsbestand zählt die <strong>Buchdrucker</strong>-Genossenschaft zwar nicht zu den großen Wohnungsbaugenossenschaften,<br />
dieses muss aber gerade unter dem Aspekt <strong>der</strong> Verwaltungsnähe und <strong>der</strong> allenthalben<br />
zu verzeichnenden verstärkten Hinwendung zu den Mitglie<strong>der</strong>n kein Nachteil sein.<br />
So liefert die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong> ein lebendiges Beispiel dafür, dass die über ein Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
alte Genossenschaftstradition auch heute und in <strong>der</strong> Zukunft ihre Bedeutung hat. Wohnen bei<br />
Genossenschaften ist und bleibt attraktiv.<br />
Ich beglückwünsche namens unseres Verbandes die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zum 75-jährigen Jubiläum<br />
sehr herzlich. Wir danken für die in dieser Zeit zum Nutzen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> erbrachten Leistungen und<br />
die För<strong>der</strong>ung des Genossenschaftsgedankens. Für die zukünftige Arbeit wünschen wir weiterhin viel Erfolg<br />
und alles Gute.<br />
Dr. Joachim Wege<br />
Verbandsdirektor<br />
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.<br />
7
DHAMBURG UND DIE WOHNUNGSFRAGE<br />
Der Große Brand von 1842, bei dem in <strong>der</strong> Hamburger<br />
Innenstadt 1.750 Häuser und öffentliche Gebäude vernichtet<br />
wurden, machte 20.000 Menschen obdachlos, das<br />
waren über 10 Prozent <strong>der</strong> hamburgischen Bevölkerung.<br />
Der mit dem Wie<strong>der</strong>aufbau verstärkt einsetzende Etagenhausbau<br />
mit Geschosswohnungen brachte allerdings<br />
keine Lösung für die sich durch die wachsende Einwohnerzahl<br />
verschärfende Wohnsituation einkommensschwacher<br />
Bevölkerungsschichten. Der dafür notwendige<br />
Kleinwohnungsbau war verhältnismäßig teuer. Auch war<br />
die Vermietung an min<strong>der</strong>bemittelte Personen für die<br />
Investoren nicht attraktiv, da infolge von konjunkturbedingter<br />
Arbeitslosigkeit und Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen mit<br />
häufigerem Wohnungswechsel und Mietausfällen zu rechnen<br />
war. Höhere Renditen und gesichertere Mieteinnahmen<br />
versprach dagegen <strong>der</strong> Bau von Großwohnungen.<br />
Arbeiter, aber auch kleine Angestellte und untere Beamte<br />
waren gezwungen, einen Teil ihrer Wohnung unterzuvermieten<br />
o<strong>der</strong> selbst als Einlogierer mit eigenem Zimmer<br />
o<strong>der</strong> als Schlafgänger nur mit einer Übernachtungsgelegenheit<br />
zur Untermiete zu wohnen.<br />
Der privat finanzierte Wohnungsbau orientierte sich an<br />
<strong>der</strong> größtmöglichen Ausnutzung <strong>der</strong> Baugrundstücke. Die<br />
tief in die Bauplätze hineinreichenden, sich – um überhaupt<br />
eine seitliche Lichtzufuhr zu ermöglichen – nach<br />
hinten verjüngenden Mietshäuser, die Schlitzbauten,<br />
erlaubten keine ausreichende Besonnung und Luftzufuhr.<br />
Zusätzliche Hinterhofbebauung mit Wohnhöfen, Terrassen<br />
und Passagen erhöhte die Rentabilität.<br />
Von 1850 bis 1930 stieg die Einwohnerzahl in Hamburg<br />
von 214.600 Menschen auf 1,236 Millionen. Der Wohnungsbau<br />
konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt<br />
halten. Insbeson<strong>der</strong>e die Masse <strong>der</strong> mittellosen Arbeiter<br />
lebte in engen, ungesunden und überbelegten Unterkünften.<br />
Wohnräume ohne Fenster, Mangel an Luft und<br />
Licht, fehlende sanitäre Anlagen, Feuchtigkeit und<br />
Schlitzbau und Innenhofbebauung, Hammerbrookstraße 44.<br />
9
10<br />
Ungeziefer kennzeichneten die völlig unzureichende<br />
Wohnsituation.<br />
Im Jahre 1892 wurden schließlich die Versäumnisse in<br />
<strong>der</strong> Wohnungspolitik und die daraus resultierenden<br />
schlechten und unhygienischen Wohnverhältnisse sicht-<br />
Gängeviertel 1935.<br />
bar, als in <strong>der</strong> dicht bebauten und überbevölkerten Hamburger<br />
Innenstadt eine Cholera-Epidemie ausbrach, die<br />
innerhalb von zehn Wochen 8.000 Todesopfer for<strong>der</strong>te.<br />
Zwar wurde nun die Sanierungsbedürftigkeit <strong>der</strong> schlimm-<br />
sten Wohnquartiere in <strong>der</strong> Alt- und Neustadt anerkannt,<br />
in denen bis zu 80.000 Menschen lebten, doch wurden<br />
we<strong>der</strong> die nach dem Abriss neu gebauten Wohnhäuser<br />
den Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten <strong>der</strong> bisherigen<br />
Bewohner angepasst, noch entstanden Wohnungen<br />
in ausreichen<strong>der</strong> Zahl. Daran än<strong>der</strong>te grundsätzlich<br />
auch das „Gesetz betreffend die För<strong>der</strong>ung des Baues kleiner<br />
Wohnungen“ von 1902 nichts. Der Hamburger Senat<br />
setzte weiterhin vor allem auf privatwirtschaftliche<br />
Lösungen. Zwar enthielt das Gesetz erste Ansätze für ein<br />
stärkeres staatliches Engagement, doch beruhte das<br />
Ansteigen des Kleinwohnungsbaues vor allem auf <strong>der</strong><br />
Lockerung <strong>der</strong> baupolizeilichen Vorschriften, die eine<br />
kostengünstigere Bauweise ermöglichte und somit die<br />
Gewinnerwartung steigerte. Für die auf niedrige Mieten<br />
angewiesene Arbeiterklasse erschienen preisgünstige<br />
Wohnungen mit einem baulichen Mindeststandard am<br />
ehesten durch die Ausschaltung des privatwirtschaftlichen<br />
Gewinnstrebens realisierbar. Der Sozialdemokrat<br />
Otto Stolten – 1901 <strong>der</strong> erste und für drei Jahre einzige<br />
sozialdemokratische Bürgerschaftsabgeordnete – for<strong>der</strong>te<br />
deshalb nicht nur die Unterstützung des Kleinwohnungsbaus<br />
durch öffentliche Mittel, son<strong>der</strong>n den staatlichen<br />
Wohnungsbau als solchen.<br />
Obwohl breite Bevölkerungsschichten unter <strong>der</strong> Wohnungsmisere<br />
litten, waren die politisch Verantwortlichen<br />
nicht bereit, einschneidende Verän<strong>der</strong>ungen herbeizuführen.<br />
Dies lag nicht zuletzt an dem undemokratischen<br />
Wahlrecht in Hamburg, das die Grundeigentümer und<br />
die Notablen (Ehrenbeamte und -richter) begünstigte.<br />
Sie stellten nur etwa 1 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung, wählten<br />
aber 80 <strong>der</strong> 160 Bürgerschaftsabgeordneten. Nach einer<br />
weiteren Wahlrechtsverschärfung 1906 entfielen auf die<br />
niedrigste Steuerklasse – jene, die ein Jahreseinkommen<br />
von 1.200 bis 2.500 Mark versteuerten – lediglich 24
Die Neubaugebiete Barmbek-Nord und Dulsberg Anfang <strong>der</strong> 1930er Jahre (Fuhlsbüttler Straße - Habichtstraße).<br />
11
12<br />
Parlamentssitze. Damit war die Masse <strong>der</strong> Arbeiter und<br />
kleinen Angestellten von <strong>der</strong> politischen Partizipation<br />
ausgeschlossen.<br />
Bis 1918 än<strong>der</strong>ten sich die politischen Verhältnisse<br />
nicht. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) kam die Bautätigkeit<br />
ganz zum Erliegen. Entsprechend groß war die<br />
Wohnungsnot, als nach dem Ende des Krieges die Soldaten<br />
zurückkehrten und viele eine Familie mit eigenem<br />
Haushalt gründen wollten.<br />
Die Novemberrevolution von 1918 fegte das alte<br />
System hinweg. Der Kaiser dankte ab, Arbeiter- und Soldatenräte<br />
übernahmen die Macht. Das im Januar 1919<br />
eingeführte demokratische Wahlrecht gab zum erstenmal<br />
auch den Frauen das aktive und passive Wahlrecht.<br />
Die drängendsten Probleme waren 1918/19 die Wohnungsnot<br />
und die Lebensmittelknappheit. Vor diesem<br />
Hintergrund wurden Ideen entwickelt, die die kostengünstige<br />
Anlage von großflächigen Kleinhaussiedlungen<br />
mit Nutzgarten zur Selbstversorgung vorsahen. Für diese<br />
Überlegungen waren allerdings Siedlungsflächen erfor<strong>der</strong>lich,<br />
über die Hamburg nicht verfügte. Der damalige<br />
Baudirektor, Professor Dr. Fritz Schumacher, sprach sich<br />
für eine Erweiterung des Hamburger Staatsgebiets aus.<br />
Die Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot <strong>der</strong> Arbeiterschicht<br />
durch den Bau von Kleinwohnungen sah er als die sozialpolitische<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung an, <strong>der</strong> er sich persönlich<br />
verpflichtet fühlte. Schumacher favorisierte Kleinwohnungssiedlungen<br />
mit Gartennutzung. Ohnehin war<br />
nach seinen Erkenntnissen das „Massenmietshaus“ eine<br />
eher teure Lösung. Der dreigeschossige Bau hatte sich<br />
als die „baulich billigste Form <strong>der</strong> Wohnungsgestaltung<br />
erwiesen“.<br />
Schumacher formulierte weitere Bedingungen für einen<br />
kostengünstigen Arbeiterwohnungsbau. Der Baugrund<br />
sollte die Kosten nicht unverhältnismäßig in die Höhe<br />
treiben. Damit schieden sowohl Gebiete entlang <strong>der</strong><br />
noch vom alten Senat begonnenen U-Bahnstrecken<br />
nach Langenhorn und in die Walddörfer aus, die zur Ansiedlung<br />
finanzstärkerer Bevölkerungsgruppen gedacht<br />
waren, als auch Hamburgs ausgedehntes Marschgelände,<br />
das für eine Besiedlung erst aufgefüllt werden musste.<br />
Auch sollten die Wohnungen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Arbeitsstätten<br />
liegen, so dass zeitraubende und kostspielige Anund<br />
Abfahrten entfielen.<br />
Für die Ansiedlung von Arbeitern favorisierte Schumacher<br />
den preußischen Geestrücken nördlich <strong>der</strong> Bille<br />
zwischen Horn und Bergedorf. Schon bald erwiesen sich<br />
die Groß-Hamburg-Pläne, die die Eingemeindung umliegen<strong>der</strong><br />
Städte und Gemeinden vorsahen, als unrealistisch.<br />
Der inzwischen zum Oberbaudirektor beför<strong>der</strong>te<br />
Fritz Schumacher musste bei seinen kostengünstigen<br />
Idealvorstellungen Abstriche machen. Für die Schaffung<br />
von Arbeiterwohnungen setzte Schumacher nun auf den<br />
konzentrierten Bau von 4- bis 6-geschossigen Etagenhäusern<br />
auf geeignetem Baugrund mit relativ günstiger<br />
Verkehrsanbindung. Großsiedlungen entstanden in den<br />
1920er Jahren vor allem in den Stadtteilen Barmbek –<br />
mit Schwerpunkten in Barmbek-Nord und auf dem<br />
Dulsberg –, in Winterhude – hier in <strong>der</strong> Jarrestadt – und<br />
in Hamm.
Zu den Wegbereitern <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Genossenschaften<br />
in Deutschland gehörten Hermann Schulze-Delitzsch,<br />
Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Victor Aimé Huber und<br />
Eduard Pfeiffer. Schulze-Delitzsch gründete 1849<br />
in Sachsen die ersten Einkaufsgenossenschaften für<br />
Tischler und Schuhmacher, um die durch die Industrialisierung<br />
in ihrer Existenz bedrohten Handwerker zu<br />
unterstützen. Unabhängig von Schulze-Delitzsch organisierte<br />
Raiffeisen Genossenschaften im landwirtschaftlichen<br />
Bereich. Huber setzte sich für den genossenschaftlichen<br />
Bau von Arbeiterwohnungen ein und<br />
Pfeiffer gründete die ersten Konsumgenossenschaften<br />
für Arbeiter.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e für die immer größer werdende Masse <strong>der</strong><br />
Arbeiter gewann <strong>der</strong> Genossenschaftsgedanke an Attraktivität.<br />
Die Genossenschaften entwickelten sich nicht nur<br />
zu einem Instrument <strong>der</strong> wirtschaftlichen Selbsthilfe, son<strong>der</strong>n<br />
bildeten eine neue Form <strong>der</strong> Solidargemeinschaft, in<br />
<strong>der</strong> sich die Wertvorstellungen und Ideale <strong>der</strong> klassenbewussten<br />
Arbeiter wi<strong>der</strong>spiegelten. Die auf Gleichberechtigung,<br />
Mitsprache und Solidarität gegründete Idee <strong>der</strong><br />
Genossenschaft erschien vielen als Alternative zum privatwirtschaftlichen<br />
Kapitalismus.<br />
Neben <strong>der</strong> SPD und den Gewerkschaften galten die<br />
Genossenschaften deshalb als die „dritte Säule“ <strong>der</strong> Arbeiterbewegung.<br />
Allein <strong>der</strong> 1899 von Adolf von Elm in<br />
Hamburg gegründete „Konsum-, Bau- und Sparverein<br />
‚Produktion’“ hatte 1910 fast 50.000 Mitglie<strong>der</strong>. Die verbreitetsten<br />
und mitglie<strong>der</strong>stärksten Genossenschaften<br />
waren Konsumvereine <strong>der</strong> Arbeiter, die sich nach <strong>der</strong><br />
Trennung von dem in <strong>der</strong> Tradition von Schulze-Delitzsch<br />
stehenden Allgemeinen Verband <strong>der</strong> deutschen Erwerbsund<br />
Wirtschaftsgenossenschaften im Zentralverband<br />
DIE BAUGENOSSENSCHAFTEN UND DIE<br />
GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG<br />
deutscher Konsumgenossenschaften Hamburg (ZdK)<br />
zusammenschlossen.<br />
Bis Anfang <strong>der</strong> 1930er Jahre erlebte die Genossenschaftsbewegung<br />
eine stetige Aufwärtsentwicklung. Mit<br />
<strong>der</strong> wachsenden wirtschaftlichen Stärke engagierten<br />
sich zahlreiche Konsumgenossenschaften auch im Kleinwohnungsbau.<br />
Die Hamburger ‘Produktion’ hatte bis<br />
1914 bereits 4.000 Wohnungen gebaut. Allerdings war<br />
<strong>der</strong> genossenschaftlich organisierte Wohnungsbau sehr<br />
viel schwieriger zu bewerkstelligen als <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />
zu Konsumvereinen. Zunächst musste Eigenkapital<br />
zur Verfügung stehen. In <strong>der</strong> Regel zahlten die Mitglie<strong>der</strong><br />
von Wohnungsbaugenossenschaften mehrere<br />
Monatsgehälter als Geschäftsanteil ein. Es waren Kenntnisse<br />
über die Finanzierungsmöglichkeiten, die För<strong>der</strong>bedingungen<br />
und das Baurecht erfor<strong>der</strong>lich, so dass Bauvorhaben<br />
ohne fachliche Beratung und Begleitung nicht<br />
durchgeführt werden konnten. Und schließlich vergingen<br />
von <strong>der</strong> Planung bis zum Bezug <strong>der</strong> Neubauwohnung<br />
oft mehrere Jahre. Zwar wurde 1889 mit einer Neufassung<br />
des ersten noch von Schulze-Delitzsch 1867 in die<br />
preußische Nationalversammlung eingebrachten Genossenschaftsgesetzes<br />
die beschränkte Haftung eingeführt<br />
und dadurch eine Genossenschaftsgründung sehr viel<br />
attraktiver, weil die Mitglie<strong>der</strong> nun nicht mehr mit<br />
ihrem gesamten Vermögen hafteten, doch ohne staatliche<br />
Unterstützung blieb die Finanzierung das größte<br />
Problem. Nur mitglie<strong>der</strong>starke Genossenschaften wie die<br />
‘Produktion’ o<strong>der</strong> von finanzstarken, sozialreformerisch<br />
orientierten bürgerlichen Kräften gegründete Bauvereine<br />
waren in <strong>der</strong> Lage, Wohnungsbau in größerem<br />
Maßstab durchzuführen. Und doch gingen von diesen<br />
Anfängen entscheidende Impulse aus. Dem spekulativen<br />
13
14<br />
Bau von Mietskasernen und Hinterhofbauten, in denen<br />
Menschen auf engstem Raum unter schlimmsten hygienischen<br />
Bedingungen lebten, setzten die Genossenschaften<br />
die Errichtung von menschenwürdigen Wohnungen<br />
ohne Gewinnstreben entgegen. Die Genossenschaft<br />
bot Schutz vor Eigentümerwechsel, Mietsteigerungen<br />
und Kündigungen. Die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> waren<br />
als Miteigentümer an <strong>der</strong> Erhaltung und <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong><br />
Häuser interessiert. Die Selbstverwaltung gab ihnen<br />
die Möglichkeit, Verbesserungen herbeizuführen. So
entstanden begrünte Innenhöfe, Kin<strong>der</strong>spielflächen<br />
und an<strong>der</strong>e Gemeinschaftseinrichtungen<br />
wie Wäschereien und Versammlungsräume. Hier<br />
wurden Wohnungsreformvorstellungen verwirklicht,<br />
die einen Lebensraum nach den Bedürfnissen<br />
<strong>der</strong> Menschen schufen. Nachbarschaftshilfe<br />
und vielfältige gemeinschaftliche Aktivitäten<br />
waren Ausdruck einer neuen Wohn- und<br />
Lebenskultur.<br />
Während des Ersten Weltkrieges war die Bautätigkeit<br />
zum Erliegen gekommen. Die ohnehin<br />
existierende Wohnungsnot wurde durch die aufgeschobene<br />
Haushaltsgründung <strong>der</strong> nun heimkehrenden<br />
Soldaten noch verstärkt. Dass <strong>der</strong> Handlungsdruck<br />
in Hamburg groß war, zeigt das bereits<br />
wenige Wochen nach <strong>der</strong> Novemberrevolution<br />
verabschiedete „Gesetz vom 20. Dezember 1918<br />
betr. die För<strong>der</strong>ung des Baues kleiner Wohnungen“.<br />
Damit wurden die seit langem von <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />
gefor<strong>der</strong>ten Reformen realisiert.<br />
Eine flexiblere Handhabung <strong>der</strong> Bauvorschriften<br />
sollte den Bau preisgünstiger Kleinwohnungssiedlungen<br />
erleichtern. Die Hamburgische Beleihungskasse<br />
für Hypotheken wurde mit <strong>der</strong> Durchführung<br />
staatlicher För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen für<br />
den Wohnungsbau beauftragt. Zum erstenmal<br />
wurde <strong>der</strong> Einsatz öffentlicher Mittel für den Bau<br />
von Wohnungen realisiert.<br />
Allerdings zeichnete sich schon bald nach <strong>der</strong><br />
Revolution ab, dass angesichts <strong>der</strong> desolaten Wirtschaftslage<br />
we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat noch die Privatwirtschaft<br />
in <strong>der</strong> Lage waren, die Wohnungsnot kurzfristig<br />
zu beheben. So schritten die Wohnungssuchenden<br />
zur Selbsthilfe. Sie organisierten sich<br />
über Berufsverbände o<strong>der</strong> gründeten eigene<br />
Mit 3408 Stimmen im Stadtgebiet wurde Hermann Abel 1924 in die Hamburgische<br />
Bürgerschaft gewählt.<br />
15
16<br />
Vereine wie die <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>reichen, <strong>der</strong> Wohnungslosen<br />
und <strong>der</strong> Kriegsheimkehrer. In Hamburg ermöglichten die<br />
mit den verän<strong>der</strong>ten politischen Verhältnissen eingeführte<br />
öffentliche Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung immerhin die<br />
Unterstützung solcher Initiativen. Dass „jedem Deutschen<br />
eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien,<br />
beson<strong>der</strong>s den kin<strong>der</strong>reichen, eine ihren Bedürfnissen<br />
entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu<br />
sichern“ sei, hatte sogar Eingang in die Weimarer Verfassung<br />
gefunden. Die staatliche Unterstützung begünstigte<br />
die Gründung zahlreicher neuer Wohnungsbaugenossenschaften.<br />
Ihre Zahl war in Deutschland von 1888 bis 1908<br />
von 28 auf 764 gestiegen. Anfang <strong>der</strong> 1920er Jahre kam es<br />
zu einer Gründungswelle, die mehrere Tausend neuer<br />
Genossenschaften hervorbrachte, so dass 1928 reichsweit<br />
4.132 <strong>Baugenossenschaft</strong>en existierten.<br />
In vielen Fällen waren die Gewerkschaften direkt o<strong>der</strong><br />
im Hintergrund an den Neugründungen beteiligt. Diese<br />
vor allem lokalen Aktivitäten verlangten nach einer<br />
übergeordneten Koordination und Betreuung. Der<br />
Deutsche Bauarbeiterverband legte auf seinem Gewerkschaftstag<br />
in Leipzig 1922 mit seinem Beschluss zur<br />
Unterstützung einer Gemeinwirtschaftspolitik den<br />
Grundstein für die Errichtung einer Verbundorganisation<br />
nach dem Vorbild <strong>der</strong> gewerkschaftlich-genossenschaftlichen<br />
Volksfürsorge. Die freigewerkschaftlichen Spitzenverbände,<br />
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund<br />
(ADGB), Allgemeiner freier Angestelltenbund<br />
(AfABund) und Allgemeiner Deutscher Beamtenbund<br />
(ADBB) sowie die Arbeiterbank und <strong>der</strong> Verband sozialer<br />
Baubetriebe, ein Zusammenschluss von etwa 200<br />
Produktivgenossenschaften im Bausektor, die nach <strong>der</strong><br />
Revolution entstanden waren, gründeten am 14. März<br />
1924 die „Deutsche Wohnungsfürsorge A.G. für Beamte,<br />
Angestellte und Arbeiter“ (DEWOG). Die Aufgabe <strong>der</strong><br />
DEWOG bestand darin, die Bauvorhaben <strong>der</strong> ihr angeschlossenen<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong>en mit den eigenen,<br />
genossenschaftlichen Baubetrieben durchzuführen. Damit<br />
entstand im Wohnungssektor ein geschlossenes<br />
gemeinwirtschaftliches System, das vom Bau bis zur Vermietung<br />
und Unterhaltung <strong>der</strong> Wohnungen genossenschaftlich<br />
organisiert war. Mit dem 1927 gegründeten<br />
DEWOG-Revisionsverband deckte die freigewerkschaftlich-genossenschaftliche<br />
Dachorganisation für<br />
ihre Genossenschaften ein weiteres, gesetzlich vorgeschriebenes<br />
Arbeitsfeld ab.
DIE GRÜNDUNG<br />
DIE BAUGENOSSENSCHAFT DER<br />
BUCHDRUCKER 1927-19<strong>45</strong><br />
Die schwierige Finanz- und Wirtschaftssituation<br />
nach dem Ersten Weltkrieg sowie fehlende<br />
wohnungspolitische Konzepte verhin<strong>der</strong>ten<br />
zunächst einen Kleinwohnungsbau in großem<br />
Maßstab. Im Rahmen einer Sofortmaßnahme<br />
wurde 1919 die vollständige staatliche Finanzierung<br />
einer ganzen Siedlung mit 800 Kleinhäusern<br />
in Langenhorn beschlossen. Baudirektor<br />
Schumacher stellte dazu fest, dass damit in<br />
„Hamburg zum erstenmale zwei wohnungspolitische<br />
Momente“ verwirklicht worden seien:<br />
„die lange erstrebte, viel umstrittene Kleinhaussiedlung<br />
im Nutzgarten und die aktive<br />
staatliche Wohnungsfürsorge“.<br />
Der staatliche Wohnungsbau blieb allerdings<br />
die Ausnahme. Nur auf dem Dulsberg wurde Die Hyperinflation 1923.<br />
noch ein weiteres Projekt mit 1.370 Kleinwohnungen<br />
verwirklicht. Vor allem die jetzt an<br />
<strong>der</strong> Regierung beteiligten Sozialdemokraten setzten auf Wohnungsbau mit 472 fertiggestellten Wohnungen sei-<br />
den genossenschaftlichen Wohnungsbau und dessen nen Tiefststand.<br />
Unterstützung. So kam es bereits Anfang <strong>der</strong> 1920er Die Währungsreform beendete die Inflation, doch die<br />
Jahre zur Gründung zahlreicher <strong>Baugenossenschaft</strong>en, Geldentwertung verschärfte noch den Kapitalmangel im<br />
doch <strong>der</strong> sichtbare Erfolg im Wohnungsbau blieb aus. Die Bausektor. Ohne staatliche Intervention war an eine Bele-<br />
staatliche För<strong>der</strong>ung, die zunächst auf die Beleihungsbung <strong>der</strong> Bautätigkeit nicht zu denken. Die Voraussetzunhöchstgrenze<br />
von 70 Prozent <strong>der</strong> Gesamtbaukosten angegen wurden durch die III. Steuernotverordnung <strong>der</strong><br />
setzt wurde, erwies sich als zu niedrig. Hohe Baustoff- Reichsregierung geschaffen, die die Län<strong>der</strong> und Kommupreise<br />
und die beginnende Inflation brachten zusätzliche nen ab dem 1. April 1924 verpflichtete, eine „Geldent-<br />
Schwierigkeiten. So wurden in <strong>der</strong> Zeit 1919 bis 1924 nur wertungsausgleichssteuer vom bebauten Grundstück“ zu<br />
etwa 11.000 Wohnungen in Hamburg gebaut. 1923, im erheben. Mindestens 10 Prozent <strong>der</strong> sogenannten „Haus-<br />
Jahr <strong>der</strong> Hyperinflation, als am Ende 1 Dollar 4,2 Billiozinssteuer“ mussten in die „Neubautätigkeit“ fließen. In<br />
nen Mark kostete, erreichte <strong>der</strong> staatlich geför<strong>der</strong>te Hamburg wurde die als Zuschlag auf die Grundsteuer<br />
17
18<br />
erhobene Hauszinssteuer bis Anfang 1926 ausschließlich<br />
für die För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaues verwendet. Mit den<br />
zur Verfügung stehenden Geldmitteln und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
von 85 Prozent <strong>der</strong> Gesamtbaukosten konnte <strong>der</strong> dringend<br />
notwendige Kleinwohnungsbau nachhaltig belebt<br />
werden. Schon 1925 för<strong>der</strong>te die Hamburgische Beleihungskasse<br />
4.126 Neubauwohnungen. Im darauf folgenden<br />
Jahr waren es bereits 7.899.<br />
Um eine größere Zahl von Wohnungen zu för<strong>der</strong>n,<br />
wurde <strong>der</strong> Beleihungssatz schrittweise auf <strong>45</strong> Prozent<br />
gesenkt. Da die Beschaffung <strong>der</strong> I. Hypothek – bis zu 40<br />
Prozent <strong>der</strong> Baukosten – in <strong>der</strong> Regel keine Probleme<br />
bereitete, regten die zinslosen staatlichen Kredite den<br />
Wohnungsbau deutlich an. Die Beschaffung des restlichen<br />
Eigenkapitals wurde durch zusätzliche Baukostenzuschüsse<br />
erleichtert. Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>Baugenossenschaft</strong>en und<br />
gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften profitierten<br />
von <strong>der</strong> Wohnungsbaupolitik.<br />
Die Versäumnisse <strong>der</strong> vorangegangenen Jahre konnten<br />
durch die ersten Erfolge jedoch nicht aufgewogen werden.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Wohnungssuchenden stieg weiter und<br />
erreichte immer neue Rekorde. Ende 1925 meldete das<br />
Wohnungsamt 32.239 Wohnungssuchende, vier Jahre<br />
später waren bereits 55.625 Wohnungssuchende registriert.<br />
Die größte Nachfrage bestand auf dem Kleinwohnungssektor.<br />
Um angesichts <strong>der</strong> steigenden Bedarfe überhaupt<br />
eine Entlastung zu erzielen, wurde verstärkt auf den<br />
Kleinstwohnungsbau gesetzt. Bei etwa 50 Prozent <strong>der</strong><br />
1930 erstellten Wohnungen handelte es sich um 2-Zimmer-Wohnungen.<br />
1927, im Gründungsjahr <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Buchdrucker</strong>, zeichnete sich eine Fortsetzung <strong>der</strong> bereits<br />
deutlich belebten Bautätigkeit ab. Zum erstenmal reichte<br />
die Zahl <strong>der</strong> fertiggestellten Wohnungen mit 10.641 wie<strong>der</strong><br />
an das Vorkriegsniveau heran. Bis 1931 konnte die<br />
Neubautätigkeit in dieser Größenordnung fortgeführt<br />
werden. Die Lösungen im Kleinwohnungsbau durch die<br />
Siedlungsbau-Gesellschaft <strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong> Frank im Hamburg-Barmbek<br />
fanden 1927 nationale und internationale<br />
Beachtung. Insbeson<strong>der</strong>e über das von Frank entwickelte<br />
Laubenganghaus, bei dem durch die Erschließung <strong>der</strong><br />
Wohnungen über offene Gänge weniger Treppenhäuser<br />
notwendig waren, so dass ein Zwölftel <strong>der</strong> Kosten gespart<br />
werden konnte, berichtete die Presse wie<strong>der</strong>holt. Auch<br />
wurden 1926/1927 weitere <strong>Baugenossenschaft</strong>en gegründet.<br />
Doch nicht nur die Bereitschaft <strong>der</strong> Bauträger sicherte<br />
den Erfolg <strong>der</strong> Wohnungsbaupolitik, son<strong>der</strong>n auch die<br />
staatliche För<strong>der</strong>ungs- und Planungstätigkeit. Fritz Schumachers<br />
Pläne zur Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot waren inzwischen<br />
weitgehend ausgereift und mit den Wettbewerben<br />
für das Wohngebiet Jarrestadt und das Wohnquartier<br />
Dulsberg 1926 wurden Siedlungen mit mehreren tausend<br />
Wohnungen in Angriff genommen. Eine im August 1927<br />
veröffentlichte Statistik zeigte aber auch, dass gerade in<br />
Hamburg die Wohnungsnot beson<strong>der</strong>s groß war. Auf je<br />
1.000 Wohnungen kamen 126 Haushaltungen und Familien<br />
ohne eigene Wohnung. Unter den sieben deutschen<br />
Städten mit über 500.000 Einwohnern war nur in Leipzig<br />
die Wohnungsversorgung noch schlechter. Die fortbestehende<br />
Wohnungsnot einerseits und die erfolgreiche staatliche<br />
Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung an<strong>der</strong>erseits veranlassten<br />
die zur Selbsthilfe entschlossenen Menschen, sich genossenschaftlich<br />
zu organisieren und Wohnungen zu bauen.<br />
Unter diesen äußeren Bedingungen kamen am 27.<br />
September 1927 sieben Männer zusammen, um den<br />
„Gemeinnützigen Bauverein für Kleinwohnungen von<br />
Groß-Hamburg“ zu gründen. Bei den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n<br />
handelte es sich um zwei Kaufleute, einen kaufmännischen<br />
Angestellten, zwei Schriftsetzer, einen Straßenbahner<br />
und einen Prokuristen. Vermutlich kannten sich
Protokoll <strong>der</strong> Gründungsversammlung am 27. September 1927.<br />
19
20<br />
die sieben Männer seit längerer Zeit. Aus dem<br />
Kreis <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> waren einige selbst o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />
Angehörige im Druckgewerbe tätig, so dass<br />
erste Kontakte möglicherweise über berufliche<br />
Zusammenhänge entstanden waren. Die Gründungsversammlung<br />
fand in <strong>der</strong> Wohnung des<br />
Schriftsetzers Rudolf Schmidt in <strong>der</strong> Hohensteiner<br />
Straße 3 auf dem Dulsberg statt. Dieser<br />
gehörte mit dem kaufmännischen Angestellten<br />
Hans Timm zu den Initiatoren. Dem Gründungsprotokoll<br />
zufolge führte Schmidt in seinem<br />
einleitenden Vortrag aus, „daß alle Anwesenden<br />
als Wohnungssuchende sich vor zu<br />
hohen Mieten zu schützen hätten“. Somit darf<br />
als Motiv <strong>der</strong> Genossenschaftsgründung die<br />
eigene Betroffenheit angenommen werden,<br />
auch wenn keiner <strong>der</strong> sieben Männer später eine<br />
Genossenschaftswohnung bezog. Schmidt selbst<br />
bewohnte eine erst wenige Jahre zuvor auf dem<br />
Dulsberg errichtete Kleinwohnung. Fest steht<br />
dagegen, dass die Gründung von Anbeginn dem<br />
Gemeinwohl dienen sollte. Die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
sollte auf gemeinnütziger Grundlage<br />
errichtet werden „im Interesse und zur Hebung<br />
einer gesunden und sozialen Wohnungswirtschaft“.<br />
Weiter führte Schmidt aus: „Nur durch<br />
Errichtung von Klein- und Kleinstwohnungen<br />
und eine raumsparende Ausnutzung <strong>der</strong> Wohnflächen,<br />
selbstverständlich unter Beachtung<br />
aller neuzeitlichen hygienischen und sanitären<br />
Anlagen, sei ein billiges und gesundes Wohnen<br />
möglich.“<br />
Die Gründung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> war<br />
offensichtlich seit geraumer Zeit bis ins Detail<br />
vorbereitet worden. We<strong>der</strong> gab es über die soziale<br />
Eintragung in das Genossenschaftsregister am 21. Oktober 1927.
Ausrichtung des Bauvereins noch über die Organisationsform<br />
eine Diskussion. Auch die Wahl des Vorstandes und<br />
des Aufsichtsrates verlief ohne Zwischenfall. In den Vorstand<br />
wurden Rudolf Schmidt als Geschäftsführer, <strong>der</strong><br />
Kaufmann Henry Paaby als Rechnungsprüfer und Hans<br />
Timm als Beisitzer gewählt. Die übrigen vier Männer bildeten<br />
den Aufsichtsrat. Sie wählten aus ihrer Mitte den<br />
Kaufmann Paul Loduchowski zum 1. Vorsitzenden und den<br />
Prokuristen Max Borstelmann zum 2. Vorsitzenden. Der<br />
Schriftsetzer Adolf Berendt übernahm das Amt des 1.<br />
Schriftführers und <strong>der</strong> Straßenbahner Franz Eichler das des<br />
2. Schriftführers. Die treibende Kraft bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> war ohne Zweifel Rudolf Schmidt.<br />
„Um von vornherein alle Streitigkeiten für die zukünftige<br />
Verwaltung auszuschalten“, brachte Hans Timm den<br />
Antrag ein, Schmidt „als zukünftigen Verwaltungsbeamten<br />
mit unkündbarem Vertrag und einem den Zeitverhältnissen<br />
und dem grade entsprechenden Gehalt einzusetzen“.<br />
Der Antrag wurde zwar einstimmig angenommen,<br />
vorerst musste jedoch ehrenamtlich gearbeitet werden.<br />
Die Geschäftsstelle befand sich in <strong>der</strong> Wohnung von<br />
Henry Paaby, Gneisenaustraße 40.<br />
Am 15. Oktober 1927 erschien <strong>der</strong> Vorstand beim Hamburger<br />
Amtsgericht, um die Registrierung zu beantragen.<br />
Unter <strong>der</strong> Nr. 538 wurde <strong>der</strong> „Gemeinnützige Bauverein<br />
für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg, eingetragene<br />
Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht“ am 21.<br />
Oktober 1927 im Genossenschaftsregister eingetragen. In<br />
<strong>der</strong> beim Amtsgericht eingereichten Satzung wurde die<br />
von Schmidt auf <strong>der</strong> Gründungsversammlung bereits<br />
umrissene Absicht, Klein- und Kleinstwohnungen zu<br />
bauen, weiter präzisiert. So sollte <strong>der</strong> Hauptzweck <strong>der</strong><br />
Genossenschaft darin bestehen, „Min<strong>der</strong>bemittelten ein<br />
ihrem Einkommen entsprechendes Heim – eine 2-Zimmerwohnung<br />
von etwa 50 Quadratmetern Wohnfläche –<br />
in eigens errichteten Hochbauten zu beschaffen.“ Auch<br />
war an kin<strong>der</strong>reiche Familien gedacht, die „durch raumsparende<br />
Ausnutzung <strong>der</strong> Räumlichkeit und dadurch<br />
erreichte Verbilligung <strong>der</strong> Miete eine 3-Zimmerwohnung<br />
[...], die eine Einbauküche, einen Zentralwohnraum und<br />
2 Schlafzimmer – in <strong>der</strong> Größe von etwa 65-80 Quadratmetern<br />
Wohnfläche –“ erhalten sollten. Eine Mitgliedschaft<br />
konnten alle volljährigen Personen erwerben. Das<br />
Eintrittsgeld betrug 5 Reichsmark (RM). Das Mitglied<br />
verpflichtete sich, mindestens ein Geschäftsanteil in<br />
Höhe von 50 RM zu erwerben. Der Anteil konnte in einer<br />
Summe o<strong>der</strong> zu monatlichen Raten von 5 RM eingezahlt<br />
werden. Die Beteiligung war auf 30 Geschäftsanteile<br />
begrenzt.<br />
Bereits auf <strong>der</strong> Genossenschaftsversammlung am 13.<br />
November 1927 berichtete Rudolf Schmidt über erfolgversprechende<br />
Verhandlungen bezüglich eines Bauvorhabens<br />
am Braußpark in Hamm mit knapp 200 Wohnungen.<br />
Vorstandsmitglied Hans Timm erwartete hingegen<br />
Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit<br />
durch die Hamburgische Beleihungskasse. Er hielt es<br />
deshalb für ratsam, „einflußreiche Herren als För<strong>der</strong>er“ in<br />
den Aufsichtsrat zu bitten. Der Vorstand glaubte, mit Hermann<br />
Paeplow eine geeignete Person gefunden zu haben,<br />
<strong>der</strong> für entsprechende Verhandlungen mit den Behörden<br />
und dem Architekten eine Vollmacht erhielt.<br />
Doch Paeplow erfüllte offensichtlich nicht die in ihn<br />
gesetzten Erwartungen. Schon wenige Wochen später<br />
wurde eine Verbindung zum Verband Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>,<br />
Gau Hamburg, aufgenommen. Rudolf Schmidt<br />
wollte damit seinen „Lieblingsgedanken“ verwirklichen<br />
und alle wohnungssuchenden <strong>Buchdrucker</strong> in <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
zusammenschließen. Der Vorstand nahm den<br />
Vorschlag an, weil die sieben Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
„fast alle <strong>Buchdrucker</strong> o<strong>der</strong> Angehörige“ waren und<br />
21
22<br />
„dadurch die Grundlage hierfür geschaffen“ war. Am 24.<br />
Januar 1928 stellten Rudolf Schmidt und ein Hausmakler<br />
dem Vorstand des Verbands <strong>der</strong> Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>,<br />
Gau Hamburg, ein zweites in Aussicht genommenes Projekt<br />
vor. Hierbei handelte es sich um ein Bauvorhaben in<br />
Barmbek-Nord zwischen <strong>der</strong> Meisenstraße und Lämmersieth.<br />
Schmidts Vorstellung fand Anerkennung, und die<br />
<strong>Buchdrucker</strong> beschlossen, die Genossenschaft moralisch<br />
zu unterstützen und dem Wohnblock nach Wiener Muster<br />
den Namen „Gutenberghof“ zu geben. Vereinbart wurde<br />
außerdem, dass <strong>der</strong> Gauvorstand eines seiner Mitglie<strong>der</strong> in<br />
den Aufsichtsrat <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> entsandte.<br />
Am 11. März 1928 beschloss eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />
den zunächst allgemein gehaltenen<br />
Paragraphen über die Mitgliedschaft folgen<strong>der</strong>maßen zu<br />
än<strong>der</strong>n: „Aufnahmefähig sind insbeson<strong>der</strong>e die Mitglie<strong>der</strong><br />
des Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>-Verbandes, Gau Hamburg<br />
(<strong>Buchdrucker</strong>-VereinHamburg-Altona)sowie<strong>der</strong>en Angehörige,<br />
soweit sie sich durch Verträge verpflichten können.“<br />
Die ersten acht Monate beschrieb Rudolf Schmidt im<br />
Mai 1928 als „dornenvollen Anfang“. Schwierigkeiten<br />
hatten nicht nur die Bemühungen um die Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Gemeinnützigkeit und die Suche nach einem „För<strong>der</strong>er“<br />
bereitet, auch personelle Verän<strong>der</strong>ungen mussten in<br />
<strong>der</strong> arbeitsintensiven Planungsphase bewältigt werden.<br />
Adolf Berendt verließ die Genossenschaft und übertrug<br />
im April 1928 seinen Geschäftsanteil auf den Schriftsetzer<br />
Willi Glass, <strong>der</strong> auch Berendts Aufsichtsratsmandat<br />
übernahm. Um die Satzungsbestimmung zu erfüllen, nach<br />
<strong>der</strong> in jedem Jahr einer von den auf drei Jahre gewählten<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> und einer <strong>der</strong> auf vier Jahre gewählten<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> ausscheiden musste, wurde die<br />
Amtsdauer zunächst per Los entschieden. Als Anfang<br />
1928 das Aufsichtsratsmitglied Eichler ausscheiden musste,<br />
kandidierte dieser nicht wie<strong>der</strong>. Statt seiner wurde <strong>der</strong><br />
im Februar 1928 als achtes Mitglied in die Genossenschaft<br />
aufgenommene Maschinensetzer Gustav Timm in den<br />
Aufsichtsrat gewählt. Darüber hinaus musste das<br />
zwischenzeitlich favorisierte Bauvorhaben Meisenstraße/<br />
Lämmersieth, das dem Vorstand <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> vorgestellt<br />
worden war, zurückgestellt werden, weil die<br />
hamburgische Baubehörde wegen <strong>der</strong> auf dem Nachbargrundstück<br />
geplanten Kirche nur eine dreigeschossige<br />
Bebauung zulassen wollte. Für die Genossenschaft stellte<br />
sich damit vermutlich die Frage <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
für dieses Vorhaben. Um eine weitere Verzögerung zu<br />
vermeiden, wurde deshalb am 24. März 1928 <strong>der</strong> bereits<br />
im Vorjahr anvisierte Bauplatz am Braußpark für<br />
300.000 RM erworben.<br />
Damit war es Rudolf Schmidt, <strong>der</strong> sich nach eigenen<br />
Angaben mit <strong>der</strong> „Materie“ <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>en auskannte,<br />
gelungen, einen ersten wichtigen Schritt zu vollziehen.<br />
Sein Konzept muss für die Kreditgeber überzeugend<br />
gewesen sein, denn das Eigenkapital beschränkte<br />
sich auf die Geschäftsanteile <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
– am 31. Dezember 1927 bei sieben Mitglie<strong>der</strong>n 350,-<br />
RM. Da mit Ausnahme von Gustav Timm zunächst keine<br />
weiteren Mitglie<strong>der</strong> aufgenommen worden waren, hatte<br />
sich auch das Eigenkapital bis zum Grundstückskauf nicht<br />
erhöht. Vielmehr mussten von den Geschäftsanteilen die<br />
laufenden Kosten beglichen werden, die im Jahr 1927<br />
trotz „enorme[r] Einschränkung“ 46,81 RM betragen hatten.<br />
Die Arbeitsbelastung, die die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong><br />
auf sich genommen hatten, brachte Henry Paaby auf<br />
<strong>der</strong> ersten ordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 15.<br />
April 1928 zum Ausdruck. Er berichtete, dass die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
jeden Tag ein bis vier Stunden ehrenamtlich<br />
für die Genossenschaft tätig gewesen seien. Paaby<br />
machte deutlich, dass die „reine Genossenschaftsarbeit“<br />
zwar weiterhin ehrenamtlich zu leisten sei, aber mit
Beginn <strong>der</strong> Bautätigkeit gemäß dem Beschluss <strong>der</strong><br />
Gründungsversammlung vom 27. September<br />
1927 Rudolf Schmidt als Geschäftsführer eingestellt<br />
werden müsse, um den zu erwartenden<br />
Arbeitsanfall bewältigen zu können.<br />
Im Frühjahr 1928 war das Bauvorhaben soweit<br />
vorangeschritten, dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> zu<br />
einer Vorstellung des Projekts „Brausspark“ am 6.<br />
Mai einlud. Etwa 400 Personen folgten <strong>der</strong> Einladung,<br />
die sich vor allem an wohnungssuchende<br />
Drucker gewandt hatte. Auf <strong>der</strong> Tagesordnung<br />
stand: „Bekanntgabe <strong>der</strong> Bedingungen über die<br />
Erlangung einer Wohnung“ und „Beschlussfassung<br />
über die Verteilung <strong>der</strong> Wohnungen nach<br />
dem Bebauungsplan“. Hans Timm erläuterte die<br />
Finanzierung und erklärte, dass 10 Prozent <strong>der</strong><br />
Kosten von <strong>der</strong> Genossenschaft als Eigenkapital<br />
aufzubringen seien. Dies entsprach einem Eigenkapital<br />
von 1.000 bis 1.300 RM pro Wohnung.<br />
Dem Vorstand war es gelungen, über ein Baukostenzuschussdarlehen<br />
auch einen Großteil dieses<br />
Geldes aufzubringen. Zur Finanzierung des<br />
Restbetrags entschied <strong>der</strong> Vorstand, dass die<br />
Interessenten je nach Wohnungsgröße – 2 Zimmer<br />
300 RM, 2 1/2 Zimmer 375 RM, 3 Zimmer<br />
<strong>45</strong>0 RM und 3 1/2 Zimmer 500 RM – aufzubringen<br />
hatten, das in Raten mit einem Drittel<br />
Anzahlung einzuzahlen war. Die Wohnungen<br />
sollten nach den eingehenden Anmeldungen<br />
und nach dem gewünschten Einzugsjahr <strong>der</strong> Anwärter<br />
vergeben werden. Eine Verlosung lehnte<br />
<strong>der</strong> Geschäftsführer ab.<br />
Auch die folgenden Wochen blieben für die<br />
Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> arbeitsreich und nicht<br />
alles verlief nach Plan. So hatte <strong>der</strong> für das<br />
Bis 1929 wurde <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> mehrmals geän<strong>der</strong>t.<br />
23
24<br />
Projekt in Hamm zuständige Architekt bei <strong>der</strong> Beleihungskasse<br />
als Bauherrn „Wohngemeinschaft Brausspark“<br />
angegeben. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden,<br />
wurde eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung einberufen,<br />
auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Genossenschaftsname in § 1 <strong>der</strong> Satzung<br />
in „Wohngemeinschaft Brausspark. Gemeinnütziger<br />
Bauverein für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg“<br />
geän<strong>der</strong>t wurde. Die Än<strong>der</strong>ung wurde am 28. Mai 1928 ins<br />
Genossenschaftsregister eingetragen.<br />
Darüber hinaus stellte die Beleihungskasse weitere<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen zur Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit.<br />
So musste eine Klausel eingefügt werden, die es erlaubte,<br />
den Vorstand und den Aufsichtsrat um jeweils zwei, also<br />
bis zu fünf bzw. sechs Mitglie<strong>der</strong>, zu erweitern. Außerdem<br />
wurde verlangt, dass <strong>der</strong> bisherige Gründungskreis von<br />
acht Mitglie<strong>der</strong>n durch die Aufnahme von Neumitglie<strong>der</strong>n<br />
erweitert wird. Die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong> hatten<br />
den Kreis <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bewusst klein gehalten. Sieben<br />
<strong>der</strong> acht Genossenschafter waren im Vorstand und Aufsichtsrat<br />
vertreten, so dass stets eine enge Abstimmung<br />
gewährleistet war und offizielle Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />
einen reibungslosen Verlauf garantierten. Auf <strong>der</strong> großen<br />
Versammlung für Wohnungsinteressierte wurde kein<br />
Hinweis auf den Erwerb einer Mitgliedschaft gegeben.<br />
Vermutlich wollten die Grün<strong>der</strong> an <strong>der</strong> bisherigen Praxis<br />
festhalten. Allerdings sprachen auch gute Gründe für eine<br />
Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Neuaufnahme. So hatten wie<strong>der</strong>holt<br />
unzuverlässige <strong>Baugenossenschaft</strong>en Genossenschaftsanteile<br />
ausgegeben und veruntreut. In diesem<br />
Zusammenhang führte <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende im<br />
Mai 1928 aus, dass „die Öffentlichkeit und insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Hamburg[ische]. Beleihungskasse neu gegründeten<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong>en sehr argwöhnisch gegenüber stehen“.<br />
Um den For<strong>der</strong>ungen nachzukommen, wurde<br />
beschlossen, dass „sämtliche Wohnungsanwärter, soweit<br />
sie <strong>Buchdrucker</strong> sind, [...] beim Amtsgericht [...] als<br />
Genossen eingetragen werden“.<br />
Einer außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung am<br />
22. Juni 1928 war die Aufnahme von drei neuen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />
vorausgegangen. Die beiden<br />
Schriftsetzer Hans Sauer und Richard Sonntag sowie <strong>der</strong><br />
<strong>Buchdrucker</strong> Kurt Müller gehörten zu den wohnungssuchenden<br />
Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong>n, die später Genossenschaftswohnungen<br />
in Hamm beziehen sollten. Auf <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>versammlung wurde entsprechend <strong>der</strong> neu<br />
gefassten Satzung <strong>der</strong> Vorstand um die bisherigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />
Gustav Timm und Willy Glass<br />
erweitert. Glass bezog später eine Wohnung im Braußpark<br />
Nr. 4. Den verbliebenen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n Paul<br />
Loduchowski und Max Borstelmann wurden die drei<br />
Neumitglie<strong>der</strong> an die Seite gestellt. Der sechste Platz im<br />
Aussichtsrat wurde für einen Vorschlag des Verbandes<br />
Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg, freigehalten.<br />
Mit <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Leitungsgremien wurden auch<br />
die Aufgaben neu verteilt. Während die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
Schmidt, Timm und Paaby ihre bisherigen Ämter<br />
beibehielten, fungierte Gustav Timm jetzt als Bauwart,<br />
und Willi Glass war zuständig für den Arbeitsausschuss.<br />
Loduchowski übte weiterhin den Aufsichtsratsvorsitz aus,<br />
Sauer wurde sein Stellvertreter. Borstelmann war 1.<br />
Schriftführer und kaufmännischer Berater, Sonntag 2.<br />
Schriftführer und Müller Beisitzer.<br />
Bereits vier Tage später tagte <strong>der</strong> Vorstand um zum<br />
erstenmal eine größere Zahl von Neumitglie<strong>der</strong>n aufzunehmen.<br />
46 <strong>Buchdrucker</strong> mit den Eintrittsnummern 13<br />
bis 58 wurden nun Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>. Am 2. Juli<br />
1928 folgten 16 <strong>Buchdrucker</strong> und bis zum Monatsende<br />
weitere 22. Zur außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
am 9. August 1928 erschienen 78 <strong>der</strong> inzwischen 96<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>. Die Versammlung, die nun
nicht mehr wie bisher in <strong>der</strong> Privatwohnung des<br />
Geschäftsführers Rudolf Schmidt stattfinden konnte,<br />
tagte im Lokal „Zur Hohenfel<strong>der</strong> Schäferhütte“, Lübecker<br />
Straße 84. Erneut mussten Satzungsän<strong>der</strong>ungen durchgeführt<br />
werden, um weitere For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Beleihungskasse<br />
zur Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit zu erfüllen.<br />
Darüber hinaus hatte die Beleihungskasse wenige Tage vor<br />
<strong>der</strong> Versammlung mitgeteilt, dass neue Richtlinien in <strong>der</strong><br />
Vorbereitung seien, die grundlegende Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Statuten für alle gemeinnützigen Genossenschaften und<br />
solche, die es werden wollen, beinhalteten. Um weitere<br />
aufwendige Mitglie<strong>der</strong>versammlungen zu vermeiden,<br />
beantragte <strong>der</strong> Geschäftsführer Schmidt für den Vorstand<br />
und den Aufsichtsrat eine Vollmacht zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Statuten. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.<br />
Noch am gleichen Tag tagten die Führungsgremien und<br />
beschlossen einstimmig, das Baudarlehen nach Größe<br />
gestaffelt auf 600, 700, 800 und 900 RM festzusetzen,<br />
wobei darin ein Unkostenbeitrag von 50 RM enthalten<br />
war. Damit kam die Genossenschaft <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Beleihungskasse nach, die die Einzahlung des Baudarlehens<br />
jeweils in Höhe einer Jahresmiete gefor<strong>der</strong>t hatte.<br />
Obwohl das Großprojekt sich noch in <strong>der</strong> Planungsphase<br />
befand und bei <strong>der</strong> Finanzierung nachgebessert<br />
werden musste, befasste sich die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
bereits mit einem weiteren Bauvorhaben. Wie aus dem<br />
Namen <strong>der</strong> Genossenschaft hervorging, sollte sich die<br />
Bautätigkeit nicht auf das Hamburger Staatsgebiet beschränken,<br />
son<strong>der</strong>n sich auf Groß-Hamburg erstrecken.<br />
Am 9. August 1928 erhielt <strong>der</strong> Vorstand die Genehmigung,<br />
zum Kauf eines Bauplatzes im damals noch zu<br />
Schleswig-Holstein gehörenden Altona, Ecke Legienstraße<br />
und Friedensallee, in Verhandlungen einzutreten.<br />
Einen Monat später konnte auch <strong>der</strong> sechste, noch offene<br />
Aufsichtsratsposten besetzt werden. Dem Vorstands-<br />
mitglied des Verbands Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg,<br />
Max Cohn, sollte <strong>der</strong> Sitz angeboten werden. Als<br />
am 19. September 1928 weitere 11 <strong>Buchdrucker</strong> mit den<br />
Eintrittsnummern 97 bis 107 aufgenommen wurden, war<br />
auch Max Cohn als 100. Mitglied <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
darunter.<br />
Für weitere Unannehmlichkeiten sorgte <strong>der</strong> im August<br />
beschlossene Beitritt zur „DEWOG-Revisions-Vereinigung“<br />
in Berlin. Der Revisionsverband gemeinnütziger<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong>en erklärte die bestehende Satzung für<br />
ungenügend, da sie den reichsgesetzlichen Bestimmungen<br />
nicht entspreche. Die DEWOG empfahl dringend die<br />
Annahme ihrer Mustersatzung. Da auch die Beleihungskasse<br />
in verschiedenen Punkten Än<strong>der</strong>ungen wünschte,<br />
entschieden sich Vorstand und Aufsichtsrat für die Übernahme<br />
<strong>der</strong> Mustersatzung und beriefen hierfür eine außerordentliche<br />
Mitglie<strong>der</strong>versammlung ein. Am 7. Oktober<br />
1928 wurde die neue Satzung verabschiedet. Sie entsprach<br />
den Vorgaben <strong>der</strong> DEWOG und enthielt nur Beson<strong>der</strong>heiten<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> wie die bevorzugte Aufnahme<br />
von Mitglie<strong>der</strong>n des Deutschen <strong>Buchdrucker</strong> Verbandes,<br />
Gau Hamburg. Auch wurde <strong>der</strong> Geschäftsanteil von<br />
ursprünglich 50 RM auf 300 RM angehoben. Erlaubt war<br />
jetzt <strong>der</strong> Erwerb von höchstens 10 Geschäftsanteilen.<br />
Hintergrund dieser Verän<strong>der</strong>ung waren vermutlich Haftungsgründe,<br />
denn für jeden Geschäftsanteil betrug die<br />
Haftsumme300RM.DassdieMitglie<strong>der</strong>nichtnochzusätzlich<br />
belastet werden sollten, wird in einem geson<strong>der</strong>ten<br />
Beschluss deutlich. Danach sollten alle zukünftigen Mieter<br />
<strong>der</strong> Wohnanlage Braußpark, die ohnehin durch das Baudarlehen<br />
belastet waren, zunächst nur eine Anzahlung auf<br />
einen Geschäftsanteil in Höhe von 50 RM leisten. Bei <strong>der</strong><br />
Rückzahlung des Baudarlehens sollte dann später <strong>der</strong><br />
Geschäftsanteil auf 300 RM ergänzt werden. Von allen<br />
übrigen, als „För<strong>der</strong>er“ bezeichneten Genossenschafts-<br />
25
26<br />
Nach <strong>der</strong> Aufnahme von Sauer, Müller und Sonntag, die in den Aufsichtsrat gewählt wurden, begann am 30. Juni 1928 die Registrierung<br />
einer größeren Zahl von Mitglie<strong>der</strong>n.
mitglie<strong>der</strong>n wurde ebenfalls nur die Zahlung von 50 RM<br />
erwartet. Da <strong>der</strong> Beschluss <strong>der</strong> Satzung wi<strong>der</strong>sprach, konnte<br />
er nicht umgesetzt werden. Tatsächlich zahlten alle Mitglie<strong>der</strong><br />
einen Geschäftsanteil über 300 RM ein. Auch die<br />
Mitbestimmungsrechte <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
wurden reduziert. Die in <strong>der</strong> ursprünglichen Satzung vorgesehene<br />
Wahl des Vorstandes durch die Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
wurde gestrichen. Die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
sollten zukünftig vom Aufsichtsrat auf unbestimmte Zeit<br />
ernannt werden.<br />
Ein Jahr intensiver ehrenamtlicher Arbeit war vergangen,<br />
bis nun sowohl hinsichtlich <strong>der</strong> personellen Besetzung<br />
als auch <strong>der</strong> satzungsmäßigen Bestimmungen eine<br />
solide Grundlage für die kommenden Jahre geschaffen<br />
worden war. Der Name <strong>der</strong> Genossenschaft war allerdings<br />
noch ein Provisorium geblieben. Im Juni 1928 beschloss<br />
die Mitglie<strong>der</strong>versammlung, die Bezeichnung „Wohngemeinschaft<br />
Brausspark“ nach <strong>der</strong> Fertigstellung des ersten<br />
Bauabschnitts zu streichen und wie<strong>der</strong> den alten Titel mit<br />
dem Zusatz „<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ zu führen.<br />
Vorübergehend nannte sich die Genossenschaft<br />
daher: „Wohngemeinschaft Brausspark. Gemeinnütziger<br />
Bauverein für Kleinwohnungen von Groß-Hamburg<br />
e.G.m.b.H. (<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>)“. Ab<br />
dem 10. August 1928 hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> ihre<br />
Geschäftsstelle in <strong>der</strong> Wohnung von Geschäftsführer<br />
Rudolf Schmidt, Hohensteiner Straße 3.<br />
Nachdem die Anfangsschwierigkeiten weitgehend überwunden<br />
waren, zeigte sich allerdings auch, dass sich die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> von ihrer Gründungsidee, „Min<strong>der</strong>bemittelten“<br />
und „kin<strong>der</strong>reichen Genossen“ preisgünstige<br />
Wohnungen zur Verfügung zu stellen, bereits deutlich entfernthatte.ZwarwurdeandiesemZielauchin<strong>der</strong>neuenSatzung<br />
festgehalten, doch mit <strong>der</strong> Ausrichtung auf die <strong>Buchdrucker</strong><br />
hatte sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> einer Klientel<br />
von gut verdienenden Facharbeitern zugewandt. Auch<br />
hatten sich die finanziellen Anfor<strong>der</strong>ungen gegenüber<br />
den ersten Plänen vervielfacht. Nicht <strong>der</strong> Erwerb eines<br />
Geschäftsanteilsüber50RMwarjetztausreichend,son<strong>der</strong>n<br />
die Anzahlung auf einen Anteil in gleicher Höhe, die Einzahlung<br />
eines Baudarlehens in Höhe von 700 RM für eine 2<br />
1/2ZimmerwohnungunddieHaftungmit300RM.Dietatsächlich<br />
zu zahlenden 750 RM entsprachen etwa dreieinhalb<br />
Monatslöhnen eines gut verdienenden Druckers.<br />
Die Gemeinnützigkeit wurde <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
durch die zuständige Kommission <strong>der</strong> Hamburgischen<br />
Beleihungskasse am 6. Dezember 1929 zuerkannt. Auch<br />
gegen die gewünschte Än<strong>der</strong>ung des Firmennamens<br />
bestanden keine Einwände, so dass beim Amtsgericht die<br />
Umbenennung <strong>der</strong> Genossenschaft in „<strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>“ beantragt wurde. Dementsprechend<br />
wurde <strong>der</strong> Eintrag ins Genossenschaftsregister am<br />
29. Dezember 1929 geän<strong>der</strong>t.<br />
Der <strong>Baugenossenschaft</strong> wurden durch die Befreiung von<br />
<strong>der</strong> Stempelabgabe und von <strong>der</strong> Körperschaftssteuer weitere<br />
Vergünstigungen gewährt. Durch eine Verordnung<br />
des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 wurde die<br />
Gemeinnützigkeit vorübergehend in Frage gestellt. Einem<br />
Antrag <strong>der</strong> Genossenschaft vom 23. Dezember 1931 um<br />
Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen<br />
gab die Finanzdeputation nicht statt. Erst nachdem<br />
die <strong>Baugenossenschaft</strong> beim Verwaltungsgericht Klage<br />
eingereicht hatte, wurde dem Antrag am 3. März 1933<br />
stattgegeben.<br />
Am 1. Juni 1930 wurde die Geschäftsstelle <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> ins Nachbarhaus, Hohensteiner<br />
Straße Nr. 1, Parterre, verlegt. Die Sprechzeiten<br />
fanden dienstags und freitags von 19.30 bis 20.30 Uhr<br />
statt. Sonnabends wurde eine Sprechstunde im Gewerkschaftshaus<br />
am Besenbin<strong>der</strong>hof durchgeführt.<br />
27
28<br />
WOHNANLAGE BRAUSSPARK<br />
Die Finanzierung<br />
Obwohl zwischenzeitlich ein Bauvorhaben in Barmbek-<br />
Nord favorisiert worden war, blieb das Projekt, mit dem<br />
sich die Genossenschaft nach ihrer Gründung<br />
zunächst befasste, das erste Bauvorhaben, das<br />
überhaupt realisiert wurde.<br />
Der Kaufvertrag für das Grundstück wurde<br />
bereits im März 1928 geschlossen, doch die<br />
Finanzierung des Projekts war noch keineswegs<br />
gesichert. Die Beschaffung <strong>der</strong> finanziellen<br />
Mittel in Höhe von 1,25 Millionen Reichsmark<br />
auf dem Kapitalmarkt bereitete große<br />
Schwierigkeiten. So berichtete Geschäftsführer<br />
Schmidt im Juni 1928: „Wo wir uns jetzt um<br />
Geld bemühen, ist uns gesagt worden: ‘Machen<br />
Sie doch eine G.m.b.H.’.“ Auch <strong>der</strong> Direktor<br />
<strong>der</strong> Hamburger Sparkasse hatte sich dahingehend<br />
geäußert, dass eine Gesellschaft schneller<br />
Geld bekomme als eine Genossenschaft. An<br />
<strong>der</strong> genossenschaftlichen Organisation wurde<br />
allerdings festgehalten, auch wenn hier bereits<br />
die später durchgeführte Ernennung <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
auf unbestimmte Zeit<br />
beschlossen wurde. Die Protagonisten versprachen<br />
sich davon, dass „die geschäftliche<br />
Abwicklung stets eine stabile sein“ würde, „und die Kreditwürdigkeit<br />
[...] gesichert“ sei. Tatsächlich wurde im<br />
Oktober 1928 in <strong>der</strong> neuen Satzung die Ernennung <strong>der</strong><br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> durch den Aufsichtsrat festgelegt.<br />
Als Vorbild dienten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> an<strong>der</strong>e Genossenschaften,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Hamburger ‘Produktion’.<br />
Die Bemühungen um die Finanzierung des Bauvorhabens<br />
kamen unterdessen nur schleppend voran. Am 10.<br />
September 1928 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat,<br />
„demnächst <strong>der</strong> Zentrale des <strong>Buchdrucker</strong>-Verbandes ein<br />
Hypothekengesuch zu unterbreiten.“ Gut zwei Wochen<br />
später unterrichtete Geschäftsführer Schmidt Vorstand<br />
und Aufsichtsrat ausführlich über den weiterhin uner-<br />
Braußpark - Blick auf das Gelände vor <strong>der</strong> Aufhöhung. Die Straße „Braußpark“<br />
wurde von 1912 bis 1914 angelegt.<br />
freulichen Sachstand in <strong>der</strong> Finanzierungsfrage: „Schmidt<br />
erklärte, daß das Bauvorhaben Brausspark baupolizeilich<br />
in Ordnung ist. Lei<strong>der</strong> sind wir noch nicht in <strong>der</strong> Lage, bei<br />
<strong>der</strong> Beleihungskasse betr. Vorbescheides etwas zu unternehmen,<br />
weil die Unterlagen zur Deckung <strong>der</strong> restlichen<br />
10 Prozent nicht in Ordnung ist. Ebenso ist <strong>der</strong> Beitritt<br />
zum Revisionsverband noch nicht erfolgt. Die Beschaffung<br />
<strong>der</strong> I. Hypothek, die wir bei <strong>der</strong> Hanseatischen
Versicherungsanstalt zu Lübeck beantragt haben, wird<br />
Anfang Oktober in einer Sitzung entschieden. Verlangt<br />
wird dazu [...] <strong>der</strong> Vorbescheid <strong>der</strong> Bel. Kasse, den wir bis<br />
dahin kaum beschaffen können.“<br />
Auf <strong>der</strong> außerordentlichen Generalversammlung am 23.<br />
Dezember 1928 wurde erklärt, dass nun „in absehbarer<br />
Zeit“ mit <strong>der</strong> Bautätigkeit begonnen werden<br />
könne. Dabei hatte sich unter den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />
Unmut über die Verzögerungen<br />
gezeigt. Aufsichtsratsmitglied Cohn<br />
versuchte, die Gemüter zu beruhigen, und verwies<br />
„unter Vergleichziehung mit an<strong>der</strong>en<br />
Genossenschaften [...], daß unsere Genossenschaft<br />
innerhalb eines Jahres schon bedeutende<br />
Fortschritte zu verzeichnen hätte“. Die<br />
ebenfalls demnächst erwartete Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Gemeinnützigkeit verzögerte sich hingegen<br />
noch um fast ein Jahr.<br />
Die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong><br />
Geldmittel waren vermutlich die wesentlichen<br />
Gründe für die Aufteilung des Bauprojekts in<br />
fünf Abschnitte. Immerhin gelang es Anfang<br />
1929, die Finanzierung <strong>der</strong> beiden ersten Bauabschnitte<br />
– Braußpark Nr. 2-4, Eitzensweg<br />
Nr. 4 und Wicherns Garten Nr. 1 - 7 –<br />
sicherzustellen. Dabei hatte sich die freigewerkschaftlich-sozialdemokratische<br />
Ausrichtung <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> mit <strong>der</strong> Anlehnung an die <strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft<br />
offensichtlich ausgezahlt. Die politischen<br />
Verbindungen reichten über den Vorsitzenden des<br />
Verbands Deutscher <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg, und<br />
SPD-Bürgerschaftsabgeordneten, Friedrich Runtzler, bis<br />
zu den im Rathaus regierenden Sozialdemokraten. Nicht<br />
weniger wichtiger war die <strong>der</strong> gleichen Genossenschaftsrichtung<br />
angehörende Hamburger ‘Produktion’ – kurz<br />
‘PRO’ –, in <strong>der</strong>en Leitungsgremien Sozialdemokraten und<br />
Gewerkschafter saßen. Die ‘PRO’ war eine <strong>der</strong> stärksten<br />
Genossenschaften im Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften<br />
Hamburg. Sie hatte 1930 in Hamburg<br />
und Umgebung 128.631 Mitglie<strong>der</strong>. Die ‘PRO’ unterhielt<br />
254 Kolonialwarenläden, 118 Schlachtereien, 92 Brot-<br />
Ecke Wicherns Garten/Eitzensweg mit <strong>der</strong> Schlachterei <strong>der</strong> „Produktion“ (ca.1930).<br />
läden und 2 Kaufhäuser. In 4 Bäckereien, 2 Molkereien, 1<br />
Fleischwarenfabrik, 1 Kaffeerösterei, 1 Kellerei, 1 Möbelfabrik<br />
und mehreren Mühlen wurden eigene Produkte<br />
hergestellt. Die ‘PRO’ hatte 1930 einen Umsatz von fast<br />
85 Millionen Reichsmark und beschäftigte 4.629 Mitarbeiter.<br />
Die <strong>Buchdrucker</strong> waren in <strong>der</strong> Konsumgenossenschaft<br />
mit 1.467 Mitglie<strong>der</strong>n vertreten. Damit war ein<br />
Großteil <strong>der</strong> etwa 4.000 gewerkschaftlich organisierten<br />
<strong>Buchdrucker</strong> zugleich Mitglied <strong>der</strong> ‘PRO’.<br />
29
30<br />
Bei <strong>der</strong> ‘PRO’ fand die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
finanzielle Unterstützung für das Bauprojekt in<br />
Hamm. 520.000 RM stellte die Konsumgenossenschaft<br />
zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent zur Verfügung. Das<br />
waren 52 Prozent <strong>der</strong> durch Hypotheken gesicherten<br />
Kreditsumme für die ersten beiden Bauabschnitte. Die<br />
Hamburgische Beleihungskasse war mit 425.000 RM<br />
beteiligt. Weitere 42.000 RM wurden von zwei Privatpersonen<br />
eingebracht, darunter mit 15.000 RM <strong>der</strong><br />
mit <strong>der</strong> Bauausführung beauftragte Unternehmer Oscar<br />
Müller.<br />
Die ‘PRO’ verband mit ihrem Engagement das eigene<br />
Interesse an neuen Verkaufsstandorten. So wurde in den<br />
ursprünglichen Bauplan eine Ladenzeile aufgenommen, in<br />
<strong>der</strong> die ‘PRO’ einen Schlachterladen, einen Kolonialwarenladen<br />
und einen Brotladen einrichtete. Die Eröffnung<br />
einer solchen Ladengruppe entsprach <strong>der</strong> von <strong>der</strong> ‘PRO’<br />
angestrebten Angebotspalette.<br />
Die Bauanzeige für den Baubeginn <strong>der</strong> Wohnanlage am<br />
Braußpark ging bei <strong>der</strong> Baupolizei am 18. April 1929 ein.<br />
Nach vorbereitenden Arbeiten begann am 10. Juli 1929<br />
das Rammen <strong>der</strong> Pfähle, eine bautechnische Notwendigkeit<br />
zur Gründung <strong>der</strong> Häuser im Hammer Marschboden.<br />
Der erste Bauabschnitt umfasste den Braußpark und den<br />
Eitzensweg mit den hier geplanten Läden. Die Schlussbesichtigung<br />
durch die Baupolizei fand am 1. April 1930<br />
statt. Die Häuser des zweiten Bauabschnitts im Wicherns<br />
Garten wurden vier Wochen später abgenommen und<br />
schon am 1. Mai 1930 bezogen.<br />
Um den finanziellen Spielraum <strong>der</strong> Genossenschaft zu<br />
erweitern, empfahl Geschäftsführer Schmidt den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 28. April 1929 eine<br />
Beteiligung an <strong>der</strong> eingerichteten „Bausparkasse“. Im<br />
Dezember wurde die Höhe <strong>der</strong> angestrebten Spareinlage<br />
auf 200.000 RM festgelegt.<br />
Als Geschäftsführer Schmidt am 1. Juni 1930 den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
erneut über die Wohnungsbaufinanzierung<br />
berichtete, hatten sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
nachhaltig verschlechtert. Der Börsenkrach<br />
vom 25. Oktober 1929 hatte die Weltwirtschaft<br />
in eine Krise gestürzt. In Deutschland stärkten Massenarbeitslosigkeit<br />
und leere Staatskassen die Nationalsozialisten.<br />
Die innenpolitischen Verhältnisse führten schließlich<br />
zum Zusammenbruch <strong>der</strong> Weimarer Republik.<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> war durch die Ereignisse in zweifacher<br />
Weise betroffen. Zum einen konnten die arbeitslos<br />
gewordenen Mieter ihre Miete nicht mehr aufbringen,<br />
zum an<strong>der</strong>en versiegte die staatliche Unterstützung für die<br />
Finanzierung <strong>der</strong> weiteren Bauabschnitte. Auch in Hamburg<br />
wurde die „Hauszinssteuer“ zunehmend verwendet,<br />
um Lücken im Haushalt zu füllen. Schmidt berichtete,<br />
„mit welchen gewaltigen Schwierigkeiten die Beschaffung<br />
<strong>der</strong> I. Hypothek verbunden ist. Auch die Beschaffung des<br />
Zwischenkredits, welchen wir von <strong>der</strong> Bel. Kasse erbeten<br />
hatten, war absolut keine Kleinigkeit. Die Bel. Kasse lehnte<br />
unsere diesbez. gestellte Anfrage stets prompt ab, mit<br />
dem Bemerken, daß z. Zt. kein Geld vorhanden sei.“ Erst<br />
das persönliche Gespräch mit Beleihungskassendirektor<br />
Max Leuteritz, Sozialdemokrat und Präsident <strong>der</strong> Hamburgischen<br />
Bürgerschaft, machte die Bewilligung des<br />
Zwischenkredits in dieser schwierigen Zeit möglich. Mit<br />
dem Baubeginn des III. Abschnitts, Braußpark Nr. 14-20,<br />
für den bisher lediglich die Pfahlgründung ausgeführt worden<br />
war, konnte nach Einschätzung des Geschäftsführers<br />
in Kürze gerechnet werden, da die Verhandlungen mit <strong>der</strong><br />
Hamburgischen Baukasse AG kurz vor dem Abschluss<br />
standen. Allerdings for<strong>der</strong>te die Wirtschaftskrise auch<br />
hier ihren Preis. Nur durch eine Auslandshypothek zu<br />
einem Zinssatz von 8 3/4 Prozent konnten 262.000 RM<br />
beschafft werden. Das war <strong>der</strong> mit Abstand höchste Zins-
satz für das gesamte Bauprojekt. Auch hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
für den 40 Wohnungen umfassenden IV.<br />
Bauabschnitt von Leuteritz einen Vorbescheid erhalten,<br />
so dass auch hier mit den Gründungsarbeiten begonnen<br />
werden konnte. Neben <strong>der</strong> Beleihungskasse mit ihren<br />
staatlichen Krediten beteiligten sich am IV. und V. Bauabschnitt<br />
die Thüringische Landeshypothekenbank und<br />
die Hamburger Sparcasse von 1827.<br />
Die Bauausführung<br />
Das Baugrundstück am Braußpark umfasste etwa 6.800<br />
qm zwischen den Straßen Eiffestraße, Braußpark,<br />
Wicherns Garten und dem noch anzulegenden Eitzensweg.<br />
Es lag in <strong>der</strong> Hammer Marsch, die seit 1906 durch<br />
Sand aus den Boberger Dünen um mehr als 5 Meter aufgefüllt<br />
und so zur Besiedelung vorbereitet worden war. Das<br />
Grundstück wurde von <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> mit einer<br />
fertigen Bauplanung des Architekten Schöttler gekauft,<br />
<strong>der</strong> zugleich <strong>der</strong> bisherige Grundeigentümer gewesen war.<br />
Der Entwurf des Architekten sah eine Wohnanlage mit<br />
197 Wohnungen vor. Der fünfgeschossige – im Wicherns<br />
Garten viergeschossige – Bau mit Keller und Dachboden<br />
war als halbgeschlossener, rechteckiger Block vorgesehen,<br />
<strong>der</strong> zum Wicherns Garten auf einer Länge von 64 Metern<br />
geöffnet sein sollte. Schöttler hatte 35 Wohnungen mit 2<br />
Zimmern, 129 Wohnungen mit 2 1/2 Zimmern, 24 Wohnungen<br />
mit 3 Zimmern und 9 Wohnungen mit 3 1/2 Zimmern<br />
vorgesehen. An <strong>der</strong> ursprünglichen Planung wurde<br />
im Wesentlichen festgehalten, dennoch gab es gravierende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen. Entlang des Eitzenswegs wurde eine<br />
Ladenzeile eingerichtet. Außerdem wurden die zum Teil<br />
zum Innenhof gelegenen Treppenhäuser an die Straßen<br />
verlegt o<strong>der</strong> aber ein Zugang von <strong>der</strong> Straße geschaffen.<br />
Die größten Auswirkungen hatte die Aufgabe <strong>der</strong> im<br />
ersten Entwurf verwirklichten Querlüftung aller Woh-<br />
nungen. Die dabei vorgesehene Erschließung von jeweils<br />
zwei Wohnungen auf einer Treppenhausetage wurde<br />
zugunsten eines „Dreispänners“ aufgegeben. Jeweils eine<br />
<strong>der</strong> drei Wohnungen pro Etage hatte damit nicht die Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Querlüftung. Die Wohnungsgrößen wurden<br />
deutlich reduziert. Während es sich im Entwurf vor allem<br />
um 2 1/2-Zimmer-Wohnungen mit etwa 62 qm handelte,<br />
wurden in den ersten beiden Bauabschnitten sehr viel<br />
mehr 2-Zimmer-Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen<br />
51 und 53 qm gebaut. Insgesamt konnte durch den<br />
kleineren Zuschnitt trotz <strong>der</strong> zusätzlichen Einrichtung <strong>der</strong><br />
Ladenzeile die Zahl <strong>der</strong> Wohnungen noch auf 208 erhöht<br />
werden. Auch wurden im Wicherns Garten Nr. 7 bisher<br />
nicht vorgesehene 1 1/2-Zimmer-Wohnungen mit 48 qm<br />
gebaut. Ihnen gegenüber lagen 3-Zimmer-Wohnungen mit<br />
70 qm, die zugleich den Abschluss <strong>der</strong> Blocks bildeten.<br />
Die Wohnanlage wurde als Klinkerbau ausgeführt und<br />
mit Loggien ausgestattet. Die Häuser Eitzensweg Nr. 4<br />
und Wicherns Garten Nr. 1-7 hatten 28 Loggien. Die<br />
Treppenhauseingänge waren mit einem Terrazzofußbodenbelag<br />
versehen. In den Wohnungen hatte die Küche<br />
eine Herdvorlage, und die Wände waren bis zur Höhe<br />
von 1,4 m mit glasierten Wandplatten ausgestattet. Die<br />
Badezimmer hatten einen Steinholzfußbodenbelag, die<br />
Loggien Asphaltbelag. Oberhalb <strong>der</strong> massiven Kellerdecke<br />
hatten alle Geschosse hölzerne Balkenlagen und<br />
Redpinefußbodenbelag. Alle Wohnungen waren an das<br />
Siel- und Wassernetz angeschlossen, verfügten über<br />
einen Kochgasanschluss und hatten eine Klingelanlage.<br />
Alle Räume waren mit elektrischem Licht ausgestattet.<br />
In den Treppenhäusern wurde eine drei Minutenlichtanlage<br />
installiert. Jede Wohnung verfügte über ein eigenes<br />
Klo mit Waschbecken. Von den <strong>45</strong> Wohnungen im Eitzensweg<br />
Nr. 4 und Wicherns Garten Nr. 1 - 7 hatten nur<br />
17 ein eigenes Bad mit einer emaillierten Badewanne.<br />
31
32<br />
Das Badewasser musste in einem Ofen für Kohlefeuerung<br />
erhitzt werden. Die Küchen mit angrenzen<strong>der</strong> Speisekammer<br />
waren mit einem Kachelherd und einem Feuertonausguss<br />
ausgestattet. Die Zimmer konnten mit freistehenden<br />
Kachelöfen o<strong>der</strong> eisernen Öfen beheizt<br />
werden. Die hölzernen Fußbodenbeläge wurden geölt und<br />
lackiert. Die inneren Decken und Wandflächen erhielten,<br />
sofern keine Wandplatten angebracht wurden, einen<br />
Leimfarbenanstrich. Im Kellergeschoss gab es neben 53<br />
Vorratsräumen und 5 mit feuerhemmenden Türen versehenen<br />
Mülleimerräumen 5 Waschküchen und 3 Badezimmer.<br />
Die Waschküchen verfügten über emaillierte<br />
Spülwannen und kupferne Waschkesselöfen. Im Dachgeschoss<br />
befanden sich 5 Trockenböden und 10 Vorböden<br />
mit abgetrennten Bodenräumen.<br />
Die Schlachterei an <strong>der</strong> Ecke Eitzensweg/Wicherns Garten<br />
verfügte über einen eigenen Kühlraum, <strong>der</strong> maschinell<br />
mit einer „Autofrigor-Kältemaschine“ unter Verwendung<br />
von Chlormetyl gekühlt wurde. Schlachterladen<br />
und Kühlraum hatten einen Terrazzofußboden, die Wände<br />
waren mit glasierten Wandplatten bis zu einer Höhe von<br />
2,40 m umkleidet. Darüber hinaus gab es zwei weitere<br />
hölzerne Kühlschränke. Für den Aufenthaltsraum wurde<br />
eine Nie<strong>der</strong>druckwarmwasserheizung betrieben.<br />
Der Verzicht auf eine generelle Querlüftung und die Verringerung<br />
<strong>der</strong> Wohnungsgrößen waren nicht die einzigen<br />
Kompromisse.AuchaufeinezunächstgeplanteZentralheizungwurdeausKostengründenbereitsfrühzeitigverzichtet.<br />
Bereits in die ersten fertig gestellten Wohnungen zogen<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Vorstands und des Aufsichtsrats ein.<br />
Doch nicht alle Konflikte konnten einvernehmlich<br />
geregelt werden. Ende Juni 1931 beschwerten sich Anwohner<br />
im Eitzensweg über die Motorengeräusche <strong>der</strong> Kühlanlage<br />
in <strong>der</strong> Schlachterei bei <strong>der</strong> Baupolizei. Zwar wurde<br />
<strong>der</strong> Motor durch eine „Kork-Gummi-Isolierung“ vom Auflager<br />
getrennt und damit eine Verbesserung erreicht, bei<br />
einer Überprüfung wurde jedoch festgestellt, dass „das<br />
Summen in <strong>der</strong> Wohnung über dem Kühlhaus immer<br />
noch recht störend“ sei. Wie<strong>der</strong>holt wurden auf den Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />
auch bauliche Mängel beklagt,<br />
wobei sich die Genossenschaft umgehend um die Behebung<br />
bemühte. Das Explosionsunglück am 8. Januar 1931<br />
im Erdgeschoss des gerade erst fertiggestellten Hauses<br />
Braußpark Nr. 16, bei dem <strong>der</strong> Bewohner ums Leben kam,<br />
war unterdessen nicht auf eine mangelhafte Installation<br />
<strong>der</strong> Gasanlage zurückzuführen. Das Unglück wurde durch<br />
einen halb geöffneten Gashahn ausgelöst. Das ausströmende<br />
Gas hatte sich am Feuer im Küchenherd entzündet.
DIE KRISE<br />
Auch in Hamburg hatte die Weltwirtschaftskrise katastrophale<br />
Folgen. Die Zahl <strong>der</strong> Arbeitsuchenden stieg von<br />
50.000 im Jahre 1928 auf fast 165.000 Ende 1932.<br />
Die Arbeitslosenquote lag bei 38 Prozent. Kürzungen bei<br />
den Versicherungsleistungen und Lohnsenkungen verschärften<br />
die Situation.<br />
In gut zweieinhalb Jahren – von September 1927 bis zum<br />
April 1930 – war es den Genossenschaftsgrün<strong>der</strong>n gelungen,<br />
ein Wohnprojekt mit über 200 Wohnungen zu initiieren<br />
und die ersten Wohnungen zu beziehen. Die Zahl <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> stieg bis Ende 1930 auf 275. Seit <strong>der</strong> Gründung<br />
waren insgesamt 340 Personen <strong>der</strong> Genossenschaft beigetreten.<br />
65 traten wie<strong>der</strong> aus, wobei 24 Mitglie<strong>der</strong> ihre<br />
Geschäftsanteile auf an<strong>der</strong>e übertrugen. Allerdings war<br />
schon in den Jahren 1929 und 1930 eine deutliche Verän<strong>der</strong>ung<br />
zu erkennen. Es hatten sich nicht nur die Abgänge<br />
von 20 auf <strong>45</strong> mehr als verdoppelt, auchdasVerhältniszwischen<br />
Austritt und Übertragung hatte sich verschoben.<br />
Während 1929 noch fast Zweidrittel <strong>der</strong> Abgänge auf<br />
Übertragungen zurückzuführen waren, lag 1930 die Zahl<br />
<strong>der</strong> Austritte dreimal so hoch wie die <strong>der</strong> Übertragungen.<br />
Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach <strong>der</strong> Satzung eine<br />
Kündigung <strong>der</strong> Mitgliedschaft und damit die Auszahlung<br />
des Geschäftsanteils erst zum Ende des darauffolgenden<br />
Geschäftsjahres erfolgen konnte, also musste mindestens<br />
ein Jahr im voraus gekündigt werden. Es kann daher angenommen<br />
werden, dass die erhöhte Zahl <strong>der</strong> Austritte im<br />
Jahre 1930 bereits auf die finanziellen Probleme von<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n zurückzuführen war.<br />
Ende 1930 lagen bereits 43 Kündigungen zum 31.<br />
Dezember 1931 vor. Angesichts <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise<br />
waren weitere Austritte vorherzusehen. Ob diese Befürchtungen<br />
den Anlass dafür gaben, die Kündigungsfrist auf<br />
zwei Jahre zu verlängern, ist nicht bekannt. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
am 28. Juni 1931 wurde jedenfalls<br />
mit <strong>der</strong> neuen Satzung auch die geän<strong>der</strong>te Frist verabschiedet.<br />
Nur wer bis dahin gekündigt hatte, konnte noch<br />
zum 31. Dezember 1932 ausscheiden. Danach ausgesprochene<br />
Kündigungen wurden erst Ende 1933 wirksam.<br />
Somit verließen zum 31. Dezember 1932 nur 12 Mitglie<strong>der</strong><br />
durch Kündigung die Genossenschaft. Dafür waren 38<br />
Mitglie<strong>der</strong> vor allem wegen Zahlungsrückständen ausgeschlossen<br />
worden. Ihre Zahl hatte sich gegenüber dem<br />
Vorjahr fast verzehnfacht. Am Ende schieden 1931 und<br />
1932 jeweils 53 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> aus.<br />
Ohne die Satzungsän<strong>der</strong>ung wäre <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>rückgang<br />
zum Jahresende 1932 wahrscheinlich sehr viel<br />
größer ausgefallen. Nach <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung wurden noch im<br />
gleichen Jahr 66 Mitgliedschaften gekündigt. Über die<br />
Beweggründe lassen sich nur Vermutungen anstellen.<br />
23 Mitglie<strong>der</strong> hatten nie eine Genossenschaftswohnung<br />
gemietet. Sie glaubten entwe<strong>der</strong> nicht mehr an die Errichtung<br />
neuer Wohnungen o<strong>der</strong> hatten nicht mehr die<br />
finanziellen Mittel für den Bezug einer Neubauwohnung.<br />
Nach dem Adressbuch von 1934 wohnten nur noch acht<br />
<strong>der</strong> Ausgeschiedenen in Genossenschaftswohnungen.<br />
Alle an<strong>der</strong>en waren inzwischen ausgezogen. Auch hier<br />
kann die Mietbelastung eine Rolle gespielt haben.<br />
Zusammen mit weiteren Ausschlüssen schieden zum 31.<br />
Dezember 1933 insgesamt 71 Mitglie<strong>der</strong> aus.<br />
Zur Wahrung <strong>der</strong> Fristen fiel naturgemäß die Entscheidung<br />
über eine Kündigung am Jahresende. Dass allein im<br />
Dezember 1931 <strong>45</strong> Kündigungen ausgesprochen wurden,<br />
erscheint ungewöhnlich. Möglicherweise hatten sich<br />
finanzielle Probleme <strong>der</strong> Genossenschaft wie ein Lauffeuer<br />
verbreitet.<br />
Für 1928 und 1929 wiesen die Bilanzen einen Verlust<br />
von jeweils unter 800 RM aus. Im folgenden Jahr, in dem<br />
33
34<br />
die ersten Häuser bezogen werden konnten, erzielte die<br />
Genossenschaft bei einer Bilanzsumme von über 2,2<br />
Millionen Reichsmark einen bescheidenen Gewinn von<br />
141,<strong>45</strong> RM.<br />
1931 konnten mit 128 gegenüber 73 im Vorjahr wie<strong>der</strong><br />
erheblich mehr Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden. Immerhin<br />
zählte die Genossenschaft Ende 1931 350 Mitglie<strong>der</strong>,<br />
Auf dem Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyolfabrik baute die Genossenschaft 1931 (links <strong>der</strong> Suhrsweg).<br />
ein Stand <strong>der</strong> erst fast 20 Jahre später übertroffen wurde.<br />
Der Mitglie<strong>der</strong>zuwachs dürfte in erster Linie darauf<br />
zurückzuführen sein, dass es <strong>der</strong> Genossenschaft gelang,<br />
trotz <strong>der</strong> Wirtschaftskrise in Barmbek-Nord ein weiteres<br />
Bauvorhaben zu realisieren. Im Suhrsweg wurden „entgegenkommen<strong>der</strong><br />
Weise von <strong>der</strong> Bel.-K. [Beleihungs-<br />
kasse] 70 Wohnungen bewilligt“. Die ersten Häuser sollten<br />
schon im Oktober 1931 bezugsfertig sein. Das Projekt<br />
auf dem Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyol-Fabrik wurde<br />
von <strong>der</strong> freigewerkschaftlich-genossenschaftlichen Volksfürsorge<br />
mitfinanziert.<br />
Am Ende des Jahres 1931 stand jedoch fest, dass die Folgen<br />
<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> erfasst hatten.<br />
Zum Ausgleich eines<br />
Verlustes von über 23.000<br />
RM wurden die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
mit 60 RM<br />
ihres Geschäftsanteils herangezogen.<br />
Mietausfälle,<br />
vermutlich vor allem durch<br />
Leerstand, verursachten mit<br />
knapp 3.000 RM gegenüber<br />
Mieteinnahmen von fast<br />
150.000 RM noch die<br />
geringsten Probleme. Allerdings<br />
waren die Mieten<br />
angesichts <strong>der</strong> schwierigen<br />
finanziellen Situation vieler<br />
Mieter in einer nicht näher<br />
bekannten Größenordnung<br />
gesenkt worden.<br />
Das größte Problem bereitete<br />
die im Oktober 1931<br />
kurzfristig erfolgte Kündigung<br />
eines Darlehens in Höhe 25.000 RM durch W. Böttcher<br />
zum 31. Dezember 1931, die die Genossenschaft in<br />
eine „<strong>der</strong> schwersten Krisen“ stürzte. Die insgesamt angespannte<br />
Lage hatte offensichtlich in den Leitungsgremien<br />
zu Unstimmigkeiten geführt. Willi Glass war mit Wirkung<br />
vom 22. September 1931 aus dem Vorstand ausgeschie-
den. Möglicherweise hatte sich Glass nicht mit seinen<br />
Vorstellungen zur Durchführung <strong>der</strong> Mietsenkung durchsetzen<br />
können. Auf seine Initiative hin beantragten 60<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />
die am 31. März 1932 stattfand.<br />
Noch bevor die von Glass eingebrachten Anträge behandelt<br />
wurden, zeigte sich, dass die Führungsgremien <strong>der</strong><br />
Genossenschaft sich nicht mehr auf die uneingeschränkte<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verlassen konnten. Auch<br />
ließ die aufgeheizte Stimmung offensichtlich heftigere<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen befürchten. Um den Verlauf <strong>der</strong><br />
Versammlung in geordnete Bahnen zu lenken, beantragte<br />
Aufsichtsratsmitglied Cohn zunächst die Übernahme <strong>der</strong><br />
bewährten Geschäftsordnung des <strong>Buchdrucker</strong>vereins.<br />
Während dieser Vorschlag angenommen wurde, erhielt<br />
<strong>der</strong> Antrag des Vorstandes, nach dem Ausscheiden von<br />
Glass die Zahl <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> von fünf auf vier<br />
zu senken, mit 89 zu 41 Stimmen nicht die erfor<strong>der</strong>liche<br />
Dreiviertelmehrheit.<br />
Anschließend wurde Glass’ Antrag beraten: „Die Generalversammlung<br />
wolle beschließen, den Vorstand zu<br />
beauftragen, die Mietesenkung dahingehend zu regeln,<br />
daß innerhalb <strong>der</strong> Bauabschnitte die Wohnungen in<br />
einem gleichmäßigen Prozentsatz gesenkt werden, da die<br />
jetzige Regelung zu starker Unzufriedenheit Anlaß gegeben<br />
hat.“ Nach einer längeren Diskussion wurde auf eine<br />
Abstimmung verzichtet, da die gesetzlichen Bestimmungen<br />
keinen Spielraum zuließen. Der zweite Antrag richtete<br />
sich gegen Hans Sauer, <strong>der</strong> dem Aufsichtsrat angehörte<br />
und zugleich als Hausverwalter am Braußpark tätig war.<br />
Er lautete: „Antrag auf Wi<strong>der</strong>ruf <strong>der</strong> Bestellung des Aufsichtsratsvertreters<br />
Gen. Sauer in seiner Eigenschaft als<br />
Aufsichtsratsmitglied und stellen den Misstrauensantrag<br />
gegen den Gen. Sauer in seiner Eigenschaft als Verwalter.“<br />
In <strong>der</strong> erhitzten Diskussion erhielt Sauer einen Ord-<br />
nungsruf und Glass warf Geschäftsführer Schmidt Wi<strong>der</strong>sprüche<br />
vor. Abgestimmt wurde schließlich nur über den<br />
Misstrauensantrag gegen Sauer als Verwalter, <strong>der</strong> mit 52<br />
zu 21 Stimmen angenommen wurde. Bei 158 Anwesenden<br />
waren die Barmbeker Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
offensichtlich <strong>der</strong> Empfehlung gefolgt, sich bei den Streitigkeiten<br />
um den in Hamm tätigen Verwalter <strong>der</strong> Stimme<br />
zu enthalten.<br />
Am Schluss <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung, die um 20 Uhr<br />
begonnen hatte und erst nach Mitternacht endete,<br />
beklagte sich Geschäftsführer Schmidt darüber, dass ausgetretene<br />
Mitglie<strong>der</strong> falsche Angaben in Umlauf bringen<br />
und damit die Genossenschaft schädigen würden. Den<br />
Wortbeiträgen ist zu entnehmen, dass dabei die Liquiditätsprobleme,<br />
die eine Auszahlung <strong>der</strong> Genossenschaftsanteile<br />
verzögerten, eine Rolle spielten.<br />
Auf <strong>der</strong> Hauptversammlung am 28. Juni 1932 musste<br />
Geschäftsführer Schmidt die Verluste des Jahres 1931<br />
erläutern. Obwohl alle Mitglie<strong>der</strong> zum Verlustausgleich<br />
herangezogen wurden, fiel <strong>der</strong> Bericht offensichtlich überzeugend<br />
aus. Die Bilanz wurde einstimmig genehmigt,<br />
Vorstand und Aufsichtsrat ebenfalls einstimmig entlastet.<br />
Für das laufende Geschäftsjahr zeichnete Schmidt allerdings<br />
ein düsteres Bild. „Katastrophal ist <strong>der</strong> Ausblick für<br />
1932“, so <strong>der</strong> Geschäftsführer. Wegen <strong>der</strong> Darlehenskündigung<br />
vom Vorjahr wurde ein Prozess beim Landgericht<br />
und beim Oberlandesgericht geführt. Auch waren Verhandlungen<br />
mit <strong>der</strong> Beleihungskasse ergebnislos verlaufen,<br />
so dass neun Monate nach Ausbruch <strong>der</strong> Finanzkrise<br />
noch keine Lösung in Sicht war. Angesichts <strong>der</strong> schwierigen<br />
finanziellen Situation wurden nun Stimmen laut,<br />
das Gehalt von Geschäftsführer Schmidt auf monatlich<br />
300 RM zu senken.<br />
Die Verluste lösten eine Kündigungswelle aus. Vor <strong>der</strong><br />
Jahresmitglie<strong>der</strong>versammlung lagen keine zehn Kündi-<br />
35
36<br />
Wohnblock Suhrsweg Nr. 3-11 nach dem Wie<strong>der</strong>aufbau 1950.<br />
gungen vor. Nach <strong>der</strong> Generalversammlung am 18. Juni<br />
1932 folgten bis zum Monatsende 16 Kündigungen. Ein<br />
erster Höhepunkt wurde im August erreicht, als vor allem<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> im Suhrsweg austraten. Allein<br />
am 9. August 1932 kündigten sieben Mitglie<strong>der</strong> in den<br />
Häusern Suhrsweg Nr. 3 bis 11. Im Suhrsweg Nr. 11, wo<br />
in 12 <strong>der</strong> 16 Wohnungen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
wohnten, traten alle Mitglie<strong>der</strong> aus. Zehn kündigten bis<br />
zum 10. August 1932. Zwei konnten später bewogen<br />
werden, ihren Austritt zurückzunehmen.<br />
Im Dezember<br />
kündigten weitere 40<br />
Mitglie<strong>der</strong>, so dass am Jahresende<br />
128 Austritte mit<br />
Wirkung zum 31. Dezember<br />
1934 vorlagen.<br />
In den vorangegangenen<br />
Jahren wohnten von denjenigen,<br />
die aus <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
ausschieden, später<br />
nur noch wenige in Genossenschaftswohnungen.<br />
Von<br />
den 119 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n,<br />
die ihre Kündigung<br />
nicht zurückzogen,<br />
wohnten nach dem Adressbuch<br />
von 1934 noch 59 in<br />
Genossenschaftswohnungen.<br />
Fast die Hälfte <strong>der</strong> Ausgetretenen<br />
dürfte somit<br />
wegen <strong>der</strong> Finanzkrise und<br />
<strong>der</strong> Heranziehung zum Verlustausgleich<br />
ausgetreten<br />
sein. Vor allem die Bewohner<br />
im Suhrsweg kündigten<br />
reihenweise schon bald nach <strong>der</strong> Verkündung <strong>der</strong> Verluste,<br />
während die Kündigungen im Dezember 1932 fast alle aus<br />
<strong>der</strong> Wohnanlage am Braußpark kamen. Hier wohnten<br />
Willi Glass und Kurt Müller, die beide am 29. Dezember<br />
1932 kündigten. Am darauffolgenden Tag reichte auch<br />
Vorstandsmitglied Gustav Timm seine Kündigung ein.<br />
Alle drei hatten 1928 zum erweiterten Grün<strong>der</strong>kreis<br />
gehört, wobei Timm als Vorstandsmitglied über die aktuelle<br />
Finanzsituation informiert war.
Die Zahl <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> drohte damit<br />
dramatisch zu sinken. 1932 wurde nur ein neues Mitglied<br />
aufgenommen. Bis 1935 gab es keine Neuzugänge. Der<br />
Jahresabschluss 1932 wies ein Defizit von 42.074,85 RM<br />
aus. Zum Ausgleich sollten von jedem Mitglied – einschließlich<br />
<strong>der</strong> zum 31. Dezember 1932 ausgeschiedenen<br />
– erneut 130,- RM vom Geschäftsanteil eingezogen<br />
werden. Mehr als Zweidrittel des üblicherweise eingezahlten<br />
Geschäftsanteils von 300 RM wären danach verloren<br />
gewesen. Ohne Zweifel stand die Kündigungswelle im<br />
Zusammenhang mit den Verlusten. Nach dem Ausscheiden<br />
von 133 Mitglie<strong>der</strong>n zum 31. Dezember 1934 sank die<br />
Mitglie<strong>der</strong>zahl auf 94. Angesichts <strong>der</strong> finanziellen Probleme<br />
<strong>der</strong> Genossenschaft versuchte die Mehrheit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>,<br />
wenigstens einen Teil des eingezahlten Geldes zu<br />
retten. Viele dürften auch einen völligen Zusammenbruch<br />
befürchtet haben, bei dem sie im schlimmsten Fall mit<br />
weiteren 300 RM gehaftet hätten.<br />
Als <strong>der</strong> Vorstand auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 29.<br />
Mai 1933 die Bilanz präsentierte und <strong>der</strong> Aufsichtsrat die<br />
Annahme empfahl, kam es zum Eklat. Mit 74 gegen 11<br />
Stimmen wurde <strong>der</strong> Jahresabschluss abgelehnt und eine<br />
Kommission gewählt, die den Auftrag erhielt, die Bilanz<br />
zu prüfen. Das Hauptproblem <strong>der</strong> Genossenschaft war ein<br />
unbebautes Grundstück an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße, das<br />
zum Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Ichthyol-Fabrik gehörte, auf<br />
dem bereits Wohnungen errichtet worden waren. Zum<br />
einen bestand angesichts <strong>der</strong> schwierigen wirtschaftlichen<br />
und innenpolitischen Situation 1932/33 keine Möglichkeit,<br />
auf dem Gelände die Finanzierung von Neubauwohnungen<br />
sicherzustellen, so dass die durch den Ankauf des<br />
Bauplatzes anfallenden Unkosten nicht über Mieteinnahmen<br />
gedeckt waren. Zum an<strong>der</strong>en sprach Geschäftsführer<br />
Schmidt auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung von einer<br />
„beträchtlichen Wertmin<strong>der</strong>ung des unbebauten Platzes“.<br />
Sinkende Grundstückspreise, eine später erwähnte Sanierung<br />
des Fabrikgeländes o<strong>der</strong> auch die von <strong>der</strong> Baubehörde<br />
vorgesehene Straße, die das Gelände teilte und damit<br />
den Wohnungsbau begrenzte, mögen dazu beigetragen<br />
haben, dass <strong>der</strong> Wert des Bauplatzes zu hoch angesetzt war.<br />
Um den überhöhten Grundstückspreis nicht später auf die<br />
Mieten umlegen zu müssen, hatte <strong>der</strong> Vorstand empfohlen,<br />
den Umständen durch eine Abschreibung von 35.000<br />
RM Rechnung zu tragen.<br />
Der Bericht <strong>der</strong> Prüfungskommission, dem die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
Theodor Schrö<strong>der</strong>, Karl Gebhardt<br />
und Walter Tesch angehörten, wurde am 3. Juni 1933 verabschiedet.<br />
Zunächst wurden die Bemühungen des Vorstandes<br />
anerkannt, die Voraussetzungen für eine möglichst<br />
baldige Bebauung des Bauplatzes an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße<br />
zu schaffen. Als weiterer Grund wurde genannt, dass<br />
nur <strong>der</strong> tatsächliche Wert des Grundstückes von den<br />
Geldgebern für die Beleihung anerkannt werden würde.<br />
Eine Rücksprache mit dem DEWOG-Verbandsrevisor<br />
ergab, dass dieser eine Abschreibung in Höhe von ca.<br />
18.000 RM als unabdingbar ansah. Zwar mochte <strong>der</strong> Vorstand<br />
dem Vorschlag noch nicht uneingeschränkt folgen,<br />
weil damit auch die Höhe <strong>der</strong> auszuzahlenden Geschäftsguthaben<br />
gestiegen wäre, aber die Kommission zeigte sich<br />
zuversichtlich, auf dieser Basis eine Lösung finden zu können.<br />
Als eine Möglichkeit wurde in Betracht gezogen, dass<br />
ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> erklärten, „den Differenzbetrag<br />
solange <strong>der</strong> Genossenschaft zu stunden, bis die Liquidität<br />
eine ganze bezw. ratenweise Auskehrung zuläßt.“<br />
Der Vorstand übernahm schließlich den Lösungsvorschlag<br />
<strong>der</strong> Prüfungskommission, und so wurde die neue<br />
Bilanz auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 27. Juni 1933<br />
angenommen. Das Abstimmungsergebnis – 48 Ja-Stimmen,<br />
28 Nein-Stimmen und 12 ungültige Stimmen –<br />
zeigte jedoch die tiefe Zerrissenheit <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />
37
38<br />
Immerhin war es mit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>initiative gelungen,<br />
noch einen Teil des Geschäftsguthabens zu retten. Statt<br />
<strong>der</strong> ursprünglichen 130 RM wurden nur 80 RM für<br />
den Verlustausgleich eingezogen. Die wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten dürften allerdings <strong>der</strong> wesentliche Grund<br />
für 128 Kündigungen im Jahr 1933 mit Wirkung zum 31.<br />
Dezember 1934 gewesen sein.<br />
Ein Revisionsbericht vom Januar 1934 gibt Auskunft<br />
über die soziale Schichtung <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />
Da hier noch die Mitglie<strong>der</strong> berücksichtigt wurden,<br />
die bereits gekündigt hatten, kann davon ausgegangen<br />
werden, dass die Sozialstruktur repräsentativ war für die<br />
inzwischen bereits stark geschrumpfte <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />
Dem Bericht zufolge handelte es sich bei 170 <strong>der</strong> 227 Mitglie<strong>der</strong><br />
um Arbeiter, das entspricht 74,9 Prozent. Außerdem<br />
gehörten <strong>der</strong> Genossenschaft 33 Angestellte, elf<br />
Beamte und fünf Selbstständige an. Acht Personen wurden<br />
nicht zugeordnet. Bei ihnen handelte es sich vor allem<br />
um Hausfrauen und Rentner.<br />
Die Packerin Emma Spengler war im Mai 1929 das<br />
erste weibliche Genossenschaftsmitglied. Bis zum Revisionsbericht<br />
waren insgesamt elf Frauen eingetreten, von<br />
denen noch sechs <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> angehörten,<br />
darunter zwei Hausfrauen. Erst während des Zweiten<br />
Weltkrieges traten häufiger Frauen in die Genossenschaft<br />
ein, vermutlich in erster Linie, weil sich die Ehemänner<br />
im Krieg befanden o<strong>der</strong> bereits ums Leben gekommen<br />
waren.<br />
Unter den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n waren die Facharbeiter<br />
des Druckgewerbes beson<strong>der</strong>s stark vertreten. 92<br />
<strong>der</strong> vom Revisionsbericht erfaßten Mitglie<strong>der</strong>, das waren<br />
40,5 Prozent, arbeiteten in dieser Branche. Die Schriftsetzer<br />
und <strong>Buchdrucker</strong> stellten die stärksten Berufsgruppen.<br />
Vor 1933 waren 88 Prozent von ihnen in <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> organisiert.<br />
DIE GLEICHSCHALTUNG<br />
Die instabilen politischen Verhältnisse <strong>der</strong> Weimarer<br />
Zeit, die Ablehnung <strong>der</strong> demokratisch verfassten Republik<br />
in rechtskonservativen Kreisen und die mit <strong>der</strong><br />
Weltwirtschaftskrise einhergehende Radikalisierung<br />
politischer Kräfte am rechten und linken Rand des Parteienspektrums<br />
ebneten Adolf Hitler den Weg an die<br />
Macht. Der „Preußenschlag“, <strong>der</strong> Staatsstreich von<br />
Reichskanzler von Papen gegen die von <strong>der</strong> SPD geführten<br />
preußischen Regierung am 20. Juli 1932, leitete das<br />
Ende <strong>der</strong> Demokratie in Deutschland ein. Mit seiner<br />
Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war<br />
Hitler am Ziel. Systematisch wurden nun im ganzen<br />
Land Nationalsozialisten in Führungspositionen eingesetzt<br />
und das Führerprinzip – die Entscheidungsbefugnis<br />
von oben nach unten unter Ausschaltung demokratischer<br />
Beteiligungsformen – durchgesetzt. In Hamburg<br />
übernahmen die Nationalsozialisten am 8. März 1933<br />
die Macht. Der Terror <strong>der</strong> NS-Diktatur richtete sich vor<br />
allem gegen Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten<br />
und Gewerkschafter. Allerdings gab es auch die Bereitschaft<br />
zur Anpassung. Verantwortliche Funktionäre <strong>der</strong><br />
Freien Gewerkschaften versuchten, durch Loyalitätsbezeugungen<br />
ihren Organisationen die Weiterarbeit<br />
zu sichern. Selbst nach <strong>der</strong> reichsweiten Besetzung <strong>der</strong><br />
Gewerkschaftshäuser und <strong>der</strong> Verhaftung führen<strong>der</strong><br />
Gewerkschafter glaubten Repräsentanten in <strong>der</strong> Bürgerschaft,<br />
dass ein Arrangement mit den Nationalsozialisten<br />
möglich sei. Als Gewerkschaftsgruppe schieden<br />
sechs Abgeordnete aus <strong>der</strong> SPD-Fraktion aus und<br />
gingen ein Hospitantenverhältnis zur NSDAP ein.<br />
Schließlich wurden aber auch ihnen am 10. Juli 1933<br />
die Mandate entzogen. Das Verhalten <strong>der</strong> Gewerkschaftsvertreter<br />
signalisierte auch den ihr nahestehen-
den Organisationen, sich den neuen Machthabern<br />
anzupassen.<br />
Obwohl die Gleichschaltung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Buchdrucker</strong>nachaußenhinreibungslosverlief,lassensich<br />
doch Hinweise erkennen, die auf eine Rettungsaktion vor<br />
dem Zugriff <strong>der</strong> Nationalsozialisten schließen lassen. So<br />
wurde die Einberufung <strong>der</strong> für den 29. Mai 1933 vorgesehenen<br />
Generalversammlung, die nicht mehr in dem bereits<br />
verbotenen SPD-Parteiorgan „Hamburger Echo“ erscheinenkonnte,nichtimörtlichenNS-Blatt„HamburgerTageblatt“,<br />
son<strong>der</strong>n im „Deutschen Reichsanzeiger“ veröffentlicht.<br />
Das Protokoll vermerkt: „Geschäftsführer Schmidt<br />
verliest die vom Revisionsverband eingegangenen Richtlinien<br />
zur Durchführung <strong>der</strong> Gleichschaltung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
auf dem Boden <strong>der</strong> nationalen Regierung. Hierbei<br />
betonte Schmidt beson<strong>der</strong>s, dass <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
stets im Sinne <strong>der</strong> beruflichen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
N.S.D.A.P.-Kampfbünde handelte und unsere Aufträge<br />
ausschließlich dem gewerblichen Mittelstand zuführte.<br />
Ebenfalls hat <strong>der</strong> Vorstand ihm bekannte nationalsozialistische<br />
Geschäftsleute durch Aufträge unterstützt. Zur<br />
Durchführung <strong>der</strong> Richtlinien ist die Verwaltung auf das<br />
geringste Maß zu verkleinern.“ In den „Richtlinien für die<br />
Gleichschaltung<strong>der</strong>gemeinnützigenWohnungsunternehmen<br />
und Revisionsverbände“ wurde gefor<strong>der</strong>t, dass die<br />
Unternehmen „einerseits unter sachkundiger und erfahrener<br />
Leitung“ stehen sollen, an<strong>der</strong>seits sollen die Verwaltungsorgane<br />
jeweils „in ihrer Mehrheit mit Persönlichkeiten besetzt<br />
[werden], die auf dem Boden <strong>der</strong> nationalen Regierung stehen.“<br />
Nicht vertreten sein sollten „staats- und wirtschaftsfeindlich“<br />
eingestellte Personen, zu denen in <strong>der</strong> Richtlinie<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> KPD, <strong>der</strong> Revolutionären Gewerkschaftsopposition<br />
(RGO) und <strong>der</strong> Sozialistischen Arbeiterpartei<br />
(SAP) gezählt wurden sowie Sozialdemokraten und<br />
Gewerkschafter, „die sich schon bisher durch Wühlarbeit<br />
und aggressive Agitation betätigt haben“. Der Vorstand<br />
empfahl, den Richtlinien zu folgen und die Zahl <strong>der</strong> Aufsichtsrats-<br />
und Vorstandsmitglie<strong>der</strong> auf jeweils drei zu<br />
senken. Die entsprechende Satzungsän<strong>der</strong>ung sowie die<br />
For<strong>der</strong>ung, mindestens 51 Prozent <strong>der</strong> Sitze in den Leitungsgremien<br />
mit Nationalsozialisten zu besetzen, wurde<br />
von 116 Anwesenden einstimmig angenommen. Bekanntmachungen<br />
sollten zukünftig im „Hamburger Tageblatt“<br />
und im „Hamburger Anzeiger“ vorgenommen werden.<br />
Der bisherige Vorstand, bestehend aus Rudolf Schmidt,<br />
Henry Paaby sowie Hans und Gustav Timm, trat ebenso<br />
zurück wie <strong>der</strong> Aufsichtsrat, dem seit 1928 Paul Loduchowski,<br />
Hans Sauer und Max Cohn, seit 1931 Gottfried<br />
Frank, <strong>der</strong> Richard Sonntag abgelöst hatte, und seit 1932<br />
Willi Zieher angehörten. Theodor Schrö<strong>der</strong>, <strong>der</strong> 1929 für<br />
Kurt Müller gewählt worden war, und Max Borstelmann<br />
waren 1932 ausgeschieden. Der 1932 ebenfalls in den Aufsichtsrat<br />
gewählte Schulz konnte sein Amt nicht annehmen,<br />
weil die beabsichtigte Aufhebung des Beschlusses,<br />
nur <strong>Buchdrucker</strong> in den Aufsichtsrat zu entsenden, vor<br />
1933 nicht mehr zustande kam.<br />
Nicht wie<strong>der</strong> kandidierten <strong>der</strong> turnusmäßig ausgeschiedene<br />
Max Cohn, dem als Juden rassische Verfolgung<br />
drohte, und Willi Zieher, <strong>der</strong> als Sozialdemokrat und<br />
Gewerkschaftsangestellter politische Verfolgung fürchten<br />
musste. Geschäftsführer Schmidt empfahl die Wie<strong>der</strong>wahl<br />
von Sauer und des bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
Loduchowski. Als dritten Kandidaten präsentierte<br />
er den Schriftsetzer Karl Pettschow, <strong>der</strong> ebenso<br />
wie Sauer <strong>der</strong> NSDAP angehörte. Während Loduchowski<br />
und Pettschow mit 100 und 90 Stimmen bei<br />
107 gültigen von 111 abgegebenen Stimmen einen überwältigenden<br />
Vertrauensbeweis erhielten, landete <strong>der</strong><br />
wenig beliebte Sauer mit 31 Stimmen weit abgeschlagen<br />
auf dem dritten Platz. Gottfried Frank und Wilhelm<br />
39
40<br />
Schiefelbein, die als parteilose Kandidaten angetreten<br />
waren, kamen auf 28 und 19 Stimmen.<br />
Wegen eines Formfehlers – Hans Sauer hatte im ersten<br />
Wahlgang nicht die erfor<strong>der</strong>liche Mehrheit <strong>der</strong> abgegebenen<br />
Stimmen erreicht – musste die Wahl wie<strong>der</strong>holt<br />
werden. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 27. Juni 1933<br />
traten erneut Sauer, Frank und Schiefelbein an. Hans<br />
Sauer wurde mit 25 gegen 21 und 4 Stimmen gewählt,<br />
obwohl <strong>der</strong> Versammlungsleiter darauf hingewiesen hatte,<br />
das nach <strong>der</strong> 51 Prozent-For<strong>der</strong>ung nur NSDAP-Mitglied<br />
Sauer wählbar sei. Offensichtlich um die Wahl nicht weiter<br />
zu blockieren, hatten 43 Anwesende ungültige Stimmzettel<br />
abgegeben.<br />
Dem neu gewählten Aufsichtsrat fiel die Aufgabe<br />
zu, einen ebenfalls mehrheitlich aus NSDAP-Mitglie<strong>der</strong>n<br />
bestehenden Vorstand zu berufen. Dies scheint keine<br />
Probleme bereitet zu haben, denn schon am 30. Mai 1933,<br />
am Tag nach <strong>der</strong> Generalversammlung, wurde dem Amtsgericht<br />
mitgeteilt, dass Gustav Timm im Zuge <strong>der</strong><br />
Vorstandsverkleinerung ausgeschieden sei. Die übrigen,<br />
Rudolf Schmidt und Hans Timm, beide inzwischen Mitglied<br />
<strong>der</strong> NSDAP, sowie Henry Paaby wurden in ihren<br />
Ämtern bestätigt.<br />
Es spricht einiges dafür, dass die vormals sehr stark zur<br />
freigewerkschaftlich-sozialdemokratischen Richtung tendierende<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> unter den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n abgesprochene Vorkehrungen getroffen hatte,<br />
um eine Übernahme durch die NSDAP zu verhin<strong>der</strong>n. Zu<br />
den Absprachen dürfte gehört haben, dass führende<br />
Genossenschaftsvertreter zum Schutze <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
in die Hitler-Partei eintraten. An<strong>der</strong>s ist <strong>der</strong> Verlauf<br />
<strong>der</strong> „Gleichschaltung“, die in ähnlich gelagerten Fällen<br />
zu heftigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen führte, in solch<br />
geordneten Bahnen kaum zu erklären. So hätte im Konfliktfall<br />
<strong>der</strong> anerkannte Aufsichtsratsvorsitzende Lodu-<br />
chowski wohl kaum 93,5 Prozent und das NSDAP-Mitglied<br />
Pettschow 84,1 Prozent <strong>der</strong> Stimmen erhalten können.<br />
Auch die Wahl von Parteimitglied Sauer spricht<br />
nicht für eine nationalsozialistische Übernahme. Wäre er<br />
<strong>der</strong> Kandidat <strong>der</strong> Hitler-Anhänger gewesen, so befand sich<br />
eine solche Gruppe deutlich in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit. Da er aber<br />
auch we<strong>der</strong> im ersten noch im zweiten Wahlgang einen<br />
nationalsozialistischen Gegenkandidaten erhielt, gab es<br />
anscheinend keine Alternative. Vorbehalte gegen die Person<br />
Sauers und seine Parteimitgliedschaft kamen dagegen<br />
durch die Stimmabgabe für parteilose Kandidaten und die<br />
zahlreichen ungültigen Stimmen zum Ausdruck.<br />
Am Ende zeichneten sich Aufsichtsrat und Vorstand<br />
durch eine bemerkenswerte Kontinuität aus. Nur ein Aufsichtsratsmitglied<br />
war neu und <strong>der</strong> verkleinerte Vorstand<br />
konnte mit bewährten Kräften unter <strong>der</strong> Geschäftsführung<br />
von Rudolf Schmidt seine Arbeit fortsetzen.<br />
Trotz <strong>der</strong> schwierigen wirtschaftlichen Lage <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
zeichneten sich erste positive Tendenzen ab. So<br />
war es gelungen, mit Böttcher und <strong>der</strong> Ichthyol-Gesellschaft<br />
eine Verlängerung <strong>der</strong> Hypotheken zunächst bis<br />
Ende des Jahres auszuhandeln. Allerdings waren dann<br />
60.000 RM fällig. Tatsächlich dürfte die im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Gleichschaltung demonstrierte Anpassungsfähigkeit<br />
mit <strong>der</strong> weiterhin angespannten Finanzsituation<br />
zusammenhängen. Dauerhaft waren die Probleme <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> nur durch eine Bebauung des Platzes<br />
an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße zu lösen. Darauf wies Geschäftsführer<br />
Schmidt in seinem Geschäftsbericht für 1933 noch<br />
einmal hin. Das Bauvorhaben war allerdings ohne staatliche<br />
Unterstützung nicht zu realisieren. So hatte Schmidt<br />
am 29. Mai 1933 verlauten lassen, „daß die verzweifelten<br />
Situationen überwunden werden und die Genossenschaft<br />
sich auch berufen fühlt, mitzuwirken an dem Aufbau<br />
des deutschen Vaterlandes, Sorge zu tragen für billigen
Wohnraum und für Arbeitsbeschaffung Gutes zu leisten“.<br />
Der Geschäftsführer setzte seine Hoffnungen auf den von<br />
<strong>der</strong> NS-Reichsregierung eingerichteten „10 Millionen<br />
Stützungsfond“. Es sollte ein Beihilfeantrag an den<br />
Reichsarbeitsminister gestellt werden, um die zum Jahresende<br />
fällige Hypothek auszahlen zu können.<br />
Die Hoffnungen des Vorstands erfüllten sich nicht,<br />
obwohl den Verantwortlichen <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
bewusst war, dass eine Antragstellung nur Erfolg versprach,<br />
wenn alle Sanierungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />
waren, „um nicht zu einer Illiquidität zu kommen“. Rückblickend<br />
wurde betont, dass <strong>der</strong> Stützungsfond „infolge<br />
<strong>der</strong> scharfen Erfüllungsbestimmungen nicht in Anspruch<br />
genommen werden konnte“. Immerhin gelang es dem<br />
Vorstand Ende 1933, erfolgversprechende Verhandlungen<br />
zur Beschaffung <strong>der</strong> I. Hypothek einzuleiten, so dass<br />
Aussichten bestanden, an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße Wohnungen<br />
zu bauen. Auch zeigten sich die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
Rudolf Schmidt, Hans Timm und Henry Paaby<br />
in ihrem Geschäftsbericht für 1933 überzeugt, den „unbebauten<br />
Platz durch Errichtung von billigen 2-Zimmerwohnungen<br />
restlos ausnützen zu können, zumal die<br />
Nachfrage hierfür infolge des aktiven Arbeitsbeschaffungsprogramms<br />
<strong>der</strong> Reichsregierung und <strong>der</strong> gewährten<br />
Ehestandsdarlehen sehr rege ist.“ Trotz aller Schwierigkeiten<br />
bezeichneten sie die <strong>Baugenossenschaft</strong> als<br />
„lebensfähig“. Auch zeichnete sich eine Lösung für die<br />
Rückzahlung des Darlehens von Böttcher ab. Der Revisionsverband<br />
bezifferte die Gewinnerwartung für 1934 auf<br />
21.000 Reichsmark. Für den Fall, dass das Bauvorhaben<br />
noch nicht realisiert werden konnte, sollte die Rückstellung<br />
für den im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau<br />
notwendigen Straßenbau in Höhe von 8.200 RM aufgelöst<br />
werden. Allerdings gab es einen gravierenden Vorbehalt.<br />
Der Vorstand machte deutlich, dass die Vorschläge<br />
nur umzusetzen seien, wenn sich die 128 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>,<br />
die gekündigt hatten und zum 31.<br />
Dezember 1934 ausscheiden würden, „in ihrem eigensten<br />
Interesse mit einer Rückzahlung ihres Geschäftsguthabens<br />
in Teilbeträgen bis längstens Juni 1937 einverstanden<br />
erklären. Es könnte sonst leicht damit zu rechnen<br />
sein, daß <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> erhebliche Schwierigkeiten<br />
erwachsen würden, bezw. eine Auskehrung des<br />
Geschäftsguthabens unmöglich gemacht wird.“<br />
41
42<br />
Max Cohn –<br />
ein<br />
Lebensbild<br />
Max Cohn wurde am 23. September 1878 im damals zur<br />
preußischen Provinz Schleswig-Holstein gehörenden Altona<br />
geboren. Er wuchs in einem jüdischen Elternhaus auf und<br />
besuchte die jüdische Schule in Altona. Seine Schriftsetzerlehre<br />
absolvierte er ebenfalls in Altona. Nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />
arbeitete er in verschiedenen Druckereien, bis er 1908<br />
bei Giradet & Co, Herausgeber des Hamburger Anzeigers,<br />
eine Anstellung als Schriftsetzer fand. Max Cohn trat frühzeitig,<br />
etwa um 1900, in die Gewerkschaft <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
ein. Ab 1927 gehörte er dem Vorstand des <strong>Buchdrucker</strong>-Vereins<br />
Hamburg-Altona als erster Schriftführer an. Als Vorstandsmitglied<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaft wurde er im September<br />
1928 in den Vorstand <strong>der</strong> im Aufbau befindlichen <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> berufen. Er war das 100. Mitglied<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />
Max Cohn wohnte mit seiner nichtjüdischen Ehefrau<br />
Johanne in Barmbek, Pestalozzistraße 76, 3. Stock. Aus <strong>der</strong><br />
Ehe gingen drei Kin<strong>der</strong> hervor. Die noch im Elternhaus lebende<br />
Tochter Louise arbeitete als Verkäuferin, Sohn Kurt war<br />
bei <strong>der</strong> Polizei beschäftigt. Max Cohn selbst hatte mit einem<br />
Jahresbruttoeinkommen von 2800 Reichsmark einen gut<br />
bezahlten Arbeitsplatz.<br />
Die Machtübernahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten 1933 stürzte<br />
die Familie ins Bodenlose. Im Zuge <strong>der</strong> Gleichschaltung<br />
musste Max Cohn aus dem Vorstand <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
und aus dem Gewerkschaftsvorstand ausscheiden. Die<br />
Mitgliedschaft in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> kündigte er im<br />
Dezember 1934. Sohn Kurt wurde aus rassischen und<br />
politischen Gründen entlassen. Er floh 1934 aus<br />
Deutschland und begab sich nach Haifa/Palästina.<br />
Tochter Louise wurde ebenfalls arbeitslos. Max Cohn<br />
wurde zwar zunächst weiterbeschäftigt, ließ sich aber<br />
1934 aufgrund seiner Zuckerkrankheit in den Ruhestand<br />
versetzen. Damit wurde offensichtlich eine firmeninterne<br />
Lösung gefunden, die Max Cohn vor einer<br />
drohenden Entlassung aus rassischen Gründen bewahren<br />
sollte. So war es Giradet & Co immerhin noch möglich,<br />
neben <strong>der</strong> Invalidenrente in Höhe von 50,60 RM aus <strong>der</strong><br />
betrieblichen Pensionskasse monatlich 50 RM zu zahlen.<br />
1948 berichtete die Firmenleitung über die damaligen Vorgänge:<br />
„Wir sind froh, dass es uns möglich gewesen ist, ihn<br />
auf die Pensionskasse zu übernehmen, die wir gegen die<br />
Arbeitsfront und gegen sonstige Politisierungsmaßnahmen all<br />
die Jahre hindurch erfolgreich verteidigt haben, so dass er<br />
wenigstens in Bezug seiner Pension verbleiben konnte.“ Auch<br />
erklärte Giradet & Co, dass Max Cohn trotz <strong>der</strong> seit 1928<br />
bekannten Diabetes 1934 noch voll arbeitsfähig war und für<br />
sein Ausscheiden allein die NS-Politik <strong>der</strong> Judenverfolgung<br />
verantwortlich war.<br />
In den Jahren 1934 bis 1937 verschlechterte sich Max<br />
Cohns Gesundheitszustand zusehends. Eine Nagelbettentzündung<br />
offenbarte die sehr schlechte Einstellung <strong>der</strong> Diabetes.<br />
Den Extremitätenbrand konnte auch eine Beinamputation<br />
nicht mehr aufhalten. Max Cohn starb am 4. März<br />
1938 im Alter von 59 Jahren.<br />
Ohne Zweifel war Max Cohn durch die rassische Verfolgung<br />
in eine finanzielle Situation geraten, in <strong>der</strong> er sich we<strong>der</strong><br />
die notwendige ärztliche Behandlung noch eine den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
einer Zuckerdiät entsprechende Ernährung leisten<br />
konnte.
DIE ABLÖSUNG DER<br />
GENOSSENSCHAFTSGRÜNDER<br />
Auch wenn die Annahme, dass führende Vertreter <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> noch vor <strong>der</strong> allgemeinen Aufnahmesperre<br />
ab dem 1. Mai 1933 in die NSDAP eintraten, um die<br />
Genossenschaft vor Schaden zu bewahren, waren Zugeständnisse<br />
an die neuen Machthaber unumgänglich. Unter<br />
<strong>der</strong> Überschrift „Werte Mitglie<strong>der</strong>! Deutsche Volksgenossen!“<br />
ließ <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende Loduchowski die<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> wissen, dass „die Genossenschaft<br />
von jetzt ab streng nach dem nationalsozialistischen<br />
Führerprinzip geleitet und verwaltet“ werde. Dementsprechend<br />
wurde die Geschäftsordnung geän<strong>der</strong>t: „Sämtliche<br />
Punkte <strong>der</strong> Tagesordnung werden vom Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
o<strong>der</strong> Vorstand zur Kenntnis gegeben und<br />
erläutert – wo notwendig, wird abgestimmt. Eine Diskussion<br />
findet nicht statt. Deutsche Männer vermögen soviel<br />
Urteilsfähigkeit aufzubringen, dass sie – bei Abstimmungen<br />
– ohne Beeinflussung selbständig entscheiden<br />
können. Anfragen sind schriftlich zu formulieren.“<br />
Anschließend erläuterte Loduchowski die Bestätigung <strong>der</strong><br />
alten Vorstandsmitglie<strong>der</strong>. Um mögliche Zweifel auszuräumen,<br />
führte er aus, dass „die Gleichschaltungsbestimmungen<br />
uns das Recht zur Wie<strong>der</strong>wahl gegeben haben“.<br />
Auch den propagandistischen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />
nach Kürzung <strong>der</strong> Gehälter glaubten die<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> nachkommen zu müssen. Der Aufsichtsratsvorsitzende<br />
ließ jedenfalls verkünden, dass<br />
Geschäftsführer Schmidt sein monatliches Gehalt um<br />
100 RM und sein Stellvertreter Timm seinen Pauschalspesensatz<br />
um 15 RM gesenkt hätten. Kassierer Paaby verzichtete<br />
auf eine „seit langem“ anstehende Erhöhung.<br />
Der Vorstand identifizierte sich nach außen hin sehr viel<br />
stärker mit dem Nationalsozialismus. Er betonte in einer<br />
Erklärung an die Mitglie<strong>der</strong>, „dass wir als treue Kämpfer<br />
unseres Führers Adolf Hitler jede Herabsetzung <strong>der</strong><br />
nationalsozialistischen Bewegung strengstens ahnden<br />
werden. Nebst <strong>der</strong> Sorge um das Wohl <strong>der</strong> Genossenschaft,<br />
ist die Totalität <strong>der</strong> Gesinnung unser letztes und<br />
höchstes Ziel. – Für uns gibt es keine 99%ige, son<strong>der</strong>n<br />
nur 100% Nationalsozialisten.“ Wer „zukünftig durch<br />
mutwillige Verbreitung übler Re<strong>der</strong>eien eine Störung bzw.<br />
Schädigung des Geschäftsbetriebes verursacht o<strong>der</strong> durch<br />
sein Verhalten eine unbegründete Herabsetzung <strong>der</strong><br />
Geschäftsleitung herbeiführt“, dem wurde ein Ausschluss,<br />
verbunden mit einer Wohnungskündigung, angedroht.<br />
Die Androhung solcher Maßnahmen war allerdings auch<br />
geeignet, um überzeugte Nationalsozialisten davon abzuhalten,<br />
vorschnell Zweifel an <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Gesinnung <strong>der</strong> Genossenschaftsführung zu äußern.<br />
Tatsächlich gelang es den Genossenschaftsgrün<strong>der</strong>n<br />
zunächst, die <strong>Baugenossenschaft</strong> weiter zu führen. Auch<br />
eine Überprüfung sämtlicher Bauvereine durch die Hamburger<br />
Finanzdeputation, die mit einem Schreiben vom 6.<br />
September 1933 auf einem Fragebogen alle Namen <strong>der</strong><br />
Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> angefor<strong>der</strong>t hatte,<br />
blieb ohne Beanstandungen. Allerdings war die Fragebogenaktion<br />
nicht die letzte Maßnahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten,<br />
um die Genossenschaften zu überprüfen.<br />
Offensichtlich waren die Revisionsverbände angewiesen,<br />
ausführliche Berichte auch hinsichtlich <strong>der</strong> Durchführung<br />
<strong>der</strong> Gleichschaltung vorzulegen. Jedenfalls ist auch<br />
von an<strong>der</strong>en Genossenschaften bekannt, dass nach <strong>der</strong><br />
Erstellung umfassen<strong>der</strong> Prüfberichte Anfang 1934 personelle<br />
Verän<strong>der</strong>ungen in den Verwaltungsgremien durchgeführt<br />
wurden.<br />
Die Revision <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
fand am 29. und 30. Januar 1934 statt. Der Bericht vom<br />
15. Februar umfasste 20 Seiten und beinhaltete bezüglich<br />
43
44<br />
<strong>der</strong> „Gleichschaltung“ und <strong>der</strong> Geschäftsführung keine<br />
Beanstandungen. Gleichwohl wurde auf die schwierige<br />
finanzielle Situation hingewiesen. So hatte sich das Verhältnis<br />
von Eigenkapital zu Fremdkapital durch die<br />
Abschreibung <strong>der</strong> Verluste aus 1931 und 1932 von den<br />
Geschäftsguthaben <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verschlechtert. Als<br />
problematisch wurden die Kündigungen von 132 Mitglie<strong>der</strong>n<br />
– neben den 128 Austrittserklärungen waren vermutlich<br />
bereits weitere vier Ausschlüsse verfügt worden –<br />
zum Jahresende angesehen, wodurch sich das Eigenkapital<br />
um weitere 20.000 RM verringern würde. Dazu führte<br />
<strong>der</strong> Revisor aus: „Die Verwaltung muß daher bestrebt sein,<br />
eine Auffüllung <strong>der</strong> eigenen Mittel in die Wege zu leiten,<br />
was allerdings erst dann erreicht werden kann, wenn die<br />
Vermietbarkeit <strong>der</strong> Wohnungen nicht mehr auf die bisherigen<br />
Schwierigkeiten stößt (Arbeitslosigkeit). Erst dann<br />
wird die Genossenschaft wie<strong>der</strong> mit einem nennenswerten<br />
Mitglie<strong>der</strong>zugang rechnen können.“ Gemeint war<br />
offensichtlich, dass Wohnungssuchende sich nach Einzahlung<br />
eines Geschäftsanteils auf die Warteliste <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
setzen ließen. Zu diesem Zeitpunkt stand<br />
jedenfalls keine Wohnung <strong>der</strong> Genossenschaft leer.<br />
Gravieren<strong>der</strong> waren dagegen die Liquiditätsprobleme.<br />
Die kurzfristigen Verbindlichkeiten überstiegen die flüssigen<br />
Mittel und For<strong>der</strong>ungen um 27.000 RM. Dieser<br />
schlimmste Fall würde allerdings nur eintreten, wenn<br />
Böttcher die Auszahlung seiner Hypothek in einer<br />
Summe verlangen würde und wenn die Straßenbauarbeiten<br />
zur sofortigen Ausführung kommen würden. Insgesamt<br />
rechnete <strong>der</strong> Revisor angesichts eines erwarteten<br />
Überschusses für 1934 und wegen <strong>der</strong> möglichen Inanspruchnahme<br />
von Privatdarlehen nicht mit einer Zahlungsunfähigkeit.<br />
Als Ergebnis <strong>der</strong> Revision wurde festgestellt,<br />
dass die Wirtschaftlichkeit befriedigend sei. In <strong>der</strong><br />
Schlussbemerkung heißt es: „Die völlige Gesundung <strong>der</strong><br />
Genossenschaft ist zu erwarten, wenn es gelingt, die noch<br />
unbebauten Grundstücke zu bebauen.“<br />
Schon wenige Wochen nach Fertigstellung des Revisionsberichts<br />
wurde Geschäftsführer Schmidt durch<br />
einen Senatsbeschluss vom 7. März 1934 gemeinsam<br />
mit den an<strong>der</strong>en Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n seines Amtes<br />
enthoben. Als Treuhän<strong>der</strong> setzte das NS-Regime den<br />
Nationalsozialisten Arthur A. Hoffmann, Kaufmann<br />
und Holzgroßhändler, ein. Über die Hintergründe dieser<br />
Maßnahme liegen keine gesicherten Erkenntnisse<br />
vor. In einer Rede des später ebenfalls eingesetzten<br />
Aufsichtsratsvorsitzenden, Rechtsanwalt Robert Flemming,<br />
ist von wirtschaftlichen und politischen Gründen<br />
die Rede. Während Flemming es bezüglich <strong>der</strong><br />
politischen Gründe bei allgemeinen Äußerungen zur<br />
nationalsozialistischen Politik beließ, führte er als wirtschaftliches<br />
Argument den „drohenden Zusammenbruch“<br />
an. Dabei wäre eine Gesundung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
auch nach Ansicht des Revisors durch ein<br />
Bauprojekt auf <strong>der</strong> vorhandenen Fläche möglich gewesen.<br />
Diese Lösung war offensichtlich von den neuen<br />
Machthabern nicht gewollt. Einiges spricht dafür, dass<br />
doch politische Gründe ausschlaggebend waren und<br />
möglicherweise verdiente Parteigenossen versorgt werden<br />
sollten, denn mit Schmidt wurden alle Vorstandsund<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> abgelöst. So handelte es<br />
sich bei den eingesetzten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />
überwiegend um Personen aus dem<br />
Baugewerbe. Dass hier Interessenkollisionen entstehen<br />
konnten, wurde anscheinend auch von den Nationalsozialisten<br />
erkannt. Jedenfalls verfügte die Hamburgische<br />
Finanzverwaltung 1936, dass Angehörige des<br />
Baugewerbes ausscheiden mussten. Auch wurde bei <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>besetzung we<strong>der</strong> ein Genossenschaftsmitglied<br />
noch ein Bewohner einer Genossenschaftswohnung in
die Verwaltungsgremien berufen. Selbst wenn es sich<br />
nicht um Versorgungsfälle gehandelt haben sollte,<br />
bestand deutlich ein großes Misstrauen gegenüber<br />
den Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n und den dortigen<br />
NSDAP-Vertretern. Schließlich sollte nicht vergessen<br />
werden, dass in dieser Zeit eine gezielte Denunziation<br />
aus NSDAP-Kreisen o<strong>der</strong> gegenüber einflussreichen<br />
Parteifunktionären genügte, um missliebige Personen<br />
abzusetzen.<br />
Tatsächlich scheinen persönliche Motive eine Rolle<br />
gespielt zu haben. So beantragte Gottfried Frank, <strong>der</strong> 1933<br />
bei den Aufsichtsratswahlen als parteiloser Kandidat zweimal<br />
gegen NSDAP-Mitglied Hans Sauer unterlegen war,<br />
auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung 1935, Sauer aus <strong>der</strong><br />
Genossenschaft auszuschließen. Daraufhin erklärte<br />
Geschäftsführer Hoffmann, dass ein Ausschluss nicht<br />
ohne Grund erfolgen könne. Während alle damaligen<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> ausscheiden mussten, habe <strong>der</strong> frühere<br />
Aufsichtsrat noch nicht vollständig ausgeschlossen<br />
werden können. Der Fall Sauer sollte geprüft werden.<br />
Am 27. März 1934 bestellte die Hamburgische Finanzverwaltung<br />
Rechtsanwalt Robert Flemming, Klempnermeister<br />
Hermann Dabruntz und Töpfermeister Adolf<br />
Matzky zu Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n und Arthur A. Hoffmann,<br />
<strong>der</strong> die Geschäftsführung übernahm, sowie den<br />
Buchhalter Fritz Meyer und Malermeister Wilhelm<br />
Hückstädt zu Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n. Die Übernahme verlief<br />
nicht reibungslos. Bis zum Juni 1934 musste die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> nicht nur den neuen Geschäftsführer,<br />
son<strong>der</strong>n auch den bisherigen bezahlen. Geschäftsführer<br />
und Vorstandsmitglied Schmidt, die Vorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
Paaby und Timm sowie Aufsichtsratsmitglied Pettschow<br />
wurden aus <strong>der</strong> Genossenschaft ausgeschlossen. Im Jahresabschluss<br />
1934 sind 600 RM als einbehaltene<br />
Geschäftsguthaben des früheren Vorstandes unter<br />
„Außerordentliche Erträge“ verbucht. Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Paul Loduchowski gehörte bis zu seinem<br />
Tod 1936 <strong>der</strong> Genossenschaft an. Das letzte <strong>der</strong> abgesetzten<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verwaltungsgremien, Hans Sauer,<br />
kündigte zum 31. Dezember 1940.<br />
<strong>45</strong>
46<br />
DIE NS-ZEIT<br />
Am 7. Juni 1934, drei Monate nachdem Arthur A. Hoffmann<br />
von den Nationalsozialisten als Treuhän<strong>der</strong> eingesetzt<br />
worden war, fand eine Mitglie<strong>der</strong>versammlung statt.<br />
Einstimmig wurden die von <strong>der</strong> Hamburgischen Finanzverwaltung<br />
ernannten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />
bestätigt. Am Ende <strong>der</strong> Versammlung kam <strong>der</strong><br />
neue Geist deutlich zum Ausdruck, als <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Flemming die Anwesenden auffor<strong>der</strong>te, sich<br />
von den Plätzen zu erheben und „Unserem Führer und<br />
Volkskanzler Adolf Hitler und unserem geliebten Vaterland<br />
ein dreifaches Sieg-Heil“ auszubringen.<br />
Hoffmann konnte bereits erste Ergebnisse des neuen<br />
Kurses vorlegen. So wurde die Absicht, auf dem Grundstück<br />
an <strong>der</strong> Fuhlsbüttler Straße zu bauen, endgültig aufgegeben.<br />
Der neue Geschäftsführer hatte zunächst die Ichthyol-Gesellschaft<br />
dazu bewegen können, den Bauplatz<br />
zurückzunehmen. Da jedoch keine Einigung über die dann<br />
fällige Grun<strong>der</strong>werbssteuer von ca. 10.000 RM erzielt werden<br />
konnte, wurde vereinbart, gemeinsam einen Käufer zu<br />
suchen. Die Ichthyol-Gesellschaft erklärte sich bereit, ab<br />
dem 1. April 1934 alle Lasten für dieses Grundstück zu tragen.<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> konnte sich damit insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Sorge um den Kredit von Böttcher entledigen, <strong>der</strong><br />
zudem mit 9 Prozent Zinsen sehr teuer war.<br />
Hoffmann verkündete sodann die Auflösung <strong>der</strong> „Baudarlehenssparkasse“,<br />
die er als „unsoziales Konto“ bezeichnete.<br />
Diese Maßnahme wurde mit „lebhafter freudiger<br />
Zustimmung“ aufgenommen. Eine Auszahlung des Geldes<br />
sollte allerdings erst erfolgen, wenn es die Kassenlage<br />
erlaubte. Die Spareinlagen wurden auch deshalb aufgelöst,<br />
weil vorerst nicht an die Errichtung von Neubauten<br />
gedacht wurde, „da hierfür“, so Hoffmann, „vorläufig [...]<br />
gar keine Gel<strong>der</strong> zu bekommen sind.“ Nach seiner Mei-<br />
nung sollte ohnehin „für die Zukunft <strong>der</strong> Grundsatz gelten,<br />
dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> nur baut, wenn die nötigen<br />
Gel<strong>der</strong> ihr selbst zur Verfügung stehen.“ Hoffmann<br />
vollzog damit den Willen <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Machthaber. Im Zuge <strong>der</strong> großstadtfeindlichen ‘Blut und<br />
Boden’-Ideologie wurden nun Kleinhaussiedlungen statt<br />
Geschossbauwohnungen propagiert.<br />
Im Jahr 1934 wurden in Hamburg nur 676 neue Wohnungen<br />
gebaut, weniger als die Hälfte mit öffentlichen<br />
Mitteln. So gesehen waren Hoffmanns Maßnahmen unter<br />
den neuen politischen Bedingungen <strong>der</strong> einzige Ausweg.<br />
Da zudem die Gewinn- und Verlustrechnung für 1933<br />
trotz <strong>der</strong> Belastung durch den Bauplatz einen Überschuss<br />
von 427,15 RM auswies, befand sich die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
nun auf dem Weg <strong>der</strong> finanziellen Gesundung. Das<br />
zweite große Problem, das im Revisionsbericht ebenfalls<br />
erwähnt worden war, konnte dagegen nicht gelöst werden.<br />
Obwohl <strong>der</strong> wirtschaftlichen Erholung nichts mehr im<br />
Wege stand und den Mitglie<strong>der</strong>n, die gekündigt hatten,<br />
eine Rücknahmefrist bis zum 30. September 1934 eingeräumt<br />
wurde, machte kaum jemand Gebrauch von diesem<br />
Angebot, auch wenn <strong>der</strong> neue Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Flemming verkündet hatte, dass durch das Abkommen<br />
mit <strong>der</strong> Ichthyol-Gesellschaft „viele Mitglie<strong>der</strong>, die bereits<br />
ihren Austritt angekündigt hatten, zur Rücknahme ihrer<br />
Aufkündigung veranlasst“ worden seien. Den 128 Kündigungen<br />
folgte ein Rückgang von 133 Mitglie<strong>der</strong> zum 31.<br />
Dezember 1934, neun Mitglie<strong>der</strong> hatten ihre Kündigung<br />
zurückgezogen und 14 waren ausgeschlossen worden, darunter<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Vorstands und des Aufsichtsrats.<br />
Damit verlor die <strong>Baugenossenschaft</strong> innerhalb eines Jahres<br />
58,6 Prozent ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Mögen die finanziellen<br />
Probleme <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> für die Kündigung<br />
zunächst ausschlaggebend gewesen sein, so sind doch weitere<br />
Gesichtspunkte zu bedenken, die einer Rücknahme
des Austritts entgegengestanden haben dürften. Zumindest<br />
für diejenigen, die auf den Bezug einer Wohnung<br />
gehofft hatten, bestand kein Anlass mehr für eine Mitgliedschaft.<br />
Auch mag ein bei den freigewerkschaftlichsozialdemokratisch<br />
orientierten Genossenschaften aus<br />
politischen Gründen allgemein zu beobachten<strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>rückgang eine Rolle<br />
gespielt haben. Nachdem absolut zuverlässige<br />
Nationalsozialisten die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
übernommen hatten, bestand jedenfalls<br />
erst recht kein Grund mehr, Mitglied zu<br />
bleiben.<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlen<br />
blieb auch in den folgenden Jahren ein<br />
Schwachpunkt. Erst 1935 gab es wie<strong>der</strong> sieben<br />
Zugänge. Allerdings handelte es sich<br />
dabei vor allem um die sechs Vorstandsund<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>, die erst in die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> eintraten, als das finanzielle<br />
Risiko weitgehend gebannt war.<br />
Auch die 17 von 22 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n,<br />
die kündigten, „als die Genossenschaft<br />
mit den größten Schwierigkeiten<br />
kämpfte“ und zum 31. Dezember 1935 aus-<br />
schieden, konnten nicht von ihrem Entschluss<br />
abgebracht werden. Lediglich zwei<br />
hatte ihre Kündigung zurückgezogen. Fünf<br />
Mitglie<strong>der</strong> wurden ausgeschlossen, weil sie<br />
„trotz wie<strong>der</strong>holter Auffor<strong>der</strong>ungen ihren<br />
Verpflichtungen zur Mietzahlung nicht nachgekommen“<br />
waren. Hierbei handelte es sich vermutlich um Mietrückstände,<br />
denn die Betroffenen bewohnten keine<br />
Genossenschaftswohnung mehr. Die Gleichschaltung<br />
spielte dabei keine erkennbare Rolle. Erst nach <strong>der</strong><br />
Annahme <strong>der</strong> Bilanz mit dem erneuten Verlustaus-<br />
gleich kündigten mehrere Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />
Die meisten erklärten ihren Austritt aber erst am Ende<br />
des Jahres 1933.<br />
In den folgenden Jahren verließen nur noch wenige<br />
Mitglie<strong>der</strong> die Genossenschaft. Allerdings konnten auch<br />
Braußpark Nr. 12: Wolfgang Schlorf (rechts) mit Freund vor dem Hauseingang<br />
(ca. 1937). Familie Schlorf wohnte in Nr. 4. Otto Schlorf trat 1931 in die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
ein.<br />
kaum Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden. Zum Jahresende<br />
1938 erreichte die Genossenschaft mit nur noch 67 Mitglie<strong>der</strong>n<br />
den Tiefststand. Dabei hatte sich <strong>der</strong> Vorstand<br />
bemüht, die Mitglie<strong>der</strong> zu halten. Als das Geschäftsjahr<br />
1934 trotz „einer doppelt so hohen Abschreibung auf<br />
Gebäude und Grund und Boden als in den Vorjahren“<br />
47
48<br />
mit einem Gewinn von knapp 21.000 RM abschloss,<br />
sollten 10.080 RM den Mitglie<strong>der</strong>n zur Auffüllung<br />
<strong>der</strong> in den vorangegangenen Jahren zum Verlustausgleich<br />
herangezogenen Geschäftsanteile gutgeschrieben werden.<br />
Diese Absicht hielt einer rechtlichen Prüfung allerdings<br />
nicht stand.<br />
Die geschäftliche Entwicklung verlief 1935 so gut, dass<br />
im Geschäftsbericht für 1936 bereits die Auszahlung einer<br />
Dividende angekündigt wurde, die in Höhe von 4 Prozent<br />
auf das Geschäftsguthaben erfolgte. Neben <strong>der</strong> Rückzahlung<br />
<strong>der</strong> Mieterdarlehen sollte nun auch verstärkt Eigengeld<br />
für zukünftige Bauvorhaben angesammelt werden.<br />
1937 wurden die Wohnungen an die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
sogar billiger vermietet, um einen Anreiz für<br />
den Erwerb einer Mitgliedschaft zu geben. Zu diesem Zeitpunkt<br />
waren nur 53 <strong>der</strong> insgesamt 278 Wohnungen von<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n bewohnt.<br />
Anfang 1936 kam die <strong>Baugenossenschaft</strong> einer For<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Hamburgischen Finanzverwaltung nach, Angehörige<br />
des Baugewerbes in den Verwaltungsgremien<br />
auszuwechseln. Dabei wurde auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
am 21. März 1936 nicht nur Klempnermeister<br />
Dabruntz und Töpfermeister Matzky, son<strong>der</strong>n auch<br />
Rechtsanwalt Flemming und somit <strong>der</strong> komplette Aufsichtsrat<br />
abgelöst. Flemming verlor offensichtlich das<br />
Interesse an <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> und wurde zum 31.<br />
Dezember 1936 ausgeschlossen. Auf Vorschlag von<br />
Geschäftsführer Hoffmann wurden Theodor Schrö<strong>der</strong>,<br />
Henry Grobe und Gottfried Frank zu Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />
bestimmt. Am 13. Mai 1936 bestellte <strong>der</strong> neue<br />
Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Gottfried Frank<br />
Walter Tesch an Stelle von Malermeister Hückstädt zum<br />
Vorstandsmitglied. Als Ende 1937 Fritz Meyer ausschied<br />
und Willy Köhler in den Vorstand aufrückte, setzten<br />
sich die Verwaltungsgremien mit Ausnahme von Arthur<br />
Hoffmann wie<strong>der</strong> aus langjährigen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />
zusammen. Mit Ausnahme von Tesch, <strong>der</strong> 1929<br />
eintrat und als kaufmännischer Angestellter arbeitete,<br />
waren alle an<strong>der</strong>en bereits 1928 Genossenschaftsmitglied<br />
geworden und im Druckgewerbe tätig. Schrö<strong>der</strong><br />
und Frank hatten schon vor 1933 dem Aufsichtsrat<br />
angehört, und Tesch war Mitglied <strong>der</strong> Bilanzprüfungskommission<br />
gewesen.<br />
Mit dem Personalwechsel wurde keine grundlegende<br />
Än<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> eingeleitet.<br />
Betont wurde seit 1935 in den Geschäftsberichten,<br />
dass eine Neubautätigkeit angestrebt werde. Konkrete<br />
Verhandlungen über den Ankauf eines Bauplatzes kamen<br />
jedoch erst 1940 zustande. Auch wurde in diesem Jahr zum<br />
erstenmal Eigengeld für den Wohnungsneubau in Höhe<br />
von 20.000 RM zurückgelegt. Dazu vermerkte <strong>der</strong><br />
Geschäftsbericht für 1940: „Selbstverständlich kann mit<br />
dem Beginn <strong>der</strong> Schaffung neuer Wohnungen erst nach<br />
dem Kriege gerechnet werden.“<br />
Ein Schwachpunkt <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> war <strong>der</strong> niedrige<br />
Mitglie<strong>der</strong>bestand und die damit verbundene geringe<br />
Eigenkapitalausstattung. Die Hoffnung, Neumitglie<strong>der</strong><br />
durch geplante Bauvorhaben gewinnen zu können, hatte<br />
sich vorerst zerschlagen. Auch <strong>der</strong> Mietnachlass an<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> zeigte kaum Wirkung. Erst<br />
1940 gelang es, die Mitglie<strong>der</strong>zahl durch 36 Eintritte wie<strong>der</strong><br />
auf 104 zu erhöhen. Die Anstieg war nicht zuletzt<br />
durch ein intensives Werben unter den Mietern möglich<br />
geworden. So konnte die Zahl <strong>der</strong> an Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
vermieteten Wohnungen von 61 im Jahre 1939<br />
auf 90 im darauffolgendem Jahr gesteigert werden. Möglicherweise<br />
wurde auch bei <strong>der</strong> Neuvermietung auf eine<br />
Mitgliedschaft gedrängt. Allerdings gab es 1940 nur 15<br />
Wohnungswechsel. In den Jahren zuvor waren zwischen<br />
35 und <strong>45</strong> Mieter ausgezogen.
Trotz steigen<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlen blieb das Interesse<br />
am Genossenschaftsleben gering. So bedauerte<br />
Geschäftsführer Hoffmann auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
1939 die Teilnahme von nur 30 Mitglie<strong>der</strong>n,<br />
die sich außer den Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />
eingefunden hatten. Auch zu früheren<br />
Zeiten, als die <strong>Baugenossenschaft</strong> noch über<br />
300 Mitglie<strong>der</strong> zählte, hatten kaum mehr als die<br />
Hälfte an den Versammlungen teilgenommen. Doch<br />
die Zahlen zeigen, dass sich auch die regelmäßigen<br />
Besucher von einst längst abgewandt hatten.<br />
Zur Mitglie<strong>der</strong>versammlung 1940, die mit einem<br />
gemeinsamen Hören einer Rundfunkrede von Adolf<br />
Hitler begann, erschienen außer den Aufsichtsratsund<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n noch einmal 32 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
In den folgenden Jahren kamen, vermutlich auch<br />
durch Einberufungen zur Wehrmacht, keine 20 Personen<br />
mehr zusammen. Die letzte Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />
die Hoffmann während <strong>der</strong> NS-Zeit einberief,<br />
fand am 28. Januar 19<strong>45</strong> mit insgesamt 11<br />
Teilnehmern statt. Zum erstenmal wurde in den Privaträumen<br />
des Geschäftsführers getagt.<br />
Bis zum Kriegsende war die Besetzung <strong>der</strong> Verwaltungsgremien<br />
nahezu unverän<strong>der</strong>t geblieben. Nur für<br />
den verstorbenen Henry Grobe war 1941 <strong>der</strong> Schlosser<br />
Wilhelm Roos in den Aufsichtsrat nachgerückt.<br />
Die Leitung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> hatte allerdings<br />
weitgehend in den Händen von Arthur Hoffmann<br />
und einer Mitarbeiterin gelegen. Vorstandsmitglied<br />
Köhler wurde 1939 und Aufsichtsratsmitglied Frank<br />
1940 zur Wehrmacht einberufen. Ab 1942 wurde<br />
Vorstandsmitglied Tesch „zur Erledigung wichtiger<br />
Arbeiten in den Osten berufen“.<br />
Schon bald nachdem Hitler 1939 mit dem Angriff<br />
auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte,<br />
Blick auf die zerstörten Häuser im Wicherns Garten Richtung Eiffestraße. Auf<br />
<strong>der</strong> linken Seite standen die Häuser <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>.<br />
49
50<br />
machten sich die Auswirkungen <strong>der</strong> Kriegsführung<br />
bemerkbar. Schon im Geschäftsbericht für 1940 ist vermerkt,<br />
dass „die Inangriffnahme je<strong>der</strong> nicht lebenswichtigen<br />
Instandsetzung wegen Handwerkermangels auf später<br />
verschoben werden“ müsse. Die Arbeiten zur Einrichtung<br />
von Luftschutzräumen schlugen mit fast 12.000 RM zu<br />
Buche. Weitere Mauerdurchbrüche sollten in den Kellern<br />
noch durchgeführt werden.<br />
Aus wirtschaftlicher Sicht bestand dagegen kein Anlass<br />
zur Klage. Mietausfälle waren kaum zu verzeichnen und<br />
die finanzielle Situation verbesserte sich zusehends. So<br />
unternahm die Genossenschaft weitere Anstrengungen,<br />
Eigenkapital anzusammeln, um „sofort nach dem Kriege“<br />
Wohnungen bauen zu können. Bis 1942 wurden bereits<br />
125.000 RM angespart. Für das Geschäftsjahr 1944 konnte<br />
ein Rekordgewinn von fast 34.000 RM erzielt werden,<br />
so dass 19<strong>45</strong> noch einmal eine Dividende in Höhe von 4<br />
Prozent auf das Geschäftsguthaben – je Mitglied 10 RM –<br />
ausgezahlt wurde.<br />
Die Wirklichkeit sah an<strong>der</strong>s aus. Hitlers Krieg hatte<br />
Deutschland in eine Trümmerlandschaft verwandelt. Tod,<br />
Flucht, Obdachlosigkeit, Hunger und Kälte bestimmten<br />
den Alltag <strong>der</strong> Menschen. Die Luftangriffe <strong>der</strong> Alliierten<br />
zerstörten in Hamburg etwa 300.000 Wohnungen, dass<br />
waren über 50 Prozent des Bestands. Die schlimmsten<br />
Auswirkungen hatten die Flächenbombardements Ende<br />
Juli / Anfang August 1943. 3.000 Flugzeuge warfen 9.000<br />
Tonnen Bomben über <strong>der</strong> Stadt ab. Brandbomben entfachten<br />
Feuerstürme, die ganze Stadtteile in Schutt und<br />
Asche legten. In wenigen Tagen fanden in Hamburg<br />
36.000 Menschen den Tod, 1 Million Hamburger wurden<br />
obdachlos.<br />
Die Stadtteile Hamm und Hammerbrook waren<br />
beson<strong>der</strong>s stark betroffen. Bereits in <strong>der</strong> ersten Nacht, vom<br />
27. auf den 28. Juli 1943, wurde die Wohnanlage am<br />
Braußpark fast völlig zerstört. Nur die Häuser Wicherns<br />
Garten Nr. 5 und 7 blieben, wenn auch beschädigt, mit 20<br />
Wohnungen erhalten. Als wenige Tage später Barmbek<br />
bombardiert wurde, erlitt die Wohnanlage im Suhrsweg<br />
einen Totalschaden. Der Mitte Februar 1944 erstellte<br />
Geschäftsbericht für 1943 vermerkt dazu: „Das abgelaufene<br />
Geschäftsjahr 1943 stand völlig unter dem Eindruck<br />
<strong>der</strong> Feindeinwirkungen auf Hamburg. 21 von unseren 23<br />
Häusern wurden total zerstört. Bis heute konnte eine Klärung<br />
aller in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen<br />
nicht erfolgen.“ Auch im Verlauf des Jahres 1944<br />
konnten noch nicht alle Fragen zur Schadensregulierung<br />
beantwortet werden. Die erhalten gebliebenen beiden<br />
Häuser wurden notdürftig instand gesetzt. Die Ersetzung<br />
<strong>der</strong> Mietausfälle durch die Reichsregierung entledigte die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> zumindest <strong>der</strong> Sorgen um die Zins- und<br />
Tilgungszahlungen für die Hypotheken.
Mit <strong>der</strong> deutschen Kapitulation am 8. Mai 19<strong>45</strong> endete<br />
<strong>der</strong> Zweite Weltkrieg in Europa. Das in weiten Teilen zerstörte<br />
Hamburg war durch die kampflose Übergabe am 3.<br />
Mai 19<strong>45</strong> von weiteren Verwüstungen verschont geblieben.<br />
Die ersten Wochen nach dem Kriegsende waren<br />
geprägt von dem täglichen Kampf ums Überleben. Die<br />
Beschaffung von Nahrungsmitteln, die Herrichtung einer<br />
Unterkunft und die Suche nach Familienangehörigen<br />
bestimmten den Alltag. Erst allmählich begann sich das<br />
Leben <strong>der</strong> Menschen zu normalisieren. Ein Zeichen dafür<br />
war die Wie<strong>der</strong>eröffnung <strong>der</strong> Hamburger Schulen am 6.<br />
August 19<strong>45</strong>.<br />
Neben <strong>der</strong> Lebensmittelknappheit und dem Energiemangel<br />
war die Wohnungsnot das dritte große Problem in<br />
<strong>der</strong> Hansestadt. Trotz Zuzugsbeschränkungen stieg die<br />
Bevölkerung in Hamburg vom 1. Juni bis Mitte September<br />
19<strong>45</strong> um 112.000 Menschen. In seiner Rundfunkrede vom<br />
12. September 19<strong>45</strong> bezeichnete Bürgermeister Rudolf<br />
PetersendieWohnungsversorgungalsdasschwierigsteProblem.Baumaterialienkonntenkaumbeschafftwerden,weil<br />
die Transportkapazitäten nicht ausreichten und weil es an<br />
Kohle zur Energieversorgung mangelte. Die BaumaßnahmenbeschränktensichdeshalbaufdienotdürftigeInstandsetzung<br />
leicht beschädigter Wohnungen. Um die nach<br />
Hamburg zurückkehrenden Menschen überhaupt unterbringen<br />
zu können, beschlagnahmte das Wohnungsamt –<br />
wie schon im Krieg – Zimmer in Wohnungen und Einzelhäusern.<br />
Schließlich begann die britische Militärregierung<br />
mit <strong>der</strong> Aufstellung von Notunterkünften auf Trümmergrundstücken,<br />
Straßen und Grünflächen. Bis Ende 19<strong>45</strong><br />
wurden42.000HamburgerinNissenhüttenuntergebracht.<br />
Während <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau zerstörter Häuser auf sich<br />
warten ließ und vorerst nur Bebauungspläne für die<br />
KRIEGSENDE UND NEUBEGINN<br />
Zukunft entworfen wurden, stand die Wohnungswirtschaft<br />
vor ganz an<strong>der</strong>en Problemen. Mit <strong>der</strong> Kapitulation<br />
hatte das Deutsche Reich aufgehört zu existieren. Deshalb<br />
wurden ab Mai 19<strong>45</strong> auch keine Ausgleichszahlungen<br />
mehr getätigt, die für die durch die Bombenschäden entstandenen<br />
Mietausfälle gewährt worden waren. Diese<br />
Zahlungen waren für die meisten Wohnungseigentümer<br />
von existenzieller Bedeutung, weil nur so die Kreditzinsen<br />
und Tilgungsraten gezahlt werden konnten. Auf diese Problematik<br />
wies <strong>der</strong> Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen<br />
bereits frühzeitig hin.<br />
Der Verband war 1934 von den Nationalsozialisten<br />
als Einheitsverband gegründet worden. Die Pflichtmitgliedschaft<br />
vereinigte alle gemeinnützigen Wohnungsunternehmen<br />
in Schleswig-Holstein, Hamburg und<br />
Mecklenburg. Als Dachorganisation wurde <strong>der</strong> Reichsverband<br />
des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens<br />
eingerichtet. Die nach verschiedenen Interessengruppen<br />
in fünf Spitzenverbänden organisierte gemeinnützige<br />
Wohnwirtschaft von vor 1933 gehörte damit <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
an. Auch nach 19<strong>45</strong> wurde an dem Einheitsprinzip<br />
festgehalten.<br />
Erich Klabunde, seit 1939 Geschäftsführer des Verbands<br />
norddeutscher Wohnungsunternehmen, war nach 19<strong>45</strong><br />
maßgeblich an <strong>der</strong> Neuorganisation <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />
Wohnungswirtschaft in Westdeutschland beteiligt und<br />
wurde Direktor des Gesamtverbands. Schon frühzeitig<br />
wies er auf die beson<strong>der</strong>en Probleme <strong>der</strong> Wohnungsbaugenossenschaften<br />
hin. An<strong>der</strong>erseits verstand er es, deutlich<br />
zu machen, dass die <strong>Baugenossenschaft</strong>en über das<br />
Potential für einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau verfügten.<br />
Bereits Anfang Oktober 19<strong>45</strong> legte <strong>der</strong> Geschäftsführer<br />
dem zuständigen Hamburger Senator ein Memorandum<br />
51
52<br />
Ruinen Ecke Eitzensweg /Braußpark.
über „Die Zukunft <strong>der</strong> Hypothekenzinsen für zerstörte<br />
Häuser“ vor. Ausführlich erläuterte er die Situation <strong>der</strong><br />
Wohnungsunternehmen, bei denen seit Einstellung <strong>der</strong><br />
Ausgleichszahlungen für zerstörte Wohnungen die<br />
Hypothekenzinsen und Tilgungsraten aufliefen. Mit <strong>der</strong><br />
erwarteten Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Gerichtstätigkeit wurden<br />
Klagen gegen säumige Schuldner o<strong>der</strong> gar die Rückzahlung<br />
von Hypothekarkrediten befürchtet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft wies er<br />
nach, dass diese Unternehmen, <strong>der</strong>en Gesamtkapital bis<br />
zu 92 Prozent aus Fremdkapital bestand, nicht in <strong>der</strong><br />
Lage sein würden, etwaigen For<strong>der</strong>ungen nachzukommen.<br />
Dazu <strong>der</strong> Verbandsgeschäftsführer:<br />
„Völlig abwegig sind die Gedanken einer Weiterzahlung<br />
<strong>der</strong> Hypothekarzinsen für zerstörte Häuser, soweit es<br />
sich um den Wohnungsbestand gemeinnütziger Unternehmen<br />
handelt.<br />
Deren größte Gruppe sind Genossenschaften von<br />
Arbeitern, Angestellten, Beamten und sonstigen Beziehern<br />
kleiner und kleinster Einkünfte. Es dürfte we<strong>der</strong> wirtschaftlich<br />
tragbar noch politisch verantwortbar sein, diesen<br />
Genossenschaften zuzumuten, dass sie zur Zahlung<br />
von Hypothekenzinsen die von ihren Mitglie<strong>der</strong>n mühsam<br />
aufgebrachten Genossenschaftsanteile verwenden.<br />
Hierbei ist beson<strong>der</strong>s zu berücksichtigen, dass <strong>der</strong> Genosse<br />
einer Wohnungsbaugenossenschaft in keiner Weise an <strong>der</strong><br />
Rentabilität des Hauses beteiligt ist, son<strong>der</strong>n lediglich an<br />
eventuellen Ausfällen. Die Dividende ist auf höchstens<br />
4% jährlich gesetzlich begrenzt. Dividendenausfälle des<br />
einen Jahres können also nicht durch eine spätere erhöhte<br />
Dividende ausgeglichen werden.<br />
Jede Beeinträchtigung <strong>der</strong> Genossenschaften würde<br />
zu einer Zerstörung des <strong>Baugenossenschaft</strong>sgedankens<br />
führen – es steht aber fest, dass <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong><br />
Wohnungswirtschaft nur erfolgreich vorgenommen wer-<br />
den kann, wenn in stärkerem Umfange als bisher die<br />
Wohnungssuchenden in <strong>Baugenossenschaft</strong>en eingeglie<strong>der</strong>t<br />
werden und diese ihre Ersparnisse als Genossenschaftsanteile<br />
zur Verfügung stellen. Der Genossenschaftsgedanke<br />
verdient schließlich aus politischen<br />
Gründen beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung und darf deswegen nicht<br />
durch ein unvertretbares Vorgehen zugunsten <strong>der</strong> Gläubiger<br />
gestört werden.“<br />
Schon 1948 legte Erich Klabunde in <strong>der</strong> Verbandszeitschrift<br />
„Gemeinnützige Wohnungswirtschaft“ ein „Programm<br />
für den Wohnungsbau“ vor. Seine Überlegungen<br />
sollten später die wesentliche Grundlage des ersten Wohnungsbaugesetzes<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland werden.<br />
Dass sich die Wohnungsnot, es fehlten in den Westzonen<br />
schätzungsweise 4 bis 5 Millionen Wohnungen, nur<br />
durch den Einsatz öffentlicher För<strong>der</strong>ungsmittel lin<strong>der</strong>n<br />
lassen würde, stand für den Verbandsdirektor außer Frage.<br />
Ebenso überzeugend konnte <strong>der</strong> Experte <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft<br />
darlegen, dass <strong>der</strong> private Mietwohnungsbau<br />
wegen <strong>der</strong> fehlenden Eigenkapitalausstattung noch über<br />
längere Zeit kaum in <strong>der</strong> Lage sein würde, Wohnungsneubauten<br />
zu errichten. Er favorisierte deshalb die gemeinnützigen<br />
Genossenschaften und Gesellschaften, die die<br />
„Sammlung des erfor<strong>der</strong>lichen Eigenkapitals durch die<br />
Zusammenfassung <strong>der</strong> wohnungsbaubedürftigen Mitglie<strong>der</strong><br />
bzw. Mieter erheblich früher ermöglichen“. Die wichtigsten<br />
Elemente des Wohnungsbauprogramms waren die<br />
For<strong>der</strong>ung nach einem langfristigen Programm mit konkreten<br />
Bauzahlen für die nächsten fünf Jahre sowie die<br />
Festlegung <strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>nden Wohnungsgrößen und <strong>der</strong><br />
späteren Höchstmiete. Nur so ließ sich nach seiner Überzeugung<br />
das Wohnungsproblem für breite Schichten <strong>der</strong><br />
Bevölkerung zu erschwinglichen Mietpreisen lösen.<br />
Als Abgeordneter des Ersten Deutschen Bundestages<br />
<strong>der</strong> oppositionellen SPD gelang es Erich Klabunde, seine<br />
53
54<br />
Vorstellungen in dem ersten deutschen Wohnungsbaugesetz<br />
vom 28. März 1950, das „einmütig“ bei wenigen<br />
Stimmenthaltungen angenommen wurde, weitgehend<br />
umzusetzen.<br />
Der Verbandsdirektor sah in dem Wohnungsbaugesetz<br />
eine große Chance für die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen.<br />
Nach seiner Einschätzung würden sie ihren<br />
Bestand in den nächsten zehn Jahren um 1,5 Millionen<br />
Wohnungen erweitern können, das entsprach etwa einem<br />
Drittel <strong>der</strong> erwarteten Neubauwohnungen.<br />
Dem genossenschaftlichen Gemeinnutzen wurde damit<br />
gegenüber dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben<br />
zu neuer Geltung und Auftrieb verholfen. Die Prognose<br />
sollte sich bewahrheiten. In <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong><br />
1950er Jahre schwankte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />
Wohnungsunternehmen beim Wohnungsneubau zwischen<br />
35 und 42 Prozent. Als 1964 in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
mit 623.000 fertiggestellten Wohnungen ein weiteres<br />
Rekor<strong>der</strong>gebnis erzielt wurde, waren es immer noch<br />
30 Prozent.
Zunächst verhin<strong>der</strong>ten fehlende Baumaterialien, dringende<br />
Instandsetzungsarbeiten und Bedarfe <strong>der</strong> Besatzungsmacht<br />
einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau. Als Ende 1946<br />
Paul Nevermann die Baubehörde übernahm, flossen nur<br />
11 Prozent <strong>der</strong> knappen Baustoffe in den Wohnungsbau.<br />
Obwohl <strong>der</strong> Beschluss, zukünftig 35 Prozent des Baumaterials<br />
für den sozialen Wohnungsbau vorzusehen, umgesetzt<br />
werden konnte, war die Aufbautätigkeit mit 5.280 und<br />
8.612 Wohnungen 1947/48 und 1948/49 noch bescheiden.<br />
Zunächst wurden insbeson<strong>der</strong>e ausgebrannte Ruinen<br />
wie<strong>der</strong> aufgebaut. Vorhandene Mauern senkten den<br />
Bedarf an Baumaterial. Wegen <strong>der</strong> verkehrsgünstigen<br />
Lage und <strong>der</strong> zumindest in Teilen stehen gebliebenen<br />
Großsiedlungen konzentrierte sich <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
zunächst vor allem auf Barmbek.<br />
Um überhaupt Baumaterial, das zu 95 Prozent im Hamburger<br />
Umland produziert wurde, in die Hansestadt zu<br />
holen, ging die Baubehörde ungewöhnliche Wege: „Wer<br />
für den Wohnungsbau Baustoffe nach Hamburg bringt,<br />
bekommt die Baugenehmigung für eine bestimmte Größenordnung.“<br />
Tatsächlich wirkten sich jetzt geschäftliche<br />
Beziehungen aus. Doch musste weiterhin improvisiert<br />
werden. Als während <strong>der</strong> Ernährungskrise 1946/47 bei<br />
den „BMW-Betrieben“ (Bäcker, Metzger, Wirte) eine verstärkte<br />
Bautätigkeit zu beobachten war, im Wohnungssektor<br />
aber Arbeitskräftemangel herrschte, erhielten die<br />
Bauarbeiter im Wohnungsbau von <strong>der</strong> Ernährungsbehörde<br />
auf Schwerarbeiterkarten zusätzliche Lebensmittel.<br />
Der Hamburger Senat traf frühzeitig die Vorbereitungen<br />
für einen zügigen Wie<strong>der</strong>aufbau. 1947 wurde <strong>der</strong> Generalbebauungsplan<br />
verabschiedet. Das Aufbaugesetz von 1949<br />
bildete die rechtliche Grundlage, und <strong>der</strong> Aufbauplan von<br />
1950 schuf einen verbindlichen Rahmen für die städte-<br />
WIEDERAUFBAU IN HAMBURG<br />
bauliche Entwicklung. Mit <strong>der</strong> Währungsreform im Juni<br />
1948 kehrte wie<strong>der</strong> Vertrauen in das Geldwesen zurück.<br />
Die Schaufenster <strong>der</strong> Geschäfte füllten sich, <strong>der</strong> Tauschhandel<br />
und die Schwarzmärkte verschwanden. Zusammen<br />
mit den wirtschaftspolitischen Weichenstellungen für<br />
eine soziale Marktwirtschaft bildete die Währungsreform<br />
die Grundlage für den konjunkturellen Aufschwung.<br />
Obwohl die Rahmenbedingungen damit geschaffen waren<br />
und sich Hamburgs Regierung intensiv um den Wohnungsbau<br />
bemühte, überstieg <strong>der</strong> Finanzbedarf die Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Hansestadt.<br />
Erst mit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Bundesrepublik und <strong>der</strong><br />
Anerkennung des Wohnungsbaus als Aufgabe <strong>der</strong><br />
Bundesregierung konnte in <strong>der</strong> Finanzierungsfrage eine<br />
befriedigende Antwort gefunden werden. Von nicht<br />
unerheblicher Bedeutung waren dabei die Mittel aus<br />
dem amerikanischen European Recovery Program (ERP),<br />
dem nach dem US-Außenminister benannten Marshallplan.<br />
Bereits im September 1949 flossen 81,5 Millionen<br />
DM ERP-Mittel in ein Sofortprogramm für den Wohnungsbau.<br />
Hamburg erhielt 2,3 Millionen DM. Bei <strong>der</strong><br />
Verteilung <strong>der</strong> Bundesmittel für den Wohnungsbau wurde<br />
Hamburg 1950 mit 30,2 Millionen DM berücksichtigt,<br />
20 Prozent stammten aus dem ERP-Programm. Die Verwendung<br />
<strong>der</strong> Marshallplan-Gel<strong>der</strong> war an Bedingungen<br />
geknüpft. Neben dem für alle För<strong>der</strong>programme geltenden<br />
Grundsatz, möglichst billigen Wohnraum zu schaffen,<br />
sollte das ERP-Programm insbeson<strong>der</strong>e solchen Arbeitern<br />
zugute kommen, für die kein geeigneter Wohnraum zur<br />
Verfügung stand und die deshalb in einer nicht zumutbaren<br />
Entfernung vom Arbeitsplatz untergebracht waren.<br />
In Hamburg wurden mit den ERP-Gel<strong>der</strong>n vor allem<br />
gemeinnützige Wohnungsunternehmen geför<strong>der</strong>t. Sie<br />
55
56<br />
erhielten 1950 von den insgesamt 6,4 Millionen DM 4,7<br />
Millionen.<br />
Jetzt konnte auch in Hamburg <strong>der</strong> Wohnungsbau deutlich<br />
gesteigert werden. In den 1950er Jahren wurden in<br />
<strong>der</strong> Hansestadt durchschnittlich etwa 25.000 Wohnungen<br />
gebaut, bis zu 90 Prozent davon im öffentlich geför<strong>der</strong>ten<br />
sozialen Wohnungsbau. Die Miete für den sozialen Wohnungsbau<br />
wurde durch Senatsbeschluss auf 1,00 DM/qm<br />
Wohnfläche festgesetzt. Grundsätzlich wurden nur Kleinwohnungen<br />
geför<strong>der</strong>t. Für 2-Personen-Haushalte waren<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau und Notunterkünfte am Bie<strong>der</strong>mannplatz - Barmbek 1950.<br />
Wohnungen in <strong>der</strong> Größe von 20 - 28 qm vorgesehen, für<br />
drei Personen bis 40 qm, für vier Personen bis 50 qm und<br />
für fünf Personen bis 60 qm. Die durchschnittliche Wohnfläche<br />
sollte <strong>45</strong> qm nicht überschreiten. Mit 47,4 Neubauwohnungen<br />
auf 1.000 Einwohner belegte Hamburg<br />
1953 den Spitzenplatz in <strong>der</strong> Bundesrepublik. Die frühzeitige<br />
und vorausschauende Aufbauplanung zahlte sich aus.<br />
Mit <strong>der</strong> Richtfeier <strong>der</strong> 300.000 Wohnung am 17. November<br />
1960 wurde <strong>der</strong> Wohnungsbestand <strong>der</strong> Vorkriegszeit<br />
wie<strong>der</strong> erreicht.
DER NEUANFANG<br />
Ganze 20 <strong>der</strong> einst 278 Wohnungen waren <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> geblieben, 93 Prozent des<br />
Bestands war vernichtet. Die Bewohner in Wicherns Garten<br />
Nr. 5 und 7 hatten immerhin ein Dach über dem Kopf.<br />
Die Alltagssorgen, insbeson<strong>der</strong>e die Beschaffung von<br />
Lebensmitteln, teilten sie allerdings mit allen an<strong>der</strong>en<br />
Einwohnern. Je<strong>der</strong> verfügbare Flecken Erde wurde für die<br />
Gartennutzung kultiviert. So beantragte Helma Nonnenmacher,<br />
Wicherns Garten Nr. 7, im Februar 1946 die Nutzung<br />
von 250 qm Genossenschaftsgelände zur Eigenversorgung.<br />
Die meisten <strong>der</strong> ausgebombten Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
blieben <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> treu. Viele hofften vermutlich,<br />
eines Tages eine wie<strong>der</strong>aufgebaute Wohnung<br />
beziehen zu können. Zu diesem Personenkreis gehörte<br />
Toni Höppner, die bis 1943 mit ihrem Mann Hans Höppner<br />
in Braußpark Nr. 8 gewohnt hatte und nun in Hagenburg<br />
am Steinhu<strong>der</strong> Meer lebte. Aus dem Schreiben, das<br />
Frau Höppner Anfang August 19<strong>45</strong> an die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
sandte, geht deutlich hervor, dass sie auf eine baldige<br />
Rückkehr nach Hamburg hoffte und dass sie fest mit<br />
<strong>der</strong> sofortigen Aufnahme <strong>der</strong> Aufbautätigkeit rechnete,<br />
die ihr den Bezug einer Genossenschaftswohnung in<br />
naher Zukunft ermöglichen würde. Frau Höppner teilte<br />
zudem das Schicksal zahlreicher Ehefrauen. Ihr Mann war<br />
1944 als Soldat im Osten ums Leben gekommen.<br />
Am 21. Oktober 19<strong>45</strong> fand die erste Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
nach dem Krieg statt. Neben vier Vertretern<br />
des Vorstands und des Aufsichtsrats waren 30 Mitglie<strong>der</strong><br />
erschienen. Die Teilnehmerzahl war damit gegenüber den<br />
Generalversammlungen <strong>der</strong> letzten Jahre deutlich gestie-<br />
DIE BAUGENOSSENSCHAFT DER<br />
BUCHDRUCKER 19<strong>45</strong>-2002<br />
Helma Nonnenmacher, Wicherns Garten Nr. 7, beantragte die<br />
Nutzung von Grasland zur Eigenversorgung.<br />
gen. Auf <strong>der</strong> Tagesordnung stand die Neuwahl des Aufsichtsrats.<br />
In <strong>der</strong> Diskussion um die Vorschläge vermerkt<br />
das Protokoll namentlich nur Willi Zieher, <strong>der</strong> 1932/33<br />
dem Aufsichtsrat angehört hatte und sich jetzt beim Aufbau<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaft im Graphischen Gewerbe enga-<br />
57
58<br />
gierte. Es darf vermutet werden, dass sich insbeson<strong>der</strong>e<br />
Zieher für eine Neubesetzung aussprach und sich gegen die<br />
bisherigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> Gottfried Frank und<br />
Theodor Schrö<strong>der</strong> wandte, die 1933 gegen die Genossenschaftsgrün<strong>der</strong><br />
opponiert hatten und während <strong>der</strong> NS-<br />
Zeit in das Leitungsgremium aufgerückt waren. Zwar wurden<br />
Stimmen laut, die eine Wie<strong>der</strong>wahl for<strong>der</strong>ten, doch<br />
verzichtete Schrö<strong>der</strong> von sich aus auf eine Kandidatur.<br />
Die Versammlung wählte schließlich Karl Koch als Vorsitzenden<br />
sowie Ernst Trilck und Walter Hartung in den<br />
Aufsichtsrat.<br />
Den alten, auf unbestimmte Zeit bestellten Vorstand mit<br />
Arthur Hoffmann als Vorsitzendem sowie Walter Tesch<br />
und Willy Köhler beließ <strong>der</strong> neue Aufsichtsrat allerdings<br />
im Amt. Tesch und Köhler waren offensichtlich nicht<br />
belastet, nur das ehemalige NSDAP-Mitglied Arthur<br />
Hoffmann wurde im Rahmen <strong>der</strong> Entnazifizierung von <strong>der</strong><br />
britischen Militärregierung überprüft und am 20. Mai<br />
1947 mit einem Verbot belegt, die Genossenschaft zu vertreten.<br />
Das Vertretungsverbot wurde neun Monate später<br />
wie<strong>der</strong> aufgehoben.<br />
DESOLATE FINANZLAGE<br />
Im ersten Geschäftsbericht nach dem Krieg, <strong>der</strong> im Mai<br />
1946 vorlag, musste <strong>der</strong> Genossenschaftsvorstand erklären,<br />
dass die wirtschaftliche Lage völlig ungeklärt sei.<br />
Durch die seit dem 1. April 19<strong>45</strong> eingestellten Ausgleichszahlungen<br />
für Mietausfälle durch Kriegszerstörungen waren<br />
alle Tilgungszahlungen sowie die Zahlung von Hypothekenzinsen<br />
und Grundsteuern eingestellt worden. Bis<br />
zum Jahresende lief aus den Verpflichtungen für Hypothekenzinsen<br />
und Grundsteuern ein Zahlungsrückstand in<br />
Höhe von 59.189,07 RM auf. Anfang 19<strong>45</strong> nachgezahlte<br />
Nutzungsschadenvergütungen verringerten das Defizit, so<br />
dass die Jahresbilanz für 19<strong>45</strong> einen Verlust von 36.035,82<br />
RM auswies. Selbst die beiden erhalten gebliebenen Häuser<br />
konnten den Jahresabschluss nicht verbessern. Die<br />
beschädigten Häuser verursachten Instandsetzungs- und<br />
Reparaturkosten, so dass sie trotz des Mietaufkommens<br />
nicht rentabel waren. Angesichts <strong>der</strong> Finanzlage arbeiteten<br />
Geschäftsführer Hoffmann, Vorstand und Aufsichtsrat<br />
ab dem 1. August 19<strong>45</strong> ehrenamtlich. Auch Mietermässigungen,<br />
die in <strong>der</strong> Vergangenheit gewährt worden waren,<br />
wurden zum 1. Oktober 19<strong>45</strong> gestrichen.<br />
Trotz <strong>der</strong> desolaten Lage wurde eine Verschmelzung mit<br />
einer an<strong>der</strong>en Genossenschaft auf <strong>der</strong> ersten Nachkriegsversammlung<br />
im Oktober 19<strong>45</strong> abgelehnt. Selbstbewusst<br />
beschlossendieMitglie<strong>der</strong>,dass„an<strong>der</strong><strong>eG</strong>enossenschaften<br />
in unserer Genossenschaft aufgehen“ können. Zugleich<br />
wurde damit <strong>der</strong> Wille bekundet, die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
wie<strong>der</strong> aufzubauen. Tatsächlich wurde noch 19<strong>45</strong> eine<br />
Überprüfung <strong>der</strong> zerstörten Gebäude durchgeführt. Dabei<br />
ergabsich,dassdieRuinenimWichernsGartenundimEitzensweg<br />
für den Wie<strong>der</strong>aufbau genutzt werden konnten.<br />
Alle an<strong>der</strong>en Häuser mussten neu aufgebaut werden.<br />
Die Erwartung, möglichst bald mit dem Wohnungsbau<br />
beginnen zu können, erfüllten sich nicht. Fehlende Baumaterialien<br />
und begrenzte För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stadt setzen<br />
dem Bausektor enge Grenzen. Im Geschäftsbericht für<br />
1946 kommt eine resignative Stimmung zum Ausdruck:<br />
„Die ganzen Schwierigkeiten <strong>der</strong> Nachkriegszeit spiegeln<br />
sich darin, dass wir auch im Jahre 1946 bezüglich Ausbau,<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau bzw. Neubau nicht einen Schritt<br />
weiterkommen konnten.“ Erschwerend kam hinzu, dass<br />
die ausbaufähigen Gebäude in Hamm in einem Sperrgebiet<br />
lagen, das nach den schweren Bombenangriffen 1943<br />
in dem beson<strong>der</strong>s stark zerstörten Stadtteil eingerichtet<br />
und noch immer nicht wie<strong>der</strong> frei gegeben worden war.
Bis zur Währungsreform am 21. Juni 1948 konnte die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> keine einzige Wohnung<br />
bauen. In den letzten Wochen und Monaten vor <strong>der</strong><br />
erwarteten Währungsumstellung „waren nicht einmal<br />
mehr Handwerker für die notwendigsten Instandsetzungen<br />
zu bekommen“. Auch die Entschädigungsfrage war noch<br />
völlig ungeklärt. Über 200.000 RM Hypothekenzinsen<br />
waren seit Mai 19<strong>45</strong> aufgelaufen. Die Bilanz zum 20. Juni<br />
1948 wies einen Gesamtverlust seit Kriegsende in Höhe<br />
von 183.463,86 RM aus. Der Hypothekenstand betrug<br />
Ende 1947 fast 2,5 Millionen Reichsmark. Dem gegenüber<br />
standen nur die Grundstückswerte, die beiden Häuser im<br />
Wicherns Garten, 166.000 RM Rücklagen und die<br />
Geschäftsanteile <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. In dem Prüfbericht des<br />
Revisionsverbandes heißt es dazu, dass „die wirtschaftliche<br />
Lage <strong>der</strong> Genossenschaft völlig abhängig von einem angemessenen<br />
Lastenausgleich bei den zerstörten Objekten“<br />
sei.FürbedenklichhieltendieRevisorendiegeringeEigenkapitalausstattung,<br />
die Ende 1946 noch 6,6 Prozent des<br />
Gesamtkapitals ausgemacht hatte und mittlerweile von<br />
den Verlusten fast vollständig aufgezehrt worden war. Die<br />
Zahlungsbereitschaft konnte nur aufrechterhalten werden,<br />
weil die Verbindlichkeiten aus dem zerstörten Hausbesitz<br />
gestundet wurden. Immerhin konnten die Verwaltungsausgaben<br />
auf ein Minimum gesenkt werden. Nicht<br />
einmal die Auslagen wurden erstattet, so dass sich die<br />
Geschäftsunkosten für 1946 auf 38,26 RM reduzierten.<br />
DIE WÄHRUNGSREFORM<br />
Die Währungsumstellung schuf für die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung.<br />
Vor allem profitierte sie von <strong>der</strong> Geldumstellung im<br />
Verhältnis 10:1. Die rückständigen Hypothekenzinsen<br />
in Höhe von 203.322,32 RM reduzierten sich auf<br />
20.332,32 DM und die inländischen Hypotheken in<br />
Höhe von fast 2,2 Millionen RM schrumpften auf 219.978<br />
DM. Die englische Pfund-Hypothek blieb dagegen ein<br />
dauerhaftes Problem. Die Auslandsschuld wurde im Verhältnis<br />
1:1 umgerechnet. Aus den 12.843 Pfund ergab<br />
sich zu einem Kurs von 13,43 DM für 1 englisches Pfund<br />
eine Hypothekenschuld in Höhe von 172.482 DM. Den<br />
Verbindlichkeiten in Höhe von über 422.000 DM standen<br />
die Trümmergrundstücke und die Häusern im Wicherns<br />
Garten mit einem veranschlagten Wert von 431.612,88<br />
DM gegenüber, so dass ein Reinvermögen von gut 9.000<br />
DM ausgewiesen werden konnte.<br />
Die als Umstellungsgrundschuld ausgewiesene Differenz<br />
zwischen RM- und DM-Verbindlichkeiten konnte schon<br />
durch Verzichtsanträge nach dem „Gesetz zur Sicherung<br />
von For<strong>der</strong>ungen für den Lastenausgleich“ auf die im<br />
Krieg zerstörten Häuser um rund 85 Prozent reduziert werden.<br />
Von weiteren Verzichtsanträgen, die nach dem<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Gebäude zu stellen waren, wurden<br />
zusätzliche Entlastungen erwartet. Auf dieser Grundlage<br />
war es <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> nunmehr möglich, die<br />
Finanzierung neuer Wohnungen und damit den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
in Angriff zu nehmen.<br />
Die Klärung <strong>der</strong> finanziellen Situation gab <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
neuen Auftrieb. Erneut wurde von <strong>der</strong> Leitung<br />
eine Verschmelzung mit einer an<strong>der</strong>en Genossenschaft<br />
entschieden abgelehnt und auf den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
und die Erhaltung <strong>der</strong> Selbstständigkeit gesetzt. Intensiv<br />
bemühte sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> nun um die Erteilung<br />
von Baugenehmigungen und die Finanzierung des Wohnungsbaus.<br />
Auch musste die Mitglie<strong>der</strong>werbung intensiviert<br />
werden, um den Eigenkapitalanteil zu stärken. Die<br />
Mitglie<strong>der</strong>zahl, die sich zuletzt 1940 mit 36 Zugängen auf<br />
104 Mitglie<strong>der</strong> deutlich erhöht hatte und seitdem bis<br />
59
60<br />
Ende 1946 langsam auf 128 Mitglie<strong>der</strong> gesteigert werden<br />
konnte, war bereits leicht rückläufig. Am 31. Dezember<br />
1948 hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> noch 121 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Dass die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> nach<br />
19<strong>45</strong> an ihre traditionell sozialdemokratisch-gewerkschaftliche<br />
Ausrichtung anknüpfte, kam durch die<br />
Beschlüsse zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Satzung auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
am 14. Mai 1948 zum Ausdruck. Die Einladungen<br />
zur Generalversammlung und einmalige<br />
Bekanntmachungen wurden jetzt wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> SPD-Zeitung<br />
„Hamburger Echo“ veröffentlicht. Später fanden<br />
auch wie<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlungen im Gewerkschaftshaus<br />
am Besenbin<strong>der</strong>hof statt. Als Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
sollten insbeson<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> neu<br />
gegründeten Industrie Gewerkschaft Graphisches Gewerbe<br />
und Papierverarbeitung (später IG Druck und Papier)<br />
aufgenommen werden.<br />
Für die Kontinuität <strong>der</strong> Ausrichtung <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
auf die Arbeitnehmer im Druckgewerbe von <strong>der</strong><br />
Gründungszeit bis in die Nachkriegszeit stand vor allem<br />
Willi Zieher. Zieher wurde nach 19<strong>45</strong> wie<strong>der</strong> als Hauptkassierer<br />
von <strong>der</strong> IG Druck und Papier eingestellt und<br />
gehörte dem Gewerkschaftsvorstand <strong>der</strong> Region Nordmark<br />
an. Nach dem Ende <strong>der</strong> NS-Diktatur beteiligte er<br />
sich wie<strong>der</strong> intensiv an <strong>der</strong> Genossenschaftsarbeit. In <strong>der</strong><br />
ersten Hälfte <strong>der</strong> 1950er Jahre, die von internen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> geprägt war,<br />
kam ihm eine ausgleichende Rolle zu. Willi Zieher gehörte<br />
dem Aufsichtsrat noch einmal von 1951 bis 1957 an.<br />
Von denjenigen, die vor 1933 den Leitungsgremien angehört<br />
hatten und im Zuge <strong>der</strong> Gleichschaltung ausscheiden<br />
mussten, war er <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> nach 19<strong>45</strong> wie<strong>der</strong> Führungsaufgaben<br />
übernahm. Die Vermutung liegt nahe, dass<br />
es Willi Zieher war, <strong>der</strong> 1951 die Benennung eines Neubaukomplexes<br />
im Stadtteil Barmbek-Nord in „Guten-<br />
berghof“ vorschlug, eine Idee, die schon 1928 geboren<br />
worden war.<br />
Die enge Verbindung zur Gewerkschaft kam auch darin<br />
zum Ausdruck, dass <strong>der</strong> langjährige Vorsitzende <strong>der</strong> IG<br />
Druck und Papier Nordmark, Max Thoma, Mitglied <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> war und eine Genossenschaftswohnung<br />
in <strong>der</strong> Starstraße bewohnte.<br />
Doch die Mitglie<strong>der</strong>werbung bereitete allergrößte Probleme.<br />
Im Jahr 1947 hatte nur ein einziges Mitglied<br />
gewonnen werden können. Auch im ersten Halbjahr 1948<br />
– vor <strong>der</strong> Währungsreform – gab es nur einen Eintritt.<br />
Obwohl sich die Genossenschaft nach <strong>der</strong> Währungsreform<br />
um Baugenehmigungen bemühte und <strong>der</strong> Beginn des<br />
Wohnungsbaus in greifbare Nähe rückte, waren bis zum<br />
Jahresende 1948 nur zwei weitere Aufnahmen zu verzeichnen.<br />
Das Haupthin<strong>der</strong>nis dürfte für viele Interessierte<br />
das Aufbringen eines Geschäftsanteils von 300 DM<br />
gewesen sein, eine Summe, über die kaum ein Arbeitnehmer<br />
nach <strong>der</strong> Währungsreform verfügte.<br />
„WIR BAUEN SELBST“<br />
Ende April 1949 berichtete Geschäftsführer Arthur<br />
Hoffmann, dass <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> ersten Häuser<br />
begonnen habe. In dieser Phase erhielt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
einen neuen, entscheidenden Impuls, über dessen<br />
Zustandekommen keine näheren Angaben vorliegen. Fest<br />
steht hingegen, dass die Genossenschaft dringend Neumitglie<strong>der</strong><br />
brauchte, nicht zuletzt um den Eigenkapitalanteil<br />
für den zukünftigen Wohnungsbau sicherzustellen und<br />
nach Möglichkeit zu erhöhen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
herrschte ein eklatanter Wohnungsmangel, <strong>der</strong> auch die<br />
wirtschaftliche Entwicklung behin<strong>der</strong>te. Zahlreiche<br />
Arbeitnehmer waren unzureichend untergebracht, lebten
Willi Zieher –<br />
ein<br />
Lebensbild<br />
Willi Zieher wurde am 28. November 1892 in Hamburg<br />
geboren. Er erlernte den Beruf des Schriftsetzers. Willi Zieher<br />
wurde 1911 Mitglied <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft und<br />
gehörte seit 1920 <strong>der</strong> SPD an. Am 1. Oktober 1928 wurde<br />
er vom Verband <strong>der</strong> Deutschen <strong>Buchdrucker</strong>, Gau Hamburg-<br />
Altona, als Betriebskassierer eingestellt. Es war auch Mitglied<br />
des gewerkschaftlichen Bibliotheksausschusses. Mit <strong>der</strong> Mitgliedsnummer<br />
246 zählte Willi Zieher zu den Mitglie<strong>der</strong>n, die<br />
schon 1929 in die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> eingetreten<br />
waren. Er wohnte im Braußpark Nr. 4, dem ersten von<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> errichteten Wohnblock. 1932 wurde<br />
er in den Aufsichtsrat <strong>der</strong> Genossenschaft gewählt, den er<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> NS-Gleichschaltung schon im<br />
darauffolgenden Jahr wie<strong>der</strong> verlassen musste.<br />
Nach <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> Gewerkschaft durch die Deutsche<br />
Arbeitsfront (DAF) wurde Willi Zieher am 15. Juli<br />
1933 von den Nationalsozialisten fristlos entlassen –<br />
angeblich, weil er eine von den neuen Machthabern<br />
angesetzte Besprechung nicht besucht hatte. In <strong>der</strong> Zeit bis<br />
1939 war Willi Zieher insgesamt drei Jahre arbeitslos. Das<br />
Arbeitsamt verweigerte eine Vermittlung aus politischen<br />
Gründen. Mehrmals wurden ihm durch Freunde vermittelte<br />
Beschäftigungen nach Bekanntwerden seiner früheren<br />
Gewerkschaftstätigkeit gekündigt. Erst im<br />
November 1939 fand er wie<strong>der</strong> eine Dauerstellung<br />
als Maschinensetzer beim „Hamburger<br />
Anzeiger“, da mit Kriegsbeginn Arbeitskräfte<br />
gesucht wurden.<br />
Willi Zieher gehörte <strong>der</strong> „Lie<strong>der</strong>tafel Gutenberg“ an, <strong>der</strong>en<br />
stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> er viele Jahre war. In ihr fanden<br />
während <strong>der</strong> NS-Zeit regimekritische Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> früheren<br />
<strong>Buchdrucker</strong>gewerkschaft zusammen. Nach 19<strong>45</strong><br />
beteiligte sich Willi Zieher am Aufbau <strong>der</strong> Gewerkschaften.<br />
Er wurde wie<strong>der</strong> als Hauptkassierer von <strong>der</strong> IG Druck und<br />
Papier eingestellt und gehörte dem Gewerkschaftsvorstand<br />
des Bezirks Nordmark an. Seine im Juli 1943 zerstörte Wohnung<br />
am Braußpark konnte er nach dem Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
1950 wie<strong>der</strong> beziehen.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich Willi Zieher<br />
erneut in <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Nach mehreren vergeblichen<br />
Anläufen wurde er 1951 in den Aufsichtsrat gewählt.<br />
Willi Zieher war damit <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Machtübernahme<br />
<strong>der</strong> Nationalsozialisten bereits den Leitungsgremien<br />
<strong>der</strong> Genossenschaft angehört hatte und diese Arbeit nach<br />
19<strong>45</strong> fortsetzen konnte. Während <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in den 1950er<br />
Jahren spielte er eine ausgleichende Rolle. Nach <strong>der</strong> erneuten<br />
Absetzung von zwei Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n gehörte Willi<br />
Zieher vorübergehend vom 18. August bis zum 24. November<br />
1954 dem Vorstand an. Er gehörte dem Aufsichtsrat bis<br />
zu seinem Tod an. Willi Zieher starb am 11. Juni 1957.<br />
61
62<br />
getrennt von ihren Familien o<strong>der</strong> mussten lange Anfahrtswege<br />
in Kauf nehmen. Bei einer Versorgung mit Wohnraum<br />
war es kein Problem, dringend benötigte Arbeitskräfte<br />
in die Hansestadt zu holen. Auch im Verlagshaus<br />
Broschek herrschte Arbeitskräftemangel. Das Familienunternehmen<br />
hatte zur Weimarer Zeit mit <strong>der</strong> Herausgabe<br />
des „Hamburger Fremdenblattes“ zu den großen Zeitungsverlegern<br />
in Hamburg gehört. Die Kupfertiefdruckanstalt<br />
des Verlags entwickelte sich zur größten auf dem europäischen<br />
Festland. Kurt Broschek, <strong>der</strong> 1936 von den Nationalsozialistenenteignetwordenwar,konnteseinenBetrieb<br />
nach dem Ende <strong>der</strong> Diktatur wie<strong>der</strong> übernehmen. Das Verlagshaus<br />
wurde allerdings von <strong>der</strong> britischen Militärregierung<br />
beschlagnahmt, die hier ihre überregionale Zeitung<br />
„Die Welt“ drucken ließ. Die Militärregierung wollte mit<br />
<strong>der</strong> Zeitung einen Beitrag zum demokratischen Aufbau in<br />
Deutschland leisten, wobei „Die Welt“ als einzige Tageszeitung<br />
für die gesamte britische Zone einen Maßstab in <strong>der</strong><br />
Presseberichterstattung setzen sollte. Die Besatzungsmacht<br />
scheute jedenfalls keine Mühen, um dem Prestigeprojekt<br />
zum Erfolg zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund<br />
ist es naheliegend, dass die britische Militärregierung auch<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Unterbringung <strong>der</strong> Verlagsmitarbeiter<br />
ihren Einfluss geltend machte.<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach Möglichkeiten, die Unterbringung<br />
<strong>der</strong> Belegschaft zu verbessern, kam es zum Kontakt mit<br />
dem Geschäftsführer des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmer.<br />
Dr. Julius Brecht, <strong>der</strong> 1948 die Nachfolge<br />
von Erich Klabunde angetreten hatte, empfahl den<br />
Broschek-Vertretern, mit <strong>der</strong> Bemerkung, „die habens<br />
nötig“, zur <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zu gehen.<br />
Im März 1949 war die Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong><br />
Belegschaft <strong>der</strong> Firma Broschek & Co. und <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> soweit gediehen, dass die<br />
„Selbsthilfsaktion ‘Wir bauen selbst’“ gemeinsam durch-<br />
geführt wurde. Dazu wurden an die Wohnungssuchenden<br />
Fragebögen zur <strong>der</strong>zeitigen Unterbringung ausgegeben.<br />
Die Firma Broschek för<strong>der</strong>te die Aktion, indem sie <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> ein Darlehen in Höhe von 60.000 DM<br />
gewährte, ein Betrag, <strong>der</strong> die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
beim Wie<strong>der</strong>aufbau erheblich erweiterte.<br />
Die Selbsthilfeaktion brachte einen ersten großen Mitglie<strong>der</strong>schub.<br />
Am 18. Mai 1949 traten 104 Neumitglie<strong>der</strong><br />
in die <strong>Baugenossenschaft</strong> ein. Bei den meisten handelte es<br />
sich um Drucker. Bis zum Jahresende folgten weitere 59<br />
Eintritte, so dass <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bestand bis zum 31.<br />
Dezember 1949 auf 279 Mitglie<strong>der</strong> angewachsen war.<br />
Die Genossenschaftsleitung hatte es verstanden, mit <strong>der</strong><br />
„Selbsthilfsaktion“ den Fortbestand <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
zu sichern, die Voraussetzungen für den Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
<strong>der</strong> zerstörten Gebäude zu schaffen und sogar die<br />
Grundlage für eine weitere Expansion vorzubereiten. So<br />
kaufte die Genossenschaft im August 1949 in Barmbek-<br />
Nord ein im Privatbesitz befindliches Ruinengrundstück,<br />
das die Bedingungen des ausschließlich auf den Ruinenausbau<br />
angelegten staatlichen För<strong>der</strong>programms erfüllte.<br />
Allerdings wurde es von den Führungskräften versäumt,<br />
frühzeitig Vertreter <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft in die<br />
Genossenschaftsarbeit einzubeziehen. Im September 1949<br />
beantragten 29 Neumitglie<strong>der</strong> eine außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung,<br />
die am 12. Dezember 1949 stattfand.<br />
Es lag ein Antrag vor, den Aufsichtsrat von drei auf sechs<br />
Mitglie<strong>der</strong> zu erweitern. Für den Aufsichtsrat kandidierten<br />
drei Vertreter <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft und Willi Zieher,<br />
ein geschätztes, langjähriges Genossenschaftsmitglied,<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gewerkschaftsarbeit tätig war. Die neuen<br />
Mehrheitsverhältnisse wurden deutlich, als mit Friedrich<br />
Wilhelm Frei, Karl Muus und Herbert Winkelmann drei<br />
Broschek-Vertreter mit einem großen Stimmenvorsprung<br />
gewählt wurden.
Karl Muus –<br />
ein<br />
Lebensbild<br />
Karl Muus wurde am 5. März 1917 in Hamburg geboren.<br />
Am 1. April 1933 begann er eine Schriftsetzerlehre im Verlagshaus<br />
Broschek & Co, die er nach einer vierjährigen<br />
Lehrzeit erfolgreich beendete. Anschließend wurde er zum<br />
Arbeitsdienst und zur Wehrmacht eingezogen. Mit einer kurzen<br />
Unterbrechung musste Karl Muus von 1939 an am<br />
Krieg teilnehmen. Er wurde in Polen, an <strong>der</strong> Westfront und<br />
in Russland eingesetzt. Am 4. Februar 1946 kehrte er aus<br />
amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm seine<br />
Tätigkeit als Schriftsetzer bei Broschek wie<strong>der</strong> auf.<br />
Im August 1948 wurde Karl Muus als Betriebsratsmitglied<br />
zur Erfüllung seiner Amtspflichten von seiner Tätigkeit als<br />
Facharbeiter freigestellt. Bis zum 30. April 1958 übte er<br />
ununterbrochen das Amt des Betriebsratsvorsitzenden aus.<br />
In Anerkennung seiner Verdienste wurde er zum 1. Mai<br />
1958 in das Angestelltenverhältnis übernommen und als<br />
Personalsachbearbeiter beschäftigt. Als Karl Muus wenig<br />
später auf eigenen Wunsch ausschied, bescheinigte ihm sein<br />
Arbeitgeber, dass er sich stets um „die ‚Nöte des kleinen<br />
Mannes’ zum Wohl von Mitarbeiter und Unternehmen<br />
eingesetzt“ habe.<br />
Als Betriebsratsvorsitzen<strong>der</strong> war Karl Muus 1948/49<br />
maßgeblich an dem Zustandekommen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> zur<br />
Lösung <strong>der</strong> Wohnungsnot <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft beteiligt.<br />
Gemeinsam mit über 100 Kollegen trat er im Mai 1949<br />
in die Genossenschaft ein. Noch im selben Jahr wurde er in<br />
den Aufsichtsrat gewählt, dem er bis 1959 angehörte und<br />
dessen Vorsitzen<strong>der</strong> er seit 1951 gewesen war. Anschließend<br />
wechselte er in <strong>der</strong> Vorstand.<br />
Am 1. Januar 1960 übernahm Karl Muus die Geschäftsführung<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Wie kein an<strong>der</strong>er hat er die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg geprägt. Er hatte einen entscheidenden Anteil<br />
daran, dass sich die Genossenschaft aus <strong>der</strong> desolaten<br />
Finanzlage befreien und ihren Wohnungsbestand gegenüber<br />
dem Vorkriegsniveau deutlich ausbauen konnte. Als Karl<br />
Muus 1982 als Geschäftsführer in den Ruhestand trat,<br />
verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong> über 1556 Wohnungen.<br />
Nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand gehörte er<br />
noch bis 1987 dem Aufsichtsrat an. Karl Muus starb am<br />
6. November 2001.<br />
63
64<br />
DER WIEDERAUFBAU<br />
Nach <strong>der</strong> Währungsreform intensivierte die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> ihre Bemühungen um den<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau. Im November 1948 begannen<br />
die Vorbereitungen für den Aufbau des Häuserblocks<br />
in Hamm am Braußpark. Es war beabsichtigt,<br />
den gesamten Block wie<strong>der</strong> mit kleinen<br />
Wohnungen zu sozialen Mieten herzustellen.<br />
Schon die erste Anfrage bei <strong>der</strong> Baubehörde<br />
zeigte, dass die Wohnanlage zukünftig deutlich<br />
kleiner ausfallen würde. Die Stadtplanung sah<br />
die Verbreiterung <strong>der</strong> Eiffestraße um mehr als<br />
das Doppelte auf 65 m vor. Eine Maßnahme, die<br />
vollständig zu Lasten <strong>der</strong> nördlichen Wohngebiete<br />
ging und damit auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> betraf.<br />
Ende April 1949 konnte Geschäftsführer<br />
Hoffmann berichten, dass nunmehr mit dem<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> ersten Häuser begonnen worden<br />
sei, nachdem die Wie<strong>der</strong>aufbaukasse die<br />
Finanzierung zugesagt habe. Bis zum Jahresende<br />
konnten die Häuser Wicherns Garten Nr. 1 und<br />
3 sowie Eitzensweg Nr. 4 unter Verwendung <strong>der</strong><br />
ausgebrannten Ruinen rohbaufertig hergestellt<br />
werden. Auch die Häuser Braußpark Nr. 2 und<br />
4, die mit Ausnahme <strong>der</strong> Keller völlig zerstört<br />
waren, wurden in diesem ersten Bauabschnitt<br />
wie<strong>der</strong>aufgebaut.<br />
Der Aufbau war allerdings nicht ohne Probleme<br />
erfolgt. Der Wohnungsbau lief in Hamburg<br />
erst allmählich an und die Wohnungsnot<br />
war nach wie vor sehr groß. So dienten auch die<br />
im Braußpark erhalten gebliebenen Keller als<br />
Notwohnungen. Der <strong>Baugenossenschaft</strong> war<br />
Kellerbewohner auf den Trümmergrundstücken verzögern den Wie<strong>der</strong>aufbau.
Die Wohnungsnot war so groß, dass selbst notdürftig hergerichtete Kellerräume<br />
als Wohnungen dienten.<br />
zur Auflage gemacht worden, die Kellerbewohner<br />
vor Baubeginn an<strong>der</strong>weitig unterzubringen. Im<br />
Braußpark Nr. 2 und 4 verzögerte sich <strong>der</strong> Baubeginn,<br />
weil keine Einigung erreicht werden konnte.<br />
An die Baubehörde schrieb Geschäftsführer Hoffmann<br />
mit <strong>der</strong> Bitte um Unterstützung: „Wegen dieser<br />
Kellerbewohner kämpfen wir jetzt seit Wochen<br />
den erbittersten Kampf“. Dass die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
für das Verhalten <strong>der</strong> Bewohner kein Verständnis<br />
zeigte, ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, wurde<br />
doch damit die Fertigstellung von dringend benötigten<br />
Wohnungen und damit auch die Unterbringung<br />
von Menschen verzögert. Allerdings sollte<br />
dabei die häufig sehr schwierige Lage <strong>der</strong> Kellerbewohner<br />
berücksichtigt werden, die froh waren,<br />
überhaupt eine Unterkunft zu haben. Vermutlich<br />
wurde auch die Situation genutzt, um möglichst<br />
hohe For<strong>der</strong>ungen zu stellen. Unter welchen<br />
Bedingungen die Bewohner zum Teil leben mussten,<br />
geht aus <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung einer Kriegswitwe<br />
hervor, die mit ihrem schwerkriegsverletzten Bru<strong>der</strong><br />
in einer Kellerwohnung am Braußpark Nr. 12<br />
wohnte. Die Frau, die 1943 ausgebombt worden war<br />
und 19<strong>45</strong> eine Ersatzwohnung für die britische<br />
Besatzungsmacht räumen musste, wandte sich an<br />
Bürgermeister Brauer mit <strong>der</strong> Bitte um 65 qm Dachpappe,<br />
die sie zur Abdichtung <strong>der</strong> nach ihren Ausführungen<br />
völlig durchnässten Kellerwohnung<br />
dringend benötigte, aber nicht beschaffen konnte.<br />
Kurzfristig konnte das Bauordnungsamt nicht helfen,<br />
weil keine Dachpappe zur Verfügung stand.<br />
Am 1. April 1950 konnten in den Häusern<br />
Wicherns Garten Nr. 1 und 3 sowie Eitzensweg<br />
Nr. 4 die ersten Wohnungen bezogen werden. Bis<br />
zum 1. Juni 1950 war <strong>der</strong> gesamte Bauabschnitt mit<br />
65
66<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau 1950/51: Braußpark, Eitzensweg<br />
65 Wohnungen und einem Laden vermietet. In Barmbek-<br />
Nord konnten noch 1950 zwei weitere Bauvorhaben abge-<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau 1950 auf dem neu erworbenen Ruinengrundstück<br />
Stellbergstraße Nr. 32 / Starstraße Nr. 28-34.<br />
schlossen werden. Die auf dem zugekauften Ruinengrundstück<br />
Stellbergstraße 32 / Starstraße 28-34 wie<strong>der</strong> errichteten<br />
65 Wohnungen, in die die Broschek-Gel<strong>der</strong> flossen,<br />
wurden am 1. Oktober 1950 bezogen und die ebenfalls 65<br />
Wohnungen im Suhrsweg Nr. 3-11 zwei Monate später.<br />
Damit verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong> Ende 1950 wie<strong>der</strong><br />
über 215 Wohnungen und einen Laden.<br />
Ganz den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zeit entsprechend wurden<br />
vor allem Klein- und Kleinstwohnungen gebaut, so dass<br />
die Wohnungsgrößen sehr ähnlich o<strong>der</strong> sogar identisch<br />
waren mit <strong>der</strong> ursprünglichen Planung. Im Suhrsweg entstanden<br />
aus den 70 im Jahre 1931 errichteten Wohnungen<br />
jetzt 65. Auch die Ausstattung bewegte sich auf dem<br />
Niveau <strong>der</strong> späten 1920er Jahre. An eine Zentralheizung<br />
war aus Kostengründen nicht zu denken, und Badegelegenheiten<br />
gab es – wie im Suhrsweg mit einer Badewanne<br />
in jedem Keller <strong>der</strong> vier Häuser – überwiegend als<br />
Gemeinschaftseinrichtung.<br />
Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft bot trotz <strong>der</strong><br />
enormen Wohnungsnot die Chance, unter den gegebenen<br />
Umständen relativ schnell eine Wohnung zu erhalten.<br />
Der Kupfertiefdrucker Friedrich Blöhse bewohnte Anfang<br />
1949 mit seiner Frau und einem Säugling ein Drittel einer<br />
Nissenhütte – 13 Quadratmeter. Er beteiligte sich an <strong>der</strong><br />
Selbsthilfeaktion <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft und wurde im<br />
Mai 1949 Mitglied <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Bereits zum 1.<br />
Juni 1950 konnte er eine Wohnung im wie<strong>der</strong>aufgebauten<br />
Haus Nr. 2 am Braußpark beziehen. Die Kriegswitwe<br />
Ortrud Schliack trat im September 1949 in die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
ein und erhielt zum 1. Dezember 1950 mit ihrer<br />
Mutter und ihrer Tochter eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung<br />
im Suhrsweg.<br />
Die Verteilung <strong>der</strong> Wohnungen erfolgte nach <strong>der</strong> Reihenfolge<br />
<strong>der</strong> Mitgliedsnummern, wobei die Dringlichkeit<br />
und die sozialen Verhältnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ausschlag-
Trümmergrundstück Braußpark Nr. 6-12. Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />
Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />
Braußpark Nr. 6-12, Wie<strong>der</strong>aufbau 1951.<br />
67
68<br />
Durch weitere Grundstückskäufe konnte die <strong>Baugenossenschaft</strong> in <strong>der</strong> Starstraße Nr. 18 bis 36 Häuser<br />
errichten.<br />
gebend sein sollten. Ein ursprünglicher Vorschlag, einen<br />
Teil <strong>der</strong> Wohnungen direkt an die Broschek-Mitarbeiter<br />
zu vergeben, wurde verworfen.<br />
Mit dem Wie<strong>der</strong>aufbau von 50 Wohnungen am Braußpark<br />
Nr. 6 - 12, die am 1. September 1951 fertiggestellt<br />
wurden, hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong> insgesamt wie<strong>der</strong><br />
266 Wohnungen und damit annähernd den Vorkriegsstand<br />
erreicht.<br />
In den folgenden<br />
Jahren konnte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
ihren Wohnungsbestand<br />
erheblich ausbauen.<br />
Vorteilhaft wirkte<br />
sich <strong>der</strong> frühzeitige<br />
Ankauf des Ruinengrundstücks<br />
in <strong>der</strong> Starstraße<br />
aus. In den Jahren<br />
1952 bis 1954 konnten<br />
benachbarte Grundstücke<br />
erworben werden,<br />
so dass sich heute die<br />
Häuser Nr. 18 bis 36 mit<br />
zusammen 109 Wohnungen<br />
im Besitz <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
befinden.<br />
Der zunächst größte zusammenhängendeWohnungskomplex<br />
entstand<br />
jedoch im Barmbeker<br />
„Vogelviertel“. Durch<br />
mehrere Kaufverträge<br />
gelang es <strong>der</strong> Genossenschaft,<br />
im Bereich <strong>der</strong><br />
Straßen Wachtelstraße,<br />
Adlerstraße, Pfauenweg und Lämmersieth ein Areal zu<br />
arrondieren, auf dem insgesamt 171 Wohnungen entstanden.<br />
Hier ganz in <strong>der</strong> Nähe hatte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
1928 eines ihrer ersten Bauvorhaben<br />
geplant, das dann aber nicht realisiert wurde. In Anknüpfung<br />
an die damalige Idee, die Wohnanlage „Gutenberghof“<br />
zu nennen, wurde jetzt bei <strong>der</strong> Grundsteinlegung<br />
<strong>der</strong> Name für den Neubau gewählt.
Baubeginn „Gutenberghof“ an <strong>der</strong> Wachtelstraße. Richtfeier „Gutenberghof“.<br />
Richtfeier „Gutenberghof“ 1952.<br />
Edmund Schmidt<br />
Rudolf<br />
Kleeblatt<br />
Friedrich Wilhelm<br />
Frei<br />
Walter Fritzsche<br />
Hans<br />
Beese<br />
Walter Hartung<br />
Erdmann<br />
Kröger<br />
Irene<br />
Hoffmann<br />
Willi Zieher<br />
Ortrud Schliack<br />
Karl Muus<br />
Herbert Winkelmann<br />
69
70<br />
Wohnblock „Gutenberghof“ von <strong>der</strong> Wachtelstraße.<br />
Die Geschäftsstelle in <strong>der</strong> Starstraße. Wohnblock Oertzweg / Dieselstraße.<br />
Der erste und <strong>der</strong> zweite Bauabschnitt<br />
mit 96 Wohnungen<br />
konnten am 1. November 1952<br />
bezogen werden. Die Fertigstellung<br />
des dritten Bauabschnitts<br />
mit 75 Wohnungen erfolgte zum<br />
1. September 1954.<br />
Hier im Pfauenweg 44 wurde<br />
im August 1954 die erste eigene<br />
Geschäftsstelle eingerichtet. Die<br />
Verlegung aus den Privaträumen<br />
<strong>der</strong> Familie Hoffman in <strong>der</strong><br />
Gustav-Freytag-Straße Nr. 7 war<br />
nach dem Ausscheiden von Irene<br />
Hoffmann als Geschäftsführerin<br />
notwendig geworden, kam aber<br />
auch dem Wunsch vieler Mitglie<strong>der</strong><br />
entgegen, da die meisten
Der erste Wohnblock mit Zentralheizung: Mühlendamm Nr. 10-18.<br />
Wohnungen sich in Barmbek-Nord befanden. Die Unterbringung<br />
<strong>der</strong> Geschäftsstelle in einem Laden am Pfauenweg<br />
war allerdings nur eine vorübergehende Lösung. Am<br />
15. Dezember 1955 wurde ein neues Büro im Neubau Starstraße<br />
18 eröffnet.<br />
Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre baute die Genossenschaft im<br />
Oertzweg/Dieselstraße weitere 56 Wohnungen. Bis dahin<br />
hatte sich <strong>der</strong> Wohnungsbau <strong>der</strong> Genossenschaft ausschließlich<br />
auf Hamm und Barmbek-Nord konzentriert.<br />
In Hamm wurden die Gebäude auf den eigenen Trüm-<br />
71
72<br />
Die ersten Eigenheime wurden als Reihenhäuser im Döringsweg, Lokstedt, gebaut.<br />
mergrundstücken wie<strong>der</strong>aufgebaut, während in Barmbek-<br />
Nord darüber hinaus eine Reihe von Grundstücken neu<br />
erworben wurden. Erst in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1950er<br />
Jahre wurde <strong>der</strong> Wohnungsbau auf an<strong>der</strong>e Stadtteile<br />
ausgedehnt. 1956 konnten im Mühlendamm Nr. 10 - 18<br />
(Hohenfelde) 46 Wohnungen bezogen werden und 1958<br />
in Hinter <strong>der</strong> Lieth Nr. 4-10 (Lokstedt) 50 Wohnungen.<br />
Mit Ausnahme des 1972 in <strong>der</strong> Pestalozzistraße 24 errichteten<br />
Bürohauses, dem heutigen Sitz <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>,<br />
wurde in Barmbek-Nord nur noch 1959 das<br />
Hochhaus an <strong>der</strong> Ecke Steilshooper Straße/Starstraße mit<br />
48 Wohnungen<br />
gebaut. Bis heute<br />
beschränkt sich <strong>der</strong><br />
Wohnungsbau <strong>der</strong><br />
Genossenschaft auf<br />
das Gebiet <strong>der</strong><br />
Freien und Hansestadt<br />
Hamburg,<br />
wobei bisher nur<br />
nördlich <strong>der</strong> Elbe<br />
gebaut wurde.<br />
Mit dem 2. Wohnungsbaugesetz,<br />
das<br />
die beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />
des Einzeleigentums<br />
vorsah,<br />
eröffnete sich ein<br />
neues Arbeitsfeld<br />
für den genossenschaftlichenWohnungsbau.<br />
Im Jahr<br />
1958 wurden in<br />
Lokstedt die ersten<br />
38 Eigenheime für<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> fertiggestellt, die von diesen<br />
käuflich erworben wurden.<br />
Am 31. Dezember 1959 verfügte die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> über 682 Wohnungen. Praktisch aus dem<br />
Nichts war es <strong>der</strong> Genossenschaft gelungen, einen Wohnungsbestand<br />
aufzubauen, <strong>der</strong> bereits um das Zweieinhalbfache<br />
über dem Niveau von vor 1933 lag. Mit dem<br />
Wachsen <strong>der</strong> Genossenschaft stellte sich auch die Frage<br />
<strong>der</strong> Partizipation <strong>der</strong> Neumitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Genossenschaftsarbeit.<br />
Der wirtschaftliche Erfolg allein garantierte<br />
keine personelle Kontinuität.
DIE GENOSSENSCHAFT<br />
UNTER NEUER FÜHRUNG<br />
Schon im Dezember 1949 hatten sich die Broschek-Mitglie<strong>der</strong><br />
mit einer Erweiterung des Aufsichtsrats durchgesetzt.<br />
Auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 24. Mai 1950<br />
brachten 33 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> den Antrag zur<br />
Erweiterung des Vorstandes auf vier Mitglie<strong>der</strong> ein. Zwar<br />
wurde <strong>der</strong> Antrag zuständigkeitshalber an den Aufsichtsrat<br />
überwiesen, doch dieser entsprach dem Wunsch, und<br />
am 7. Juli 1950 wurde <strong>der</strong> bei Broschek tätige Betriebsingenieur<br />
Friedrich Wilhelm Frei, <strong>der</strong> schon dem Aufsichtsrat<br />
angehört hatte, in den Vorstand berufen.<br />
Für Frei sowie für den turnusmäßig ausgeschiedenen<br />
Ludwig Kerber mussten im November 1950 zwei neue<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> gewählt werden. Bei <strong>der</strong> Wahl<br />
konnten sich mit Otto Braun und Willi Wilke wie<strong>der</strong>um<br />
zwei Neumitglie<strong>der</strong> durchsetzen. Willi Zieher musste sich<br />
erneut knapp geschlagen geben.<br />
Während im Aufsichtsrat die neu eingetretenen Mitglie<strong>der</strong><br />
die Mehrheit hatten und die Broschek-Belegschaft<br />
eine einflussreiche Fraktion stellte, war <strong>der</strong> Vorstand mit<br />
Ausnahme <strong>der</strong> Erweiterung um Friedrich Wilhelm Frei<br />
seit Jahren unverän<strong>der</strong>t geblieben. Der noch von den<br />
Nationalsozialisten eingesetzte Arthur Hoffmann stand<br />
immer noch als Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />
an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>. Es gelang ihm<br />
offensichtlich nicht, die Neumitglie<strong>der</strong> in die Arbeit einzubinden<br />
und ihre Vorstellungen zu berücksichtigen.<br />
Auch hatten sich im Geschäftsverkehr Abläufe eingespielt,<br />
die von den neuen Kräften nicht akzeptiert wurden.<br />
In einem Schreiben des Vorstandsmitglieds Walter Tesch<br />
an den Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Braun vom 9. Mai<br />
1951 kam deutlich zum Ausdruck, dass „Misstrauen und<br />
Verdächtigungen“ das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat<br />
und Vorstand belasteten. Unterschwellig wurde den<br />
Broschek-Leuten vorgeworfen, mehr die Interessen <strong>der</strong><br />
Belegschaft zu verfolgen und weniger die <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />
Schließlich eskalierte <strong>der</strong> Streit. Am 3. September<br />
1951 beschloss <strong>der</strong> Aufsichtsrat die Abberufung des Vorstands.<br />
Mit <strong>der</strong> vorübergehenden Geschäftsführung wurden<br />
die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Frei und Tesch beauftragt.<br />
Der ohnehin gesundheitlich angeschlagenen Hoffmann<br />
war offensichtlich über die Vorgänge unterrichtet o<strong>der</strong><br />
erklärte im Nachhinein seinen Rücktritt. Jedenfalls<br />
schied er mit Wirkung vom 2. September 1951 aus dem<br />
Vorstand aus. Allerdings mobilisierten die abgesetzten<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> ihrerseits Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>,<br />
die die Einberufung einer außerordentlichen Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
veranlassten und einen Antrag zur Auflösung<br />
des gesamten Aufsichtsrats stellten.<br />
Die außerordentliche Generalversammlung fand am 27.<br />
September 1951 – dem 24. Jahrestag <strong>der</strong> Genossenschaftsgründung<br />
– statt. Anwesend waren 328 <strong>der</strong> 464 Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>.<br />
Zunächst wurde die Abberufung des<br />
Vorstands in einer hitzigen Debatte behandelt und die<br />
bekannten Vorwürfe wie<strong>der</strong>holt. Tatsächlich scheint die<br />
Konfrontationslinie zwischen <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft<br />
und den übrigen Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong>n verlaufen zu<br />
sein. Der einflussreiche Gewerkschaftsvorsitzende <strong>der</strong> IG<br />
Druck und Papier, Max Thoma, erklärte, „es muß anerkannt<br />
werden, dass Broschek sozial gehandelt hat“. Er<br />
wünschte, „es gebe in Hamburg noch mehr Firmen, die<br />
ebensoviel für ihre Belegschaftsangehörigen täten“.<br />
Schließlich rief Thoma aber zur Zusammenarbeit auf und<br />
unterstützte den bisherigen Vorstand. Allerdings sollte<br />
die spätere Entwicklung zeigen, dass das Drängen <strong>der</strong><br />
Borschek-Vertreter nach Verän<strong>der</strong>ungen durchaus berechtigt<br />
und eine professionellere Geschäftsführung <strong>der</strong><br />
expandierenden Genossenschaft notwendig waren.<br />
73
74<br />
Mit 140 Mitglie<strong>der</strong>n stellten die Broschek-Mitarbeiter<br />
bei weitem nicht die Mehrheit in <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />
Nach den beabsichtigten Bereinigungen – Streichung<br />
und Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n, zu denen kein Kontakt<br />
bestand und die ihren Verpflichtungen nicht nachkamen<br />
– wurde mit einem Mitglie<strong>der</strong>bestand von 416<br />
Personen gerechnet. Mit Beginn des Wohnungsbaues<br />
hatten zahlreiche Neumitglie<strong>der</strong> gewonnen werden<br />
können. Dennoch bildete die Broschek-Belegschaft eine<br />
starke Fraktion, weil über die Betriebszugehörigkeit eine<br />
beson<strong>der</strong>e Verbundenheit bestand und Karl Muus als<br />
Betriebsratsvorsitzen<strong>der</strong> bei Broschek und als Aufsichtsratsmitglied<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> eine beson<strong>der</strong>s einflussreiche<br />
Position innehatte. Bei <strong>der</strong> anschließenden<br />
Abstimmung über die Abberufung des Vorstands stimmten<br />
157 Mitglie<strong>der</strong> dafür und 159 dagegen, 10 enthielten<br />
sich. Nach dieser Nie<strong>der</strong>lage trat <strong>der</strong> gesamte Aufsichtsrat<br />
zurück und machte den Weg für Neuwahlen frei. Die ebenfalls<br />
auf <strong>der</strong> Tagesordnung stehende Ablösung des Aufsichtsrats<br />
hatte sich damit erledigt. Bei den noch am gleichen<br />
Abend durchgeführten Wahlen kandidierten für die<br />
sechs Aufsichtsratssitze zwölf Personen. Mit 205 Stimmen<br />
erzielte Karl Muus das beste Ergebnis. Er hatte bereits<br />
deutlich über den Kreis <strong>der</strong> Broschek-Belegschaft hinaus<br />
Anerkennung gefunden. Der Broschek-Mitarbeiter Herbert<br />
Winkelmann wurde ebenfalls wie<strong>der</strong>gewählt. Die<br />
Alt-Mitglie<strong>der</strong> setzten Willi Zieher erfolgreich durch.<br />
Irene Hoffmann, die Ehefrau des gestürzten Geschäftsführers,<br />
die seit Jahren die Büroarbeiten erledigte, konnte<br />
die Ende 1949 eingetretene Ortrud Schliack für eine Kandidatur<br />
gewinnen. Schliack war die erste Frau, die in das<br />
Gremium gewählt wurde. Keiner <strong>der</strong> beiden Gruppierungen<br />
gehörten Hans Neidhold und Rudolf Kleeblatt an.<br />
Bauingenieur Neidhold, <strong>der</strong> 1950 Mitglied geworden war,<br />
gehörte aber wie Kleeblatt zu den Neumitglie<strong>der</strong>n. Der<br />
Mitgliedsausweis von Ortrud Schliack, 1949.<br />
Innenansicht des Mitgliedsbuchs von Ortrud Schliack: Das Eintrittsgeld<br />
wurde bereits im August 1949 gezahlt. Verwendet wurden noch<br />
immer Mitgliedsbücher aus <strong>der</strong> Zeit von vor 1933.
gelernte Kaufmann Kleeblatt arbeitete<br />
in einer Im- und Exportfirma, in <strong>der</strong> er<br />
zum Teilhaber aufstieg. Er brachte kaufmännische<br />
Erfahrung und Verhandlungsgeschick<br />
mit. Von den bisherigen<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n waren nur<br />
Muus und Winkelmann geblieben. Braun<br />
und Wilke erhielten nicht die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Stimmen, während Koch und<br />
Trilck nicht angetreten waren. Die im<br />
Musiksaal des Gewerkschaftshauses am<br />
Besenbin<strong>der</strong>hof veranstaltete Versammlung<br />
begann um 19.00 Uhr und endete<br />
„nach teils turbulentem Verlauf“ kurz<br />
nach Mitternacht. Auf <strong>der</strong> außerordentlichen<br />
Generalversammlung wurde zwar<br />
durch eine Satzungsän<strong>der</strong>ung die Amtszeit<br />
<strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> auf fünf Jahre<br />
begrenzt, da aber die Abberufung <strong>der</strong> bis<br />
aufunbestimmteZeitbestelltenVorstandsmitglie<strong>der</strong><br />
gescheitert war, blieben Walter<br />
Tesch,WalterHartungundFriedrichWilhelmFreiohneWahldurchdenAufsichtsrat<br />
im Amt. Neu wurde nur Irene Hoffmann<br />
in den Vorstand entsandt. Sie<br />
übernahm zugleich die Geschäftsführung.<br />
AufdenerstenBlickhattesichdamitwenig<br />
in den Leitungsgremien <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
geän<strong>der</strong>t. Doch hatten mit Karl<br />
Herr Meyer-Hedde<br />
und Frau<br />
Hans und Lotte<br />
Neidhold<br />
Muus im Aufsichtsrat und Friedrich Wilhelm Frei im Vorstand<br />
zwei Broschek-Mitarbeiter die Vorsitze übernommen,<br />
die die Genossenschaft in neue Bahnen lenkten.<br />
Der mühsam gefundene Kompromiss in <strong>der</strong> personellen<br />
Besetzung <strong>der</strong> Leitungsgremien war nicht von langer<br />
Dauer. Erneut standen die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Walter<br />
Friedrich Wilhelm<br />
Frei<br />
Frau<br />
Tesch<br />
Walter Fritzsche<br />
Irene<br />
Hoffmann<br />
Walter<br />
Tesch<br />
Ortrud<br />
Schliack<br />
Frau Kleeblatt<br />
und Peter Kleeblatt Walter Hartung<br />
Karl Muus<br />
und Frau<br />
Willi Zieher<br />
Vorstand und Aufsichtsrat machen mit Familienangehörigen und Geschäftspartnern Anfang<br />
<strong>der</strong> 1950er Jahre einen Ausflug.<br />
Tesch und Walter Hartung in <strong>der</strong> Kritik. Beide wurden<br />
durch einen Aufsichtsratsbeschluss vom 8. April 1954<br />
von ihren Aufgaben entbunden. Von einer Neubesetzung<br />
<strong>der</strong> Vorstandssitze versprachen sich die Kritiker „1) eine<br />
bessere Zusammenarbeit , 2) eine Aktivierung <strong>der</strong> gesamten<br />
Vorstandsarbeit, 3) damit verbunden eine weit<br />
75
76<br />
Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied Irene Hoffmann, die Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />
Ortrud Schliack und Willi Zieher, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />
Friedrich Wilhelm Frei (von links nach rechts).<br />
grössere Ausschöpfung <strong>der</strong> Möglichkeiten, die Bautätigkeit<br />
innerhalb <strong>der</strong> Genossenschaft erheblich zu steigern“.<br />
Außerdem hatte es Spannungen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden<br />
Frei und <strong>der</strong> Geschäftsführerin Hoffmann<br />
gegeben. Tesch und Hartung hatten sich nicht<br />
in <strong>der</strong> Lage gesehen, die Gegensätze zu beseitigen. Frei<br />
erklärte sich zu einer „vorbehaltlosen Zusammenarbeit“<br />
bereit und von Hoffmann, die <strong>der</strong> Vorstandsarbeit fern<br />
geblieben war, wurde eine entsprechende Erklärung<br />
erwartet. Bei <strong>der</strong> Absetzung von Tesch und Hartung berief<br />
sich das Gremium darauf, dass die Amtszeit <strong>der</strong> beiden<br />
durch die Satzungsän<strong>der</strong>ung von 1951 beendet worden<br />
sei und sie nicht wie<strong>der</strong> bestellt worden seien. Das Amtsgericht,<br />
dessen Rat Tesch einholte, kam freilich zu <strong>der</strong><br />
Feststellung, dass die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> 1951 zwar nicht<br />
vom Aufsichtsrat bestätigt worden seien, dass sie aber<br />
nach <strong>der</strong> Satzungsän<strong>der</strong>ung als auf fünf Jahre gewählt zu<br />
gelten hätten. Erneut musste eine für den 16. Juli 1954<br />
einberufene außerordentliche Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
die Angelegenheit klären. Mit 157 zu 76 Stimmen bei<br />
10 Enthaltungen wurde dem Aufsichtsrat das Vertrauen<br />
ausgesprochen, woraufhin Walter Tesch und Walter Hartung<br />
zurücktraten. Geschäftsführerin Hoffmann hatte<br />
schon im April die Konsequenzen gezogen und zum 30.<br />
Juni 1954 gekündigt. Zugleich legte sie ihren Vorstandssitz<br />
nie<strong>der</strong>.<br />
Der Aufsichtsrat war sich frühzeitig darüber einig, den<br />
Kaufmann Rudolf Kleeblatt in den Vorstand zu entsenden.<br />
Nur vorübergehend wurde für die Zeit vom 18. August<br />
bis zum 24. November Willi Zieher als drittes Vorstandsmitglied<br />
bestellt. Nach dem Ausscheiden von Irene<br />
Hoffmann wurde vermutlich nach einer geeigneten Person<br />
gesucht, die zugleich die Geschäftsführung übernehmen<br />
sollte. Schließlich wurde mit Johannes Bechreiner <strong>der</strong> Vorstand<br />
wie<strong>der</strong> komplettiert. Bechreiner, von Beruf Schriftsetzer,<br />
arbeitete als Betriebsleiter und Prokurist in <strong>der</strong><br />
DruckereiHermannLange.Aucherwarkaufmännischversiert,<br />
und gemeinsam mit Rudolf Kleeblatt konnte er <strong>der</strong><br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> ein fachmännisches Fundament für<br />
eine erfolgreiche Geschäftsführung geben. Keiner <strong>der</strong> drei<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Frei, Kleeblatt und Bechreiner wollte<br />
offensichtlichseineberuflicheStellungaufgegeben,umdie<br />
Leitung <strong>der</strong> Genossenschaft hauptamtlich zu übernehmen.<br />
So wurden die Geschäfte von zwei kaufmännischen Angestellten<br />
unter <strong>der</strong> ehrenamtlichen Leitung <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong>erledigt.AufDauerwardieseSituationunbefriedigend.<br />
Als Friedrich Wilhelm Frei zum 2. September 1959<br />
auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausschied, wechselte<br />
<strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende Karl Muus in den Vorstand<br />
und nahm am 1. Januar 1960 seine Tätigkeit als hauptamtlicher<br />
Geschäftsführer auf. Bis in die 1980er Jahre, also zum<br />
Teil über 30 Jahre lang, bestimmten die langjährigen<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Karl Muss, Rudolf Kleeblatt und<br />
Johannes Bechreiner die Geschicke <strong>der</strong> Genossenschaft.
DIE PFUND-HYPOTHEK<br />
Die während <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise bei <strong>der</strong> Hamburgischen<br />
Baukasse aufgenommene Hypothek über 262.000<br />
RM hatte 1931 die Herstellung des Bauabschnitts Braußpark<br />
Nr. 14-20 gesichert. Das Kreditinstitut verpfändete<br />
das Grundpfandrecht einschließlich <strong>der</strong> ihm zugrundeliegenden<br />
For<strong>der</strong>ung an das Bankhaus J. Henry Schrö<strong>der</strong> &<br />
Co., London. Die Umstellung <strong>der</strong> Auslandsschulden bei<br />
<strong>der</strong> Währungsreform im Verhältnis 1:1 belastete die<br />
Genossenschaft erheblich. Zudem min<strong>der</strong>ten jährliche<br />
Zinsen in Höhe von 8.600 DM den Unternehmensgewinn,<br />
weil das beliehene Grundstück mit seinen total zerstörten<br />
Gebäuden keine Erträge brachte. Auch das Gesetz<br />
vom 24. August 1953 betreffend das Abkommen über<br />
deutsche Auslandsschulden und das dazu ergangene Ausführungsgesetz,<br />
das die Regelung von Verbindlichkeiten<br />
dieser Art zwischen Erstschuldner und Auslandsgläubiger<br />
vorsah, brachte keine Entlastung. Die Genossenschaft<br />
war im Sinne <strong>der</strong> Bestimmungen Zweitschuldnerin gegenüber<br />
<strong>der</strong> Auslandsgläubigerin. Das Ausführungsgesetz sah<br />
die Möglichkeit eines Anspruches auf Entschädigung<br />
bei Reichsmarkverbindlichkeiten vor, nicht jedoch bei<br />
Fremdwährungen. So schuldete die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
nach wie vor dem Londoner Bankhaus die volle Kreditsumme<br />
in Höhe von 12.843 £ Sterling sowie die bisher<br />
aufgelaufenen Zinsen, die sich bis zum 31. Dezember 1953<br />
auf 52.000 DM summiert hatten. Immerhin verringerte<br />
sich die Hypothekenschuld zwei Jahre später durch<br />
die Herabsetzung <strong>der</strong> Pfund-Kurses um 21.382 DM auf<br />
151.100 DM. Der Wert des Trümmergrundstücks wurde<br />
auf 55.000 DM veranschlagt und deckte damit weiterhin<br />
nur einen Bruchteil <strong>der</strong> Belastung.<br />
Erst 1958 konnte eine für die <strong>Baugenossenschaft</strong> günstige<br />
Lösung gefunden werden. Bis dahin war <strong>der</strong> jährliche<br />
Grundsteinlegung für das Hochhaus Braußpark Nr. 14<br />
am 2. April 1960.<br />
77
78<br />
Hochhaus Braußpark Nr. 14.<br />
Gewinn überaus spärlich ausgefallen, nicht zuletzt deshalb,<br />
weil die Zinsen für die Pfund-Hypothek zurückgelegt<br />
werden mussten. Obwohl die Vermietung <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> aufgebauten<br />
Häuser erst im Laufe des Jahres 1950 begann und<br />
für die zuletzt fertig gestellten Wohnungen nur die Dezember-Miete<br />
einging, reichten die Mieteinnahmen bereits<br />
aus, um alle Verpflichtungen zu decken, einschließlich <strong>der</strong><br />
Zinsen für die noch vorhandenen Trümmergrundstücke.<br />
Nur die Zinsen für die Pfund-Hypothek überstiegen<br />
die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>, so dass <strong>der</strong><br />
Geschäftsbericht statt mit einem kleinen Gewinn mit<br />
einem Verlust in Höhe von 7.438,64 DM abschloss. Bis<br />
1951 arbeitete die <strong>Baugenossenschaft</strong> mit Verlust. Das<br />
jeweils auf das folgende Geschäftsjahr vorgetragene Defizit<br />
summierte sich auf 34.369,70 DM. In den Jahren 1953<br />
bis 1957 schrieb die Genossenschaft zwar schwarze Zahlen,<br />
doch <strong>der</strong> jährliche Gewinn war so gering, dass <strong>der</strong> Verlustvortrag<br />
lediglich auf 22.967,92 DM abgesenkt werden<br />
konnte. Ohne die Zinsen für die Pfund-Hypothek wären<br />
die Altlasten allerdings längst getilgt gewesen.<br />
Das Jahr 1958 brachte die lang ersehnte Lösung. Auf<br />
dem Wege des „Vertragshilfeverfahrens“ wurde die<br />
Grundschuld auf den Grundstückswert herabgesetzt. Die<br />
seit <strong>der</strong> Währungsreform aufgelaufenen Zinsen wurden<br />
gestrichen. Die <strong>Baugenossenschaft</strong> war das erste Wohnungsunternehmen,<br />
das in Hamburg in einer solchen Fragen<br />
eine Einigung herbeiführen konnte. Die Lösung wirkte<br />
sich auf die Bilanz überaus günstig aus. Nach <strong>der</strong><br />
Abwicklung <strong>der</strong> Pfund-Hypothek konnte nicht nur <strong>der</strong><br />
Verlustvortrag getilgt werden, son<strong>der</strong>n darüber hinaus<br />
wurde das Geschäftsjahr 1958 mit einem Gewinn von<br />
124.319,64 DM abgeschlossen. Zum ersten Mal seit 19<strong>45</strong><br />
konnten wie<strong>der</strong> 3 Prozent Dividende an die Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
ausgeschüttet werden.<br />
Im Spätherbst 1959 wurde mit dem Bau eines neungeschossigen<br />
Hochhauses auf dem Trümmergrundstück<br />
begonnen. Ein Großteil <strong>der</strong> Fläche musste allerdings an die<br />
Stadt Hamburg für die Verbreiterung <strong>der</strong> Eiffestraße abgetreten<br />
werden. Die 36 2-Zimmer-Wohnungen mit ZentralheizungundTiefgaragekonnten1961bezogenwerden.Das<br />
Waschhaus wurde als Gemeinschaftseinrichtung für alle<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> am Braußpark ausgelegt.
DIE BAUGENOSSENSCHAFT HEUTE<br />
Seit Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre konzentrierte sich <strong>der</strong> weitere<br />
Wohnungsbau mit Ausnahme des sechsgeschossigen<br />
Laubenganghauses an <strong>der</strong> Steilshooper Straße und des<br />
Der Bau des ersten Hochhauses: Ecke Steilshooper Straße / Starstraße im Winter 1958/59.<br />
Hochhauses am Braußpark außerhalb <strong>der</strong> bisher bevorzugten<br />
Stadtteile Barmbek-Nord und Hamm. Der Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
war in Hamburg bald abgeschlossen, so dass für den<br />
Wohnungsbau neue Gebiete ausgewiesen werden mussten.<br />
1964 wurde am Rimbertweg in Lokstedt ein Hoch-<br />
79
80<br />
Das sechsgeschossige Laubenganghaus an <strong>der</strong> Steilshooper Straße von <strong>der</strong> Starstraße aus gesehen, Architekt H. Behrs.<br />
haus mit <strong>45</strong> Wohnungen fertiggestellt, zwei Jahre später<br />
konnte in <strong>der</strong> Korachstraße in Lohbrügge eine Wohnanlage<br />
mit 104 Wohnungen bezogen werden, und 1969 wurden<br />
im Königskin<strong>der</strong>weg in Schnelsen 24 Wohnungen<br />
gebaut. Doch die meisten Wohnungen errichtete die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> in Rahlstedt. Von 1962 bis 1973<br />
entstanden in den Straßen Neuköllner Ring, Liliencronstraße,<br />
Düpheid und Schöneberger Straße insgesamt <strong>45</strong>8
Das alte Karl-Max-Uhlig-Haus an <strong>der</strong> Schöneberger Straße vor <strong>der</strong><br />
Bebauung.<br />
Wohnungen. Hier wurde<br />
ein eigenes Ladenzentrum<br />
mit einer Ladenfläche<br />
von etwa 800 qm<br />
errichtet.<br />
Der Wohnungsbau war<br />
eine <strong>der</strong> Hauptstützen<br />
des Wirtschaftsaufschwungs<br />
in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland bis<br />
zur Rezession 1966/67.<br />
Auch die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
hatte am Ende<br />
dieser Phase ihre höchsten<br />
Zuwachsraten. 1965<br />
befanden sich 292 Wohnungen<br />
im Bau, für weitere<br />
154 waren bis zum<br />
Das bisher größte Bauvorhaben in Rahlstedt, Fertigstellung 1968.<br />
Modell des Neubauvorhabens in Rahlstedt, Schöneberger Straße,<br />
mit rund 320 Wohnungen und einem Ladenzentrum.<br />
81
82<br />
Neuköllner Ring Nr. 36 und 38 / Liliencronstraße Nr. 104 und 116.<br />
Jahresende die Baugenehmigungen erteilt worden. Der<br />
Bestand <strong>der</strong> fertiggestellten Genossenschaftswohnungen<br />
belief sich auf 850 und die Zahl <strong>der</strong> bis zu diesem Zeitpunkt<br />
gebauten Eigenheime betrug 110.<br />
Mit Beginn <strong>der</strong> Rezession waren die meisten Wohnungen<br />
in Rahlstedt bereits gebaut. Auch wenn sich die Bau-<br />
branche noch einmal erholte und 1973 mit über 700.000<br />
Wohnungen ein neuer Rekord aufgestellt wurde, waren<br />
Wohnungsleerstände, nicht absetzbare Eigentumswohnungen<br />
und spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche<br />
deutliche Anzeichen für eine Krise in <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft.<br />
Die <strong>Baugenossenschaft</strong> übte angesichts dieser
Radenwisch Nr. <strong>45</strong> und 47.<br />
83
84<br />
Langenhorner Chaussee Nr. 605 und 607.<br />
Entwicklung Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Vorbereitung neuer<br />
Projekte. Außerhalb Rahlstedts wurden in den 1970er<br />
Jahre nur noch im Radenwisch (Schnelsen), in <strong>der</strong> Billwer<strong>der</strong><br />
Straße (Bergedorf) und im Borchertring (Steilshoop)<br />
insgesamt 143 Wohnungen gebaut. Die Zeit <strong>der</strong><br />
Großprojekte und des kontinuierlichen Ausbaus des<br />
Wohnungsbestandes war endgültig vorbei.<br />
In dem darauffolgenden Jahrzehnt baute die Genossenschaft<br />
in Hamm, Lokstedt und Langenhorn weitere 96<br />
Wohnungen. Als mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung Deutsch-
Lohkoppel Nr. 12-26.<br />
lands 1989 eine Wan<strong>der</strong>ungsbewegung von Ost nach<br />
West einsetzte und Hamburgs Bevölkerung innerhalb<br />
weniger Jahre um 100.000 Menschen zunahm, stieg auch<br />
die Nachfrage nach Wohnungen. Ein deutliches Anzeichen<br />
für den Wohnraummangel war <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong><br />
Kündigungen. Während 1988 und 1989 jeweils 7,8 Prozent<br />
<strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>swohnungen einen Mieterwechsel<br />
zu verzeichnen hatten, sank <strong>der</strong> Prozentsatz<br />
in den beiden folgenden Jahren auf 4,8 Prozent und<br />
5,2 Prozent. Durch die erhöhte Nachfrage konnte <strong>der</strong><br />
85
86<br />
Fanny-David-Weg Nr. 2a-c.<br />
Wohnungsbau in Hamburg deutlich belebt werden.<br />
Mit 8.846 Genehmigungen im Wohnungsbau wurde im<br />
Jahre 1990 das beste Ergebnis <strong>der</strong> letzten 15 Jahre erreicht.<br />
Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr betrug 170 Prozent.<br />
Auch die <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> betei-<br />
ligte sich am Bau neuer Wohnungen. Im Jahre 1992 wurden<br />
in <strong>der</strong> Lohkoppel in Bramfeld 56 Wohnungen fertiggestellt.<br />
Vier Jahre später konnte das bis heute letzte<br />
Wohnprojekt mit 28 Wohnungen im Fanny-David-Weg<br />
in Lohbrügge abgeschlossen werden. Die Baugenossen-
schaft erreichte mit 1.676 Wohnungen ihren höchsten<br />
Wohnungsbestand.<br />
Schon Anfang <strong>der</strong> 1960er Jahre wurde mit ersten<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen in den Nachkriegsbauten<br />
begonnen. So wurden bis 1963 aus allen Wohnanlagen die<br />
alten Waschkessel entfernt und durch vollautomatische<br />
Wascheinrichtungen ersetzt. Im Jahre 1970 begann die<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong>, die noch mit Kohleöfen und Kohleherde<br />
ausgestatteten Wohnungen zu mo<strong>der</strong>nisieren. Bei<br />
dem 1954 begonnenen Bauvorhaben am Mühlendamm<br />
war zum erstenmal eine Zentralheizung vorgesehen worden.<br />
Eine Maßnahme, die damals nicht unumstritten war,<br />
führte sie doch zu einer Verteuerung <strong>der</strong> Wohnungen.<br />
Bis Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre wurden alle Genossenschaftswohnungen<br />
mit Zentralheizung und eigenem Bad ausgestattet.<br />
Nur die neun 1979 in <strong>der</strong> Hufnerstraße erworbenen<br />
Wohnungenwurden erst 1982 mo<strong>der</strong>nisiert. Den kontinuierlich<br />
durchgeführten Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen<br />
waren jahrelange finanzielle Rückstellungen vorausgegangen.<br />
Allein die Kosten für den im Oktober 1973 abgeschlossenen<br />
Einbau einer Zentralheizung mit zentraler<br />
Warmwasservorbereitung für die 171 Wohnungen <strong>der</strong><br />
Wohnanlage „Gutenberghof“ beliefen sich auf weit über<br />
eine Million Mark.<br />
Heute liegt <strong>der</strong> Arbeitsschwerpunkt <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
neben den allgemeinen Instandhaltungsarbeiten in <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Einzelwohnungen. Dabei wird in<br />
Zukunft die Zusammenlegung von 1-Zimmer-Wohnungen<br />
eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielen. Für diese Wohnungen,<br />
die 9 Prozent des Wohnungsbestands ausmachen, besteht<br />
keine Nachfrage mehr. Der ersten bereits durchgeführten<br />
Zusammenlegung werden weitere folgen. Der <strong>der</strong>zeitige<br />
Bestand von 1.675 Wohnungen wird sich voraussichtlich<br />
in den kommenden Jahren verringern. Langfristig ist aber<br />
geplant, auch wie<strong>der</strong> Wohnungsneubau zu betreiben.<br />
Auch wenn mit <strong>der</strong> Steuerreform von 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit<br />
abgeschafft wurde, strebt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
auch heute nach einer optimalen wohnlichen<br />
Versorgung ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Der erwirtschaftete<br />
Gewinn fließt mit Ausnahme <strong>der</strong> an die Mitglie<strong>der</strong> ausgeschütteten<br />
Dividende vollständig zurück in das Unternehmen.<br />
Mit ihrer nicht an <strong>der</strong> Gewinnmaximierung ausgerichteten<br />
Geschäftspolitik wirkt die <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
dämpfend auf das Preisniveau für Mietwohnungen. Der<br />
Gemeinnutz ist geblieben. Insgesamt stellen die Hamburger<br />
Wohnungsgenossenschaften mit zusammen über mehr<br />
als 125.000 Wohnungen einen bedeutenden Faktor auf<br />
dem Wohnungsmarkt dar.<br />
Bei <strong>der</strong> nach dem Wegfall <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit geschaffenen<br />
Wahl, zukünftig als vollsteuerpflichtiges Wohnungsunternehmen<br />
o<strong>der</strong> als Vermietungsgenossenschaft<br />
weiterzuarbeiten, entschied sich die <strong>Baugenossenschaft</strong> für<br />
die zweite Option. Als Vermietungsgenossenschaft müssen<br />
mindestens 90 Prozent <strong>der</strong> Einnahmen aus dem Geschäft<br />
„Vermietung von Wohnungen an Mitglie<strong>der</strong>“ fließen.<br />
Dafür tritt eine Befreiung von <strong>der</strong> Körperschafts-, Vermögens-<br />
und Gewerbesteuer ein. Die Einschränkung des<br />
Geschäftsbereichs betrifft vor allem gewerbliche Vermietungen.<br />
Auch <strong>der</strong> Bau von Eigenheimen ist jetzt nicht<br />
mehr möglich.<br />
Bisheutehatdie<strong>Baugenossenschaft</strong><strong>der</strong><strong>Buchdrucker</strong>ihre<br />
Selbstständigkeitbewahrt.NureinmalwurdenFusionsverhandlungen<br />
bis zu einem Vertragsabschluss gebracht. Am<br />
14. April 1970 billigte die Vertreterversammlung einstimmig<br />
einen Vertrag über die Verschmelzung <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
Hamburg-Nordost. Auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung <strong>der</strong><br />
Hamburg-Nordost konnte dagegen bei 129 Ja- zu 65 Nein-<br />
Stimmen nicht die erfor<strong>der</strong>liche Dreiviertelmehrheit<br />
erreicht werden, so dass die Fusion scheiterte.<br />
87
88<br />
Die langjährigen Vorstandsmitglie<strong>der</strong> Karl Muus, Rudolf Kleeblatt und Johannes<br />
Bechreiner (von links nach rechts).<br />
Am 31. Dezember 2001 gehörten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> 2.293 Mitglie<strong>der</strong> an. Damit war seit 1990<br />
zum erstenmal wie<strong>der</strong> ein geringfügiger Rückgang <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahl<br />
um neun Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vorjahr zu<br />
verzeichnen. Die Mitgliedsrechte werden heute von <strong>der</strong><br />
Vertreterversammlung wahrgenommen. In acht Wahlkreisen<br />
wählen die Mitglie<strong>der</strong> für je 35 angefangene<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> einen Vertreter. Die Vertreterversammlung<br />
wurde 1966 an Stelle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
eingerichtet, als <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bestand die Zahl<br />
1.500 überschritt und nach § 43a des Genossenschaftsgesetzes<br />
die Wahl von Vertretern notwendig wurde. Die entsprechenden<br />
Satzungsän<strong>der</strong>ungen verabschiedete die letzte<br />
Mitglie<strong>der</strong>versammlung am 11. Dezember 1966 im<br />
Gewerkschaftshaus. Seither fungiert die Vertreterver-<br />
sammlung als Organ <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />
Sie wählt den Aufsichtsrat.<br />
Über Jahrzehnte hinweg stellte die Berufsgruppe<br />
<strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> einen Großteil <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>. Diese Tradition konnte nach<br />
19<strong>45</strong> noch einmal aufgenommen werden.<br />
Der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer im graphischen<br />
Gewerbe stellte erneut die Nähe zur Gewerkschaft<br />
her, die beispielsweise in den im<br />
Gewerkschaftshaus durchgeführten Mitglie<strong>der</strong>versammlungen<br />
zum Ausdruck kam.<br />
Heute hat sich die Mitglie<strong>der</strong>struktur grundlegend<br />
geän<strong>der</strong>t. Mit dem Ende <strong>der</strong> Wohnungsnot<br />
entfiel die Notwendigkeit, eine<br />
Wohnungssuche frühzeitig zu beginnen und<br />
sich dabei etwa an <strong>der</strong> Berufsgruppenzugehörigkeit<br />
zu orientieren. Außerdem ist das<br />
Berufsbild des Druckers durch die technische<br />
Entwicklung grundlegenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />
unterworfen gewesen, die mit einem erheblichen<br />
Stellenabbau einhergegangen ist. Geblieben ist <strong>der</strong><br />
Name: <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>.<br />
Zumindest in den Leitungsgremien wirkte die Tradition<br />
noch bis in die 1980er Jahre fort. Als <strong>der</strong> Gewerkschaftssekretär<br />
Willi Zieher 1957 starb, folgte ihm<br />
Gustav Bauck in den Aufsichtsrat. Bauck gehörte ebenfalls<br />
dem Betriebsrat bei Broschek an und war Anfang<br />
<strong>der</strong> 1950er Jahre Mitglied des Vorstands <strong>der</strong> IG Druck<br />
und Papier Nordmark. Als Nachfolger von Hans Neidhold<br />
übernahm Gustav Bauck 1964 den Aufsichtsratsvorsitz.<br />
Bis 1977 übte er das Amt aus. Anschließend<br />
gehörte er dem Aufsichtsrat noch bis zu seinem Tod am<br />
19. März 1981 als einfaches Mitglied an. Auch <strong>der</strong> aus<br />
<strong>der</strong> Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit kommende
Karl Muus wirkte 38<br />
Jahre für die <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />
Insgesamt<br />
zeichnen sich bis heute<br />
zahlreiche VorstandsundAufsichtsratsmitglie<strong>der</strong><br />
durch eine langjährige<br />
Mitarbeit in den<br />
Gremien aus. So beendete<br />
1994 Günther<br />
Wilke nach 25 Jahren<br />
seine ehrenamtliche Tätigkeit,<br />
17 Jahre hatte<br />
er den Aufsichtsratsvorsitz<br />
ausgeübt. Gerhard<br />
Pampuch schied 1999<br />
aus dem Vorstand aus,<br />
dem er seit 1979 angehört<br />
hatte. Zuvor hatte<br />
er bereits 12 Jahre<br />
im Aufsichtsrat mitgearbeitet.<br />
Zu den<br />
langjährigen Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />
zählen<br />
außerdem Albrecht<br />
Eben-Worlee, Hans-<br />
Thomas Haas, Hans-<br />
Werner Kölble, Klaus<br />
Krause, Hans Neidhold,<br />
Hans-Joachim Oehlke<br />
und Josef Wachter. Auch Georg Ihrig und Heinrich<br />
Otte, die vorübergehend dem Vorstand als viertes<br />
Mitglied angehört hatten, waren zuvor im Aufsichtsrat<br />
tätig gewesen. Die einschneidendsten personellen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> neueren Zeit waren Anfang <strong>der</strong><br />
Festveranstaltung zum 50jährigen Bestehen 1977: die Mitarbeiterin Elisabeth Dettmann sowie die Vorstandsund<br />
Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> Johannes Bechreiner, Gustav Bauck, Gerhard Pampuch, Harald Lühmann und<br />
Karl Muus (von links nach rechts).<br />
1980er Jahre zu verzeichnen. Dem 1979 ausgeschiedenen<br />
Vorstandsmitglied Johannes Bechreiner folgten<br />
1983 Karl Muus und ein Jahr später Rudolf Kleeblatt.<br />
Kleeblatt, <strong>der</strong> 30 Jahre im Vorstand gewirkt hatte, wurde<br />
für seine Verdienste zum Ehrenmitglied des Vorstands<br />
89
90<br />
Rudolf Kleeblatt gehörte dem Vorstand 30 Jahre an und<br />
wurde 1984 zum Ehrenmitglied des Vorstandes ernannt.<br />
auf Lebenszeit ernannt. Nachdem 1984 Ortrud Schliack<br />
nach 33 Jahren ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat aufgegeben<br />
hatte, ging mit dem Ausscheiden von Rudolf Kleeblatt<br />
eine Ära zu Ende. Auch wenn Karl Muus noch<br />
weitere drei Jahre dem Aufsichtsrat angehörte, vollzog<br />
sich nun ein Generationswechsel. Dieter Keltermann,<br />
<strong>der</strong> am 1. August 1982 die Geschäftsführung übernommen<br />
hatte, wurde im Oktober 1983 in den Vorstand<br />
bestellt. Als Nachfolger von Rudolf Kleeblatt rückte<br />
Harald Lühmann in den Vorstand auf. Er hatte schon<br />
seit 1974 dem Aufsichtsrat angehört. Zusammen mit<br />
Gerhard Pampuch, <strong>der</strong> Johannes Bechreiner abgelöst<br />
hatte, setzte <strong>der</strong> neue Vorstand die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong><br />
erfolgreich fort. Erneut zeichneten sich die<br />
folgenden Jahren durch ein hohes Maß an personeller<br />
Kontinuität in den Leitungsgremien aus. Dieter Keltermann<br />
und Harald Lühmann gehören dem Vorstand bis<br />
heute an. Für Pampuch wurde 1999 Uwe Dettmann in<br />
den Vorstand bestellt. Dettmann hatte zuvor zwölf Jahre<br />
dem Aufsichtsrat angehört, davon fünf Jahre als Vorsitzen<strong>der</strong>.<br />
Auch im Aufsichtsrat handelt es sich bei <strong>der</strong> Mehrheit<br />
um langjährige Mitglie<strong>der</strong>. Thilo Creutzer, <strong>der</strong> von Dettmann<br />
den Vorsitz übernommen hat, gehört dem Gremium<br />
seit 1988 an. Günther Discher ist seit neun Jahren Aufsichtsratsmitglied,<br />
Angelika Kasimir und Wilhelm Riebau<br />
seit acht Jahren. Für Renate Kluge, die 2001 nach 16 Jahren<br />
Mitarbeit im Aufsichtsrat ausgeschieden ist, wurde<br />
Bernd Nehls gewählt, <strong>der</strong> zusammen mit dem seit 2000<br />
amtierenden Axel Mangelsdorf zu den neueren Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong>n<br />
zählt.
Die Geschäftsstelle heute, Pestalozzistraße Nr. 24.<br />
91
92<br />
QUELLEN UND LITERATUR<br />
QUELLEN<br />
Amtsgericht Hamburg, Genossenschaftsregister<br />
Akten <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong>, Nr. 538<br />
Archiv <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong><br />
Geschäftsberichte<br />
Mitglie<strong>der</strong>verzeichnis<br />
Protokolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>- und Vertreterversammlungen<br />
Protokolle <strong>der</strong> Aufsichtsrats- und Vorstandssitzungen<br />
Wohnungsakten<br />
Bezirksamt Hamburg-Mitte<br />
Bauakten: Braußpark 2/4, 6/12, 14 und Wicherns Garten 1/7<br />
Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg<br />
597 Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen<br />
Hamburger Feuerkasse<br />
Aktenzeichen 2<strong>45</strong>-1836, Wicherns Garten 1, 3, 5, 7<br />
Staatsarchiv<br />
Amt für Wohnungswesen<br />
Interviews mit Frau Dettmann, Frau Hönsch,<br />
Frau Kleeblatt, Frau Muus und Frau Schliack.<br />
LITERATUR<br />
80 Jahre öffentlich geför<strong>der</strong>ter Wohnungsbau in Hamburg. Katalog zur<br />
gleichnamigen Ausstellung, Hrsg.: Freie und Hansestadt Hamburg,<br />
Baubehörde - Amt für Wohnungswesen, Hamburg 1999.<br />
Brecht, Julius, Erich Klabunde: Wohnungswirtschaft in unserer Zeit,<br />
Hamburg 1950.<br />
Brecht, Julius: Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in einer<br />
marktwirtschaftlichen Wohnversorgung, in: Deutsche Siedlungs- und<br />
Wohnungspolitik. Gegenwartsproblematik und Zukunftsaspekte. Fest-<br />
schrift zum 25jährigen Bestehen des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen<br />
<strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität Münster i. W.,<br />
o. O., 1956, S. 151-175.<br />
Büttner, Ursula: Errichtung und Zerstörung <strong>der</strong> Demokratie in Hamburg:<br />
Freie Gewerkschaften, Senatsparteien und NSDAP im Kampf<br />
um die Weimarer Republik, Hamburg 1998.<br />
Hipp, Hermann: Wohnstadt Hamburg. Mietshäuser zwischen Inflation<br />
und Weltwirtschaftskrise, 2. Aufl., Hamburg 1986.<br />
Hipp, Hermann: Wohnungen für Arbeiter? Zum Wohnungsbau und<br />
zur Wohnungsbaupolitik in Hamburg in den 1920er Jahren, in: Arno<br />
Herzig, Dieter Langewiesche und Arnold Sywottek (Hrsg.): Arbeiter<br />
in Hamburg. Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit<br />
dem ausgehenden 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, Hamburg 1983, S. 471-481.<br />
50 Jahre <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> EG, Hamburg, o. J.<br />
[1977].<br />
Funke, Hermann: Geschichte des Mietshauses in Hamburg,<br />
Hamburg 1974.<br />
Hohlbein, Hartmut: Hamburg 19<strong>45</strong>: Kriegsende, Not und Neubeginn,<br />
2. Aufl., Hamburg 1985.<br />
Martens, Holger: Erich Klabunde 1907-1950, Hamburg 2001.<br />
1900-2000 Wohnen und Leben in Norddeutschland. 100 Jahre Verband<br />
norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V., hrsg. vom Verband<br />
norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V., o.O., o.J. [2000].<br />
Nevermann, Paul: Im Anfang war das Wort, in: Neues Hamburg VI,<br />
1951, S. 12-15.<br />
Nörnberg, Hans-Jürgen, Dirk Schubert: Massenwohnungsbau in<br />
Hamburg. Materialien zur Entstehung und Verän<strong>der</strong>ung Hamburger<br />
Arbeiterwohnungen und -siedlungen 1800-1967, Berlin (West) 1975.<br />
Novy, Klaus, Michael Prinz: Illustrierte Geschichte <strong>der</strong> Gemeinwirtschaft.<br />
Wirtschaftliche Selbsthilfe in <strong>der</strong> Arbeiterbewegung von den<br />
Anfängen bis 19<strong>45</strong>, Bonn 1985.
Novy, Klaus, Bodo Hombach u.a. (Hrsg.): Andres Leben. Geschichte<br />
und Zukunft <strong>der</strong> Genossenschaftskultur, Bonn/Berlin 1985.<br />
Rasmußen, Kerstin, Gunnar Wolf (Redaktion): Verän<strong>der</strong>ungen 1894-<br />
1994. Hamburg-Hamm im Spiegel erlebter Geschichte(n), Hamburg<br />
1994.<br />
Rieger, Josef (†), Max Mendel (†), Walter Postelt: Die Hamburger<br />
Konsumgenossenschaft „Produktion“ 1899-1949, Hamburg 1949.<br />
Ruck, Michael: Die öffentliche Wohnungsbaufinanzierung in <strong>der</strong> Weimarer<br />
Republik. Zielsetzungen, Ergebnisse, Probleme, in: Axel Schildt,<br />
Arnold Sywottek (Hrsg.): Massenwohnung und Eigenheim. Wohnungsbau<br />
und Wohnen in <strong>der</strong> Großstadt seit dem Ende des Ersten<br />
Weltkrieges, Frankfurt 1988, S. 150-200.<br />
Schädel, Dieter: Städtebau und Wohnungswesen in Hamburg. Eine<br />
Fallstudie zur Geschichte des Staatseingriffs zum Umbau und zur<br />
Sanierung <strong>der</strong> Stadt Hamburg unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des<br />
Wohnungswesens in <strong>der</strong> Zeit des großen Brandes 1842 bis zum Ende<br />
<strong>der</strong> Weimarer Republik, Quickborn 1988.<br />
Schumacher, Fritz: Hamburgs Wohnungspolitik von 1918 bis 1919.<br />
Ein Beitrag zur Psychologie <strong>der</strong> Gross-Stadt, Hamburg 1919.<br />
40 Jahre <strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong>mbH 1927-1967,<br />
o. O., o. J. [1967].<br />
Wischermann, Clemens: Wohnen in Hamburg vor dem Ersten Weltkrieg,<br />
Münster 1983.<br />
BILDNACHWEIS<br />
Geschichtswerkstatt Barmbek: Seite 34<br />
Landesmedienzentrum: Seite 11<br />
Privatbesitz Schliack: Seite 61, 69 (2), 75, 76, 79<br />
Privatbesitz Hönsch: Seite 88<br />
Privatbesitz Kleeblatt: Seite 90<br />
Privatbesitz van <strong>der</strong> Walde-Schönfeld: Seite 42<br />
Staatsarchiv <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg: Seite 9, 10, 14, 56<br />
Stadtteilarchiv Hamm: Seite 28, 47, 49<br />
Alle an<strong>der</strong>en Bil<strong>der</strong> befinden sich im Archiv <strong>der</strong> <strong>Baugenossenschaft</strong>.<br />
93
94<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Baugenossenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Buchdrucker</strong> <strong>eG</strong><br />
Pestalozzistrasse 24<br />
22305 Hamburg<br />
Tel. 69 70 81-0<br />
Fax 61 73 99<br />
Internet: http://www.buchdrucker.de<br />
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Gesamtherstellung:<br />
Druck- und Werbeservice Hagen GmbH<br />
Ivo-Hauptmann-Ring 15<br />
22159 Hamburg<br />
Tel. 64 5580-0<br />
Fax 64 55 80 18<br />
Text: Holger Martens<br />
Hamburg 2002