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Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

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Das Muster der tödlichen Bedrohung durch die s<strong>in</strong>nliche Frau als die Fe<strong>in</strong>d<strong>in</strong> sei-<br />

ner Selbstkontrolle zeigt nun se<strong>in</strong> wahres Gesicht. Friedemanns Entschluss, sich der<br />

S<strong>in</strong>nlichkeit zu beugen, bedeutet den Verlust se<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen Ichs. Er s<strong>in</strong>kt ihr<br />

gegenüber auf die Knie, zu Boden. Es ist e<strong>in</strong> „Klagelaut“ aus se<strong>in</strong>em Innersten her-<br />

aus zu hören, der se<strong>in</strong>e Begierde <strong>in</strong> diesem Moment auslöst und bald danach se<strong>in</strong><br />

Leben auslöscht:<br />

[…] während dieser kle<strong>in</strong>e, gänzlich verwachsene Mensch zitternd und zuckend<br />

vor ihr auf den Knieen lag und se<strong>in</strong> Gesicht <strong>in</strong> ihren Schoß drückte, stammelte<br />

er mit e<strong>in</strong>er unmenschlichen, keuchenden Stimme:<br />

„Sie wissen es ja... Laß mich... ich kann nicht mehr... Me<strong>in</strong> Gott... Me<strong>in</strong><br />

Gott...“ 121<br />

Durch Gerdas Reaktion erfahren wir, dass sie nicht mehr als e<strong>in</strong> kaltes Gefühl emp-<br />

f<strong>in</strong>det:<br />

Sie wehrte ihm nicht, sie beute sich auch nicht zu ihm nieder. Sie saß hoch auf-<br />

gerichtet, e<strong>in</strong> wenig von ihm zurückgelehnt, und ihre kle<strong>in</strong>en, nahe beie<strong>in</strong>ander<br />

liegenden Augen, <strong>in</strong> denen sich der feuchte Schimmer des Wassers zu spiegeln<br />

schien, blickten starr und gespannt gradeaus, über ihn fort, <strong>in</strong>s Weite. 122<br />

Ebenso deutlich wird die Grausamkeit ihres Gemüts, die Friedemanns keusche und<br />

unschuldige Seelen-Empf<strong>in</strong>dung im Grunde nur gnadenlos verachtet:<br />

Und dann, plötzlich, mit e<strong>in</strong>em Ruck, mit e<strong>in</strong>em kurzen, stolzen, verächtlichen<br />

Lachen hatte sie ihre Hände se<strong>in</strong>en heißen F<strong>in</strong>gern entrissen, hatte ihn am Arm<br />

gepackt, ihn seitwärts vollends zu Boden geschleudert, war aufgesprungen und<br />

<strong>in</strong> der Allee verschwunden. 123<br />

Damit liegt Friedemann endgültig wie e<strong>in</strong> verwachsener, unerwünschter Hund auf<br />

dem sumpfigen Boden, verlassen von se<strong>in</strong>er Herr<strong>in</strong> –<br />

121 Mann 2004, S. 118.<br />

122 Ebd.<br />

123 Ebd.<br />

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