29.11.2012 Aufrufe

Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Se<strong>in</strong>e Hände und Füße aber waren zartgeformt und schmal.“ Die physische Äußer-<br />

lichkeit des betrachteten Wesens wird sogleich wieder entschärft, sie fällt kaum <strong>in</strong>s<br />

Gewicht, ja ihr Besitzer kann durchaus als „be<strong>in</strong>ahe schön“ empfunden werden. 56<br />

Diese <strong>Darstellung</strong>sweise zur Sonderstellung des kle<strong>in</strong>en Johannes gegenüber allen<br />

anderen Gestalten der erzählten Welt formuliert bereits die thematische Grundvor-<br />

aussetzung für die <strong>Darstellung</strong> e<strong>in</strong>es künstlerischen Wesens; damit nimmt der Text<br />

e<strong>in</strong>e deutlich herausgehobene Stellung im Frühwerk des Autors e<strong>in</strong>. Wenn <strong>in</strong> der<br />

Folge des Nachdenkens über Schopenhauer, Wagner und Nietzsche das Ästhetische<br />

als e<strong>in</strong> gewichtiger Teilbereich des menschlichen Lebens gilt und es dadurch verfei-<br />

nert wird, dann lässt sich <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong> kurze Erzählung als Ex-<br />

periment und Diskussion über den geheimnisvollsten Teil der Menschheit verste-<br />

hen, als e<strong>in</strong>e literarische Ause<strong>in</strong>andersetzung mit e<strong>in</strong>er ästhetisch-<strong>in</strong>dividuellen<br />

<strong>Existenz</strong>.<br />

Der kle<strong>in</strong>e Johannes ersche<strong>in</strong>t als literarischer Inbegriff für beide Begriffe, Ästhe-<br />

tik und Leben. Überdies gibt diese kle<strong>in</strong>e Erzählung e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>leitung <strong>in</strong> die literari-<br />

sche Thematik des <strong>frühen</strong> <strong>Thomas</strong> Mann, <strong>in</strong> die Kontrastierung von Bürgertums-<br />

und Künstlertumswelt mitsamt den damit jeweils verbundenen Formen von Weltan-<br />

schauung und Selbstverständnis. Die Geschichte erzählt von e<strong>in</strong>er niederländischen,<br />

bürgerlichen, aber kärglich lebenden und – im S<strong>in</strong>ne des zeitgenössischen Konzepts<br />

– ‚dekadenten’ Familie, deren Familienoberhaupt verstorben ist:<br />

Die arme Frau hatte es noch vor der Geburt des K<strong>in</strong>des erleben müssen, daß ihr<br />

Gatte, der niederländische Konsul, von e<strong>in</strong>er ebenso plötzlichen wie heftigen<br />

Krankheit dah<strong>in</strong>gerafft wurde. 57<br />

Wie es sche<strong>in</strong>t, ist der kle<strong>in</strong>e Johannes die e<strong>in</strong>zige Hoffnung se<strong>in</strong>er Mutter. Durch<br />

se<strong>in</strong>e im bürgerlichen S<strong>in</strong>ne berufliche Untauglichkeit und se<strong>in</strong>e sozusagen schick-<br />

salsbed<strong>in</strong>gte Krankheit vermag diese Hoffnung jedoch nicht <strong>in</strong> Erfüllung zu gehen.<br />

Ihr bleibt deshalb nichts anderes übrig, als sich damit abzuf<strong>in</strong>den. Der Erzähler gibt<br />

bereits hier e<strong>in</strong>e deutliche Vorausdeutung auf e<strong>in</strong> morbide-frommes, friedlich-ge-<br />

nügsames Bild dem s<strong>in</strong>nbildlichen Garten gegenüber, für das der immer wiederkeh-<br />

rende Satz „Gott weiß es“ e<strong>in</strong> Beleg ist: 58<br />

56 Ebd.<br />

57 Ebd., S. 87.<br />

58 Ebd., S. 95.<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!