Juli 2012 - Anwalt aktuell
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RECHt & FAMiLiE<br />
Rückforderung Kindergeld<br />
Nicht immer ist die Gebietskrankenkasse erfolgreich!<br />
Der Familienlastenaus-<br />
gleichsfond hat eine<br />
regelrechte Rückforderungswelle<br />
von<br />
Kindergeld und Kindergeldzuschuss<br />
veranlasst. Die Gebietskrankenkassen,<br />
die für<br />
den Familienlastenausgleichsfond<br />
die Rückforderungen betreiben,<br />
haben bisher mehr als<br />
3.500 Bescheide zur Rückforderung<br />
von Kindergeld und<br />
mehr als 17.800 Bescheide zur<br />
Rückforderung von Kindergeldzuschuss<br />
für die Jahre<br />
2002 bis 2007 erlassen.<br />
Ein erheblicher Teil der von<br />
den Eltern gegen die Rückforderungsbescheideangestrengten<br />
Klagen blieb jedoch<br />
erfolglos, weil tatsächlich relevante<br />
Zuverdienstgrenzen<br />
überschritten wurden.<br />
In einem besonderen Fall entschied<br />
der Oberste Gerichtshof<br />
in seinem Urteil vom<br />
03.05.<strong>2012</strong> (10 ObS 51/12s) jedoch,<br />
dass eine von der Landl<br />
Edelmann Ganzert Rechtsanwaltspartnerschaft<br />
vertretene<br />
Klägerin keine Rückzahlung<br />
zu leisten hat.<br />
Die Klägerin war Kommanditistin<br />
einer KG und hat ihren<br />
Kommanditanteil samt Vermögenseinlage<br />
innerhalb der<br />
Familie verschenkt. Dabei<br />
wurde vereinbart, dass dieser<br />
Kommanditanteil ohne Mitübertragung<br />
des Stands auf<br />
22<br />
AnwAltAktuell 05/12<br />
dem Gesellschafterverrechnungskonto<br />
übereignet wird.<br />
Zum Zeitpunkt der Schenkung<br />
wies das Kapitalkonto<br />
des Kommanditanteiles einen<br />
negativen Saldo auf, zu dessen<br />
Auffüllung die Klägerin<br />
nicht verpflichtet war.<br />
Diesen negativen Saldo musste<br />
die Klägerin versteuern und<br />
erzielte sie dadurch einen zu<br />
versteuernden Veräußerungsgewinn<br />
nach § 24 EStG 1988<br />
und trug auch eine daraus resultierende<br />
erhebliche Steuerlast.<br />
Die Gebietskrankenkasse<br />
machte unter Berufung auf die<br />
steuerliche Veranlagung der<br />
Klägerin für das Jahr 2007 im<br />
Rückforderungsbescheid die<br />
Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes<br />
des Jahres 2007<br />
mit der Argumentation geltend,<br />
dass der Veräußerungsgewinn<br />
ein Einkommen darstelle,<br />
dadurch die Zuverdienstgrenze<br />
überschritten<br />
worden wäre und daher Rückzahlung<br />
zu leisten sei.<br />
Die Klägerin erhob dagegen<br />
Feststellungsklage und hat in<br />
allen drei Instanzen Recht<br />
bekommen.<br />
Der OGH hat, der Argumentation<br />
der Klägerin folgend,<br />
seine Rechtsprechung zum<br />
Leistungsrecht bestätigt, und<br />
auf den Bereich des Kinderbetreuungsgeldes<br />
angewandt.<br />
Mag. <strong>Juli</strong>a Ganzert,<br />
Mag. Martin Edelmann<br />
(sitzend)<br />
Mag. werner Landl<br />
von Landl Edelmann<br />
Ganzert Rechtsanwaltspartnerschaft<br />
www.lexlet.at<br />
Zunächst hielt der OGH fest,<br />
dass bei der Ermittlung der<br />
Anspruchsvoraussetzungen<br />
(„Zuverdienstgrenze“) auf<br />
das individuelle Einkommen<br />
des Anspruchsberechtigten<br />
abzustellen ist. Zwischen dem<br />
Einkommen im Sinn des EStG<br />
1988 und dem Erwerbseinkommen<br />
im Sinn der Sozialversicherungsgesetze<br />
können<br />
erhebliche Unterschiede bestehen,<br />
sodass die Versicherungsträger<br />
(sowie aufgrund<br />
der sukzessiven Kompetenz<br />
die Gerichte) bei der Ermittlung<br />
des relevanten Einkommens<br />
zu durchaus anderen<br />
Ergebnissen als die Steuerbehörden<br />
im Abgabeverfahren<br />
kommen können.<br />
Eine Bindung der Gerichte an<br />
einen Einkommensteuerbescheid<br />
der Abgabebehörde<br />
wurde vom OGH verneint,<br />
vielmehr ist es Aufgabe der<br />
Gerichte zu klären, welche<br />
Einkünfte bzw. Abzüge bei<br />
der Ermittlung der Höhe des<br />
Erwerbseinkommens im Sinne<br />
der Sozialversicherungsgesetze<br />
zu berücksichtigen<br />
sind. Es entspricht der Zielsetzung<br />
des KBGG, das Kinderbetreuungsgeld<br />
nur jenen<br />
Eltern(-teilen) zu gewähren,<br />
die bereit sind, die Berufstätigkeit<br />
im Hinblick auf die<br />
Kinderbetreuung einzuschränken.<br />
Es ergibt sich somit, dass es<br />
sachlich nicht gerechtfertigt<br />
ist, Veräußerungsgewinne im<br />
Sinn des § 24 EStG 1988 als ein<br />
im Sinn des § 8 Abs 1 Z 2<br />
KBGG relevantes Einkommen<br />
zu behandeln. Auch in der Judikatur<br />
zur Ausgleichszulage<br />
bei der Berechnung der Witwenpension<br />
wurde in der Vergangenheit<br />
dieser Grundsatz<br />
bereits angewandt. Im Leistungsrecht<br />
ist entsprechend<br />
der Ausführungen des OGH<br />
davon auszugehen, dass es<br />
sich beim zu beurteilenden<br />
„fiktiven“, eine Konstruktion<br />
des Steuerrechts darstellenden<br />
Veräußerungsgewinn, um<br />
kein im Sinn des § 8 Abs 1 Z 2<br />
KBGG relevantes Einkommen<br />
handelt, welches dem für die<br />
Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes<br />
maßgebenden<br />
Zeitraum zugeordnet werden<br />
könnte.<br />
Aus der Schenkung des Kommanditanteils<br />
erzielte die Klägerin<br />
weder einen tatsächlichen<br />
Erlös noch ein sonstiges<br />
Einkommen, noch wurde sie<br />
durch die Übernahme des<br />
Kommanditanteils durch andere<br />
Familienmitglieder von<br />
einer Verpflichtung befreit.<br />
Die Gebietskrankenkasse ist<br />
entsprechend dieser Grundsätze<br />
mit ihren Forderungen<br />
nicht durchgedrungen.