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Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

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23Bipolarität und dieser als Folge bzw. Wechselbestimmung der Bestimmung der logischen Sätze alsTautologien zu verstehen.-Zweierlei hilft, Sinn und Reichweite des Bipolaritätsprinzips zu verstehen. Zum einen ist daraufhinzuweisen, daß das Prinzip stärker ist als die in der zeitgenössischen, an den englischenPhilosophen Michael Dummett anschließenden semantischen Diskussion über Realismus und Anti-Realismus im Zentrum des Interesses stehenden Prinzipien der Bivalenz und des AusgeschlossenenDritten. Bivalenz verlangt nur, daß jeder Satz in bestimmter Weise einen der beiden Wahrheitswerte'wahr' und 'falsch' hat. Der Satz vom Ausgeschlossenen Dritten folgt aus dem Grundsatz derBivalenz (die umgekehrte Implikation besteht nicht unbedingt) und sagt, daß kein Satz weder wahrnoch falsch ist. (vgl. Carruthers 1990, Kap. 11) <strong>Wittgenstein</strong>s Bipolaritätsprinzip ist dagegen eineWesensdefinition für (empirische) Sätze: „Jeder Satz ist wesentlich wahr-falsch“. (Tb 215 c) Sieverlangt, daß jeder Satz sowohl wahr als auch falsch muß sein können (vgl. die modallogischeCharakterisierung des Prinzips bei v. Wright 1982, 200 f.). Das führt u.a. dazu, daß unter<strong>Wittgenstein</strong>s Prinzip die Sätze der Logik keine echten Sätze sind, sondern Grenzfälle derZeichenverbindung, nämlich ihre Auflösung (4.466). Zum andern hilft zum Verständnis, wenn mandas Bipolaritätsprinzip im Lichte von <strong>Wittgenstein</strong>s späterer Konzeption sprachlicher Bedeutungbetrachtet. Dann erscheint die Gleichsetzung von Sinn und Wahr-oder-Falsch-sein-Können alsungerechtfertigte <strong>Ein</strong>schränkung des Sinns von Sinn. Denn die spätere Konzeption bindet Sinn anVerstehen oder Verständnis, wenn sie Bedeutung als das erklärt, was eine Erklärung der Bedeutungerklärt (vgl. PU § 560). In dieser Auffassung zeigt eine Bedeutungserklärung, wie einSprachbenutzer einen Ausdruck (Ausdrücke, Ausdrucksformen) versteht, und fordert zugleichartigem Verständnis auf. Und wir verstehen auch andere Modi als den der Aussage oderBehauptung, für den die <strong>Ein</strong>schränkung des Sinns von Sinn auf Wahr-oder-Falsch-sein-Könnenallenfalls Geltung beanspruchen kann.Auch in diesem engeren Bereich ist das Bipolaritätsprinzip aber irreführend, zunächst wegen desGegenbeispiels solcher Sätze in der Form von Erfahrungssätzen, die die Rolle von Regeln spielenund die <strong>Wittgenstein</strong> in ÜG behandelt; aber mehr noch, weil das Bipolaritätsprinzip einer falschenArbeitsteilung zwischen Psychologie und Semantik Vorschub leistet. Indem es nämlich dem Satzals verwendetem Satzvorkommnis zurechnet, was allein seiner Verwendung, seinem Gebrauch zukommt,verweist es, was an der Verwendung im Wahr-oder-Falsch-Sein nicht aufgeht, in den Bereichder philosophisch und sprachtheoretisch irrelevanten Psychologie. Die Verweisung von Urteils-,Befehls- und Frage-Indikator in den Bereich des Psychologischen ((vgl. AüL, Tb 191c, 192d,207d mit 4.442 (2)) macht zudem die Fregesche Konzeption ihrer Unterscheidung vom später sog.propositionalen Gehalt nicht rückgängig, sondern erklärt sie nur für logisch bedeutungslos. Erstsehr viel später hat <strong>Wittgenstein</strong> gesehen, daß auch der Unterscheidung selbst, sofern sie mitAllgemeinheitsanspruch auftritt, deshalb zu widersprechen ist, weil sie die irrige Vorstellung vomPsychischen als dem Reich innerer geistiger Vorgänge voraussetzt. Es heißt dazu in einemManuskript:„Wenn man das Sprachspiel mit der Behauptung 'Er wird kommen' betrachtet, so fällt es einem nicht ein, die Behauptungin eine Fregesche Annahme (einen Inhalt sozusagen) und das Behaupten dieses Inhalts zu zerlegen. Es ist überhauptwieder die Vorstellung vom Vorgang im Geiste, die die Idee einer solchen Zusammensetzung und Analyse nahelegt.“(Ms. 132, 6. 10. 1946; zit. bei Schulte 1987, 135).In der späteren Konzeption läßt sich ein interessantes Bipolaritätsprinzip nicht festhalten. Es müßtenämlich gesagt werden, es gelte allein für zu empirischen Behauptungen verwendete Sätze von derForm der Erfahrungssätze - und offensichtlich liegt hier aller Gehalt der Charakterisierung bei demBestandteil 'Verwendung zu empirischer Behauptung' und nicht dem Bestandteil 'Form des Satzes'.

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