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Juli 2012 - Anwalt aktuell

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Herr präsident, Europa ist<br />

mehr denn je im Fokus<br />

des Bewusstseins. Dies<br />

leider vor allem durch<br />

täglich neue Meldungen<br />

zur drohenden Havarie<br />

einzelner Staaten.<br />

Zwischendurch werden<br />

Richtlinien produziert mit<br />

denen die Bürgerinnen<br />

und Bürger keine Freude<br />

haben, wie die der<br />

vorratsdatenspeicherung.<br />

Selbst für einen überzeugten<br />

Europäer scheint<br />

die derzeitige Lage oft<br />

unbefriedigend. Gibt es<br />

ihrer Meinung nach noch<br />

platz für europäische<br />

politik die die Bürger<br />

auch wollen?<br />

wolff: Selbstverständlich gibt<br />

es diesen Platz. Wir dürfen<br />

nicht vergessen, dass ein<br />

Großteil unseres Rechtsbestandes<br />

auf Richtlinien und<br />

Verordnungen der Europäischen<br />

Union beruht. Zum<br />

Glück sind nicht alle dieser<br />

Richtlinien so problematisch<br />

wie die von Ihnen genannte<br />

Vorratsdatenspeicherung.<br />

Rechtsstaatlichkeit und vor<br />

allem Freiheitsrechte werden<br />

immer kostbarer in einer wirtschaftlich<br />

turbulenten Zeit<br />

und gerade wir Rechtsanwälte<br />

sind authentisch in unserem<br />

Eintreten für diese Rechte,<br />

sowohl als betroffene<br />

Bürger als auch als Berufsgruppe<br />

deren Existenz mit<br />

rechtsstaatlichen Grundsätzen<br />

untrennbar verbunden<br />

ist.<br />

Mit welchen weiteren<br />

Einschränkungen der<br />

Grundrechte muss man<br />

noch rechnen? Sind die<br />

Kommission und ihre<br />

vorschläge zu weit weg<br />

von den Bürgerinnen und<br />

Bürgern der einzelnen<br />

europäischen Staaten?<br />

wolff: Die <strong>aktuell</strong>e Justizkommissarin<br />

Viviane Reding<br />

ist durchaus bemüht und umsichtig<br />

bei ihren Vorschlägen.<br />

Die Stärkung rechtsstaatlicher<br />

Grundsätze in Europa ist ihr<br />

ein ehrliches Anliegen. Ihr<br />

<strong>aktuell</strong>er Richtlinienentwurf<br />

zum Rechtsbeistand in Strafverfahren<br />

und das Recht auf<br />

Kontaktaufnahme bei der<br />

Festnahme geht genau in die<br />

richtige Richtung. Ihr Vorschlag<br />

sah ursprünglich vor,<br />

dass jeder Bürger, der verdächtigt<br />

wird eine Straftat begangen<br />

zu haben, das Recht<br />

hat, umgehend und noch vor<br />

einem Verhör einen Rechtsanwalt<br />

zu kontaktieren, zu sehen<br />

und sich mit diesem vertraulich<br />

zu beraten.<br />

Leider aber hat der Rat diesen<br />

begrüßenswerten und mit der<br />

EMRK übereinstimmenden<br />

Entwurf völlig umgekrempelt.<br />

Der Änderungsvorschlag<br />

des Rates weicht in entscheidenden<br />

Punkten vom ursprünglichen<br />

Vorschlag der<br />

Kommission ab: Wieder einmal<br />

wird das Grundrecht der<br />

verschwiegenen Beratung von<br />

Bürgerinnen und Bürgern mit<br />

ihrem <strong>Anwalt</strong> torpediert.<br />

Das erinnert an die<br />

Diskussion über die<br />

Aushöhlung des<br />

Berufsgeheimnisses<br />

mit §112 StpO gegen<br />

den die Zivilgesellschaft<br />

in Österreich Sturm<br />

gelaufen ist.<br />

wolff: Ja, letztendlich konnten<br />

wir die Justizministerin<br />

von unseren Bedenken überzeugen.<br />

Jetzt bekommen wir<br />

das Ganze über Umwege aus<br />

Brüssel neu aufgetischt. Und<br />

zwar nicht von der Kommission<br />

sondern vom Rat, in dem<br />

Österreich durch die jeweils<br />

zuständigen Minister vertreten<br />

wird. Österreich sollte<br />

sich auch auf europäischer<br />

Ebene klar für die Einhaltung<br />

der Grundrechte aussprechen,<br />

das betrifft auch<br />

das Grundrecht auf verschwiegene<br />

Kommunikation<br />

mit einem Rechtsanwalt.<br />

Es reicht nicht, wie zB bei der<br />

Vorratsdatenspeicherung zähneknirschend<br />

zu sagen, man<br />

müsse eben umsetzen was in<br />

Brüssel beschlossen wurde.<br />

Immerhin sitzt die Republik<br />

Österreich ja mit am Verhandlungstisch<br />

und hat direkten<br />

Einfluss auf das Ergebnis.<br />

was ist ihr Hauptkritikpunkt<br />

an dem Abänderungsvorschlag<br />

des<br />

Rates?<br />

wolff: Die grundsätzlich garantierte<br />

Vertraulichkeit der<br />

Kommunikation zwischen<br />

Beschuldigtem und Rechtsanwalt<br />

soll unter bestimmten<br />

Voraussetzungen, die in Artikel<br />

4 des Richtlinienentwurfs<br />

geregelt sind, außer Kraft gesetzt<br />

werden können. Zum<br />

Beispiel wenn eine „dringende<br />

Notwendigkeit besteht,<br />

schwere Verbrechen zu verhindern“<br />

oder wenn ein „ausreichender<br />

Grund“ besteht<br />

anzunehmen, dass ein bestimmter<br />

Rechtsanwalt in eine<br />

Straftat zusammen mit der<br />

AnwAltAktuell 05/12<br />

ÖRAK<br />

„<br />

verschwiegenheit muss<br />

unangetastet bleiben!”<br />

Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission zum Recht auf Rechtsbeistand<br />

in Strafverfahren und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme<br />

(„Measure C“) ist nach Bearbeitung durch den Rat kaum mehr wiederzuerkennen.<br />

ÖRAK-Präsident Dr. Rupert Wolff erläutert im Gespräch mit <strong>Anwalt</strong><br />

Aktuell die Gefahren und Probleme, die sich plötzlich darin verbergen.<br />

verdächtigten oder beschuldigten<br />

Person involviert ist.<br />

Die Mitgliedstaaten hätten<br />

demnach die Möglichkeit, die<br />

Vertraulichkeit der Kommunikation<br />

zwischen Klient und<br />

Rechtsanwalt mit der bloßen<br />

Behauptung aufzuheben, er<br />

sei verdächtigt, mit seinem<br />

Klienten eine Straftat begangen<br />

zu haben. Aus unserer<br />

Sicht darf es aber keine Ausnahme<br />

des Prinzips der Verschwiegenheit<br />

geben. Wenn<br />

der Rechtsanwalt verdächtigt<br />

wird, mit dem Verdächtigen<br />

zusammenzuwirken, dann<br />

sollte sofort die Disziplinarbehörde<br />

verständigt werden.<br />

Das Grundrecht auf Verschwiegenheit<br />

muss jedenfalls<br />

intakt bleiben. Es ist ein<br />

fundamentales Element des<br />

Rechtsstaates.<br />

wie werden Sie dagegen<br />

vorgehen?<br />

wolff: Die Rechtsanwälte<br />

Europas treten geschlossen<br />

und entschieden gegen den<br />

Änderungsvorschlag des Rates<br />

auf. Der CCBE hat bereits<br />

alle Mitgliedstaaten aufgefordert,<br />

diese Abänderungen<br />

strikt abzulehnen und den<br />

ursprünglichen Entwurf der<br />

Kommission zu unterstützen.<br />

Auch der ÖRAK wird Überzeugungsarbeit<br />

im Inland<br />

leisten, dass die Verschwiegenheit<br />

im Interesse der Bürgerinnen<br />

und Bürger unangetastet<br />

bleiben muss.<br />

Herr präsident, danke für<br />

ihre klaren worte!<br />

www.rechtsanwaelte.at<br />

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