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Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

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Werk entfaltetet: Der Dichter hat unter se<strong>in</strong>er Sphäre gelitten, die <strong>in</strong> dieser Erzäh-<br />

lung als „leidiges Zimmergewahrsam“ der Ich-Zucht bildlich dargestellt wird. Die<br />

<strong>Darstellung</strong> des Arbeitszimmers <strong>in</strong> Jena, das „kahl, nüchtern und unbequem“ er-<br />

sche<strong>in</strong>t und szenisch als „Stätte des R<strong>in</strong>gens“ mit se<strong>in</strong>em „Monstre-Werk“ geschil-<br />

dert wird, 183 wird hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zusammenhang mit der Krankheit des Dichters ge-<br />

bracht und ersche<strong>in</strong>t geradezu als der Inbegriff se<strong>in</strong>er körperlich und seelisch an-<br />

strengenden Zucht.<br />

Daraus geht nun das eigenständige, ästhetisch und ethisch souveräne Ich hervor,<br />

das sich über se<strong>in</strong> physisches und psychisches Leiden erhebt und dieses Leiden zum<br />

Thema se<strong>in</strong>er Dichtung macht. Dieses Licht war se<strong>in</strong>em Freund Goethe schon <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Natur zu eigen gewesen, wenn er, „der unmittelbar und mit göttlichem Mund<br />

die besonnten D<strong>in</strong>ge beim Namen nannte“, ohne die Zuhilfenahme der Kerzenflam-<br />

me aus se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>spirierten Geist heraus dichtete. Dies ist die enorme Differenzie-<br />

rung, die hier <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Erzählung zwischen dem fiktiven Schiller und der an-<br />

deren freundschaftlich mit ihm verbundenen und kreativen Lichtgestalt der deut-<br />

schen Literaturgeschichte angedeutet wird.<br />

Der bürgerlichen <strong>Existenz</strong> des Dichters als Geschichtsprofessor wird diejenige ex-<br />

emplarisch und spekulativ gegenübergestellt, die er <strong>in</strong> philosophischer Spekulation<br />

und deshalb als e<strong>in</strong> sich vorübergehend se<strong>in</strong>er dichterischen Praxis enthaltender Va-<br />

gabund <strong>in</strong> den geplagten Jahren durchlebte. Die Frage nach dem Warum führt tief<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong> Spekulation über den Genius des Dichters überhaupt: 184<br />

die Frage, ob der Mann mit Amt und Familie nun jenen k<strong>in</strong>dlich-genialen Schöpfer-<br />

geist noch im Blut hat.<br />

Jener Moment der meditativen Anstrengung e<strong>in</strong>es Geistes, der ganz <strong>in</strong> sich ver-<br />

sunken und auf se<strong>in</strong> Arbeiten konzentriert ist, wird sowohl <strong>in</strong> dieser Erzählung als<br />

auch im Versuch über Schiller herausgehoben, um jenen „Erkenntnisekel“ e<strong>in</strong>es ar-<br />

tistischen Dämons gegenüber dem dilettantischen Selbstverständnis kritisch und an-<br />

schaulich <strong>in</strong> den Vordergrund der künstlerischen Spekulation zu stellen. Im Versuch<br />

über Schiller bezeichnet <strong>Thomas</strong> Mann diesen Moment ausdrücklich als „Schwere<br />

Stunde!“ 185<br />

Das geistige Licht, das Schiller um der Bewältigung se<strong>in</strong>es Wallenste<strong>in</strong>s willen er-<br />

reicht, zeichnet diesen Dichter <strong>in</strong> der Opposition zum bloßen Dilettantentum als<br />

183 Vgl. ebd., S. 913.<br />

184 Vgl. ebd., S. 881.<br />

185 Ebd., S. 913.<br />

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