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Ludwig Wittgenstein: >Logisch-Philosophische Abhandlung< - Ein ...

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27Wahrheitsfunktionentheorie antizipiert) bestehen, ist die Welt ein Tatsachenmosaik. Genetisch istdie Ontologie sicherlich eine Folge und Projektion der Satztheorie - warum ist sie dann vor derSatztheorie angeordnet? Ich sehe zwei Gründe voranstehen: einmal muß in der Darstellung derLPA, daß wir uns Bilder der Tatsachen machen, selbst als eine Tatsache behandelt werden, damit eseinen Weg von der Welt zur Sprache gibt. (Deswegen wurde die Formulierung von 2.1 imPrototractatus 'Die Tatsachen begreifen wir in Bildern' in die stärker auf Faktizität des Bildermachensabhebende Formulierung der LPA 'Wir machen uns Bilder der Tatsachen' verändert.) Zumandern muß die Bildbeziehung, wenn sie die für Wahrheit und Falschheit intendierteErklärungsleistung erbringen soll (vgl.4.06 sowie Tb 20.10.14 c, Tb 104), selber als eine faktische,tatsächliche Beziehung (Homologie der Form von Tatsachen) und nicht als intentionale Beziehunggefaßt werden - denn Wahrheit und Falschheit eines Satzes durch eine wiederum intentionaleBeziehung zu erklären, wäre eben nicht explanatorisch, sondern zirkulär. ((Daß man aus dem Zirkelintentionaler Begriffe nicht ausbrechen kann, zeigt für die spätere Philosophie <strong>Wittgenstein</strong>s, daßman sie eben nicht, wie die LPA wollte, reduktiv erklären kann. <strong>Ein</strong>e Formulierung dieser <strong>Ein</strong>sichtist: „Gesprochenes kann man nur durch die Sprache erklären, drum kann man die Sprache selbst, indiesem Sinn, nicht erklären.“( PG 40); eine andere: „Die Beschreibung der Sprache muß dasselbeleisten, wie die Sprache.“ (PG 159))Nun mag die Forderung der uniken vollständigen Analyse jedes Satzes in Elementarsätze noch soviele Beziehungen stiften im Gewebe der LPA: es ist nicht zu sehen, wie diese weitere Forderungder scheinbaren Wahrheitsunfähigkeit der vagen Sätze der Umgangssprache abhelfen könnte, wennnicht irgendwie glaubhaft gemacht werden könnte, daß diese Forderung auch immer schon erfülltist. Und in der Tat behauptet <strong>Wittgenstein</strong> implizit die immer schon gegebene Erfüllung dieserForderung und realisiert erst damit sein eine Idealsprachentheorie ausschließendes Methodenideal -„nicht, das Harte vom Weichen zu scheiden, sondern die Härte des Weichen zu sehen.“ (Tb 1.5.15e, Tb 135). Auf diesen Zug im Argument der LPA bezieht sich <strong>Wittgenstein</strong>s spätere kritischeFormel von einer „Mythologie des Symbolismus oder der Psychologie“ (PB 65, PG 56), die man inder Philosophie immer aufzustellen versucht sei, statt einfach zu sagen, was jedermann wisse undzugeben müsse. Dieser Zug kann nämlich zwei Formen annehmen. <strong>Ein</strong>mal kann unterstellt werden,daß der von uns überwiegend verwendete Symbolismus der vagen Umgangssprache derBestimmtheitsforderung allem gegenteiligen Anschein zum Trotz und ohne daß wir es wissen,immer schon genügt. (Auf dieses 'immer schon' bezieht sich die Charakterisierung der Auffassungals 'Mythologie'. Denn Mythologie ist auch für <strong>Wittgenstein</strong> eine Form der Begründung im Modusder Erzählung von Urereignissen, wie aus seiner Kritik an Sigmund Freud hervorgeht. Sie sagtgleichsam immer: „Alles ist aus etwas entstanden, was vor langer Zeit geschehen ist.“ VuGÄPR,86.) Wenn <strong>Wittgenstein</strong> im 'Prototractatus' ausführt, daß Wörter über ihre Definitionen bezeichnen,diese Definitionen aber unausdrücklich sein können und die Wörter trotzdem „in derselbenBeziehung zu den Gegenständen“ stehen, „die durch die Definition abgebildet wird“, dann gibt erder später kritisierten 'Mythologie des Symbolismus' Ausdruck (* 3.202111).Daß die LPA eine solche Annahme macht, ist nicht wirklich strittig. Die m. W. beste systematischeInterpretation der LPA unter Gesichtspunkten der zeitgenössischen philosophischen Semantik faßtdiese Annahme als <strong>Wittgenstein</strong>s Verpflichtung auf einen logischen Objektivismus, demzufolge dieBeziehungen zwischen Symbolen und die Beziehungen von Symbolen zu Realität durch den Sinnder Ausdrücke in geistunabhängiger Weise völlig objektiv bestehen. (vgl. Carruthers 1989, 1990)Zu einer 'Mythologie der Psychologie' wird der logische Objektivismus, wenn unterstellt wird,Sprecher und Hörer der Umgangssprache übersetzten die vagen Sätze, die sie 'meinen' bzw.'verstehen', wenn sie deren Sinn denken (vgl.3.11 b), in eine Denksprache (language of thought), in

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