KolumneEine (un)endliche GeschichtevonUwe Dziuballa,ChemnitzZahlen und Emotionen überhäufen den politischInteressierten seit dem 27. Dezember2008 aus Israel. Diesmal geht es wieder umden Gazastreifen und den seit der Machtergreifungdurch die Hamas sich ergebendenpolitischen Realitäten.Die Hamas seit Juni 2007 die alleinigeMacht in Gaza:19. Dezember 2008 – Ende der Waffenruhe;seit dem 19. Dezember 2008 wurden von derHamas 200 Raketen und Mörsergranaten aufIsrael abgeschossen; die Hamas soll jetzt noch10.000 Raketen mit einer Reichweite um 40km haben; jeden Tag fliegen 20 bis 40 Raketenaus dem Gaza nach Israel; 300 Tote nachLuftangriff in Gaza (Stand 29.12.2008); 6.500israelische Reservisten eingezogen; BewaffneteAuseinandersetzungen bringen uns keinerKonfliktlösung näher, sondern verursachennur Not und Leid. In einigen politischenAnsprachen wurde in besonderen Situationengesagt: „Genug ist genug!“. Das gilt eben nunauch für den Dauerbeschuss aus Gaza.Die Grundzüge des Konfliktes sind bei allerPolemik unbestritten:1. Im Jahr 2005 hat sich Israel aus dem Gazastreifenzurückgezogen, kann somit beim bestenWillen nicht als Besatzer bezeichnet werden.Damit kann die Hamas weder moralischnoch völkerrechtlich irgendein „Widerstandsrecht“für sich in Anspruch nehmen, zumaldie politischen Verhandlungen über die Schaffungeines Palästinenserstaates auch im Westjordanlandinzwischen weiter fortgeschrittensind.2. Wie jeder Staat hat Israel das Recht und diePflicht, seine Bürger vor Angriffen zu schützen.Dazu darf Israel – im Rahmen des Kriegsvölkerrechts– alle Mittel anwenden, die zurBeseitigung der Bedrohung notwendig sind.3. Die Taktik der Hamas steht außerhalb jedesVölkerrechts. Das gilt für den systematischenBeschuss israelischer Zivilistenwie für das Positionieren militärischerStellungen inmitten der palästinensischenBevölkerung. Israel ist zwar gehalten, möglichstwenig Zivilisten zu treffen. Wenn beimAngriff auf militärische Ziele aber Unschuldigesterben, weil Stellungen inmitten von Wohngebietengebaut wurden oder sich Waffenlagerund Bombenlabore gar in Schulen, Universitätenoder Moscheen befinden, so ist das alleinder Hamas zuzuschreiben.Leider und zum Bedauern aller werden beiden unterschiedlichen Einsätzen im Gazaauch Zivilisten getötet und verletzt. Die Betonungliegt hier auf „auch“. Während die Hamasmit ihren Geschossen grundsätzlich aufZivilisten als Ziel anspricht, sind die zivilenOpfer meist das Ergebnis der Politik – ich nennesie Schutzschildpolitik – der Hamas. Wennin oder an zivilen Einrichtungen Waffenlager,Abschussstellungen oder andere militante terroristischeEinrichtungen errichtet werden,dann werden planmäßig und bewusst zivileOpfer in Kauf genommen. Dies stellt eine besondereArt der Rücksichtslosigkeit nicht nurgegenüber der israelischen, sondern auch dereigenen arabischen Bevölkerung dar.Natürlich sprechen sich jetzt viele „gute Menschen“gegenüber Israel für eine Waffenruheaus, aber wo bleibt, wo blieben die Aufforderungen,die Appelle, als die Raketenbeschüsseauf israelischen Boden begannen? Seit fast 18Monaten konnte die Hamas die Bandbreiteihrer humanen Kreativität unter Beweis stellen,indem sie dafür hätte Sorge tragen können,in dem von ihnen kontrollierten Gebieteine Ordnung in Gang zu setzen. Sie hättender Weltöffentlichkeit beweisen können, dassdie internationalen Hilfen und Gelder für Projekteverwendet werden, die dieses Gebiet zueinem sich entwickelnden Teil der Völkergemeinschaftmachen. Nichts Dergleichen wurdegetan!Wer seine Bevölkerung, für die er die politisch<strong>eV</strong>erantwortung trägt, permanent ineinem Verliererstatus hält und ihr keine Möglichkeitgibt, das zu schaffen, was wir in EuropaPerspektive und Wohlstand nennen,brauch sich auch nicht zu wundern, wenn ervon so genannten Permanentrevolutionärenvoller Hass umgeben ist.Bei den ganzen, kaum zu fassenden Zahlenund Ereignissen des Schreckens erinnere ichan dieser Stelle an den israelischen SoldatenGilad Shalit, welcher seit 940 Tagen(20.01.2009) von der Hamas als Geisel gefangengehalten wird. Auch hier hätte die Hamasin den letzten Wochen und Monaten die Gelegenheitnutzen können, die Entführung vonShalit aufzugeben und ihn in den Schoß seinerFamilie zu entlassen. Übrigens habe ich auchhier die internationalen Stimmen und Rufenach Gerechtigkeit vermisst.Im Ergebnis einer bewaffneten Auseinandersetzungkann es nur Verlierer geben! Leid undElend, eine zerstörte Infrastruktur und zerschlageneStrukturen sind nicht gerade das,was man sich im gesellschaftlichen Zusammenlebenwünscht. Aber man kann auchnicht immer zurückziehen und auf die Vernunftdes Gegenübers setzten. Zeit genug dafürwar vorhanden. Doch nicht Vernunft, sondernMacht- und Positionskämpfe bestimmenden politischen Alltag.Ich hoffe und wünsche der palästinensischenBevölkerung, dass sie im Laufe der modernenGeschichte langsam ihren wahren Entwicklungshemmschuherkennt.20<strong>Zum</strong> Le b e n
Christliche Stimmen zum Konflikt imGazastreifenVater Alexios betreut die griechisch-orthodoxeGemeinde in Gaza. 3.000 Mitgliederhat seine Parochie. <strong>Zum</strong> orthodoxen Weihnachtsfest,das am 7. Januar war, durfteneine ganze Reihe von Christen nach Bethlehemreisen. Einige sind bei Verwandten inRamallah geblieben und nicht in das Kriegsgebietzurückgekehrt.„Es gibt kein Wasser, keinen Strom keineNahrungsmittel, keine Medikamente“, beschreibter mit sanfter Stimme die furchtbareLage. „Die Leute haben Angst.“ Vier Mitgliederder griechisch-orthodoxen Gemeindein Gaza sind seit Beginn der Operation „GegossenesBlei“ getötet worden, darunter ein14jähriges Mädchen. „Hier ist niemand sicher“,erklärt der griechisch-orthodoxeGeistliche. Er erzählt, dass die israelischenRaketen zwar sehr genau treffen. Die Explosionensind aber so mächtig, dass auch vielan den umliegenden Häusern zerstört wird- „keine Glasscheibe ist mehr heil“.„Nur unter Gottes Schutz ist man sicher“,meint Alexios, der seit 43 Jahren als Mönchund Priester im Heiligen Land lebt, seit 18Jahren in Gaza. Er hat alles miterlebt: Dieisraelische Besatzung, die Intifada, die palästinensischeAutonomieherrschaft, den Hamas-Putsch.Als griechischer Staatsbürgerhätte Vater Alexios die Möglichkeit gehabt,das Kampfgebiet zu verlassen. Hat er darübernachgedacht? Die Frage beantwortet erfast empört: „Ich bin doch der Bischof, derhier mit dieser Gemeinde verheiratet ist!Wie könnte ich jemals meine Frau verlassen?!“Auf die Frage, wen er für die momentaneMisere verantwortlich macht, reagiert er ausweichend.„Die Situation ist schuld“, meinter, und: „Es gibt zwei Parteien... Man solltedas Problem durch Diskussionen lösen. Werschuldig ist? - Das sollen die Leute draußenentscheiden. Gott weiß es. Wir wissen nicht,was im Hintergrund steht. Das ist alles eingroßes politisches Spiel...“ Aber dann siehtder Vater seiner Gemeinde doch einen Hoffnungsschimmer:„Der, dessen Geburt wirgestern gefeiert haben, Jesus Christus, er istder Friedefürst. Nur er kann den Frieden indiese Welt bringen.“Pastor Howard Bass leitet die messianischjüdischeGemeinde in Beerscheva, der„Hauptstadt“ des nördlichen Negev. Mit derOperation „Gegossenes Blei“ wurde die Stadtvon der Hamas mit Gradraketen „Made inChina“ beschossen. Bass hat eine Tochter inder israelischen Armee und sein ältesterSohn Evan dient in einer Kampfeinheit imGazastreifen. Aufgrund der strengen Zensurbestimmungenhaben die Eltern seit Beginnder Bodenoffensive nichts mehr von ihremSohn gehört. „Das ist gut“, meint Howard,„so wissen wir, dass ihm nichts passiert ist.„Jedes Land hat das Recht auf Selbstverteidigung“,betont Bass, der aus den VereinigtenStaaten nach Israel eingewandert ist. „DasRecht auf Selbstverteidigung ist ein von Gottgegebenes Recht, eine moralische Pflicht.Ein Staat muss seine Bürger schützen, gegenKriminelle von innen und gegen Angriffe vonaußen.“Jesus-gläubige Juden wie Howard Bass wissensich dem Neuen Testament verpflichtetund sehen, dass Israel jahrelang, obwohl eskein „christliches Land“ ist „die andere Wangehingehalten hat“. „Israel antwortet nichtunmittelbar und aus dem Effekt auf Angriffe“,beobachtet Bass, „wenn Israel zurückschlägt,dann hat es sich zuvor lange zurückgehalten,dann ist es eine verzweifelte Notwendigkeit.“Bass sucht wie andere messianische Judenganz bewusst das Gespräch und die Begegnungmit gläubigen Christen auf „der anderenSeite“. „Wir sind keine Kriegstreiber,sondern Bürger eines souveränen Staates,der eine Pflicht hat, seine Bürger zu schützen“,betont er. „Wir sind unserem Staatgegenüber verantwortlich, unseren Mitbürgern,aber auch unseren Feinden. Denensagen wir: ‚Wir sind nicht gegen Euch, weilwir Euch hassen, sondern weil Ihr lernenmüsst, damit aufzuhören.‘“ PalästinensischchristlichenGesprächspartnern wirft er vor,dass sie die Existenz Israels grundsätzlichangreifen, wenn sie immer nur „die Besatzung“als Grund der gewaltsamen Auseinandersetzunganprangern. „Es ist auch Wahrheit,dass Jesus mich nach Hausezurückgebracht hat“, erklärt er seine Übersiedelungvon Amerika nach Israel.Christlichen Friedensaktivisten, die Israelverklagen, hält er entgegen, dass es möglichist, in Israel Pazifist zu sein, und dass es inIsrael Pazifisten gibt, „aber wo sind die Pazifistenin Syrien, Jordanien, bei den Palästinensernund im Gazastreifen?“ Der Vatervon zwei israelischen Soldaten fragt: „WelcheLast legen wir unseren Leuten auf,wenn wir behaupten, es ist Sünde zu töten,auch im Krieg, selbst wenn sie nicht tötenwollen.“Howard Bass ist der Ansicht, dass es letztlichdarum geht, „dass wir alle die GerechtigkeitGottes kennen lernen. Wir müssen mit demWillen Gottes in Einklang kommen. Wennwir die Situation aus Gottes Sicht sehen, sehnenwir uns vielleicht mehr nach der WiederkunftJesu, anstatt die Probleme mit eigenenMitteln lösen zu wollen.“Der Baptistenbischof Naim Khoury lebt inJerusalem, betreut aber auch eine Gemeindein Bethlehem. Nach Ansicht dieses Palästinensers,der einen jordanischen Pass hat,liegt die Verantwortung für den gegenwärtigenKonflikt einzig bei der Hamas: „Es gibtkeine Rechtfertigung für das, was die Hamastut. Sie müssen ihre Aggression stoppen,mit dem Raketenbeschuss aufhören, damitdie Menschen in Frieden zusammenlebenkönnen.“Khoury wirft seinen Landsleuten von derHamas vor, dass sie nicht an ihre eigenenLeute denken: „Die Zivilisten leiden. WennHamas mit dem Raketenbeschuss aufhört,wird Israel die Grenzen aufmachen.“ Davonist der Baptist überzeugt, der für seine versöhnlicheHaltung gegenüber dem jüdischenStaat auch schon auf den Straßen von Bethlehembeschossen wurde. Bischof Khouryist überzeugt: „Wir leben in der Endzeit.Was passiert, ist kein Witz. Der Herr kommtbald! Darauf sollten sich alle Menschen vorbereiten,Christen, Moslems und Juden.Alle müssen wissen, wer der echte Messiasist, der Herr der Herren und König aller Könige.“© Johannes Gerloff, Christlicher MedienverbundKEP www.israelnetz.com<strong>Zum</strong> Le b e n 21