4VorwortDiese <strong>Ein</strong>führung hat sich mir aus Erfahrungen des akademischen Unterrichts ergeben. Ich fand,daß eine geeignete <strong>Ein</strong>führung in <strong>Wittgenstein</strong>s '<strong>Logisch</strong>-philosophische Abhandlung' (LPA) aufdeutsch fehlte und daß die verfügbaren englischen, sich ausdrücklich als <strong>Ein</strong>führungenverstehenden Arbeiten, etwa von Anscombe 1971 und Mounce 1981, derart gemessenen Abstandzum Text halten, daß sie trotz aller <strong>Ein</strong>sichten in die Sache nicht geeignet sind, Studenten in dieLage eines selbständigen Umgangs mit dem Text zu versetzen. Genau dies ist es, was nach meinerMeinung eine <strong>Ein</strong>führung in einen klassischen Text der Philosophie leisten sollte und daher dasZiel, das ich mir hier gesetzt habe.Daß die bisherige Literatur mit wenigen Ausnahmen auch keinen durchgehenden Gedankengang imText hat identifizieren und verständlich machen können, liegt auch daran, daß die Struktur des Textesnur unzureichend identifiziert wurde. Sie ist im Numerierungssystem der 526 Bemerkungen derLPA gegeben und auf dieses Numerierungssystem ist bemerkenswert wenig Anstrengung des Verständnissesverwendet worden. Leider ist <strong>Wittgenstein</strong>s eigene Auskunft zu seiner Funktion in einerFußnote am Anfang des Textes radikal unvollständig. Besonders die grundlegende Funktion derNumerierung einer Bemerkung ist unerklärt geblieben: eine Ordnungszahl ordnet eine Bemerkungnicht nur in einen Zusammenhang ein, sondern isoliert sie in diesem auch als eigene <strong>Ein</strong>heit undmacht sie dadurch fähig, in mehrere Kontexte einzutreten, ohne wiederholt werden zu müssen. AusGründen der möglichsten Knappheit der Formulierung seiner Gedanken, die ich anderwärtsunschön 'Politik der Redundanzvermeidung' genannt und in ihrer Motivierung erklärt habe (Lange1989, Kap.1), war <strong>Wittgenstein</strong> an dieser Funktion der Numerierung von Bemerkungen vor alleminteressiert.Das herausragende Beispiel für sie ist die Bemerkung 2.1 'Wir machen uns Bilder der Tatsachen.'Sie bildet den Schlußpunkt der Reihen von Bemerkungen zur Ontologie, den Mittelpunkt einerReihe von Bemerkungen, die den internen Zusammenhang von Sprache und Welt zeigt, und denAusgangspunkt einer Reihe von Bemerkungen zur allgemeinen Theorie des Bildes als Theorie vonDarstellung überhaupt. Erst in allen drei Kontexten gesehen ist die Bemerkung völlig verständlich -und gerade die allgemeinsten Bemerkungen der Abhandlung, die ausweislich ihrer Numerierung diewichtigsten sein sollen, bedürfen solcher Mehrfacheinbettung in Kontexte, um Dunkelheiten ihrerFormulierung aufzuklären.<strong>Wittgenstein</strong> hat solche Kontexte wie in der Reihe der Hauptsätze der Abhandlung selber, so durchgehenddadurch gebildet, daß er Sequenzen aus jeweils sieben Bemerkungen bildete. Es gibt in dergesamten LPA im ganzen 140 solcher 7er-Sequenzen, in denen zusammen alle 526 Bemerkungenmindestens einmal auftreten, die wichtigeren sehr viel öfter. <strong>Ein</strong>e Liste dieser 140 7er-Sequenzengebe ich mittels der Ordnungszahlen der Bemerkungen der LPA im Anhang. Diese Reihen bildendie Basisstruktur des Textes, sind aber nicht selber die Struktur des ihm dargestelltenphilosophischen Systems, sondern nur das Material verschiedener Strukturbildungen für dasselbe,die ich am Ende erklären werden.Alle Reihen zu betrachten, hieße, einen vollständigen Kommentar zur LPA zu schreiben. Das habeich nicht vor. Statt dessen geht es mir um die Betrachtung der 32 wichtigsten dieser Sequenzen, dieden 32 Bemerkungen entsprechen, die die Hauptsätze und die Haupterläuterungen dieserHauptsätze der LPA bilden. In ihnen ist der Gedankengang der LPA übersichtlich; und auf ihreExplikation beschränke ich mich zu Zwecken der <strong>Ein</strong>führung hier daher.Meiner Aufmerksamkeit auf das Numerierungssystem der LPA und die Rolle der Zahl 7 in diesemhat man Zahlenmystik vorgeworfen. <strong>Ein</strong> großer deutscher Verlag, der 1920 schon die Veröffentli-
5chung von <strong>Wittgenstein</strong>s Buch abgelehnt hat, hat diesen Kommentar dazu mit dieser Begründungnicht drucken wollen. Mich hat der Vorworf ratlos gelassen, erklärt doch beispielsweise Kant Zahlenmystikals ein nicht auf den Gebrauch gehendes Fragen nach der Bedeutung von Zahlen, „einwunderliches Spiel der <strong>Ein</strong>bildungskraft mit dem Menschen, in Verwechselung der Zeichen mit denSachen, in jene eine innere Realität zu setzen, als ob diese sich nach jenen richten müßten“.(Anthropologie 36, Anhang) Darum handelt es sich hier nun gerade nicht. Denn erstens bin ich zumeinen Gliederungsvorschlägen gekommen, indem ich nach dem Gebrauch, den <strong>Wittgenstein</strong> inseinem Numerierungssystem von der Zahl 7 gemacht hat, gefragt habe. Von der Bedeutung derZahl 7 ist nur in diesem Sinn (der zugleich der von <strong>Wittgenstein</strong>s späterer Auffassung von'Bedeutung' ist) die Rede. Zweitens handelt es sich nicht um eine Verwechselung von Zeichen undSachen sowie die Unterstellung, die Sachen müßten sich nach den Zeichen richten. Denn es geht inder Form der Philosophie <strong>Wittgenstein</strong>s um einen mittels des Gebrauchs von Zeichen erzeugtensymbolischen Zusammenhang und nicht um zeichenunabhängige Realität. Bei intentional erzeugtensymbolischen Zusammenhängen aber ist nicht wie bei zeichenunabhängiger Realität von vornhereinausgeschlossen, daß sich diese Zusammenhänge nach formalen Zügen gebrauchter Zeichen richten.Im übrigen stütze ich Interpretationen in der Sache auf die von mir aufgedeckten symbolischenZusammenhänge nur ergänzend und hilfsweise - sie sind im Kern unabhängig von denformalästhetischen Zügen der Darstellung gehalten. Müßte man die auffälligen Häufungen von 7er-<strong>Ein</strong>teilungen in der LPA für Zufall oder für meine Erfindung (Projektion) halten, wäre das doch vielerstaunlicher als es die Annahme sein kann, <strong>Wittgenstein</strong> habe sich ihrer absichtlich bedient.Ich räume ein, daß dafür kein strikter philologischer Beweis erbracht werden kann. Aber ich schlagevor, den Text so anzusehen, als ob..., weil das in verschiedenen Hinsichten aufschlußreich ist. Verstehensetzt verstehen wollen voraus - und man muß natürlich nicht wollen. Aber man sollte sichnicht davon abhalten lassen, die vorgeschlagenen Interpretationen dann unabhängig von diesen derAblehnung verfallenden Zügen zu prüfen.Meine <strong>Ein</strong>führung will die gelehrte Literatur nicht überbieten, sondern propädeutisch ergänzen, obwohlsie eine eigene Gesamtinterpretation vorschlägt. Ich gebe durchweg Hinweise auf die spezifischeKritik, die der spätere <strong>Wittgenstein</strong> an Auffassungen der LPA geübt hat. Anders als mancheInterpreten meine ich, daß die spätere Selbstkritik aufschlußreiche Hinweise zum Verständnis derLPA selber gegeben hat. Der Lektüre welcher Schriften ich die meiste Belehrung verdanke, habeich außer durch gelegentliche Verweise im Text in einer kommentierten Bibliographie kenntlichgemacht. Denn eine weitere leitende Überzeugung der folgenden Darlegungen beschränkte dieMöglichkeit der Auseinandersetzung mit der gelehrten Literatur in der Diskussion einzelnerTextstellen auf ein Minimum: ich finde, eine <strong>Ein</strong>führung in einen klassischen Text sollte nichtlänger sein als dieser selber. Nun ist <strong>Wittgenstein</strong>s LPA sehr kurz. Er selber hat später freilicherklärt, in der LPA „sollte jeder Satz als Kapitelüberschrift aufgefaßt werden, die der weiterenErläuterung bedarf.“ (Rhees, Hg.,1992, 220) Daher muß ein dieser Aufgabe der Erläuterung gewidmeterKommentar länger sein als der Text selbst. Aber Auseinandersetzung mit der gelehrtenLiteratur hätte ihn noch länger gemacht, als mit der genannten Überzeugung vereinbar gewesenwäre.Ich habe drei Kollegen um Kommentare zur ersten Fassung des Textes gebeten und danke für Kritikund Rat Prof. Werner Diederich (Hamburg), PD Dr. Mathias Varga von Kibéd (München) und besondersDr. Oliver Scholz (Berlin). Er hat in dankenswerter Weise den gesamten Text gründlichrevidiert und ich bin seinen Anregungen zur Verdeutlichung bis auf eine Ausnahme durchgehendgefolgt. Die übliche Klarstellung der Verantwortlichkeit für alle verbliebenen Fehler gilt auch hier.
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