12.07.2015 Aufrufe

Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

25einfache (nichtanalysierbare) Zeichen sein sollen. Aber zunächst einmal sind die Folgerungen ausdem zweiten Grundsatz, dem Satzzusammenhangsprinzip, noch keineswegs vollständig. Wenn fürdie Bedeutung von Wörtern der Satzzusammenhang sowohl notwendig als auch schon hinreichendsein soll, dann kann dafür ein Zusammenhang zwischen Sätzen jedenfalls nicht grundlegendmaßgeblich sein. D.h. aber, auf einer bestimmten Ebene der Betrachtung ist die Sprache nichts alseine Satzmenge oder, in Analogie zur Ontologie (vgl. oben II.A, S. 7 f.), ein Satzmosaik(vgl.4.001). Für die Instantiierung der wesentlichen Eigenschaften von Sätzen, ihr Wahr-oder-Falschsein, können nur die Sätze selber in Betracht kommen - und ihr Vergleich mit derWirklichkeit (2.223, 4.05).Damit über die Wahrheit oder Falschheit eines Satzes durch Vergleich mit der Wirklichkeitunmittelbar entschieden werden kann, muß alles für den Vergleich Wichtige im Satz selberenthalten sein (denn Zusammenhänge zu anderen Sätzen sollen ja unmaßgeblich sein). DieseÜberlegung führt zu einem Postulat, das <strong>Wittgenstein</strong> im Zusammenhang mit seiner Version derErfüllung des Postulats die „Forderung der Bestimmtheit des Sinns“ (3.23) nennt.Diese Forderung ist der dritte Schritt im Argument der LPA:(3) Das Bipolaritätsprinzip und das starke Verständnis des Satzzusammenhangsprinzipsals sowohl notwendiger als auch hinreichender Bedingung für Bedeutung vonAusdrücken erfordern Bestimmtheit des Sinnes als Bedingung der Möglichkeit derWahrheit oder Falschheit von Sätzen.In der Literatur kann man gelegentlich lesen, die Forderung der Bestimmtheit des Sinnes sei eineFolge der Übernahme der funktionentheoretischen Satzauffassung von Frege durch <strong>Wittgenstein</strong>und des mit ihr verbundenen Erfordernisses, daß eine Funktion für alle möglichen Argumentedefiniert sei (vgl. Frege 1891, 20). Aber trotz der Bemerkung 3.318, in der sich <strong>Wittgenstein</strong> derfunktionentheoretischen Satzauffassung von Frege und Russell anschließt, glaube ich, daß dieseErklärung nicht zureicht und die Forderung der Bestimmtheit des Sinns jedenfalls im Kontext derTb und der LPA besser aus den unabhängigen wahrheitstheoretischen Überlegungen <strong>Wittgenstein</strong>sverstanden werden kann. Die Bestimmtheitsforderung wäre eine Abzweigung in eineTheoriekonzeption der Idealsprache, die <strong>Wittgenstein</strong> in frühen Interpretationen unter dem <strong>Ein</strong>flußder '<strong>Ein</strong>leitung' von Bertrand Russell häufiger zugeschrieben worden ist, was aber zweifelsfrei einMißverständnis von 3.325 im gesamten Kontext der LPA darstellt, wie insbesondere die'Tagebücher 1914-16' zeigen, aber auch eine Bemerkung wie 5.5563, deren erstem Satz zufolgealle Sätze der Umgangssprache, so wie sie sind, logisch vollkommen geordnet sein sollen. Wie istdas vereinbar mit der in der LPA ebenfalls mehrfach vertretenen These, daß z.B. die Sprache denausgedrückten Gedanken verhülle wie mit einem Kleid, so daß nach dessen Zuschnitt nicht mehrauf die Form des bekleideten Gedankens geschlossen werden könne (vgl. 4.002 d)? Bevor ich<strong>Wittgenstein</strong>s Auflösung des Dilemmas zwischen Vagheit und vollkommener Ordnung nenne, willich darauf hinweisen, daß nicht nur der Sache nach, sondern auch für <strong>Wittgenstein</strong> selbst dieForderung der Bestimmtheit des Sinnes nicht nur sprachphilosophisch, sondern auch ontologischbegründet ist (deshalb kann sie nicht allein eine Folge der Übernahme der funktionentheoretischenSatzauffassung sein). Die ontologische These, die Bestimmtheit des Sinns jedenfalls a u c h fordernläßt, formuliert das Tagebuch so:„...wir fühlen, daß die WELT aus Elementen bestehen muß. Und es scheint, als sei das identisch mit dem Satz , dieWelt müsse eben das sein, was sie ist sie müsse bestimmt sein. Oder mit anderen Worten, was schwankt, sind unsereBestimmungen, nicht die Dinge... Die Welt hat eine feste Struktur.“ (Tb 17.6.15 j/k,Tb 156).Wenn Wahrheit aber Korrespondenz mit der Wirklichkeit ist, wie die LPA unterstellt (2.21), dann

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!