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Juli 2012 - Anwalt aktuell

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SCHEiDuNGSRECHt<br />

Ehe: verlust des<br />

unternehmens?<br />

Scheidungsrecht ist in<br />

der Praxis häufig ein<br />

Boulevard der Eitelkeiten,<br />

der Berater<br />

und der Beratenen. Wenn die<br />

Ehe zu Ende geht, sind die<br />

Ehegatten häufig in einem<br />

emotionalen Ausnahmezustand.<br />

Unsachliche Verhaltensweisen<br />

treten verstärkt zu<br />

Tage, wenn auch das Unternehmen<br />

in die Trennung<br />

oder Scheidung „einzubeziehen“<br />

ist. Obwohl das Unternehmen<br />

nach den gesetzlichen<br />

Vorgaben nicht der Aufteilung<br />

unterliegt, besteht<br />

verständlicherweise ein Interesse<br />

der scheidenden Ehepartner<br />

auch über die rechtlichen<br />

Verhältnisse im Unternehmen<br />

– möglichst gleichzeitig mit<br />

der Scheidung – eine abschließende<br />

Regelung zu treffen.<br />

Kriselt die Ehe ist aber nicht<br />

auch (zwangsläufig) das Unternehmen<br />

in Gefahr. In diesem<br />

Fall ist jedoch Know-How<br />

aus dem Unternehmens-, Gesellschafts-<br />

und Familienrecht<br />

gleichermaßen gefragt.<br />

vorsorge durch verträge<br />

Zukünftige Ehegatten benötigen<br />

Problembewusstsein dahingehend,<br />

welche Themenbereiche<br />

in einem „Ehevertrag“<br />

oder einer „Vorwegvereinbarung“<br />

nach § 97 EheG geregelt<br />

werden und/oder etwa Eingang<br />

in den Gesellschaftsvertrag<br />

finden sollten. Das Familienrechts-Änderungsgesetz<br />

2009 (FamRÄG 2009) brachte<br />

Neuerungen, wonach es unter<br />

anderem möglich sein soll, die<br />

Übertragung des Eigentumsrechtes<br />

von einer in die Ehe<br />

eingebrachten Wohnung (häufig<br />

die Ehewohnung) vertraglich<br />

auszuschließen (so genanntes<br />

„opt-out“) oder eine<br />

eingebrachte Wohnung in die<br />

Aufteilung mit einzubeziehen<br />

( so genanntes „opt-in“). Die<br />

Krux liegt hier allerdings im<br />

Detail; nach bedeutenden<br />

Stimmen in der Literatur lassen<br />

die einschlägigen Geset-<br />

24 AnwAltAktuell 05/12<br />

zesstellen einigen Interpreta-<br />

tionsspielraum offen. So ist<br />

insbesondere unklar, ob von einer<br />

„opt-in“-Vereinbarungen<br />

nur die in die Ehe eingebrachte<br />

oder jede Ehewohnung umfasst<br />

sein kann. Bei derartigen<br />

„Eheverträgen“, „Eheübereinkommen“<br />

oder „Vorwegvereinbarungen“<br />

nach § 97 EheG<br />

handelt es sich nach herrschender<br />

Meinung des VwGH um<br />

einen außergerichtlichen Vergleich<br />

zwischen den Ehegatten,<br />

welcher mit 2 % der jeweils<br />

von den Vertragsparteien<br />

übernommenen Gesamtleistung,<br />

zu vergebühren sind (vgl<br />

§ 33 TP 20 Abs 1 Z 1/Z 2<br />

GebG). Es ist also Kreativität<br />

des Vertragserrichters gefragt,<br />

wenn diese Gebühr gespart<br />

werden soll.<br />

Der ehelichen Aufteilung unterliegen<br />

unter anderem nicht<br />

Sachen, die zu einem Unternehmen<br />

gehören, oder Anteile<br />

an einem Unternehmen, außer<br />

es handelt sich um bloße Wertanlagen<br />

(§ 82 Abs 1 Z 3 und Z 4<br />

EheG). Im gesellschafts- oder<br />

unternehmensrechtlichen Bereich<br />

können Unternehmer-<br />

Ehegatten zwar keinen Unternehmerehevertrag<br />

(etwa zum<br />

Zugewinnausgleich, wozu auch<br />

das Unternehmen zählt) – wie<br />

beispielsweise in Deutschland<br />

– abschließen. Es bleibt aber<br />

sehr wohl die Möglichkeit, bestimmte<br />

Vereinbarungen – beispielsweise<br />

in Form von Aufgriffs-,<br />

Vorkaufs- oder Gewinnausschüttungs-<br />

und Vetoregelungen<br />

– zu treffen, damit<br />

die Scheidung im wirtschaftlichen<br />

Bereich keine nachteiligen<br />

Konsequenzen mit sich bringt.<br />

Änderungen der<br />

Rechtsprechung<br />

Bedeutend ist für jeden Berater<br />

natürlich in diesem Zusammenhang<br />

auch die <strong>aktuell</strong>e<br />

oberstgerichtliche Judikatur<br />

aus der sich stets Beratungsbedarf<br />

ergibt. Vorab ist im Bereich<br />

der Schnittstelle „Ehe<br />

und Unternehmen“ abzuklä-<br />

RA Dr. Birgit Leb<br />

Saxinger, Chalupsky &<br />

Partner Rechtsanwälte<br />

www.scwp.com<br />

ren, ob es sich beim jeweiligen<br />

Vermögen um ein Unternehmen<br />

oder eine Sache handelt,<br />

die zu einem Unternehmen gehört<br />

(§ 82 Abs 1 Z 3 und Z 4<br />

EheG). Bis vor kurzem war etwa<br />

unklar, ob schon die Vermietung<br />

einer kleineren Anzahl<br />

von Wohnungen als<br />

Unternehmen anzusehen ist.<br />

Nach oberstgerichtlicher Rechts-<br />

prechung wurde bisher ein<br />

Zinshaus mit 37 Wohnungen,<br />

deren Vermietung einen nicht<br />

unbeträchtlichen Organisationsaufwand<br />

bedarf, als Unternehmen<br />

qualifiziert (vgl OGH<br />

9 Ob 42/99p, 1 Ob 89/01x). Die<br />

Dauervermietung von zwei<br />

Wohnungen stellte jedoch noch<br />

kein Unternehmen dar (vgl<br />

OGH 3 Ob 631/86). Vom OGH<br />

wurde entschieden, dass ein<br />

Miethaus mit neun Wohnungen,<br />

welches angesichts einer<br />

größeren Anzahl von Mietverhältnissen<br />

eine auf Dauer angelegte<br />

Organisation erfordert,<br />

ein Unternehmen iSd § 82 Abs<br />

1 Z 3 EheG ist. Begründet wurde<br />

dies damit, dass neben der<br />

Kontrolle der Mietzinszahlungen<br />

und der Durchführung<br />

der Betriebskostenabrechnung<br />

die Buchhaltung durch eine<br />

Steuerberatungskanzlei und<br />

Kontrolllisten für die Reinigung<br />

und Schneeräumung geführt<br />

wurden (vgl. OGH 6 Ob<br />

87/10b).<br />

Häufig kommt es zur Umwidmung<br />

von nach § 82 Abs 1<br />

EheG von der Aufteilung ausgenommenenVermögensteilen.<br />

Gewährt beispielsweise<br />

ein Ehegatten dem anderen<br />

Ehegatten ein Darlehen ohne<br />

Rückzahlungsverpflichtung<br />

zur Abwendung der Insolvenz<br />

dessen Unternehmens und erfolgt<br />

keine Rückzahlung des<br />

Darlehens, sondern eine Inves-<br />

tition in das gemeinsame Haus<br />

(hier: Ehewohnung), besteht<br />

die Gefahr, dass der Geldbetrag<br />

schlüssig zu gemeinsamen<br />

wirtschaftlichen Zwecken<br />

gewidmet wurde (OGH 4 Ob<br />

115/10f). In diesem Fall kann<br />

der Geldbetrag nicht mehr real<br />

aus der Aufteilungsmasse ausgesondert<br />

werden, weil dieser<br />

durch die entsprechende tatsächliche<br />

Verwendung zur<br />

Anschaffung ehelichen Gebrauchsvermögens<br />

bzw zur<br />

Bildung ehelicher Ersparnisse<br />

gewidmet wurde.<br />

Bei Investitionen der Ehegatten<br />

in ein kreditfinanziertes<br />

Pensionsmodell hängt die Frage<br />

der Einbeziehung in die<br />

Aufteilungsmasse nach neuerer<br />

Rechtsprechung insbesondere<br />

vom Zweck der Investition<br />

ab (OGH 1 Ob 117/11d).<br />

Beabsichtigt ein Ehegatte<br />

hauptsächlich seinen Lebensstandard<br />

im Alter zu sichern,<br />

so ist das Vermögen nicht aufzuteilen.<br />

Soll das Vermögen jedoch<br />

angespart werden und<br />

werden die Ersparnisse in der<br />

Folge auch noch während aufrechter<br />

Ehe ausbezahlt, wird es<br />

sich um eheliche Ersparnisse<br />

handeln, die der ehelichen<br />

Aufteilung unterliegen. Bis dato<br />

wurden Veranlagungen<br />

während aufrechter Ehe etwa<br />

in Form von Pensionsabfindungen<br />

oder Pensionsvorschüssen<br />

(OGH 2 Ob 18/00m,<br />

1 Ob 53/02d, 1 Ob 187/09w)<br />

vom OGH höchst unterschiedlich<br />

beurteilt.<br />

Weiters gibt es nunmehr Klarstellung<br />

dahingehend, dass ein<br />

wechselseitig zwischen den<br />

Ehegatten im Grundbuch einverleibtes<br />

Belastungs- und Veräußerungsverbot<br />

im Aufteilungsverfahren<br />

von Amts<br />

wegen zu löschen ist (vgl OGH<br />

1 Ob 33/10z). Der Richter wird<br />

mE auch im Zuge einer einvernehmlichen<br />

Ehescheidung nach<br />

§ 55a EheG die Parteien dies-<br />

bezüglich aufzuklären haben.<br />

Abschließend ist festzuhalten,<br />

dass nach den Erfahrungen<br />

aus der Beraterpraxis insbesondere<br />

die Bereitschaft der<br />

unternehmerisch tätigen Ehegatten<br />

zum Abschluss von diversen„Vorwegvereinbarungen“<br />

steigt.

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