1985 - Gen-ethischer Informationsdienst
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schichtkindern -, hat seine negative Rolle, welche die <strong>Gen</strong>technologie für die Selektion ,,ge-<br />
sunden Erbmaterials" bereits jetzt spielt: Die humangenetischen Beratungsstellen, die Ideolo-<br />
gie der Normalität, die Übergriffe auf Behinderte, Zwangssterilisation zeugen davon. Indem<br />
die Behinderten zum vermeidbaren Risiko erklärt werden, wird der Schwangerschaftsabbruch<br />
eugenisch begründet und der individuellen Entscheidung der Mutter entzogen. Die Euthana-<br />
sie, für die im Nationalsozialismus noch Tötungsanstalten und Abtransporte erforderlich wa-<br />
ren, wurden in den letzten Jahrzehnten einen Schritt vorverlagert (genetische Beratung, Am-<br />
niozentese) und kann nun bereits an embryonalen Zellkulturen angewendet werden: Die Em-<br />
bryo-Selektion soll „normale", künstlich erzeugte Kinder garantieren, ungeachtet der Tatsa-<br />
che, daß noch gar nicht bekannt ist, welche Schädigungen die Manipulation der <strong>Gen</strong>forscher<br />
erzeugen können. Das Lebensrecht der Behinderten, die als Resultat eines Betnebsfehlers er-<br />
scheinen, wird damit grundsätzlich verneint.<br />
Die <strong>Gen</strong>technologie gibt sich als wissenschaftliche Antwort auf die zunehmende Zerstörung<br />
von Umwelt und Natur aus - als ob allein noch genetische Manipulationen und nicht die Aus-<br />
schaltung der zerstörerischen Ursachen das biologische Überleben der Menschheit garantie-<br />
ren könnten. Die Ideologie des biologischen Determinismus richtet sich so, als zweite Kraft<br />
neben Umweltzerstörungen, zwecks ,,Rettung der <strong>Gen</strong>e" gegen die Unversehrtheit der Men-<br />
schen. Daß auch und gerade Umweltgifte für die Unfruchtbarkeit vieler Paare anzuschuldigen<br />
sind, neben der Zerstörung der Sexualität, interessiert um so weniger, je weniger „Gesund-<br />
heit" als Zustand des Wohlbefindens definiert wird und mehr als Produkt medizinischer Lei-<br />
stungen. Indem sie die Ausrottbarkeit von Krankheit suggeriert, bemächtigt sich die Medizin<br />
der menschlichen Existenzbedingungen; von der <strong>Gen</strong>technologie bis zur Sterbehilfe wird Le-<br />
ben zu einer quantitativ meßbaren Summe von Parametern; je radikaler die medizinischen<br />
Eingriffe bis an die Grenzen der Entstehung menschlichen Lebens und bis an denTod vordrin-<br />
gen, desto mehr verliert das Leben an Integrität und Würde.<br />
Wie im Nationalsozialismus die Erbgesundheitsregister ist jetzt die <strong>Gen</strong>kartografie, die Erfas-<br />
sung der Abweichungen, der erste Schritt der Unterwerfung unter ein eugenisches Regime.<br />
Das „Arbeitsplatzscreening", auch wenn es zuerst nicht der Auswahl von Arbeitern für schad-<br />
stoffbelastende Arbeitsplätze dienen soll, verdeutlicht den Zusammenhang von Vergiftung<br />
und Erfassung.<br />
Diese Zusammenhänge schienen uns vordringlich, wenn es um das Thema Umweltzerstörung<br />
und <strong>Gen</strong>technologie geht. Daß daneben die <strong>Gen</strong>technik selbst Umweltrisiken in sich birgt, ist<br />
ebenfalls wichtig; das darf aber nicht zum einzigen Kritikpunkt gemacht werden, wie es sich<br />
bei den Grünen im Bundestag durchzusetzen scheint.<br />
Unsere Arbeit über <strong>Gen</strong>technologie sollte auch darauf zielen, ihre Funktion im Zusammen-<br />
hang der Kapitalakkumulation und des imperialistischen Systems zu bestimmen, denn nur so<br />
wird der Stellenwert deutlich, den diese Technologie künftig gegenüber dem Menschen als so-<br />
zialem Objekt einnehmen könnte. (02.01)<br />
Naturwissenschaft und Technik Meldung<br />
Frauentagung<br />
Vom 16. bis 19. Mai <strong>1985</strong> wird in Gießen das 11. Nationale Treffen von Frauen in Naturwissen-<br />
schaft und Technik stattfinden. Die Tagung dient dem Erfahrungsaustausch und der Weiterbil-<br />
dung von Frauen, die im naturwissenschaftlich-technischen Bereich tätig sind und findet ein-<br />
mal jährlich statt. Veranstaltet wird der Kongreß dieses Jahr von einer Gruppe Gießener Na-<br />
turwissenschaftlerinnen. Erwartet werden zwischen 250 und 300 Frauen aus dem ganzen Bun-<br />
desgebiet und aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen: Ar-<br />
chitektur und Bauwesen, Städtebau, Maschinenbau, Elektro- und Nachrichten-Technik, Ma-<br />
thematik, Informatik, Physik, Chemie, Biologie, Agrarwissenschaften, Geographie, Geolo-<br />
gie und Medizin. Auf der Tagung wird es Fachgruppen geben, die sich mit der jeweiligen Ar-<br />
beitssituation auseinandersetzen und fachübergreifende Arbeitsgruppen<br />
GEN-ETHISCHER INFORMATIONSDIENST<br />
Gesamtausgabe Nr. 2<br />
02.02