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Standards und Religionsunterricht - Erzbischöfliches Ordinariat ...

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indet sich mit dem ersten zu einem Webmuster, das alle<br />

Dimensionen durchwirkt <strong>und</strong> mal mehr <strong>und</strong> mal weniger<br />

deutlich hervortritt.<br />

Das heißt jedoch auch, kognitive Aspekte des Lernens zu<br />

beachten. Lernen im <strong>Religionsunterricht</strong> der Hauptschule<br />

ist auch Schulung des Intellekts. Dazu müssen Neugier<br />

geweckt <strong>und</strong> Strategien des Wissenserwerbs vermittelt<br />

<strong>und</strong> geübt werden. Dazu müssen Themen erschlossen<br />

<strong>und</strong> durchdrungen werden.<br />

Diese komplexe <strong>und</strong> umfassende Aufgabenstellung meint<br />

der Bildungsplan, wenn vom „Dienst an den Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern“ die Rede ist. Konsequent wird dabei die<br />

Orientierung am Kind bzw. am Jugendlichen als Gr<strong>und</strong>lage<br />

jeglichen Denkens <strong>und</strong> Handelns eingefordert <strong>und</strong> in<br />

der Formulierung von Kompetenzen zum Ausdruck<br />

gebracht, die die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler am Ende eines<br />

Lernabschnitts (Klasse 5/6, Klasse 7–9, Klasse 10) zeigen<br />

sollen. Manche formulieren diesen Sachverhalt salopp als<br />

,Output-Orientierung’.<br />

Die Orientierung an Kompetenzen:<br />

Kritische Nachfragen<br />

Zum Verständnis der Kompetenzen gehört, dass sie<br />

prinzipiell überprüfbar sind. Auch der <strong>Religionsunterricht</strong><br />

kann <strong>und</strong> darf sich dem nicht entziehen. Neben fachlichem<br />

Wissen <strong>und</strong> Können, neben dem Verstehen, gibt es jedoch<br />

wichtige Prozesse religiösen Lernens, die sich einer<br />

solchen Kontrolle entziehen: Lebenseinstellungen, Glaubensüberzeugungen<br />

<strong>und</strong> -ausdrucksformen entwickeln<br />

sich in einem eigenen Raum, der uns nicht immer zugänglich<br />

ist, geschweige denn einer Erfolgskontrolle<br />

unterzogen werden kann. Wenn wir im <strong>Religionsunterricht</strong><br />

aber aus diesen Gründen darauf verzichten, solche<br />

Prozesse anzuregen <strong>und</strong> zu begleiten oder dies vernachlässigen,<br />

vergeben wir die Chance, die religiöse Kompetenz<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu fördern <strong>und</strong> zu<br />

stärken. Dieses Ja-Aber sollte beim Lesen der <strong>Standards</strong><br />

immer im Bewusstsein bleiben.<br />

Die Orientierung des neuen Bildungsplans an Kompetenzbeschreibungen<br />

fordert gerade Hauptschullehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Hauptschullehrer berechtigt zu weiteren kritischen<br />

Nachfragen heraus: Wer verantwortet diese generalisierenden<br />

Kompetenzbeschreibungen angesichts der vielfältigen<br />

unterschiedlichen Voraussetzungen von Hauptschulen?<br />

Wieweit können wir mit ‚Standard’-Formulierungen<br />

den einzelnen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern überhaupt<br />

gerecht werden? Wie kann der Level angemessen<br />

festgelegt werden? Eine zugegeben nur sehr bedingt<br />

befriedigende Antwort darauf ist die Erarbeitung eines so<br />

genannten Schulcurriculums ergänzend zum Kerncurriculum.<br />

Kompetenzen schulen – Kompetenzen entdecken<br />

Wichtiger scheint es uns jedoch, den Perspektivenwechsel<br />

wahrzunehmen, der mit diesem neuen Ansatz<br />

verb<strong>und</strong>en ist, <strong>und</strong> die Chancen, die darin liegen. Die<br />

Orientierung schulischen Lehrens <strong>und</strong> Lernens erfolgt<br />

nicht länger an Zielen, die gerade im <strong>Religionsunterricht</strong><br />

der Hauptschule <strong>und</strong> den bisherigen Lehrplänen meist so<br />

formuliert sind, dass sie zwar gut gemeint, aber oft nur<br />

sehr eingeschränkt zu erreichen sind. Sie waren <strong>und</strong> sind<br />

eine nicht unwesentliche Quelle der Frustration von<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern <strong>und</strong> in der Folge manchmal auch<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Kompetenzen – richtig verstanden<br />

– lassen uns dagegen ehrlich fragen: Was haben<br />

meine Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler denn tatsächlich erreicht?<br />

Wo stehen sie gerade – jede <strong>und</strong> jeder Einzelne?<br />

Woran will/muss ich noch arbeiten?<br />

Der Bildungsplan für die Hauptschule will eine Kompetenz-orientierte<br />

Arbeit dadurch unterstützen, dass die<br />

Inhalte konzentriert (vgl. die Kataloge der Pflichtinhalte für<br />

die jeweiligen Lernabschnitte) <strong>und</strong> wo möglich elementarisiert<br />

wurden. Auch wurde versucht, durch die Dimensionen<br />

hindurch Gr<strong>und</strong>linien anzudeuten, die ein Lernen<br />

in größeren Zusammenhängen ermöglichen. So kann das<br />

Arbeiten an durchgehenden Perspektiven ausgerichtet<br />

werden, etwa an biografischem Arbeiten oder an der Frage<br />

nach dem Gottesbild.<br />

Eine Kompetenz-orientierte Arbeit sollte uns deutlicher<br />

fragen lassen, welche Kompetenzen die Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendlichen schon mitbringen. Da gibt es in der<br />

Hauptschule noch einige Entdeckungen zu machen wie<br />

etwa das schon erwähnte Alltagswissen über andere<br />

Religionen <strong>und</strong> Kulturen, das durch das multikulturelle <strong>und</strong><br />

-religiöse Zusammenleben in der Schule <strong>und</strong> seinem<br />

Umfeld vermittelt wird. Leider hat eine beträchtliche Zahl<br />

von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern Erfahrungen mit Problemen,<br />

die im Blickpunkt christlicher Ethik <strong>und</strong> kirchlichen<br />

Handelns stehen, wie Armut, Überschuldung, Gewalt,<br />

Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Verelendung, also Lebenserfahrungen,<br />

die die meisten Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer nur aus<br />

zweiter Hand kennen. Wer an Kompetenzen entlang<br />

denkt, wird fragen, wie diese Tatsache in der Arbeit im<br />

<strong>Religionsunterricht</strong> in den Blick genommen <strong>und</strong> sinnvoll<br />

einbezogen werden kann.<br />

Die Lebenswelt der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen als<br />

zentraler Begriff des Bildungsplans<br />

Wenn sich der Bildungsplan an der Schülerin <strong>und</strong> dem<br />

Schüler orientiert – <strong>und</strong> Schülerorientierung ist ein religionspädagogisches<br />

Gr<strong>und</strong>anliegen mindestens seit dem<br />

Zielfelderplan – so gehört in diesen Kontext eine zweite<br />

zentrale Denkrichtung: die Hinwendung zur Lebenswelt<br />

der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Was heißt ‚Lebenswelt’?<br />

Dieser Begriff wird jedoch häufig verkürzt <strong>und</strong> unscharf<br />

verwendet. Lebenswelt wird gleichgesetzt mit der objektiven<br />

Lebenssituation, also etwa sozialer Status, Bildungsabschluss,ökonomische<br />

Situation, Wohnumfeld, Schichtzugehörigkeit<br />

usw. Dies ist jedoch nur ein Aspekt dieses<br />

Begriffs. Im soziologischen Verständnis (vor allem von<br />

Schütz, Luckmann, Krappmann u. a.) wird diese objektive<br />

Wirklichkeit erst dann zur Lebenswelt, wenn sie aus der<br />

subjektiven Wahrnehmung heraus erfahren, gedeutet <strong>und</strong><br />

kommuniziert wird. Lebenswelten sind folglich subjektiv<br />

geprägt <strong>und</strong> nicht ohne weiteres für jeden zugänglich. Sie<br />

können in ein <strong>und</strong> demselben Umfeld <strong>und</strong> in ähnlicher<br />

Lebenssituation durchaus unterschiedlich gestaltet sein.<br />

An einem etwas verkürzten Beispiel verdeutlicht: Stellen<br />

Sie sich vor, Sie wohnen im gleichen Viertel wie einige Ihrer<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Sie wissen natürlich, wo die katholische<br />

Kirche steht <strong>und</strong> nehmen sie täglich als solche<br />

wahr. Im Gespräch mit den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

zeigt sich, dass für einige von ihnen die Kirche überhaupt<br />

nicht existent ist, dass sie sie noch nie bewusst als Kirche<br />

wahrgenommen, geschweige denn von innen gesehen<br />

haben. Solche Beispiele ließen sich in großer Zahl zusammentragen.<br />

Was in Ihrer Lebenswelt eine (wahrscheinlich<br />

bedeutende) Rolle spielt, nehmen Sie auch entsprechend<br />

bewusst wahr. Für Ihre Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler dagegen ist die Kirche im doppelten Sinne eine<br />

Randerscheinung ihrer Lebenswelt, eine Sonderform dieses<br />

Umfeldes. Als solche hat sie für sie keine<br />

Lebensbedeutung mehr <strong>und</strong> ist daher auch nicht lebensweltlich<br />

verankert. Dies erklärt auch, warum sich in der<br />

Wahrnehmung von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern <strong>und</strong> von<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern buchstäblich fremde Welten<br />

begegnen. Besonders eindrucksvoll geschieht das täglich<br />

in der Hauptschule. Liegen schon die objektiven Lebensbedingungen<br />

weit auseinander, so tun es die Lebenswelten<br />

so gesehen erst recht. Denn hier kommen persönliche<br />

Lebenserfahrungen, familiäre Deutungsmuster, von der<br />

peer group geprägte Bedeutsamkeiten in einer je indivi-<br />

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