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Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

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6.1.4 Der Ästhet und se<strong>in</strong> Heimweh<br />

Der kle<strong>in</strong>e Johannes kann sich noch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ästhetischen Sphäre aufrechterhalten,<br />

<strong>in</strong>dem er mehr oder weniger willensgesteuert se<strong>in</strong>e triebhafte Neigung zu e<strong>in</strong>er Ka-<br />

merad<strong>in</strong> noch unterdrücken kann und se<strong>in</strong> Leben durch ästhetisch <strong>in</strong>tensivierte S<strong>in</strong>-<br />

neswahrnehmungen fortführt. Diese <strong>Darstellung</strong> bezeichnet wesentliche funktionale<br />

Wesenszüge der Kunst, die ihm als kompensatorische Beschäftigung dient, als Zu-<br />

wendungsobjekt und Ersatz e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tim-kontemplativen Sphäre. An ihr hält der Äs-<br />

thet Friedemann fest, <strong>in</strong> ihr hält er vor dem Abgrund se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tim-s<strong>in</strong>nlichen Emp-<br />

f<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong>ne – temporär, bis zu se<strong>in</strong>em dreißigsten Lebensjahr.<br />

Es kann hier rückblickend nur von e<strong>in</strong>er Zwischenstation die Rede se<strong>in</strong>, vom Ver-<br />

such e<strong>in</strong>es Ausgleichs se<strong>in</strong>es Ichs, durch den jedoch ke<strong>in</strong>e stabile und reflektierte<br />

Synthese entsteht. Se<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividueller geistiger Ehrgeiz führt zu ke<strong>in</strong>em befriedigen-<br />

den Resultat, das ihn als kreativen Künstler zeigen würde. Friedemann unterdrückt<br />

lediglich se<strong>in</strong>e Empf<strong>in</strong>dungen von Naturmächten, die ihn zur s<strong>in</strong>nlichen Empf<strong>in</strong>-<br />

dung und zur praktischen Handlung animieren, anstatt mithilfe se<strong>in</strong>es Schöpfergeis-<br />

tes daraus Kunstwerke für die Menschheit und vor allem für das eigene Ich, se<strong>in</strong>e<br />

dauernde <strong>Existenz</strong> zu erschaffen.<br />

Insofern verlieren die oben genannten Orts-Varianten ihren eigentlichen Wert- und<br />

Funktionsgehalt, durch die der Ästhet <strong>in</strong>folge se<strong>in</strong>es schöpferisch unergiebigen Ver-<br />

arbeitungsprozesses und se<strong>in</strong>es geistig passiven Reflexionsvermögens nichts aus<br />

sich heraus schafft – weder das aus se<strong>in</strong>em zerrissenen Ich heraus zum Überleben<br />

Notwendigste noch das durch das körperlich bee<strong>in</strong>trächtigte Ich Gefilterte, das kon-<br />

kret Ästhetische. Die Vermittlung e<strong>in</strong>es primär Überweltlich-Unfassbaren, das im<br />

Medium der Kunst offenbart wird, reduziert sich somit schließlich nur auf se<strong>in</strong>e as-<br />

ketisch-fromme Idealvorstellung.<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong> ästhetisch-naturalistische <strong>Darstellung</strong> der psychisch angefochte-<br />

nen und ästhetizistisch geneigten Persönlichkeit Friedemanns kulm<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

literarischen <strong>Darstellung</strong> der Verschränkung zwischen dem Metaphysischen und<br />

dem Ästhetischen. Friedemann glaubt an e<strong>in</strong> Jenseits, wo er sich e<strong>in</strong>st vere<strong>in</strong>t mit<br />

se<strong>in</strong>en Eltern wiederzuf<strong>in</strong>den hofft und den vollkommenen Frieden f<strong>in</strong>den wird:<br />

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