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Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

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Niemand!... 207<br />

Selbst <strong>in</strong> der Abhandlung Über naive und sentimentalische Dichtung f<strong>in</strong>det sich<br />

e<strong>in</strong>e ausführliche Beschreibung jenes dichterischen Genies <strong>in</strong> der Jugendwelt. Und<br />

wenn <strong>in</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong> Tonio Kröger über das „Aufs-Eis-Legen“ der Empf<strong>in</strong>dung<br />

spekuliert wird, das für das Genie zur Voraussetzung für das Dichten wird, dann<br />

wird auch dort die übergeniale Natur folgendermaßen erstrebt:<br />

Nichts erwidert er [der Dichter], nichts kann ihn schmelzen oder den strengen<br />

Gürtel se<strong>in</strong>er Nüchternheit lösen. Die trockene Wahrheit, womit er den Gegen-<br />

stand behandelt, ersche<strong>in</strong>t nicht selten als Unempf<strong>in</strong>dlichkeit. Das Objekt besitzt<br />

ihn gänzlich, se<strong>in</strong> Herz liegt nicht wie e<strong>in</strong> schlechtes Metall gleich unter der<br />

Oberfläche, sondern will wie das Gold <strong>in</strong> der Tiefe gesucht se<strong>in</strong>. Wie die Gott-<br />

heit h<strong>in</strong>ter dem Weltgebäude, so steht er h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>em Werk; er ist das Werk<br />

und das Werk ist er; man muss des erstern schon nicht wert oder nicht mächtig<br />

oder schon satt se<strong>in</strong>, um nach ihm nur zu fragen. 208<br />

Diese Göttlichkeit des geistigen Zustands des Dichters, der ebenfalls <strong>in</strong> der Erzäh-<br />

lung von der Schweren Stunde thematisiert ist, wird <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Dichtart und<br />

Dichtprozess der beiden großen Dichter Goethe und Schiller gebracht, und zwar,<br />

wie mir sche<strong>in</strong>t, zur Differenzierung der beiden Genies aus ihrer jeweiligen Jugend-<br />

welt heraus mit jenen Kategorien, die Schiller <strong>in</strong> der oben genannten Schrift behan-<br />

delt hat, dem „Naiven“ bzw. „Sentimentalischen“.<br />

Die oben genannte übergeniale Geistessphäre sowie die göttlich-kalte Erschei-<br />

nung der Persönlichkeit des Genies, „Homers unter den Alten und Shakespeares un-<br />

ter den Neuern“, 209 s<strong>in</strong>d<br />

zwei höchst verschiedene, durch den unermesslichen Abstand der Zeitalter ge-<br />

trennte Naturen, aber gerade <strong>in</strong> diesem Charakterzuge völlig e<strong>in</strong>s. 210<br />

207 Mann 2004, S. 425.<br />

208 Mann 1960.<br />

209 Ebd., 452.<br />

210 Ebd., me<strong>in</strong>e Hervorhebung.<br />

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