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Mitteilungen des Fachverbandes Philosophie - Fachverband ...

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Volker Steenblock<br />

Philosophische Bildung im Prozess der Kultur<br />

Es ist nicht ohne Reiz, eine von ihren ersten Auftritten an, also seit der Antike<br />

rekonstruierbare „lebensweltliche Seite“ der <strong>Philosophie</strong> zu untersuchen. Zwar mag<br />

es immer noch als „unphilosophisch“ gelten, sich für einen Zusammenhang<br />

zwischen dem Leben der Menschen und der <strong>Philosophie</strong> zu interessieren<br />

(„Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“), aber gerade die kulturelle Rolle<br />

<strong>des</strong>sen, von dem dieser Satz stammen soll, könnte ein solches Interesse eben doch<br />

dringlich erscheinen lassen.<br />

Meine Darlegungen möchten <strong>des</strong>halb die Frage nach einem Sitz der <strong>Philosophie</strong> im<br />

Leben ein wenig illustrieren. Hierzu mache ich im Folgenden, bei den Anfängen<br />

beginnend, zunächst einige knappe Bemerkungen zur Rolle der <strong>Philosophie</strong> in der<br />

Alltagswelt der Antike (1) und versuche sodann eine kurze Definition zu ihren<br />

„Leistungen“ im Prozess der Kultur (2). In einem dritten und letzten Punkt möchte<br />

ich schließlich auf die heutige Situation philosophischer Bildung zu sprechen<br />

kommen, wie sie sich aus der Sicht der <strong>Philosophie</strong>didaktik darstellt (3).<br />

1. Die <strong>Philosophie</strong> in der Lebenswelt der Antike<br />

Im Allgemeinen wird hinsichtlich der Grundorientierungen menschlichen Selbst-<br />

und Weltverhältnisses, der Begleitung <strong>des</strong> Lebens und <strong>des</strong> Umgangs mit dem Tod,<br />

mit Werten und Sinnfragen auf die Leistungen der Religion verwiesen. Wie aber<br />

stand und steht es mit der <strong>Philosophie</strong>? Welche Rolle haben zum Beispiel in der<br />

Antike ihre Vertreter im Leben der Menschen spielen können? War das <strong>Philosophie</strong>ren<br />

wirklich nur die Sache Einzelner, Privilegierter? Feststellen lässt sich:<br />

Angefangen von dem wegelagernd fragenden Philosophen Sokrates auf der Agorá,<br />

dem Marktplatz <strong>des</strong> antiken Athen, findet die <strong>Philosophie</strong> immer schon in jeweiligen<br />

Kontexten menschlicher Lebenswelt statt. Diese Kontexte möchte ich im Folgenden<br />

in vier „Paradigmata“ ansprechen: Agora, Akademie, Kepos und Museion.<br />

(a) Fragt man nach den Orten <strong>des</strong> <strong>Philosophie</strong>rens in der Antike, so etabliert und<br />

verkörpert zunächst Sokrates (469-399 v. Chr.) anerkanntermaßen das Ideal eines<br />

öffentlichen <strong>Philosophie</strong>rens, das sozusagen „mitten im Leben“ steht. Dieser Anspruch<br />

ist untrennbar mit seiner ungewöhnlichen Gestalt verbunden, die durch ihren<br />

persönlichen Einsatz wirkt.<br />

An einem besonderen alltagsweltlichen Ort: auf der Agorá, dem Markt, dem Zentrum<br />

<strong>des</strong> öffentlichen Lebens in Athen, auch <strong>des</strong> Handels, hält er sich auf – nicht in<br />

elitären Zirkeln und hinter verschlossenen Türen. Dies trägt ihm heute seine Inanspruchnahme<br />

durch eine Didaktik ein, die im <strong>Philosophie</strong>ren ein allgemein zu<br />

realisieren<strong>des</strong> und grundlegen<strong>des</strong> Humanum sieht. Sokrates wirkt dabei „vor Ort“<br />

und zieht als – wie man gesagt hat – „Streetworker der Vernunft“ seine Mitbürger in<br />

ein Ringen um kritische Prüfung ihrer Alltagsmeinungen hinein. Heute müsste man<br />

in die Einkaufszonen unserer Städte gehen, um die Menschen so zu erreichen.<br />

MITTEILUNGEN 48/2008

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