32IV. OntologieA. Welt und Tatsache (28)1 Die Welt ist alles, was der Fall ist.1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.1.11 Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, daß es alle Tatsachen sind.1.12 Denn, die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles nicht der Fall ist.1.13 Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt.1.2 Die Welt zerfällt in Tatsachen.1.21 <strong>Ein</strong>es kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben.Von den einleitenden sieben Sätzen, Satz 1 und seinen Erläuterungen erster und zweiter Stufe ist imVorherigen (vgl.II.A, S.7 ff.;II.B, S. 11; II.C, S. 14-5) nur die Bemerkung 1.21 nicht kommentiertworden. Sie erläutert, daß die Welt in Tatsachen zerfällt, und stipuliert ihre logischeUnabhängigkeit. Denn, was die Logik angeht, kann eines der Fall sein oder nicht der Fall sein, undalles übrige gleichbleiben. Ob das physikalisch möglich ist, wird dadurch nicht präjudiziert - eshandelt sich nicht etwa um eine Leugnung des Determinismus. Wenn die Ontologie als Projektionder Satztheorie gelesen wird (was genetisch zutreffend wäre), dann ist 1.21 als ontologischesPendant des starken Verständnisses des Satzzusammenhangsprinzips zu verstehen (vgl. oben III, S.23-4).B. Tatsachen und Sachverhalte - Dinge, Sachen und Gegenstände (29)2 Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.)2.02 Der Gegenstand ist einfach.2.03 Im Sachverhalt hängen die Gegenstände ineinander, wie die Glieder einer Kette.2.04 Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte ist die Welt.2.05 Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte bestimmt auch, welche Sachverhalte nicht bestehen.2.06 Das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten ist die Wirklichkeit.(Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine positive, das Nichtbestehen eine negativeTatsache.)<strong>Ein</strong>e durch <strong>Wittgenstein</strong>s knappe Erläuterung der Grundsätze des Numerierungssystems unerklärtbleibende Tatsache ist, daß außer auf Satz 1 auf die andern Hauptsätze der LPA, sofern sie überhauptErläuterungen haben (wie Satz 7 als letzter trivialerweise nicht), unmittelbar Erläuterungenmit Numerierungen der Form 'n.0x' (Sätze 2 und 5) bzw. sogar 'n.00y' folgen. Das hat eineneinflußreichen Interpreten zu der sanguinischen Folgerung verleitet, <strong>Wittgenstein</strong> halte sich„gottlob“ überhaupt nicht an eine starre Regel in Anwendung seines Numerierungssystems (Stenius1969, 17). Das ist ein Mißverständnis. Wenn auf Hauptsätze weniger wichtige Erläuterungen vorden wichtigen folgen, dann ist das ein Hinweis auf die Thematisierung weniger wichtigerZusammenhänge, die gleichwohl vor den systematisch wichtigen erwähnt werden sollen/müssen.So ist es im Fall von Satz 2. Der führt den Ausdruck Sachverhalt in der Explikation von Tatsacheein. Und obwohl die weitere Analyse von Sachverhalten nach der gegebenen Interpretation von derTatsache abhängt, daß wir uns (bestimmte, nämlich logische) Bilder der Tatsachen machen (2.1)und diese wichtigste Erläuterung zu Satz 2 den internen Zusammenhang von Spache und Welt, den<strong>Wittgenstein</strong> in der LPA unterstellt und mittels der allgemeinen Bildtheorie ab 2.1 zu explizierenunternimmt, zeigt, wäre die <strong>Ein</strong>führung von Sachverhalten in der Erläuterung von 'Tatsache' nichtexplikativ, wenn nicht direkt gesagt würde, was Sachverhalte sind. Die geschieht in einem ersten
33Schritt in der direkt auf Satz 2 folgenden Erläuterung 2.01. An dieser Erläuterung muß die devianteZeichensetzung, die ausweislich der (leider nicht definitiv textkritischen) Kritischen Editionangegeben ist, auffallen.„2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.)“Mit Finch 1971 lese ich diese Erläuterung so, daß 'Sachen' und 'Dinge' nicht einfach Formulierungsvariantenzu 'Gegenständen' sind. Denn wie 2.02 betont, sind Gegenstände einfach. Von Sachen undDingen kann das nicht gesagt werden, auch wenn sie von der Umgangssprache als <strong>Ein</strong>fache behandeltwerden. Das wiederum geht aus der ersten Erläuterung zu 2.01 hervor - nicht nur einfachen Gegenständen,sondern auch Dingen ist es wesentlich, Bestandteile von Sachverhalten sein zu können.Denn das Satzzusammenhangsprinzip, zu dem diese ontologische Festsetzung das Pendant bildet,gilt auch schon für die unanalysierten Sätze der normalen Sprache, nicht erst für Elementarsätze.Unter 2.01 behandelt <strong>Wittgenstein</strong> Dinge und Gegenstände daher als ununterschieden. Aber ab 2.02unterscheidet er sie (und handelt überhaupt nur noch von Gegenständen).Denn dort und in folgenden Erläuterungen zweiter und niedrigerer Stufe werden Gegenstände alsdie Korrelate der Analyse von Komplexen (2.0201) und deshalb als die Substanz der Welt (2.021)gekennzeichnet. Dinge sind aber unanalysiert <strong>Ein</strong>fache (bzw. als einfach behandelte Entitäten),insofern sie von Namen als einfachen Zeichen bezeichnet werden. <strong>Wittgenstein</strong> hat das imTagebuch 1915 so festgehalten, daß er schrieb, der gewöhnliche Name fasse „seine ganze komplexeBedeutung in <strong>Ein</strong>s zusammen“ (Tb 164). Die „allgemein bekannten Dinge“ (Tb 162) sindwahrnehmbare Komplexe, die, von Namen bezeichnet, als <strong>Ein</strong>fache behandelt werden. Deswegenheißt es von Namen in 4.23, sie kommen „im Satz nur im Zusammenhang des Elementarsatzesvor.“(vgl. oben III, S.23) D.h. nämlich, entweder kommen sie im Elementarsatz vor und sind dannechte Namen von absolut <strong>Ein</strong>fachem, oder sie kommen in einem normalen Satz vor, dann aber wieim Elementarsatz - nämlich das von ihnen Bezeichnete als <strong>Ein</strong>faches behandelnd. Wenn ich einemSonnensystem den Namen <strong>Ludwig</strong> gebe, dann kann dieser Name als einfaches Zeichen nicht dazudienen, die Komplexität des Bezeichneten auszudrücken - er behandelt es als einfachen Gegenstand.Echte Gegenstände sind aber gedachte, absolut <strong>Ein</strong>fache, verbunden mit anderem <strong>Ein</strong>fachem in derKette eines Sachverhalts - wir können uns „keinen Gegenstand außerhalb der Möglichkeit seinerVerbindung mit anderen denken“ (( 2.0121 (4)). Sie sind die Korrelate einer Analyse derKomplexe, die Dinge sind, und zwar der Analyse der Komplexe in ihre Bestandteile und diejenigenSätze, „welche die Komplexe vollständig beschreiben“. (2.0201) Diese Analyse wird im Denkender Satzsinne, das die Methode der Projektion der Satzzeichen ist ((vgl. 3.11 (2)), immer schon'operiert' (unausdrücklich vollzogen).Was sind dann aber Sachen? Der Ausdruck tritt in der LPA außer in 2.01 nur dreimal auf (2.15,2.1514, 4.1272). Sie sind nach der letzten Bemerkung jedenfalls auch <strong>Ein</strong>fache bzw. als einfach Behandelte,insofern sie wie Dinge und Gegenstände „in der Begriffsschrift durch den variablenNamen (sc. „x“) ausgedrückt“ werden (4.1272). Sind Sachen dann nur Varianten zu Dingen, wennschon Dinge und Gegenstände unterschieden werden müssen? Die Erläuterungen in der Bildtheorie,in denen der Ausdruck auftritt, legen eine andere Deutung nahe. Sachen werden in ihrem Verhältniszueinander - und im Deutschen, anders als in den englischen Übersetzungen (in denen 'state ofaffairs' gebraucht wird und in denen der Zusammenhang leicht übersehen werden kann), steckt jadas Wort 'Sache' in 'Sachverhalt' - durch Elemente des Bildes in ihrem Verhältnis zueinander'vorgestellt'. Danach sind Sachen also die Weisen, in denen uns Dinge in der Wahrnehmunggegeben sind, erscheinen, die wir dann in Bildern vorstellen. Sachen wären demnachGegebenheitsweisen von Dingen. Dem epistemologisch subjektiven Status von Sachen entspräche
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