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Standards und Religionsunterricht - Erzbischöfliches Ordinariat ...

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Bildungsstandards <strong>und</strong> <strong>Religionsunterricht</strong><br />

an der Hauptschule<br />

In der Kommission „Bildungsstandards Katholische Religionslehre Hauptschulen“ haben<br />

Helmut G. Bertling, Heidenheim, Gabriele Häußler (Vorsitz), Rottenburg, <strong>und</strong> Christian<br />

Schuhmacher, Freiburg, gearbeitet.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der Hauptschule<br />

Stellen wir uns einmal eine beliebige RU-Gruppe in einer<br />

beliebigen Hauptschule vor: Es könnte sein, dass da<br />

Kinder oder Jugendliche sitzen, für die Kirche, Christ sein,<br />

Glaube . . . Fremdwörter zu sein scheinen. Ein Beispiel: In<br />

der gemeinsamen Arbeit äußert ein Mädchen, dass es ihr<br />

„ab <strong>und</strong> zu beim Nachdenken über ihr Leben kalt den<br />

Rücken hinunter laufe.“ Sie schließt daran die Frage an:<br />

„Vielleicht hat das etwas mit Gott zu tun, ich weiß es nicht“<br />

(Anna, 9. Klasse). Diese Äußerung wird schließlich zum<br />

Ausgangspunkt für eine leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung<br />

mit der Gottesfrage. Wir finden Kinder<br />

oder Jugendliche vor, die scheinbar nichts mehr erschüttern<br />

kann, an denen alles ,cool’ wirkt. Ab <strong>und</strong> zu gestatten<br />

sie uns einen Blick in ihre Augen unter der tief in das<br />

Gesicht gezogenen Schirmmütze. Wir nehmen darin viel<br />

Unsicherheit <strong>und</strong> im Glücksfall die Zeichen ernsthaften<br />

Nachdenkens über sich selber <strong>und</strong> die Welt wahr.<br />

Sicherlich gibt es in einer solchen Klasse auch Kinder oder<br />

Jugendliche, für die Glaube – zumindest aber religiöse<br />

Feste <strong>und</strong> Riten im Lebenslauf – noch zum konkreten<br />

Erfahrungsschatz gehören <strong>und</strong> die bei der Frage nach<br />

dem, was für sie ein unverzichtbarer bedeutungsvoller<br />

Gegenstand ist, ganz selbstverständlich die Kette mit dem<br />

Kreuz von ihrer Erstkommunion auf den Tisch legen. Oft<br />

kommen sie aus einem italienischen, spanischen, polnischen<br />

oder sogar griechisch-orthodoxen Elternhaus. Wir<br />

haben es auch mit Kindern oder Jugendlichen zu tun,<br />

deren Alltagswissen <strong>und</strong> deren Erfahrung mit Mitschülerinnen<br />

<strong>und</strong> Mitschülern muslimischen Glaubens ausgeprägter<br />

ist als mit dem christlichen <strong>und</strong> die uns diesbezüglich<br />

Einiges voraus haben. Häufig besteht die Gruppe<br />

im <strong>Religionsunterricht</strong> aus mehreren Nationalitäten, in der<br />

Gesamtklasse wird das Bild dann noch bunter. Dazu<br />

kommt, dass die Kinder oder Jugendlichen erfolgreiche<br />

<strong>und</strong> weniger erfolgreiche Lernbiografien aufweisen <strong>und</strong><br />

eine Altersspanne von manchmal bis zu drei Jahren. Das<br />

Bild einer solchen Klasse ist also reich an Eindrücken <strong>und</strong><br />

unterschiedlichsten Facetten.<br />

Vielleicht sieht das Bild, das Sie vor Augen haben auch<br />

noch ganz anders aus. Kurz gesagt: die Hauptschule mit<br />

der Hauptschülerin <strong>und</strong> dem Hauptschüler gibt es nicht!<br />

Das macht das Arbeiten an dieser Schulart spannend <strong>und</strong><br />

reich an Erfahrungen <strong>und</strong> gleichzeitig nicht gerade einfach.<br />

Für den Bildungsplan, der eine solche Vielfalt wertschätzen<br />

<strong>und</strong> ihr gerecht werden soll, drängen sich mehrere<br />

Fragestellungen auf:<br />

1. Welche Zielsetzungen verfolgt der katholische <strong>Religionsunterricht</strong><br />

an solchen Schulen <strong>und</strong> wie lässt sich<br />

sein spezifisches Profil herausarbeiten <strong>und</strong> stärken?<br />

2. Wie schaffen wir es, auf diese differenzierte Ausgangslage<br />

überhaupt adäquat zu reagieren <strong>und</strong> zu antworten?<br />

3. Welchen Beitrag können wir mit unserem Fach zur<br />

Weiterentwicklung von Hauptschulen leisten, die im<br />

Umbruch begriffen sind <strong>und</strong> eine Fülle von Aufgaben<br />

zu bewältigen haben?<br />

22<br />

Die Leitideen des neuen Bildungsplans<br />

Die erste Fragestellung zielt auf die Leitideen, die der<br />

Bildungsplan den konkreten Vorgaben voranstellt. Mit der<br />

bekannten Kurzformel für das Ziel schulischer Bildung von<br />

Hartmut von Hentig – Die Menschen stärken – die Sachen<br />

klären – lässt sich der Gr<strong>und</strong>gedanke des neuen Bildungsplans<br />

u. E. zutreffend beschreiben.<br />

Der erste Schwerpunkt: „Die Menschen stärken“<br />

Der neue Bildungsplan stellt das Kind bzw. den Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> seine zentralen Lebensaufgaben, die zu<br />

bewältigen sind, in den Mittelpunkt: die Entwicklung der<br />

eigenen Persönlichkeit <strong>und</strong> die Orientierung in einer vielfältigen<br />

<strong>und</strong> oft verwirrenden Umwelt. Er formuliert diese<br />

Aufgaben als ,Kompetenzen’, die aus der Perspektive<br />

seiner religiösen Entwicklung gesehen <strong>und</strong> verstanden<br />

werden.<br />

Im Sinne von Hentigs bedeutet das zuallererst, die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in ihrer Entwicklung zu stützen<br />

<strong>und</strong> zu begleiten <strong>und</strong> zum Aufbau tragfähiger Beziehungen<br />

beizutragen. Hauptschulkinder <strong>und</strong> -jugendliche sind in<br />

hohem Maße auf eine solche Unterstützung angewiesen,<br />

durch Akzeptanz <strong>und</strong> positive Bestärkung, aber auch dadurch,<br />

dass die Lehrkräfte im <strong>Religionsunterricht</strong> Reibungsfläche<br />

bieten <strong>und</strong> Sinnangebote <strong>und</strong> Werte in den<br />

Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst, den anderen<br />

<strong>und</strong> der Mit- <strong>und</strong> Umwelt einbringen. So finden sich<br />

im Bildungsplan zwei Dimensionen, die schwerpunktmäßig<br />

den Blick explizit auf diese Aufgaben lenken,<br />

Dimension 1: Mensch sein – Mensch werden, sowie Dimension<br />

2: Welt <strong>und</strong> Verantwortung. Das heißt keineswegs,<br />

dass in den anderen Dimensionen diese gr<strong>und</strong>legenden<br />

Aufgaben ausgeblendet sind. Durch die Vernetzung<br />

der Dimensionen in der praktischen Arbeit (s. Teil<br />

2 <strong>und</strong> 3) werden sie stets mitbedacht <strong>und</strong> eingeplant.<br />

Nicht nur angesichts der skizzierten Disparität einer<br />

Hauptschulklasse heißt das auch, dass die einzelne<br />

Schülerin <strong>und</strong> der einzelne Schüler im Mittelpunkt des<br />

Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsgeschehens steht. So kann sie/<br />

er erfahren, was mit christlichen Gr<strong>und</strong>aussagen über den<br />

Wert jedes Menschen gemeint ist. Gerade Hauptschülerinnen<br />

<strong>und</strong> Hauptschüler nehmen Diskrepanzen zwischen<br />

verkündeten <strong>und</strong> gelebten Werten sehr sensibel<br />

wahr.<br />

Der zweite Schwerpunkt: „Die Sache klären“<br />

Zu einem gelingenden Entwicklungsprozess gehört auch,<br />

die eigenen Beobachtungen <strong>und</strong> Erfahrungen, die eigenen<br />

Fragen zu durchdenken <strong>und</strong> zu verstehen <strong>und</strong> sich<br />

mit neuen <strong>und</strong> fremden Fragen konfrontieren zu lassen<br />

<strong>und</strong> auseinander zu setzen, eben – die Sachen klären.<br />

Dazu gehört ganz wesentlich, die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler in symbolische Sprach- <strong>und</strong> Ausdrucksweisen<br />

des Glaubens <strong>und</strong> die prägenden Elemente der religiöschristlichen<br />

Tradition einzuführen. Der zweite Schwerpunkt<br />

des Bildungsplans ist damit umschrieben. Er ver-

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