Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Workshop 3: EinführungSeit Beginn der Zwanziger Jahre haben sich die Begriffe Umwelt, Umweltpolitik undUmweltrecht in der öffentlichen Diskussion in Deutschland einen festen Platz verschafft. InUngarn dagegen ist, obwohl das Land <strong>zu</strong> sozialistischen Zeiten im Ostblock eine sehr starkewestliche Orientierung hatte, Umweltschutz erst mit der Wende in den Blickpunkt desöffentlichen Interesses gerückt. So konnten die Ergebnisse langjähriger Diskussionen inwestlichen Ländern direkt in das neue ungarische Recht integriert werden.Zentrales Beispiel dafür ist § 345 des ungarischen BGB. Dort ist explizit eineGefährdungshaftung für Umweltschäden in § 345 Abs. 1 S. 2 geregelt. In Deutschlanddagegen ist aufgrund der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte des BGB eine solcheGefährdungshaftung für Umweltschäden, die aus Betrieben hervorgehen, nur imUmwelthaftungsgesetz (§ 1 UmwHG) vorgesehen. Aus den gleichen Gründen stellt sichauch der Individualschutz im Umweltrecht in Deutschland als zersplittertes Bild dar. DasUmweltrecht wird zwangsläufig <strong>zu</strong> einer Querschnittsmaterie von zivilrechtlichen undöffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen.In diesem Workshop wurden <strong>zu</strong>nächst die haftungsrechtlichen Grundlagen und ihre landesspezifischenDifferenzen erarbeitet. Anhand des konkreten Beispiels der Theißverschmut<strong>zu</strong>ngdurch zyanidhaltige Schadstoffe in Rumänien und Ungarn im Jahre 2000 wurde dasProblem von grenzüberschreitenden Umweltschäden erörtert. Unter anderem an diesemBeispiel wurde deutlich, dass Umweltschäden kraft Natur der Sache häufig grenzüberschreitendund langfristig wirken. Dies fordert eine nachhaltige Herangehensweise an dasProblem. Es zeigt sich, dass nur eine grenzüberschreitende Gesetzgebung die bestehendenProblemlagen effektiv lösen kann.Das Thema Atomausstieg in Deutschland führte im Workshop <strong>zu</strong> einer Auseinanderset<strong>zu</strong>ngmit wirkungsvollen Präventivmaßnahmen <strong>zu</strong>r Verhinderung von unübersehbaren Umweltschäden.46
Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Formen zivilrechtlicher Haftung im Umweltrecht in Ungarnvon Norá Szabó, ELTE <strong>Budapest</strong>Durch das Umweltrecht wird die Natur, derLebensraum der Menschen und Tiere, alsodie gesamte Biosphäre geschützt. Auf unsererErde ist das Leben nur möglich, wenndie Biosphäre alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt,die die Lebewesen <strong>zu</strong>m Leben brauchen.Durch die Entwicklung der Industrie habensich die Lebensbedingungen sehr verändert:die Vorausset<strong>zu</strong>ngen sind immerschlechter geworden.Die Notwendigkeit einer rechtlichen Regelungerklärt, dass der Umweltschutz undseine Förderung eine komplexe Aufgabe istund starke Auswirkungen auf das Interesseder ganzen Gesellschaft hat. Dem Staatfällt die Aufgabe <strong>zu</strong>, mit rechtlichen Mittelnin den Ablauf der Ereignisse ein<strong>zu</strong>greifen,um damit weitere Verschmut<strong>zu</strong>ngen auf<strong>zu</strong>halten,und soweit – wenn es möglich ist -durch Naturalrestitution den vorherigenZustand wieder her<strong>zu</strong>stellen, also in denZustand <strong>zu</strong> versetzen, der bestehen würde,wenn die Umweltverschmut<strong>zu</strong>ng nicht eingetretenwäre.Das Umweltrecht ist ein "komplexer"Rechtszweig, da mehrere Rechtsgebiete(Privatrecht und auch öffentliches Recht)<strong>zu</strong>m Tragen kommen; der Umweltschutzhat auch wirtschaftliche und finanzielleAuswirkungen, da er ein Gesamtinteresseist. Seit Jahrzehnten geht man der Fragenach, ob das Privatrecht das geeigneteMittel ist, die gewünschten Ergebnisse indiesem Fachgebiet <strong>zu</strong> erreichen. Der Umweltschutzist überwiegend eine staatlicheAufgabe. Er ist im Verwaltungsrecht geregelt.Im ungarischen Umweltrecht gibt eszwei wichtige Bereiche, die das Zivilrechtregelt: die Frage des Schadensersatzesund das Nachbarschaftsrecht.Das Umweltschutzgesetz von 1976 waraus damaliger Sicht sehr modern, und esbefriedigte die wichtigsten Ansprüche imUmweltschutz. Besonders wichtig war,dass die verschiedenen Normen, in denendieses gesellschaftliche Problem (Umweltschutz)geregelt worden ist, endlich in einemeinheitlichen Gesetz <strong>zu</strong>sammengefasstworden sind. Da dieses Gesetz währendder Zeit des Sozialismus eingeführtworden ist, beinhaltet es auch die sozialistischenGrundprinzipien, die während dieserZeit von Bedeutung waren. Es gab keinewirksamen Garantien und Kontrollen fürden Bürger, für die Öffentlichkeit. Das Umweltschutzgesetzvon 1995 unterscheidetnicht zwischen Verschmut<strong>zu</strong>ngen vonWasser, Luft, Erde und anderen Bereichen,diese Unterscheidungen werden in denAusführungsgesetzen geregelt, das Umweltschutzgesetzselber ist nur ein Rahmengesetz.Nach dem Gesetz sind schädigendeTätigkeiten solche Handlungen, dieals Folge einen Umweltschaden verursachenoder die Möglichkeit besteht, dass einsolcher Schaden eintritt. Ein Schaden derUmwelt ist: eine Veränderung oder Verschmut<strong>zu</strong>ngder Natur oder ihrer Elemente,wodurch der natürliche Stand der Umweltnicht mehr oder nur durch Eingriff wiederherstellbar ist. Das neue Gesetz deckt sichinsoweit mit dem vorherigen Gesetz als dieobjektive Haftung des Bürgerlichen Gesetzbuchesfür Umweltschäden an<strong>zu</strong>wendenwar. Seit der ungarischen BGB-Novelle von 1977 ist die Haftung für Umweltschädenauch im Bürgerlichen Gesetzbuchbei den Bestimmungen der Haftungfür Schäden durch gefährliche Tätigkeitengeregelt. Das Umweltgesetz verweistauf die Anwendung dieser Bestimmungdes ungarischen BGBs. Wer durchsein Verhalten oder durch Unterlassen dieNatur gefährdet, verschmutzt, schädigtoder die Umweltvorschriften durch rechtswidrigesVerhalten nicht einhält, ist nachdiesem und anderen Sondervorschriften(zivilrechtlich, strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich)für den Schaden verantwortlich.Die Pflichten des Schädigers sind:Die Schadens<strong>zu</strong>fügung <strong>zu</strong> unterlassen, dieSchäden <strong>zu</strong> ersetzen, den vorherigen Zustandwieder her<strong>zu</strong>stellen, der bestehen47