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Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

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29Interpretationen also unentschieden.)) <strong>Wittgenstein</strong> ist aber in den Ruf gebracht worden, einunzuverlässiger Interpret ex-post-facto für die LPA gewesen zu sein (vgl. zuletzt Carruthers 1989,6-8). Ich stimme dieser Beurteilung überhaupt nicht zu, aber es würde jetzt zu lange dauern, dieGründe für diesen Dissens darzulegen. <strong>Ein</strong>ige direktere Hinweise im Umkreis der LPA auf dieUnterstellung einer Denksprache in der LPA gibt es aber immerhin doch und ich will mich hierdarauf beschränken, diese zu nennen.In den letzten drei Tagebuch-<strong>Ein</strong>tragungen, die für 1915 veröffentlicht und zwischen dem 20. Und22. Juni datiert sind, bringt <strong>Wittgenstein</strong> eine einwöchige intensive Auseinandersetzung mit denProblemen der Bestimmtheit des Sinns und der einfachen Gegenstände zu einem vorläufigenAbschluß. Die Überlegungen sind, wie oft in den Tb, unschlüssig und tentativ, aber <strong>Wittgenstein</strong>scheint sich, wenn man dem Duktus der zeitlichen Folge der Überlegungen folgen darf, zu einerAuffassung im wahrsten Sinne durchzuringen, auch ohne durchschlagende Gründe für sie.Nachdem er die „Zerlegung der Körper in m a t e r i e l l e P u n k t e“ wie in der Physik alsParadigma einer „Analyse in e i n f a c h e B e s t a n d t e i l e“ genannt hat (Tb 161 c), stellt ergegen die im Kontext erörterte Annahme, man könne das Ziel, „einen g a n z b e s t i m m t e nSinn“ auszudrücken, auch „verfehlen“ (Tb 161b), folgende rhetorische Frage: „Aber sollte esmöglich sein, daß die von uns gewöhnlich gebrauchten Sätze gleichsam nur einen unvollkommenenSinn haben (ganz abgesehen von ihrer Wahr- oder Falschheit) und die physikalischen Sätze sichsozusagen dem Stadium nähern, wo ein Satz wirklich einen vollkommenen Sinn hat??“ (Tb 161 d)Drei Tage vorher hatte <strong>Wittgenstein</strong> aber schon als klar angesehen, „daß die Sätze, die dieMenschheit ausschließlich benutzt“ - also die vagen Sätze der Umgangssprache - „daß diese, so wiesie stehen, einen Sinn haben werden und nicht erst auf eine zukünftige Analyse warten, um einenSinn zu erhalten.“(Tb 17.6.15 c,Tb 155) Deshalb ist die am 20.Juni gestellte Frage, ob wohl erst dieSätze der Physik sich ihrem ganz vollkommenen, weil vollkommen bestimmten Sinn nähern,rhetorisch, wie schon der übernächste Absatz zu verdeutlichen beginnt:„Der Sinn muß doch klar sein, denn e t w a s meinen wir doch mit dem Satz, und soviel als wir s i c h e r meinen, mußdoch klar sein. Wenn der Satz 'das Buch liegt auf dem Tisch' einen klaren Sinn hat, dann muß ich, was immer auchd e r F a l l i s t, sagen können, ob der Satz wahr oder falsch ist.“Klaren Sinn aber hat der Satz, soviel „wir sicher mit ihm meinen“, weil jede Unsicherheit des Meinens„AUCH noch in den Satz eingeschlossen werden“ kann (im Text in Frageform). Deshalbkommt <strong>Wittgenstein</strong> zu dem vorläufigen Fazit: „Es scheint klar, daß das, was wir MEINEN, immer'scharf' sein muß.- Unser Ausdruck dessen, was wir meinen, kann wieder nur richtig oder falschsein. Und nun können noch die Worte konsequent oder inkonsequent angewendet sein. <strong>Ein</strong>e andereMöglichkeit scheint es nicht zu geben.“(Tb 162 c) Was wir meinen, muß immer 'scharf' sein, weilanders unsere Sätze nicht ohne weiteres wahr oder falsch sein könnten, wie die Schritte (1) bis(4)im Argument der LPA verlangen. Wir meinen etwas mit einem Satz, wenn wir, ihn verwendend,seinen Sinn denken, denkend projizieren (vgl.3.11).Daß die Schärfe des Meinens, die immer gegeben sein muß, zu einem Auseinandertreten von Denkspracheund gesprochener oder geschriebener (gehörter oder gelesener) Sprache führt, macht dannder Anfang der letzten erhaltenen <strong>Ein</strong>tragung aus dem Jahr 1915 deutlich, der zufolge auch dem unbefangenen(im Original doppelt gesperrt) Geist klar ist, daß der S i n n der normalerweise verwendetenSätze „komplizierter ist als der Satz selbst“ (Tb 163 h). Daß hier von einemAuseinandertreten von Denksprache und gesprochener Sprache zu reden ist, macht eine Tb-<strong>Ein</strong>tragung über ein Jahr später zweifelsfrei, in der W. erwähnt, er wäre zuerst von der Annahmeausgegangen, Denken und Sprechen seien dasselbe, die Ende 1915 gefestigte Auffassung führt aberzu der revidierten Ansicht, sie seien zwar nicht dasselbe, aber auch das Denken sei sprachartig:

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