Standards und Religionsunterricht - Erzbischöfliches Ordinariat ...
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duellen Mischung ins Spiel, die nicht nur mit unterschiedlichem<br />
Alter, sozialem Status <strong>und</strong> Rollen zu tun<br />
haben. Lebensweltlich geprägt sind nicht nur praktische<br />
Lebensvollzüge, sondern auch innere Bilder, religiöse<br />
Vorstellungen, Glaubensinhalte.<br />
Lebensweltbezogenes Arbeiten <strong>und</strong> Lernen<br />
in der Hauptschule<br />
Was aber ist zu tun, wenn wir uns nicht verhalten wollen<br />
wie B. Brechts Herr Keuner:<br />
„Was tun Sie“ wurde Herr Keuner gefragt, „wenn Sie einen<br />
Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm“,<br />
sagte H. K. „<strong>und</strong> sorge, dass er ihm ähnlich wird.“ „Wer?<br />
Der Entwurf?“ „Nein“, sagte H. K., „der Mensch.“<br />
(B. Brecht, Geschichten von Herrn Keuner, Frankfurt 1976.)<br />
Eine erste <strong>und</strong> entscheidende Antwort ist, diese Verschiedenheit<br />
<strong>und</strong> Individualität der Lebenswelten zuzulassen<br />
<strong>und</strong> wertzuschätzen. Wenn wir ein lebensbedeutsames<br />
Lernen ermöglichen wollen, genügt dies jedoch<br />
nicht. Die Unterschiede müssen für den Lernprozess<br />
sichtbar gemacht <strong>und</strong> konstruktiv bewältigt werden. Dies<br />
kann nur gelingen, wenn im <strong>Religionsunterricht</strong> Raum, Zeit<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten bereitgestellt werden, die eigenen<br />
lebensweltlichen Bezüge <strong>und</strong> Deutungen bewusst zu<br />
machen, darzustellen, zu reflektieren <strong>und</strong> zu kommunizieren<br />
– untereinander <strong>und</strong> zwischen der Schülerin <strong>und</strong><br />
dem Schüler <strong>und</strong> der Lehrkraft. Das heißt auch, nicht nur<br />
sich der Lebenswelten der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu<br />
vergewissern, sondern ebenso der eigenen, sowie der<br />
Vorstellungen, Erwartungen <strong>und</strong> Bilder, die daraus resultieren<br />
<strong>und</strong> die Begegnungen in der Schule beeinflussen.<br />
Lebensweltliches Erzählen ist immer authentisch <strong>und</strong> oft<br />
emotional engagiert. Am Beispiel von Anna, die zu Beginn<br />
zitiert wurde, heißt das, ihrer Vorstellung von Gott Raum<br />
zu lassen, sie dabei zu unterstützen, sie ausdrücken zu<br />
können <strong>und</strong> den Wurzeln dieser Ideen nachzuspüren. Die<br />
Auseinandersetzung damit auf einem christlichen Hintergr<strong>und</strong>,<br />
in der dann auch manches im besten Sinne ,fragwürdig’<br />
wird, ist erst der zweite Schritt. Lebensweltlich orientiertes<br />
Arbeiten blendet kritisches Nachfragen, Zurechtrücken<br />
mancher abstruser Vorstellungen <strong>und</strong> die Konfrontation<br />
mit anderen Wert- <strong>und</strong> Denkhorizonten keinesfalls<br />
aus, sie können aber den Gehalt <strong>und</strong> die Wirksamkeit solcher<br />
persönlicher biografischer Zugänge nicht ersetzen.<br />
Sicherlich stellt sich damit für Religionslehrerinnen <strong>und</strong><br />
Religionslehrer angesichts der geschilderten Vielfalt keine<br />
leichte Aufgabe. Es gibt jedoch zahlreiche wichtige<br />
Kompetenzbeschreibungen im Bildungsplan, die ohne<br />
eine solche kommunikative Arbeit überhaupt nicht umzusetzen<br />
sind, etwa in der ersten, vierten <strong>und</strong> siebten<br />
Dimension.<br />
Ein wichtiger Teil dieses Verständigungsprozesses ist<br />
auch, sich auf neue fremde Lebenswelten einzulassen.<br />
Lebensweltliches Lernen wird gefördert, wenn außerschulische<br />
Erfahrungsfelder <strong>und</strong> Lernpartner einbezogen<br />
werden, etwa auch diejenigen, die sich in kirchlichen<br />
Handlungs- <strong>und</strong> Begegnungsräumen anbieten, <strong>und</strong> wenn<br />
unterschiedliche Lernwege <strong>und</strong> Lernformen gewählt<br />
werden, die ein individuelles <strong>und</strong> kommunikatives Lernen<br />
unterstützen. Damit sind keineswegs nur verbale <strong>und</strong><br />
kognitive Formen gemeint, sondern auch gestalterische,<br />
handlungsbezogene <strong>und</strong> praktische. Ein solches Lernen<br />
ist ein konkreter Beitrag zur Erziehung zur Toleranz <strong>und</strong><br />
Verständigung.<br />
Lebensweltliches Arbeiten ist nicht nur eine adäquate<br />
Antwort auf die Situation in Hauptschulen, sondern entspricht<br />
auch den religionspädagogischen Leitvorstellungen<br />
im neuen Bildungsplan. Demnach soll religiöses<br />
Lernen lebensbedeutsam sein. Was lebensweltlich bezogen<br />
erfahren <strong>und</strong> gelernt wird, wird als wesentlich für sich<br />
24<br />
<strong>und</strong> das eigene Leben empf<strong>und</strong>en. Der ,Output’ solcher<br />
Lernprozesse ist allerdings nur sehr eingeschränkt überprüfbar.<br />
Der katholische <strong>Religionsunterricht</strong> im Kontext<br />
der Schulentwicklung<br />
Wie noch bei keinem Bildungsplan zuvor sind vor allem<br />
die neuen Pläne für die Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> die Hauptschule auf<br />
den Gesamtzusammenhang des Lernens in der Schule<br />
hin angelegt. Dies zeigt die Schaffung von Fächerverbünden,<br />
die Betonung von Projektlernen <strong>und</strong> anderes<br />
mehr. Der <strong>Religionsunterricht</strong> darf <strong>und</strong> will sich dem schulischen<br />
Kontext nicht entziehen. Negativ formuliert läuft er<br />
sonst Gefahr, eine Randerscheinung zu sein.<br />
Möglichkeiten der Mitwirkung<br />
Positiv gesehen kann das Fach Wesentliches zu einer<br />
gelingenden Bildung <strong>und</strong> Erziehung in der Schule beitragen.<br />
Leitgedanken wie Kompetenzen formulieren dies.<br />
Für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ist es wichtig, Lernen –<br />
auch religiöses Lernen – in größeren thematischen <strong>und</strong><br />
fachlichen Zusammenhängen zu erleben. Dadurch erfahren<br />
sie, dass der katholische <strong>Religionsunterricht</strong> nicht<br />
lediglich eine Sonderwelt der Ideen <strong>und</strong> Themen pflegt,<br />
sondern wichtige Aspekte zu einem Netz vielfältiger<br />
Lernerfahrungen beitragen kann.<br />
Eine vordringliche Aufgabe ist die enge Kooperation mit<br />
den evangelischen Partnerinnen <strong>und</strong> Partnern. Mit ihnen<br />
verbinden uns in der Hauptschule dieselben Problemlagen<br />
<strong>und</strong> Handlungsansätze, der Gr<strong>und</strong>gedanke des<br />
Dienstes an den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen sowie zentrale<br />
Inhalte. Der neue Bildungsplan legt durch die gleiche<br />
Gr<strong>und</strong>struktur der Dimensionen <strong>und</strong> die Nähe vieler<br />
Kompetenz- <strong>und</strong> Inhaltsbeschreibungen zueinander eine<br />
gute Basis für eine weitreichende Zusammenarbeit. Auch<br />
mit dem Fach Ethik <strong>und</strong> den Fächerverbünden gibt es zahlreiche<br />
Bezugspunkte <strong>und</strong> Kooperationsmöglichkeiten,<br />
die die Inhalte für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler besser in<br />
ihrer Wirklichkeit verorten <strong>und</strong> ihre Lebensbedeutung aufzeigen<br />
helfen können.<br />
Eine besondere Chance: Das Schulcurriculum<br />
Nicht zuletzt sollten wir die Chancen nutzen, mit <strong>und</strong> durch<br />
unser Fach das Schulleben mitzugestalten. Die neuen<br />
Bildungspläne sehen vor, dass ein Drittel der Zeit <strong>und</strong> der<br />
Ressourcen für ein Schulcurriculum eingesetzt wird, das<br />
passgenau auf die jeweils spezielle Situation an der Schule<br />
<strong>und</strong> als Antwort auf die daraus resultierenden Aufgaben<br />
entwickelt werden soll. Es ergänzt <strong>und</strong> erweitert das in den<br />
<strong>Standards</strong> festgelegte Kerncurriculum.<br />
Nicht wenige Hauptschulen haben bereits ein solches<br />
Schulcurriculum erstellt. An manchen sind auch Religionslehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Religionslehrer mit ihrem Fach aktiv beteiligt.<br />
Allerdings gilt es diese Möglichkeiten noch stärker<br />
wahrzunehmen <strong>und</strong> zu nutzen. Durch die intensive<br />
Zuwendung zu den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> die unterschiedlichen<br />
Angebote, mit sich <strong>und</strong> andern zusammen<br />
neue Erfahrungen zu machen, z. B. spirituelle oder diakonische,<br />
sowie andere Lernorte zu erleben, hat der<br />
<strong>Religionsunterricht</strong> Einiges anzubieten. Gerade in Bezug<br />
auf die Öffnung der Schule nach außen haben wir Modelle<br />
entwickelt <strong>und</strong> Beziehungsnetze aufgebaut, die für ein<br />
Schulcurriculum wertvoll sein können. Es wird jedoch zu<br />
prüfen sein, ob die personelle Situation im <strong>Religionsunterricht</strong><br />
solche zeit- <strong>und</strong> arbeitsintensive Beteiligungen<br />
zulässt <strong>und</strong> ob sie gegebenenfalls zu verbessern sind.<br />
Wichtig scheint uns, vorhandene Chancen zu sehen <strong>und</strong><br />
zu ergreifen sowie auszuhalten, dass manches erst wachsen<br />
muss. Durch den Bildungsplan wird diesausdrücklich<br />
unterstützt <strong>und</strong> als wichtige Aufgabe formuliert.