Experimentalphysik III (Atomphysik)
Experimentalphysik III (Atomphysik)
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<strong>Experimentalphysik</strong> <strong>III</strong><br />
(<strong>Atomphysik</strong>)<br />
Wolgang Barth<br />
Peter Jesinger<br />
Michael Schumann<br />
Christian Waldenmaier
Die Verfasser:<br />
Wolfgang Barth<br />
Hohenneuffenstr. 9<br />
72587 Böhringen<br />
Tel.: 07382/1524<br />
Peter Jesinger<br />
Im Kalköfele 7<br />
73776 Altbach<br />
Tel.: 07153/27875<br />
Email: jesinger@uni-tuebingen.de<br />
Michael Schumann<br />
Im Schäfergarten 20<br />
72072 Tübingen–Bühl<br />
Christian Waldenmaier<br />
Schießgasse 31<br />
73574 Iggingen<br />
Tel.: 07175/372<br />
CIP–Titelaufnahme of se Tscherman librerie<br />
Hefe–Quartett<br />
Exphysik <strong>III</strong> für Freunde der Vorlesung ” <strong>Atomphysik</strong>“<br />
Tübingen: Null–Bock–Verlag<br />
ISBN xyz–unbekannt<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />
der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung der Verfasser unzulässig<br />
und strafbar. Dies gilt besonders für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
i
Vorwort<br />
Das vorliegende Skript zur <strong>Experimentalphysik</strong> <strong>III</strong> entstand nach einer Vorlage von Prof. Dr.<br />
G. Staudt. Es umfaßt den Stoff der Vorlesung <strong>Atomphysik</strong>, die von Prof. Baumann und Prof.<br />
Lutz momentan in Tübingen gehalten wird.<br />
Diese kompakte Darstellung setzt jedoch Kenntnisse aus der Mechanik und Elektrodynamik,<br />
sowie einige Grundbegriffe der Hamiltonschen Mechanik voraus. Bei der Gliederung des Stoffes<br />
wurde Wert auf die historische Entwicklung der Atommodelle gelegt. Deshalb wird der Leser<br />
auch nur langsam an die quantenmechanische Formulierung herangeführt, so daß die Einführung<br />
der Schrödingerschen Mechanik erst in Kapitel 7 nötig wird. Zusätzlich zur <strong>Atomphysik</strong> soll der<br />
Leser in Kapitel 8 mit den quantenmechanischen Begriffen, wie z.B. der Operatorenschreibweise<br />
vertraut gemacht werden. Zudem haben wir die Kapitel mit Sternchen versehen, die vom Leser<br />
bei der ersten Lektüre übergangen werden können.<br />
Mit dem vorliegenden Skript soll dem Studenten sowohl ein konzentriertes Folgen der Vorlesung,<br />
als auch eine bessere und gezieltere Prüfungsvorbereitung ermöglicht werden.<br />
Zur besseren optischen Gestaltung wurde das Textsatzsystem LATEX verwendet. Für Verbesserungsvorschläge,<br />
sowie Hinweise auf Fehler sind wir stets dankbar.<br />
Ganz herzlich danken wollen wir Herrn Prof. Dr. G. Staudt, der mit viel Geduld und Engagement<br />
uns jederzeit bei fachlichen Problemen behilflich war. Trotz Zeitmangel fand er immer<br />
noch genügend Zeit eine rasche inhaltliche Korrektur durchzuführen. Ohne ihn wäre eine<br />
Veröffentlichung nicht denkbar gewesen.<br />
Danken möchten wir auch unserem Kommilitonen Dietrich Coordes, der viel Arbeit in dieses<br />
für uns nie enden wollende Skriptum gesteckt hat und der einen entscheidenden Anteil am<br />
Grundgerüst dieses Werkes hatte.<br />
Last but not least möchten wir Rudolf Neu und Harald König für ihre Unterstützung, sowie<br />
Joachim Euchner für seine Mithilfe bei der Erstellung der Graphiken danken. Dank gilt außerdem<br />
unseren drei Rechtschreibfeen“ Ute Junger, Dietlind Straif und Heike Junger, die unser<br />
”<br />
” fehlerfreies“ Manuskript korrigierten.<br />
Tübingen, November 1990<br />
Älbler, Jazzy, Mütze, Quaddle<br />
(in alphabetic order)<br />
iii
Vorwort zur zweiten Auflage<br />
Aufgrund der unerwartet starken Nachfrage in Stuttgart und Tübingen wurde eine Neuauflage<br />
notwendig. Dadurch bot sich für uns die Gelegenheit didaktische und sachliche Verbesserungen<br />
vorzunehmen. Ebenso wurden Druck– und Flüchtigkeitsfehler verbessert, sowie, zum besseren<br />
Verständnis, zahlreiche Abbildungen verändert oder neu gezeichnet. Speziell in den Kapiteln 5<br />
und 6 haben wir einige Ergänzungen vorgenommen und Kapitel 9 völlig neu überarbeitet. An<br />
dieser Stelle möchten wir den Leser darauf hinweisen, daß es sich weiterhin um eine stark komprimierte<br />
Darstellung der <strong>Atomphysik</strong> handelt. Deshalb kann man auf ein simultanes Arbeiten<br />
mit Lehrbüchern nicht verzichten.<br />
Danken wollen wir Prof. Dr. G. Staudt, der uns mit seinen Korrekturen wiederum unermüdlich<br />
zur Seite stand. Dank gilt auch Dr. Kayser, der uns auf einige physikalische Fehler hingewiesen<br />
hat, sowie M. Leins und H. König, die uns bei Problemen stets zur Seite standen.<br />
Tübingen, August 1991<br />
Wolfgang, Peter, Michael, Christian<br />
iv
Inhaltsverzeichnis<br />
1 1<br />
1<br />
1<br />
1 1<br />
1 Größe und Masse von Atomen 1<br />
.1 Die Entstehung des Atombegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
1.2 Bestimmung von NA aus der kinetischen Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
1.3 Bestimmung von NA aus Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
1.4 Bestimmung von NA aus Röntgenbeugung am Kristallgitter . . . . . . . . . . . . 0<br />
1.5 Größe der Atome aus Streuquerschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
1.6 Größe der Atome aus mittlerer freier Weglänge, Kovolumen, Röntgenbeugung . . 18<br />
.7 Wie groß sind Atome? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2 Atomistik der elektrischen Ladung 21<br />
2.1Elementarladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
2.2 Massenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
2.3 Spezifische Ladung e/m von Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
2.4 Elektromagnetische Masse me = m(v); Klassischer Elektronenradius . . . . . . . 28<br />
3 Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie 32<br />
3.1Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
∗ 3.2 Die Erregung elektromagnetischer Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3.3 Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
3.3.1 Elektrische Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
3.3.2 Magnetische Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
3.3.3 Unterschied zwischen elektrischer und magnetischer Dipolstrahlung . . . . 44<br />
3.3.4 Strahlung beschleunigter Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
3.4 Spektroskopische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
3.5 Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
3.5.1 Das Thomsonsche Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
3.5.2 Der Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
v
vi Inhaltsverzeichnis<br />
3.6 Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler . . . . . . . 55<br />
3.6.1Beugung, Brechung, Dispersion, Absorption, Resonanzfluoreszenz, Lebensdauer<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
3.6.2 Doppelbrechung, optische Aktivität, Faraday–Effekt . . . . . . . . . . . . 59<br />
3.6.3 Lichtstreuung, Streuung von Röntgenstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
3.7 Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld . . . . . 65<br />
4 Licht als Quantenerscheinung 68<br />
4.1Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz . . . . . . . . . 68<br />
4.2 Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift, Phasenraum . . . . . . . 72<br />
4.3 Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten . . 75<br />
4.4 Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
∗ 4.5 Dualismus Welle — Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
1<br />
1<br />
1<br />
5 Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld 86<br />
5.1 Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche Streuformel . . . . . . . . . . . . . 86<br />
5.2 Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren . . . . . . . . . . . 89<br />
5.3 Bohrsches Korrespondenzprinzip; Rydberg–Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
5.4 Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
5.5 Aufhebung der l–Entartung: Feinstruktur des Wasserstoff–Spektrums . . . . . . 96<br />
5.6 Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 97<br />
5.7 Röntgenspektren, Auger–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 00<br />
5.8 Anregung von Atomen durch Elektronenstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 02<br />
∗ 5.9 Energieverlust schneller Ionen in Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06<br />
1<br />
1 1<br />
1 1<br />
1 1<br />
1 1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
6Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung 109<br />
6.1Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches Verhältnis, Larmorfrequenz . . . . 09<br />
6.2 Bohrsches Magneton, g–Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
6.3 Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
6.4 Stern–Gerlach–Experiment, Spin, gs–Faktor, Einstein–de Haas–Effekt . . . . . . 6<br />
6.5 Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin . . . . . . 9<br />
6.6 Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift . 123<br />
6.7 Feinstruktur der Alkali–Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
6.8 Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten bei Absorption . . . . . 28<br />
∗ 6.9 Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen: Mott–Streuung . . . . . . . . . . . . . 30<br />
∗ 6.10 (gs − 2)–Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
6.11 Überblick über die Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Inhaltsverzeichnis vii<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
7 Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom 134<br />
7.1Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen . . . . 34<br />
7.2 Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
7.3 Wahrscheinlichkeit für Ort und Impuls eines Teilchens, Erwartungswert . . . . . 44<br />
7.4 Zeitunabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
7.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
7.5.1Masse m im Kastenpotential mit unendlich hohen Wänden . . . . . . . . 47<br />
7.5.2 Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
7.5.3 Das Wasserstoff–Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
8 Quantenmechanische Operatoren 161<br />
8.1Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen . . 161<br />
8.2 Der Drehimpulsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
8.3 Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
8.4 Zeitabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />
8.5 Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
9 Mehrelektronensysteme 175<br />
9.1Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 175<br />
9.2 Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
9.3 LS–Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />
9.4 Schalenstruktur, allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
9.5 jj–Kopplung, Innere Schalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
1<br />
1<br />
1 1<br />
1<br />
1<br />
10 Atome in äußeren Feldern 190<br />
10.1 Normaler Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
10.2 Anomaler Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
0.3 Paschen–Back–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
10.4 Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische Atome, Starkeffekt . . . . . 95<br />
10.5 Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz, Optisches Pumpen . . . . . . . . . . . 97<br />
Index 199<br />
Literaturverzeichnis 203<br />
Konstanten 204
viii Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1<br />
Größe und Masse von Atomen<br />
1.1 Die Entstehung des Atombegriffs<br />
Eine Atomvorstellung wurde zum ersten Male konkret von John Dalton 1808 formuliert:<br />
Jedes Element besteht aus gleichartigen, unteilbaren Bestandteilen, den Atomen.<br />
Jede Verbindung besteht aus Molekülen, die sich ihrerseits aus Atomen zusammensetzen.<br />
Diese Atomhypothese folgerte er aus den Gewichtsverhältnissen bei chemischen Reaktionen:<br />
Gesetz der konstanten Proportionen (J.B. Richter, J.L. Prout, ∼ 1800):<br />
Bei chemischen Reaktionen treten die Partner in konstanten Gewichts– (Massen–)<br />
verhältnissen zusammen.<br />
Gesetz der multiplen Proportionen (J. Dalton, 1803):<br />
Gehen zwei Elemente verschiedene Verbindungen ein, dann verhalten sich die<br />
Gewichtsverhältnisse der Partner in beiden Verbindungen wie (kleine) ganze Zahlen.<br />
Die multiplen Proportionen sind demach die Verhältnisse der Atommassen.<br />
Die nächste Erkenntnis war, daß die Massenzahlen der Elemente ein Vielfaches der Masse des H–<br />
Atoms sind (Prout 1815). Diese Vorstellung — natürlich modifiziert — führte zur Aufstellung<br />
des Periodensystems der Elemente von Mendelejev und L. Meyer (1868).<br />
Es läßt sich also eine Skala der relativen Atom– (Molekül–)massen Ar aufstellen (früher: Atom–<br />
und Molekülgewichte). Diese relativen Atommassen wurden zunächst auf Wasserstoff bezogen,<br />
später auf 1/16 der Masse des neutralen Sauerstoffatoms 16O und seit 1961 auf 1/12 des neutralen<br />
Kohlenstoffatoms 12C. Unterschiede sind nur für Präzisionsmessungen wichtig.<br />
Aus den relativen Atommassen erhält man die absoluten Atommassen über den Begriff des Mols.<br />
Definition: 1 Mol eines beliebigen Stoffes enthält soviele Teilchen wie 12 Gramm 12C. Diese<br />
Zahl heißt Avogadrokonstante oder Loschmidtzahl NA .<br />
1
2 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
1 Mol sind soviel Gramm einer Verbindung wie die Summe der relativen Atommassen des<br />
Moleküls angibt, z.B. 18 g H2O �= NA Moleküle �= 1mol.<br />
Der beste Zahlenwert von NA lautet heute:<br />
N A =6.0221367 (36) · 10 23 /mol<br />
Daraus ergibt sich sofort die absolute Atommasse. Für die atomare Masseneinheit gilt heute<br />
folgende Definition:<br />
und für die Masse eines Atoms:<br />
1u:= 1<br />
12 ma (12C) = 1<br />
g=1.6605402 (10) · 10<br />
NA −27 kg<br />
m a = A r · u → m a (C) = 12 · u<br />
A A r m a<br />
H − Atom 1 1.007825 1.67342 · 10−27 1 1<br />
kg<br />
C − Atom 2 2.000000 19.92516 · 10−27 1<br />
kg<br />
O − Atom1 6 5.9949126.5584 · 10−27 kg<br />
wobei A die Massenzahl ist. Sie ist diejenige ganze Zahl, die der relativen Atommasse am<br />
nächsten liegt.<br />
Ein weiteres stöchiometrisches Gesetz wurde von Gay–Lussac 1808 gefunden:<br />
Bei gasförmigen Reaktionspartnern verhalten sich die Volumenverhältnisse wie einfache<br />
ganze Zahlen.<br />
Daraus und zusammen mit vorherigem folgerte Avogadro die nach ihm benannte Molekularhypothese:<br />
Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur<br />
die gleiche Anzahl von Molekülen.<br />
Anders formuliert:<br />
Ar1 Ar2 = M1 =<br />
M2 ϱ1 ϱ2 Dieses Verhältnis kann zur Bestimmung<br />
von A r herangezogen werden.<br />
Mit M 1 , M 2 als Molmasse in Gramm. (Molmasse M = N A · m Molekül )<br />
bzw.<br />
M<br />
ϱ<br />
= const. =MolvolumenV (= 22.4l)
1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 3<br />
Nimmt man bei einem Festkörper dichteste Kugelpackung der Atome an, kann man das Atomvolumen<br />
und damit den Atomradius r a , abschätzen. Dann gilt:<br />
M<br />
ϱ<br />
Va =<br />
� ra ≈ 10<br />
NA −8 cm<br />
Eine einfache Abschätzung der Atomgröße erhält man durch ein Gedankenexperiment: Gegeben<br />
sei ein H2O–Würfel mit 1cm Kantenlänge. Wir teilen ihn zunächst in einer Richtung in S<br />
Scheiben zu je einer Atomlage, und anschließend in jeder Raumrichtung. Das erfordert also 3S<br />
Schnitte. Der benötigte Energieaufwand ist gleich der Verdampfungswärme Ev . Jeder einzelne<br />
Schnitt trennt bei der Zerlegung des Würfels eine Fläche von 2 cm2 . Die hierzu erforderliche<br />
Energie ist 2 · Oberflächenenergie/Fläche = 2 · E0 .<br />
Außerdem ist S = 1<br />
d<br />
= V<br />
N A<br />
Also E v =3S · 2E 0<br />
(d: Abstand der Atomlagen). Wir erhalten<br />
S = 1 1<br />
=<br />
d 6<br />
E v<br />
E 0<br />
����<br />
makr. Größen<br />
bzw. d ≈ 1.9 · 10 −8 cm.<br />
1.2 Bestimmung von NA aus der kinetischen Gastheorie<br />
Ein anderer Anstoß zum Atombegriff kam aus dem Modell der kinetische Gastheorie (Bernoulli<br />
1738). Ableitung des Boyle–Mariotteschen Gesetzes aus kinetischen Vorstellungen:<br />
1. Ein Gas besteht aus N Molekülen und sei in einem Würfel mit einem Volumen V<br />
eingeschlossen.<br />
2. Alle Moleküle besitzen dieselbe Geschwindigkeit v.<br />
3. Jeweils 1/6 der Gasmoleküle bewegen sich in ∆t senkrecht auf eine Wand mit der Querschnittsfläche<br />
A zu.<br />
Abb. 1.1: Gasmoleküle in einem<br />
Würfel.<br />
Z = 1 ∆V<br />
· N ·<br />
6 V<br />
1 Av∆t<br />
= · N ·<br />
6 V<br />
(Zahl der Teilchen, die in ∆t auf die Wand treffen)<br />
F = Z · ∆p<br />
∆t<br />
= Z · 2mv<br />
∆t<br />
1 A<br />
= Nmv2<br />
3 V<br />
(Kraft auf die Wand durch Impulsänderung)<br />
p = F 1<br />
=<br />
A 3 · mv2 · N<br />
V<br />
(Druck)<br />
p · V = const. = 2<br />
3 · N · E kin, Molek.
4 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
für 1mol : p ·V = 2<br />
3 NA · Ekin, Molek. = R · T (allgemeine Gasgleichung)<br />
V ist das Molvolumen. Damit erhalten wir<br />
Ekin,Molek. = 3 R<br />
· T =<br />
2 NA 3<br />
· k · T<br />
2<br />
�= kinetische Energie eines Moleküls.<br />
k = R<br />
NA : Boltzmannkonstante<br />
k =1.380658 (12) · 10 −23 J/K<br />
Nun sollen die obigen idealisierten Voraussetzungen aufgegeben werden. Die Antwort auf die<br />
Frage, mit welchen Geschwindigkeiten man zu rechnen hat, gibt das Maxwellsche Gesetz der<br />
Geschwindigkeitsverteilung und der Boltzmannsche Energieverteilungssatz an.<br />
Ein System von Teilchen befinde sich im Temperaturgleichgewicht. Die Teilchen besitzen<br />
aufgrund der Masse unterschiedliche Geschwindigkeiten und aufgrund äußerer<br />
Kräfte eine unterschiedliche potentielle Energie E pot .<br />
Der Boltzmannsche Energieverteilungssatz gibt dann die Wahrscheinlichkeit dafür an, ein<br />
Teilchen mit E pot und E kin zu finden, bzw. gibt an, wie groß die (relativen) Besetzungszahlen<br />
der einzelnen Energiezustände sind:<br />
Wichtige Sonderfälle sind:<br />
dN = f(�r,�v) · dx dy dz dv x dv y dv z<br />
Epot(�r)+Ekin(�v)<br />
mit der Verteilungsfunktion f(�r,�v) =f · e<br />
− kT .<br />
1. Die Dichteverteilung im Schwerefeld (barometrische Höhenformel)<br />
mgh<br />
−<br />
n(h) =n0 · e kT = n0 · e − Epot kT .<br />
2. Die Maxwell–Boltzmannsche Verteilung der Geschwindigkeitskomponenten<br />
φ(v x )=<br />
�<br />
m<br />
� 1 mv2<br />
2<br />
x<br />
e<br />
−<br />
2πkT<br />
2kT =<br />
3. Die Maxwell–Verteilung der Geschwindigkeitsbeträge<br />
�<br />
m<br />
� 1<br />
2<br />
Ekin<br />
e<br />
− kT analog φ(vy ),φ(vz ) .<br />
2πkT<br />
ϕ(v) =4πv 2 � m<br />
� 3<br />
2 mv2<br />
· e<br />
− 2kT .<br />
2πkT<br />
Eine wichtige Folgerung ist der Gleichverteilungssatz:<br />
EMolekül = 1<br />
2fkT; E 1<br />
Mol = 2fRT.
1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 5<br />
Aus ϕ(v) folgt sofort:<br />
�∞<br />
v := ϕ(v)vdv=<br />
0<br />
1<br />
1<br />
e<br />
φ(�v) ∼ e − mv2 x<br />
2KT<br />
f gibt die Zahl der Freiheitsgrade an.<br />
�<br />
2KT<br />
v 1 =<br />
e m<br />
�<br />
8kT<br />
πm , analog v2 = 3kT<br />
m<br />
v x<br />
Abb. 1.2: Maxwell–Boltzmannsche Verteilung der<br />
Geschwindigkeitskomponenten.<br />
ϕ(v)<br />
m<br />
�<br />
2 v2 = 3<br />
2 kT.<br />
v max = √ 2 � kT/m<br />
Abb. 1.3: Maxwell–Verteilung der Geschwindigkeitsbeträge.<br />
Eine Überprüfung der Maxwell–Verteilung gelang Stern und unabhängig von ihm Gerthsen<br />
in Atomstrahlexperimenten.<br />
Für die Messung von k, also damit von NA = R<br />
k , bieten sich drei Verfahren an:<br />
1. Die barometrische Höhenformel (Perrin 1908),<br />
2. die Brownsche Molekularbewegung (Theorie Einsteins 1905),<br />
3. der Gleichverteilungssatz (Kappler 1939).<br />
1. Perrin benutzte zur Messung das Sedimentationsgleichgewicht: Die Dichteverteilung<br />
kleiner Schwebeteilchen in einer Suspension (ϱ, V ), in einer Flüssigkeit mit der Dichte<br />
ϱ 0 unter gleichzeitiger Wirkung der Schwerkraft und Brownscher Molekularbewegung ist<br />
durch<br />
(ϱ−ϱ0)Vgz<br />
n(z) =n0e − kT<br />
beschrieben, wobei n(z) die Anzahl der Teilchen in einem Einheitsvolumen in der Höhe z<br />
angibt. Aus der Messung der Höhe in der n auf n0<br />
e abnimmt, d.h. der Exponent dann<br />
gleich −1wird, also<br />
z = h ′ kT<br />
=<br />
(ϱ − ϱ0 )Vg ,<br />
bestimmte Perrin k und damit NA :<br />
N A = R<br />
k =6.28 · 1023 /mol .<br />
v
6 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
Die Gleichgewichtsbedingung führt zu einer Verknüpfung von Diffusionskonstanten D und<br />
Zähigkeit η:<br />
Bei konstantem n würden die Teilchen mit v g absinken. Nach Stokes gilt F R =6πηrv g .<br />
Andererseits befinden sich die absinkenden Teilchen im Gleichgewicht mit der Schwerkraft<br />
(v g = const.), so gilt 6πηϱv g =(m − m ′ )g, wobeim die Masse eines Teilchens mit Radius<br />
r, m ′ die Masse der verdrängten Flüssigkeit und η die Zähigkeit des Mediums ist.<br />
daraus ergibt sich eine Teilchenstromdichte:<br />
v g = − (m − m′ )g<br />
6πηr<br />
jg = nvg = − (m − m′ )g<br />
n<br />
6πηr<br />
In einem zähem Medium läßt sich D durch η ausdrücken:<br />
↓ (1.2.1)<br />
Aus der Dichteverteilung n = n0e −(m−m′ )gz<br />
kT<br />
ergibt sich mit<br />
dn<br />
dz = −(m − m′ )g<br />
· n<br />
kT<br />
der Diffusionsstrom jdiff = −D dn<br />
dz = D −(m − m′ )g<br />
· n<br />
kT<br />
↑<br />
Im thermischen Gleichgewicht ( ” Sedimentationsgleichgewicht“) ist<br />
j diff + j g =0,<br />
(1.2.2)<br />
damit bekommen wir<br />
D = kT<br />
. (1.2.3)<br />
6πηr<br />
Eine der anschaulichsten Manifestationen der kinetischen Gastheorie ist die Brownsche<br />
Bewegung. Kleine Teilchen, in einer Flüssigkeit suspendiert, gehorchen nicht nur<br />
der barometrischen Höhenformel (Perrin), sondern führen auch Bewegungen gemäß<br />
der Maxwell–Boltzmann–Verteilung aus, welche durch häufige, unregelmäßige Stöße mit<br />
Molekülen der Flüssigkeit verursacht werden.<br />
2. Die Verknüpfung der Diffusionskonstanten mit dem mittleren Verschiebungsquadrat der<br />
Brownschen Molekularbewegung gelang Einstein 1905.<br />
Wegen<br />
m<br />
2 v2 = 3<br />
2 kT<br />
müssen auch makroskopische Teilchen an der Bewegung teilnehmen.<br />
Gegeben sei die Zahl der Teilchen N, sowie der Dichtegradient G = − ∂n<br />
∂x in x–Richtung:<br />
n(x) =n0 + ∂n<br />
∂x · x = n0 − Gx.<br />
Aufgrund der thermischen Bewegung erleiden die Teilchen eine Verschiebung.
1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 7<br />
ξ<br />
Abb. 1.4: Schematische Darstellung der mittleren<br />
Verschiebung ξ.<br />
Über den Weg eines Teilchens bei seiner Zitterbewegung<br />
kann man keine Voraussetzungen machen. Wohl<br />
aber läßt sich statitisch der Mittelwert des Quadrates<br />
der Verschiebung nach der Zeit ∆t bestimmen: Bewegt<br />
sich ein Teilchen mit Radius r in einer Flüssigkeit<br />
der Zähigkeit η und der Temperatur T so beobachtet<br />
man nach der Zeit ∆t eine Verschiebung ξ, die identisch<br />
mit dem momentanen Abstand des Teilchens von<br />
seinem Ausgangspunkt ist.<br />
Die Anzahl der Teilchen, die in ∆t eine Verschiebung zwischen ξ und ξ +∆ξ in Richtung<br />
x erleiden, ist N · ϕ(ξ) dξ.<br />
Abb. 1.5: Zur Einsteinschen Theorie der<br />
Brownschen Molekularbewegung.<br />
Dabei ist ϕ(ξ) eine normierte, symmetrische<br />
Verteilungsfunktion, es gilt:<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
ϕ(ξ) dξ =1<br />
sowie ϕ(ξ) =ϕ(−ξ)<br />
da eine homogene Suspension vorliegt. Wir interessieren<br />
uns für die Anzahl der Teilchen N, die<br />
von links die Ebene x = 0 durchlaufen und aus<br />
dem Volumen dV = A · dx stammen; dieses Volumen<br />
kann irgendwo im linken Halbraum liegen.<br />
Von den A · n(x) · dx Teilchen in diesem Volumenelement<br />
tragen nur jene zu N→ bei, welche<br />
eine Verschiebung ξ>−x erleiden, d.h.<br />
�∞<br />
ξ=−x<br />
A · n(x) dx ϕ(ξ) dξ<br />
Teilchen.<br />
Da die Fläche A irgendwo im linken Halbraum liegen kann, folgt durch Integration über<br />
den gesamten linken Halbraum<br />
N → =<br />
�0<br />
�∞<br />
x=−∞ ξ=−x<br />
oder mit x ′ = −x und der obigen Gleichung<br />
N → =<br />
�∞<br />
�∞<br />
x ′ =0 ξ=x ′<br />
An(x) dx ϕ(ξ) dξ ,<br />
A(n 0 + Gx ′ )ϕ(ξ) dξ dx ′ .
8 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
Analog ergibt sich für die Teilchen, die die Ebene x = 0 von rechts nach links durchlaufen<br />
N ← =<br />
�∞<br />
�−x<br />
x=0 ξ=−∞<br />
An(x) dx ϕ(ξ) dξ.<br />
Mit ξ = −ξ ′ , dξ = −dξ ′ und ϕ(ξ) =ϕ(−ξ) =ϕ(ξ ′ ) ergibt sich:<br />
Damit wird:<br />
N → − N ← =<br />
N ← =<br />
�∞<br />
�∞<br />
x=0 ξ=x<br />
�∞<br />
x=0 ξ ′ =x<br />
�∞<br />
A(n 0 − Gx)ϕ(ξ ′ ) dξ ′ dx.<br />
A [(n 0 + Gx)ϕ(ξ) − (n 0 − Gx)ϕ(ξ)] dξ dx<br />
Man vertauscht die Integration über den oberen Halbraum<br />
Damit<br />
0 ≤ x ≤ ∞<br />
x ≤ ξ ≤ ∞<br />
das letzte wegen<br />
�<br />
≡<br />
N → − N ← = 2G<br />
+∞ �<br />
−∞<br />
� 0 ≤ ξ ≤ ∞<br />
0 ≤ x ≤ ξ<br />
�∞<br />
�ξ<br />
ξ=0 x=0<br />
Ax dx ϕ(ξ) dξ = G<br />
= 1<br />
2 G<br />
�+∞<br />
Aξ 2 ϕ(ξ) dξ = 1<br />
2 Gξ2A −∞<br />
�∞<br />
ξ=0<br />
Aξ 2 ϕ(ξ) dξ<br />
Abb. 1.6: Zur Umformulierung<br />
des Integrationsbereichs.<br />
ϕ(ξ) dξ =1,ξ 2 bezeichnet man als mittleres Verschiebungsquadrat.<br />
Aufgrund des Dichtegradienten fließt also ein Verschiebungsstrom (Diffusionsstrom) der<br />
Dichte<br />
j diff = N → − N ←<br />
A∆t<br />
= 1 ξ<br />
2<br />
2 ξ<br />
G = −1<br />
∆t 2<br />
2 ∂n ∂n<br />
= −D<br />
∆t ∂x ∂x<br />
D = 1 ξ<br />
2<br />
2<br />
∆t<br />
d.h. ξ 2 ∼ ∆t, daD eine Diffusionskonstante ist.<br />
mit j diff = −D ∂n<br />
∂x<br />
(1.2.4)
1.3. Bestimmung von N A aus Elektrolyse 9<br />
Durch Vergleich von (1.2.3) mit (1.2.4) ergibt sich:<br />
ξ2 = kT<br />
· ∆t Einstein–Smoluchowski<br />
3πηr<br />
Beispiel: r =1µm, ϱ =1g/cm 3 , η =10 −2 Poise, T = 293 ◦ ,∆t = 60 s, daraus folgt<br />
ξ2 ≈ 2.6 · 10−7 cm2 �<br />
, ξ2 ≈ 5 · 10−4 cm = 5 µm.<br />
Die Messungen von Nordlund bzw. Millikan und Fletcher ergaben:<br />
N A ≈ 6 · 10 23 /mol .<br />
3. Ein anderes Verfahren, das die statistischen Schwankungen ausnützt, mißt die Zitterbewegung<br />
von einem Schwingspiegel, der an einem Torsionsfaden aufgehängt ist. Dieser Spiegel<br />
nimmt an der Brownschen Molekularbewegung teil. Die potentielle und die kinetische Energie<br />
des Systems hängen quadratisch vom Drehwinkel ϕ bzw. ˙ϕ ab und genügen daher 1<br />
dem Gleichverteilungssatz. Es gilt also (mit Drehmoment I und Richtungsmoment D 0 )<br />
und daraus folgt<br />
Epot = 1<br />
2D0ϕ2 = 1<br />
2kT Ekin = 1<br />
2I ˙ϕ2 = 1<br />
2<br />
1<br />
2I ˙ϕ2 = 1<br />
2D0ϕ2 = 1<br />
2<br />
Aus der Beobachtung von ϕ(t) und der Bestimmung von ϕ 2 fand Kappler 1939 bei T =<br />
298 K ein ϕ 2 =4.178 · 10 −3 rad. Er erhielt für die Avogadro–Konstante den Wert<br />
kT .<br />
N A ≈ 6.06 · 10 23 /mol .<br />
kT ,<br />
1.3 Bestimmung von NA aus Elektrolyse<br />
Bereits Helmholtz hatte zu Ehren Faradays formuliert:<br />
” Wenn wir die Existenz von Atomen der Elemente annehmen, dann können wir nicht<br />
die Folgerung vermeiden, daß auch die Elektrizität in bestimmten Elementarladungen<br />
auftritt, die sich wie Elektrizitätsatome benehmen.“ (Quantisierung der Ladung).<br />
Die Bestimmung der Elementarladung gelang Millikan 1909.<br />
Bei der elektrolytischen Abscheidung von Salzen aus der Lösung hatte Faraday zwei Gesetze<br />
gefunden.<br />
Das 2. Faradaysche Gesetz lautet, daß zur Abscheidung von 1mol eines einwertigen Stoffes F =<br />
96487 Coulomb notwendig sind. Damit ergibt sich<br />
NA = F<br />
e mit e =1.60217733 (49) · 10−19 Coulomb<br />
1 da sie quadratisch in die Energie eingehen<br />
=⇒ N A =6.0221367 (36) · 10 23 /mol
10 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
1.4 NA aus Röntgenbeugung am Kristallgitter<br />
Ein weiteres Verfahren zur Bestimmung der Avogadro–Zahl beruht auf der Röntgenbeugung<br />
an Kristallgittern.<br />
1895 Entdeckung der Röntgenspektren (Röntgen)<br />
1909 Nachweis des Wellencharakters, Abschätzung von λ (Pohl und Walter)<br />
1912 v. Laue: λ Rö ≈ Atomabstand ≈ 1A.<br />
1928 Absolutbestimmung von λ Rö an makroskopischen Gittern mit streifendem Einfall.<br />
Die Bedingung für Interferenzmaxima ist<br />
Abb. 1.7: Darstellung der Gangunterschiede am Reflexionsgitter.<br />
g(cos α ′ − cos α ′′ )=nλ n =1, 2, 3,... .<br />
Für kleine α ′ , α ′′ erhält man durch Reihenentwicklung<br />
wobei g<br />
� α ′ +α ′′<br />
�<br />
g 1 − α′2<br />
� �<br />
− g 1 −<br />
2<br />
α′′2<br />
�<br />
= nλ<br />
2<br />
g<br />
� α ′ + α ′′<br />
2<br />
�<br />
(α ′ − α ′′ )=nλ,<br />
�<br />
die effektive Gitterkonstante ist; sie liegt bei streifendem Einfall bei ungefähr<br />
2<br />
λRö . Aus gegebenen g, α ′ , α ′′ kann dann λRö errechnet werden.<br />
Bei einem ebenen Kreuzgitter mit g x , g y ( � �x und � �y in der Ebene)
1.4. Bestimmung von N A aus Röntgenbeugung am Kristallgitter 11<br />
Abb. 1.8: Reflexion am ebenen Kreuzgitter.<br />
sei die Einfallsrichtung<br />
��s ′ = � �x cos α ′ + � �y cos β ′ + � �z cos γ ′<br />
und die Ausfallsrichtung<br />
��s ′′ = � �x cos α ′′ + � �y cos β ′′ + � �z cos γ ′′ .<br />
Die Bedingung für die Interferenzmaxima ist dann (gleichzeitige Erfüllung):<br />
g x (cos α ′ − cos α ′′ ) = z x λ z x<br />
g y (cos β ′ − cos β ′′ ) = z y λ z y<br />
g x (cos α ′ − cos α ′′ ) = z x · λ<br />
g y (cos β ′ − cos β ′′ ) = z y · λ<br />
g z (cos γ ′ − cos γ ′′ ) = z z · λ<br />
� ganzzahlig,<br />
positiv oder negativ.<br />
Bei einem räumlichen orthogonalen Gitter mit gx , gy , gz lauten die entsprechenden Bedingungen:<br />
v. Laue 1912<br />
⎫<br />
⎬<br />
ganzzahlig<br />
⎭ positiv oder negativ.<br />
Außerdem gilt:<br />
z x<br />
z y<br />
z z<br />
cos 2 α ′ +cos 2 β ′ +cos 2 γ ′ = 1<br />
cos 2 α ′′ +cos 2 β ′′ +cos 2 γ ′′ = 1.<br />
Damit sind i.a. die Bedingungen für fest vorgegebene λ, gx , gy , gz , α ′ , β ′ , γ ′ nicht erfüllbar,<br />
außer für α ′ = α ′′ , β ′ = β ′′ , γ ′ = γ ′′ ,alsozx = zy = zz =0,d.h.für den durchgehenden Strahl.<br />
Um andere Richtungen zu erhalten muß λ der Bedingung genügen, die man durch Quadrieren<br />
und Summieren der Laue–Gleichungen erhält:<br />
cos2 α ′ − 2cosα ′ cos α ′′ +cos2α ′′ � �2 zx · λ<br />
=<br />
. =<br />
1 − 2(cos α ′ cos α ′′ +cosβ ′ cos β ′′ +cosγ ′ cos γ ′′ )+1= λ 2<br />
2 − 2 � �s ′ · � �s ′′ =<br />
2(1 − cos 2ϑ) = λ 2<br />
(da ∢(�s ′ ,�s ′′ )=2ϑ ist).<br />
λ 2 =<br />
� �2 zx<br />
gx<br />
+<br />
4sin 2 ϑ<br />
� �2 zy<br />
gy<br />
+<br />
� �2 zz<br />
gz<br />
gx .<br />
Für dieses λ tritt<br />
Beugung unter ϑ<br />
auf,<br />
�<br />
z2 x<br />
g2 +<br />
x<br />
z2 y<br />
g2 y<br />
.<br />
+ z2 z<br />
g 2 z<br />
�<br />
z2 x<br />
g2 +<br />
x<br />
z2 y<br />
g2 +<br />
y<br />
z2 z<br />
g2 z<br />
�<br />
�
12 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
oder<br />
sin ϑ = λ<br />
�<br />
�<br />
zx<br />
2 gx � 2<br />
+<br />
� �2 zy<br />
g y<br />
+<br />
� �2 zz<br />
g z<br />
= n λ<br />
�<br />
�<br />
z ′<br />
x<br />
2 gx � 2<br />
�<br />
z ′<br />
y<br />
+<br />
gy � 2<br />
�<br />
z ′<br />
z<br />
+<br />
gz wobei n die gemeinsamer Teiler und z ′ die Millerindizes darstellen.<br />
� 2<br />
(1.4.1)<br />
Diese Bedingung hat eine einfache geometrische Interpretation: Wir denken uns im Ursprung<br />
des Koordinatensystems eine Ebene (⊥ Papier), die den einfallenden Strahl � �s ′ gerade reflektiert<br />
(Netzebene), d.h. � �s ′ − � �s ′′ ⊥�r (Vektor in Netzebene). Damit:<br />
Abb. 1.9: Zur geometrischen Interpretation.<br />
bzw.:<br />
�r · ( � �s ′ − � �s ′′ )=0<br />
x(cos α ′ − cos α ′′ )+y(cos β ′ − cos β ′′ )<br />
+z(cos γ ′ − cos γ ′′ ) = 0<br />
und mit der v. Laue–Bedingung erhalten wir<br />
x z′ x<br />
+ y<br />
gx z′ y<br />
+ z<br />
gy z′ z<br />
gz =0.<br />
Dies entspricht der Gleichung einer Ebene durch<br />
den Ursprung.<br />
Die Gesamtheit aller Ebenen, parallel zur ersten, erhält man durch Verschiebung des Ursprungs<br />
um den Vektor �ϱ:<br />
�ϱ = m x g x � �x + my g y � �y + mz g z � �z<br />
mit m x , m y , m z ganzzahlig.<br />
Damit ist die Gleichung der Ebenenschar (Netzebenenschar):<br />
(x + mxgx ) z′ x<br />
+(y + mygy )<br />
gx z′ y<br />
+(z + mzgz )<br />
gy z′ z<br />
gz x z′ x<br />
+ y<br />
gx z′ y<br />
+ z<br />
gy z′ z<br />
gz Die rechte Seite ist ganzzahlig, damit<br />
x z′ x<br />
+ y<br />
gx z′ y<br />
+ z<br />
gy z′ z<br />
gz = −m x z ′ x − m y z′ y − m z z′ z .<br />
Abb. 1.10: Verschiebung des Ursprungs.<br />
=0<br />
=0, ±1, ±2,... . (1.4.2)<br />
Zur Veranschaulichung gehen wir ins Zweidimensionale. Dann beschreibt (1.4.2) eine Geradenschar:
1.4. Bestimmung von N A aus Röntgenbeugung am Kristallgitter 13<br />
Abb. 1.11: Geometrische Veranschaulichung<br />
zur Berechnung von d.<br />
Im Nenner stehen die Achsenabschnitte. Es gilt:<br />
x z′ x<br />
+ y<br />
gx z′ y<br />
gy = C =0, ±1, ±2<br />
Wir betrachten die zur Ursprungsgerade (C =0)im<br />
Abstand d benachbarte Gerade (C =1).<br />
Dann gilt:<br />
a2 =<br />
+ b2 Wieder aufs Dreidimensionale erweitert, heißt das:<br />
x<br />
g x /z ′ x<br />
+ y<br />
g y /z ′ y<br />
= x y<br />
+ =1. (1.4.3)<br />
a b<br />
d 2 = u · v = � (a2 − d2 ) � (b2 − d2 )<br />
d 4 = a 2 b 2 − d 2 (a 2 + b 2 )+d 4<br />
d =<br />
�<br />
a2b2 1<br />
� .<br />
1/a2 +1/b2 (1.4.4)<br />
1. Die Millerindizes z ′ x , z′ y und z′ z sind (siehe (1.4.3)) die Reziprokwerte der Achsenabschnitte<br />
a, b und c (in Einheiten der jeweiligen Basislänge gx , gy und gz ) einer Netzebene, die im<br />
Abstand d parallel zur Ursprungsebene liegt:<br />
z ′ x<br />
1<br />
= ; z<br />
a/gx ′ 1<br />
y = ; z<br />
b/gy ′ 1<br />
z = .<br />
c/gz 2. Der Netzebenenabstand d ergibt sich zu (siehe (1.4.4))<br />
d =<br />
1<br />
� 1/a 2 +1/b 2 +1/c 2 =<br />
3. Die Bedingung (1.4.1) lautet dann:<br />
d sin ϑ = n · λ<br />
2<br />
�<br />
� �<br />
z ′ 2<br />
x + gx<br />
1<br />
� �<br />
z ′ 2<br />
y<br />
gy<br />
+<br />
W.H. und W.L. Bragg 1912 .<br />
� �<br />
.<br />
z ′ 2<br />
z<br />
gz<br />
Aus der Messung von d = a kann nun NA erschlossen werden: Gegeben sei eine Elementarzelle<br />
eines NaCl–Kristalls mit der Kantenlänge a/2. Im Würfel mit Volumen � �<br />
a 3 4<br />
2 sind 8 NaCl–<br />
” Moleküle“, wobei jedes Ion jeweils 8 Würfeln zugehört. Die Zahl der Moleküle je Volumeneinheit<br />
mit Molmasse M.<br />
n = 4/8<br />
(a/2) 3 = 4<br />
a3 . Andererseits ist dies gleich NA<br />
V<br />
N A = 4M<br />
ϱa 3<br />
= NA·ϱ<br />
M<br />
≈ 6.05 · 10 23 /mol<br />
Anmerkung: Die Größe von d kann durch Röntgeninterferenz gemessen werden, wenn λ Rö<br />
bekannt ist.
14 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
1.5 Größe der Atome aus Streuquerschnitten<br />
Eine Aussage über die Größe der Atome gelingt durch Beobachtung der Streuung von Atomen<br />
bei Beschuß eines Gases mittels eines Atomstrahles.<br />
z 0<br />
z(x)<br />
∆x<br />
A<br />
x<br />
Abb. 1.12: Intensitätsabnahme<br />
des Strahls beim<br />
Durchgang durch das Volumen<br />
∆V = A · ∆x.<br />
Abb. 1.13: Anordnung zur Messung von Streuquerschnitten von Atomen an Atomen. Ein Strahl von Gasatomen tritt<br />
durch die Blenden in die Streukammer. Die Streuung an den dort befindlichen Gasatomen führt zu einer Schwächung<br />
des im Auffänger ankommenden Strahls.<br />
Beim Durchgang durch ein Gas werden die Atome des Strahls teilweise an den Atomen des<br />
” Targetgases“ gestreut. Die Intensität des Strahls wird deshalb als Funktion von x kleiner. Sei<br />
z(x) die Anzahl der Teilchen an der Stelle x, und ∆z die Zahl der gestreuten Teilchen, so gilt:<br />
∆z =<br />
Versperrte Fläche<br />
−z(x) ·<br />
Gesamtfläche<br />
=<br />
∆V<br />
Gesamtzahl der Atome im Volumen ∆V · σ N · V −z(x) · = −z(x) ·<br />
Gesamtfläche<br />
A<br />
· σ<br />
σ ist die versperrte Fläche von einem Atom, N ist die Anzahl der Atome im Gesamtvolumen<br />
V . Da die Gesamtzahl der Atome im betrachteten Volumen durch die Teilchenzahldichte n = N<br />
V<br />
mal Fläche A mal Schichtdicke ∆x gegeben ist, ergibt sich<br />
∆z = −z(x) · n · ∆x · σ<br />
Dabei ist Voraussetzung, daß ∆x so klein ist, daß die Flächen der Streuzentren sich nicht<br />
überdecken.<br />
Der Übergang auf infinitesimale Größen liefert<br />
Anschließende Integration ergibt<br />
dz = −z · n · σ · dx ⇐⇒<br />
dz<br />
z<br />
= −n · σ · dx.<br />
ln z = −nσx + C, aus x =0,z = z 0 folgt C =lnz 0 .<br />
ln z − ln z0 = −nσx.<br />
Somit beträgt die Zahl der Teilchen im Strahl am Ort x:<br />
z(x) =z 0 e −nσx .
1.5. Größe der Atome aus Streuquerschnitten 15<br />
Die Zahl der insgesamt bis zum Ort x aus dem Strahl herausgestreuten Atome ist:<br />
z(x)<br />
z 0<br />
z ′ (x) =z 0 (1 − e −nσx ) .<br />
x<br />
z ′ (x)<br />
z 0<br />
Abb. 1.14: Abnahme und Zunahme der Teilchen in Abhängigkeit von x.<br />
Bei der Messung ist x = d = const. und die Teilchendichte n in der Streukammer variabel. Aus<br />
der Steigung von z(x) in halblogarithmischer Darstellung folgt eine Aussage über den Wirkungsquerschnitt<br />
(WQ) σ.<br />
Wir machen hier die Annahme, daß Atome harte Kugeln sind und ihre Radien seien r 1 und r 2 .<br />
Für den Wirkungsquerschnitt erhalten wir:<br />
σ<br />
r1<br />
r 2<br />
σ = π(r 1 + r 2 ) 2 .<br />
Als Meßergebnis für die Streuung von Ag–Atomen an N 2 –<br />
Molekülen ergaben sich folgende Zahlenwerte:<br />
σ =21· 10 −16 cm 2 =2.1 · 10 −15 cm 2 .<br />
r 1 + r 2 ≈ 2.6 · 10 −8 cm=2.6A<br />
Abb. 1.15: Wirkungsquerschnitt<br />
für zwei harte Kugeln.<br />
Aus diesem gemessenen WQ σ folgt nach σ =(r1 +r2 ) 2π die Größe r1 +r2 . Bei gleichen Atomen<br />
mit r1 = r2 läßt sich daraus r und damit die Größe des Atoms bestimmen.<br />
Wir machen nun eine Abschätzung der Größenordnung der Zahl der gestreuten Teilchen. Die<br />
Teilchendichte n beträgt:<br />
n = ϱ · NA M ≈ 10−3 g/cm3 · 6 · 1023 /mol<br />
≈ 2 · 10<br />
30 g/mol<br />
19 /cm 3 mit M = Molmasse<br />
bei p = 1000 mbar.<br />
Ist der Druck 10−3 mbar, so folgt für die Teilchenzahldichte n ≈ 2 · 1013 /cm3 .<br />
n · σ · d ≈ 2 · 10 13 · 2 · 10 −15 · 1 ≈ 4 · 10 −2 ≪ 1<br />
” dünnes Target“<br />
Dann ist z ′ = z0 (1 − e−nσd ) ≈ z0nσd ≪ z0 eine Näherung für ein dünnes Target.<br />
Der Wirkungsquerschnitt wurde eingeführt als anschaulicher geometrischer Querschnitt zwischen<br />
harten Kugeln. Physikalisch heißt das kurze Reichweite der Wechselwirkungskräfte beim Stoß<br />
zweier harter Kugeln: Abstoßung innerhalb der Radiensumme r1 + r2 (vgl. Abb. 1.16).<br />
Oft existieren aber längerreichende Kräfte, z.B. die Coulombkraft. Wie ist dann σ definiert?<br />
Z.B. wenn der Atomrand nicht definiert ist?<br />
x
16 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
Sei z ′ = z 0 · n · σ · d die Zahl der gestreuten Teilchen, dann ist<br />
oder, anders ausgedrückt:<br />
σ N<br />
A = z′ /t<br />
z 0 /t =<br />
z ′<br />
N<br />
z0<br />
A<br />
z ′<br />
N·t<br />
z0<br />
A·t<br />
σ = z′ 1 z′<br />
· = ·<br />
z0 n · d z0 1<br />
= =<br />
N<br />
A<br />
Zahl der WW/Streuzentrum · sec<br />
=<br />
Stromdichte der einfallenden Teilchen<br />
Zahl der WW/s<br />
= WW–Wahrscheinlichkeit .<br />
Zahl der einfallenden Teilchen/s<br />
Diese Ausdrücke geben auch die Meßvorschrift an.<br />
Abb. 1.16: Schematische Darstellung zur Reichweite der Wechselwirkungskräfte.<br />
Als nächstes wollen wir untersuchen, in welche Richtungen die gestreuten Teilchen fliegen, d.h.<br />
Messung der Winkelverteilung. Die Raumrichtung ist festgelegt durch zwei Winkel: ϑ und ϕ.<br />
Zur Erinnerung:<br />
Wir wollen nun dΩ indϑ dϕ umrechnen:<br />
α = s<br />
R<br />
; dα = ds<br />
;<br />
R<br />
[α] = 1radiant wenn s = R<br />
Vollkreis: 2π rad.<br />
Ω = A<br />
R2 ; dΩ = dA<br />
R<br />
Vollkugel: 4π steradiant<br />
2 ; [Ω] = 1steradiant wenn A = R2
1.5. Größe der Atome aus Streuquerschnitten 17<br />
R<br />
ϑ<br />
dϑ<br />
R · sin ϑ<br />
ϕ<br />
da<br />
db<br />
dϕ<br />
Abb. 1.17: Geometrische Veranschaulichung des Raumwinkels dΩ.<br />
Der differentielle Wirkungsquerschnitt in Richtung (ϑ, ϕ) ist definiert durch:<br />
z 0<br />
R<br />
∆ϑ<br />
ϑ<br />
∆ϕ<br />
Abb. 1.18: Zum Wirkungsquerschnitt.<br />
R 2 · ∆Ω<br />
dA = db · da<br />
= Rdϑ · R sin ϑdϕ<br />
dA = R 2 sin ϑdϑdϕ<br />
dΩ = dA<br />
=sinϑdϑdϕ<br />
R2 z ′ (ϑ, ϕ) =z0 · n · d · dσ<br />
(ϑ, ϕ)∆Ω<br />
dΩ<br />
dσ<br />
der WW / Streuzentrum · sec · ∆Ω<br />
(ϑ, ϕ) =Zahl<br />
dΩ Stromdichte der einfallenden Teilchen j<br />
Man kommt zurück zum totalen (integrierten) Wirkungsquerschnitt durch Integration über die<br />
Einheitskugel:<br />
�<br />
σint =<br />
4π<br />
dσ<br />
(ϑ, ϕ) dΩ =<br />
dΩ<br />
�2π<br />
0<br />
�<br />
0<br />
π<br />
dσ<br />
(ϑ, ϕ)sinϑdϑdϕ .<br />
dΩ<br />
Wenn dσ dσ<br />
dΩ = dΩ (ϑ) ist, also keine Azimutrichtung ausgezeichnet ist (axialsymmetrisches Problem),<br />
kann man die ϕ–Integration ausführen:<br />
�<br />
σint =2π<br />
0<br />
π<br />
dσ<br />
dΩ (ϑ)sinϑdϑ.<br />
Bei einem klassischen Streuprozeß besteht eine feste Beziehung zwischen dem Stoßparameter b<br />
und dem Streuwinkel ϑ:
18 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
Abb. 1.19: Beziehung zwischen Stoßparameter<br />
b und Streuwinkel ϑ bei<br />
axialsymmetrischer Streuung.<br />
Sei ein Streuzentrum herausgegriffen, außerdem sei ein axialsymmetrisches<br />
Problem vorrausgestzt: Alle Teilchen mit<br />
einem Stoßparameter zwischen b und b + db werden in einen<br />
Streuwinkel zwischen ϑ und ϑ + dϑ gestreut. Alles was im<br />
rechten Kreisring liegt, kommt aus dem linken Kreisring.<br />
Damit ist<br />
dσ<br />
der WW / Streuzentrum · sec · ∆Ω(ϑ)<br />
(ϑ) =Zahl<br />
dΩ j<br />
dσ · 2πb db/2π sin ϑdϑ|<br />
(ϑ) =|j =<br />
dΩ j<br />
b<br />
sin ϑ ·<br />
� �<br />
�<br />
�<br />
db �<br />
�<br />
�dϑ�<br />
.<br />
Kennt man nun die Ablenkungsfunktion ϑ = ϑ(b), so folgt daraus dσ<br />
dΩ .<br />
b<br />
α<br />
α<br />
ϑ<br />
R<br />
Abb. 1.20: Zur Ableitung der Ablenkfunktion.<br />
Für harte Kugeln z.B. folgt damit: r 1 + r 2 = R<br />
2α + ϑ = π<br />
α = π ϑ<br />
− ; sinα =cosϑ<br />
2 2 2 .<br />
Als Ablenkfunktion erhält man<br />
b = R · sin α = R · cos ϑ<br />
2 .<br />
Damit ergibt sich mit 2 cos ϑ ϑ<br />
2 · sin 2 =sinϑfür den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />
ϑ<br />
dσ · cos 2<br />
(ϑ) =R<br />
dΩ sin ϑ<br />
· R · sin ϑ 1 R2<br />
· =<br />
2 2 4 .<br />
Der Wirkungsquerschnitt ist unabhängig von ϑ! Die Streuung ist isotrop!<br />
�<br />
σint = 2π<br />
oder: σ int =<br />
�<br />
Ω<br />
0<br />
π<br />
dσ<br />
R2<br />
sin ϑdϑ=2π<br />
dΩ 4<br />
�π<br />
R2 R2<br />
dΩ=4π · = πR2<br />
4 4<br />
Dies entspricht dem geometrischen Querschnitt.<br />
0<br />
sin ϑdϑ= πR2<br />
2<br />
[− cos ϑ]π<br />
0 = πR2 ,<br />
1.6 Größe der Atome aus mittlerer freier Weglänge,<br />
Kovolumen, Röntgenbeugung<br />
Auch ohne einen Atom– ” strahl“ stoßen Moleküle in einem Gas zusammen, σ =4πr 2 ist der ” Stoßquerschnitt“.<br />
Der Weg, den ein Molekül zwischen zwei Stößen zurücklegt, heißt freie Weglänge<br />
x. Das zeitliche Mittel von x bezeichnet man als mittlere freie Weglänge λ. z(x) gibt die
1.7. Wie groß sind Atome? 19<br />
Verteilung der freien Weglängen zwischen zwei Stößen an. Die mittlere freie Weglänge λ ist dann<br />
der Mittelwert.<br />
∞�<br />
z(x)xdx<br />
0<br />
λ = ∞�<br />
=<br />
z(x) dx<br />
1 1<br />
=<br />
σn 4πr2n mit z(x) =z0 · e−nσx .<br />
0<br />
Es ist der Wert, bei dem z0 auf z0<br />
e abgesunken ist. Berücksichtigt man noch, daß sich die<br />
gestoßenen Teilchen bewegen, ergibt sich folgende Beziehung: (ohne Herleitung)<br />
λ =<br />
1<br />
4π √ 2r 2 n .<br />
Die mittlere freie Weglänge λ ist nicht direkt meßbar. Sie geht aber in eine Reihe makroskopisch<br />
2 meßbarer Größen ein ( Transportgrößen“ D, η, λ<br />
” Wl ). Als Beispiel soll die Zähigkeit betrachtet<br />
werden:<br />
η = nvmλ ϱvλ<br />
=<br />
3 3 = n√kTm √ 8<br />
3 √ 2πm4πr2n =<br />
√<br />
RT M<br />
√<br />
6πNA πr2 mit M = Molmasse. Ist NA bekannt, so ist r bestimmbar.<br />
Eine weitere Möglichkeit der Radienbestimmung bildet die Messung des Kovolumens der van der<br />
Waals–Gleichung: �<br />
p + a<br />
V2 �<br />
(V −b) =R · T<br />
mit b =4 4π<br />
3 r3 N A . Wiederum folgt aus der Kenntnis von N A der Radius r.<br />
Bestimmt man η und b des gleichen Gases, so läßt sich r eliminieren und man kann N A bestimmen:<br />
N A =<br />
� 2<br />
3 √ π<br />
� 5 (RT M) 3<br />
2<br />
Eine Messung an Argon, M = 39.94 g, bei T = 20 ◦ C ergibt: η = 221.710 −6 Poise, b =<br />
32.19cm 3 /mol und somit: N A =6.35 · 10 23 /mol. Der Wert aber ist zu hoch. Außerdem zeigt<br />
sich, daß die r–Werte von der Temperatur abhängen: Steigt die Temperatur T ,d.h.E kin ,soist<br />
der Radius r kleiner. Das bedeutet, daß die Vorstellung, Atome als starre Kugeln zu betrachten,<br />
falsch ist.<br />
Die genauesten r–Werte erhält man aus der Röntgenbeugung an Kristallen:<br />
Der Netzebenenabstand mißt den Gleichgewichtsabstand der Atome im Gitter. Aus der Zähigkeit<br />
mißt man den Atomabstand bei thermischer Bewegung. Kovolumen setzt elastische Kugeln<br />
voraus.<br />
Umgekehrt zeigen Beispiele eine erste Anwendung des Konzeptes, makroskopische (Material)–<br />
Größen aus atomaren Größen abzuleiten.<br />
1.7 Wie groß sind Atome?<br />
b 2 η 3<br />
Wie groß sind Atome nun wirklich? Kann man sie sehen?<br />
2 λWl: Wärmeleitung<br />
.
20 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />
Die erste Frage läßt sich nur ungenau beantworten: Atome haben keinen definierten Rand“.<br />
”<br />
Man kann nur ihre Elektronendichteverteilung messen. Das gelingt auch mit der Röntgenbeugungsmethode<br />
an Kristallen, indem man die Analysen der Röntgenbeugungsaufnahmen<br />
entsprechend verfeinert. Heute macht man entsprechende Analysen mit Elektronenstrahlen.<br />
Kann man Atome sehen? Jein!<br />
Die Auflösung von Mikroskopen beträgt d = λ<br />
n sin α ,wobein der Brechungsindex ist.<br />
Beim Feldelektronenmikroskop von E.W. Müller sind Barium–Atome als einzelne, helle Punkte<br />
erkennbar. Man kann sie ” sehen“, also ihre Existenz wahrnehmen, jedoch nicht ihre Struktur.<br />
Wahrnehmen kann man sie auch in Form von Ionen: im Zählrohr, auf dem Fluoreszenzschirm<br />
(Rutherford) oder mit dem Szintillationszähler und Multiplier.
Kapitel 2<br />
Atomistik der elektrischen<br />
Ladung<br />
2.1 Elementarladung<br />
Schon die Faraday–Experimente zeigten, daß Atome Ladungen enthalten und in Ionen und Elektronen<br />
zerlegt werden können. Die Versuche von J.J. Thomson, die mit Hilfe der Ablenkung von<br />
Ionen verschiedener Gase in elektrischen und magnetischen Felder durchgeführt wurden, ergaben<br />
dasselbe für Entladungen in verschiedenen Gasen: Kanalstrahlen, Kathodenstrahlen. Man fand,<br />
daß die bei Gasentladungen, bei Ionisationsprozessen mit Röntgenstrahlen und beim Photoeffekt<br />
entstehenden Ladungsträger dieselben waren. Somit gelang es, die Energie zu messen, die nötig<br />
ist, um ein Atom zu ionisieren: Ionisierungsenergie.<br />
Die erste Messung der Elementarladung gelang Millikan 1910. Er folgerte daraus die Quantisierung<br />
der Ladung. Bei diesem Versuch schwebt ein ionisiertes Öltröpfchen in einem luftgefüllten<br />
Kondensator. Ist kein elektrisches Feld angelegt, bewirkt die Schwerkraft m · g nach dem<br />
Stokesschen Gesetz eine konstante Fallgeschwindigkeit v g , d.h. es gilt:<br />
ohne elektrisches Feld<br />
Reibungskraft = Schwerkraft mg =6πηrv g = 4π<br />
3 r3 (ϱ Öl − ϱ Luft )g (2.1.1)<br />
mit elektrischem Feld<br />
Reibungskraft = Schwerkraft + el. Kraft −6πηrv E = 4π<br />
3 r3 (ϱ Öl − ϱ Luft )g − q · E (2.1.2)<br />
(2.1.1) − (2.1.2) 6πηr(v g + v E )=q · E (2.1.3)<br />
wobei η die Viskosität der Luft ist und ϱ die Dichten sind. Setzt man den aus Gleichung (2.1.1)<br />
21
22 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />
bestimmten Radius r des Teilchens in Gleichung (2.1.3) ein, so ergibt sich<br />
q = 9π<br />
E · (vE + v �<br />
2 · η<br />
g ) ·<br />
3 · vg (ϱÖl − ϱLuft )g<br />
= Z · e. (2.1.4)<br />
Millikan fand, daß die beobachteten Ladungen innerhalb seiner Meßgenauigkeit ganze Vielfache<br />
q = Z ·e einer elementaren Ladung e waren. Er beobachtete außerdem die Abhängigkeit e = e(r).<br />
Der Grund hierfür ist leicht einsichtig. Für kleine r kann das Reibungsgesetz von Stokes nicht<br />
mehr angewendet werden. Hierzu muß die Reibungskraft durch folgenden korrigierten Term<br />
ersetzt werden: Cunningham–Korrektur (1910)<br />
F = 6πηrv g<br />
1+A λ<br />
r<br />
= 6πηrv g<br />
1+ B<br />
p·r<br />
wobei A eine Konstante und λ die mittlere freie Weglänge ist (vgl. Kapitel 1.6). Dies ergibt sich<br />
aus der umgekehrten Proportionalität der mittleren freien Weglänge λ und dem Gasdruck p, B<br />
ist ebenfalls eine Konstante. Für A·λ<br />
r → 0 geht diese Gleichung wieder in das Stokessche Gesetz<br />
über. Somit ergibt sich folgender korrigierter Term:<br />
q = 9π<br />
�<br />
2η<br />
E<br />
3vg (ϱÖl − ϱ vE + vg ·<br />
Luft )g<br />
�<br />
1+ B<br />
� 3 = Z · e0 .<br />
2<br />
p·r<br />
Durch Vergleich beider Ausdrücke für ϱ ergibt sich<br />
e 2<br />
�<br />
3<br />
0 1+ B<br />
�<br />
pr<br />
= e 2<br />
3 .<br />
Durch Messungen Millikans läßt sich die Konstante zu B =6.17 · 10 −3 Torr · cm bestimmen.<br />
Trägt man nun 1<br />
pr über e2/3 ab, so ergibt sich eine lineare Abhängigkeit dieser beiden Größen.<br />
Durch Extrapolation von 1<br />
p<br />
,<br />
→ 0, d.h. r →∞, geht dies wieder in das Stokessche Gesetz über.<br />
Für große Teilchen (r ≫ λ) ergibt sich e 2/3<br />
0 = e2/3 ,odere0 = e. Durch Extrapolation der<br />
Geraden (vgl. Schpolski S.19 Abb.3) erhält man die wahre Größe der Elementarladung e0 . Diese<br />
ist unabhängig von der Art des Mediums (Luft, H2 ) und der Tröpfchenart (Öl, Hg, Schellack).<br />
Aus e0 und F ergibt sich NA . Nach Entwicklung der Röntgenbeugungsmethode stellte sich<br />
heraus, daß ein systematischer Unterschied herauskam. Wegen der großen Autorität Millikans<br />
suchte man Fehler bei der Röntgenbeugung. Auch Autorität kann irren: η war falsch. Statt<br />
η = 1822 · 10−7 Poise waren 1832 · 10−7 Poise richtig! Mit dieser Korrektur ergibt sich e0 zu:<br />
2.2 Massenspektroskopie<br />
e 0 =1.60217733 · 10 −19 C .<br />
Die relativen Atommassen A r konnten ursprünglich nur mit den Methoden der Chemie bestimmt<br />
werden. Dabei waren die Atomgewichte ungefähr ganzzahlige Vielfache der Atommasse des
2.2. Massenspektroskopie 23<br />
Wasserstoff–Atoms, also A r = Z · A H (z.B. A r (O) ≈ 16). Andererseits fand man jedoch z.B. für<br />
Chlor A r (Cl) = 35.5.<br />
Mit der Entdeckung der Elementarladung ergab sich eine bessere Methode zur Massenbestimmung:<br />
die Massenspektroskopie. Hierbei werden bewegte Ladungen in elektrischen und magnetischen<br />
Feldern abgelenkt. Dieses Verfahren führte zur Entdeckung der Isotopie, diemitder<br />
Entdeckung des Neutrons (Chadwick 1933) erst richtig erklärt werden konnte.<br />
• Ältestes Verfahren: Parabelmethode (J.J. Thomson 1913)<br />
+U 0<br />
K<br />
N<br />
�v B� −<br />
+<br />
E�<br />
Abb. 2.1: Parabelspektrograph, schematisch.<br />
S<br />
l<br />
z<br />
y<br />
x<br />
Dabei durchläuft ein Ionenstrahl aus einer<br />
Gasentladung das elektrische Feld � E eines<br />
Kondensators und das parallel dazu orientierte<br />
Magnetfeld � B. Man erhält auf der<br />
Beobachtungsebene für gleiche Teilchen<br />
(gleiche Ladung und gleiche Masse) mit<br />
unterschiedlicher Geschwindigkeit v eine<br />
Parabel, deren Ursprung im Durchstoßpunkt<br />
des unabgelenkten Strahles<br />
liegt. Dies ergibt sich aus folgender einfacher<br />
Rechnung:<br />
Das in y–Richtung angelegte � E–Feld erzeugt eine Ablenkung in diese Richtung.<br />
F y = q · E ⇒ a y = F y<br />
m<br />
q<br />
1<br />
= E ⇒ y =<br />
m 2 ayt2 ≈ qE<br />
2m<br />
l2 1<br />
∼ .<br />
v2 Ekin Das in y–Richtung angelegte � B–Feld bewirkt eine Ablenkung in x–Richtung. Solange das<br />
Teilchen sich im � B–Feld befindet, wird es auf eine kreisförmige Bahn gezwungen, deren<br />
Ebene senkrecht zur Feldrichtung (y–Achse) liegt.<br />
F x = q · v · B ⇒ a x = F x<br />
m<br />
q<br />
1<br />
= vB ⇒ x =<br />
m 2 axt2 ≈ qvB l<br />
2m<br />
2 1<br />
∼<br />
v2 p .<br />
Die Ablenkung in x–Richtung ist umgekehrt proportional zum Impuls p, man nennt den<br />
ablenkenden Magneten deshalb Impulsfilter. Aus den Ausdrücken für x und y läßt sich v<br />
eliminieren, und es ergibt sich:<br />
y = 2mE<br />
q(B · l) 2 x2 =<br />
2E<br />
(B · l) 2 q x<br />
m<br />
2 .<br />
Alle Punkte mit gleichen q<br />
m liegen also auf einer Parabel. Die Parabelpunkte entsprechen<br />
unterschiedlichen Geschwindigkeiten v.<br />
• Geschwindigkeitsfokussierung (Aston 1918)
24 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />
�E<br />
Blenden<br />
Photoplatte<br />
Abb. 2.2: Massenspektrograph von Aston.<br />
� B<br />
D<br />
Schnelle Teilchen ( ” steifer“) werden in<br />
beiden Feldern schwächer abgelenkt als<br />
langsame. Die Geschwindigkeitsfokussierung<br />
bedeutet Unabhängigkeit der<br />
Ablenkung D von der Geschwindigkeit<br />
v. Durch Berechnung ergibt sich:<br />
D = ε(a + b)<br />
Die Photoplatte muß also in der Ebene liegen, die um den Winkel ε gegen den Primärstrahl<br />
geneigt ist, und diesen in der Mitte des Kondensators schneidet. Durch eine Blende wird<br />
ein mittleres ε festgelegt. Das Auflösungsvermögen dieses Spektrographen beträgt:<br />
m<br />
≈ 130<br />
∆m<br />
• Richtungsfokussierung (Dempster 1918)<br />
S 1<br />
S 2<br />
Abb. 2.3: Sektor–<br />
Massenspektrograph mit Richtungsfokussierung.<br />
Zwei Strahlen mit gleicher Geschwindigkeit v, Ladung q und<br />
Masse m aber unter verschiedenem Winkel haben im � B–Feld<br />
den gleichen Krümmungsradius:<br />
qvB = mv2<br />
r<br />
→ r = mv<br />
qB .<br />
Überkreuzen sich zwei Strahlen in S 1 ,soüberkreuzen sie sich auch in S 2 ! Da das Gerät nicht<br />
nach Geschwindigkeit fokussiert, müssen die Ionen einheitliche Energie besitzen. Deshalb<br />
benötigt man eine Quelle für monoenergetische Ionen.<br />
• Doppelfokussierung (Mattauch 1934, Mattauch–Herzog 1940)<br />
Präzisionsinstrumente<br />
vereinigen Richtungsfokussierung und Geschwindigkeitsfokussierung. Ein Beispiel hierfür<br />
gibt der doppelt fokussierende Massenspektrograph nach Mattauch und Herzog. Das<br />
Auflösungsvermögen eines solchen Spektrographen liegt bei 20 000.<br />
m<br />
u<br />
≈ 105<br />
∆m<br />
≈ 107<br />
∆u<br />
Ergebnisse: Auf Grund sorgfältiger Messungen mit Präzisionsspektrographen sind die relativen<br />
Isotopenmassen heute sehr genau bekannt.<br />
Mit Hilfe der Massenspektrographie ergab sich:<br />
1. Es gibt Isotope, d.h. die Elemente sind chemisch gleich, haben jedoch unterschiedliche<br />
Masse.<br />
2. Massenbestimmung
2.3. Spezifische Ladung e/m von Elektronen 25<br />
3. Man erhält außerdem die Isotopenhäufigkeit: Cl: A =35.5 setzt sich aus A = 35 und<br />
A = 37 zusammen.<br />
4. Die Isotopmassen sind annähernd ganzzahlig.<br />
2.3 Spezifische Ladung e<br />
m<br />
von Elektronen<br />
Freie Elektronen können auf verschiedene Weise erzeugt werden und sollen hier nur kurz erwähnt<br />
werden.<br />
1. Aus einer Gasentladung als Kathodenstrahlen.<br />
2. Durch thermische Emission. Ein im Vakuum hocherhitzter Draht, z.B. aus Wolfram emittiert<br />
Elektronen.<br />
3. Beim Lichtelektrischen Effekt: Hinreichend kurzwelliges Licht befreit Elektronen aus Gasen<br />
oder Festkörpern.<br />
4. Durch Feldemission: Extrem hohe elektrische Felder, wie sie in der Umgebung von Metallspitzen<br />
entstehen, extrahieren Elektronen aus Metallen.<br />
5. Durch β–Strahlen aus radioaktiven Atomkernen.<br />
Die spezifische Ladung des Elektrons mißt man aus dem Verhältnis e<br />
m durch Ablenkung in elektrischen<br />
und magnetischen Feldern, d.h. durch Anwendung der allgemeinen Bewegungsgleichung:<br />
+U<br />
Abb. 2.4: Ablenkung von<br />
Elektronen im Magnetfeld.<br />
�F = m d�v<br />
dt<br />
� �<br />
= −e �E +(�v × B) � .<br />
• Eine der ersten Methoden auf diesem Gebiet stammt von Classen (1907).<br />
Aus dem E–Satz folgt:<br />
Film<br />
m<br />
E<br />
2<br />
B<br />
v2 �<br />
2eU<br />
= eU ⇒ v =<br />
m ,<br />
durch Gleichsetzten von Lorentz– und Zentrifugalkraft folgt:<br />
mv2 r<br />
• Nach gleichem Verfahren arbeitet das Fadenstrahlrohr.<br />
= evB ⇒ v = e<br />
rB ,<br />
m<br />
daraus erhält man das Verhältnis von Ladung und Masse<br />
e<br />
m<br />
2U<br />
=<br />
r2 .<br />
B2 • Ein anderes Verfahren ist der Geschwindigkeitsanalysator: Wien–Filter.
26 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />
Ein Plattenkondensator, in welchem dem � E–<br />
Feld das gekreuzte Magnetfeld der Induktion � B<br />
überlagert ist, wirkt als Wien–Filter für Elektronen<br />
der Geschwindigkeit v = E<br />
B , Elektronen dieser<br />
Geschwindigkeit fliegen geradlinig weiter.<br />
e � E = e(�v × � B)<br />
Abb. 2.5: Funktionsweise eines Wien–<br />
⇒ v =<br />
Filters.<br />
E<br />
B .<br />
Außerhalb des Kondensators wirkt nur das � B–Feld. Im homogenen Magnetfeld wirkt die<br />
Lorentzkraft bei konstanter Geschwindigkeit v stets mit gleicher Kraft senkrecht zu �v.<br />
Daraus resultiert die Kreisbewegung. Aus Zentrifugalkraft und Lorentzkraft ergibt sich:<br />
mv2 m v<br />
= evB → r =<br />
r e B .<br />
An Hand von obiger Figur läßt sich der Kreisradius leicht ermitteln:<br />
Es gilt r2 = a2 +(r − d) 2 . Aus dieser Gleichung können wir dann die Elektronenmasse<br />
m = e B2<br />
r (2.3.1)<br />
E<br />
bestimmen. Der mit dem � E– und � B–Feld überlagerte Kondensator läßt nur Elektronen<br />
einer Energie geradeaus durch! Wien–Filter“.<br />
”<br />
Die Gleichung (2.3.1) muß für relativistische Geschwindigkeiten verändert werden. Es<br />
ist dann m = m0 √ . Also ergeben sich für hohe Geschwindigkeiten kleinere spezifische<br />
1−β2 Ladungen.<br />
• Fokussierung im magnetischen Längsfeld (Busch 1922, Goedicke 1939).<br />
Wir betrachten die Wirkung eines Magnetfeldes auf einen divergenten Elektronenstrahl, der<br />
unter einem bestimmten Winkel α �= 0,90◦ ,dervomE–Feld erzeugt wird, zur Richtung der<br />
Feldlinien des Magnetfeldes einfliegt. Auf das Elektron wirkt die Kraft F = e(�v × � B). Wir<br />
teilen die Geschwindigkeit in die Längskomponente<br />
�<br />
vz und die Komponente v⊥ senkrecht<br />
v2 x + v2 y . Auf das senkrecht zum � B–Feld<br />
zu den Feldlinien auf. Es gilt v = const. � v⊥ =<br />
fliegende Elektron wirkt die Lorentz– und Zentrifugalkraft.<br />
y<br />
x<br />
z<br />
S<br />
∼<br />
E B<br />
b<br />
4 3<br />
1 2<br />
0<br />
1<br />
2<br />
0<br />
3<br />
4<br />
z
2.3. Spezifische Ladung e/m von Elektronen 27<br />
Also:<br />
Abb. 2.6: Fokussierung eines Elektronenstrahls im magnetischen Längsfeld.<br />
�v =(v x ,v y ,v z ) � B =(0, 0,Bz ) � F = e(�v × � B)=e(vy B z , −v x B z , 0)<br />
mv 2 ⊥<br />
r = ev ⊥ B → r = mv ⊥<br />
eB .<br />
Die von den Elektronen benötigte Zeit für einen Umlauf ist<br />
T = 2πr<br />
v ⊥<br />
= 2πm<br />
eB .<br />
Die Zeit T hängt also nicht vom Radius r und nicht vom Einschußwinkel α ab. Alle die<br />
Elektronen, die mit verschiedenen Radialkomponenten der Geschwindigkeit v⊥ gleichzeitig<br />
von einem Punkt ausgehen, kehren deshalb, nachdem sie Kreisbahnen mit verschiedenen<br />
Radien beschrieben haben, gleichzeitig zum Ausgangspunkt zurück.<br />
In Richtung der z–Achse übt das Magnetfeld keine Kraft auf das Elektron aus. Das Elektron<br />
fliegt also in der Zeit T auf der Achse des Solenoids um die Strecke<br />
b = vz · T = 2πvz cos α<br />
e .<br />
· B<br />
Ist der Winkel α klein, so gilt cos α ≈ 1und mit vz ≈ v ergibt sich<br />
b = 2πv<br />
e .<br />
· B<br />
m<br />
Alle aus der Blende mit dem gleichen Betrag der Geschwindigkeit v austretenden Elektronen<br />
durchlaufen auf der Achse des Solenoids die gleichen Entfernungen l in einem Zeitraum,<br />
während die Projektionen dieser Elektronen auf der zur Achse des Solenoids senkrechten<br />
Ebene eine vollständige Kreisbahn beschreiben. Also kann man ein divergentes Bündel von<br />
Elektronen mit gleicher Energie im Abstand l durch ein magnetisches Längsfeld fokussieren.<br />
Wir können also mit Hilfe dieser Versuchsapparatur, ein divergentes Elektronenbündel auf<br />
ein Fluoreszenzschirm fokussieren. Da das Feld � B bekannt ist, können wir sofort e<br />
m bestimmen.<br />
Aus der Energiebilanz folgt mv2<br />
2 = eU be<br />
a und mit v = 2πmB sofort<br />
e<br />
m = 8π2Ua B2 .<br />
b2 Diese Methode führte zu relativ genauen Ergebnissen.<br />
• Laufzeitmethode von Kirchner 1930/31<br />
Abb. 2.7: Aufbau von Kirchner.<br />
m<br />
Beide Kondensatoren liegen am gleichen<br />
Hochfrequenz–Generator mit der<br />
Frequenz ν. Das Elektron hat die En-<br />
ergie eU a = m<br />
2 v2 . Im ersten Kondensator<br />
werden die Elektronen abgelenkt.
28 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />
Es fliegen nur die Elektronen geradeaus, die zum Zeitpunkt des HF–Nulldurchgangs den<br />
Kondensator durchfliegen. Im phasengleichen zweiten Kondensator genauso. Dies ergibt<br />
einen gepulsten Strahl. Die Beschleunigungsspannung U a muß so gewählt werden, daß<br />
⇒<br />
ν =20MHz,U a =1kV,l =50cm.<br />
Heutige Bestwerte:<br />
• e/m 0 =1.75881962 (53) · 10 11 C/kg<br />
l<br />
= nT<br />
v 2<br />
e<br />
m = 2l2ν 2<br />
n2Ua = n<br />
2ν .<br />
Präzisionsmethode<br />
• m 0 =9.1093897 (54) · 10 −31 kg = 5.48579903 (13) · 10 −4 u=0.51099906 (15) MeV/c 2<br />
• 1u=1.6605402 (10) · 10 −27 kg = 1822.8885 m 0 = 931.49432 (28) MeV/c 2<br />
Fast die ganze Masse des Atoms ist mit der positiven Ladung verknüpft!<br />
2.4 me = m(v); Elektromagnetische Masse; Klassischer<br />
Elektronenradius<br />
Bereits bei den ersten Messungen von e<br />
m von β–Strahlen (1901 durch Kaufmann) mit Hilfe<br />
der Thomsonschen Parabelmethode war aufgefallen, daß e<br />
m unterschiedlich für verschiedene β–<br />
Energien ist. Messungen von Bucherer 1909 bestätigten das Ergebnis, daß die Masse von der<br />
Geschwindigkeit abhängt:<br />
me =<br />
m0 �<br />
1 − v2<br />
c2 =<br />
m0 �<br />
1 − β2 .<br />
Hieraus folgt ein bedeutsames Ergebnis:<br />
m 0 dv<br />
F = d d d m0v p = mv = �<br />
dt dt dt 1 − β2 = dt<br />
(1 − β2 .<br />
) 3/2<br />
Bewegt sich ein beschleunigter Körper in der Zeit ∆t = t 2 − t 1 um das Wegstück ∆x = x 2 − x 1 ,<br />
dann beträgt die Energieaufnahme:<br />
∆E =<br />
�x2<br />
x1<br />
Fdx=<br />
�t2<br />
t1<br />
m 0 dv<br />
dt<br />
(1 − β2 vdt=<br />
) 3/2<br />
= (m 2 − m 1 )c 2 =∆mc 2 .<br />
�v2<br />
v1<br />
m0v (1 − β2 dv =<br />
) 3/2<br />
�<br />
m 0 c 2<br />
� 1 − β 2<br />
� v2<br />
v1
2.4. Elektromagnetische Masse m e = m(v); Klassischer Elektronenradius 29<br />
Für v 1 =0istm 1 = m 0 und damit E 0 = m 0 c 2 die Ruheenergie; und mit m 2 = m folgt:<br />
E = mc 2 = m 0 c2<br />
� 1 − β 2 .<br />
Für den Zusammenhang zwischen Energie und Impuls gilt dann<br />
m 2 (1 − β 2 )=m 2 0 |·c 4 ⇐⇒ E 2 − c 2 p 2 = m 2 0 c4 .<br />
=⇒ E =<br />
Dieser Ausdruck hat folgende Näherungen:<br />
�<br />
m 2 0 c4 + p 2 c 2 .<br />
1. Nichtrelativistischer Grenzfall: pc ≪ m0c2 ,d.h.v ≪ c<br />
mc 2 = E = m0c 2<br />
�<br />
1+ p2c2 m2 0c4 ≈ m0c2 �<br />
1+ 1<br />
2<br />
p 2<br />
m2 + ...<br />
0c2 = m0c 2 + p2<br />
= m0c 2m0 2 + 1<br />
2 m0v2 = E0 + Ekin .<br />
2. Hochrelativistischer Grenzfall: pc ≫ m0c2 ; m0 �= 0 (Elektronen)<br />
mc 2 = E =<br />
�<br />
pc 1+ m20 c4<br />
p2 �<br />
= pc 1+<br />
c2 1<br />
2<br />
≈ pc + m2 0 c4<br />
2pc .<br />
3. Hochrelativistischer Grenzfall: m 0 =0(γ–Quanten, Neutrinos?)<br />
mc 2 = E = pc ⇒ E = m 0 c2<br />
� 1 − β 2 �=0.<br />
m2 0c4 p2 �<br />
+ ...<br />
c2 Da mit m 0 = 0 die Energie nicht Null sein darf, muß der Nenner auch Null werden, d.h.<br />
β 2 = 1 ⇔ v = c. Also bewegen sich Teilchen mit der Ruhemasse m 0 = 0 stets mit<br />
Lichtgeschwindigkeit.<br />
Es gelang H.A. Lorentz, die Massenveränderlichkeit des Elektrons aus der Vorstellung der<br />
” elektromagnetischen Masse“ des Elektrons abzuleiten. Bereits 1881 begründete J.J. Thomson<br />
die Vermutung, daß die gesamte Masse des Elektrons elektromagnetischer Natur sei: Wird<br />
nämlich eine masse“lose Ladung in Bewegung gesetzt, muß magnetische Feldenergie aufge-<br />
”<br />
baut werden (die der Beschleunigungsarbeit m<br />
2 v2 entspricht). Wird sie abgebremst, bewirkt die<br />
Schwächung des Magnetfeldes, daß via Induktionsgesetz die Ladung weitergetrieben wird (was<br />
der Trägheit entspricht).<br />
Heute verstehen wir, warum es Lorentz gelang, aufgrund der Hypothese der elektromagnetischen<br />
Masse die richtige Formel zu finden: Die Maxwell–Gleichungen sind Lorentz–invariant.<br />
�
30 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />
Wir wissen heute, daß die relativistische Masse nicht nur für geladene Teilchen, sondern für alle<br />
Teilchen gilt. Deshalb brauchen wir die Hypothese der elektromagnetischen Masse“ nicht mehr.<br />
”<br />
Mit dem Begriff der elektromagnetischen Masse“ ist eng der Begriff des klassischen Elektro-<br />
” ”<br />
nenradius“ verbunden. Er soll an der elektrostatischen Masse“ des Elektrons erläutert werden:<br />
”<br />
Unter der elektrostatischen Masse“ des Elektrons versteht man die Masse, die sich ergibt, wenn<br />
”<br />
man die elektrostatische Feldenergie, die in dem vom Elektron erzeugten elektrischen Feld enthalten<br />
ist, gleich der Ruheenergie des Elektrons setzt:<br />
W el = m 0 c 2<br />
(2.4.1)<br />
1. Annahme: das Elektron sei eine leitende Kugel“, d.h. die Ladung sitzt auf der Oberfläche<br />
”<br />
der Kugel mit Radius R. Dann berechnet sich die Feldenergie zu<br />
� ∞<br />
W el = ε 0<br />
2<br />
= ε 0<br />
2<br />
=<br />
Mit (2.4.1) ergibt sich für R:<br />
R<br />
� e<br />
4πε 0<br />
e 2<br />
8πε 0 R .<br />
R =<br />
E 2 (r)4πr 2 dr mit E(r) =<br />
�2 � ∞<br />
1<br />
4π dr<br />
R r2 e2 1<br />
=<br />
8πε0m0c2 2 ·<br />
e 2<br />
4πε 0 m 0 c 2<br />
e<br />
4πε 0 r 2<br />
(2.4.2)<br />
2. Annahme: das Elektron sei eine ” homgen geladene Kugel“ mit Radius R. Dann ergibt sich<br />
für den Außenraum die gleiche Feldenergie, für den Innenraum kommt noch hinzu<br />
W el,i = ε 0<br />
2<br />
=<br />
= 1<br />
5 ·<br />
Wel,ges = 6<br />
5 ·<br />
Mit (2.4.1) ergibt sich damit:<br />
� R<br />
E<br />
0<br />
2 (r)4πr 2 dr mit E(r) =<br />
e2 8πε0R3 � R<br />
r<br />
0<br />
4 dr<br />
e2 8πε0R e 2<br />
8πε 0 R .<br />
R = 3<br />
5 ·<br />
e 2<br />
4πε 0 m 0 c 2<br />
Man definiert nun den ” klassischen Elektronenradius“ r 0 :<br />
r0 = 1 e<br />
4πε0 2<br />
m0c2 =2.8·10−13 cm .<br />
e<br />
· r<br />
4πε0R3 (2.4.3)
2.4. Elektromagnetische Masse m e = m(v); Klassischer Elektronenradius 31<br />
Aus der Ableitung folgt, daß es sich hierbei um eine reine Rechengröße handelt. Kann man den<br />
Elektronenradius messen? Die Antwort lautet: im Prinzip ja. Man kann z.B. den Wirkungsquerschnitt<br />
für die Streuung von Röntgenstrahlen bestimmen. Dies gelang J.J. Thompson, der<br />
den Wirkungsquerschitt mit<br />
σ = 8π<br />
3<br />
�<br />
e 2<br />
4πε 0 c 2 m 0<br />
�2<br />
= 8π<br />
3 r2 0<br />
berechnete. Die modernen Experimente mit höchstenergetischen Elektronen, gestreut an Elektronen,<br />
haben keine innere Struktur des Elektrons ergeben; insbesondere keine Abweichung von<br />
der Punktladung für alle r ≥ 10 −18 m=10 −16 cm,<br />
d.h. r e ≤ 10 −16 cm .
Kapitel 3<br />
Licht als elektromagnetische<br />
Welle, Wechselwirkung mit<br />
Materie<br />
3.1 Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische<br />
Wellen<br />
Die Maxwell–Gleichungen lauten:<br />
�<br />
�<br />
�Ed� A = Q<br />
ε0 �Bd� A = 0<br />
�<br />
�<br />
�Ed�s = − d<br />
�<br />
dt<br />
�Bd�s = µ 0 I + ε 0 µ 0<br />
�Bd� A<br />
�<br />
d<br />
dt<br />
Im Fernfeld — weitab von Ladungen Q und Strömen I —läßt sich aus den Maxwell–Gleichungen<br />
eine Wellengleichung für den � E– und dem � B–Vektor ableiten: Die elektromagnetische Wellen.<br />
Die Ableitung soll hier kurz vorgeführt und die daraus resultierenden Konsequenzen zusammenstellt<br />
werden. Dazu müssen wir von der Integral– auf die Differentialschreibweise übergehen. Die<br />
Maxwell–Gleichungen lauten dann:<br />
div � E = ϱ<br />
ε 0<br />
rot � E = − ∂ � B<br />
∂t<br />
div � B = 0 rot � B = µ 0 �j + ε 0 µ 0<br />
mit der Ladungsdichte ϱ : ϱ · V = Q,<br />
der Stromdichte �j : �j · � A = I<br />
32<br />
∂ � E<br />
∂t<br />
�Ed � A
3.1. Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen 33<br />
und den Differentialoperatoren:<br />
div � A = � ∇· � A<br />
rot � A = � ∇× � A<br />
grad φ = � ∇φ<br />
und ∇ � =<br />
∂<br />
∂x � �x + ∂<br />
∂y � �y + ∂<br />
∂z � �z.<br />
Weitab von Ladungen ϱ und Strömen �j lauten die Maxwell–Gleichungen in Komponenten:<br />
∂Ez ∂y − ∂Ey ∂z = −∂B x<br />
∂t<br />
∂Ex ∂z − ∂Ez ∂x = −∂B y<br />
∂t<br />
∂Ey ∂x − ∂Ex ∂y = −∂B z<br />
∂t<br />
∂Bz ∂y − ∂By ∂z = ε0 µ ∂Ex 0<br />
∂t<br />
∂Bx ∂z − ∂Bz ∂x = ε0 µ ∂Ey 0<br />
∂t<br />
∂By ∂x − ∂Bx ∂y = ε0 µ ∂Ez 0<br />
∂t<br />
Die Fortschrittsrichtung sei z. Wir suchen ebene Wellen, also ist die xy–Ebene eine Ebene<br />
gleicher Phase, d.h. in dieser Ebene hat jeder Punkt den gleichen Wert, es findet also keine<br />
= 0). Damit verbleibt:<br />
räumliche Änderung statt ( ∂<br />
∂x<br />
− ∂Ey ∂z = −∂B x<br />
∂t<br />
∂Ex ∂z = −∂B y<br />
∂t<br />
= ∂<br />
∂y<br />
0 = − ∂Bz ∂t ⇒ Bz = const.<br />
− ∂B y<br />
∂z = ε0 µ 0<br />
∂Bx ∂z = ε0 µ 0<br />
0 = ε 0 µ 0<br />
∂Ex ∂t<br />
∂Ey ∂t<br />
∂Ez ∂t ⇒ Ez = const.<br />
Wir wollen statische Felder nicht zulassen, deshalb muß B z = E z =0sein: � E und � B haben keine<br />
Komponenten in z–Richtung, somit bilden � E und � B ein Transversalfeld. Wir wählen die x–y<br />
Koordinaten so, daß der � E–Vektor in der E x –Richtung schwingt. Dann ist E y = 0 und damit<br />
Bx = const. Diese Konstante ist Null, da sonst statische Komponenten vorliegen. Der � B–Vektor<br />
schwingt in der y–Ebene, � B und � E stehen also senkrecht aufeinander.<br />
Da die meisten Komponenten wegfallen, lassen sich die obigen Gleichungen umformen in<br />
− ∂B<br />
∂z = ε 0 µ 0<br />
∂E<br />
∂z<br />
= −∂B<br />
∂t<br />
∂E<br />
∂t<br />
− ∂2B ∂z∂t = ε0 µ ∂<br />
0<br />
2E ∂t2 ∂2E ∂z2 = − ∂2B ∂t∂z<br />
|· ∂<br />
∂t<br />
|· ∂<br />
⎫<br />
∂z<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
∂2E ∂z2 = ε0 µ ∂<br />
0<br />
2E .<br />
∂t2 Dies ist die Eulersche Wellengleichung. Daraus folgt für das Vakuum<br />
ε 0 µ 0 = 1<br />
c 2
34 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
und für eine in Materie fortschreitende Welle ergibt sich<br />
Mit n = c<br />
v<br />
als Brechungsindex erhält man<br />
εε 0 µµ 0 = 1<br />
v<br />
1<br />
= 2 �2 .<br />
�<br />
c<br />
n<br />
n = √ εµ (Maxwell–Relation).<br />
Die LösungdieserWellengleichungist die ebene Welle:<br />
� �<br />
z<br />
� �<br />
E = E0 cos ω ∓ t + δ<br />
c<br />
= E 0 cos (kz ∓ ωt + δ)<br />
E = E0e i (kz ∓ ωt + δ)<br />
B ergibt sich dann aus:<br />
und<br />
mit ωz<br />
c<br />
= 2πν · z<br />
c<br />
= 2π<br />
λ<br />
z<br />
· z = = k · z<br />
¯λ<br />
∂B<br />
∂z = −ε0 µ ∂E<br />
0<br />
∂t = ∓ε0 µ 0ωE0 sin<br />
�<br />
ω<br />
�<br />
z ∓ ωt + δ<br />
c<br />
∂B<br />
= −∂E<br />
∂t ∂z =+ω 0<br />
c E0 sin<br />
�<br />
ω<br />
�<br />
z ∓ ωt + δ<br />
c<br />
Deshalb muß B die Form haben<br />
B = ± 1<br />
c E0 cos<br />
�<br />
ω<br />
�<br />
z ∓ ωt + δ<br />
c<br />
B = ±B0e i(kz∓ωt+δ)<br />
= ±B 0 cos<br />
�<br />
ω<br />
�<br />
z ∓ ωt + δ<br />
c<br />
Damit sind � E und � B frequenz– und phasengleich und sie bilden mit � �z ein Rechtssystem.<br />
Vakuum<br />
E 0 = c · B 0<br />
B 0 = √ ε 0 µ 0 E 0 = 1<br />
c · E 0<br />
Intensität und Energiestrom berechnen sich dann wie folgt:<br />
E0 =<br />
Materie<br />
c<br />
n · B0 B 0 = √ εε 0 µµ 0 E 0 = n<br />
c · E 0<br />
Energiedichte: uel = εε0 2 E2 ; umag = 1<br />
B<br />
2µµ 0<br />
2 ; uel = umag .<br />
Die Gesamtenergiedichte der elektromagnetischen Welle ist dann:<br />
uges = uel + umag = 1<br />
2 · εε0E2 + 1<br />
B<br />
2µµ 0<br />
2 = 1<br />
B<br />
µµ 0<br />
2 = εε0E 2 .
3.1. Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen 35<br />
Energieflußdichte: S = v(uel + umag )= 1<br />
EB = εε0vE µµ 0<br />
2<br />
= c<br />
√ εε0E εµ 2 = 1<br />
EB =<br />
µµ 0<br />
c<br />
B<br />
µµ 0<br />
2 = Energie<br />
Zeit · Fläche<br />
Intensität: I = S (t)<br />
Energiestromvektor � S =<br />
�= zeitlicher Mittelwert von S<br />
1<br />
µµ 0<br />
�E × � B (Poyntingvektor)<br />
Die Intensität, ausgedrückt durch die Amplituden E 0 und B 0 ,ergibtsichzu<br />
I = S (t) = | � S| (t)<br />
I = 1<br />
2µµ 0<br />
Abb. 3.1: Zum Veranschaulichung des Impulstransports<br />
einer elektromagnetischen Welle.<br />
= 1<br />
|<br />
µµ 0<br />
� E × � B| (t)<br />
= 1<br />
E0B0cos µµ 0<br />
2 [kz ∓ ωt + δ] (t)<br />
E0B0 = 1<br />
�<br />
εε0<br />
E<br />
2 µµ 0<br />
2 0<br />
�<br />
c2 εε0<br />
= B<br />
2 µµ 0<br />
2 0<br />
(3.1.1)<br />
Neben dem Energietransport tritt bei elektromagnetischen<br />
Wellen auch ein Impulstransport auf. Verantwortlich<br />
dafür ist das an das � E–Feld gekoppelte<br />
�B–Feld. Der Impulstransport läßt sich anhand Abbildung<br />
3.1leicht klarmachen. Erreicht die Welle die<br />
Ladung q, die sich in Ausbreitungsrichtung befindet,<br />
so wird diese in Bewegung gesetzt.<br />
Dies hat zur Folge, daß nun die Ladung auch eine Geschwindigkeitskomponente quer zur Ausbreitungsrichtung<br />
bekommt. Aufgrund dieser Geschwindigkeit übt das � B–Feld die Lorentzkraft<br />
F L auf die Ladung aus. Diese zeigt in Ausbreitungsrichtung. Es gilt<br />
F L = qv x B y = 1<br />
c qv x E x .<br />
Fällt also eine elektromagnetische Welle auf eine Fläche, so ist damit eine Kraftwirkung, d.h.<br />
ein Impulstransport verbunden. Diese Erscheinung bezeichnet man als den Maxwell’schen<br />
Strahlungsdruck. Da � E– und � B–Feld periodische Funktionen der Zeit sind, bilden wir den<br />
zeitlichen Mittelwert<br />
�F L = 1<br />
c qE dx<br />
x<br />
dt<br />
= 1<br />
c<br />
dWA .<br />
dt<br />
Es wirkt also eine Kraft auf die Fläche A, die der absorbierten Leistung dWA<br />
dt<br />
proportional ist.<br />
dWA<br />
dt ist die mittlere übertragene (absorbierte) Leistung, die dem Feld entzogen wird. Dividieren<br />
wir diese Kraft durch die durchstrahlte Fläche A⊥z, sostehtlinkseinDruck,derMaxwell’sche<br />
Strahlungsdruck, rechts die absorbierte Intensität<br />
F L<br />
A = p rad<br />
1 1 dWA 1<br />
= =<br />
c A dt c S.
36 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Andererseits ist<br />
F L<br />
A<br />
1 ∆p ∆p ∆x<br />
= · = ·<br />
A ∆t V ∆t = pV · c.<br />
Man nennt ∆p<br />
V ≡ pV die mittlere Impulsdichte der elektromagnetischen Welle. Der Vergleich der<br />
letzten beiden Gleichungen liefert:<br />
Maxwellscher Strahlungsdruck prad = 1<br />
c S = mittlere Impulsstromdichte pV · c.<br />
∗ 3.2 Die Erregung elektromagnetischer Wellen<br />
Soviel zur Wiederholung. Offenbar hat die Erregung einer elektromagnetischer Welle etwas mit<br />
Ladungen und Strömen, also bewegten Ladungen zu tun.<br />
Jetzt soll kurz die mikroskopische“, die atomistische“ Begründung für die Erregung einer elek-<br />
” ”<br />
tromagnetischen Wellen referiert werden. Dazu werden wir zwei neue Begriffe kennenlernen,<br />
die Sie später in der theoretischen Elektrodynamik ausführlich besprechen werden: Das Vektorpotential<br />
� �<br />
Ad�s � = �BdAund die zeitliche Retardierung. Mit diesen Hilfsmitteln lassen sich<br />
geschlossene Ausdrücke für den � E– und den � B–Vektor angeben, die das Nah– und Fernfeld<br />
enthalten.<br />
Der mathematische Aufwand für die Herleitung des � E– und � B–Feldes einer beliebig bewegten<br />
Ladung ist sehr groß, so daß sie vom Leser bei der ersten Lektüre ohne weiteres übergangen<br />
werden kann und es deshalb genügt, sich nur für die Ergebnisse (3.2.8) und (3.2.9) zu interessieren.<br />
�a sei ein beliebiger Vektor.<br />
Wie man leicht durch Ausdifferenzieren prüfen kann, gilt:<br />
⇐⇒<br />
�div rot�a � = 0<br />
∇· � �∇×�a = 0.<br />
Nun ist div � B =0 (Maxwellgleichung), also� B =rot� A wobei � soll. Dann folgt aus<br />
A das Vektorpotential darstellen<br />
rot � E = − ∂ � B<br />
∂t<br />
=<br />
∂<br />
−<br />
∂t rot � �<br />
A =rot − ∂ � �<br />
A<br />
,<br />
∂t<br />
wegen − ∂<br />
�<br />
rot�a =rot −<br />
∂t ∂�a<br />
�<br />
∂t<br />
⇒<br />
�<br />
rot �E + ∂ � �<br />
A<br />
∂t<br />
= 0, wegen rot�a +rot�b =rot(�a + �b) .<br />
Damit läßt sich der Vektor ( � E + ∂ � A<br />
∂t<br />
0):<br />
�E + ∂ � A<br />
∂t<br />
) als der Gradient einer Größe schreiben (wegen rot grad φ =<br />
= − grad φ ; wobei φ ein (zeitabhängiges) skalares Potential sei.<br />
�E = − ∂ � A<br />
∂t<br />
− grad φ
∗ 3.2. Die Erregung elektromagnetischer Wellen 37<br />
Die Rotation von � A ist durch � B festgelegt, über die Divergenz von � A kann man zweckmäßig<br />
verfügen:<br />
div � A = − 1<br />
c2 ∂φ<br />
∂t<br />
Lorentz–Konvention.<br />
Wie man ebenfalls durch Ausdifferenzieren prüfen kann, gilt:<br />
rot rot�a = graddiv�a−∆�a |<br />
� �<br />
∇× � �∇×�a = � � �<br />
∇ �∇�a −∇ 2 div grad b = ∆b |<br />
�a<br />
� �<br />
∇�<br />
�∇b = ∇ 2 b<br />
∆=∇2 = ∂2 ∂2 ∂2<br />
+ +<br />
∂x2 ∂y2 Dann folgt<br />
ϱ<br />
=div<br />
ε0 � �<br />
E =div − grad φ − ∂ � �<br />
A<br />
∂t<br />
∂z 2<br />
⇐⇒ ∆φ − 1<br />
c 2<br />
Laplace–Operator<br />
= − div grad φ − ∂<br />
∂t div � A = −∆φ + 1<br />
c2 ∂2φ ∂t2 ∂2φ ϱ<br />
= −<br />
∂t2 ε0 (3.2.1)<br />
und rot � B =rotrot� A =graddiv� A − ∆ � A = − 1 ∂φ<br />
grad<br />
c2 ∂t − ∆ � A. (3.2.2)<br />
Andererseits gilt nach Maxwell:<br />
rot � B = µ 0 �j + ε 0 µ 0<br />
∂<br />
∂t � ∂<br />
E = µ 0�j − ε0 µ 0<br />
2A� ∂t2 − ε0 µ ∂<br />
0 grad φ. (3.2.3)<br />
∂t<br />
aus (3.2.2) und (3.2.3) folgt ∆ � A − 1<br />
c2 ∂2A� ∂t2 = −µ 0�j = −µ 0ϱ�v . (3.2.4)<br />
Wir erhalten also vier Potentialfunktionen um die elektromagnetischen Felder � E und � B zu<br />
beschreiben: Ein skalares Potential φ und ein Vektorpotential � A (bestehend aus 3 Funktionen).<br />
Jetzt versteht man den Begriff Vektor ” potential“. Beide ” Potential“–gleichungen entsprechen<br />
den vier Maxwellgleichungen, da sie ja aus ihnen folgen. Wie sehen die Lösungen aus?<br />
• Ist φ zeitunabhängig: Aus (3.2.1) ergibt sich<br />
∆φ = − ϱ<br />
ε 0<br />
Poisson–Gleichung der Elektrostatik<br />
Wir haben hier nun den Spezialfall φ unabhängig von t, d.h.ϱ unabhängig von t. In der<br />
Elektrostatik kennen wir aber φ aus der Kenntnis der Feldstärke � E = 1<br />
4πε0<br />
��r ′ )(mitr = | �<br />
�r 0 − � �r ′ |).<br />
� ϱ(P ′ )<br />
r 2 dV ′ ( � �r 0 −
38 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Abb. 3.2: Zur Veranschaulichung der<br />
Wirkung von P ′ auf P.<br />
So ist das Potential am Punkt P das von einer Ladung im<br />
Volumenelement dV ′ mit der Ladungsdichte ϱ(P ′ ) erzeugt<br />
wird:<br />
φ(P ) = φ(x, y, z) = 1<br />
4πε0 φ =<br />
1<br />
4πε0 r<br />
� ϱ(x ′ ,y ′ ,z ′ )<br />
r<br />
dV ′<br />
��� ′ ′ ′ ϱ (x ,y ,z )<br />
dx ′ dy ′ dz ′<br />
mit r = � (x − x ′ ) 2 +(y − y ′ ) 2 +(z − z ′ ) 2<br />
• Ist ϱ überall im Raum Null (leerer = ladungsfreier Raum), so erhalten wir die Wellengleichung:<br />
∆φ = ∂2φ 1<br />
+ ···=<br />
∂x2 c2 die z.B. durch die ebene Welle φ gelöst wird.<br />
• Lösung der allgemeinen Gleichung:<br />
φ(x, y, z, t) =<br />
1<br />
4πε0 �A(x, y, z, t) = µ 0<br />
4π<br />
∂2φ ,<br />
∂t2 ��� ′ ′ ′ ′ ϱ(x ,y ,z ,t )<br />
dx<br />
r<br />
′ dy ′ dz ′<br />
��� ′ ′ ′ ′ ϱ(x ,y ,z ,t )<br />
· �v(x ′ ,y ′ ,z ′ ,t ′ ) dx ′ dy ′ dz ′<br />
r<br />
(3.2.5)<br />
(3.2.6)<br />
Jetzt betrachten wir als Ladung q ein Elektron, eingesperrt in seinem Volumen ∆τ mit dem<br />
Radius r 0 = 1<br />
4πε0<br />
e 2<br />
m0c 2 (klassischer Elektronenradius). Dann müssen wir über dieses Volumen<br />
integrieren. Sei r ≫ r 0 . Nach diesen Formeln unterscheiden sich die Beträge des Volumenelements<br />
dV ′ = dx ′ dy ′ dz ′ zu den Potentialen im Aufpunkt P (x, y, z) vom statischen Fall lediglich<br />
dadurch, daß für ϱ und ϱ · V nicht die momentanen Werte einzusetzen sind, sondern die Werte,<br />
die in dem um die Laufzeit r<br />
r<br />
c zurückliegenden Augenblick (also t − c )indV ′ geherrscht haben.<br />
Die Beiträge des Quellpunktes zu den Potentialen treffen im Aufpunkt P erst nach der Zeit r<br />
c<br />
ein. Deshalb heißen die, aus (3.2.6) bestimmten Werte die retardierten Potentiale und t ′ = t − r<br />
c<br />
die retardierte Zeit. Nun würde jeder meinen, daß das Integral von ϱ über so eine ” Punkt“ladung<br />
einfach die Gesamtladung q ist, also<br />
φ = 1 q<br />
4πε0 r .<br />
Dies ist aber falsch! Da sich das Elektron bewegt und die Laufwege von einem Punkt P ′ 1<br />
nach P und von einem anderen Punkt P ′ 2<br />
in ∆τ<br />
in ∆τ nach P unterschiedlich sind, vergrößert sich<br />
scheinbar das Volumen ∆τ und somit wegen q = ϱ · V auch die Ladung. Es gilt (ohne Rechnung)<br />
q eff = ϱ · ∆τ =<br />
q<br />
1 − �v·�r<br />
rc<br />
.
∗ 3.2. Die Erregung elektromagnetischer Wellen 39<br />
Damit erhalten wir als Lösung der beiden Potentialgleichungen<br />
�<br />
φ(x, y, z, t) =<br />
1 q<br />
4πε0 r − �v·�r<br />
�<br />
c t ′ =t− r<br />
�A(x, y, z, t) =<br />
c<br />
µ �<br />
0 q�v<br />
4π r − �v·�r<br />
�<br />
c<br />
die sogenannten<br />
Lienard–Wiechert–Potentiale.<br />
t ′ =t− r<br />
c<br />
Die Größen �v und �r sind zur retardierten Zeit t ′ = t − r<br />
c zu nehmen. Daraus � E und � B: (s =<br />
s (x, y, z, x ′ ,y ′ ,z ′ ,t ′ , ˙x ′ , ˙y ′ , ˙z ′ )=r − �v·�r<br />
c )<br />
�<br />
�E(x,<br />
q<br />
y, z, t) = −<br />
4πε0 r ˙ �v<br />
s2 � �<br />
�r �v r<br />
+ −<br />
c2 r c s3 �<br />
1+ �r · ˙ �v<br />
c<br />
�B(x, y, z, t) = µ 0q �<br />
˙�v × �r �v × �r<br />
+<br />
4π cs2 s3 �<br />
1+ �r · ˙ �v v2<br />
−<br />
c2 c2 ��<br />
c 2<br />
2 − v2<br />
t ′ =t− r<br />
c<br />
��<br />
t ′ =t− r<br />
c<br />
Aus der obigen Formeln erkennt man leicht, daß � E⊥ � B ist und � E, � B und �r ein Rechtssystem<br />
bilden.<br />
In der Näherung v<br />
c ≪ 1folgt mit s ≈ r und � �r = �r<br />
r :<br />
�E =<br />
q<br />
4πε 0<br />
�B = µ 0 q<br />
4π<br />
�<br />
− ˙ �v<br />
rc2 + � �r<br />
r2 �<br />
˙�v × �r �<br />
cr + �v × � �r<br />
r2 �<br />
Wir betrachteten nun die Felder in zwei Zonen:<br />
�<br />
1+ �r · ˙ �v<br />
c2 ��<br />
t ′ =t− r<br />
c<br />
t ′ =t− r<br />
c<br />
• Nahzone: maßgeblich sind Terme mit 1<br />
r2 :<br />
�E<br />
q ��r<br />
N ≈<br />
4πε0 r2 Coulomb, (3.2.7)<br />
�B N ≈ qµ 0 �v ×<br />
4π<br />
� �r<br />
r2 Biot–Savart. (3.2.8)<br />
Wir erhalten also das zu erwartende elektrostatische Feld (Coulomb) des Dipols sowie das<br />
quasistatische Magnetfeld eines Stromelements (Biot–Savart).<br />
• Fern– ( = Wellen–)zone: maßgeblich sind Terme mit 1<br />
r :<br />
�E<br />
q<br />
F =<br />
4πɛ2c2 �<br />
− ˙ �v<br />
r + � �r( � �r · ˙ �<br />
�v)<br />
r<br />
�B F = µ 0 q<br />
4πc<br />
Zunächst sieht man: � E F und � B F ∼ ˙ �v = �a.<br />
� �<br />
˙�v × �r �<br />
r
40 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Nur beschleunigte Ladungen erzeugen elektromagnetische Wellen!<br />
Zur Umformung von � EF betrachten wir die Relation<br />
� �<br />
�a × �b × �c = �b(�a · �c ) − �c (�a · �b) .<br />
Nennt man � �r = �a, � �r = �b und ˙ �v = �c, so gilt mit � �r · � �r =1:<br />
� �<br />
�E F = ��r × ( �r �× �v) ˙<br />
θ<br />
P<br />
E F<br />
Abb. 3.3: Elektrisches und magnetisches<br />
Feld am Ort P.<br />
=<br />
B F = qµ 0<br />
4πc<br />
q<br />
4πɛ0c2 1<br />
r<br />
q<br />
4πɛ0c2 | ˙ �v|<br />
sin θ<br />
r<br />
| ˙ �v|<br />
r<br />
sin θ =<br />
q<br />
4πɛ0c3 | ˙ �v|<br />
sin θ.<br />
r<br />
E(t) = qa⊥ (t′ )<br />
4πε0c2 1<br />
r<br />
B(t) = qa⊥ (t′ )<br />
4πε0c3 1<br />
r<br />
Ist a⊥ konstant, so läuft ein mit 1<br />
r<br />
�E, � B,�r rechtshändig (3.2.9)<br />
abnehmender E– (und<br />
B–) Vektor längs �r mit der Geschwindigkeit c!<br />
Physikalisch bedeutet dies, daß senkrecht zur Bewegung der Ladung der maximale Empfang<br />
(maximales � E– und � B–Feld) sich einstellt. In Richtung der Bewegung der Ladung ist � B und � E<br />
Null (da θ =0 ◦ ). (Strahlungscharakteristikum des Hertzschen Dipols, siehe Kapitel 3.3)<br />
Der Poyntingvektor im Vakuum � S = 1<br />
µ0 ( � E × � B) ist anhand (3.2.9) immer in Richtung des<br />
Fahrstrahls �r radial von der Quelle nach außen gerichtet. In Polarkoordinaten ausgedrückt, hat<br />
�S nur eine r–Komponente. Die Quelle strahlt deswegen Energie in den Raum ab. Für die<br />
Energieflußdichte S ergibt sich<br />
S(r, θ, t) =ε0cE 2 �<br />
q<br />
= ε0c 4πε0c2 �2 2 ′ a (t )<br />
r2 sin 2 θ ∼ sin2 θ<br />
r2 .<br />
S(r, θ, t) gibt die Energie an, die in Richtung des Fahrstrahls �r mit dem Polarwinkel θ pro<br />
Zeit– und Flächeneinheit durch eine im Abstand r zur Flußrichtung orientierte Einheitsfläche<br />
strömt. Die insgesamt in der Zeiteinheit abgestrahlte Energie, also die Strahlungsleistung Prad einer beschleunigten Ladung q, erhält man durch Berechnung des Energieflusses durch eine<br />
geschlossene Hüllkugel um die Ladung.<br />
�<br />
�<br />
Prad (t) = S(r, θ, t) dA = S(r, θ, t)r 2 ��<br />
dΩ= Sr 2 sin θdθdφ<br />
�<br />
q<br />
= 2πε0c 4πε0c2 �2 a 2 (t ′ )<br />
�π<br />
sin 3 θdθ<br />
0
3.3. Dipolstrahlung 41<br />
Prad (t) = 2<br />
3<br />
3.3 Dipolstrahlung<br />
3.3.1 Elektrische Dipolstrahlung<br />
q 2<br />
4πε 0 c 3 a2 (t ′ ) Larmorsche Strahlungsformel (3.2.10)<br />
Eine positive Ladung führe auf der z–Achse um eine negative Ladung mit gleichem Absolutwert<br />
Schwingungen aus. Ein solches System stellt einen linearen Oszillator dar. Elektrisch ist dieses<br />
System ein Dipol, dessen elektrische Eigenschaften durch einen Vektor, das Dipolmoment �p = q�r<br />
charakterisiert wird. In unserem Fall stellt q·z(t ′ )=p(t ′ ) ein sich zeitlich änderndes Dipolmoment<br />
dar mit<br />
Abb. 3.4: Zur Abstrahlung eines<br />
Dipols.<br />
mit t ′ = t − r<br />
c<br />
P<br />
und k = 2π<br />
λ<br />
= ω<br />
c .<br />
Damit:<br />
z(t ′ ) = z0 sin ωt ′ ,<br />
a(t ′ ) = −ω 2 z0 sin ωt ′ .<br />
E(r, θ, t) = qz0ω2 4πε0c2 sin θ<br />
r<br />
= qz 0 ω2<br />
4πε 0 c 2<br />
sin θ<br />
r<br />
B(r, θ, t) = 1<br />
E(r, θ, t)<br />
c<br />
sin ωt ′<br />
sin (ωt − kr)<br />
Damit erhält man für die Strahlung eines harmonisch schwingenden Dipolmoments:<br />
E(r, θ, t) =<br />
B(r, θ, t) =<br />
Die Intensität errechnet sich vermöge<br />
S(r, θ, t) =ε0cE 2 �<br />
p0<br />
=<br />
p<br />
�<br />
0 ω<br />
�2 sin θ<br />
sin (ωt − kr)<br />
4πε0 c r<br />
p<br />
�<br />
0 ω<br />
�2 sin θ<br />
sin (ωt − kr)<br />
4πε0c c r<br />
4πε 0<br />
I = S(r, θ, t) (t)<br />
= cε0 � 2 �ω<br />
c<br />
p2 0 /2<br />
(4πε0 ) 2<br />
Entsprechend die Strahlungsleistung (abgestrahlte Energie/Zeit)<br />
cp 2 0<br />
Prad (t) = 2<br />
3 4πε0 � 4<br />
ε 0 c sin2 θ<br />
r 2 sin 2 (ωt − kr)<br />
.<br />
�<br />
ω<br />
�4 sin<br />
c<br />
2 θ<br />
r2 . (3.3.1)<br />
�<br />
ω<br />
�4 sin<br />
c<br />
2 (ωt − kr)
42 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
(t) 1 cp<br />
Prad =<br />
3<br />
2 �<br />
0 ω<br />
�4 4πε0 c<br />
Was bedeuten diese Ergebnisse für den Hertzschen Dipol?<br />
1. I ∼ 1<br />
r2 2. I ∼ sin 2 θ<br />
Abb. 3.5: Strahlungscharakteristik<br />
des Dipols.<br />
. (3.3.2)<br />
Die graphische Darstellung in dem Polardiagramm der<br />
Abbildung 2 wird Strahlungscharakteristik des Dipols<br />
genannt. Man trägt dabei Pfeile in Richtung vom Ursprung<br />
des Koordinatensystems ab, deren Längen<br />
I(r, θ)<br />
I(θ) =<br />
I(r, π/2) =sin2θ betragen, also proportional zum Energiefluß in dieser Richtung. Die Charakteristik zeigt<br />
anschaulich, daß in Schwingungsrichtung des Dipols keine und senkrecht zum Dipol maximale<br />
Intensität abgestrahlt wird.<br />
3. Die Strahlung ist linear polarisiert (vgl. Abbildung 3.6):<br />
Dipol<br />
�B<br />
�E<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
�r<br />
Abb. 3.6: Zur Polarisation der Strahlung.<br />
4. Betrag:<br />
I = I0 · sin2 θ<br />
r2 → I0 = 1<br />
5. Strahlungsfeld: Nah– und Fernfeld<br />
2<br />
cε0p2 0<br />
(4πε0 ) 2<br />
�<br />
ω<br />
�4 c<br />
Nungibtesnocheineandere Möglichkeit, elektrische Dipolstrahlung zu erzeugen:<br />
(3.3.3)<br />
Ein in der xy–Ebene umlaufender (damit zeitlich veränderlicher)<br />
Dipol:<br />
Diesen umlaufenden Dipol kann man in zwei in x– und y–Richtung<br />
mit 90 ◦ planarer Differenz schwingende Dipole zerlegen. So ergibt<br />
sich die Gesamtfeldstärke � E des Dipols laut Vektoraddition aus<br />
der Feldstärke � E 1 des in Richtung der x–Achse schwingenden<br />
Dipols und der Feldstärke � E 2 ⊥ � E 1 ,desiny–Richtung schwingenden<br />
Dipols ( � E 2 = �r × � E 1 )(�r: Ausbreitungsrichtung). Also Abb. 3.7: Ein in der xy–Ebene<br />
umlaufender Dipol.
3.3. Dipolstrahlung 43<br />
�z<br />
θ<br />
θ<br />
�x<br />
�y<br />
′<br />
�E(r, θ, t)<br />
P<br />
�E 1<br />
�r<br />
Abb. 3.8: Zur Berechnung des elektrischen<br />
Feldes in P.<br />
=<br />
p<br />
�<br />
0 ω<br />
�2 sin θ<br />
4πε0 c<br />
′<br />
sin (ωt − kr)<br />
r<br />
� E1 �<br />
+ p �<br />
0 ω<br />
�2 1<br />
4πε0 c r sin<br />
�<br />
ωt − kr + π<br />
�<br />
2<br />
�<br />
��r × � =<br />
�<br />
E1 �<br />
p<br />
�<br />
0 ω<br />
� �<br />
2 cos θ<br />
sin (ωt − kr)<br />
4πε0 c r<br />
� E1 �<br />
+ 1<br />
�<br />
cos (ωt − kr) ��r ×<br />
r � ��<br />
E1 � ,<br />
wobei das Koordinatensystem so gewählt wird, daß �r in der zx–Ebene liegt.<br />
p<br />
I(r, θ) =ε0c 2 0<br />
(4πε0 ) 2<br />
�<br />
ω<br />
�4 c<br />
� 2 cos θ<br />
r2 sin 2 (ωt − kr)+ 2cosθ<br />
r2 sin (ωt − kr) · cos (ωt − kr)<br />
+ 1<br />
r2 cos2 �<br />
(ωt − kr)<br />
Wir erhalten folgende Ergebnise:<br />
1. I ∼ 1<br />
r 2<br />
2. I ∼ 1+cos 2 θ<br />
3. Die Strahlung ist<br />
4. Betrag:<br />
I(r, θ) =ε 0 c<br />
p2 0<br />
(4πε0 ) 2<br />
• in z–Richtung zirkular polarisiert (θ =0◦ ),<br />
• in der x, y–Ebene linear polarisiert ⊥ z (θ =<br />
90◦ ),<br />
• dazwischen (0
44 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
3.3.2 Magnetische Dipolstrahlung<br />
Eine weitere Form der Dipolstrahlung ergibt sich, wenn sich nicht ein elektrisches, sondern ein<br />
magnetisches Dipolmoment (m = I · A) zeitlich ändert, z.B. durch periodische Schwingungen<br />
eines Kreisstroms.<br />
m(t) =m 0 sin ωt = I 0 A sin ωt<br />
mit A als die vom Kreisstrom I umflossene Fläche.<br />
Das führt zu Ausdrücken für � E und � B, die analog denen bei elektrischen Dipolstrahlung sind,<br />
nur daß in den Ausdrücken anstelle von p0 jetzt m0<br />
c steht und im Feld � E– und � B–Vektor ihre<br />
Plätze tauschen:<br />
(t) 1 m<br />
Prad =<br />
3<br />
2 �<br />
0 ω<br />
�4 . (3.3.4)<br />
4πε0c c<br />
Dipol<br />
Abb. 3.11: Strahlungscharakteristik und Polarisation eines magnetischen Dipols.<br />
Analog für den in der xy–Ebene rotierenden magnetischen Dipol.<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
�r<br />
3.3.3 Unterschied zwischen elektrischer und magnetischer Dipolstrahlung<br />
In beiden Fällen ist die Strahlungscharakteristik gleich, und in beiden Fällen bilden � E, � B, �r ein<br />
Dreibein. Bei Betrachtung der beiden Strahlungsfelder stellen wir dennoch einen Unterschied<br />
fest.<br />
Abb. 3.12: Strahlungsfeld des elektrischen und des magnetischen Dipols.<br />
Betrachten wir zunächst das Strahlungfeld des elektrischen Dipols. Der � E–Vektor zeigt dort im<br />
rechten und linken Halbraum in die gleiche Richtung. Der � B–Vektor dagegen wechselt beim<br />
Übergang vom rechten in den linken Halbraum das Vorzeichen. Beim Strahlungsfeld des magnetischen<br />
Dipols finden wir unter vertauschten Rollen das gleiche Bild.<br />
Damit kann man beide Strahlungsfelder durch eine Spiegelung am Ursprung (Paritätstransformation)<br />
unterscheiden. Dabei müssen wir folgendes beachten: Spiegelt man einen polaren Vektor
3.3. Dipolstrahlung 45<br />
am Ursprung, so dreht sich bei diesem das Vorzeichen um (vgl. Abbildung 3.13). Spiegelt man<br />
einen axialen Vektor am Ursprung, so erhalten wir den gleichen Vektor wieder (vgl. Abbildung<br />
3.14).<br />
Wir erinnern uns: polare Vektoren sind durch Betrag und Richtung charakterisiert, axiale dagegen<br />
durch Betrag, Richtung und Drehsinn.<br />
Abb. 3.13: Spiegelung des � E–Vektors am Ursprung als<br />
Beispiel einer Spiegelung eines polaren Vektors. Abb. 3.14: Spiegelung des Drehmoments � T = �r × � F<br />
am Ursprung als Beispiel einer Spiegelung eines axialen<br />
Vektors.<br />
Spiegelt man nun unter Beachtung, daß � E ein polarer und � B ein axialer Vektor ist, beim magnetischen<br />
Dipolfeld den rechten Halbraum am Ursprung, so gelangt man zu einem Bild, das mit<br />
dem Bild des linken Halbraums des magnetischen Strahlungsfeldes übereinstimmt (vgl. Abbildung<br />
3.16). Man ordnet deshalb dem Feld der magnetischen Dipolstrahlung die Parität +1zu<br />
(gerade Parität).<br />
Spiegelt man beim elektrischen Dipol den rechten Halbraum am Ursprung, so gelangt man zu<br />
einem Bild, das mit dem Bild des linken Halbraums des elektrischen Strahlungsfeldes nicht übereinstimmt,<br />
sondern bei dem man erst die Vorzeichen sowohl von � E als auch von � B vertauschen<br />
muß, ehe man Übereinstimmung bekommt. Das elektrische Strahlungsfeld erhält deshalb die<br />
Parität −1(ungerade Parität, vgl. Abbildung 3.15).<br />
Abb. 3.15: Zur Veranschaulichung der Paritätstransformation<br />
beim elektrischen Strahlungsfeld.<br />
Abb. 3.16: Zur Veranschaulichung der Paritätstransformation<br />
beim magnetischen Strahlungsfeld.<br />
Merkregel: Auf � B–Vektor (axialer Vektor) achten: Wenn im Strahlungsfeld � B links und rechts<br />
in die gleiche Richtung zeigt: Positive Parität. Wechselt � B beim Vergleich von rechts und links<br />
sein Vorzeichen: negative Parität. (vgl. Abbildung 3.12)<br />
3.3.4 Strahlung beschleunigter Ladungen<br />
Nun wollen wir der Frage nachgehen, ob elektromagnetische Wellen als Folge einer beschleunigten<br />
Ladung beobachtet werden können. Die Antwort ist bereits bekannt: Hertzscher Dipol, HF– ,<br />
Rundfunktechnik. Die schwingende Ladung eines HF-Stromes ist eine beschleunigte Ladung.
46 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Wie steht es aber mit der Strahlung von makroskopisch“ beschleunigten Ladungen?<br />
”<br />
Betrachten wir einen Linearbeschleuniger (Van de Graaff). Es gilt:<br />
F = eE = e U<br />
= ma , l ist die Wegstrecke im Beschleuniger.<br />
l<br />
a = e U<br />
m l � t0 =<br />
�<br />
2l<br />
a =<br />
�<br />
2l2 (e/m) · U<br />
Ist v<br />
c ≪ 1gilt die Larmorsche Strahlungsformel und die abgestrahlte Energie in der Zeit t0 beträgt:<br />
Wrad = Prad · t0 = 2 e<br />
3<br />
2<br />
4πε0c3 · a2 · t0 = 2 e<br />
3<br />
2 � � 3<br />
2 e U<br />
· · · (2l)<br />
4πε0c3 m l<br />
1<br />
2<br />
und wir erhalten für das Verhältnis<br />
W rad<br />
E kin<br />
= 2<br />
3<br />
e 2<br />
4πε 0 c 3 ml<br />
� � 1<br />
2 2eU<br />
≈ 5.3 · 10<br />
m<br />
−20<br />
für e = 1.6 · 10−19 C; mp = 1.67 · 10−27 kg; U = 5MV; l = 2 m. Der Energieverlust der<br />
beschleunigten Ladung durch Abstrahlung ist für diesen Beschleunigertyp also zu vernachlässigen.<br />
Beschleunigt (oder besser: verzögert) man Elektronen auf sehr, sehr kleinen (atomaren)<br />
Abständen, dann wird ein beachtlicher Teil der kinetischen Energie in Strahlung umgewandelt.<br />
Man erhält die Bremsstrahlung. Die empirisch ermittelte Strahlungsausbeute beträgt<br />
etwa 1%, d.h. sie ist etwa 17 Größenordnungen größer als beim Van de Graaff–Beschleuniger.<br />
U (1/2)<br />
m (3/2) liefert einen Faktor von etwa 104 , also muß l einen Faktor von etwa 1013 bringen:<br />
l ≈ 10−13 m=10−11 cm! Die Abbremsung geschieht also innerhalb des Atoms(10−8 cm): (Erster<br />
Hinweis auf Atomkerne!) Dies war jedoch eine sehr grobe Abschätzung, da v<br />
c ≪ 1nicht erfüllt<br />
ist. Wir haben es hierbei mit hochrelativistischen Elektronen zu tun.<br />
�a<br />
v<br />
c ≪ 1<br />
v<br />
c ≈ 1<br />
Bewegungsrichtung<br />
Abb. 3.17: Strahlungscharakteristik für nicht– und<br />
hochrelativistische Elektronen.<br />
Wie sieht dann die Strahlungscharakteristik aus?<br />
Die Antwort ist: Wir erhalten für hochrelativistische<br />
Elektronen eine verbogene Diplokeule.<br />
Für v<br />
c ≪ 1, d.h. im nichtrelativistischen Grenzfall,<br />
strahlt das Teilchen senkrecht zur Bewegungsrich-<br />
tung ab. Für v<br />
3.4 Spektroskopische Ergebnisse<br />
c<br />
≈ 1also im relativistischen Gren-<br />
zfall, nahe der Lichtgeschwindigkeit, strahlt das<br />
Teilchen demnach die elektromagnetische Energie<br />
direkt in Bewegungsrichtung ab.<br />
Zunächst einige spektroskopische Ergebnisse:<br />
Lichtstrahlung läßt sich thermisch oder elektrisch anregen: Gase, Dämpfe und Festkörper emittieren<br />
und absorbieren Licht. Die Form der Spektren hängt von den Anregungsbedingungen“<br />
”<br />
ab (Druck, Temperatur, Stromstärke u.ä.).
3.4. Spektroskopische Ergebnisse 47<br />
1. Emissionsspektren<br />
(a) Atomspektren sind Linienspektren (Gasentladung, Lichtbogen, Metalldämpfe, Edelgase).<br />
(b) Ionenspektren (Funken).<br />
(c) Molekülspektren sind Bandenspektren. Sie bestehen aus Gruppen sehr vieler eng<br />
beieinanderliegender Spektrallinien.<br />
(d) Festkörper und Gase unter hohem Druck senden ein kontinuierliches Spektrum aus.<br />
2. Absorptionsspektren: z.B. bei Atomen: Sie sind gekennzeichnet durch linienhafte Absorption,<br />
die an den gleichen Stellen wie bei der Emission auftreten: Frauenhofersche Linien,<br />
also Linien, die im kontinuierlichen Spektrum wegen Absorption fehlen. (Kirchhoff 1859)<br />
3. Spektralbereiche: Sichtbares Licht, UV-Spektroskopie (Quarz-Optik), Vakuum-UV (λ <<br />
2000 A Luftabsorption), IR-Spektroskopie (Ionenkristall–Linsen), Röntgenspektroskopie.<br />
4. Spektralapparate<br />
(a) Prismen–Spektrograph<br />
Abb. 3.18: Frauenhofersche Anordnung.<br />
Bei hinreichend engem Spalt kann eine Beugungsfigur<br />
durch die Prismenfassung entstehen.<br />
Das erste Minimum ergibt sich bei<br />
sin γ = λ<br />
B .<br />
Dadurch wird das Auflösungsvermögen des<br />
Prismas begrenzt. Die spektrale Auflösungsgrenze<br />
ist dann erreicht, wenn die benachbarte<br />
Wellenlänge λ + dλ gerade in dieses Minimum<br />
fällt.<br />
Abbildung des Eingangsspalts über das<br />
Prisma auf den Schirm. Aufgrund der<br />
Dispersion n = n(λ) (Abhängigkeit<br />
des Brechungsindex von der Wellenlänge)<br />
wird monochromatisches Licht unterschiedlicher<br />
Wellenlänge unterschiedlich<br />
gebrochen.<br />
1. Min.: sin γ = λ<br />
B<br />
Abb. 3.19: Beugungsfigur beim Spalt.
48 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Abb. 3.20: Zum Auflösungsvermögen eines Prismenspektrographen.<br />
Der optischen Weg von EA = s ist gleich<br />
dem optischen Weg CD2 = s2 , da<br />
die Strecke EC auf der gleichen Wellenfront<br />
liegt, wie die Strecke AD2 zu einem<br />
späteren Zeitpunkt. Weil die Strecke EA<br />
innerhalb des Prismas verläuft, gilt für die<br />
optische Weglänge EA · n2 = s · n2 = s2 .<br />
Ebenso erhalten wir für s1 : s1 = s·n1 . Die<br />
Differenz der optischen Weglängen D1D2 ist in guter Näherung gleich s1 − s2 =<br />
s(n1 − n2 ) = s · dn mit n1 = n2 + dn.<br />
Aus Abbildung 3.20 erhalten wir sin γ =<br />
D1D2<br />
= B vgl. Abb. 3.18).<br />
AD2<br />
Durch die Definition des Auflösungsvermögen hatten wir erhalten sin γ = λ<br />
B . Durch<br />
Gleichsetzen und Division durch dλ erhalten wir das spektrale Auflösungsvermögen<br />
λ<br />
= sdn<br />
dλ dλ .<br />
= s·dn<br />
B (AD 2<br />
s ist die Basislänge des verwendeten Prismas. Das spektrale Auflösungsvermögen<br />
eines Prismas ist also gleich dem Produkt aus seiner Basislänge und der Dispersion<br />
des Prismenmaterials. Es ist unabhängig vom brechenden Winkel.<br />
Um zum Beispiel die Na–D–Linie gerade noch getrennt wahrzunehmen, wollen wir<br />
die Basislänge des zu verwendenden Prismas berechnen: Na–D–Linien: λ1 = 5890 A,<br />
λ2 = 5896 A. =⇒ λ<br />
dλ =103 . Die Größe dn<br />
dλ beträgt für Flintglas ca. 1000 cm−1 .Damit<br />
ergibt sich die Basislänge:<br />
� s =<br />
103 103 =1cm<br />
cm−1 (b) Interferenzgitter: Im Strahlengang von Abbildung 3.18 wird das Prisma durch ein<br />
Gitter ersetzt.<br />
Wie schon beim Prismenspektrograph<br />
können zwei Wellenlängen (λ, λ + dλ)<br />
gerade noch getrennt wahrgenommen<br />
werden, wenn das Hauptmaximum der<br />
einen Wellenlänge mit dem ersten<br />
Minimum der Anderen zusammenfällt.<br />
Dann gilt<br />
g sin α1 = mλ g sin α3 =(m +1)λ<br />
g sin α2 = mλ + λ<br />
N<br />
g sin α4 =(m +1)λ − λ<br />
N<br />
Abb. 3.21: Beugungsfigur am Gitter.<br />
m(λ + dλ) =mλ + λ<br />
N<br />
=⇒<br />
λ<br />
= N · m<br />
dλ<br />
Das ist das Auflösungsvermögen beim<br />
Gitter.
3.4. Spektroskopische Ergebnisse 49<br />
Bestrahlt man ein Gitter mit einem Bündel weißem Licht, so entsteht beispielsweise<br />
das Maximum erster Ordnung für rotes Licht unter einem größerem Winkel als für<br />
blaues Licht.<br />
Ein Prisma macht nur ein Spektrum, ein Gitter<br />
macht viele Spektren sich überlappender Ordnungen!<br />
Man definiert den nutzbarer Wellenlängenbereich<br />
∆λ als den Bereich, in dem zu jeder Richtung<br />
(sin α) nur eine Wellenlänge gehört. Dies ist<br />
gerade der Bereich, bei dem die letzte Linie“ der<br />
”<br />
Ordnung m gerade in das letzte Minimum vor der<br />
Abb. 3.22: Überlapp zweier Spektren. ” erster Linie“ der Ordnung m +1fällt!<br />
Dann gilt:<br />
(c) Interferometer<br />
Abb. 3.23: Strahlengang im Interferometer.<br />
m(λ +∆λ) =(m +1)λ − λ<br />
N<br />
∆λ = λ<br />
m<br />
mit λ<br />
N<br />
≪ (m +1)λ<br />
Das Auflösungsvermögen und damit die Meßgenauigkeit<br />
läßt sich wesentlich erhöhen, wenn<br />
das Ausgangsstrahlenbündel in viele Teilbündel<br />
zerlegt wird, die einen von Bündel zu<br />
Bündel zunehmenden festen Gangunterschied<br />
aufweisen, bevor sie wieder vereinigt werden.<br />
Eines der bekanntesten Vielstrahlinterferrometer ist das Fabry–Perot–Interferrometer.<br />
Es besteht aus zwei hochreflektierenden Spiegeln, von denen der Eine halbdurchlässig<br />
ist. Die beiden Spiegel stehen variabel im Abstand d zueinander und bilden also einen<br />
offenen optischen Resonator aus.<br />
Die auf das Interferrometer unter dem Winkel ϑ treffende Strahlung wird durch die<br />
Vielfachreflexion zwischen den Spiegeln in viele Teilbündel aufgespalten. Der von<br />
Bündel zu Bündel fortschreidende Gangunterschied δ der durchgehenden Strahlung<br />
beträgt<br />
δ =2nd cos ϑ,<br />
wobei n der Brechungsindex des Mediums zwischen den Spiegeln ist. Mit einer<br />
Linse werden die austretenden parallelen Strahlenbündel in der Brennebene vereinigt.<br />
Es entstehen sehr scharfe Interferenzmaxima, die man aufgrund der Symmetrie der<br />
Anordnung als helle konzentrische Kreise auf dunklem Untergrung betrachtet (Kurven<br />
gleicher Neigung). Die Interferenzen sind um so schmäler, ja häufiger das Bündel<br />
zwischen den Spiegeln reflektiert wird und miteinander interferrierende Teilbündel<br />
erzeugt werden. Die Auflösung mit diesem Vielstrahlinterferometer ist sehr hoch. Die<br />
Ordnung der Interferrenzen beträgt etwa m ≈ 10 4 − 10 5 , wohingegen der nutzbare<br />
Wellenlängenbereich ∆λ ≈ 10 −4 λ sehr klein ist, was eine Vorzerlegung des Lichts<br />
notwendig macht.<br />
Mit diesem Gerät können also feine Linsenspektren und Linienbreiten vermessen werden.
50 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Was hat man nun beobachtet?<br />
Für das sichtbare H–Spektrum fand Balmer 1885 empirisch die Serienformel für λ:<br />
Seriengrenze: λ = C = 3645.6A.<br />
Hα : λ = 6562.7A = C 32<br />
32 9<br />
=<br />
− 22 5 C<br />
Hβ : λ = 4861.3A = C 42<br />
42 4<br />
=<br />
− 22 3 C<br />
Hγ : λ = 4340.5A = C 52<br />
52 25<br />
=<br />
− 22 21 C<br />
Hδ : λ = 4101.7A = C 62<br />
62 9<br />
=<br />
− 22 8 C<br />
Rydberg gab 1890 der Balmerformel die künftige Gestalt:<br />
ν := 1 ν<br />
=<br />
λ c<br />
mit<br />
�<br />
4 1 1<br />
= −<br />
C n2 n ′2<br />
�<br />
n ′ =3, 4,... n=2; ν Wellenzahl,<br />
4<br />
C = R H = 109677.6cm−1 : Rydberg–Konstante für Wasserstoff.<br />
Die Seriengrenze für n ′ →∞ergibt sich zu ν ∞ = 1<br />
4 R.
3.4. Spektroskopische Ergebnisse 51<br />
Abb. 3.24: Spektralserien des Wasserstoffs.<br />
Abb. 3.25: Termschma für die Linien des Wasserstoffspektrums.<br />
Die obigen Schaubilder zeigen die Linien des Wasserstoffspektrums, die in den weiter unten<br />
genannten Serien zusammengefaßt werden. Das Termschema des Wasserstoffs wird im Ramen<br />
der Bohrschen Theorie noch ausführlicher behandelt werden und soll an dieser Stelle nur erwähnt<br />
werden. Neben der schon erwähnten Balmerserie ergeben sich noch die von:<br />
�<br />
1 1<br />
Th. Lyman (1906) : ν = RH −<br />
12 n ′2<br />
�<br />
�<br />
1 1<br />
F. Paschen (1908) : ν = RH −<br />
32 n ′2<br />
�<br />
�<br />
1 1<br />
Brackett (1922) : ν = RH −<br />
42 n ′2<br />
�<br />
�<br />
1 1<br />
Pfund (1924) : ν = RH −<br />
52 n ′2<br />
�<br />
n =1 n ′ =2, 3,... UV,<br />
n =3 n ′ =4, 5,... IR,<br />
n =4 n ′ =5, 6,... IR,<br />
n =5 n ′ =6, 7,... IR.<br />
D.h. die Wellenzahlen ν (gemessen in cm −1 = Kayser) sind Differenzen von Termen:<br />
T n = R H<br />
n2 und Tn ′ = RH .<br />
n ′2
52 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
1908: Ritzsches Kombinationsprinzip: Die Differenz der Wellenzahlen (Frequenzen) zweier Linien<br />
einer Serie ist gleich der Wellenzahl (Frequenz) einer Linie, die im gleichen Atom in einer anderen<br />
Serie tatsächlich auftritt.<br />
(T n1 − T n ′ 1<br />
) − (T − T n1 n ′′ )=(T − T<br />
1<br />
n2 n ′ ) .<br />
2<br />
Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Entdeckung der Lyman– und Pfund–Serie mit enormen<br />
Meßschwierigkeiten verbunden war.<br />
Wasserstoff ist das einfachste (Einelektronen) Atom. Chemisch identisch ist der schwere Wasserstoff<br />
(Deuterium), der von Urey im H–Spektrum entdeckt wurde, da wegen RD �= RH die<br />
Linien im Spektrum etwas verschoben sind. Es gilt jedoch die gleiche Serienformel.<br />
Geht man vom Ein– zum Zweielektronensystem über (Helium), so findet man gleich ein sehr<br />
kompliziertes Spektrum. Es ist nur erklärbar durch zwei getrennte Termschemata. Man glaubte<br />
zunächst an zwei Sorten Helium: Ortho– und Parahelium. Jedoch in Funken (und bei astronomischen<br />
Beobachtungen) fand man ein He + –Spektrum und Serien (z.B. Fowler–Serie, Pickering–<br />
Serie u.a.), die ähnlich den Wasserstoffserien sind. Ebenso bei Li ++ –Spektren. Diese Ergebnisse<br />
bestätigten die Bohrsche Vorstellung, daß die Spektren aller Atome bzw. Ionen mit nur einem<br />
Elektron gleich sein müßten, bis auf den Faktor Z2 und der Rydbergzahl. Also sollte das Spektrum<br />
des H–Atoms zugleich die Spektren von He + ,Li ++ ,Be +++ oder allgemein aller Ionen, die<br />
nur ein Elektron besitzen, erklären. Also gilt<br />
ν = R · Z 2<br />
�<br />
1 1<br />
−<br />
n2 n ′2<br />
�<br />
für wasserstoffähnliche Spektren.<br />
mit RH �= R + He<br />
�= R ++ Li<br />
�= usw.<br />
Diese Aussage wurde zusammengefaßt im Spektralen Verschiebungssatz wasserstoffähnlicher<br />
Spektren von Kossel und Sommerfeld 1916:<br />
Das Spektrum eines beliebigen Atoms ist sehr ähnlich dem Spektrum des einfach<br />
positiv geladenen Atoms, das im Periodensystem folgt.<br />
Chemisch verwandt mit dem Wasserstoff sind Alkali–Atome (ein ” Leuchtelektron“). Die Spektren<br />
sind aber deutlich komplizierter: Es treten Haupt– und Nebenserien auf. Es gilt:<br />
ν = RNa · (Z − σ) 2<br />
�<br />
1<br />
−<br />
(n + s) 2<br />
1<br />
(n ′ + p) 2<br />
�<br />
n ′ = n +1,n+2,...<br />
Messungen mit besserer Auflösung zeigen, daß Einelektronenatome Dublett–Struktur, Paraheliumatome<br />
Singulett–, Orthoheliumatome Triplett– Struktur besitzen. Dies deutet auf eine Feinstruktur<br />
der Spektrallinien hin (vgl. Kapitel 6.5).<br />
Bringt man eine Lichtquelle in ein elektrisches oder magnetisches Feld, so erfolgt eine Aufspaltung<br />
der Spektrallinien. Im elektrischen Feld nennt man diese Beobachtung Stark–Effekt und<br />
im magnetsichen Feld spricht man vom Zeeman–Effekt, den wir im folgenden noch abhandeln<br />
werden.
3.5. Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler 53<br />
3.5 Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler<br />
3.5.1 Das Thomsonsche Atommodell<br />
Man stellte sich das Atom als statisches System vor, in dem die Elektronen in einer Wolke von<br />
positiver Elektrizität schwimmen. Der Radius dieser Kugel sollte etwa der des Gesamtatoms<br />
sein. Thomson selber stellte sich das Atom als einen positiv geladenen Pudding vor, in dem die<br />
Elektronen wie Rosinen eingebettet waren und Schwingungen ausführen durften.<br />
Es gilt folgende Bewegungsgleichung für die schwingenden Elektronen:<br />
Abb. 3.26: Zum Thomsonschen Atommodell.<br />
F = 1<br />
�<br />
4πε0 Z · e<br />
4π<br />
3 r3<br />
4π<br />
3 R3<br />
� �<br />
· − e<br />
r2 �<br />
= − Z · e2r = m¨r<br />
4πε0R3 Das Volumenverhältnis 4/3πr3<br />
4/3πR3 gibt dabei den Bruchteil der Coulombkraft des Gesamtatoms an,<br />
die auf das Elektron wirkt. (Da F bei einer homogen geladenen Vollkugel linear mit dem Abstand<br />
vom Mittelpunkt anwächst.)<br />
Die Lösung obiger Differentialgleichung ist die Harmonische Schwingung mit<br />
ω 0 =<br />
�<br />
Ze 2<br />
4πε 0 R 3 m<br />
Mit e =1.6 · 10−19 C, m =0.91 · 10−30 kg, 4πε0 = 1<br />
9 · 10−9 C/m 2<br />
V/m<br />
16 1<br />
ω0 =1.6 · 10<br />
s ⇐⇒ ν 1<br />
0 =2.5 · 1015<br />
s<br />
� λ0 = c<br />
ν0 =1.2 · 10 −7 m=1200A<br />
, Z = 1(H) ergibt sich<br />
Dies würde in etwa der stärksten Wasserstofflinie: Lα :<br />
λ = 1215 A entsprechen.<br />
Abb. 3.27: Serienspektrum mit<br />
Konvergenzgrenze.<br />
So gut, so schön; aber: Serienspektren mit Konvergenzgrenze sind nicht erklärbar!<br />
Andererseits konnte das Thomson–Modell auch das natürliche Licht als Folge von<br />
Dipolschwingungen erklären. Bei Schwingungen der eingebetteten Elektronen vieler ungeordneter<br />
Atome ergibt sich eine inkohärente Überlagerung. (Keine Phasenbeziehung!)<br />
Aufgrund der in Kapitel 3.3 gemachten Überlegungen erhalten wir für die Intensität der<br />
Strahlung:<br />
� � 2 2<br />
I = I0 sin θ +1+cosθ =2I0 , unabhängig von θ.<br />
D.h. isotrop, außerdem nicht polarisiert, ganz entsprechend der Beobachtung.<br />
Wie groß ist das Verhältnis von elektrischer zu magnetischer Dipolstrahlung?
54 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Ein zeitlich veränderliches Dipolmoment entspricht einem zeitlich veränderlichem Strom I =<br />
I0 · cos ωt, also<br />
˙p = dq<br />
dt l = Il = I0l cos ωt<br />
=⇒ p = 1<br />
ω I0l sin ωt � p 1<br />
0 =<br />
ω I0l. Damit ergibt sich das Verhältnis der Strahlungsleistungen (vgl. (3.3.2) und (3.3.4)) zu<br />
Prad (mag. D.) 1<br />
=<br />
Prad (elekt. D.) c2 m2 0<br />
p2 =<br />
0<br />
1<br />
c2 (I 0 A) 2<br />
1<br />
ω 2 I 2 0<br />
l2 ≈ ω2<br />
c 2 l2 =<br />
� �2 2πl<br />
λ<br />
Identifiziert man l mit dem Atomdurchmesser (≈ 1A) und λ mit der Lichtwellenlänge λ<br />
2π =<br />
6000<br />
2π A ≈ 103 A, dann gilt:<br />
Prad (mag. D.)<br />
≈ 10−6<br />
Prad (elekt. D.)<br />
d.h. die magnetische Dipolstrahlung kann gegenüber der elektrischen Dipolstrahlung vernachlässigt<br />
werden!<br />
Ein großer Erfolg des Thomson–Modells war die Deutung des (normalen)Zeeman–Effekts (1896)<br />
durch H.A. Lorentz.<br />
3.5.2 Der Zeeman–Effekt<br />
Bringt man eine Lichtquelle (z.B. eine Cd–Lampe) in ein schwaches Magnetfeld � B, so beobachtet<br />
man statt der einen Spektrallinie (z.B. 6440 A–Linie von Cd) folgendes:<br />
1. Bei Beobachtung senkrecht zu � B findet man 3 Linien, alle linear polarisiert, und zwar<br />
(a) die unverschobene Linie, die parallel zu � B polarisiert ist (π–Linie),<br />
(b) zwei um ω = ± e·B<br />
2m verschobene Linien, die senkrecht zu � B polarisiert sind (σ–Linien).<br />
2. Bei Beobachtung parallel zu � B findet man zwei Linien, beide sind zirkular polarisiert (rechts<br />
und links) und beide sind um ω = ± e·B<br />
2m in der Frequenz verschoben. Die unverschobene<br />
Linie beobachtet man nicht.<br />
B N B<br />
S<br />
Spekt. App.<br />
Transvers. B<br />
Spekt. App.<br />
Longit. B<br />
ν 0<br />
σ π σ<br />
B =0<br />
Abb. 3.28: Aufbau und Beobachtung beim klassischen Zeeman–Effekt.<br />
⊥ � B<br />
Transversal<br />
�<br />
Longitudinal<br />
� B
3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 55<br />
Der Effekt ist klein, man braucht zu seiner Untersuchung Spektralapparate sehr hoher Auflösung.<br />
Erklärung: Man kann einen beliebig im Raum schwingenden Atomdipol in eine lineare<br />
Schwingung in z–Richtung und in eine lineare Schwingung in der xy–Ebene zerlegen. Schaltet<br />
man jetzt das Magnetfeld in z–Richtung ein, so erfährt das senkrecht zu � B schwingende Elektron<br />
durch die Lorentzkraft e�v × � B eine Drehung seiner Bewegung. In einem um � B mitrotierenden<br />
Koordinatensystem wird die Lorentzkraft von der Corioliskraft kompensiert:<br />
evB =2mvω L � ω L = eB<br />
2m Larmorfrequenz.<br />
In diesem rotierenden System macht das Elektron dieselbe Bewegung (Frequenz) wie im ruhendem<br />
System ohne Magnetfeld. Die lineare Schwingung läßt sich in zwei Kreisschwingungen<br />
gleicher Frequenz (halbe Amplitude) zerlegen. Ein ruhender Beobachter sieht dann Umläufe<br />
mit ω = ω0 ± ωL . (Die Zentrifugalkraft kann vernachlässigt werden, da mω2 Lr ≪ 2mvωL d.h.<br />
ωL ≪ 2 v<br />
r =2ω0 .)<br />
Parallel zu � B beobachtet man (Longitudinal):<br />
• die beiden (verschobenen) zirkular polarisierten Linien.<br />
Senkrecht zu � B beobachtet man (Transversal):<br />
• Eine linear polarisierte unverschobene Linie, die parallel zu � B polarisiert ist (π–Licht) und<br />
die parallel zu � B nicht ausgestrahlt wird.<br />
• Zwei senkrecht zu � B polarisierte Linien (σ–Licht), frequenzverschoben, da man ” seitlich“<br />
auf die Kreisströme blickt.<br />
Aus dem normalem Zeeman–Effekt kann e/m bestimmt werden! Die Erklärung des Effekts mit<br />
Hilfe von schwingenden Elektronen war somit eine Bestätigung für das Thomson–Modell.<br />
3.6 Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als<br />
Sekundärstrahler<br />
3.6.1 Beugung, Brechung, Dispersion, Absorption, Resonanzfluoreszenz,<br />
Lebensdauer<br />
Werden die Elektronen der Atome (z.B. thermisch, in Gasentladungen) angeregt, dann erfolgt<br />
aufgrund der Dipolschwingungen eine Emission von elektromagnetischen Wellen, die<br />
Primärstrahlung. Erfolgt die Anregung durch diese elektromagnetischen Wellen, so führen die<br />
Elektronen der Atome erzwungene Schwingungen aus. Man erhält die Sekundärstrahlung. Die<br />
Strahlung ist kohärent zwischen Anregung und Ausstrahlung, d.h. die Phasenbeziehung zwischen<br />
Primär– und Sekundärstrahlung ist zwischen Anregung und Ausstrahlung fest.<br />
Welche Phänomene können mit diesem Modell erklärt werden?<br />
Gegeben sei ein Einkristall, d.h. geordnete Sekundärquellen mit d ≈ 1A. Als Primärstrahlung<br />
werde Licht mit λ ≈ 1A, d.h. Röntgenstrahlung verwendet.
56 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Die Sekundärstrahlung interferiert wenn d sin α = z · λ, wennalsodieBragg–Bedingung erfüllt<br />
ist. Wir erhalten viele Ordnungen: Röntgenbeugung.<br />
In der 0. Ordnung tritt auch Interferenz zwischen der Primär– und Sekundärstrahlung auf.<br />
Was ergibt sich nun für sichtbares Licht (λ ≈ 5000 A)? d sin α = zλ ist nur erfüllbar für z =0,<br />
d.h. nur für die 0. Beugungsordnung (durchgehender Strahl). Da aber im sichtbaren Bereich<br />
die atomaren Eigenfrequenzen der schwingenden Atome liegen, beobachtet man Resonanz<br />
bei der erzwungenen Schwingung. Wie wir aus der klassischen Mechanik wissen, beträgt die<br />
Phasenverschiebung zwischen erzwungener Schwingung und Erregerschwingung in der Resonanz<br />
90◦ . Da der durchgehende Strahl eine Überlagerung einer Primärwelle mit der Summe aller<br />
Sekundärwellen ist, ergibt sich eine Phasenverzögerung der aufsummierten Welle gegenüber der<br />
ursprünglicher Primärwelle. Sie wirkt sich als Herabsetzung der effektiven Phasengeschwindigkeit<br />
aus. Dieses Phasenverhalten, das abhängig von der Frequenz ω ist, ist Ursache für die Dispersion.<br />
Die Lichtgeschwindigkeit wird kleiner:<br />
v = c<br />
n<br />
Dies ist zugleich die Ursache für die Lichtbrechung. Die Abhängigkeit n = n(ω) nenntman<br />
Dispersion. Im Bereich hoher Frequenzen (Röntgengebiet ω ≫ ω0 ) gilt n ≈ 1;<br />
d.h. Röntgenbeugungsordnungen zeigen keine Brechung!<br />
Allgemein gilt für die DGL einer erzwungenen Schwingung mit Dämpfung:<br />
m¨x + γ ˙x + Dx = eE 0 e −iωt′<br />
� x(t ′ )= eE 0<br />
m<br />
e −iωt′<br />
ω 2 0 − ω2 − iγ ω<br />
m<br />
mit F (t ′ )=e · E(t ′ )=e · E 0 e −iωt′<br />
mit ω 0 =<br />
Damit wird das elektrische Dipolmoment des Atoms:<br />
p(t ′ )=e · x(t ′ )= e2 E 0<br />
m<br />
Aus der Beziehung für die elektrische Polarisation<br />
� D<br />
m Eigenfrequenz.<br />
e−iωt′ ω2 0 − ω2 − iγ ω .<br />
m<br />
P (t ′ )=N · p(t ′ )=ε 0 (ε − 1)E(t ′ )<br />
N Teilchenzahl/cm 3 , erhalten wir für den Brechungsindex:<br />
n = √ ε =<br />
�<br />
1+<br />
Ne 2<br />
ε 0 m(ω 2 0 − ω2 − iγ ω<br />
m ) = � 1+χ el<br />
Der Brechungsindex ist also komplex!<br />
�<br />
�<br />
�<br />
n = �1+ Ne2 (ω2 0 − ω2 + iγ ω<br />
m )<br />
�<br />
ε0m (ω2 0 − ω2 ) 2 + � γω<br />
m<br />
mit χ el : der elektrischen Suszeptibilität.<br />
� 2 � = n ′ + in ′′<br />
(3.6.1)
3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 57<br />
Die Feldstärke am Ort z ergibt sich zu:<br />
�E = � E o e −iωt′<br />
= � z −iω(t− Eoe v )<br />
�E = � zn′<br />
Eoe −iω( c − t) n′′ −ω e c z<br />
Damit ist dann die Intensität am Ort z:<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
mit v = c<br />
n und t′ = t − z<br />
v<br />
(zeitliche Retardierung siehe Kapitel∗ 3.2).<br />
I ∼| � E| 2 2ωn′′<br />
∼ e<br />
− c z = e −αz<br />
α = 2ωn′′<br />
c<br />
α = Absorptionskoeffizient<br />
Der Realteil n ′ gibt uns den normalen“ Brechungsindex v =<br />
” c<br />
n ′ an und der Imaginärteil n ′′ ist<br />
verknüpft mit einem Absorptionskoeffizienten α. Dies läßt sich im folgenden zeigen:<br />
Ist in n = √ 1+A die Größe A ≪ 1(z.B. Teilchendichte klein) kann man die Taylorentwicklung<br />
der Wurzel nach dem 2. Glied abbrechen. In der Nähe der Resonanzstelle (ω ≈ ω0 )ist(ω2 0 −ω2 )=<br />
(ω0 − ω)(ω0 + ω) ≈−2ω0 (ω − ω0 ) und ωγ ω0γ γ<br />
m ≈ m ,sowie<br />
m =Γω .<br />
Dann erhält man für kleines N aus einer Taylorentwicklung von n nach N<br />
n ≈ 1+ 1 ···<br />
2 ··· = n′ + in ′′ .<br />
n ′ = 1 + Ne2 ω<br />
2ε0m 2 0 − ω2<br />
(ω2 0 − ω2 ) 2 + � � ωγ 2<br />
m<br />
−→ 1 − Ne2 ω − ω0 4ε0ω0m (ω − ω0 ) 2 + � �2 Γω<br />
2<br />
(3.6.2)<br />
α = 2ωn′′<br />
c =<br />
Ne2ω2γ cε0m2 �<br />
(ω2 0 − ω2 ) 2 + � � �<br />
ωγ 2<br />
m<br />
−→ Ne2 Γω 4ε0cm (ω − ω0 ) 2 + � �2 Γω<br />
2<br />
(3.6.3)<br />
Tragen wir (3.6.2) und (3.6.3) in Abhängigkeit von ω auf, so erhalten wir Abbildung 3.29.<br />
Die Breite der Resonanz Γω entspricht gleichzeitig dem Gebiet der anomalen Dispersion<br />
Abb. 3.29: Resonanzkurven (Lorentzkurven)für α und Dispersionskurve für den Brechungsindex.<br />
Befinden wir uns im Resonanzfall, so ist die Erregerfrequenz (Absorptionsfrequenz) gleich der<br />
Eigenfrequenz des Atoms (Emissionsfrequenz). Absorbiert also eine Substanz die gleiche Frequenz,<br />
die sie emittiert, so nennt man diese Erscheinung Resonanzfluoreszenz.<br />
.
58 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Bringt man die Resonatoren aus dem Lichtfeld heraus (allgemein aus dem Anregungsbereich<br />
heraus), so entsteht eine freie gedämpfte Schwingung:<br />
Die Intensität ist dann<br />
m¨x + γ ˙x + Dx =0 mitLösung: x(t ′ γ<br />
−<br />
)=x0e 2m t′<br />
e iω0t′<br />
.<br />
I(t ′ ) ∼ x 2 (t ′ γ<br />
−<br />
)=I0e m t′<br />
e iω0t′<br />
t′<br />
−<br />
= I0e τ e iω0t′<br />
,<br />
wobei τ = m<br />
γ<br />
= 1<br />
Γ ω<br />
die mittlere Lebensdauer darstellt.<br />
Die Fouriertransformation (Fourierintegral) des Zeitverhaltens liefert ein Frequenzspektrum. Als<br />
Ergebnis erhalten wir eine Emissionslinie endlicher Breite:<br />
Γ ω = γ<br />
m .<br />
Die Emissionslinie hat die gleiche Breite wie die Absorptionslinie. Die Breite, verknüpft mit der<br />
mittlere Lebensdauer, ergibt die klassische Unschärferelation:<br />
τΓ ω =1 .<br />
Wir setzten die Reibungskraft proportional zu ˙x (R = γ ˙x) an, da die Ursache für die ” Reibung“<br />
die Strahlungsdämpfung ist. Die Arbeit der Dämpfungskraft ergibt sich zu<br />
Die mittlere Leistung ist dann<br />
Mit<br />
P (t′ ) 1<br />
=<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
0<br />
dW = Rdx = R ˙xdt ′ .<br />
(t<br />
der Strahlungsleistung Prad ′ ) 2<br />
=<br />
3<br />
1<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
0<br />
¨x 2 dt ′ = 1<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
0<br />
¨x¨xdt ′ =<br />
R ˙xdt ′ , die ja gleich (3.6.4)<br />
e 2<br />
4πε 0 c 3<br />
1<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
˙x¨x| t ′ − ˙x¨x| 0<br />
t ′<br />
� �� �<br />
→ 0<br />
da ˙x, ¨x endl. variiert; t ′ groß<br />
und durch Gleichsetzten von (3.6.4) und (3.6.5) ergibt sich somit<br />
1<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
0<br />
R ˙xdt ′ = − 2<br />
3<br />
e 2<br />
4πε 0 c 3<br />
1<br />
t ′<br />
t ′<br />
�<br />
o<br />
˙x ...<br />
xdt ′ � R = − 2<br />
3<br />
0<br />
¨x 2 dt ′<br />
− 1<br />
t ′<br />
e 2<br />
4πε 0 c 3<br />
t ′<br />
�<br />
0<br />
sein soll. (3.6.5)<br />
˙x · ...<br />
xdt ′<br />
e 2 ω 2<br />
... 2<br />
x =<br />
3 4πε0c3 ˙x,<br />
� �� �<br />
γ
3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 59<br />
da mit ˙x = ˙x0 sin ωt ′ � ...<br />
x = −ω2 ˙x 0 sin ωt ′ = −ω2 ˙x gilt. Wir erhlaten dann für die mittlere<br />
Lebensdauer:<br />
τ = m<br />
γ<br />
= 1<br />
Γ ω<br />
= 3 4πε0c 2<br />
3m e2ω2 Mit den Werten für die Konstanten und für ω (λ = 5000 A) ergibt sich eine Abklingzeit an<br />
Kathodenstrahlen mit:<br />
τ =10 −8 s .<br />
3.6.2 Doppelbrechung, optische Aktivität, Faraday–Effekt<br />
Mit der Vorstellung der erzwungenen schwingenden Atomdipole lassen sich die Phänomene<br />
der Reflexion und Brechung (Fresnelsche Formeln), derTotalreflexion (endliches Eindringen in<br />
” dünneres“ Medium) und des klassischen Tunneleffekts zwangslos erklären, ebenso die Polarisation<br />
des reflektierten Lichts unter dem Brewster–Winkel.<br />
Weitere Polarisationseffekte:<br />
• Die Doppelbrechung erklärt sich aus räumlicher Anisotropie der Rückstellkräfte. Dies gilt<br />
für Kristalle, die in einer Richtung eine höhere Symmetrie aufweisen als in den Anderen.<br />
Diese ausgezeichnete Richtung nennt man optische Achse. (Bsp.: Ist ein Molekül rotationssymmetrisch,<br />
so ist die Rotationsachse die optische Achse). Durch die unterschiedlichen<br />
Rückstellkräfte ergeben sich für verschiedene Schwingungsrichtungen unterschiedliche Resonanzstellen,<br />
damit unterschiedliche Brechungsindizes, d.h. unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten.<br />
Betrachten wir konkret eine Lichtquelle, repräsentiert durch in alle drei Raumrichtungen<br />
schwingende Atomdipole, in einem optischen Kristall mit der z–Achse als optische Achse.<br />
Stellen wir uns die schwingenden Atomdipole als Ladungen vor, die durch Federn gekoppelt<br />
sind, so bedeutet der oben genannte optisch anisotrope Kristall, daß die Federn in x– und y–<br />
Richtung gleich stark sein sollen, jedoch die Feder in z–Richtung eine andere Federkonstante<br />
besitzen soll.<br />
Abb. 3.30: Zur Ausbreitung der elektromagnetischen<br />
Welle.<br />
.<br />
Aufgrund der unterschiedlichen Federkonstanteninderxy–Ebene<br />
bzw. in der xz– und yz–<br />
Ebene schwingt der Dipol, der entlang der optischen<br />
Achse abstrahlt, mit einer anderen Frequenz<br />
als diejenigen Dipole, die in der xz– bzw.<br />
yz–Ebene schwingen.<br />
Zur Ausbreitung der elektromagnetischen Welle<br />
in z–Richtung tragen nur die x– und y–<br />
Federn bei, die ja beide die gleiche Federkonstante<br />
und somit gleiche Ausbreitungsgeschwindigkeiten<br />
besitzen.<br />
In allen anderen Richtungen der xz–Ebene tragen alle drei Federn bei.<br />
Wir bezeichnen den Strahl, dessen � E–Vektor senkrecht zu der Ebene schwingt, die aus der<br />
Ausbreitungsrichtung �k und der optischen Achse ausgespannt wird, als ordentlicher Strahl<br />
(in Abbildung 3.30 durch einen Punkt (•) gekennzeichnet); den Strahl, dessen � E–Vektor
60 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
parallel zu der Ebene schwingt als außerordentlicher Strahl (in der Abbildung durch einen<br />
Strich (−) gekennzeichnet).<br />
Die z–Richtung heißt optische Achse. Auf ihr liegen die beiden Berührungspunkte der<br />
ordentlichen Lichtkugel und des ausserordentlichen Lichtellipsoids.<br />
Trifft nun Licht von außen senkrecht auf die<br />
Oberfläche eines optisch anisotropen Kristalls,<br />
so erhalten wir folgende Fälle:<br />
– Die optische Achse liegt parallel zur Einfallsrichtung:<br />
Keine Aufspaltung in zwei<br />
Abb. 3.31: Optische Achse parallel zur Einfallsrich-<br />
Strahlen.<br />
tung.<br />
– Die Optische Achse liegt senkrecht zur Einfallsrichtung: Zwei Strahlen laufen mit unterschiedlichen<br />
Phasengeschwindigkeiten hintereinander her, die senkrecht zueinander<br />
polarisiert sind.<br />
Als Spezialfall erhalten wir hier das λ/4–Plättchen, bei dem die Phasendifferenz nach<br />
Austritt aus dem doppelbrechenden Material genau π/2beträgt. Wir erhalten zirkular<br />
polarisiertes Licht.<br />
Abb. 3.32: Optische Achse senkrecht zur Einfallsrichtung.<br />
Abb. 3.33: Doppelbrechung bei einem λ/4–<br />
Plättchen.<br />
– Bei schrägem Auffall auf einen Kistall mit<br />
schräg liegender optischer Achse: Zwei<br />
Strahlen, die senkrecht zueinander polarisiert<br />
sind und unterschiedlich gebrochen<br />
werden.<br />
Abb. 3.34: Optische Achse schräg zur Einfallsrichtung.<br />
• Optische Aktivität: Darunter versteht man die Drehung der Schwingungsebene des linear<br />
polarisierten Lichtes in optisch aktiven Kristallen (Quarz) oder optisch aktiven Lösungen<br />
(Zuckerlösung). Die Erklärung dafür sind die verschiedenen Brechungsindizes und aufgrund<br />
der Dispersion die unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten für rechts– und<br />
linkszirkular polarisiertes Licht. Es sei z.B. n +
3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 61<br />
Abb. 3.35: Optische Aktivität. Drehung des � E–Vektors um den Winkel α.<br />
Zunächst:<br />
E = E z = e i(kx−ωt)<br />
Zerlegung in zwei zirkular polarisierte Wellen:<br />
E + ⎧<br />
⎪⎨<br />
=<br />
⎪⎩<br />
mit<br />
E − ⎧<br />
⎪⎨<br />
=<br />
⎪⎩<br />
k + = 2π<br />
λ + = n+ · ω<br />
c<br />
k − = 2π<br />
λ− = n− · ω<br />
c<br />
Nach Durchlaufen der Länge l gilt:<br />
E z = E + z (l)+E− z (l) = E 0<br />
2<br />
E + z = E 0<br />
2 ei(k+ x−ωt)<br />
E + y = E 0<br />
2 ei(k+ x−ωt+ π<br />
2 )<br />
E − z = E 0<br />
2 ei(k− x−ωt)<br />
E − y = E 0<br />
2 ei(k− x−ωt+ π<br />
2 )<br />
; n + = n − ∆n; k + = n ω<br />
c<br />
− ∆nω<br />
c<br />
; n − = n +∆n; k − = n ω<br />
c +∆nω<br />
c .<br />
�<br />
ω<br />
ei(n c l−ωt)<br />
= E 0 e i(...) cos<br />
entsprechend E y = E 0 e i(...) sin<br />
ω<br />
e<br />
−i(∆n c l) ω<br />
+ e<br />
i(∆n c l)�<br />
�<br />
∆n · ω<br />
c l<br />
�<br />
,<br />
�<br />
∆n · ω<br />
c l<br />
�<br />
.
62 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Die resultierende Welle, die wiederum linear polarisiert ist, erhält man durch Vektoraddition<br />
von E + und E − . Hierzu drehen wir die schneller laufende Welle E + auf ihrer<br />
Schraubenlinie um die Strecke zurück, die sie aufgrund ihrer größeren Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />
gewonnen hat. Die resultierende Welle ist nun aber um den Winkel α<br />
gegenüber der Polarisationsebene beim Eintritt der Welle in die optische aktive Substanz<br />
gedreht.<br />
Ey =tanα =tan(∆n<br />
Ez ω<br />
l) α =∆nωl<br />
Rotationsdispersion ,<br />
c c<br />
wobei ∆n proportional zur Konzentration der Lösungen ist.<br />
Die Optische Aktivität kann man auch künstlich erzeugen, wenn man eine normale Substanz<br />
durchstrahlt und parallel dazu ein � B–Feld einschaltet: Faraday–Effekt. Das � B–Feld<br />
bewirkt auf die senkrecht dazu schwingende Dipole eine Larmorpräzession (Zerlegung in<br />
zwei rotierende Elektronen → ein ruhender Beobachter sieht die Frequenzen verschoben,<br />
d.h. aus einer Resonanzstelle wurden zwei!).<br />
Damit ist<br />
∆n = dn dn<br />
∆ω =<br />
dω dω ωL wobei ωL die Larmorfrequenz ist.<br />
Mit dω 2πc<br />
dλ = − λ2 folgt ∆n = −λ2 dn<br />
2πc dλ ω λ2 dn eB 2πc<br />
L , also gilt α = − 2πc dλ 2m cλ l oder<br />
α = − e<br />
2mc λdnlB<br />
= V · l · B .<br />
dλ<br />
V ist dabei die Verdetsche Konstante (= − e λ dn<br />
m 2c dλ )<br />
Damit läßt sich für Substanzen, die den normalen Zeeman–Effekt zeigen, mit Hilfe des<br />
Faradayeffekts e<br />
m bestimmem.<br />
• Der elektro–optische Effekt (Kerr-Effekt 1875)<br />
Für Interessierte nachzulesen in Feynman Band I, S. 451.<br />
3.6.3 Lichtstreuung, Streuung von Röntgenstrahlen<br />
• Lichtstreuung<br />
Röntgenbeugung und Lichtbrechung (gebrochener Strahl = 0. Beugungsordung) sind<br />
Interferenzphänomene. Ihr Zustandekommen setzt einen hohen Ordnungsgrad der<br />
Sekundärquellen (Atome) voraus. Zur Berechnung der Intensitäten (z.B. Fresnelsche Gleichungen)<br />
muß man die Amplituden addieren und quadrieren: kohärente Überlagerung des<br />
Sekundärlichtes (+ kohärente Addition des Primärlichtes in der 0. Ordnung!).<br />
Ist die Ordnung der Sekundärquellen durch eingelagerte und statistisch (also willkürlich)<br />
verteilte Fremdatome gestört, so löschen sich bei diesen Sekundärquellen bei der Amplitudenüberlagerung<br />
die Interferenzterme heraus (Phasendifferenz nicht konstant, zeitliches<br />
Mittel gleich Null) und die Gesamtintensität ist die Summe der Einzelintensitäten:<br />
Inkohärente Überlagerung der Sekundärstrahlung (aber kohärent, d.h. phasenstarr in Bezug<br />
auf das Primärlicht: Erzwungene Schwingung). Diese Erscheinung nennt man Streuung.<br />
Fassen wir also nochmals zusammen:
3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 63<br />
Die Wechselwirkung von Licht mit unregelmäßig verteilten Sekundärquellen<br />
nennt man Streuung. Die Lichtstreuung tritt also auf bei Einbau von<br />
Fremdatomen in Einkristalle (Dotierungen), bei Zusätzen in Flüssigkeiten (kolloidale<br />
Verklumpungen: Tyndall–Effekt), bei Zusätzen in Gasen (z.B. Rauch),<br />
und letztlich auch bei Gasen überhaupt (thermische Bewegung sorgt für eine<br />
statistische Verteilung).<br />
Die Lichtstreuung an Teilchen wird zur Bestimmung der Größe und Konzentration von<br />
Teilchen ausgenutzt. Zur Beschreibung der Brechung in Gasen geht die mittlere Teilchendichte<br />
N ein, zur Beschreibung der Streuung die Schwankung (Varianz) (N − N) 2 .<br />
Schickt man Licht in ein streuendes Medium, so wird die Intensität geschwächt (Extinktion).<br />
Nun ist<br />
Abb. 3.36: Zur Intensitätsabnahme.<br />
Die Intensitätsabnahme ∆I längs eines kurzen<br />
Wegstückes ∆x ist proportional zur einfallenden<br />
Intensität I und zur Länge von ∆x. κ heißt<br />
Extinktionskoeffizient.<br />
∆I = −κI∆x I = W P<br />
=<br />
A · t A<br />
κ = −∆I<br />
I∆x<br />
1. die eingestrahlte Intensität I = 1<br />
2ε0cE2 0 (vgl. (3.1.1)),<br />
2. die Intensitätsabnahme ∆I gleich der gestreuten Intensität, die sich aus der<br />
Strahlungsleistung Hertzscher Dipole berechnen läßt (3.3.2). Da (mit N = Teilchendichte)<br />
in ∆x insgesamt N · A · ∆x Dipole angeregt werden, gilt<br />
Energie<br />
Fläche·Zeit<br />
∆I := − Prad A · NA∆x = −PradN∆x [∆I] =<br />
= − 1 cp<br />
3<br />
2 �<br />
0 ω<br />
�4 N∆x [Prad ] =<br />
4πε0 c<br />
Energie<br />
Zeit<br />
Damit ergibt sich der Extinktionskoeffizient<br />
κ =<br />
� �<br />
ω 4<br />
c N∆x<br />
1 cp<br />
3<br />
2<br />
0<br />
4πε0<br />
1<br />
2ε0cE2 0∆x = 8π<br />
3<br />
κ = 8π3<br />
3ε2 � �2 p0<br />
0 E0 N<br />
(4πε0 ) 2<br />
�<br />
p0<br />
E0 N · 1<br />
.<br />
λ4 � 2 �ω<br />
Diese starke Frequenzabhängigkeit κ ∼ 1<br />
λ 4 wird als Rayleigh–Streuung bezeichnet.<br />
Betrachtet man ein Gas mit seinen statistisch verteilten Molekülen, so muß auch im saubersten<br />
Gas Streuung erfolgen. Für die elektrische Polarisation � P gilt:<br />
�P = ε 0 (ε − 1) � E = N · �p =⇒<br />
p0 E0 c<br />
� 4<br />
= ε 0<br />
N (ε − 1)=ε 0<br />
N (n′2 − 1),
64 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
damit gilt κ = (n′2 2 − 1)<br />
6 πNc4 ω4 = 8π3 M<br />
· ·<br />
3 ϱNA (n′2 − 1)<br />
λ4 (3.6.6)<br />
mit N = ϱNA<br />
M und M als Molmasse. Je kleiner λ ist, desto mehr Licht wird also gestreut.<br />
Daraus läßt sich das Himmelsblau erklären (blaues Licht wird stärker gestreut als rotes).<br />
Mißt man den Extinktionskoeffizienten κ, so kann aus (3.6.6) die Avogadrokonstante NA aus der Lichtstreuung bestimmt werden.<br />
• Streuung von Röntgenstrahlen<br />
Wie beim sichtbarem Licht sind auch die gestreuten Röntgenstrahlen linear polarisiert:<br />
Barkla–Streuung.<br />
Von J.J. Thomson wurde damit auch der Extinktionskoeffizient der Röntgenstrahlung<br />
bestimmt. Es hatte sich experimentell gezeigt, daß der sogenannte Massenstreukoeffizient<br />
(bei mittleren Härten der Röntgenstrahlung) einen materialunabhängigen Wert besitzt:<br />
κ<br />
ϱ<br />
κ<br />
experimentell:<br />
ϱ =0.2cm2 /g .<br />
Zur Berechnung müssen wir berücksichtigen, daß<br />
1. alle Elektronen der Atome zur Röntgenstreuung beitragen: N → N · Z ,<br />
2. ω ≫ ω0 und ω ≫ γ<br />
m ist. Dann ergibt sich aus (3.6.1) in 1. Näherung<br />
Und somit wird mit (3.6.6)<br />
κ = 8π<br />
�<br />
(Z · N)<br />
3<br />
n ′2 = 1 + ZNe 2<br />
ε 0 m(−ω 2 )<br />
⇐⇒ (n ′2 2 Z<br />
− 1) = 2 N 2e4 . 4<br />
e 2<br />
4πε 0 mc 2<br />
�2<br />
ε 2 0 m2 ω<br />
= 8π<br />
3 r2 0 · (ZN)=σ · Z · N , (3.6.7)<br />
da man einen Absorptionskoeffizienten schreiben kann als κ =(ZN) · σ. Also lautet der<br />
Streuwirkungsquerschnitt<br />
σ St. Rö. = 8π<br />
3 r2 0 .<br />
r 0 ist der klassische Elektronenradius und σ der Thomson–Querschnitt.<br />
Mit N = ϱNA<br />
M<br />
wird der Massenstreukoeffizient zu<br />
κ 8π<br />
=<br />
ϱ 3 r2 0 · N Z<br />
A ·<br />
M<br />
cm2 Z<br />
=0.4 ·<br />
mol M =0.4<br />
� �<br />
Z<br />
cm<br />
M<br />
2 g −1 .<br />
Der Vergleich mit dem experimentellen Befund κ<br />
ϱ =0.2cm2 /g liefert<br />
� �<br />
Z<br />
=<br />
M<br />
Z<br />
=0.5 J.J. Thomson. (M = Molzahl; A = Massenzahl)<br />
A
3.7. Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld 65<br />
Diese Formel besagt, daß bei leichten Elementen (mit Ausnahme von Wasserstoff) die<br />
Ordnungszahl gleich der Hälfte des Atomgewichts sein muß. Eine solche Beziehung ist am<br />
Anfang des Periodensystems tatsächlich annähernd erfüllt. Die physikalischen Ursachen<br />
dafür sind in der Natur der Kernkräfte zu suchen. (Kern besteht aus Protonen und Neutronen).<br />
3.7 Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen<br />
Strahlungsfeld<br />
Wie wir aus Kapitel 3.1wissen, führt ein elektromagnetisches Strahlungsfeld einen Impuls mit<br />
sich.<br />
Die absorbierte Strahlung überträgt also auf den Absorber einen Strahlungsdruck. Analog:<br />
senkrecht reflektierte Strahlung überträgt auf einen Spiegel den doppelten Druck.<br />
Außerdem führt zirkular polarisiertes Licht einen Drehimpuls mit sich.<br />
Wir betrachten ein Plättchen aus doppelbrechendem Material.<br />
Abb. 3.37: Plättchen aus doppelbrechenden Material.<br />
Senkrecht dazu soll Licht auffallen. Der � E–<br />
Vektor des Lichts erzeugt ein induziertes elektrisches<br />
Dipolmoment �p, das wegen n x �= n y<br />
nicht mehr kollinear zu � E ist. Das Drehmoment<br />
�T beträgt dann:<br />
�T = �p × � E.<br />
Das Drehmoment pro Volumeneinheit ist dann:<br />
d� T<br />
dV = � P × � �<br />
E = ε0 (ε − 1) � E × � �<br />
E = ε0 (ε � E) × � E<br />
mit Polarisation � P = d�p<br />
dV und � E = const. (d.h.<br />
d � E<br />
dV =0).<br />
d � T<br />
dV ist nur ungleich Null, wenn ε ein Tensor ist, d.h. εx = n2x �= εy = n2y , d.h. anisotropes<br />
(doppelbrechendes) Material vorhanden ist. Dies ist hier der Fall und so erhalten wir mit � E =<br />
(Ex ,Ey , 0) und εxy = εxz = εyz =0:<br />
dTz dV = ε � 2<br />
0 nx (ExEy ) − n 2 y (EyEx )� = ε0ExEy (n 2 x − n2y ) .<br />
Die Welle, die in z = 0 auftrifft, hat die Komponenten Ex = E cos ωt ; E x0 y = E cos(ωt − α)<br />
y0<br />
mit<br />
α = 0 : linear polarisierte Welle<br />
α = π<br />
2<br />
: rechts zirkular polarisierte Welle<br />
α = − π<br />
2<br />
: links zirkular polarisierte Welle
66 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />
Nach Durchlaufen der Strecke z im Medium ist dann<br />
mit E x0 = E y0 = E 0 .<br />
Ex =<br />
z<br />
E cos ω(t − n x0 x<br />
c ) = Ex0 cos(ωt − φx )<br />
Ey =<br />
z<br />
E cos ω(t − n y0 y<br />
c − α) = Ey0 cos(ωt − φy − α)<br />
dTz dV = ε0E2 0 (n2x − n2 y )cos(ωt − φx ) · cos(ωt − φ =<br />
y − α)<br />
1<br />
2 ε0E2 0 (n2x − n2y ) � cos(2ωt − φx − φy − α)+cos(φx−φy− α) �<br />
(3.7.1)<br />
Nun wollen wir das gesamte Drehmoment, das der Quader � in Abbildung � 3.37 erfährt im zeitlichen<br />
Mittel berechnen. Dazu mitteln wir (3.7.1) zeitlich cos(...t)=0 , integrieren über z von 0 bis<br />
l und multiplizieren noch mit der durchströmten Fläche A:<br />
�<br />
(t)<br />
Tz = A<br />
0<br />
l<br />
dTz dV dz = Aε0c 2ω (nx + ny )E2 � �<br />
2π<br />
0 sin<br />
λ (nx − n � �<br />
y )l − α +sinα<br />
Die einfallende Intensität beträgt<br />
I = vε0εE2(t) = c<br />
n ε0 · n2E2(t) = 1<br />
2 cε �<br />
0 nxE 2 x0 + nyE2 �<br />
y0 wegen E2 (t) = 1<br />
2E2 0<br />
= cε0E2 0<br />
(nx + ny ).<br />
2<br />
Damit beträgt die Leistung P (t) auf die Fläche A:<br />
Für das mittlere Drehmoment ergibt sich dann<br />
P (t) = I · A = cε 0 A<br />
2 (n x + n y )E2 0 .<br />
(t) P<br />
Tz = (t) � �<br />
2π<br />
sin<br />
ω λ (nx − n � �<br />
y )l − α +sinα .<br />
Wegen T = ∆L<br />
∆t beträgt der in der Einwirkungszeit ∆t übertragene Drehimpuls ∆L, derdem<br />
Strahlungsfeld entzogen sein muß (Drehimpulserhaltungssatz):<br />
(t)<br />
∆W<br />
∆L =<br />
ω<br />
∆L = P (t) ∆t<br />
ω<br />
[...]<br />
� �<br />
2π<br />
sin<br />
λ (nx − n � �<br />
y )l − α +sinα<br />
.
3.7. Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld 67<br />
∆W ist die in der Einwirkungszeit ∆t durch das Plättchen gestrahlte Energie.<br />
λ<br />
4 –Plättchen<br />
(n x − n y )l = λ<br />
4<br />
λ<br />
2 –Plättchen<br />
(n x − n y )l = λ<br />
2<br />
zur Erklärung:<br />
⎧<br />
⎨<br />
austretendes Licht:<br />
2π<br />
⎩ λ (nx − ny )l − α :<br />
⎧<br />
[...]:<br />
⎨ austretendes Licht:<br />
2π<br />
⎩ λ (nx − ny )l − α :<br />
[...]:<br />
Einfallendes Licht<br />
lin. pol. rechts zirk. pol. links zirk. pol.<br />
α =0 α = π<br />
2 α = − π<br />
zirk. pol. lin. pol.<br />
2<br />
π π<br />
2 − 0= 2<br />
1+0=1<br />
π π<br />
2 − 2 =0<br />
lin. pol.<br />
0+1=1<br />
π π<br />
2 + 2 = π<br />
0 − 1=−1<br />
lin. pol. links zirk. pol.<br />
π − 0=π<br />
0+0=0<br />
π − π<br />
rechts zirk. pol.<br />
π<br />
2 = 2<br />
1+1=2<br />
π + π 3<br />
2 = 2π −1 − 1=−2<br />
Wenn linear pol. Licht übergeht in linear pol. Licht: kein Drehimpulsübertrag.<br />
Wenn linear pol. Licht übergeht in zirkular pol. Licht: Drehimpulsübertrag Betrag 1.<br />
Wenn zirkular pol. Licht übergeht in linear pol. Licht: Drehimpulsübertrag Betrag 1.<br />
Wenn rechts zirk. pol. Licht übergeht in links zirk. pol. Licht: ∆L–Übertrag Betrag 2.<br />
Nur zirkular polarisiertes Licht überträgt einen Drehimpuls!<br />
Experiment von Rich.A.Beth(1936).<br />
Wird zirkular polarisiertes Licht absorbiert, so übernimmt der Absorber den Drehimpuls.<br />
∆L = ∆W<br />
ω<br />
Die Formel gilt für alle Frequenzen. Das Experiment wurde 1949 von Carrara im Radiowellenbereich<br />
wiederholt. Es gilt auch für Wechselstrom: Drehstrommotor (Synchronmotor). Dort<br />
absorbiert der Rotor die Leistung der zirkular polarisierten Welle des (drehenden) � B–Feldes und<br />
erfährt das Drehmoment<br />
T = P<br />
ω<br />
mit der Leistung P .
Kapitel 4<br />
Licht als Quantenerscheinung<br />
4.1 Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher<br />
Strahlungssatz<br />
Gase und feste Körper können auf vielerlei Weise zur Lichtemission angeregt werden. Alle Stoffe<br />
kann man zum Leuchten anregen, indem man sie erwärmt. Man findet allerdings die unterschiedlichsten<br />
Typen von Spektren. Für festes T haben jedoch die Wärmestrahlungsspektren<br />
aller Stoffe eine gemeinsame Einhüllende, die von keinem Stoff überschritten wird und dies ist<br />
das Spektrum des Schwarzen Körpers.<br />
Abb. 4.1: Modell zum Schwarzen<br />
Körper: Körper mit Temperaturbad.<br />
Abb. 4.2: Wärmestrahlungsspektren<br />
verschiedener Stoffe und<br />
Einhüllende.<br />
Dann muß sein:<br />
Wir betrachten einen ” Körper im<br />
Körper“. Äußerer und innerer<br />
Körper stehen über Strahlung<br />
im Temperaturgleichgewicht.<br />
Die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts<br />
beruht im Inneren des<br />
Körpers ausschließlich auf dem Austausch<br />
von Temperaturstrahlung<br />
über die Prozesse der Emission und<br />
Absorption.<br />
E(λ, T )dλ = I(λ, T )dλ · A(λ, T ) , (4.1.1)<br />
E(λ, T )dλ = Spektrales Emissionsvermögen � � des Innenkörpers = Gesamt-<br />
Energie<br />
strahlungsleistung Zeit im Intervall zwischen λ und<br />
λ + dλ pro Flächeneinheit ∆A nach allen Richtungen bei<br />
der Temperatur T .<br />
I(λ, T )dλ = Spektrale Intensitätsverteilung = Strahlungsleistung zwischen<br />
λ und λ + dλ, diederFlächeneinheit ∆A des Körpers<br />
aus dem Strahlungsfeld bei Temperatur T aus allen Richtungen<br />
zugestrahlt wird.<br />
68
4.1. Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz 69<br />
A(λ, T ) = Spektrales Absorptionsvermögen = Bruchteil der einfallenden<br />
Strahlung zwischen λ und λ + dλ, diebeiTvom Körper<br />
absorbiert wird.<br />
Ein Schwarzer Körper ist dadurch definiert, daß sein spekrales Absorptionsvermögen für alle<br />
Wellenlängen identisch Eins ist (A(λ, T ) ≡ 1). Für das spektrale Emissionsvermögen des<br />
Schwarzen Körpers schreiben wir nun E(λ, T )=Es (λ, T ).<br />
Aus (4.1.1) ergibt sich mit Obigem:<br />
Das führt zum Kirchhoffschen Strahlungssatz (1860):<br />
Und daraus:<br />
E s (λ, T )dλ = I(λ, T )dλ . (4.1.2)<br />
E(λ, T )=E s (λ, T ) · A(λ, T ) .<br />
E(λ, T ) ≤E s (λ, T ) .<br />
Der Kirchhoffsche Strahlungssatz sagt aus, daß der Quotient aus dem Emissions– und Absorptionsvermögen<br />
eines beliebigen Strahlers dem Emissionsvermögen Es des Schwarzen Körpers<br />
gleich ist.<br />
Experimentell verwirklicht man einen Schwarzen Körper durch einen Hohlraum mit einem Loch:<br />
Alle Strahlung, die durch das Loch einfällt, wird im Innern des Hohlraumkörpers absorbiert:<br />
Das Loch erscheint als Schwarzer Körper“. Die Strahlung, die den Hohlraum durch das Loch<br />
”<br />
verläßt, ist dann die Strahlung eines Schwarzen Körpers.<br />
Aus der Beziehung (4.1.2) können wir eine Aussage über das spektrale Emissionsvermögen Es des Schwarzen Körpers folgern. Dazu denken wir uns die Wände des schwarzen Innenkörpers<br />
aus linearen harmonischen Oszillatoren aufgebaut.<br />
1. Absorbierte Leistung eines Oszillators mit der Eigenfrequenz ω 0 im Strahlungsfeld mit ω<br />
Abb. 4.3: Anregung eines<br />
in x–Richtung schwingenden<br />
Oszillators unter dem<br />
Winkel ϑ.<br />
P (ϑ, ω) = 1<br />
T<br />
�T<br />
0<br />
F ˙xdt ′ = ω<br />
2π<br />
F = eE 0 cos ωt ′<br />
Für den angetriebenen harmonischen Oszillator gilt folgende<br />
DGL:<br />
mit Γ = γ<br />
¨x + γ<br />
m ˙x + ω2 e<br />
0x =<br />
m E0 cos ωt′ cos ϑ<br />
m = e2ω2 0<br />
(vgl. Kapitel 3.6).<br />
6πε0mc3 Aus obiger Differentialgleichung läßt sich x(t ′ ) und ˙x(t ′ )<br />
berechnen und damit läßt sich die mittlere Leistung, die an<br />
den Oszillator geht als leichte ÜA berechnen:<br />
�<br />
0<br />
2π<br />
ω<br />
eE 0 cos ωt ′ cos ϑ ˙xdt ′ =<br />
(eE0 cos ϑ) 2Γ · ω2 �<br />
2m (ω2 0 − ω2 ) 2 +(Γω) 2�.
70 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
Die Strahlung ist in keiner Richtung ausgezeichnet und unpolarisiert. Daher muß ϑ sicher<br />
alle Werte von 0 bis π annehmen und da die räumlich gemittelte Leistung P proportional<br />
zu cos 2 ϑ ist oder da (räumliche Mittelung)<br />
ist, ergibt sich<br />
cos 2 ϑ = 1<br />
4π<br />
�π<br />
0<br />
P (ω) =<br />
cos 2 ϑ2π sin ϑdϑ= 1<br />
�<br />
2<br />
(eE 0 ) 2 Γω 2<br />
+1<br />
−1<br />
�<br />
6m (ω2 0 − ω2 ) 2 .<br />
2�<br />
+(Γω)<br />
x 2 dx = 1<br />
3<br />
Die Integration über alle Strahlungsfrequenzen ω ergibt dann (Gesamtstrahlung):<br />
�<br />
P =<br />
0<br />
∞<br />
P (ω)dω = πe2 E 2 0 (ω 0 )<br />
12m ,<br />
mit der Energiedichte des Feldes an der Stelle ω = ω 0 (merklicher Energieübertrag findet<br />
nur in der Nähe der Resonanz statt):<br />
u(ω0 )= 1<br />
2 ε0E2 0 (ω πe2<br />
0 ) =⇒ P = u(ω0 )<br />
6mε0 P entspricht der vom Oszillator aufgenommenen Strahlungsleistung.<br />
2. Die Strahlungsleistung, die der Oszillator abgibt ist:<br />
P rad = 1<br />
3<br />
cp 2 0<br />
4πε 0<br />
� �<br />
ω0 4<br />
c<br />
mit p 0 = e · x 0 .<br />
Für den harmonischen Oszillator ist: W HO = W kin + W pot = m<br />
2 ω2 0 x2 0<br />
P rad = 2<br />
3 ·<br />
e 2 ω 2 0<br />
4πε 0 mc 3 W HO .<br />
Da beim Schwarzen Körper thermisches Gleichgewicht zwischen abgestrahlter und<br />
aufgenommener Leistung gelten soll (P = P rad ), ergibt sich:<br />
πe2 u(ω0 )=<br />
6mε0 2<br />
3 ·<br />
e 2 ω 2 0<br />
4πε 0 mc 3 W HO ⇐⇒ u(ω 0 )= ω2 0<br />
π 2 c 3 W HO .<br />
Diese Ausdrücke sind natürlich eine Funktion der Temperatur T . Man erhält so einen Zusammenhang<br />
zwischen der mittleren totalen Energie W HO eines Oszillators, der bei der Temperatur T<br />
mit ω 0 schwingt, und der Energiedichte u(ω 0 ,T) im Zwischenraum<br />
u(ω0 ,T)= ω2 0<br />
π2c3 WHO (T ) .
4.1. Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz 71<br />
Um das spektrale Emissionsvermögen E s (λ, T ) auszurechnen, ist es nach (4.1.2) nur notwendig,<br />
die gesamte auftreffende spektrale Intensität auszurechen. Unter Intensität versteht man die<br />
senkrecht auf eine Wand auftreffende Energie pro Zeit mal Fläche, also Leistung pro Fläche. Es<br />
sei ∆A =1dieFlächeneinheit der Wand. Ist die Energiedichte des sich nach allen Seiten mit der<br />
Geschwindigkeit c ausbreitenden Strahlungsfeldes u, soistdiesenkrecht auf die Flächeneinheit<br />
der Oberfläche pro Zeiteinheit auftreffende Energie<br />
Abb. 4.4: Zur Berechnung des spektralen<br />
Emissionsvermögens.<br />
I = c · u ; [I] = Energie<br />
Zeit · Fläche .<br />
Fällt die Energie dagegen unter dem Winkel<br />
ϑ auf die Fläche ∆A, so ist die unter diesem<br />
Winkel auftreffende Energie um den Faktor<br />
cos ϑ kleiner, also<br />
I ϑ = c · u · cos ϑ.<br />
Das ist das Lambertsches Gesetz.<br />
Dann ist die gesamte auf ∆A = 1auftreffende Intensität<br />
Itot = 1<br />
4π<br />
�<br />
Halbraum<br />
c · u cos ϑdΩ= 2π<br />
�<br />
c · u<br />
4π<br />
cos ϑ sin ϑdϑ= c<br />
4 u = E s .<br />
Damit Es (ω0 ,T)= c<br />
4 u(ω0 ,T)= ω2 0<br />
4π2c2 WHO (T ) .<br />
Die in der Literatur gebräuchlichen Ausdrücke ergeben sich durch Umformung:<br />
da<br />
u(ω, T)dω = ω2 dω<br />
π2 W (T )<br />
c3 u(ν, T )dν = 8πν2 dν<br />
c3 W (T )<br />
u(λ, T )dλ = 8πdλ<br />
W (T )<br />
λ4 u(ω, T)dω = u(ν, T )dν ; dω<br />
dν<br />
u(λ, T )dλ = −u(ν, T )dν ; dν<br />
dλ<br />
=2π ; ω =2πν<br />
c c<br />
= − ; ν =<br />
λ2 λ<br />
Es (ω, T)dω = ω2 dω<br />
4π2 W (T )<br />
c2 Es (ν, T )dν = 2πν2 dν<br />
c2 W (T )<br />
Es (λ, T )dλ =<br />
2πc dλ<br />
λ4 W (T )<br />
Abb. 4.5: Spekrale Intensitätsverteilung in<br />
der Hohlraumstrahlung bei verschiedenen<br />
Temperaturen.
72 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
4.2 Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift,<br />
Phasenraum<br />
Setzt man in u(ω, T) ∼ W (T ) die Beziehung aus dem Gleichverteilungssatz<br />
ein, so erhält man:<br />
W (T )= f<br />
2 kT = kT (HO: f =2: E kin + E pot )<br />
u(ν, T ) = 8πν2<br />
c 3 kT ∼ ν2 T<br />
bzw. u(λ, T ) = 8π<br />
kT ∼<br />
λ4 T<br />
λ 4<br />
Strahlungsformel von Rayleigh–Jeans.<br />
Diese rein klassisch hergeleitete Formel gilt jedoch empirisch nur für kleine ν (große λ). Für<br />
∞�<br />
ν →∞wird u(ν, T ) →∞, damit auch das totale Emissionsvermögen S = Esdν →∞. Dies<br />
bezeichnet man als die sogenannte Ultraviolettkatastrophe.<br />
Für kleine Wellenlängen fand Wien nach Messungen von Lummer und Pringsheim die empirische<br />
Formel, die zwei Konstanten c1 und c2 enthält:<br />
u(ν, T )=c 1 ν 3 e −c 2 ν<br />
T .<br />
Bei der Ableitung dieser Formel mußte Wien verschiedene Hypothesen über den Mechanismus<br />
der Ausstrahlung machen und z.B. annehmen, daß die Frequenzverteilung der Strahlung gleich<br />
der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle ist.<br />
Das Versagen der klassischen Physik bei der Ultraviolettkatastrophe“ war ein herber Schlag.<br />
”<br />
Hier setzte Planck 1900 an: Offenbar gilt der Gleichverteilungssatz nicht allgemein (dies war<br />
bereits von den spezifischen Wärmen her bekannt, bei der die experimentell gefundenen Werte<br />
mit der Theorie nicht mehr übereinstimmten).<br />
Max Planck betrachtete einen linearen harmonischen Oszillator im Phasenraum, der von den<br />
kanonischen Koordinaten aufgespannt wird.<br />
Im folgenden betrachten wir einen Massenpunkt im 3–dimensionalen kartesischen Koordinatensystem<br />
mit den Ortskoordinaten x, y, z. Dann ergeben sich aus einer Verallgemeinerung der<br />
klassischen Bewegungsgleichung:<br />
Wpot = W (x, y, z) −→ − ∂Wpot ∂x = Fx =˙px ,... ,<br />
Wkin = m<br />
2 (˙x2 +˙y 2 +˙z 2 ) −→ ∂Wkin ∂ ˙x = m ˙x = px ,... ,<br />
Wkin = 1<br />
2m (p2x + p2y + p2z ) −→ ∂Wkin =<br />
∂px px =˙x,... ,<br />
m<br />
und unter Einführung der Hamiltonfunktion H<br />
H(x, y, z, p x ,p y ,p z )=W pot + W kin<br />
0
4.2. Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift, Phasenraum 73<br />
die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen:<br />
− ∂H<br />
∂x =˙px , −∂H<br />
∂y =˙py , −∂H<br />
∂z =˙pz ∂H<br />
∂px =˙x,<br />
∂H<br />
∂py =˙y,<br />
∂H<br />
∂pz =˙z<br />
Die Variablen der Hamiltonfunktion heißen kanonische Variablen, sie spannen den Phasenraum<br />
auf. Der Phasenraum wird also durch die Orts– und Impulsvariablen aufgespannt.<br />
Die kinetische Energie läßt sich nun auch schreiben als Wkin = 1<br />
2 (px ˙x + py ˙y + pz ergibt sich für die Wirkungsfunktion:<br />
�T<br />
0<br />
W kin dt = 1<br />
2<br />
�T<br />
0<br />
(p x ˙x + p y ˙y + p z ˙z) dt = 1<br />
2<br />
⎛<br />
�T<br />
�T<br />
�T<br />
⎞<br />
⎝ px dx + py dy + pz dz⎠<br />
.<br />
0<br />
0<br />
.<br />
0<br />
˙z) und damit<br />
Wendet man diesen Formalismus auf den linearen harmonischen Oszillator an, so erhält man<br />
in einem eindimensionalen Phasenraum, der durch die Koordinaten x = x 0 cos ωt und p x =<br />
−mωx 0 sin ωt aufgespannt wird, eine Ellipse.<br />
Abb. 4.6: Quantisierter Phasenraum.<br />
Die Wirkungsfunktion der periodischen Bewegung � p x dx ist<br />
dann die Fläche innerhalb dieser Ellipse. In der klassischen<br />
Physik bildet der Phasenraum ein Kontinuum, d.h. die<br />
möglichen Ellipsen bedecken den (zweidimensionalen) Raum<br />
kontinuierlich.<br />
Revolutionär war Plancks Quantisierungsvorschrift 1 : Es werden<br />
nur solche Ellipsen zugelassen, deren Flächendifferenz zwischen<br />
aufeinanderfolgenden Kurven jeweils h ist.<br />
� px dx = nh n =1, 2, 3,... ” Quantenzahlen“<br />
h ist eine empirische Konstante, sie ist experimentell zu gewinnen ([h] =[W · t] =: Wirkung).<br />
Das bedeutet: Das Volumen des Phasenraumes hat diskrete Werte.<br />
Für den harmonischen Oszillator gilt.<br />
�<br />
pxdx = x0 · mωx0 · π = nh.<br />
Daraus ergibt sich für die Energie des harmonischen Oszillators:<br />
Wn = En = m<br />
2 x20 ω2 = m<br />
2<br />
nh<br />
mωπ ω2 = n h<br />
ω = n�ω = nhν ,<br />
2π<br />
also E n = nhν .<br />
Man beachte, daß die Energie jetzt nur noch gequantelt auftritt.<br />
1Es sei darauf hingewiesen, daß historisch genau dies die Forderung von Planck und En = nhν nur eine<br />
Folgerung daraus war.
74 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
Die erlaubten Energieniveaus eines harmonischen Oszillators haben einen gleichen Abstand hν<br />
zueinander (vgl. Abbilung 4.7). Der Oszillator kann nur diese quantisierten Energien aufnehmen.<br />
Die Wahrscheinlichkeiten für die Besetzung eines Energieniveaus En ist gleich<br />
⎛<br />
⎞<br />
En<br />
nhν<br />
P (En )=αe<br />
− kT = αe<br />
− kT<br />
∞�<br />
⎝<br />
1<br />
P (En )=1=⇒ α =<br />
⎠<br />
�<br />
. En<br />
∞<br />
n=0<br />
n=0 e− kT<br />
Nehmen wir nun an, daß wir eine ganze Anzahl von Oszillatoren haben; einige davon werden<br />
im Quantengrundzustand, einige in angeregten Zuständen schwingen usw. . Was uns nun<br />
interessiert, ist die mittlere Energie all dieser Oszillatoren. Dazu müssen wir die Gesamtenergie<br />
der Oszillatoren berechnen und durch die Gesamtzahl der Oszillatoren dividieren, bzw. die<br />
Wahrscheinlichkeit für die Besetzung eines Zustandes mit der jeweiligen Energie bewichten und<br />
über alle Zustände summieren.<br />
Abb. 4.7: Besetzung der Energieniveaus im<br />
thermischen Gleichgewicht.<br />
E(T )<br />
E(T ) kl = kT<br />
hν = kT<br />
E(T ) qm = hν<br />
e hν<br />
kT −1<br />
Abb. 4.8: Mittlere Energie in der klassischen<br />
Physik und in der Quantenmechanik.<br />
Die Gesetze von<br />
T<br />
Dies ergibt dann den mittleren Energieanteil pro Oszillator<br />
im thermischen Gleichgewicht. Diese mittlere Energie<br />
ist dann:<br />
E(T )=<br />
mit z = hν<br />
kT .<br />
E(T ) = zkT<br />
E(T ) = zkT<br />
∞�<br />
n=0<br />
nhν<br />
nhνe<br />
− kT<br />
∞�<br />
n=0<br />
− dN<br />
dz<br />
N<br />
nhν<br />
e<br />
− kT<br />
e −z<br />
(1 − e −z )<br />
E(T )=<br />
zkT<br />
=<br />
∞�<br />
ne<br />
n=0<br />
−nz<br />
∞�<br />
e−nz n=0<br />
∞�<br />
mit N = e<br />
0<br />
−nz 1<br />
=<br />
1 − e−z 1<br />
/ 2 1 − e−z hν<br />
e hν<br />
kT − 1<br />
Der Ausdruck nach dem Gleichheitszeichen steht an<br />
Stelle von kT der klassischen Physik.<br />
Damit ergibt sich die Planksche Strahlungsformel (1900):<br />
Rayleigh–Jeans hν ≪ kT : 1<br />
und Wien hν ≫ kT : 1<br />
u(ν, T ) = 8πν2<br />
c 3<br />
u(λ, T ) = 8πhc<br />
λ 5<br />
hν<br />
e kT −1<br />
hν<br />
e kT −1<br />
−→ kT<br />
hν<br />
−→ e<br />
hν − kT<br />
.<br />
hν<br />
e hν<br />
kT − 1<br />
1<br />
e hc<br />
λkT − 1
4.3. Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten 75<br />
sind darin als Grenzfälle enthalten. Dieser Sachverhalt läßt sich auch sehr gut Abbildung 4.9<br />
entnehmen.<br />
Abb. 4.9: Qualitatives Verhalten des Emissionsvermögens nach<br />
dem Rayleigh–Jeansschen und Wienschen Gesetz. Das Spektrum<br />
eines Schwarzen Strahlers als eine Funktion von �ω.<br />
Der Vergleich mit dem Experiment ergibt<br />
h = 6.6260755 (40) · 10 −34 Js<br />
= 4.1356692 (12) · 10 −15 eVs.<br />
Aus dem Planckschen Strahlungsgesetz<br />
folgt der bereits vorher von Wien 1893<br />
gefundene Wiensche Verschiebungssatz:<br />
λ max · T =const.=0.29 cm K<br />
(d.h.: λ max ∼ 1/T) und das bereits aus thermodynamischen Überlegungen bekannte Stefan–<br />
Boltzmannsche Gesetz:<br />
∞�<br />
Es (ν, T )dν = σ · T 4 mit σ = 2π5k4 0<br />
15h 3 c 2 =5.67 · 10−8 Wm −2 K −4 .<br />
4.3 Quantisierung des Strahlungsfeldes,<br />
Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten<br />
Max Planck hatte in seiner Ableitung der Strahlungsformel nur den (materiellen) harmonischen<br />
Oszillator quantisiert. Einstein erweiterte die Vorstellung durch die Quantisierung des<br />
Strahlungsfeldes (Lichtquanten):<br />
Die Träger des elektromagnetischen Feldes sind die Photonen. Zur Ableitung der Planckschen<br />
Strahlungsformel betrachtet man die Wechselwirkung zwischen den Atomen der Wand mit dem<br />
Strahlungsfeld (Photonenfeld).<br />
Harmonischer Oszillator,<br />
Zustände der Wandatome<br />
E2 =(n +1)hν<br />
E 1 = nhν<br />
hν<br />
(induzierte)<br />
Absorption eines<br />
Quants<br />
hν<br />
spontane Emission,<br />
(freie Schwingung)<br />
inkohärent<br />
hν<br />
2hν<br />
induzierte Emission<br />
eines Quants,<br />
(erzwungene Schwingung)<br />
kohärent<br />
atomare Besetzungszahlen<br />
im thermischen Gleichgewicht<br />
N2 ∼ e − E2 kT<br />
N 1 ∼ e − E 1<br />
kT<br />
Abb. 4.10: Absorption, spontane und induzierte Emission zwischen zwei Energieniveaus.<br />
Ein Atom mit zwei Energiezuständen E 1 und E 2 kann nach Einstein auf drei verschiedene Arten<br />
mit elektromagnetischer Strahlung in Wechselwirkung treten:<br />
• Absorption eines Lichtquants bringt das Atom aus dem tieferen Zustand E 1 in den energetisch<br />
höheren Zustand E 2 . Dabei verschwindet ein Lichtquant der Energie ∆E =<br />
E 2 − E 1 = hν aus dem Strahlungsfeld.<br />
• Emission spontan aus dem Zustand E 2 . Dabei wird ein Lichtquant der Energie ∆E an das<br />
Strahlungfeld abgegeben.<br />
.
76 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
• Emission erzwungen durch das Strahlungsfeld. Für diese erzwungene oder induzierte Emission<br />
sind also primäre Lichtquanten erforderlich.<br />
Na-Dampf-Lampe<br />
Absorption<br />
(erzwungene<br />
Schwingung)<br />
(erzwungene<br />
Schwingung)<br />
induzierte Emission<br />
Na-Dampf<br />
durchgehendes Licht<br />
geschwächt<br />
(freie Schwingung)<br />
spontane Emission<br />
angeregte Na-Atome fallen heraus<br />
Abb. 4.11: Versuchsaufbau zur Darstellung der Wechselwirkung der<br />
Na–Atome mit elektromagnetischer Strahlung.<br />
Diese drei Wechselwirkungsarten<br />
können wir zum Beispiel im Versuch<br />
von Abbildung 4.11 erhalten. Der Natriumdampf<br />
absorbiert das Licht einer<br />
Natriumdampflampe und emittiert das<br />
gleiche Licht als Resonanzlicht in alle<br />
Richtungen. Fallen angeregte Na–<br />
Atome aus dem Strahlungsfeld heraus,<br />
so führen sie freie Schwingungen aus<br />
(spontane Emission) (vgl. Kapitel 3.4).<br />
Wir betrachten nun ein System von N<br />
Atomen, wobei die Anzahl der Atome<br />
im Zustand E 1 bzw. E 2 gleich N 1 bzw.<br />
N 2 ist. Das System sei im thermischen<br />
Gleichgewicht mit der Umgebung.<br />
Die Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld sei nur in Form von Absorption oder Emission der<br />
Strahlung in diskreten Energiequanten hν = E2 − E1 möglich. Das Strahlungfeld habe die<br />
Strahlungdichte u(ν, T ). Die Zahl der Prozesse je Zeiteinheit ist der Besetzungszahl N1 und der<br />
Strahlungdichte u proportional.<br />
Damit ist die Zahl der Übergänge durch Absorption (N1 → N2 )<br />
dN 1→2 ∼ N 1 · u(ν, T )dt<br />
= N 1 · B 12 · u(ν, T )dt.<br />
Der Proportionalitätsfaktor B12 heißt Einstein–Koeffizient und mißt die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Übergangs je Zeit– und Strahlungsdichteeinheit.<br />
Die Zahl der Übergänge durch spontane Emission (N2 → N1 ) ist dann der Besetzungszahl N2 proportional.<br />
dN sp<br />
2→1 = N2 · A21dt A 21 ist ebenfalls ein Einsteinkoeffizient und mißt die<br />
Wahrscheinlichkeit eines spontanen Übergangs je Zeiteinheit.<br />
Ferner ergibt sich analog zur Absorption für die induzierte<br />
Emission von 2 nach 1<br />
dN ind<br />
2→1 = N2 · B21 · u(ν, T ) · dt.<br />
Im thermischem Gleichgewicht ist dann<br />
dN1→2 = dN sp ind<br />
2→1 + dN2→1 E 2 ,N 2<br />
E 1 ,N 1<br />
B 12 A 21 B 21<br />
Abb. 4.12: Zwei Energieniveaus<br />
verbunden mit den<br />
Übergangswahrscheinlichkeiten B12,<br />
B21 und A12.<br />
N1B12 · u(ν, T )=N2 (A21 + B21u(ν, T )) mit [A] =1;[B] = m3<br />
. (4.3.1)<br />
Js
4.3. Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten 77<br />
Daraus folgt dann:<br />
B12u(ν, T )<br />
A21 + B21u(ν, T ) = N2 .<br />
N1 Da thermisches Gleichgewicht herrscht, kann das Verhältnis der Besetzungszahlen gemäß Kapitel<br />
4.2 geschrieben werden als<br />
N2 =<br />
N1 e− E2<br />
kT hν<br />
= e<br />
− kT .<br />
E1<br />
e<br />
− kT<br />
A21 Somit ist u(ν, T )=<br />
B12e hν .<br />
kT − B21 Zur Bestimmung von A und B benützt man die Grenzbedingung, daß für T →∞auch u(ν, T ) →<br />
∞ gehen muß, also<br />
B12 = B21 = B ,<br />
d.h.: Die Wahrscheinlichkeiten für induzierte Emission und Absorption sind gleich.<br />
Damit ergibt sich:<br />
u(ν, T )= A 1<br />
. (4.3.2)<br />
B<br />
e hν<br />
kT − 1<br />
Außerdem muß für hν ≪ kT (d.h. für kleine Frequenzen) das experimentell bestätigte<br />
+ ... folgt<br />
Rayleigh–Jeanssche Gesetz gelten. Mit der Reihenentwicklung e hν<br />
kT =1+ hν<br />
kT<br />
8πν2 A kT<br />
kT =<br />
c3 B hν .<br />
A = 8πhν3<br />
c 3 B ; für gegebenes B: A ∼ ν 3 . (4.3.3)<br />
Das entspricht dem Kirchhoffschen Gesetz E ∼ A , wonach die Wahrscheinlichkeiten für spontane<br />
Emission und Absorption einander proportional sind. Außerdem gilt: Die induzierte<br />
Übergangswahrscheinlichkeit nimmt bei festem B mit ν3 zu!<br />
Setzt man (4.3.3) in (4.3.2) ein, so folgt die Plancksche Strahlungsformel<br />
u(ν, T )= 8πν2<br />
c 3<br />
hν<br />
e hν<br />
kT − 1<br />
Man sieht also, daß die Quantisierung des linearen harmonischen Oszillators in Verbindung mit<br />
der Quantisierung des Strahlungsfeldes zur richtigen Strahlungsformel führt.<br />
Welche Eigenschaften besitzen die so eingeführten Photonen (Lichtquanten)?<br />
Durch Vergleich mit den Formeln der klassischen Elektrodynamik folgt sofort der Impuls und<br />
Drehimpuls (Spin) der Photonen.<br />
Es gilt gemäß Kapitel 3.1:<br />
c�p V = 1<br />
c � S<br />
mit der Impulsstromdichte �p V und der Energiestromdichte � S.<br />
.
78 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
Im Photonenbild geschieht der Transport durch N Photonen pro Volumen V . Es gilt:<br />
�p V =<br />
N · pPh<br />
V<br />
somit:<br />
c · NpPh<br />
V<br />
Der Impuls der Photonen beträgt also<br />
p Ph = EPh<br />
c<br />
= hν<br />
c<br />
�S = c ·<br />
N · EPh<br />
V<br />
1 N · EPh<br />
= · c ·<br />
c V<br />
in Übereinstimmung mit der<br />
Relativitätstheorie.<br />
Aus E = mc2 = hν folgt die relativistische Masse der Photonen:<br />
mrel = hν h<br />
=<br />
c2 λ · c .<br />
Andererseits gilt:<br />
p Ph = h h c h<br />
ν = = = � · k .<br />
c c λ λ<br />
Damit erhalten wir folgenden Zusammenhang zwischen Impuls und Wellenlänge: �p Ph = � · �k Ph .<br />
Aus diesem Photonenimpuls läßt sich natürlich sofort der Strahlungsdruck verstehen.<br />
Der Drehimpuls läßt sich gewinnen aus der Beziehung<br />
L = W<br />
(vgl. Kapitel 3.7).<br />
ω<br />
Im Photonenbild ist dann N · LPh = N·EPh<br />
ω und<br />
L Ph = hν<br />
ω<br />
= hν<br />
2πν<br />
h<br />
= =1· � .<br />
2π<br />
Da nur zirkular polarisiertes Licht Drehimpuls transportiert, besitzen Photonen einen Spin von<br />
1 · � entweder parallel (rechts–zirkular polarisiertes Licht) oder antiparallel (links–zirkular polarisiertes<br />
Licht) zur Ausbreitungsrichtung. Linear polarisiertes Licht trägt keinen Drehimpuls!<br />
Also wird linear polarisiertes Licht erzeugt durch die (kohärente) Überlagerung von je 2 Photonen<br />
mit Spin nach vorn und nach hinten.<br />
Ein weiteres Ergebnis der Photonenvorstellung sind die Unschärferelationen:<br />
• Orts–Impuls–Unschärfe:<br />
Abb. 4.13: Zur Veranschaulichung der Unschärferelation<br />
am Spalt.<br />
Ein Photon fliege in horizontaler Richtung (y).<br />
Senkrecht zu seiner Flugrichtung sei ein Spalt<br />
mit d =∆x aufgestellt. Trifft das Photon auf<br />
diese Blende, so ist der Durchflugort irgendwo<br />
innerhalb ∆x. Aus dem Wellenbild wissen wir,<br />
daß für das 1. Beugungsminimum gilt:<br />
sin ϕ = λ<br />
d .<br />
Nach dem Spalt besitzt das Photon also eine<br />
Impulskomponente in x–Richtung, die irgendwo<br />
innerhalb ∆p x = p sin ϕ liegt.
4.4. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt 79<br />
Mit p = h<br />
λ<br />
folgt dann die Heisenbergsche Unschärferelation:<br />
∆x · ∆p x ≈ h .<br />
Ein Ergebnis, das wir aus der Quantisierung des Phasenraums erhalten haben.<br />
• Energie–Lebensdauer–Unschärfe:<br />
Aus der klassischen Unschärferelation τ·Γω = 1folgt durch einfache Multiplikation mit � die<br />
Heisenbergsche Unschärferelation: τ · Γω · � = � (mittleren Lebensdauer τ, Halbwertsbreite<br />
der Spekrallinie Γω .)<br />
τ · Γ=� Γ=�Γ ω =∆E<br />
Aus der Energieunschärfe erhalten wir die natürliche Linienbreite.<br />
4.4 Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung,<br />
Compton–Effekt<br />
• Photoeffekt<br />
Der Photoeffekt wurde 1888 von Hallwachs entdeckt. Die Erklärung im Wellenbild setzt<br />
eine Ansammlung von Energie“ voraus. Die Erklärung im Photonenbild erfolgte 1905<br />
”<br />
durch Einstein:<br />
Beim Photoeffekt werden aus einer negativ geladenen Metallplatte Elektronen freigesetzt,<br />
die durch ein Elektrometer nachgewiesen werden können (es entlädt sich). Klassisch würde<br />
man erwarten, daß das elektrische Feld � E für die Beschleunigung und Ablösung verantwortlich<br />
ist, daß also bei höherer Intensität die Energie dieser Photoelektronen zunimmt.<br />
Das ist aber nicht der Fall. Die Energie der Elektronen hängt nur von der Frequenz<br />
des einfallenden Lichts ab, jedoch ist ihre Anzahl der Lichtintensität proportional. Photoelektronen<br />
treten nur aus, wenn die Frequenz des einfallenden Lichts größer als eine<br />
bestimmte materialabhängige Grenzfrequenz ist. Dieser Sachverhalt läßt sich nur erklären,<br />
wenn man das Licht als aus einzelnen Lichtquanten oder Photonen bestehend betrachtet.<br />
Nach Einstein kann man sich Licht als einen Teilchenstrahl<br />
vorstellen, der aus Photonen der Energie E = hν<br />
besteht, die sich mit der Geschwindigkeit c bewegen. Ihre<br />
Ruhemasse ist m0 = 0, ihr Impuls p = hν h<br />
c = λ . Jeweils<br />
ein Photon kann ein Elektron aus dem Metall herauslösen,<br />
dazu ist die Austrittsarbeit WA notwendig. Ein<br />
Lichtquant muß mindestens diese Energie besitzen, um<br />
ein Elektron herauslösen zu können.<br />
Abb. 4.14: Gegenspannung UG als Funktion<br />
der Frequenz ν.<br />
Über die Gegenspannungsmethode erhält man Auskunft über die kinetische Energie der<br />
freigesetzten Elektronen.
80 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
hν = W A + m<br />
2 v2 = W A + eU G<br />
U G = Gegenspannung<br />
Die Steigung der Geraden, die man beim Auftragen von Umax gegen die Frequenz ν des Anregungslichts<br />
erhält, kann zur Präzisions–Messung des Verhältnisses h<br />
e verwendet werden.<br />
Für den Steigungswinkel α gilt<br />
tan α = h<br />
e .<br />
• Röntgenbremsstrahlung<br />
Beschießt man eine Antikathode mit Elektronen, die die Beschleunigungsspannung U0 durchlaufen haben und zerlegt das emittierte Röntgenlicht spektral, so beobachtet man<br />
– immer ein Kontinuum — die<br />
Kα Röntgen–Bremsstrahlung<br />
Kβ – und ist die Beschleunigungsspannung<br />
größer als ein vom Material<br />
der Antikathode abhängiger<br />
bestimmter Wert, so erhalten wir<br />
zusätzlich ein Linienspektrum —<br />
die charakteristische Strahlung.<br />
Letzteres werden wir in Kapitel 5.7<br />
erklären und soll hier nicht weiter<br />
erwähnt werden.<br />
Z ählrate<br />
λ min<br />
Die Grenzwellenlänge des Röntgen–Bremskontinuums ist<br />
gegeben durch<br />
Charakteristische<br />
Linien<br />
Bremskontinuum<br />
λ =2d sin ϑ<br />
Abb. 4.15: Charakteristisches Röntgenspektrum.<br />
eU0 = m<br />
2 v2 = hνGrenz = hc<br />
.<br />
λGrenz Abb. 4.16: Ablenkung der Bahn eines<br />
Elektrons im Feld eines Kerns.<br />
Eine Erklärung im Wellenbild ist nicht möglich. Klassisch würde man erwarten, daß das<br />
Spektrum sich bis zu beliebig hohen Frequenzen erstreckt. Man beobachtet jedoch eine<br />
Grenzwellenlänge.<br />
Das heißt, daß die hochenergetische oder kurzwellige Grenze des Röntgenspektrums λGrenz durch das Energieäquivalent eU0 gegeben ist. Das Bremsspektrum kommt dadurch zustande,<br />
daß Elektronen, die nahe an Atomkernen vorbeifliegen, im Felde so abgelenkt<br />
und abgebremst werden, daß sie eine Hyperbelbahn beschreiben. Eine (positv oder negativ)<br />
beschleunigte Ladung strahlt nach der klassischen Elektrodynamik elektromagnetische<br />
Strahlung ab. Die so erzeugte Strahlung heißt daher Bremsstrahlung. Der Energieverlust<br />
des einfliegenden Elektrons kann je nach Abstand der Hyperbelbahn vom Atomkern<br />
zwischen Null und einer oberen Grenze variieren. Das Bremsstrahlungsspektrum ist daher<br />
kontinuierlich. Das Abbremsen erfolgt durch Stoß zwischen Elektronen und den Metallatomen<br />
(Ionen), wobei im allgemeinen das Elektron sehr viele Stöße erleidet, bevor es<br />
völlig abgebremst ist. Im günstigsten Fall jedoch kann das Elektron beim ersten Stoß<br />
vollständig abgebremst werden und seine gesamte kinetische Energie einem Lichtquant
4.4. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt 81<br />
mitgeben. Man erhält dann ein Röntgenquant der Energie<br />
hν Grenz = eU 0 .<br />
Während beim normalen lichtelektrischen Effekt mit monochromatische Wellenstrahlung<br />
Korpuskeln ausgelöst werden, werden hier von Korpuskeln einheitlicher Geschwindigkeit<br />
eine Wellenstrahlung erzeugt (inverser Photoeffekt).<br />
• Comptoneffekt<br />
Den direkten Beweis für den Photonencharakter der γ–Strahlung brachte der Compton–<br />
Effekt 1922–23. Bei einer Streuung von Röntgenstrahlen im harten Röntgengebiet<br />
beobachtete Compton, daß zusätzlich zu der spektral unverschobenen Streustrahlung noch<br />
eine spektral verschobene Komponente auftritt. Für die Wellenlängenverschiebung ∆λ<br />
besteht ein einfacher Zusammenhang mit dem Streuwinkel ϑ:<br />
∆λ = λ c (1 − cos ϑ) (siehe Abbilung 4.17)<br />
mit der Comptonwellenlänge λ c = 0.024 A. Die Wellenlängenverschiebung ∆λ ist unabhängig<br />
von der Primär–Wellenlänge. Die Intensität der Compton–Streuung hängt vom<br />
Streumaterial ab. Für leichte Materialien Z ist sie besonders groß wegen der geringen Absorption.<br />
Klassisch konnte man sich diese Wellenlängeverschiebung nicht erklären, da sie<br />
im Beugungsbild nicht auftreten dürfte.<br />
Eine Erklärung ergibt sich, wenn wir den Comptoneffekt als elastischen Stoß zwischen<br />
Photon und Elektron betrachten. Energie und Impulssatz müssen erfüllt sein. Wir rechnen<br />
relativistisch. Der Impuls des Elektrons vor dem Stoß sei Null und seine Ruheenergie<br />
E = m 0 c 2 .<br />
Man beobachtet die Energie und die Impulse in x-y–Richtung vor und nach dem Stoß:<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
hν hν′<br />
=<br />
c c cos ϑ + m0v � cos ψ<br />
1 − β2 hν ′<br />
c sin ϑ = m0v � sin ψ<br />
1 − β2 �<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
Impulserhaltung<br />
Energieerhaltung<br />
m 0 c 2 + hν = hν ′ + m 0 c2<br />
� 1 − β 2<br />
Daraus ergibt sich:<br />
mit<br />
λ ′ − λ =∆λ = 2h ϑ<br />
sin2<br />
m0c 2 =2λ ϑ<br />
c sin2<br />
2 ;<br />
Abb. 4.17: Zur Erklärung des<br />
Compton–Effekts.<br />
λ c = h<br />
m 0 c =2.4262 · 10−10 cm Compton–Wellenlänge des Elektrons<br />
und hν c =<br />
h · c<br />
λ c<br />
= h · c<br />
h/m 0 c = m 0 · c2 =511 keV Ruhenergie des Elektrons.
82 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
d.h. die Quantenenergie einer Strahlung mit Compton–Wellenlänge λc ist gleich der Ruheenergie<br />
des Elektrons.<br />
Die unverschobene Linie ergibt sich durch Streuung an inneren Elektronen, die fest gebunden<br />
sind: Rückstoß auf das ganze Atom.<br />
– ∆λ materialunabhängig<br />
– ∆λ unabhängig von λ: Im sichtbaren Bereich ist ∆λ<br />
λ =2· λc λ ≈ 10−5 nicht meßbar.<br />
Beim Compton–Effekt erfahren Elektronen einen Rückstoß. Es gilt:<br />
Ekin = m0c 2<br />
�<br />
�<br />
1<br />
� − 1<br />
1 − β2 = hν − hν ′<br />
Daraus ergibt sich dann:<br />
ε 2ε sin2 2<br />
Ekin = h · ∆ν =<br />
1+2γsin mit der reduzierten γ–Energie ε.<br />
2 ϑ<br />
2<br />
hν =<br />
2ε cos2 ψ<br />
(1+ ε2 ) − ε2 cos2 hν<br />
hν ε =<br />
ψ m0c2 = λc λ ,<br />
Das Planksche Wirkungsquantum h tritt stets in Verbindung mit anderen Naturkonstanten auf.<br />
Daraus ergeben sich verschiedene Methoden der h–Bestimmung:<br />
1. Strahlungsformel h/k<br />
2. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung h/e<br />
3. Compton–Effekt h/m 0 c<br />
4. Rydberg–Konstante me 4 /8ε 2 0 h3 c<br />
5. Elektronenbeugung h/ √ e · m<br />
Die letzten beiden Möglichkeiten werden später noch behandelt.<br />
∗ 4.5 Dualismus Welle — Teilchen<br />
Fazit: Licht verhält sich als Welle oder als Lichtquant. Je nach Experiment zeigt es die verschiedenen<br />
Eingeschaften: Dualismus von Welle und Teilchen.<br />
Aber:<br />
Für große λ (kleine ν) ist das Wellenbild adäquater,<br />
jedoch für kleine λ (große ν) ist das Quantenbild adäquater.<br />
Wie bringt man beide Bilder zusammen? Die Wechselwirkung von Lichtquanten in einem elektro–<br />
magnetischen Strahlungsfeld mit Materie geschieht statistisch“, man spricht von Quantenfluk-<br />
”<br />
tuationen. Wie zum Beispiel beim
∗ 4.5. Dualismus Welle — Teilchen 83<br />
• Photoeffekt: Hier haben wir eine kontinuierliche Lichtstrahlung mit statistischem Elektronenaustritt.<br />
(Nachweis durch Joffe in der UdSSR: Beobachtung der statistischen<br />
Ladungsänderung eines Bi–Kügelchens in einem Millikan–Kondensator.)<br />
• Fluoreszensstreuung: Röntgenfluoreszenz, beobachtet durch Bothe (Schüler von Geiger):<br />
unabhängige Röntgenquanten, d.h. keine Koinzidenz.<br />
Umgekehrt:<br />
• Comptoneffekt (Geiger und Bothe): Koinzidenz zwischen Elektron und γ–Quant.<br />
• Beugung: Die Beugung ist ja ein echtes Wellenphänomen. Wawilow (UdSSR) konnte<br />
in einem Experiment nachweisen, daß die Beugungsfigur tröpfchenweise, also statistisch<br />
entsteht und damit im Photonenbild erklärbar ist.<br />
Ein schönes Beispiel für den dualen Charakter des Lichts bildet wieder die Betrachtung der<br />
spektralen Energiedichte des elektro–magnetischen Feldes im Wellen– und im Photonenbild, d.h.<br />
die Ableitung der Planckschen Strahlungsformel.<br />
Im Wellenbild ist diese Energiedichte gegeben als<br />
u(ν, T )=ϱ(ν) · W (T )<br />
mit ϱ(ν) als spektrale Zustandsdichte, W (T ) als mittlere Energie pro Zustand. Ein Hohlraum mit<br />
dem Volumen V sei von ideal reflektierenden Wänden umgeben und auf konstanter Temperatur<br />
gehalten. Da seine Wände bei beliebigen Temperaturen elektromagnetische Wellen (Licht oder<br />
Infrarotstrahlung) aussenden, besteht in seinem Inneren ein elektromagnetisches Feld, das in ein<br />
System stehender Wellen verschiedener Frequenzen und Richtungen zerlegt werden kann. Jede<br />
der stehenden Wellen stellt dabei einen Elementarzustand des elektromagnetsichen Feldes dar.<br />
Zahl der stehenden Wellen = Zahl der Elementarzustände = Zahl der Eigenschwingungen<br />
Zahl der stehenden Wellen<br />
ϱ(ν) =<br />
Frequenzintervall und Volumen<br />
Um ϱ(ν) bestimmen zu können, müssen wir also nun die Zahl der stehenden Wellen im Volumen<br />
” abzählen“:<br />
• 1–dimensionaler Fall: Gegeben eine Saite mit Länge a. Bedingung für eine stehende Welle<br />
ist a = n · λ<br />
2 mit n =1, 2, 3,.... 2a<br />
Somit ist n = λ<br />
, und damit<br />
2aν = c die Zahl der Eigenzustände<br />
(Eigenschwingungen) Z(ν) =n = 2aν<br />
c<br />
ϱ(ν) = 1 dZ(ν) 2<br />
· =<br />
a dν c .<br />
• 3–dimensionaler Fall: Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, daß das Volumen die Form<br />
eines Würfels mit der Kantenlänge a hat. Die Bedingung für eine stehende Welle ist für<br />
jede Raumrichtung a = ni · λi<br />
2 mit ni =1, 2, 3,..., i = x, y, z und damit n 2a<br />
i = . Wir<br />
λi<br />
bilden im n–Raum, der aus diskreten Punkten besteht:<br />
n i = 2a<br />
λ i<br />
= ak i<br />
π
84 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />
Abb. 4.18: Zur Berechnung<br />
von ϱ(ν).<br />
den Vektor �n mit:<br />
n = |�n| =<br />
�<br />
= a<br />
π<br />
n 2 x + n2 y + n2 z<br />
�<br />
k 2 x + k2 y + k2 z<br />
= a<br />
π |�k| = 2aν<br />
.<br />
c<br />
Da der Raum dicht mit Punkten belegt ist, gehen wir wiederum zum Kontinuum über,<br />
d.h. wir betrachten das Volumen des Würfels. Dieses Volumen können wir in einer sehr<br />
guten Näherung durch das Volumen einer Kugel mit dem Radius n = 2aν<br />
c ersetzen. Da nur<br />
positive nx , ny und nz vorkommen, füllt der ursprüngliche Kubus jedoch nur 1<br />
8 der Kugel<br />
aus. Damit<br />
und<br />
Z ′ (ν) = 1 4π<br />
·<br />
8 3 · n3 = 1 4π<br />
·<br />
8 3 · 8a3ν 3<br />
c3 ϱ ′ (ν) = 1<br />
a3 dZ ′ (ν)<br />
dν<br />
4πν2<br />
= .<br />
c3 4π<br />
=<br />
3 · a3ν 3<br />
c3 Da jeder Frequenz ν zwei Wellen mit zueinander senkrechter Polarisationsebene<br />
entsprechen, es also zwei Polarisationsmöglichkeiten gibt, folgt:<br />
ϱ(ν) = 8πν2<br />
c 3<br />
In der klassischen Wellenoptik tragen E und B zum elektromagnetischen Feld bei, sie entsprechen<br />
den Freiheitsgraden und gehen beide quadratisch in die Energie ein; also gilt nach dem Boltzmannschen<br />
Gleichverteilungssatz:<br />
E(ν, T )=2· 1<br />
kT = kT .<br />
2<br />
Damit ergibt sich mit Hilfe der klassischen Theorie u(ν, T )dieFormelvomRayleigh–Jeans<br />
u(ν, T )= 8πν2<br />
kT .<br />
c3 Im Photonenbild können wir die Zahl der Zustände (Zahl der Elementarzellen im Phasenraum)<br />
viel schneller abzählen. �p ist der Impulsvektor, �r der Ortsvektor. Es interessieren nur die Beträge,<br />
Orts– und Impulsraum sind unabhängig, so daß folgt:<br />
mit de Broglie p = h hν<br />
λ = c :<br />
ϱ ′ (ν) = 1<br />
V · d(n3 ) ν2<br />
=4π<br />
dν c3 n 3 =<br />
4π V · 3<br />
h3 n 3 = V 4π<br />
3<br />
· p3<br />
· ν3<br />
c 3<br />
,<br />
.<br />
mit den 2 Polarisationsmöglichkeiten:
∗ 4.5. Dualismus Welle — Teilchen 85<br />
ϱ(ν) = 8πν2<br />
c 3<br />
�<br />
�<br />
�pd�r = V ·<br />
Um E(T ) im Photonenbild zu berechnen, setzt man<br />
0<br />
p<br />
4πp 2 dp = n 3 h 3 ,<br />
; dies ist identisch mit der klassischen Abzählung.<br />
E(ν, T )=N Ph (ν, T ) · E Ph = N Ph (ν, T ) · hν<br />
an. Behandelt man Photonen als unterscheidbare Teilchen“ mit Energie hν, so ist nach der<br />
”<br />
klassischen Boltzmannstatistik<br />
N Ph hν<br />
(ν, T ) ∼ e<br />
− kT ,<br />
damit Wien: u(ν, T ) ∼ 8πν2<br />
c3 hν<br />
· hν · e<br />
− kT .<br />
Fazit: Man kommt also im reinen Wellenbild mit dem Gleichverteilungssatz zur Formel von<br />
Rayleigh–Jeans, im Photonenbild mit der Boltzmannstatistik zur Formel von Wien. Beide<br />
geben nicht die ganze Wahrheit wieder, sie liefern nur die jeweiligen Grenzfälle.<br />
Wie wir gesehen haben, ergibt sich im Wellenbild und im Photonenbild dieselbe spektrale Zustandsdichte<br />
ϱ(ν). Also liegt der Fehler in der mittleren thermischen Energie. Im Wellenbild hat<br />
nach Planck der Gleichverteilungssatz keine Gültigkeit mehr. Dies korrigierte Planck in der<br />
Herleitung seiner Strahlungsformel. Da Photonen nicht abzählbar (nicht unterscheidbar) sind,<br />
darf im Photonenbild die Boltzmannstatistik nicht angewendet werden.<br />
Die Antwort darauf gibt die Quantenstatistik für Teilchen mit geradzahligem Spin (Bose–<br />
Einstein–Statistik).
Kapitel 5<br />
Das Atommodell nach<br />
Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
Vorbemerkung: Bevor wir mit der Darstellung der Atommodelle beginnen, sei der Leser darauf<br />
aufmerksam gemacht, daß die Autoren sich an die historische Entwicklung der damals gefundenen<br />
Atommodelle halten. Die erzielten Ergebnisse sind deshalb nicht falsch, sie liefern jedoch meist<br />
nur die halbe Wahrheit. Die ” ganze“ Wahrheit wird uns erst die Quantenmechanik liefern. Diese<br />
Tatsache sollte dem Leser stets bewußt sein und er wird deshalb an den entsprechenden Stellen<br />
darauf hingewiesen.<br />
5.1 Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche<br />
Streuformel<br />
Durch Rutherfords Messung des Wirkungsquerschnitts beim Stoß zwischen α–Teilchen (He–<br />
Kernen) und Atomen kamen Zweifel an der Richtigkeit des Thomson–Modells auf: Geiger und<br />
Marsden fanden heraus, daß der Großteil der α–Teilchen unter sehr kleinen Winkeln gestreut<br />
wurde. Es gab jedoch auch Streuung unter großen Winkeln und sogar Rückwärtsstreuung. Da<br />
α–Teilchen sehr schwer sind (mehr als 7000 mal schwerer als Elektronen) und da sie in diesem<br />
Experiment hohe Geschwindigkeiten hatten, mußten also starke Kräfte auf sie eingewirkt haben,<br />
um solch ausgeprägte Ablenkungen zu verursachen. Rutherfords Idee war nun, daß diese Streuung<br />
eine Streuung am Coulombpotential eines Atomkerns war. Im sehr kleinen (punktförmigen)<br />
positiv geladenen Kern sei fast die gesamte Masse des Atoms vereinigt, um den sich die Elektronen<br />
wie Planeten um den Kern bewegen. Das Coulombpotential würde dann eine Zentralkraft<br />
bewirken und nach der klassischen Mechanik müßte die Bahnkurve dann ein Kegelschnitt sein<br />
(Keplerproblem). Da es sich um eine Streuung handelt, erhalten wir also eine Hyperbel.<br />
Dieses Modell führt zur Rutherfordschen Streuformel (5.1.1), wenn man ausschließlich die<br />
Coulombabstoßung zwischen der Kernladung und der Ladung der α–Teilchen berücksichtigt.<br />
Wir berechnen jetzt mit diesem Modell die Abhängigkeit der Streuwahrscheinlichkeit vom<br />
Ablenkwinkel.<br />
Zur Bestimmung von a in Abbildung 5.1benutzen wir den Energie– und Drehimpulserhaltungssatz.<br />
v ∞ sei die Geschwindigkeit des Teilchens im Unendlichen und v P die Geschwindigkeit<br />
86
5.1. Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche Streuformel 87<br />
in P . Z sei die ” Kern“–Ladungszahl.<br />
• Der Energieerhaltungssatz liefert<br />
m<br />
2 v2 m<br />
∞ =<br />
2 v2 P + Z1Z2e2 m<br />
=<br />
4πε0 (a + ε) 2 v2 P + Z1Z2C a + ε<br />
• der Drehimpulserhaltungssatz<br />
Abb. 5.1: Rutherfordstreuung, Skizze für die Modellrechnung.<br />
mv ∞ b = mv P (a + ε) =⇒ v P = v ∞<br />
a + ε b.<br />
Durch Einsetzen von v P in den Energiesatz ergibt sich<br />
1<br />
2 mv2 1<br />
∞ =<br />
2 mv2 ∞<br />
b 2<br />
(ε + a) 2 + Z 1 Z 2 C<br />
Erweitert man mit (ε + a) 2 , so gewinnt man durch Umformen<br />
und daraus a = Z1Z2C mv2 .<br />
∞<br />
C = e2<br />
=1.44 MeVfm,<br />
4πε0 Eigenschaften der Hyperbel:<br />
Gleichung: x2 y2<br />
− =1<br />
a2 b2 Asymptote: y = ∓ b<br />
a x<br />
cot ϑ/2 = b<br />
a<br />
a + ε .<br />
mv 2 ∞ · a(ε + a) =Z1Z2C(ε + a)<br />
=⇒ cot(ϑ/2) = mv2 ∞ b<br />
Z 1 Z 2 C<br />
a 2 + b 2 = ε 2<br />
Daraus folgt dann der Stoßparameter mit Z 2 = 2 (He–Kerne) b = Z1C<br />
E∞ cot(ϑ/2) mit E ∞<br />
Für den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />
dσ b<br />
=<br />
dΩ sin ϑ<br />
� �<br />
�<br />
�<br />
db �<br />
�<br />
�dϑ�<br />
= m<br />
2 v2 ∞ .
88 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
wie er in Kapitel 1.5 hergeleitet wurde, ergibt sich dann mit obigem (Z1 = Z):<br />
dσ<br />
dΩ = ZC/E∞ · cot(ϑ/2)<br />
·<br />
sin ϑ<br />
ZC<br />
�<br />
1<br />
·<br />
E∞ 2 (1+ cot2 �<br />
(ϑ/2))<br />
· cos(ϑ/2) · sin−1 (ϑ/2) 1<br />
·<br />
2cos(ϑ/2) · sin(ϑ/2) 2 ·<br />
1<br />
sin 4 (ϑ/2)<br />
dσ<br />
= Z2 C 2<br />
E 2 ∞<br />
dΩ = Z2 1Z2 2e4 8(4πε0 )<br />
E 2 ∞<br />
2 · 1<br />
·<br />
1<br />
sin 4 (ϑ/2)<br />
Abb. 5.2:<br />
Theoretischer Verlauf der Coulombstreuung<br />
nach Rutherford.<br />
Korrekturen an der Streuformel:<br />
1<br />
sin 2 (ϑ/2) = Z2C 2<br />
4E2 ·<br />
∞<br />
, die Rutherfordsche Streuformel 1911. (5.1.1)<br />
Größenordnung: dσ Z2 1<br />
dΩ ≈ 1.3 Z2 2<br />
E2 1<br />
∞ sin4 mbarn, wobei<br />
ϑ/2<br />
E in MeV und 1mbarn = 10−27 cm2 . Prüfung des<br />
Rutherford–Gesetzes durch Geiger und Marsden<br />
1913.<br />
1. Bei Streuwinkeln ϑ3 · 10 −10 cm: Die Abschirmung durch innere<br />
Atomelektronen wird merklich.<br />
2. Streufolien müssen dünn sein, sonst Mehrfachstreuung.<br />
3. Bisher M K in Ruhe, d.h. M K ≫ m α , andernfalls Übergang ins CM–System:<br />
E CM<br />
∞<br />
�v CM =<br />
= µ<br />
2 v2 ∞ , µ = m α · M K<br />
m α + M K<br />
m α<br />
�v<br />
MK + mα L α<br />
→ E CM<br />
∞ = MK E<br />
MK + mα L ∞<br />
Aus der Gültigkeit des Rutherfordgesetzes auch bei großen Winkeln folgt die Aussage über die<br />
Kernausdehnung, bzw. die Aussage über die Gültigkeit des reinen Coulombpotentials.<br />
Für ϑ =180 ◦ ,d.h.b = 0 erhalten wir die Umkehrbahn und damit den kleinsten Abstand δ 0 des<br />
streuenden Teilchens vom Kern aus der Energiebilanz.<br />
Abb. 5.3: Bahnkurve von α–<br />
Teilchen beim zentralen Stoß.<br />
E ∞ = E pot = m<br />
2 v2 ∞ = Z 1 Z 2 C<br />
δ 0<br />
� δ 0 =1.44 MeV fm Z 1 Z 2<br />
E ∞<br />
So erhalten wir für das Rutherfordsche Experiment mit den Werten E ∞ =5.5 MeV an Silber<br />
(Z 1 = 79): δ 0 ≈ 3 · 10 −12 cm.<br />
Beim obigen Experiment hat die Rutherfordsche Streuformel noch Gültigkeit. Bei der Streuung<br />
sehr schneller α–Teilchen (E > 6 MeV) um große Winkel ϑ, (bei annähernd zentralem Stoß)<br />
.
5.2. Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren 89<br />
beobachtet man jedoch deutliche Abweichungen von der Rutherfordformel. Hier ist die Grundvoraussetzung<br />
der Theorie, das Coulombsche Kraftgesetz, nicht mehr erfüllt. α–Teilchen und<br />
Kern kommen sich so nahe, daß neue Kräfte wirksam werden, die Kernkräfte. Dies nennt man<br />
die anomale Rutherfordstreuung. Man definiert den Kernradius rK als den Abstand, bei dem<br />
die Wirkung des Kernkraftpotentials mit der des Coulombpotentials vergleichbar wird (also den<br />
Bereich, in dem es eine deutliche Abweichung vom Coulombpotential gibt).<br />
Aus Messungen an Au folgerte man, daß der Kern die Größe von ca. 10−15 m hat.<br />
Messung an vielen Kernen ergab: r K = r 0 · A 1<br />
3 mit r 0 ≈ 1.25 fm .<br />
Chadwick bestimmte 1920 aus dem Verhältnis der gestreuten zu den direkt durchfliegenden<br />
α–Teilchen das Z 1 der Folienkerne.<br />
Nach dem Rutherford’schen Atommodell für das Einelektronensystem (H, He + ,Li ++ ) gilt für<br />
die Energie des Elektrons mit der Masse me = m auf der Kreisbahn r<br />
E = Epot + Ekin = − Z1e2 m<br />
+<br />
4πε0r 2 (rω)2 . (5.1.2)<br />
Für das umlaufende Elektron gilt das Kräftegleichgewicht FZ = FC , daher ist<br />
(5.1.3) in (5.1.2) eingesetzt liefert:<br />
Z 1 e 2<br />
E = − 1<br />
2 4πε0r Abb. 5.4: Energie des Elektrons.<br />
mω 2 r = Z1e2 4πε0r2 � m(rω)2 = Z1e2 . (5.1.3)<br />
4πε0r , sowie ω =<br />
�<br />
Z 1 e 2<br />
4πε 0 mr 3<br />
wie im Thomson–Modell.<br />
Es folgt außerdem mit r =10 −8 cm die richtige Größenordnung<br />
der Ionisationsenergie. Für Z 1 = 1 : E = −7.2eV<br />
(gemessen: E exp = −13.5eV.)<br />
Offene Fragen:<br />
1. Warum fallen die Elektronen, da sie doch bei ihrer (beschleunigten) Kreisbewegung dauernd<br />
Energie abstrahlen, nicht in den Kern?<br />
2. Wie kommt es zum stabilen Atomradius?<br />
3. Wie kommen die beobachteten Spektrallinien zustande?<br />
5.2 Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche<br />
Spektren<br />
Hier setzte nun Niels Bohr (1913) an, indem er die Vorstellung des Rutherfordschen Atommodells<br />
mit der Plankschen Quantisierungsvorschrift für den harmonischen Oszillator und mit<br />
der Einsteinschen Photonenvorstellung verband.
90 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
Für Elektronen, die sich auf Kreisbahnen bewegen, ergibt sich in Polarkoordinaten (r, ϕ): ˙r =0,<br />
˙ϕ = ω. Im folgenden sei Z = Z 1 . Es herrscht ein Kräftegleichgewicht zwischen Coulomb– und<br />
Zentrifugalkraft, also:<br />
Ze 2<br />
4πε 0 r 2 = mω2 r.<br />
Für die Energie gilt: W = Wpot + Wkin = − Ze2 1<br />
+<br />
4πε0r 2 mr2ω 2<br />
� W = − 1 Ze<br />
2<br />
2<br />
4πε0r .<br />
Um die Quantisierungsvorschrift zu formulieren, müssen wir zunächst den generalisierten Impuls<br />
bestimmen.<br />
Wir betrachten ein zweidimensionales Problem und wählen als generalisierte (unabhängige)<br />
Koordinaten r, ϕ = qi (i = 1, 2). qi = qi (x, y) sind Funktionen von kartesischen Koordinaten.<br />
Damit ist die potentielle Energie eine Funktion von generalisierten Koordinaten<br />
(Wpot = Wpot (qi )). Die zwei Gleichungen qi = qi (x, y) nach x, y aufgelöst, nach t differenziert<br />
und in Wkin eingesetzt liefern eine homogene, quadratische Funktion der ˙q i mit Koeffizienten,<br />
die von qi abhängen:<br />
Wkin = �<br />
C(qi )˙q<br />
i<br />
2 i<br />
=⇒ ∂W kin<br />
∂ ˙q i<br />
=2C(qi ) · ˙q i ⇐⇒ C(qi )= 1<br />
2˙q i<br />
=⇒ Wkin = 1 � ∂Wkin ˙q i .<br />
2 ∂ ˙q<br />
i i<br />
∂W kin<br />
∂ ˙q i<br />
Der Vergleich mit W kin = 1<br />
2 p x ˙x liefert die Definition der generalsierten Impulse p i<br />
Dann läßt sich zeigen, daß mit der Hamiltonfunktion H = H(q i ,p i ) wieder die<br />
Hamilton–Gleichungen − ∂H<br />
∂q i<br />
Für die Wirkungsfunktion ergibt sich:<br />
�<br />
W kin dt = 1<br />
2<br />
Im Falle der Kreisbahn ist damit<br />
= p˙i ,<br />
�<br />
�<br />
i<br />
∂H<br />
∂p i<br />
p i dq i .<br />
= q˙i q i = r, ϕ −→ ˙r =0, ˙ϕ = ω<br />
p ϕ = ∂W kin<br />
∂ω = mr2 ω = L (Drehimpuls)<br />
gelten.<br />
und unter Berücksichtigung der Quantisierungsbedingung folgt<br />
�<br />
pdq = mr 2 ω · 2π = nh (n =1, 2, 3,... Hauptquantenzahl).<br />
∂Wkin = ∂ . ˙qi
5.2. Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren 91<br />
� mr 2 ω = L = n h<br />
= n�<br />
2π<br />
!Vorsicht!<br />
in der Interpretation für das H–Atom !<br />
Wie wir in 5.4 zeigen werden, ist dies nur ein Sonderfall der von Sommerfeld modifizierten<br />
Drehimpulsquantelung (Annahme von Bohr: Kreisbahnen).<br />
Aus der Quantisierungsbedingung m2r4ω 2 = n2�2 und dem Kräftegleichgewicht mr3ω2 = Ze2<br />
4πε0 ,<br />
n also mr =4πε0 2 2<br />
�<br />
Ze2 folgt der Bahnradius<br />
rn = 1<br />
Z 4πε0 �2 me2 · n2 ,<br />
und für Z =1,n = 1ergibt sich der 1. Bohrscher Radius des Wasserstoff–Atoms<br />
a 0 =4πε 0<br />
Daraus folgt die Energie auf der n.ten Bahn<br />
Abb. 5.5:<br />
Energieniveauschema.<br />
� 2<br />
me 2 =0.528 · 10−8 cm .<br />
Wn = − (Ze2 ) 2m (4πε0 ) 2 1<br />
·<br />
2�2 n2 = −Z2hcR∞ · 1<br />
n2 mit der Rydberg–Konstanten R ∞<br />
R ∞ =<br />
Die Geschwindigkeit des Elektrons auf der n.ten Bahn ist<br />
Dies läßt sich auch schreiben als<br />
v n<br />
c<br />
= Z · α · 1<br />
n<br />
e2 1<br />
mit α = =<br />
4πε0�c 137<br />
e 4 m<br />
(4π) 3 ε 2 0 �3 c = 109 737.3cm−1 .<br />
vn = ωrn = n�<br />
= Z<br />
mrn e2 1<br />
·<br />
4πε0� n .<br />
Für die Umlauffrequenz des Elektrons auf der n.ten Bahn ergibt sich<br />
ν n = v n<br />
2πr n<br />
= Z 2<br />
, der Sommerfeldschen Feinstrukturkonstanten.<br />
me4<br />
32π 3 ε 2 0<br />
�3 · 1<br />
n3 = Z22cR∞ · 1<br />
n<br />
Wir erhalten negative Gesamtenergien, da es sich um Bindungsenergien handelt; d.h. wenn sich<br />
das Elektron vom Kern entfernt, so muß es Energie aufnehmen, bei Annäherung verliert es diese<br />
Energie wieder. Versucht man jedoch, bei einem solchen Modell die Emission und Absorption von<br />
Licht mit den bekannten Gesetzen der klassischen Elektrodynamik zu verstehen, so stößt man<br />
auf grundlegende Schwierigkeiten. Klassisch sollten Bahnen mit beliebigem Radius und damit<br />
eine kontinuierliche Folge von Energiewerten für das Elektron im Feld des Kerns möglich sein.<br />
Würde man die in den Spektralserien in Erscheinung tretenden Energieniveaus jedoch als Werte<br />
3 .
92 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
für die Energie des Elektrons ansehen, so müßte man annehmen, daß nur diskrete Energiewerte<br />
möglich sind. Wie sollte man sich also die offenen Fragen beim Rutherfordschen Atommodell<br />
erklären?<br />
Um diese Diskrepanz zu den Gesetzen der klassichen Physik zu vermeiden, stellte Bohr, in<br />
Form der nach ihm benannten Postulaten, Forderungen für das von den Gesetzen der klassischen<br />
Physik abweichende Verhalten der Elektronen im Atom auf.<br />
1. Bohrsches Postulat: Die durch die Quantisierungsbedingung ausgezeichneten Bahnen sind<br />
stationäre (zeitunabhängige) Bahnen, auf denen das Elektron nicht strahlt!<br />
2. Bohrsches Postulat: Die Emission von Licht erfolgt beim Übergang von einer Bahn höherer zu<br />
einer Bahn niedrigerer Energie (bei der Absorption entsprechend umgekehrt). Für die emittierte<br />
Frequenz gilt:<br />
hν = W − W .<br />
n2→n1 n2 n1<br />
Damit läßt sich nun die experimentell gefundene Rydberg–Formel herleiten<br />
ν = ν<br />
c = hνn2→n1 =<br />
hc<br />
Wn2 − Wn1 = T − T = Z n2 n1<br />
hc<br />
2 �<br />
1<br />
R∞ n2 −<br />
1<br />
1<br />
n2 �<br />
2<br />
mit ν = 1 v<br />
λ = c .<br />
Allerdings hat die Rydberg–Konstante R ∞ einen etwas anderen Wert als das experimentelle R H :<br />
M A<br />
r A<br />
S<br />
r e e<br />
Abb. 5.6: Zweikörperproblem.<br />
Damit wird RH = R∞ 1+ me ,<br />
MA<br />
Bei obiger Rechnung lag die Annahme einer unendlich großen<br />
Masse M A des Kerns zugrunde. Dies ist jedoch falsch. Analog<br />
zur Mechanik erhalten wir ein Zweikörperproblem. Bei der<br />
Berücksichtigung der Kernmitbewegung müssen wir also in allen<br />
Gleichungen<br />
r durch r A + r e<br />
und m durch µ = me · MA me =<br />
me + MA (1+ me<br />
MA )<br />
R H = 109 677.6cm −1<br />
R D = 109 707.4cm −1<br />
ersetzen.<br />
RHe + = 109 722.3cm−1 Somit ist das Wasserstoffspektrum erklärt. Wegen der Mitbewegung des Kerns haben verschiedene<br />
Isotope des gleichen Elements etwas unterschiedliche Spektrallinien. Dies führte zur<br />
Entdeckung des Deuteriums. Wegen der unterschiedlichen Rydberg–Konstanten weichen die<br />
Spektrallinien von He + und Deuterium vom Wasserstoff etwas ab. Die Wellenlängendifferenz ∆λ<br />
für die entsprechenden Linien im Spektrum des leichten und des schweren Wasserstoffs beträgt<br />
�<br />
∆λ = λH − λD = λH 1 − λ � �<br />
D<br />
= λH 1 −<br />
λH R �<br />
H<br />
.<br />
RD Wesentliches gemeinsames Charakteristikum der Bohrschen Postulate ist: Man macht nicht Aussagen<br />
über Vorgänge, sondern über Zustände. Der klassische Bahnbegriff wird aufgegeben. Es<br />
wird nicht nach dem zeitlichen Verlauf gefragt, sondern nach dem stationären Anfangs– und<br />
Endzustand.
5.3. Bohrsches Korrespondenzprinzip; Rydberg–Zustände 93<br />
5.3 Bohrsches Korrespondenzprinzip;<br />
Rydberg–Zustände<br />
Die durch die Quantisierung entstehenden Phasenraumzellen mit dem Volumen h 3 liegen für<br />
große Quantenzahlen beliebig dicht: vgl. Abbildung 4.6.<br />
Quantisierter Phasenraum ⇒ Kontinuum für n →∞.<br />
Die Anwendung dieses Sachverhaltes auf die <strong>Atomphysik</strong> ist das Bohrsche Korrespondenzprinzip:<br />
Für große Quantenzahlen geht die Quantenphysik in die klassische Physik über, d.h.<br />
für große Quantenzahlen liegen die Energieniveaus beliebig dicht nebeneinander, so daß hier von<br />
einem Kontinuum gesprochen werden kann. Das bedeutet konkret, daß die<br />
Übergangsfrequenz ν n+1→n gleich der Umlauffrequenz ν n<br />
νn+1→n = Z 2 �<br />
1<br />
Rc −<br />
n2 1<br />
(n +1) 2<br />
�<br />
= Z 2 Rc 1<br />
n2 �<br />
1 −<br />
≈ Z 2 Rc 1<br />
n2 2<br />
n =2Z2Rc 1<br />
n3 = νn für n →∞.<br />
ist, also<br />
1<br />
(1+ 1<br />
n )2<br />
�<br />
Mit diesem Prinzip ist es möglich, die mit Hilfe der klassischen Physik berechneten Aussagen<br />
über Intensitäten und Polarisationen in die Gesetze der Quantentheorie zu übertragen. Dennoch<br />
sind die Ergebnisse und vor allem die Methode nicht befriedigend.<br />
Atomzustände mit sehr hohen Quantenzahlen nennt man Rydberg–Zustände. Die moderne<br />
Lasertechnik mit ihren fein–durchstimmbaren Laserfrequenzen macht eine Anregung dieser<br />
Zustände möglich. Da sich das eine hoch angeregte Elektron weit weg vom Rumpf der übrigen<br />
Elektronen befindet, sind seine Zustände sehr wasserstoffähnlich.<br />
Charakteristika dieser Rydberg–Atome sind:<br />
1 . Größe der Rydberg–Atome:<br />
a 0 ≈ 0.5 · 10 −8 cm bei n = 1(1. Bohrscher Radius)<br />
r 100 =0.5 · 10 −8 cm · n 2 =0.5 · 10 −4 cm = 0.5 µm (n = 100).<br />
2. Sehr große Lebensdauer τ ∼ 10 −3 s=1ms<br />
3. Sehr kleine Ionisationsenergie,<br />
d.h. Rydberg–Atome werden leicht durch Stöße mit anderen Atomen und durch die thermische<br />
Strahlung der umgebenden Wände ionisiert: Einfluß der Temperatur auf den Ionisationsstrom.<br />
5.4 Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung<br />
Die heile Welt des Bohrschen Modells wurde durch die Beobachtung gestört, daß die Linien der<br />
Balmerserie des Wasserstoffs bei höheren spektralen Auflösungen nicht einfache Linien sind; jede
94 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
von ihnen besteht vielmehr aus mehreren Komponenten. Aus derartigen Beobachtungen leitete<br />
Sommerfeld eine Erweiterung des Bohrschen Modells ab. Sommerfeld berücksichtigte (1916),<br />
daß ein Elektron im Coulombfeld nicht nur auf Kreisbahnen, sondern auch auf Ellipsenbahnen<br />
umlaufen kann (wie die Planeten um die Sonne).<br />
Für die Gesamtenergie W = W pot + W kin ergibt<br />
sich klassisch (Keplerproblem)<br />
W = − 1 Ze<br />
2<br />
2<br />
4πε0a .<br />
Die Gesamtenergie W ist nur von der großen Halbachse<br />
abhängig!<br />
Abb. 5.7: Bewegung des Elektrons auf Ellipsenbahnen<br />
um den Kern.<br />
Wir führen nun die generalisierten Koordinaten q1 = ϕ(t); ˙ϕ(t) =ω; q2 = r(t) ein, und schreiben<br />
die Gesamtenergie als<br />
Wkin = m<br />
2 v2 = m<br />
2 (˙r2 +(r ˙ϕ) 2 )= m<br />
2 (˙r2 +(rω) 2 ) ,<br />
damit ergeben sich die generalisierten Impulse zu<br />
pϕ = ∂Wkin ∂ ˙ϕ = mr2 ˙ϕ = mr 2 ω = L = const.<br />
und pr = ∂Wkin = m ˙r.<br />
∂ ˙r<br />
Berücksichtigt man jetzt die Quantisierungsbedingung, so läßt sich das Wirkungsintegral<br />
schreiben als:<br />
�<br />
2<br />
W kin dt =<br />
�<br />
p ϕ dϕ + � p r dr<br />
= n ϕ h + n r h<br />
= mr 2 �<br />
ω2π + prdr ganzzahlig.<br />
n ϕ ,n r<br />
Der Sonderfall der Bohrschen Kreisbahn bedeutet r = const. und somit p r =0=⇒ n r = 0 und<br />
2 � W kin dt = n · h. Allgemein gilt nun<br />
n = n ϕ + n r<br />
n = Bohrsche Hauptquantenzahl.<br />
Die Sommerfeldsche Rechnung liefert (mit a0 = 4πε0�2 : 1. Bohrscher Radius).<br />
me2 1. W = − Z2 Rhc<br />
(n ϕ + n r )<br />
2. a = a 0<br />
Z (n ϕ + n r )2<br />
Ze<br />
= −1 2 2<br />
2<br />
4πε0a
5.4. Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung 95<br />
3. b = a 0<br />
Z (n ϕ + n r )n ϕ<br />
4. L = mr 2 ω = √ −2mW · b = a √<br />
0<br />
−2mW · (nϕ + nr ) · nϕ mit p =<br />
Z<br />
√ −2mW und W
96 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
Abb. 5.8: l–Entartung, Termschema stark vereinfacht.<br />
k Nebenquantenzahl<br />
l Bahndrehimpulsquantenzahl<br />
s, p, d, f spektroskopische Bezeichnungen<br />
W n,l = W n<br />
Energiezustände sind entartet (unabhängig<br />
von l).<br />
5.5 Aufhebung der l–Entartung:<br />
Feinstruktur des Wasserstoff–Spektrums<br />
Die Entartung der Energieterme in Bezug auf die Bahndrehimpulsquantenzahl wird aufgehoben,<br />
wenn die Voraussetzungen des Modells in Bezug auf die Energien nicht mehr gelten, das heißt<br />
wenn z.B. ” Störungen“ dazukommen.<br />
Für das H–Atom stellt eine solche Störung die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Elektronenmasse<br />
dar, also m e = m e (v). Bei Ellipsenbahnen mit kleinem l (kleiner Halbachse) ist die<br />
Massenveränderlichkeit in der Nähe des Perihels besonders groß. Dies führt zu einer Absenkung<br />
der Energie, denn vergrößerte Masse bedeutet nach Bohr einen kleineren Radius, das wiederum<br />
eine größere (negative) Bindungsenergie.<br />
Die relativistische Korrektur führt also zu einer Abhängigkeit der Energieterme von l (bzw. k).<br />
Die Rechnung, die hier nicht durchgeführt werden soll, liefert (Sommerfeld 1916):<br />
E n,k = − Z2 R H hc<br />
n 2<br />
mit α = e2 1<br />
=<br />
4πε0�c 137<br />
�<br />
1+ α2Z 2<br />
n2 � � �<br />
n 3<br />
− + ...<br />
k 4<br />
Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante
5.6. Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 97<br />
Abb. 5.9: Aufhebung der l–Entartung.<br />
Die relativistische Massenzunahme des Elektrons<br />
führt zu einer Periheldrehung der Ellipsenbahn. Es<br />
ergibt sich im anschaulichen Bild eine Rosetten-<br />
”<br />
bewegung“ des Elektrons um den Kern (Störung<br />
des 1<br />
r –Gesetzes), analog zur Periheldrehung der<br />
Merkurbahn um die Sonne.<br />
Die Aufhebung der Entartung führt also zu einer<br />
Feinstruktur der H–Linien, z.B. die der Hα ,diezum<br />
ersten Mal bereits 1887 von Michelson und Morley<br />
mit einem Gitterspektrographen beobachtet<br />
wurde.<br />
H α :∆λ =0.14 A (bei 6563 A) bzw. ν =0.32 cm −1<br />
Man beobachtet nur die im Termschema eingezeichneten Übergänge. Dies kann durch eine<br />
Auswahlregel erklärt werden:<br />
∆l = ±1<br />
Trotz der Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment ist Sommerfelds Erklärung der<br />
Feinstruktur (Aufspaltung der H–Terme)nur die halbe Wahrheit: Die Spin–Bahn–Kopplung ist<br />
noch nicht bekannt!<br />
5.6 Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen:<br />
Schalenstruktur der Elektronenhülle<br />
Um 1915 waren Atomgrößen und Ionisationsenergien der Elemente annähernd bekannt. Man<br />
erhielt folgende Ergebnisse<br />
1. Alkali–Atome sind besonders groß,<br />
2. ihre Ionisationsenergien für das 1. Elektron sind besonders klein,<br />
3. ihre Ionisationsenergien für das 2. Elektron sind besonders groß.<br />
Für die Ionisationsenergien ergeben sich Zahlenwerte der folgenden Tabelle:<br />
A + A ++ A +++<br />
Außerdem war die Tatsache aus der Chemie<br />
bekannt, daß Alkali–Atome 1Valenz ( =<br />
1H 2He 3Li 10Ne 11Na 18Ar K<br />
1 3.6<br />
24.5 54<br />
5.4 75<br />
21.6 41<br />
5.147<br />
15.8 28<br />
4.3 32<br />
122<br />
64<br />
72<br />
41<br />
46<br />
eV<br />
Leucht)–Elektron besitzen. Es war naheliegend,<br />
die quantisierten Energiezustände des<br />
Bohrschen Modells als Schalen“ zu betra-<br />
”<br />
chten, die der Reihe nach mit Elektronen besetzt<br />
werden. Bei einem Alkali–Atom fängt<br />
eine neue Schale an, mit einem Edelgas ist sie<br />
abgeschlossen.<br />
19
98 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
H He Li Ne Na Ar K Kr Rb X Cs<br />
1 1 1 1 Z1 2 3 0 8 9 36 37 54 55<br />
∆Z 2 8 8 1 8 1 8<br />
n 1 2 3 (4)<br />
Schale K L M (N)<br />
∆Z ist die Zahl der Elektronen pro Schale.<br />
Die genaue Erklärung für den Elektronen–Schalen–Aufbau gab erst das Pauli–Prinzip 1925, das<br />
wir in Kapitel 9 noch behandeln werden. Das Termschema der Alkali–Atome können wir jedoch<br />
qualitativ jetzt schon verstehen.<br />
Abb. 5.10: Form des effektiven Potentials.<br />
Wenn das Valenz– oder Leuchtelektron<br />
eine neue Schale eröffnet, so ergibt sich<br />
ein Quasi–Wasserstoff–Atom. Dieses<br />
Leuchtelektron befindet sich in einem relativ<br />
großen Abstand r vom Kern und<br />
bewegt sich in einem � E–Feld der Kernladung<br />
+Ze, das durch die Z − 1inneren<br />
Elektronen weitgehend abgeschirmt<br />
ist. Wir beschreiben die abschirmende<br />
Wirkung der (Z − 1) Elektronen gemeinsam<br />
mit dem Kernpotential durch ein effektives<br />
Potential V eff für das Leuchtelektron.<br />
Damit reduzieren wir das ursprüngliche Mehrteilchenproblem auf ein Einteilchenproblem. Bewegt<br />
sich also das Leuchtelektron in großer Entfernung r vom Kern, so beträgt seine potentielle<br />
Energie V = −e2<br />
4πε0r . Die auf das Leuchtelektron wirkende Kernladung +Ze ist bis auf eine<br />
Ladungseinheit durch die inneren Elektronen kompensiert. Je näher aber das Elektron an den<br />
Kern gelangt, um so mehr unterliegt es der unabgeschirmten Wirkung der Kernladung. Hier gilt<br />
für die potentielle Energie V = −Ze2 , d.h. das effektive Potential ist nicht mehr proportional zu<br />
1<br />
r .<br />
4πε0r
5.6. Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 99<br />
E/eV<br />
s p d f H–Atom Nur diese Proportionalität ist aber für<br />
die l–Entartung verantwortlich, wie wir<br />
5p 4d 4f 4<br />
in Kapitel 7.5.3 sehen werden. Som-<br />
5s<br />
-1<br />
4p<br />
fundamental<br />
merfelds Ellipsen tauchen teilweise<br />
3d<br />
3<br />
aber tief in die Abschirmung ein, d.h.<br />
4s<br />
für Elektronen mit kleinen l ist das<br />
-2<br />
sharp diffuse<br />
1<br />
r –Potential nicht mehr gegeben, und<br />
somit ist auch die l–Entartung aufge-<br />
3p<br />
-3<br />
hoben. Da die s–Elektronen den nicht<br />
2<br />
abgeschirmten Kern am stärksten ausgesetzt<br />
sind, sind sie auch am stärksten<br />
-4<br />
principal<br />
gebunden, danach die p–Elektronen<br />
usw. . Dieser Effekt nimmt bei wach-<br />
3s<br />
-5<br />
sender Kernladungszahl Z noch zu.<br />
Für Natrium zum Beispiel liegt das<br />
4s–Niveau schon niedriger als das 3d–<br />
Niveau.<br />
Abb. 5.11: Termschema für Natrium.<br />
Für das Natriumatom erhalten wir das nebenstehende Termschema. Der entscheidende Unterschied<br />
zum Wasserstoff–Atom liegt darin, daß die Aufspaltung in die s, p, d–Terme (Aufhebung<br />
der l–Entartung) im Bereich von mehreren eV liegt, wohingegen beim Wasserstoff diese Aufspaltung<br />
im Bereich von etwa 10−4 eV anzusiedeln ist.<br />
Dieser Effekt ist um so größer, je kleiner die Hauptquantenzahl n ist. Für sehr große n, d.h.<br />
weitab vom Kern, erhalten wir wieder wasserstoffähnliche Zustände, d.h. wieder sehr geringe<br />
Aufspaltung.<br />
Außerdem erlaubt dieses Termschema eine Einordnung der in Spektrallinien der Alkali–Atome<br />
beobachteten Linien in Serien, wenn man als Auswahlregel für optische Übergänge noch die<br />
Vorschrift ∆l = ±1hinzunimmt. Diese Auswahlregel wird in der Quantenmechanik noch<br />
begründet.<br />
Die Serien in den Emissionsspektren der neutralen Alkali–Atome werden durch Serienformeln<br />
erfaßt, die der Balmer–Serienformel ähnlich sind.<br />
Für die beiden Quantenzahlen n und l bestimmten Frequenzen erhalten wir die empirische Serienformel<br />
für Na:<br />
ν ∼<br />
�<br />
1<br />
1<br />
−<br />
(3 − ∆(3, 0)) 2 (n − ∆(n, 1)) 2<br />
ν ∼<br />
�<br />
�<br />
1<br />
1<br />
−<br />
(3 − ∆(3, 1)) 2 (n − ∆(n, 0))<br />
n ≥ 3 principal–Serie (p → s)<br />
2<br />
ν ∼<br />
�<br />
�<br />
1<br />
1<br />
−<br />
(3 − ∆(3, 1)) 2 (n − ∆(n, 2))<br />
n>3 sharp–Serie (s → p)<br />
2<br />
ν ∼<br />
�<br />
�<br />
1<br />
1<br />
−<br />
(3 − ∆(3, 2)) 2 (n − ∆(n, 3))<br />
n ≥ 3 diffuse–Serie (d → p)<br />
2<br />
�<br />
n>3 fundamental–Serie (f → d) .<br />
Allgemein gilt offenbar<br />
�<br />
1<br />
Wn,l ≈<br />
(n − ∆(n, l)) 2<br />
�<br />
.
100 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
n − ∆(n, l) ist im allgemeinen eine nicht ganzzahlige Quantenzahl, n die dem H–Atom<br />
entsprechende ganzzahlige Hauptquantenzahl und ∆(n, l) der zu den Quantenzahlen n und l<br />
gehörende sogenannte Quantendefekt. Die empirisch bestimmten Zahlenwerte für Quantendefekte<br />
sind für s–Elektronen am größten, nehmen mit steigender Bahndrehimpulsquantenzahl l<br />
ab und sind weitgehend unabhängig von der Hauptquantenzahl n. Diese Quantendefekte erfassen<br />
empirisch die unterschiedlichen Abschirmungen, die die s, p, d, ...–Elektronen durch die<br />
Elektronen der inneren Schalen erfahren.<br />
Aber die Theorie von Bohr–Sommerfeld liefert keine Erklärung für Dubletts. Dubletts sind<br />
Doppellinien in den Spektren. Sie kommen dadurch zustande, daß alle Energieterme En,l von<br />
Atomen mit nur einem Valenzelektron in 2 Terme aufgespalten sind. Diese Tatsache kann erst<br />
mit der Spin–Bahn–Kopplung erklärt werden.<br />
5.7 Röntgenspektren, Auger–Effekt<br />
Zur Erinnerung:<br />
• 1895 Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Röntgen.<br />
• 1908 Entdeckung der charakteristischen Strahlung (Röntgenspektren) durch Barkla.<br />
• 1912 Vermutung einer atomaren Schalenstruktur von (J.J. Thomson, Rydberg; vor<br />
Bohr!).<br />
• 1912 Entdeckung der Röntgeninterferenzen durch v. Laue.<br />
• 1913 Drehkristallspektrograph von Bragg.<br />
Röntgenstrahlen sind noch kurzwelliger als UV–Licht. Ihre Frequenzen sind also sehr hoch.<br />
Nach der Bohrschen Theorie müssen daher auch die Energieumsetzungen bei Quantensprüngen<br />
beträchtlich sein (1keV – 100 keV). Derart hohe Werte setzen energiereichere Elektronenbahnen<br />
voraus.<br />
Beim Beschuß von Antikathoden aus schweren Atomen mit beschleunigten Elektronen entstehen<br />
Röntgenstrahlen. Dazu zwei Erzeugungsmechanismen:<br />
1. Beschleunigung im Kernfeld, man erhält die Bremsstrahlung. (vgl. Kapitel 4.4)<br />
2. Ionisation innerer Schalen mit anschließender charakteristischer Strahlung (Röntgenspektren).<br />
Charakteristisches Emissionsspektrum: Es wird deshalb so genannt, weil es für das Material<br />
im gleichen Maße charakteristisch ist, wie das optische Emissionsspektrum für ein Gas oder<br />
einen Dampf. Das Spektrum der charakteristischen Strahlung ist ein Linienspektrum. Experimentell<br />
läßt sich das charakteristische Spektrum und das Bremsspektrum nicht trennen. Daher<br />
ist dem charakteristischen Spektrum stets das Bremsstrahlungsspektrum überlagert (vgl. Abbildung<br />
5.12).<br />
Allgemein gilt für charakteristische Spektren: Im Gegensatz zu den optischen Spektren, die sehr<br />
viele Linien mit recht komplizierter Abhängigkeit von der Kernladungszahl Z enthalten und
5.7. Röntgenspektren, Auger–Effekt 101<br />
die einer starken Beeinflußung durch die chemischen Bindung unterliegen, beobachtet man bei<br />
Röntgenspektren eine begrenzte Zahl von Linien, die in einige Serien zusammengefaßt werden<br />
können. Diese Serien konvergieren zu einer kurzwelligen Grenze. Man bezeichnet die Serien mit<br />
K, L, M, N, ..., die Linien innerhalb der Serien mit griechischen Buchstaben beginnend mit α,<br />
d.h. z.B. die Linie des Übergangs von L nach K heißt K α –Linie, von M nach KK β –Linie (vgl.<br />
Abbildung 5.13). Moseley fand im Jahre 1913 ein einfaches Gesetz, das die Frequenzen der<br />
Spektrallinien mit der Ordnungszahl Z des emittierenden Elements verknüpft. Die erste Linie<br />
der K–Serie, die Linie Kα , kann in guter Näherung geschrieben werden als<br />
Kα : ν =(Z − σ Kα K ) 2 �<br />
1 1<br />
Rc −<br />
12 22 �<br />
Moseley: ν = Kα 3<br />
Rc(Z − 1)2<br />
4<br />
und für die erste Linie der L–Serie gilt<br />
Lα : ν =(Z − σ Lα L ) 2 �<br />
1 1<br />
Rc −<br />
22 32 �<br />
; Moseley: ν = Lα 5<br />
Rc(Z − 7.4)2<br />
36<br />
σ K ≈ 1<br />
σ L ≈ 7.4<br />
wobei σ die Abschirmungskonstante der jeweiligen Seriengrenze bedeutet. Die Übergänge zwischen<br />
inneren Schalen sind energiereicher als die Übergänge in äußeren Schalen.<br />
Kossel deutete 1916 die Entstehung der Röntgenlinienspektren anhand des Bohrschen Atommodells<br />
folgendermaßen: Zunächst muß das anregende Elektron ein Atomelektron aus einer<br />
inneren Schale entfernen. Das so entstandene Loch wird durch äußere Elektronen aufgefüllt.<br />
Für diese Auffüllung bestehen folgende Möglichkeiten:<br />
1. Ein Elektron fällt unmittelbar (d.h. unter Überspringen sämtlicher Zwischenstufen) in den<br />
freien Platz der inneren Elektronenbahnen zurück.<br />
2. Es findet ein stufenweises Zurückfallen statt.<br />
Zwischen diesen beiden Fällen gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Der Gesamtbetrag<br />
der freiwerdenden Energie muß aber beim direkten Übergang gleich sein, wie bei einer<br />
Übergangskaskade. Alle Übergänge, die auf der gleichen inneren Schale enden, treten gemeinsam<br />
auf. Sie bilden zusammen eine Serie.<br />
Damit wurde der Beweis der Schalenstruktur erbracht. Heute: Wichtiges Verfahren zur Z–<br />
Bestimmung (Materialanalyse).<br />
Z ählrate<br />
λ min<br />
K β<br />
K α<br />
Charakteristische<br />
Linien<br />
Bremskontinuum<br />
λ =2d sin ϑ<br />
Abb. 5.12: Charakteristisches Röntgenspektrum.<br />
Abb. 5.13: Schema zur Erklärung der K, L,<br />
M Serien im Röntgenspektrum, Übergänge<br />
von Elektronen aus äußeren Schalen nach der<br />
Ionisation (Erzeugung eines Loches in einer<br />
inneren Schale).
102 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
Auger–Effekt<br />
K L<br />
N<br />
M<br />
Auger–<br />
Elektronen<br />
Abb. 5.14: Augerelektronenemission.<br />
Eine Konkurrenz zur Emission der charakteristischen<br />
Röntgenstrahlung stellt die Emission von Elektronen aus<br />
äußeren Schalen dar. Das Atom gibt seine hohe Anregungsenergie<br />
nicht in Form von elektromagnetischer<br />
Strahlung sondern in Form von Elektronen ab (Auger–<br />
Effekt); dadurch entsteht ein weiteres ” Loch“ in der Elektronenhülle.<br />
Auf diese Weise kann man hochionisierte<br />
Atome erhalten.<br />
Erklärung: Zunächst wird die K–Schale ionisiert. Ein<br />
L–Elektron fällt von der L– indieK–Schale und füllt die<br />
dort entstandene Lücke.<br />
Die frei werdende Energie wird benutzt, um ein zweites L–Elektron aus der L–Schale oder einer<br />
anderen zu entfernen, dieses entweicht aus dem Atom. Im Endeffekt ist die L–Schale also um<br />
zwei Elektronen ärmer geworden, diese werden wiederum von weiter außen liegenden Elektronen<br />
nachgeliefert. Somit kann es zur Emission weiterer Auger–Elektronen kommen. Für die<br />
kinetische Energie der Auger–Elektonen gilt<br />
E kin = hν Kα − E L = E K − E L − E L = E K − 2 · E L<br />
mit E K , E L : Bindungsenergie in der K, bzw.L–Schale.<br />
Man stellt fest, daß die Wahrscheinlichkeit für solche strahlungslose Konkurrenzprozesse zur<br />
Röntgenemission mit steigender Kernladungszahl stark abnimmt, d.h. daß bei leichten Atomen<br />
die Wahrscheinlichkeit der Emission von Auger–Elektronen steigt.<br />
1<br />
.5<br />
η<br />
20 40 60 80<br />
Z<br />
Abb. 5.15: η in Abhängigkeit<br />
der Ordnungszahl Z.<br />
Abbildung 5.15 stellt dies anschaulich dar; wobei η wie folgt<br />
definiert ist:<br />
η =<br />
Zahl der Röntgenlicht emittieren Atome<br />
Zahl der in K, L, ... ionisierten Atome .<br />
5.8 Anregung von Atomen durch Elektronenstoß<br />
Die Ergebnisse der Bohrschen Theorie, insbesondere die Tatsache der diskreten Energieniveaus<br />
im Atom, können experimentell überprüft werden. Diese Überprüfung sollte unabhängig von<br />
den optischen Ergebnissen sein und die richtige Wiedergabe der Spektren zur Folge haben. Eine<br />
Bestätigung bildet z.B. auch die Wiedergabe der Größe des Wasserstoff–Atoms und eine Messung<br />
der Ionisierungsenergie aus der Seriengrenze der Lyman–Serie.<br />
Davon unabhängige Experimente zur Untersuchung der Atomstruktur lassen sich mit Elektronen<br />
durchführen.<br />
Erste Untersuchungen der Wechselwirkung von Elektronen und Materie wurden bereits um 1890<br />
von Lenard durchgeführt. Er stellte fest, daß 50 keV–Elektronen eine 3 µm dicke Al–Folie<br />
(∼ 104 Atomschichten) bzw. 7 mm Luft bei Normalbedinungen mit ca. 80 % Wahrscheinlichkeit<br />
durchdringen. Für die Abschwächung eines Elektronenstrahls (Transmissionsexperiment) gilt<br />
das übliche Schwächungsgesetz (vgl. Kapitel 1.5). Sei N(x) die Anzahl der Teilchen am Ort x.
5.8. Anregung von Atomen durch Elektronenstoß 103<br />
N 0<br />
N(x)<br />
x<br />
Abb. 5.16: Zum Transmissionsexperiment.<br />
Dann gilt: N(x) =N0e −αx α −<br />
= N0e ϱ (ϱx)<br />
α = n · σ,<br />
n ist die Teilchendichte und σ der Wirkungsquerschnitt.<br />
Lenard fand, daß der Massenabsorptionskoeffizient“<br />
” α<br />
ϱ materialunabhängig ist. Der Schwächungseffekt<br />
des Primärstrahls beruht auf der Ionisation der Targetatome. Es kommt nämlich nur<br />
auf die Zahl der Elektronen im Target an. Dafür spricht auch die Tatsache, daß der Zahlenwert<br />
des Wirkungsquerschnitts für β = v<br />
c =0.04 �= Wkin ≈ 400 eV etwa gleich dem geometrischen<br />
Querschnitt ist:<br />
σ(400 eV) ≈ 3 · 10 −16 cm 2<br />
≈ geometrischer Querschnitt des Atoms.<br />
Bei dieser Geschwindigkeit der Elektronen — also der Umlaufgeschwindigkeit der Atomelektronen<br />
—ist v<br />
c<br />
etwa gleich 1<br />
137 .<br />
Mit zunehmender Einschußenergie folgt eine Abnahme des Wirkungsquerschnitts σ:<br />
Abb. 5.17: Abnahme des Wirkungsquerschnitts in<br />
Abhängigkeit von der Energie.<br />
β = v<br />
c W kin (keV) σ(10−16 cm 2 )<br />
0.04 0.4 3.1<br />
0.1 2.6 4· 10 −1<br />
0.2 1 1 .8 · 10 −2<br />
0.3 25 1.5 · 10 −3<br />
0.5 79 1.1 · 10 −4<br />
0.7 204 1.4 · 10 −5<br />
Die Abnahme des Wirkungsquerschnitts beruht auf Verkleinerung der Wechselwirkungszeit für<br />
die Ionisation: Materie wird ” durchsichtiger“. Dieses Ergebnis von Lenard war noch vor<br />
Rutherford bekannt.<br />
Eine Bestätigung der Bohrschen Theorie gelang durch folgende Versuche:<br />
• Lenard untersuchte ab etwa 1902 die Ionisation von Atomen durch Elektronenstoß:<br />
Glühelektronen werden im Raum zwischen Kathode K und Gitter G auf die Energie<br />
W kin = eU G beschleunigt. Im Raum zwischen G und A besteht eine Gegenspannung<br />
|U A | > U G . Die Elektronen können also gegen die negative Anode nicht anlaufen, sie<br />
fallen zurück auf das Gitter G. Ist die kinetische Energie der Elektronen größer als die<br />
Ionisationsenergie des Gases, also eU G ≥ W ionis , erfolgt eine Ionisation der Gasatome.<br />
Die positv geladenen Ionen fliegen nun auf die Anode zu. Diese Ionisationsereignisse werden<br />
als Strom an der Anode gemessen. Der Einsatzpunkt der Anodenstromkurve ist gleich der<br />
Ionisationsspannung.
104 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
UG<br />
− +<br />
KG A<br />
Gas<br />
+ −<br />
UA<br />
IA<br />
IA<br />
eUionis = Wionis<br />
Uionis<br />
Abb. 5.18: Versuchsanordnung von Lenard; Anodenstrom als Funktion der Gitterspannung UG.<br />
In der ” modernen Sprache“ würde man diese Experimente inelastische Elektronenstreuung<br />
an Atomen unter Ionisation der Atome nennen.<br />
• Im Jahre 1913 führten Franck und Hertz zum ersten Male Experimente durch, die nicht<br />
zur Ionisation, sondern zur Anregung der Atome führten: Inelastische Elektronenstreuung<br />
an Atomen unter Anregung.<br />
K G A<br />
U G<br />
Hg 6 mbar<br />
IA<br />
IA<br />
300<br />
200<br />
100<br />
UA<br />
UG<br />
− + + −<br />
≈ 0.5V 5 10<br />
U∆W 2U∆W 3U∆W<br />
Abb. 5.19: Versuch von Franck und Hertz.<br />
Die Glühelektronen werden durch das Gitter beschleunigt.<br />
Zwischen Anode A und Gitter G liegt eine kleine Gegenspannung UA .AnderAnodewird<br />
der Strom IA als Funktion der Beschleunigungsspannung UG bei fester Gegenspannung UA gemessen.<br />
Ist die Gitterspannung UG klein, so erfolgen elastische Stöße zwischen den Elektronen und<br />
den Hg–Atomen.<br />
Ist UG >UA , so steigt der Strom zunächst mit wachsender Spannung UG an. Bei einem<br />
bestimmten Wert von UG = U∆W ≈ 5V (für Hg) sinkt IA jedoch stark ab. Es erreichen<br />
also plötzlich viel weniger Elektronen die Anode A, und diesen Befund kann man nur so<br />
deuten, daß diese Elektronen ihre kinetische Energie in anregenden Stößen an die Hg–<br />
Atome abgegeben haben. Diese Anregung findet am Ort des Gitters statt. Sie besitzen<br />
nun nicht mehr genügend Energie, um gegen die Gegenspannung von 0.5VoltdieAnodeA zu erreichen. Steigert man die Spannung UG weiter, so steigt die Stromstärke IA wieder<br />
an, bis bei 9.8 Volt erneut ein starker Abfall erfolgt. Bei dieser Spannung können die<br />
Elektronen auf ihrem Weg von K bis G zweimal anregen. Der Ort der unelastischen Stoße<br />
ist dann in der Mitte zwischen Kathode und Gitter, und am Gitter selber.<br />
Die Messung ergab U ∆W =4.89 V =⇒ λ = hc<br />
eU ∆W<br />
=2.537 A<br />
Dies entspricht genau der Wellenlänge λ, die man im optischen Spektrum von Hg als<br />
intensive Linie bei Emission und Absorption beobachtet.<br />
UG
5.8. Anregung von Atomen durch Elektronenstoß 105<br />
• Franck, Knipping und Einsporn haben 1920 die Versuchsanordnung verbessert: Durch<br />
Trennung von Beschleunigungs– und Anregungsraum und durch indirekte Heizung erreicht<br />
man eine größere Homogenität der Energien der beteiligten Elektronen und somit eine<br />
Verbesserung des Auflösungsvermögens für den Energieverlust der Elektronen. Mit dieser<br />
verfeinerten Meßanordnung zeigen sich in der Spannungskurve eine Vielzahl von Strukturen.<br />
Diese entsprechen weiteren Anregungsstufen des Atoms.<br />
Zum Versuchsaufbau: Sie verlegten gemäß Abbildung 5.20 die Elektronenbeschleunigung<br />
auf die kurze Wegstrecke K, G 1 und unterdrückten durch Arbeiten bei sehr niedrigem<br />
Gasdruck weitgehend alle anregenden Stöße. Im Gegensatz zu Abbildung 5.19 arbeitet<br />
man hier im Stoßraum G 1 ,G 2 nur mit sehr langsam zunehmender Energie. Mit diesem<br />
verbesserten Versuchsaufbau war es nun möglich, eine verfeinerte Kurve (vgl. Abbildung<br />
5.20) aufzunehmen. Unter den so gefundenen Hg–Energieniveaus befinden sich bei 4.68 eV<br />
und bei 5.29 eV solche, deren Übergänge im Grundzustand nicht beobachtet und deshalb<br />
als ” verboten“ bezeichnet werden. Solche Energiezustände nennt man auch metastabil,<br />
weil sie nicht durch Strahlung in tiefere Zustände übergehen, sondern eine größere Lebensdauer<br />
besitzen. Die Auswahlregeln für Stoßanregung von Atomen sind offensichtlich nicht<br />
identisch mit denjenigen für optische Anregungen.<br />
K<br />
indirekte<br />
Heizung<br />
U G<br />
G 1<br />
Hg<br />
G 2 A<br />
U A<br />
I A<br />
I A<br />
4.68<br />
4.90<br />
5.29<br />
5.78<br />
Abb. 5.20: Verbesserte Versuchsanordnung von Franck, Kripping und Einsporn.<br />
Abb. 5.21: Hg–Termschema.<br />
6.72<br />
Damit war nachgewiesen, daß Atome diskrete Energieniveaus<br />
besitzen, die sich durch einen Elektronenstoß anregen<br />
lassen. Diese Elektronenstoß–Versuche sind damit eine<br />
ausgezeichnete Bestätigung der Bohrschen Theorie. Auch<br />
der direkte Nachweis, daß die angeregten Zustände unter<br />
Emission von Licht wieder zerfallen, gelang Franck und<br />
Einsporn, indem sie die Licht ( = UV–) Quanten per Photoeffekt<br />
an einer Photokathode nachwiesen:<br />
Dabei sahen sie auch die metastabilen Zustände, die zwar kein Licht emittierten, aber ihre<br />
Energie an die Photokathode abgaben, die Sekundärelektronen emittiert.<br />
U G
106 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
metastabieles Atom<br />
G<br />
K<br />
A<br />
U K<br />
hν<br />
0.02 mbar<br />
+0.1V<br />
−U Ph<br />
I Ph<br />
I Ph<br />
4.7 4.9 5.4<br />
Abb. 5.22: Nachweis metastabiler Zustände.<br />
In diesem Zusammenhang ist noch folgender Versuch interessant: Na–Dampf unter<br />
niedrigem Druck kann durch Einstrahlung der gelben Na–Linie (Quantenenergie: 2.11 eV)<br />
zum Leuchten angeregt werden. Die Anregung erfolgt nur, wenn das eingestrahlte Licht exakt<br />
die Quantenenergie 2.11 eV besitzt. Sowohl kleinere, als auch größere Quantenenergien<br />
im sichtbaren Spektrum bleiben für die Anregung unwirksam.<br />
Anders jedoch bei Anregung durch Elektronenstoß: Bei dieser Anregung wird gelbes Na–<br />
Licht emittiert, wenn die Energie der Elektronen gleich oder größer ist als 2.11 eV. Die<br />
Erklärung hierfür lautet: Die kinetische Energie freier Elektronen ist nicht gequantelt!<br />
Nach der Anregung eines diskreten Atomniveaus durch Elektronenstoß kann deshalb<br />
ein beliebiger Betrag an kinetischer Energie dem anregenden Elektron übrig bleiben. Dieser<br />
Betrag kann, wenn er groß genug ist, auch noch zur Anregung eines weiteren Atoms im<br />
Gasgefäß dienen.<br />
∗ 5.9 Energieverlust schneller Ionen in Materie<br />
Auch Ionen (z.B. p + , He ++ ≡ α,...) zeigen eine Wechselwirkung mit den Elektronen der Atome,<br />
wenn sie auf Materie geschossen werden. Hier interessiert man sich nicht für den Einzelprozeß,<br />
sondern für die Folgeprodukte insgesamt. Nachweis von geladenen Teilchen in Teilchendetektoren:<br />
• Nachweis des Lichts nach Anregung durch Photokathode und Multiplier,<br />
• Nachweis der Elektronen (und Ionen) nach Ionisation durch Zählrohre, Halbleiterzähler<br />
u.a. (Teilchendetektoren).<br />
Die ersten Energieverlustformel wurde bereits von Bohr angegeben: Ion mit M, +Ze, �v und<br />
E kin ≫ W ionis : quasifreie Elektronen.<br />
Abb. 5.23: Zur Energieverlustformel.<br />
Der Impulsübertragung auf ein Elektron beträgt: p y =<br />
U K<br />
F = Ze2 ZC<br />
= ;<br />
4πε0r2 r2 F x = − ZC<br />
r 2 cos ϕ; F y<br />
C = e2<br />
=1.44 MeV<br />
4πε0 �<br />
+∞<br />
−∞<br />
F y dt =<br />
�π<br />
0<br />
ZC<br />
= sin ϕ<br />
r2 ZC dt<br />
sin ϕ<br />
r2 dϕ dϕ
∗ 5.9. Energieverlust schneller Ionen in Materie 107<br />
mit b = x tan ϕ � db =tanϕdx+ x<br />
cos2 ϕdϕ =0.<br />
damit ist<br />
dϕ<br />
dx<br />
dt<br />
dϕ<br />
ϕ · cos ϕ<br />
= −sin = −<br />
x<br />
b<br />
r2 �<br />
dt dx 1<br />
= · = −<br />
dx dϕ v<br />
r2<br />
�<br />
= −<br />
b<br />
r2<br />
b · v<br />
p y =<br />
�π<br />
0<br />
ZC<br />
r 2<br />
b<br />
wegen sin ϕ =<br />
�<br />
− r2<br />
�<br />
sin ϕdϕ=<br />
bv<br />
Ze2<br />
2πε0bv .<br />
r<br />
;cosϕ = x<br />
r<br />
p x = 0, da Symmetrie zu x = 0 herrscht. Damit beträgt der Energieübertrag auf ein Elektron<br />
( = Energieverlust des einfliegenden Ions pro Atomelektron — bei festem Stoßparameter b):<br />
Abb. 5.24:<br />
Zur Zahl der Elektronen<br />
am Zylinderrand.<br />
EÜb = p2y Z<br />
=<br />
2me 2e4 8π2ε2 omeb2v 2 .<br />
Die Zahl der Elektronen im Zylinderrand db · dx ist:<br />
d 2 N = n A Z A · 2πb db · dx, wobei n A die Teilchendichte und Z A die<br />
Elektronenzahl pro Atom ist.<br />
Damit erhalten wir einen Energieverlust von: − d 2 E = E Üb · d2 N = Z2 e 4<br />
und einen Energieverlust pro Weglänge von:<br />
−dE<br />
dx = Z2e4 4πε2 omev2 · nAZA · B mit der Bremszahl B =<br />
4πε 2 0 m e v2 · n A Z A<br />
� db<br />
b .<br />
Zur Berechnung der Bremszahl B muß man Atomeigenschaften berücksichtigen:<br />
B =<br />
bmax �<br />
bmin<br />
db<br />
b<br />
b min �=0;b max �= 0 , sonst divergent.<br />
db<br />
b dx<br />
• b max : Es kann gerade noch die Energie übertragen werden, die der niedrigsten Anregungsenergie<br />
im Atomen entspricht. Diese Energie korrespondiert mit der Elektronenumlaufgeschwindigkeit<br />
v e .<br />
b max ist erreicht, wenn v e<br />
r e<br />
= v<br />
,alsobmax =<br />
bmax v<br />
.<br />
ωe • b min : Schließt man den zentralen Stoß aus, so muß der relative Bahndrehimpuls mindestens<br />
1� sein. Damit b min = �<br />
m e v .
108 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />
Wir können nun die Bremszahl B berechnen. Setzen wir dies in die Form für den Energieverlust<br />
pro Weglänge ein, so erhalten wir:<br />
− dE<br />
dx = Z2 e 4<br />
4πε 2 o m e v2 · n A Z A ln m e v2<br />
�ω e<br />
oder − dE<br />
dx ∼ Z2M · nAZA Ekin mit �ω e ≈ I = I 0 Z A und I 0 ≈ 11 eV. Die ist ein Ausdruck für das Bremsvermögen, bzw. den<br />
spezifischen Energieverlust, englisch: Stopping power.
Kapitel 6<br />
Atomare magnetische Momente,<br />
Richtungsquantelung<br />
6.1 Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches<br />
Verhältnis, Larmorfrequenz<br />
Das magnetische Dipolmoment einer Leiterschleife ist definiert als �µ := I · � A mit � A = A · �n.<br />
Abb. 6.1: Zur Berechnung<br />
der potentiellen Energie einer<br />
Leiterschleife im Magnetfeld.<br />
Abb. 6.2: Zur Berechnung<br />
des Magnetischen<br />
Momentes.<br />
Im Magnetfeld � B wirkt auf �µ ein Drehmoment<br />
�T = �µ × � B mit T = µB sin α.<br />
Damit beträgt die potentielle Energie des Dipolmoments im<br />
Magnetfeld<br />
W pot =<br />
�α<br />
π/2<br />
Tdα = −µB cos α = −�µ · � B . (6.1.1)<br />
Wir wollen nun die Definition des magnetischen Dipolmoments auf<br />
Atome übertragen und berechnen das magnetische Moment einer<br />
Ladung, die gemäß Abbildung 6.2 auf einer Kreisbahn mit der<br />
fließt ein Strom<br />
Geschwindigkeit v umläuft. Bei der Umlaufzeit T = 2π<br />
ω<br />
I = q<br />
T<br />
Andererseits besitzt die umlaufende Masse einen Drehimpuls<br />
qω<br />
1<br />
= , damit ist µ = IA =<br />
2π 2 qr2ω. L = mr 2 ω.<br />
109
110 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Also schreibt sich das magnetische Moment �µ<br />
�µ = q<br />
2m � L = γ � L . (6.1.2)<br />
Bei positiver Ladung q sind die Vektoren �µ und � L zueinander gleich gerichtet. Die Proportionalität<br />
von � L und �µ bezeichnet man als magnetomechanischen Parallelismus und<br />
γ = q<br />
2m<br />
als das gyromagnetische Verhältnis. (vgl. Staudt <strong>Experimentalphysik</strong> II, Kap. 3.4)<br />
Auf das magnetische Moment �µ wirkt ein äußeres Magnetfeld der magnetischen Flußdichte � B<br />
in der Weise, daß es versucht die Richtungen der Vektoren �µ und � B parallel zu richten, da in<br />
dieser Einstellung die potentielle Energie ihr Minimum hat: Drehimpuls � L und magnetisches<br />
Dipolmoment �µ vollführen eine Präzessionsbewegung:<br />
Abb. 6.3: Vektordiagramm<br />
zur Berechnung der Präzessionsfrequenz<br />
ωp.<br />
�T = �µ × � B ⇐⇒ T = µB sin α<br />
�T = �ω p × � �<br />
L ⇐⇒ T = ωpL sin(π − α)<br />
In Koordinaten:<br />
�µ = (µ x ,µ y ,µ z )<br />
�B = (0, 0,B)<br />
Damit<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
�<br />
⇒ �ω p = − µ<br />
L � B = −γ � B<br />
=⇒ � T =(µ y B,−µ x B,0) = ˙ � L<br />
˙L x = µ y B = γL y B<br />
˙L y = −µ x B = −γL x B<br />
˙L z = 0 =⇒ L z = const.<br />
Die Differentiation der Komponenten ˙ L x nach t ergibt: ¨ L x = γ ˙ L y B = −(γB) 2 L x . Dies ist die<br />
Differenzialgleichung einer harmonische Schwingung. Eine Lösung erhält man durch den Ansatz<br />
L x = a cos ω p t. Zweimal nach der Zeit differenziert erhalten wir ¨ L x = −ω 2 p a cos ω p t = −ω2 p L x .<br />
Zusammen mit ¨ L x = −(γB) 2 L x ergibt sich ω p = γB.<br />
wegen Ly = ˙ Lx γB und ωp = γB ist<br />
=⇒ L 2 x + L2 y = a2 = const.<br />
=⇒ L 2 x + L2 y + L2 z = L2 = const. .<br />
L x = +a cos ω p t<br />
Ly = −a sin ωpt Lz = const.<br />
Die Präzessionsfrequenz ω p ist gleich der vom Zeeman–Effekt (vgl. Kapitel 3.5) her bekannten<br />
Larmorfrequenz<br />
ω p = γB = qB<br />
2m = ω L .
6.1. Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches Verhältnis, Larmorfrequenz 111<br />
Sie ist unabhängig vom Einstellwinkel α!<br />
Die Tatsache, daß zur Erklärung der magnetischen Eigenschaften der Materie kreisende Ladungen<br />
nötig sind, ist schon lange bekannt: Ampèresche Ringströme. Mit diesen Strömen lassen sich<br />
leicht Dia– und Paramagnetismus verstehen.<br />
1. Diamagnetismus<br />
Diamagnetische Stoffe besitzen kein permanentes atomares Dipolmoment. In diamagnetischen<br />
Stoffen kreisen die Elektronen paarweise gegensinnig um den Atomkern. Es stehen<br />
immer zwei Bahndrehimpulse � L antiparallel. Das in einem Magnetfeld auftretende Moment<br />
des Stoffes muß deshalb erst beim Einbringen in ein äußeres Feld entstehen.<br />
Um den Diamagnetismus zu erklären betrachten wir im Folgenden zwei unterschiedliche<br />
Modelle, die beide aber zum selben Ergebnis führen.<br />
• Im ersten Modell haben wir es mit einem Induktionsvorgang im Sinne der klassischen<br />
Physik zu tun, bei dem die induzierten Ströme immer solche magnetische Momente<br />
erzeugen, die dem äußeren Feld entgegengesetzt gerichtet sind (Lenz’sche Regel).<br />
Damit ist verständlich, warum in diamagnetischen Stoffen die Flußdichte geringer<br />
ist als die im äußeren Feld, bzw. die Suszeptibilität negativ sein muß. Für die paarweise<br />
und gegensinnig umlaufenden Elektronen führen wir jeweils Einzelbetrachtungen<br />
durch.<br />
Man faßt das Elektron, wie oben erwähnt, als<br />
Stromschleife auf. Bringt man eine solche Schleife<br />
senkrecht zu den Feldlinien in ein Magnetfeld der<br />
Flußdichte B, so ändert sich der umschlossene<br />
Kraftfluß φ um<br />
Abb. 6.4: Zur Erklärung des Diamagnetismus<br />
mit Hilfe der Elektrodynamik.<br />
∆φ = −Br 2 π. (6.1.3)<br />
Findet diese Änderung in der Zeit ∆t statt, so tritt nach dem Induktionsgesetz im<br />
Leiter eine elektrische Feldstärke E auf, wobei � Eds =∆φ/∆t sein muß. Bei einem<br />
kreisförmigen Leiter kann unter Verwendung von (6.1.3) auch 2πrE∆t = −Br 2 π<br />
geschrieben werden. Auf das Elektron in der Schleife wirkt also während der Zeit ∆t<br />
ein Kraftstoß F · ∆t = eE∆t, der eine Impulsänderung m e ∆v = eE∆t hervorruft, die<br />
nach obiger Gleichung die Geschwindigkeitsänderung<br />
∆v = − Ber<br />
= γBr<br />
2me bewirkt. Es resultiert eine Umlauffrequenzänderung<br />
∆ω = ∆v<br />
r = γB = ω L .<br />
Die Ladung kreist schneller oder langsamer.
112 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Abb. 6.5: Zur Erklärung des<br />
Diamagnetismus mit Hilfe<br />
der Kreiseltheorie.<br />
• Im zweiten Modell führen wir für die Elektronen<br />
wiederum jeweils Einzelbetrachtungen analog zu 6.1<br />
durch. Das magnetische Moment �µ vollführt nach Abb.<br />
6.5 eine Präzessionsbewegung mit ω p = qB<br />
2m = ω L ,d.h.<br />
der Ringstrom präzediert um � B. Wir haben damit eine<br />
zusätzliche Kreisbewegung der Ladung um � B, was gleichbedeutend<br />
mit einem zusätzlicher Ringstrom ist. Addieren<br />
wir nun die Ergebnisse der beiden Einzelbetrachtungen,<br />
so erhalten wir ebenfalls ein resultierendes �µ dia .<br />
Es resultiert also bei beiden Betrachtungen ein induziertes<br />
magnetisches Dipolmoment antiparallel zu � B! Mit (6.1.2)<br />
ergibt sich:<br />
�µ dia = I · � A = 1<br />
2 qr2 �ω L = −<br />
�<br />
1<br />
4 q2r 2<br />
�<br />
· 1<br />
m � B<br />
2. Paramagnetismus<br />
Bei Stoffen mit ungepaarten Elektronen können sich die magnetischen Momente der Elektronenbahnen<br />
nicht paarweise kompensieren. Die Atome besitzen ein permanentes magnetisches<br />
Dipolmoment �µ, herrührend vom primären Ringstrom mit Kreisfrequenz ω. In<br />
z–Richtung wirkt nur die Komponente �µ cos ϑ, außerdem kommen — im thermischen Gleichgewicht<br />
— alle Einstellrichtungen gemäß ihrer potentiellen Energie W pot = −�µ � B bewichtet<br />
mit der Boltzmannverteilung vor. Wir bilden den Mittelwert von �µ para :<br />
|�µ para | =<br />
�<br />
|�µ|·cos ϑe−zdΩ Ω<br />
�<br />
e−zdΩ Ω<br />
≈ |�µ|2 · B<br />
3kT<br />
mit z = − �µ � B<br />
kT und dΩ =sinϑdϑdϕ. µ para<br />
= |�µ|·coth µB<br />
kT<br />
− kT<br />
µB<br />
1 ( 2 = qr2ω) 2 �<br />
· B 1<br />
=<br />
3kT 4 q2r 2<br />
�<br />
· (rω)2<br />
1<br />
· B ∼<br />
3kT T<br />
1 ∼ T : Curiesches Gesetz.<br />
(6.1.4)<br />
Die obige Formel für µ para ist nicht die ganze Wahrheit, da über den Raumwinkel Ω kontinuierlich<br />
integriert wurde. Dies ist, wie wir in Kapitel 6.3 sehen werden jedoch falsch:<br />
Richtungsquantisierung<br />
Ein Vergleich beider Effekte zeigt, daß der Paramagnetismus ca. 300 mal stärker ist.<br />
Experimentell ergibt sich für die magnetische Suszeptibilität χmag = µ − 1:<br />
χ dia (N 2 ) = −12 · 10 −6<br />
χ para (O 2 ) = 3450 · 10 −6<br />
6.2 Bohrsches Magneton, g–Faktor<br />
Setzen wir jetzt statt der allgemeinen Ladung q die Ladung des Elektrons ein: q = −e, soergibt<br />
sich<br />
µ = − 1<br />
2 eωr2 und �µ = γ� L = − e<br />
2m � L.
6.3. Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses 113<br />
Während bei positiver Ladung q + die Größen � L und �µ parallel zueinander sind, sind für die<br />
kreisenden Elektronen mit der (Ruhe–) Masse m die beiden Größen antiparallel:<br />
Als Einheit des magnetischen Dipolmoments im atomaren Bereich<br />
Abb. 6.6: Zum magnetomechanischenParallelismus.<br />
definiert man die Größe, die einem umlaufenden Elektron mit dem Bah-<br />
=1· � entspricht:<br />
ndrehimpuls L =1· h<br />
2π<br />
µ B = e�<br />
2m<br />
wobei µ B =9.2740 · 10 −24 Am 2 beträgt.<br />
Bohrsches Magneton<br />
Daß die Beziehung �µ = γ � L auch im atomaren Bereich gilt, ist nicht selbstverständlich, es muß<br />
am Experiment geprüft werden. Man definiert deshalb den Faktor γ neu:<br />
�µ =+γ � L mit γ = g q<br />
2m<br />
, statt klassisch γ = q<br />
2m .<br />
Damit<br />
�µ = −g e<br />
2m � L = −g e�<br />
2m · � L<br />
� =⇒<br />
�µ<br />
= −g ·<br />
µ B<br />
� L<br />
. (6.2.1)<br />
�<br />
Den g–Faktor für die Bahnbewegung nennt man gl –Faktor. Es wird sich herausstellen, daß:<br />
g l =1 .<br />
6.3 Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses<br />
Aus der Beziehung (6.2.1) ergibt sich durch Erweitern<br />
�µ = −gl µ B · � L<br />
� = −gl µ B ·<br />
�<br />
l(l +1) L�<br />
� ,<br />
l(l +1)�<br />
daraus folgt<br />
� �L<br />
�µ = −gl l(l +1)µB<br />
| � L|<br />
Die Quantelung des Drehimpulses in der Form<br />
wobei � L<br />
| � L|<br />
die Richtung angibt.<br />
| � L| = � l(l +1)� oder L 2 = l(l +1)� 2<br />
wird hier vorweggenommen und erst später in der Quantenmechanik erläutert. Somit ist wegen<br />
des magnetomechanischen Parallelismus auch der Betrag des magnetischen Dipolmoments<br />
gequantelt:<br />
�<br />
|�µ| = gl l(l +1)µB oder µ 2 = g 2 l l(l +1)µ2B .<br />
Auf Sommerfeld geht nun nicht nur die modellmäßige Einführung der Bahndrehimpulsquantenzahl<br />
l (ursprünglich: Nebenquantenzahl nϕ ≡ k) zurück, sondern auch die modellmäßige<br />
Einführung der Magnetquantenzahl ml (ursprünglich: Richtungsquantenzahl nα ).
114 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Wir hatten im vorigen Kapitel Ellipsen mittels der azimutalen Quantenzahl n ϕ und der radialen<br />
Quantenzahl n r nach Größe und Gestalt gequantelt.<br />
�L<br />
�Lz<br />
z<br />
ϑ<br />
r · sin ϑ<br />
Abb. 6.7: Darstellung der Elektronenbahnen in<br />
sphärischen Koordinaten.<br />
ϕ<br />
Die zu r, α und ϑ kanonischen Impulse sind:<br />
Während<br />
r<br />
α<br />
P<br />
x<br />
Nun werden wir auch die Lage im Raum<br />
bestimmen, d.h. wir heben aus der kontinuierlichen<br />
Mannigfaltigkeit aller möglichen<br />
Raumlagen eine diskrete Anzahl gequantelter<br />
Bahnen hervor. Zum besseren Verständnis<br />
beschreiben wir die Elektronenbahnen wieder in<br />
sphärische Koordinaten r(t), α(t) und ϑ(t). Die<br />
Geschwindigkeit in sphärische Koordinaten ist<br />
gegeben durch vr = ˙r, vϑ = r ˙ ϑ, vα = r sin ϑ ˙α<br />
und v2 ges = v2 α + v2 ϑ + v2 r . Dann ist die kinetische<br />
Energie:<br />
W kin = m<br />
2<br />
�<br />
˙r 2 + r 2 (sin 2 ϑ · ˙α 2 + ˙ ϑ 2 �<br />
)<br />
p r = ∂W kin<br />
∂ ˙r = m ˙r, p α = ∂W kin<br />
∂ ˙α = mr2 sin 2 ϑ ˙α und p ϑ = ∂W kin<br />
∂ ˙ ϑ = mr2 ˙ ϑ.<br />
p ϕ = mr 2 ˙ϕ = mr 2 ω = | � L| der Bahndrehimpuls ist, ist<br />
p α = m(r sin ϑ) 2 ˙α = m(r sin ϑ) 2 · ω z = L z die z–Komponente vom Bahndrehimpuls.<br />
Entsprechend unserer 3 Freiheitsgrade erhalten wir 3 Quantisierungsbedingungen<br />
�<br />
2<br />
W kin dt =<br />
=<br />
�<br />
�<br />
p r dr +<br />
�<br />
p ϕ dϕ =<br />
p r dr + mr 2 ω · 2π =<br />
�<br />
�<br />
p r dr +<br />
�<br />
p α dα +<br />
p r dr + m(r sin ϑ) · 2πω z +<br />
= n r h + n ϕ h = n r h + n α h + n ϑ h<br />
�<br />
�<br />
p ϑ dϑ<br />
p ϑ dϑ<br />
Stellt man nun den Ergebnissen von Sommerfeld den erst später gefundenen Ergebnissen der<br />
Quantenmechanik gegenüber, so findet man<br />
mr 2 ω = | � L| = n ϕ � ≡ k� | � L| = � l(l +1)�<br />
m(r sin ϑ) 2 ω z = L z = n α � L z = m l · �<br />
Nun kann L z maximal die Werte ±| � L| erreichen, also<br />
−n ϕ ≤ n α ≤ n ϕ −l ≤ m l ≤ +l<br />
n ϕ ,n α ganzzahlig l, m l ganzzahlig<br />
n α : 2n ϕ +1Werte: − n ϕ ...0 ...n ϕ m l : 2l +1Werte: − l,...0,...l
6.3. Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses 115<br />
Abb. 6.8: Richtungsquantelung: für die z–Komponente<br />
des Drehimpulses � L sind nur diskrete Werte erlaubt.<br />
Darstellung nach Sommerfeld.<br />
cos ϑ = n α �<br />
n ϕ �<br />
Abb. 6.9: Richtungsquantelung in der Quantenmechanik.<br />
cos ϑ =<br />
m l �<br />
� l(l +1)�<br />
Wir sehen also, daß die Quantisierung des Vektors � L im Raum nicht beliebig ist, d.h. daß die<br />
Ellipsenbahnen der Elektronen bei einem äußeren Magnetfeld (das eine Vorzugsrichtung angibt)<br />
nicht jede Lage im Raum einnehmen können (Richtungsquantelung).<br />
Wir verlassen nun die Sommerfeld–Theorie, die uns ja nur die halbe Wahrheit lieferte, und<br />
werden im folgenden nur noch mit den Ergebnissen der Quantenmechanik weiterrechnen.<br />
Da die z–Komponente des Drehimpulses Lz gequantelt ist, Lz = ml�, ist auch die z–Komponente<br />
des magnetischen Dipolmoments µ z aufgrund des magnetomechanischen Parallelismus (�µ =<br />
+γ� L) gequantelt:<br />
µ z = g l · m l · µ B<br />
mit m l = −l,...,0,...+ l.<br />
Es hat sich eingebürgert, als Drehimpuls oft die Quantenzahl l = max � � Lz anzugeben.<br />
� � �<br />
µz<br />
Entsprechend bezeichnet man als magnetisches Moment µ die Zahl µ =max . Mit diesen<br />
µB<br />
Beziehungen folgt aus (6.2.1):<br />
µ = gl · l<br />
Wir hatten in Kapitel 5 gesehen, daß die Energie eines Zustandes nur von der Hauptquantenzahl n<br />
und (da die l–Entartung aufgehoben ist) von der Bahndrehimpulsquantenzahl l abhängt. Jetzt<br />
ergebensichfür jedes l noch einmal (2l +1) neueml –Quantenzahlen, von denen die Energie<br />
offenbar nicht abhängt:<br />
Jeder Zustand mit der Energie Wn,l ist (2l +1)–fach ml –entartet.<br />
Wie kann man die Entartung aufheben? Wegen des magneto–mechanischen Parallelismus �µ =<br />
+γ� L und mit der potentiellen Energie eines magnetischen Dipolmoments im Magnetfeld � B:<br />
Wpot = −�µ � B folgt eine Energieaufspaltung in einem Magnetfeld � B.<br />
W pot = −�µ � B = −<br />
�<br />
−g l<br />
�<br />
l(l +1)µB · � L<br />
| � �<br />
·<br />
L|<br />
� B
116 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
oder kürzer:<br />
= g l<br />
W pot = g l m l µ B · B<br />
� l(l +1)µB · B · cos ϑ = g l<br />
� l(l +1)µB · B ·<br />
W pot = −�µ · � B = µ z · B = g l m l µ B B ,<br />
m l<br />
� l(l +1)<br />
mit anderen Worten: Die m l –Entartung wird durch ein äußeres Magnetfeld aufgehoben. Dies<br />
führt zum Zeeman–Effekt und zur quantenmechanisch richtigen Formel für den Paramagnetismus.<br />
Bei der Ableitung der Formel (6.1.4) für Paramagnetismus machten wir den Fehler,<br />
daß über das gesamte Volumen integriert wurde. Aufgrung der Richtungsquantelung ist nun<br />
nicht mehr jede Raumrichtung zugelassen, wir müssen also das Integral durch die Summe über<br />
die quantisierten Zustände ersetzen. Wegen dieses Zusammenhangs heißt m l Magnetquantenzahl.<br />
Fazit: Von den Größen � L und �µ kann nur der Betrag L 2 und µ 2 und die z–Komponente L z<br />
und µ z angegeben werden. Diese Werte sind gequantelt. Die x– undy–Komponente mitteln sich<br />
zeitlich wegen der Präzession heraus.<br />
6.4 Stern–Gerlach–Experiment, Spin,<br />
gs–Faktor, Einstein–de Haas–Effekt<br />
Der Nachweis der Richtungsquantisierung gelang O. Stern und W. Gerlach 1922: Einschuß<br />
von atomaren Kreiseln in ein inhomogenes Magnetfeld mit Hilfe eines Ag–Atomstrahls. (Ag ist<br />
paramagnetisch)<br />
Im Magnetfeld vollführen die Kreisel aufgrund des Drehmomentes � T = �µ × � B und des magnetomechanischen<br />
Parallelismus �µ =+γ� L eine Präzessionsbewegung mit der Larmorfrequenz<br />
ωL = γB gemäß Abbildung 6.10. Sie besitzen die potentielle Energie Wpot = −�µ · � B.<br />
Das Magnetfeld ist inhomogen und damit wirkt auf die magnetischen Dipolmomente nicht nur<br />
ein Drehmoment, sondern auch eine Kraft � F = − grad(−�µ � B) = grad(µ xBx + µ yBy + µ zBz ).<br />
∂Bx Fx = µ x<br />
∂x + µ ∂By y<br />
∂Bx Fy = µ x<br />
∂y + µ y<br />
∂Bx Fz = µ x<br />
∂z + µ y<br />
∂x + µ ∂Bz z<br />
∂x<br />
∂By ∂y + µ ∂Bz z<br />
∂y<br />
∂By ∂z + µ ∂Bz z<br />
∂z<br />
Wegen der Präzession um z (Magnetfeld � B ↑↑ z !) ist µ x = µ y = 0. Der Magnet ist so geformt,<br />
= 0. Damit bleibt<br />
daß sich am Strahlort nur ein Feldgradient in z–Richtung ergibt: ∂Bz<br />
∂x<br />
∂Bz F = Fz = µ z<br />
∂z<br />
.<br />
= ∂Bx<br />
∂y
6.4. Stern–Gerlach–Experiment, Spin, g s –Faktor, Einstein–de Haas–Effekt 117<br />
�B<br />
�µ<br />
Abb. 6.10: Präzessionsbewegung von<br />
�µ um � B.<br />
Abb. 6.12: Klassische Erwartung.<br />
z<br />
z<br />
y<br />
x<br />
N<br />
S<br />
Blende<br />
Schirm<br />
Abb. 6.11: Stern–Gerlach–Versuch: Messung des magnetischen Momentes<br />
von Ag–Atomen mit Hilfe der Atomstrahlmethode.<br />
Klassisch sind alle Komponenten µ z kontinuierlich zugelassen.<br />
Man erwartet auf dem Schirm eine kontinuierliche Verteilung in<br />
z–Richtung.<br />
Im Sommerfeld–Modell erwartet man für die Ag–Atome im Grundzustand mit n ϕ ≡ k =1,also<br />
eine Richtungsquantisierung in drei Teilstrahlen gemäß den 3 Komponenten mit n α = −1, 0, 1.<br />
Diesen Effekt suchten Stern und Gerlach.<br />
Abb. 6.13: Ionisation<br />
des Alkali–Atoms.<br />
Sie verwendeten einen Ag–Atomstrahl, da der Nachweis von Atomstrahlen<br />
damals allgemein noch Schwierigkeiten bot (Ag–Atome auf<br />
Glasplatte aufgefangen und mit AgNO 3 und Photoentwickler sichtbar<br />
gemacht).<br />
Später benutzte man den Langmuir–Taylor–Detektor: Weil die Ionisierungsarbeit<br />
kleiner ist als die ” Elektroneneintrittsarbeit“, wird das<br />
Alkali–Atom ionisiert.<br />
Stern und Gerlach beobachteten eine Aufspaltung in zwei Teilstrahlen. Damit war die Richtungsquantelung<br />
nachgewiesen, aber die Tatsache von zwei Teilstrahlen war nach unserer bisherigen<br />
Theorie unverständlich. Nach dieser würden wir außer den beiden Teilstrahlen einen weiteren,<br />
nicht abgelenkten Teilstrahl, der der Lage senkrecht zum Magnetfeld entsprechen würde,<br />
erwarten. Aus der Größe der Ablenkung, der bekannten (thermischen) Geschwindigkeit der Ag–<br />
Atome und dem gemessenen Feldgradienten (Kraft auf Bi–Kügelchen) erhielten sie die Größe<br />
von µ z :<br />
µ z = ±µ B (±10%) .<br />
Eine Aufklärung dieser Diskrepanz erfolgte durch G.E. Uhlenbeck und S. Goudsmit (1925)<br />
indem sie einen Eigendrehimpuls = Spin �s des Elektrons einführten. Der Effekt der Aufspaltung<br />
in 2 Teilsstrahlen läßt sich nur dadurch erklären, daß das s–Elektron des Ag–Atoms keinen<br />
Bahndrehimpuls besitzt, d.h. l = 0. Jetzt dürfte es überhaupt keine Aufspaltung geben und<br />
die Tatsache, daß wir zwei Strahlen sehen, muß an einer neuen Quantenzahl liegen, die den<br />
gleichen Regeln gehorchen soll, wie die des Bahndrehimpulses. Nach diesen müssen, daß sich die
118 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
z–Komponenten immer um eine Einheit von � unterscheiden. Daher ist diese neue Quantenzahl<br />
m s halbzahlig. Analog zum Bahndrehimpuls ordnet man dem Eigendrehimpuls den Betrag<br />
|�s | = � s(s +1)� =<br />
� �<br />
1 1<br />
2 2 +1<br />
� �<br />
3<br />
1<br />
� = � (mit s =<br />
4 2 )<br />
als eine neue Quantenzahl, die Spinquantenzahl s zu, wobei s := max � �<br />
sz , sz = ms� und<br />
�<br />
ms = ± 1<br />
2 ist. Mit der Einführung des Eigendrehimpulses lässt sich auch die damals schon<br />
bekannte Tatsache, daß Einelektronenatome im Grundzustand paramagnetisch sind, erklären.<br />
Aus dem Meßergebnis µ z ≈±1 · µ B und der Beziehung µ z = g · ms · µ B mit ms = ± 1<br />
2 müßte<br />
man auf<br />
schließen.<br />
Abb. 6.14: Aufbau des<br />
Einstein–de Haas Versuchs.<br />
g = g s ≈ 2<br />
Jetzt erinnerte man sich an das Ergebnis des Einstein–de Haas–<br />
Effekts (1915): Das Ummagnetisieren eines ferromagnetischen<br />
Stabes, der an einem Torsionsfaden aufgehängt ist, ist mit einer<br />
Drehung verbunden: Magneto–mechanischer Parallelismus.<br />
gyromagnetisches Verhältnis fand man in guter Näherung<br />
γ =<br />
Als<br />
∆µ<br />
∆L ≈−e<br />
m<br />
Mit �µ = −g e<br />
2m � L folgt g =2<br />
Eine weitere Konsequenz dieses Versuchs ist, daß Ferromagnetismus mit dem Spin– (und nicht<br />
mit dem Bahn– !) Moment verbunden ist und daß<br />
e<br />
gs ≈ 2 also �µ s = −gs �s ist. (6.4.1)<br />
2m<br />
Weitere Konsequenzen aus dem Stern–Gerlach Experiment:<br />
1. Silber– und Alkali–Atome besitzen nur Spin–Magnetismus, also keinen Bahnmagnetismus.<br />
Also muß der kleinste Bahnmagnetismus Null sein, damit l min =0 (und nicht k min =1:Sommerfeld).<br />
An dieser Stelle müssen wir nun die Verstellungen Sommerfelds aufgeben, daß<br />
sich Elektronen auf Ellipsenbahnen um den Kern bewegen und zur quantenmechanischen<br />
Interpretation übergehen, wo wir keine Aussagen mehr über die genaue Bewegungsbahn<br />
machen können. Man spricht nur noch von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten (ψψ ∗ ): ” Das<br />
Elektron ist halt da“. Über die Bewegung des Elektrons kann man keine Aussagen machen,<br />
was ja auch der Unschärferelation wiedersprechen würde. Der Paramagnetismus von Ag–<br />
und Alkali–Atomen beruht auf dem Spin.<br />
2. Drehimpulse und magnetische Momente der inneren Elektronen müssen sich kompensieren.<br />
Man mißt nur den Effekt des äußersten (ungepaarten) Elektrons.
6.5. Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin 119<br />
6.5 Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems,<br />
�µ von Bahn und Spin<br />
Wie wir in Kap. 6.3 erwähnt hatten, hat es sich in der Literatur eingebürgert, für den Drehimpuls<br />
eines Elektrons �l statt � L zu schreiben. Damit haben wir folgende Verhältnisse:<br />
Bahndrehimpuls �l des Elektrons:<br />
Spin �s des Elektrons:<br />
| �l | 2 = l(l +1)�2 ; lz = ml� |�µ l | 2 = g2 l l(l +1)µ2B ; µ z = glml µ B<br />
|�s | 2 = s(s +1)� 2 = 3<br />
4 �2 ; s z = m s � = ± 1<br />
2 �<br />
|�µ s | 2 = g 2 s s(s +1)µ2 B =3µ2 B ; µ sz = g s m s µ B = ±µ B<br />
Bahn z.B. l =1 Spin, s = 1<br />
2<br />
| � l| = � l(l +1)� = √ 2� |�s| = � s(s +1)� =<br />
� ml = −l,...,0,...,+l<br />
2l +1Werte<br />
g l =1;l =max(m l )<br />
lz = ml� =(−1, 0, +1)� sz = ms� = ± 1<br />
2� �<br />
|�µ l | = gl l(l +1)µB = √ �<br />
2µ B |�µ s | = gs s(s +1)µB =2·<br />
µ lz = g l m l µ B =(−1, 0, +1)µ B µ sz = g s m s µ B = ±µ B<br />
� ms = ± 1<br />
2<br />
2Werte<br />
g s =2;s = 1<br />
2<br />
�<br />
3<br />
4� =0.87�<br />
Abb. 6.15: Zusammenhang zwischen magnetischem Moment und Bahndrehimpuls<br />
bzw. Spin im Vektordiagramm. Die magnetischen Momente sind gleich.<br />
� 3<br />
4 µ B =1.74µ B<br />
Spin und Bahnbewegung des Elektrons sind voneinander nicht unabhängig: Das umlaufende<br />
Elektron erzeugt ein Magnetfeld � Bl , in dem sich das magnetische Spinmoment �µ s des Elektrons<br />
einstellen kann: Spin–Bahn–Kopplung.<br />
Diese potentielle magnetische Energie bedeutet eine Zusatzenergie im System. Da zwei Einstellmöglichkeiten<br />
für µ gegeben sind bedeutet dies eine Aufspaltung der bisherigen Energi-<br />
sz<br />
eterme und damit der Spektrallinien als Folge des Spins. Dies bezeichnet man als Feinstrukturaufspaltung.<br />
Die Schwierigkeit ist nun das Magnetfeld des Elektrons an seinem eigenen Ort zu berechnen. Man<br />
betrachtet deshalb das Elektron im Ruhesystem, und läßt den Kern ums Elektron herumlaufen.
120 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Mit dem Biot–Savartschen Gesetz ergibt sich das Magnetfeld zu<br />
Abb. 6.16: Zur Berechnung des Magnetfeldes<br />
am Ort des Elektrons.<br />
mit I = Ze 2πr<br />
T ; v = T<br />
� 2πr · I = Zev.<br />
d � Bl = µ 0 Id�s × �r<br />
4π r3 �B l = µ 0 �s 0 × �r<br />
4π r3 I<br />
= µ 0 × �r<br />
Ze�v<br />
4π r3 0<br />
�s o × �r<br />
r 3 Ids<br />
= µ 0<br />
4π<br />
�2π<br />
ds = µ 0 �s 0 × �r<br />
4π r3 2πrI<br />
Die elektrische Feldstärke des atomaren Zentralfelds ist � E = − Ze �r<br />
. Setzen wir dies ein, so<br />
4πε0 r3 folgt:<br />
�B l = −ε0 µ 0 (�v × � E)=− 1<br />
c2 (�v × � E) .<br />
Die Feldstärke läßt sich durch das Potential ausdrücken:<br />
damit<br />
�F = −e � dV (r)<br />
E = − ·<br />
dr<br />
�r<br />
r ,<br />
�B l = − 1<br />
ec 2 r<br />
dV (r)<br />
(�v × �r)<br />
dr<br />
und mit dem Drehimpuls � l = �r × m�v = −m�v × �r schließlich<br />
�B l = 1 1 dV (r)<br />
· ·<br />
emc2 r dr<br />
�l. Die Rücktransformation ist kompliziert: Das Ruhesystem des Elektrons dreht sich bei jedem Umlauf<br />
um seine Achse: Thomaspräzession. Die Transformation muß lorentzinvariant durchgeführt<br />
werden. Diese Transformation ergibt den Faktor 1<br />
2 , den Thomasfaktor. Damit erhalten wir<br />
endgültig:<br />
�B l =<br />
1<br />
2emc2 1 dV (r)<br />
·<br />
r dr<br />
�l . (6.5.1)<br />
Das durch die Relativbewegung von Kern und Elektron erzeugte Magnetfeld B l ist also propotional<br />
und parallel zum Bahndrehimpuls � l des Elektrons. In diesem Magnetfeld der Bahnbewegung<br />
stellt sich nun das magnetische Spinmoment und — damit verbunden — der Spin ein. Die<br />
Wechselwirkungs–Energie zwischen der Bahn– und Spinbewegung ergibt sich mit (6.4.1) zu<br />
V ls = g s<br />
4m 2 c 2<br />
Vls = −�µ s · � �<br />
Bl = −<br />
1<br />
r<br />
−g s<br />
e<br />
2m �s<br />
� � 1<br />
2emc2 1 dV (r)<br />
·<br />
r dr<br />
� �<br />
l<br />
dV (r)<br />
(<br />
dr<br />
�l · �s )=ζ(r)( �l · �s ) mit ζ(r) = gs 4m2c2 1 dV (r)<br />
. (6.5.2)<br />
r dr
6.5. Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin 121<br />
Zwischen Spinmoment �µ s und Bahnfeld � B l wirkt ein Drehmoment, und zwar ein gegenseitiges<br />
Drehmoment:<br />
Es wirkt auf �µ s ∼ �s bei festgehaltenen � B l ∼ � l : Drehmoment � Ts = �µ s × � B l<br />
= ζ(r) · (�s × � l )= d�s<br />
dt<br />
und auf � Bl ∼ �l bei festgehaltenen �µ s ∼ �s : Drehmoment Tl � = � =<br />
Bl × �µ s<br />
−ζ(r) · (�s × �l )= d�l dt .<br />
Also ist die Summe der Drehmomente<br />
d�s<br />
dt + d�l dt = d(�l + �s)<br />
=<br />
dt<br />
� Ts + � Tl =0<br />
=⇒ � l + �s = const. = �j .<br />
Bei der Bewegung unter dem gegenseitigen Drehmoment bleibt eine Größe zeitlich konstant: der<br />
Summen– (Gesamtdrehimpuls–)Vektor �j = �l + �s.<br />
Wie sieht die Bewegung aus? Es ist<br />
�T s = d�s<br />
dt = ζ(r) · (�s × �l )+ζ(r) · (�s × �s ) = ζ(r) · (�s × (<br />
� �� �<br />
=0<br />
�l + �s)) = ζ(r) · (�s × �j),<br />
�T l = d�l dt = ζ(r) · (�l × �s )+ζ(r) · ( �l × �l ) = ζ(r) · (<br />
� �� �<br />
=0<br />
�l × ( �l + �s )) = ζ(r) · ( �l × �j).<br />
Wir erhalten also eine Präzessionsbewegung von �s und � l um �j. Die jeweilige Frequenz erhalten<br />
wir aus den Beziehungen<br />
Frequenz:<br />
� Ts = d�s<br />
dt = �ω ps × �s bzw. � Tl = d� l<br />
dt = �ω pl × � l<br />
ζ(r) · (�s × �j )=�ω × �s ps � �ω = −ζ(r) · �j<br />
ps<br />
ζ(r) · ( �l × �j )=�ω pl × �l � �ω = −ζ(r) · �j.<br />
pl<br />
D.h. durch die Spin–Bahn–Kopplung präzediert � l und �s um �j = � l + �s mit derselben Präzessionsfrequenz<br />
�ω ls = −ζ(r) · �j, d.h. um so schneller, je größer die Kopplungsenergie ist.<br />
ωls �<br />
� l<br />
Abb. 6.17: Spin–Bahn–<br />
Kopplung im Vektordiagramm.<br />
�j<br />
�s<br />
Für die z–Komponenten von �j gilt:<br />
Der Gesamtdrehimpulsvektor �j muß als Drehimpulsvektor folgende<br />
Eigenschaften haben:<br />
Vektor �j ; Betrag |�j | = � j(j +1)�;<br />
neue Quantenzahl j<br />
des Gesamtdrehimpulses<br />
Was kann man über die z–Komponenten sagen? Welche Werte kann<br />
j annehmen?<br />
j z = l z + s z = m l � + m s �,d.h.m j = m l + m s<br />
.
122 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Analog zu Kapitel 6.4 gilt j =max( jz<br />
)=max(mj ).<br />
�<br />
Nun haben wir aber das Problem, daß aufgrund der Präzessionsbewegung die z–Komponenten<br />
von � l und �s nicht beobachtbar sind. Man sagt auch die z–Komponenten von � l und �s sind<br />
verschmiert, d.h. die Kenntnis von m l und m s geht verloren, da sie sich bei der Präzession<br />
zeitlich stets ändern. Um nun m j zu berechnen, bedienen wir uns folgenden Tricks: Wir denken<br />
uns die Spin–Bahn–Kopplung ausgeschaltet. Dann haben wir also keine Präzession mehr und<br />
m l und m s sind gute Quantenzahlen, d. h. sie sind beobachtbar. Wir gewinnen m j nun durch<br />
einfache Addition von m l und m s . Damit ergibt sich für den Fall, daß<br />
l =0,m l =0=⇒ m s<br />
l =1,m l =1, 0, −1 =⇒ m s<br />
l =2,m l =0, ±1, ±2 =⇒ m s<br />
1 = 2 � m 1<br />
j = 2<br />
m s = − 1<br />
2 � m j<br />
= 1<br />
2 � m j<br />
m s = − 1<br />
2 � m j<br />
= 1<br />
2 � m j<br />
m s = − 1<br />
2 � m j<br />
= 3<br />
2<br />
= 1<br />
2<br />
= 5<br />
2<br />
= 3<br />
2<br />
, 3<br />
2<br />
, 1<br />
2<br />
= − 1<br />
2<br />
1 1 , 2 , − 2<br />
1 3 , − 2 , − 2<br />
, 1<br />
2<br />
, − 1<br />
2<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭<br />
1 3 , − 2 , − 2<br />
3 5 , − 2 , − 2<br />
� j = 1<br />
2<br />
3 � j = 2 und j = 1<br />
2<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭<br />
5 � j = 2 und j = 3<br />
2<br />
Die Quantenzahl j =max(mj ) kann offenbar nur die beiden Werte j = l ± 1<br />
2 , entsprechend der<br />
relativen Orientierung von � l und �s ( ” Parallel“: j = l + 1<br />
2 , ”<br />
mj<br />
5<br />
2<br />
3<br />
2<br />
1<br />
2<br />
− 1<br />
2<br />
− 3<br />
2<br />
− 5<br />
2<br />
mj<br />
Abb. 6.18: Kopplung von � l und �s zu �j;<br />
Orientierungsmöglichkeiten von �j.<br />
�s<br />
z<br />
�j<br />
� l<br />
�s<br />
1<br />
Antiparallel“: j = l − ) annehmen.<br />
Bei ” eingeschalteter“ Spin–Bahn–<br />
Kopplung präzedieren � l und �s um �j.<br />
Bei dieser Präzession geht die Kenntnis<br />
von m l und m s verloren. Gute Quantenzahlen<br />
(also Beobachtungsgrößen, die<br />
zeitlich konstant sind) sind jetzt | � l | 2 , |�s | 2 ,<br />
|�j | 2 und m j . Wegen j z = m j · � wird also<br />
der Öffnungswinkel des Präzessionskegels<br />
durch die Magnetquantenzahl m j bestimmt,<br />
d.h. weiter, daß es auch für j eine<br />
Richtungsquantelung gibt.<br />
Vorweg sei jedoch erwähnt, daß für optische Übergänge die Auswahlregel ∆l = ±1 ,∆j =0, ±1<br />
gilt, wobei der Übergang von j =0zuj = 0 jedoch verboten ist. Diese Auswahlregel steht hier<br />
als aus den Spektren abgeleitetes empirisches Ergebnis und wird erst später einsichtig.<br />
Abb. 6.19: Vektorielle<br />
Addition der Drehimpulse<br />
zum Gesamtdrehimpuls �j.<br />
Jetzt läßt sich die Kopplungsenergie berechnen. Mit Hilfe des Kosinussatzes<br />
gilt<br />
|�j | 2 = | �l | 2 + |�s | 2 +2�l · �s<br />
� �l · �s =<br />
�2 [j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />
2<br />
und daraus ergibt sich mit (6.5.2)<br />
2
6.6. Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift 123<br />
Vls = ζ(r) · �2<br />
[j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />
2<br />
Vls = gs�2 8m2 1 dV (r)<br />
· · [j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />
c2 r dr<br />
Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie Vls wird damit durch die Quantenzahlen l, s und j, sowie<br />
durch die Meßgröße ζ ausgedrückt, die sogenannte Spin–Bahn–Kopplungskonstante.<br />
Welchen Einfluß hat nun die Spin–Bahn–Kopplung auf unser Termschema? Jedes Niveau mit<br />
gegebenen Quantenzahlen n, l (ausgenommen l = 0), spaltet in zwei Niveaus auf, wobei der<br />
relative Abstand der aufgespaltenen Linien nur von l abhängt (vgl. (6.5.3)).<br />
Abb. 6.20: Aufspaltung der Energieniveaus<br />
Wnl aufgrund der Spin–Bahn–<br />
Kopplung.<br />
Das Einsetzen von j = l ± s = l ± 1<br />
2 ergibt<br />
�<br />
�<br />
Vl+1/2 Vl−1/2 =<br />
=<br />
2<br />
ζ(r) · 2 · l<br />
2<br />
ζ(r) · 2 (−(l +1))<br />
�<br />
∆Wls = ζ(r) · �2<br />
(2l +1).<br />
2<br />
(6.5.3)<br />
∆W ls ist die Energie, die aufgewandt werden muß, um das magnetische Spinmoment �µ s im Feld<br />
der Bahn herumzudrehen.<br />
Für das Wasserstoffspektrum erhalten wir das Termschema Abb. 6.23. Wenn man die Energieverschiebungen<br />
V l+1/2 bzw. V l−1/2 mit ihrer Anzahl möglicher m j –Entartungen bewichtet (d.h.<br />
mit der Zahl 2j + 1multipliziert), und aufsummiert, also<br />
ζ(r) �2<br />
2 l<br />
� �<br />
2 l + 1<br />
� �<br />
+1 + ζ(r)<br />
2<br />
�2<br />
� �<br />
(−(l +1)) 2 l −<br />
2 1<br />
� �<br />
+1 =0<br />
2<br />
bildet, so ergibt sich Null: Der Schwerpunkt der Feinstrukturaufspaltung ist das unaufgespaltene<br />
Niveau.<br />
Fazit:<br />
• Durch Wechselwirkung des Bahndrehimpulses mit dem Spin des Elektrons spaltet jedes<br />
Niveau in zwei Niveaus auf, man erhält Dublett–Niveaus, beim oberen Zustand der<br />
Natrium–D–Linien wird z.B. aus 3P :3P 1/2 und 3P 3/2 .<br />
• Für s–Terme gibt es keine Aufspaltung, weil kein Magnetfeld da ist (l =0),zudemsich<br />
der Spin einstellen könnte.<br />
• Niveaus mit größerer Quantenzahl j liegen energetisch höher.<br />
• Die Aufspaltung ist am größten bei den kleinsten Hauptquantenzahlen n.<br />
6.6 Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des<br />
Wasserstoff–Spektrums, Lamb–Shift<br />
Von den Energiezuständen der wasserstoffähnlichen Atome (Einelektronensysteme) wissen wir<br />
bis jetzt folgendes:<br />
.
124 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Bohr–Sommerfeld Quantenmechanik<br />
Wn = −Z 2 1<br />
2π�cRH n2 Schrödingergleichung mit dem Coulombpotential<br />
Wn identisch<br />
Abb. 6.21: Termaufspaltung unter Nichtberücksichtigung der rel. Masse und der Spin–Bahn–Kopplung, l–<br />
Entartung.<br />
Die Berücksichtigung der relativistischen Masse durch Sommerfeld ergibt die Aufhebung der<br />
l–Entartung (Feinstrukturformel) (vgl. Kapitel 5.5):<br />
W n,k = −Z 2 2π�cR H<br />
= −Z 2 2π�cR H<br />
�<br />
1<br />
n2 + α2Z 2<br />
n4 � ��<br />
n 3<br />
−<br />
k 4<br />
1<br />
n2 − Z42π�cRHα 2<br />
�<br />
1<br />
n3 3<br />
−<br />
k 4n4 �<br />
Der erste Term ist der unverschobene Bohr–Term, der Korrekturterm ist also:<br />
Sommerfeld Quantenmechanik<br />
∆Wrel = −Z 4 2π�cRHα 2<br />
�<br />
1<br />
n3 3<br />
−<br />
k 4n4 � Analog dazu die durch relativistische<br />
Näherung der Schrödingergleichung<br />
gefundene Formel<br />
∆Wrel = − mc2<br />
2 (Zα)4<br />
�<br />
1<br />
n3 3<br />
−<br />
k 4n4 �<br />
mit R H =<br />
e 4 m<br />
(4π) 3 ε 2 0 �3 c<br />
∆Wrel = − mc2<br />
2 (Zα)4<br />
�<br />
1<br />
n3 (l + 1<br />
3<br />
−<br />
2 ) 4n4 �<br />
und α = e2<br />
4πε 0 �c
6.6. Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift 125<br />
Abb. 6.22: Termschema unter Nichtberücksichtigung der Spin–Bahn–Kopplung; nicht maßstabsgetreu.<br />
Dies waren die bisher bekannten Ergebnisse, nun wollen wir noch die in Kapitel 6.5 besprochene<br />
Spin–Bahn–Kopplung berücksichtigen.<br />
Coulombpotential<br />
Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie ergibt sich im<br />
V (r) =− Ze2<br />
4πε0r �<br />
dV Ze2<br />
=+<br />
dr 4πε0r2 mit (6.5.2) zu<br />
ζ(r) �2<br />
2 = g s �2 Ze 2<br />
4πε 0 8m 2 c<br />
1<br />
· . 2 r3 In diese Formel geht nun der Bahnradius ein. In der quantenmechanischen Beschreibung<br />
gibt es keine festen Bahnen. Für r müssen wir den entsprechenden quantenmechanischen Erwartungswert<br />
einsetzen, den wir später noch behandeln werden. Wir verwenden ihn hier nur als<br />
Rechengröße und fahren fort.<br />
1<br />
r3 =<br />
n<br />
Z3m3c 6<br />
(4πε0 ) 3� mit a0 = 4πε0�2 mc2 Bohr Quantenmechanik<br />
1<br />
· 6 n<br />
Z3<br />
= 6 a3 0<br />
· 1<br />
n 6<br />
(1. Bohrscher Radius)<br />
ζ(r) �2<br />
2 = gsmc2 (Zα)<br />
8<br />
4 · 1<br />
n6 1<br />
〈r3 Z3<br />
=<br />
〉 a3 0<br />
ζ(r) �2<br />
2 = gsmc2 (Zα)<br />
8<br />
4<br />
1<br />
n3l(l + 1<br />
2 )(l +1)<br />
1<br />
n3l(l + 1<br />
2 )(l +1)<br />
(6.6.1)<br />
In der Quantenmechanik ergeben die beiden Korrekturterme (relativistische<br />
Massenänderung ∆W rel und Spin–Bahn–Kopplung V ls ) zusammen die Feinstruktur<br />
Korrektur ∆W FS =∆W rel + V ls . Man erhält sie durch Lösung der Diracgleichnung, die Spin<br />
und relativitische Effekte enthält.<br />
∆WFS = − mc2<br />
2 (Zα)4<br />
�<br />
1<br />
n3 (l + 1<br />
3<br />
−<br />
2 ) 4n4 �<br />
∆WFS = − 1<br />
2 mc2 4 1<br />
(Zα)<br />
n3 �<br />
1<br />
j + 1 −<br />
2<br />
3<br />
�<br />
4n<br />
+ gsmc2 4 j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)<br />
(Zα)<br />
8<br />
n3l(l + 1<br />
2 )(l +1)<br />
mit g s = 2 und j = l ± 1<br />
2 .
126 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Dies ist die Feinstukturformel des Wasserstoffs von Dirac.<br />
Wir sehen als wichtigstes Resultat, daß beim H–Atom in der Feinstrukturformel nur j und nicht<br />
l auftaucht. Terme mit gleichem j besitzen die gleiche Energie: j–Entarung 1 . Im Termschema<br />
kann man nun sehen, daß die Spin–Bahn–Aufspaltung mit wachsendem n und l abnimmt.<br />
rel.<br />
rel.<br />
Abb. 6.23: Termschema des Wasserstoffs; nicht maßstabsgetreu.<br />
∆WFS = − 1<br />
2 mc2 4 1<br />
(Zα)<br />
n3 �<br />
1<br />
= −72.67 · 10 −5 eV · 1<br />
n 3<br />
Die optischen Übergänge im Termschema<br />
ergeben sich unter Berücksichtigung der<br />
Auswahlregeln.<br />
∆l = ±1<br />
∆j = 0, ±1(0 �→ 0)<br />
Optische Übergänge sind also nur erlaubt,<br />
wenn sich dabei der Betrag des<br />
Bahndrehimpuls ändert. Der Betrag des<br />
Gesamtdrehimpules j kann dagegen erhalten<br />
bleiben. Zahlenmäßig beträgt die Verschiebung<br />
j + 1 −<br />
2<br />
3<br />
�<br />
4n<br />
�<br />
1<br />
j + 1 −<br />
2<br />
3<br />
�<br />
4n<br />
s1/2 : n =1; j = 1<br />
2 : ∆W �<br />
FS = −72.67 · 10−5 1 − 3<br />
4<br />
p1/2 : n =2; j = 1<br />
2 : ∆WFS = −72, 67 · 10−5 · 1<br />
�<br />
8<br />
p 3/2 : n =2; j = 3<br />
2 : ∆W FS = −72.67 · 10−5 · 1<br />
8<br />
�<br />
1 − 3<br />
�<br />
�<br />
8<br />
�<br />
1 3<br />
−<br />
2 8<br />
für Z =1<br />
= −1.82 · 10 −4 eV<br />
= −0.87 · 10 −4 eV<br />
= −0.41 · 10 −4 eV<br />
Die relativistische Verschiebung und die Spin–Bahn–Kopplung liegen in gleicher Größenordnung<br />
bei etwa 10 −4 eV (verglichen mit etwa 10 eV). Die experimentelle Beobachtung erfordert<br />
eine hohe spektrale Auflösung (Mikrowellenspektroskopie). Die Größe von B l ergibt sich zu<br />
B l ≈ 1T�=10 4 Gauss. Quantenelektrodynamische Effekte (Wechselwirkung des Elektrons mit<br />
seinem eigenen Strahlungsfeld: z.B. Vakuumpolarisation) wirken bindungslockernd insbesondere<br />
bei Elektronen, die große Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Zentralkraftzentrum (Kern) besitzen,<br />
also den s–Elektronen. Anders ausgedückt: Bei sehr kleinen Abständen der Ladungen treten Abweichungen<br />
vom Coulombpotential auf, die sich aus der Quantisierung des elektromagnetischen<br />
Feldes ergeben.<br />
1 Im eigentlichen Sinne würde man bei dem Begriff ” Entartung“ erwarten: Terme mit verschiedenem j besitzen<br />
die gleiche Energie. In der Literatur jedoch spricht man in diesem Fall denoch von j–Entartung.
6.7. Feinstruktur der Alkali–Spektren 127<br />
Abb. 6.24: Niveauskizze<br />
zur Beobachtung der Lamb–<br />
Shift beim H–Atom; nicht<br />
maßstäblich.<br />
Die ” Verdünnung“ des Coulombfeldes bei sehr kleinen Distanzen<br />
sollte daher eine etwas schwächere Bindung für s–Zustände bewirken,<br />
als für energetisch gleiche p–Zustände. Durch diesen Effekt<br />
wird also die j–Entartung aufgehoben und das s–Niveau ein<br />
wenig nach oben gesetzt. Diese Erscheinung nennt man Lamb–<br />
Shift: Aufhebung der j–Entartung!<br />
Die Aufspaltung (2s 1/2 − 2p 1/2 )beträgt 4.4 · 10 −6 eV �=10 9 Hz =<br />
1GHz und entspricht damit etwa 10% der FS–Aufspaltung. Messung<br />
des Lamb–Shifts durch erzwungene Übergänge von 2s 1/2 →<br />
2p 3/2 =10GHz�= λ = 3 cm durch Lamb und Retherford 1947.<br />
Die zur Kennzeichnung der Energieterme des Wasserstoff–Atoms<br />
nötige Symbolik können wir jetzt erweitern.<br />
Haben wir bisher die Terme mit 1s, 2s, 2p, 3s,... bezeichnet, so schreiben wir jetzt die Gesamtdrehimpulsquantenzahl<br />
j als Index. Schließlich kennzeichnet man die Multiziplität 2s +1(s ist<br />
die Spinquantenzahl) durch eine Zahl links oben am Bahndrehimpuls–Buchstaben. Bei einem<br />
Einelektronensystem sind die Terme Dublett–Terme, weil der Spin des einen Elektrons zwei<br />
Einstellungsmöglichkeiten zum Bahndrehimpuls hat.<br />
Die s–Terme spalten nicht auf. Trotzdem schreibt man bei einem Einelektronensystem auch für<br />
s–Terme die Multiziplität 2.<br />
Man erhält damit fogende Symbole<br />
2 2 s 1/2<br />
für einen Zustand, bei dem das Leuchtelektron die Quantenzahlen n =2,<br />
l =0,j =1/2 hat.<br />
� für einen Zustand, bei dem das Leuchtelektron die Quantenzahlen n =2,<br />
2 2p1/2 2 2p3/2 l =1,j =1/2 bzw.3/2 hat,<br />
oder allgemein die Symbolik n 2s+1lj für ein Einelektronensystem.<br />
6.7 Feinstruktur der Alkali–Spektren<br />
Wir haben bisher nur das Wasserstoff–Atom betrachtet. Beim Übergang vom Einelektronensystem<br />
zum Mehrelektronensystem müssen wir unsere Termsymbolik dahingehend ändern, daß wir<br />
an den Stellen für s, l, j die großen Buchstaben S = �<br />
i s �<br />
i (Gesamtspinquantenzahl), L = i li (Bahndrehimpulsquantenzahl), J = S + L (Gesamtdrehimpulsquantenzahl) schreiben, wobei si ,<br />
li die Quantenzahlen der einzelnen Elektronen sind. Wir erhalten die allgemeine Nomenklatur<br />
der Terme:<br />
Term n 2S+1 L π J<br />
n : Hauptquantenzahl des am höchsten<br />
angeregten Elektrons<br />
L : Termcharakter: S, P , D, ...Term<br />
2S + 1: Multiplizität<br />
J : Gesamtdrehimpuls<br />
.
128 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
Es ist üblich, aber leider verwirrend, daß der Buchstabe S nun gleichzeitig zwei ganz verschiedene<br />
Bedeutungen hat: Einmal steht S für den Bahndrehimpuls L = 0 und einmal für den Gesamtspin<br />
S = �<br />
i si .<br />
Durch den Effekt der Spin–Bahn–Kopplung zeigen auch Alkali–Atome eine Aufspaltung der<br />
Terme.<br />
Feinstruktur durch Spin–Bahn–Kopplung:<br />
Na : 3P → 3 2 P 1/2 und 3 2 P 3/2 : ∆ = 2.13 · 10 −3 eV<br />
K : 4P → 4 2 P 1/2 und 4 2 P 3/2 : ∆ = 8.41 · 10 −3 eV<br />
Cs : 6P → 6 2 P 1/2 und 6 2 P 3/2 : ∆ = 68.7 · 10 −3 eV<br />
Da die S–Terme einfach und die P – und D–Terme doppelt vorhanden sind, erhält man Dublett–<br />
Charakter für die prinzipal– und der sharp–Serie, d.h. man erhält jeweils 2 Linien. Linien der<br />
diffuse– und der fundamental–Serie sind aufgrund der Auswahlregeln ∆l = ±1 ,∆j =0, ±1<br />
dagegen Tripel.<br />
n=4<br />
n=3<br />
n=2<br />
S P D F<br />
1/2<br />
3/2<br />
1/2<br />
5/2<br />
3/2<br />
7/2<br />
5/2<br />
5/2<br />
1/2<br />
3/2<br />
1/2<br />
3/2<br />
1/2<br />
3/2<br />
1/2<br />
Abb. 6.25: Termschema für Alkali–Atome mit Einschluß der<br />
Spin–Bahn–Wechselwirkung; nicht maßstäblich.<br />
Abb. 6.26: Erlaubte und verbotene Übergänge zwischen<br />
P– und D–Zustände des Alkali–Atoms.<br />
6.8 Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten<br />
bei Absorption<br />
Die Linien, die wir mit K α , K β ,...,L α , L β ,... usw. bezeichneten, stellen diejenigen Übergänge<br />
aus den entsprechenden Schalen mit höherer Hauptquantenzahl n dar (vgl. Kapitel 5.7). Die<br />
Emissionslinien, die dadurch entstehen, daß ein Loch in einer inneren Schaale aufgefüllt wird,<br />
bedeuten, daß wir Energie gewinnen, wenn ein Loch geschlossen wird.<br />
Ein besseres experimentelles Auflösungsvermögen zeigt jedoch, daß auch diese Linien eine viel<br />
differenziertere Struktur aufweisen. Der Grund für diese Feinstruktur ist in der Spin–Bahn–<br />
Wechselwirkung zu suchen (vgl. Kapitel 6.5) (Analog zur Feinstruktur optischer Linien). Die<br />
Zunahme der Energie dieser Wechselwirkung ist proportional zu Z 4 .
6.8. Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten bei Absorption 129<br />
Abb. 6.27: Schema zur Feinstruktur der Röntgenspektren.<br />
Die durch die Quantenzahl n charakterisierten<br />
Schalen (K,L,M,...) werden nun in Unterschalen<br />
unterteilt und mit römischen Zahlen<br />
numeriert. Die Enegieaufspaltung ist jedoch<br />
unterschiedlich und in Abbildung 6.27 nicht<br />
maßstabsgetreu gezeichnet. Sie beruht bei gleichem<br />
l auf der normalen Dublett–Aufspaltung<br />
und sonst auf der unterschiedlichen Abschirmung.<br />
Die Aufspaltung der L–Schale z.B.<br />
beträgt zwischen L II und L <strong>III</strong> :<br />
W (L II ) − W (L <strong>III</strong> ) ∼ (Z − 3.5) 2<br />
Z =20 : Ca : 3.7eV<br />
bei:<br />
Z =40<br />
Z =60<br />
:<br />
:<br />
Zr<br />
Nd<br />
:<br />
:<br />
84eV<br />
412eV<br />
Z = 81: Tl : 2050 eV<br />
Röntgenstrahlung wird beim Durchgang von<br />
Materie wie jede elektromagnetische Strahlung<br />
absorbiert und gestreut.<br />
Röntgenstreuung wurde bereits behandelt: Thomson–Streuformel, Compton–Streuung.<br />
Röntgenabsorption erfolgt ebenfalls nach dem Exponentialgesetz. Man mißt primär den Schwächungskoeffizienten<br />
µ entsprechend der Gleichung<br />
I = I0e −µx µ<br />
−<br />
= I0e ϱ (ϱx) ,<br />
wenn x die durchstrahlte Dicke, I0 die einfallende und I die durchgelassene Intensität ist.<br />
Röntgenabsorption bedeutet — wie bei der Absorption des sichtbaren Lichts — im Bohrschen<br />
Modell, den Übergang eines Elektrons von einer tieferen in eine höhere Schale. Nun sind aber die<br />
höheren Schalen alle besetzt! Also bleiben nur die Übergänge ins Kontinuum oder in die dicht<br />
darunter liegenden optischen“ Niveaus.<br />
”<br />
[cm2 σ<br />
]<br />
10 −19<br />
10 −20<br />
10 −21<br />
10 −22<br />
10 −23<br />
Pb<br />
10 100 1000<br />
E<br />
[keV]<br />
Abb. 6.28: Absorptionskoeffizient für Röntgenstrahlen<br />
im Bereich der L– und K–Kante.<br />
Typisch für Röntgenabsorptionsspektren ist ein starkes<br />
Abnehmen des Absorptionskoeffizienten σ<br />
mit zunehmender Gesamtenergie und das Auftreten von<br />
sogenannten Absorptionskanten.<br />
Sie treten da auf, wo die Quantenenergie des Röntgenquants<br />
gerade zum Absorptionsübergang aus einer neuen<br />
(tieferen) Schale in das Grenzkontinuum ausreicht. Sie<br />
entsprechen den Seriengrenzen der Serien K,L,M,...<br />
und werden entsprechend bezeichnet. Auch die Unterschalen<br />
treten als Kanten in Erscheinung, im Schaubild<br />
als L I –, L II – und L <strong>III</strong> –Kante.<br />
K–Kante: Übergang von der K–Schale ins Kontinuum<br />
L–Kante: Feinstruktur: L I ,L II ,L <strong>III</strong> –Kante.<br />
Als Folge der Röntgenabsorption tritt Röntgenfluoreszenz auf. Wir sprechen genau dann von<br />
Röntgenfluoreszenz, wenn durch Bestrahlung von Atomen, Molekülen oder Festkörpern durch<br />
Röntgenlicht wieder Röntgenlicht emittiert wird. Durch Absorption wird ein Elektron z.B. aus
130 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
der K–Schale ins Kontinuum gehoben, was eine Röntgenkaskade zur Folge hat. Die Wellenlänge<br />
des Röntgenfluoreszenzlichtes ist größer oder höchstens gleich derjenigen des Anregungslichts, da<br />
zur Anregung der Linien einer Serie im Spektrum die Quantenenergie der energiereichsten, d.<br />
h. kurzwelligsten Linie, sprich der Kante gebraucht wird. So wird zum Beispiel zur Anregung<br />
der K α –Linie die Quantenenergie der sogenannten K–Kante benötigt. Dies ist ein wichtiges<br />
Verfahren für die zerstörungsfreien Materialanalyse.<br />
∗ 6.9 Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen:<br />
Mott–Streuung<br />
Auch bei der Streuung von Teilchen mit Spin bzw. mit einem magnetischen Dipolmoment spielt<br />
die Spin–Bahn–Kopplung eine Rolle. Ihre Berücksichtigung führt zu einer Modifizierung der<br />
Rutherfordformel (Streuung von Teilchen ohne Spin an Kernen) zur Mottformel (Streuung von<br />
schnellen Elektronen an Kernen). Schnelle Elektronen (E ∼ 1MeV → GeV) sind relativistische<br />
Teilchen.<br />
Also zunächst die Rutherfordformel für relativistische Teilchen<br />
dσ<br />
dΩ =<br />
� Z1 · Z 2 · e 2<br />
2(4πε 0 )<br />
�2 �<br />
E<br />
E 2 − E 2 0<br />
Andererseits ist mit p = mv; m = m0 √<br />
1−β2 ; E2 = E2 0 + p2c2 damit<br />
�<br />
E<br />
E 2 − E 2 0<br />
� 2<br />
= m2 0 c4 + p 2 c 2<br />
p 4 c 4<br />
= m2 0 + m2 β 2<br />
p 4<br />
dσ<br />
dΩ =<br />
�<br />
Z1Z2e2 �2<br />
·<br />
2(4πε0 )E0 1 − β2<br />
β4 1<br />
·<br />
sin4 ϑ<br />
2<br />
E0 = m0c2 ist die Ruheenergie des gestreuten Teilchens.<br />
−→<br />
dσ<br />
dΩ =<br />
mit E = E 0 + E kin :<br />
� Z1 · Z 2 · e 2<br />
E<br />
E 2 −E 2 0<br />
4(4πε 0 )<br />
�2<br />
·<br />
1<br />
E 2 kin<br />
·<br />
1<br />
4 ϑ sin 2<br />
→ 1<br />
2 E kin für E kin ≪ E 0 .<br />
� 2<br />
·<br />
1<br />
sin 4 ϑ<br />
2<br />
= m2 1<br />
=<br />
p4 m2 1 − β2<br />
=<br />
v4 E2 0β4 Rutherford — relativistisch.<br />
Rutherford — nicht relativistisch.<br />
Bei der Rutherfordstreuung ist die potentielle Energie gleich der Coulombenergie:<br />
V (r) = −Ze2<br />
4πε 0<br />
· 1<br />
r<br />
mit (Z 1 =1;Z 2 = Z).<br />
Ein bewegtes geladenes Teilchen sieht aber in seinem Ruhesystem neben dem Coulomb–Feld<br />
auch ein Magnetfeld (vgl. (6.5.1)) mit<br />
�B l = − 1<br />
c2 (�v × � 1 1 dV (r)<br />
E)= ·<br />
2em0c2 r dr �l.
∗ 6.9. Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen: Mott–Streuung 131<br />
In diesem Feld kann sich das magnetische Dipolmoment des gestreuten Teilchens einstellen. Das<br />
verändert die potentielle Energie<br />
Abb. 6.29: Skizze zur Streuung.<br />
V = −�µ s · � Bl = gs 1<br />
·<br />
4m0c2 r<br />
dV (r)<br />
(<br />
dr<br />
�l · �s)<br />
Man nennt diese Teilchenstreuung nach Spinstellung Polarisation<br />
1.Streuer (Polaris.)<br />
2.Streuer (Analysat.)<br />
Abb. 6.30: Versuchsaufbau; schematisch.<br />
2<br />
P =<br />
Je nachdem, ob � l · �s kleiner oder größer als Null<br />
ist, wird das Gesamtpotential vergrößert oder<br />
verkleinert und damit die Ablenkkraft unterschiedlich<br />
verändert (also je nachdem ob � l und<br />
�s parallel oder antiparallel sind). (Im Beispiel:<br />
mit � l · �s >0: Stärkere Kraft, also mehr Teilchen<br />
mit ⇓ nach rechts bzw mit ⇑ nach links. Aber:<br />
nach rechts und links gleich viele Teilchen.)<br />
Z ⇑−Z ⇓<br />
Z ⇑ +Z ⇓<br />
Transversalpolarisation: Ein zweiter Streuer<br />
wirkt als Analysator. Man erhält jetzt einen Intensitätsunterschied<br />
zwischen rechts und links.<br />
Die Berücksichtigung dieser Zusatzkraft führt<br />
zur Mottschen Streuformel:<br />
dσ<br />
dΩ =<br />
�<br />
Ze2 �2<br />
·<br />
2(4πε0 )E0 1 − β2<br />
β4 �<br />
1<br />
· 4 · 1 − β ϑ sin 2<br />
2 =<br />
�<br />
2 ϑ<br />
sin<br />
2<br />
dσ<br />
� �<br />
�<br />
�<br />
d�<br />
· 1 − β<br />
Ruth<br />
2 �<br />
2 ϑ<br />
sin<br />
2<br />
Für hochrelativistische Teilchen geht β → 1und<br />
1 − β2 E2 �<br />
E<br />
=<br />
0β4 E2 − E2 �2 →<br />
0<br />
1<br />
,<br />
E2 damit ergibt sich:<br />
dσ<br />
dΩ =<br />
� �2 2<br />
2 ϑ<br />
Ze cos 2<br />
2(4πε0 )E 4 ϑ sin<br />
= dσ<br />
�<br />
�<br />
�<br />
dΩ<br />
2 ϑ<br />
· cos<br />
2<br />
(E0 ≪ E, Zα ≪ 1).<br />
Für die Streuung an schweren Kernen gilt<br />
dσ<br />
dΩ<br />
�<br />
dσ �<br />
= �<br />
dΩ<br />
� Ruth<br />
�<br />
ϑ<br />
2 ϑ sin 2<br />
· cos 1+πZα<br />
2<br />
� Ruth<br />
� �<br />
ϑ 1 − sin 2<br />
cos 2 ϑ<br />
2<br />
+ ...(Zα) 2 ...<br />
�<br />
E 0 ≪ E; Zα �≪ 1.
132 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />
∗ 6.10 (gs − 2)–Experiment<br />
Die Dirac–Theorie liefert für den g s Faktor des Elektrons den Wert g s = 2. Die Berücksichtigung<br />
der Wechselwirkung des Elektrons mit seinem eigenen Strahlungsfeld (QED–Effekte) liefert einen<br />
um etwa 1<br />
1000 höheren Wert.<br />
gs =<br />
�<br />
2 1+ α<br />
�<br />
α<br />
�2 �<br />
α<br />
�3 �<br />
α<br />
� �<br />
4<br />
− 0.328478 ... + a6 + O<br />
2π π π π<br />
(gs − 2) Theor. = 0.002319310(6)<br />
Die Präzisionsmessungen von (gs − 2) erfolgten an der University of Michigan durch Crane und<br />
Mitarbeiter. Die Messungen beruhen auf dem Vergleich der Frequenzen:<br />
Zyklotronfrequenz (Umlauffrequenz) mvω = evB � ωc = e<br />
m B<br />
und Larmorfrequenz ω L = ω s = g s µ B B<br />
�<br />
= g s<br />
2<br />
e<br />
m B<br />
Wenn g s =2wäre, wären ω c und ω s identisch und der Spin des Elektrons müßte immer senkrecht<br />
zum Impuls stehen. Wegen der Abweichung des g–Faktors von 2 tritt aber eine zusätzliche Präzession<br />
von �s und �p e auf, die eine empfindliche Messung ermöglicht. Ein gepulster Elektronenstrahl<br />
von 100 ns Länge und 100 kV Energie wird zunächst an einer Goldfolie gestreut.<br />
Zunächst Mott–Streuung � Transversalpolarisation, die durch die Coulombstreuung um 90◦ abgelenkten Elektronen werden durch die Spin–Bahn–Kopplungsenergie senkrecht zur Impulsrichtung<br />
polarisiert. Sie laufen dann in ein Magnetfeld von 0.1T, dessen Feldverlauf so gewählt<br />
ist, daß an beiden Seiten magnetische Spiegel entstehen. Durch geeigneten Spannungsstoß zwischen<br />
Metallzylindern werden sie so verlangsamt, daß sie die Feldregion nicht mehr verlassen<br />
können und zwischen den magnetischen Spiegeln hin und her pendeln. Nach gewisser Zeit T<br />
wird durch erneuten Spannungsstoß der Weg zur zweiten Streufolie, die als Analysator für die<br />
Polarisationsrichtung wirkt, freigeben. Dadurch kann man die Spinstellung von �s relativ zur<br />
Impulsrichtung der Elektronen als Faktor der im Feld verbrachten Zeit T beobachten. Wegen<br />
ωs �= ωl wird Transversalpolarisation → Longitudinalpolarisation → Transversalpolarisation. Die<br />
Mott–Streuung ist nur empfindlich auf eine Transversalpolarisation. Damit Zählrate im Detektor<br />
als Funktion von T → Schwebungsfrequenz.<br />
Ts = 2π<br />
ωs − ωl Ergebnis (1972): (gs − 2) exp =0.00231934(7)<br />
Ein neueres und genaueres Experiment wurde von Dehmelt und Mitarbeitern 1977 durchgeführt<br />
(Nobelpreis 1989). Die Messung ist ein<br />
gs e<br />
ωs − ωc 2mB − m =<br />
ωc B<br />
e<br />
mB = gs 2 − 1=g s − 2<br />
–Experiment.<br />
2<br />
Das Experiment beruht auf der Messung der Energieaufnahme eines einzelnen Elektrons, eingefangen<br />
in einer magnetischen Flasche.<br />
Man erhält<br />
gs 2 = ωs =1.001159625410 (200) (12 Stellen!)<br />
ωc
6.11. Überblick über die Quantenzahlen 133<br />
6.11 Überblick über die Quantenzahlen<br />
Name Mögliche Bedeutung Mathematischer<br />
Werte Zusammenhang<br />
n Hauptquantenzahl 1, 2, 3,... Energie in erster<br />
Näherung<br />
l Nebenquantenzahl 0 ≤ l ≤ n − 1 quantenmechanischer | � l| = � l(l +1)· �<br />
(Bahndrehimpuls- Bahndrehimpuls<br />
quantenzahl)<br />
m l Richtungquantenzahl |m l |≤l Komponente des l z = m l �<br />
quantenmechanischen<br />
Bahndrehimpulses<br />
in z–Richtung<br />
Komponente des µ lz = m l µ B<br />
quantenmechanischen<br />
magnetischen Momentes<br />
in der z–Richtung<br />
m s Spinquantenzahl m s = ± 1<br />
2 quantenmechanischer |�s| =<br />
�<br />
1 1<br />
2 (1+ 2 )<br />
Eigendrehimpuls<br />
Komponente des s z = m s �<br />
Eigendrehimpulses<br />
in z–Richtung<br />
magnetisches Moment µ sz =2m s µ B<br />
in der z–Richtung<br />
Die Quantenzahlen j, m j , die aus der Spin–Bahn–Kopplung resultieren seien hier nicht berücksichtigt.
Kapitel 7<br />
Einführung in die<br />
Quantenmechanik, H–Atom<br />
7.1 Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung,<br />
Elektroneninterferenzen<br />
Eine in der Zeit t in positiver x–Richtung fortschreitende (mechanische) Welle wird beschrieben<br />
durch<br />
�<br />
x = const. = 0 : harmonische Schwingung<br />
ψ = ψ0 sin(kx − ωt)<br />
t = const. =0:räumliche Sinus–Welle<br />
dabei ist k = 2π<br />
λ und ω =2πν = 2π<br />
T .<br />
λ und T ist die räumliche und die zeitliche Periode. In komplexer Schreibweise lautet der Ausdruck<br />
für die ebene Welle<br />
ψ = ψ0ei(kx−ωt) .<br />
Beide Ausdrücke für ψ gehorchen — wie man leicht durch Einsetzen nachvollziehen kann — der<br />
Wellengleichung<br />
∂ 2 ψ(x, t)<br />
∂x 2<br />
= 1<br />
v2 · ∂2ψ(x, t)<br />
∂t2 und v = ω<br />
= λ · ν =¯λ · ω.<br />
k<br />
Wie wir in Kapitel 3 gesehen haben, wird auch das Licht durch elektromagnetische Wellen<br />
ψ =<br />
�<br />
E = E 0 e i(kx−ωt)<br />
B = B 0 e i(kx−ωt)<br />
beschrieben. Charakteristisch für die Welleneigenschaft ist die Interferenz d.h. ψ = c1ψ1 + c2ψ2 z.B. im Doppelspaltexperiment, Fresnelsches Biprisma u.ä. .<br />
Die Energiedichte im elektromagnetischen Feld beträgt<br />
uem = ue + um = εε0 2 E2 + 1<br />
B<br />
2µµ 0<br />
2 = εε0E 2 , da ue = um .<br />
134
7.1. Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen 135<br />
Die Energieflußdichte ist dann<br />
und der Poyntingvektor<br />
S = vu em = vεε 0 E 2 =<br />
�<br />
εε0<br />
E<br />
µµ 0<br />
2<br />
�S = 1<br />
�E ×<br />
µµ 0<br />
� B mit | � S| = S.<br />
In Kapitel 4 haben wir schließlich gesehen, daß das Licht gequantelt ist, wobei die folgenden<br />
Beziehungen gelten<br />
Energie des Photons : W = hν = �ω<br />
Impuls des Elektrons :<br />
p = hν<br />
c<br />
�p = � · � k<br />
Für die Photonen läßt sich eine Teilchenstromdichte angeben<br />
Teilchenstromdichte j = n · c<br />
h = λ = �<br />
¯λ = � · k<br />
n = Teilchendichte<br />
c = Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />
Die Energieflußdichte ist somit analog zum obigen: S = j · W = n · c · W . Damit ergibt sich die<br />
Photonendichte im elektromagnetischen Feld im Vakuum zu<br />
n = S<br />
cW = ε 0<br />
�ω E2 ∼ E 2 . Im Vakuum ist n ∼ E 2 .<br />
So finden wir für das Licht je nach Experiment einmal Welleneigenschaften (Interferenzen) und<br />
einmal Quanten–( ” Teilchen“–)eigenschaften (Comptoneffekt)<br />
Dualismus Welle — Teilchen .<br />
Dieser Sachverhalt wurde von Louis De Broglie (1924) auf Teilchen mit Ruhemasse m0 �=0<br />
übertragen. Durch die Zuordnung: paralleler Teilchenstrom �= fortlaufende ebene Welle erhält<br />
man eine Wellenlänge für Teilchen mit m �= 0 analog zu den Photonen. Der Impuls eines Teilchens<br />
der relativistischen Masse m und der Geschwindigkeit v beträgt p = m · v. Aus p = hν h<br />
c = λ<br />
ergibt sich daher die de Broglie–Wellenänge zu :<br />
Damit erhalten wir zwei Beziehungen:<br />
λ = h h �<br />
= ; ¯λ =<br />
p mv p<br />
• Wellenlänge — Impuls: ¯λ = �<br />
p = ��1 − β2 m0v • Frequenz — Energie: ω = E<br />
�<br />
mc2<br />
=<br />
� = m0c2 � � .<br />
1 − β2 .
136 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Mit diesen Bezeichnungen berechnen wir nun die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser sogenannten<br />
de Broglie– oder Materiewellen und werden dabei stets streng zwischen der Phasengeschwindigkeit<br />
v Ph , also der einem Teilchenstrom gegebener Geschwindigkeit zugeschriebene<br />
monochromatischer Materiewelle, und der Gruppengeschwindigkeit v Teilchen (vgl. (7.2.3)) unterscheiden.<br />
v Ph = λ · ν =¯λ · ω = �� 1 − β 2<br />
m 0 v<br />
· m0c2 � � =<br />
1 − β2 c2 >c .<br />
vTeilchen Wegen c ≥ v ist die Phasengeschwindigkeit vPh der de Broglie–Wellen also größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit<br />
cVak . Dies darf uns nicht verwundern, da die Phasengeschwindigkeit<br />
vPh weder die Geschwindigkeit eines Signals noch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Energie<br />
charakterisiert und daher kleiner, aber auch größer als cVak sein kann.<br />
Ein paralleler Teilchenstrom wird also durch eine ebene Welle beschrieben.<br />
bzw. allgemein<br />
ψ = ψ 0 sin(kx − ωt),<br />
bzw. komplex ψ = ψ 0 e i(kx−ωt)<br />
k = 1 p<br />
=<br />
¯λ � .<br />
ψ = ψ0e i(�k·�r−ωt) = ψ0e i (�p·�r−Et) � = ψ(x, y, z, t) .<br />
Was diese Beschreibung bedeutet lassen wir zunächst offen. Auf jeden Fall ist das Kriterium<br />
einer Wellenerscheinung die Interferenzfähigkeit, d.h. die Überlagerung (Superposition) der Amplituden<br />
zu einem Interferenz–, einem Beugungsbild:<br />
ψ = c 1 ψ 1 + c 2 ψ 2 + ... Die Koeffizienten c i sind i. a. komplex.<br />
Die Intensität ist dann durch das Quadrat der Amplituden gegeben: I ∼|ψ| 2 . Jetzt erinnerte<br />
man sich auch der Ergebnisse zweier bisher ” unverstandener“ Experimente:<br />
1. Davisson und Germer (1919): Reflexion langsamer Elektronen an Kristallen: Ergebnis<br />
analog Laue–Interferenzen bzw. Bragg–Beugung. Davisson und Germer beobachteten<br />
Interferenzen, d.h. Maxima und Minima in der Intensität der reflektierten Elektronen,<br />
die eindeutig durch Geschwindigkeit der Elektronen, Kristallorientierung und Beobachtungswinkel<br />
bestimmt waren. Das Auftreten von Interferenzen bedeutete, daß die Bewegung<br />
der Elektronen mit einem Wellenvorgang verknüpft sein mußte. Für die Wellenlänge<br />
ergab sich<br />
λ = h<br />
p =<br />
h<br />
� =<br />
2mEkin<br />
12.3<br />
√ A.<br />
U<br />
mit U =54V,λ =1.67 A, für Nickel 1. Max. bei 50◦ (Deutung 1927). Wellenlänge des<br />
Elektrons in A:<br />
Ekin (eV) 10 100 103 104 105 106 107 108 λ (A) 3.9 1.2 0.39 0.1 2 3.7 · 10−2 8.7 · 10−3 1.2 · 10−3 1.2 · 10−4
7.1. Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen 137<br />
2. Ramsauer–Effekt (1921):<br />
Streuung langsamer Elektronen an<br />
Gasatomen. Der Wirkungsquerschnitt<br />
sinkt dabei weit unter den<br />
gaskinetischen Wert und steigt bei<br />
etwas höheren Energien. Deutung:<br />
Ist λ ≈ Atomdurchmesser<br />
=⇒ Beugung, damit Möglichkeit<br />
zur Auslöschung (Minima).<br />
50<br />
Wirkungsquerschnit cm2<br />
cm 3<br />
0<br />
Gaskin. Querschnit<br />
2 4 6<br />
Beschleunigungsspannung √ Volt<br />
Abb. 7.1: Ramsauer Effekt: Wirkungsquerschnitt σ von<br />
Gasatomen bei verschiedenen Geschwindigkeiten schematisch.<br />
Später folgten weitere eindrucksvolle Experimente zum Nachweis des Wellencharakters<br />
eines Elektronenstrahls:<br />
3. Beugung am Fresnelschen Biprisma: Möllenstedt und Düker 1956<br />
4. Fresnel–Beugung an einer Kante: Boersch 1956.<br />
Für Teilchen liegt der gleiche Sachverhalt vor wie für Licht: Fragt man nach dem Teilchencharakter,<br />
findet man Teilchen; sucht man nach der Welleneigenschaft, findet man Wellen. Wie läßt<br />
sich dieser Dualismus verstehen“?<br />
”<br />
Wir erinnern uns der Quantenfluktuationen (vgl. Kapitel∗ 4.5) beim Licht: Im Wellenbild<br />
ergibt sich die Beugungserscheinung elementar; im Quantenbild können wir Photon für Photon<br />
beobachten. Erst die Beobachtung von vielen Photonen, also ihre Summe, ergibt das Beugungsbild.<br />
Das ist der Schlüssel für den Dualismus. Mit Obigem ergibt sich folgende Äquivalenz:<br />
Also gibt<br />
Photonendichte n ∼| � E| 2 ⇐⇒ Teilchendichte n ∼|ψ| 2 = ψ · ψ ∗ .<br />
|ψ(x, y, z, t)| 2 dτ = ψ(x, y, z, t) · ψ ∗ (x, y, z, t) dτ<br />
die Zahl der Teilchen im Volumenelement dτ zur Zeit t an;<br />
oder aber, für ein einzelnes Teilchen gibt<br />
|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz<br />
die Wahrscheinlichkeit an, ein Teilchen zur Zeit t am Ort zwischen<br />
x und x + dx, y und y + dy, z und z + dz zu finden.<br />
Mit anderen Worten: Die Intensität der Beugungsfigur ist proportional zum Amplitudenquadrat<br />
|ψ| 2 . Betrachtet man die Intensität in einem Volumenelement, so ergibt sich Idxdydz=<br />
|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz, I ist natürlich auch proportional zur Häufigkeit, ein Teilchen am Ort<br />
dx dy dz aufzufinden, also muß |ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz als Wahrscheinlichkeit gedeutet werden.<br />
Man nennt deshalb<br />
ψψ ∗ die Wahrscheinlichkeitsdichte für den räumlichen Aufenthalt des Teilchens,<br />
ψ die Wahrscheinlichkeitsamplitude eines Teilchens.
138 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Dies ist die statistische Deutung oder Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktion.<br />
Diese Interpretation hat für die Wellenfunktion selbst wichtige Konsequenzen:<br />
1. Die Normierungsbedingung<br />
�+∞<br />
�<br />
�<br />
+∞ +∞<br />
−∞ −∞ −∞<br />
|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz =1, (7.1.1)<br />
d.h. die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im gesamten Raum zu finden ist gleich Eins.<br />
2. Die Eindeutigkeit, Stetigkeit und Endlichkeit von ψ, ∂ψ ∂ψ ∂ψ<br />
∂x , ∂y , ∂z<br />
3. ψ geht hinreichend schnell → 0für x, y, z →∞.<br />
im Raum.<br />
Aus dem Dualismus Welle–Teilchen folgt wie beim Licht (vgl. Kapitel 4.3) die Unschärferelation.<br />
Für die Beugung am Spalt ergibt sich:<br />
Abb. 7.2: Beugung einer ebenen Welle am Spalt.<br />
1. Minimum: sin α = λ h<br />
=<br />
d p · d<br />
d · p sin α = h<br />
∆x · ∆p x = h<br />
Eine Festlegung des Ortes des Teilchens in der x–Richtung auf die Größe d =∆x<br />
bedeutet für dieses eine Teilchen eine Unbestimmtheit in Bezug auf seine Richtung<br />
und damit auf seine Impulskomponente p x in x–Richtung: das einzelne Teilchen<br />
kann irgendwo innerhalb des 0. Beugungsmaximums einschlagen. Die Größe dieser<br />
Unbestimmheit — ∆p x —läßt sich durch den Abstand zwischen den beiden ersten<br />
Beugungsminima abschätzen.<br />
Wenn man jedoch viele Teilchen betrachtet, ergibt sich die Intensitätsverteilung, die<br />
man im Wellenbild erwartet. Den Mittelwert aus den vielen Einzelmessungen nennt<br />
man den Quantenmechanischen Erwartungswert, hier: 〈p x 〉 = 0. Den mittleren<br />
quadatischen Fehler aus den Messungen, die Varianz σ der Verteilung, nennt man<br />
die Unschärfe:<br />
σ 2 := � (p x −〈p x 〉) 2� = 〈p 2 x 〉−〈p x 〉2 ; ∆p x = σ<br />
7.2 Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation<br />
Wir wollen nun diese allgemeinen Betrachtungen konkretisieren:
7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 139<br />
1. Wir betrachten zunächst eine ebene, monochromatische Welle, die nach rechts läuft. Dies<br />
entspricht einem parallelen Teilchenstrom, der sich folgendermaßen darstellen läßt:<br />
Re ψ(x)<br />
x<br />
Abb. 7.4: Darstellung einer ebe-<br />
Abb. 7.3:<br />
nen monochromatischen Welle im k–<br />
Raum. ϕ(k)beschreibt das Spektrum<br />
Darstellung einer ebenen der vorkommenden Wellenzahlen.<br />
monochromatischen Welle im Orts–<br />
Raum.<br />
Monochromatisch heißt:<br />
(a) Nur eine Wellenzahl k = k 0 = 2π<br />
λ0 .<br />
(b) Der Wellenzug ist unendlich lang.<br />
Für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit zur Zeit t =0amOrtx ergibt sich<br />
|ψ(x, t)| 2 = ψ(x) · ψ ∗ (x) =|C| 2 = const.,<br />
ψ(x, t) =C · e i(k0x−ω0t)<br />
d.h. sie ist unabhängig von x.<br />
Wir könnenanjedemOrtxein einzelnes Teilchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit finden.<br />
Dies können wir uns auch so erklären: Da der Wellenzug unendlich ausgedehnt ist, kann<br />
man das Teilchen nicht lokalisieren.<br />
� Ortsunschärfe (Unbestimmtheit ( mittlerer quadratischer Fehler“) bei der Ortsbes-<br />
”<br />
timmung eines Teilchens): ∆x →∞ .<br />
� Da die Wellenzahl diskret ist, ist auch der Impuls p0 diskret (Unbestimmtheit ( mit-<br />
”<br />
tlerer quadratischer Fehler“) bei Impulsmessung eines Teilchens): ∆p → 0 .<br />
Wenden wir die Normierungsbedingung (7.1.1) auf die ebene, monochromatische Welle an,<br />
so divergiert das Integral und ist somit nicht auf Eins normierbar: ψ(x) �→ 0für x →∞<br />
�<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
|ψ(x)| 2 dx = |C| 2 x � � +∞<br />
−∞ .<br />
2. Als Teilchen ist das Elektron lokalisiert, als Welle jedoch nicht. Nun wollen wir versuchen,<br />
das Elektron im Wellenbild zu lokalisieren.<br />
Abb. 7.5: Spektrum der k–<br />
Werte.<br />
Eine Möglichkeit zur Lokalisierung der Teilchen im Raum<br />
ergibt sich, wenn man ein Spektrum der k–Werte vorgibt,<br />
in welchem z.B. die Spektrale Stärke ϕ(k) = const. = A ist.<br />
Wir bilden also eine Wellengruppe, ein Wellenpaket durch<br />
Überlagerung (Superposition) von ebenen Wellen mit den<br />
k–Werten aus dem Bereich k 0 ± ∆k<br />
2 .
140 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
ψ(x, t) =<br />
k0+ ∆k0 � 2<br />
k0− ∆k 0<br />
2<br />
Ae +ikx e −iωt dk =<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
Ae +ikx e −iωt dk . (7.2.1)<br />
Die Funktion ϕ(k) beschreibt das Spektrum der vorkommenden Wellenzahlen und läßt sich<br />
umgekehrt als Fouriertransformierte von ψ(x) schreiben:<br />
ϕ(k) =<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
ψ(x)e −ikx dk .<br />
In Abb. 7.3 haben wir das Spektrum für den Fall eines scharf definierten Impulses. Abb.<br />
7.5 zeigt eine Rechteckverteilung der Wellenzahlen, das wie wir gleich sehen werden (vgl.<br />
Abb. 7.6), einem begrenzten aber oszillierenden Verhalten von ψ(x) entspricht. Nun sind k<br />
und ω nicht unabhängig voneinander. E = p2<br />
2m � �ω = �<br />
sich für die Phasengeschwindigkeit vPh folgende Beziehung:<br />
v Ph = ω<br />
k<br />
�<br />
= k = f(k) =g(λ)<br />
2m<br />
2 2<br />
k<br />
2m =⇒ ω = �<br />
2mk2 . Damit ergibt<br />
Die Abhängigkeit der Phasengeschwindigkeit von der Wellenlänge bezeichnet man als Dispersion.<br />
Materiewellen zeigen bereits im Vakuum Dispersion. Da nach obigem Dispersionsgesetz<br />
ω von k abhängt, setzen wir k = k0 +(k − k0 ) und entwickeln ω an der Stelle k0 nach<br />
ξ := k − k0 , wobei wir nach dem zweiten Glied abbrechen: ω = ω0 + � �<br />
dω<br />
dk ξ. Setzen wir<br />
diese Beziehungen in (7.2.1) ein, so erhalten wir folgendes Integral:<br />
oder ausintegriert<br />
oder für t =0<br />
ψ(x, t) =Ae i(k0x−ω0t)<br />
+ ∆k<br />
� 2<br />
− ∆k<br />
2<br />
e i � x − dω<br />
dk t� ξ dξ mit ξ = k − k0<br />
ψ(x, t) =2A sin � x − dω<br />
dk t� ∆k<br />
2<br />
x − dω<br />
dk t<br />
e i(k0x−ω0t) , (7.2.2)<br />
ψ(x) =2A ∆k<br />
2<br />
sin � ∆k<br />
2 x�<br />
x ∆k<br />
2<br />
e ik0x .
7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 141<br />
Abb. 7.6: Der Realteil von ψ(x, t)als Funktion des<br />
Ortes x. Die rasche Oszillation wird bei festem t<br />
durch cos(k0x − ω0t)beschrieben, die Einhüllende durch<br />
sin ∆kx<br />
2<br />
∆kx .<br />
2<br />
Wir haben nun eine räumlich lokalisierte<br />
Wellenfunktion erhalten, die alle Wellenzahlen<br />
im Bereich k ± ∆k<br />
2 enthält. Wenn<br />
wir diese Welle auf ein Gitter fallen lassen,<br />
sehen wir eine Beugungserscheinung. In<br />
höheren Ordnungen gibt es spektrale Zerlegungen.<br />
Das Wellenpaket bedeutet<br />
” weißes Licht“. Das Wellenpaket hat sein<br />
sin x<br />
Zentrum bei x = 0 (wegen lim<br />
x→0 x =1).<br />
Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beträgt<br />
dort |ψ(0, 0)| 2 =4A2∆k2 .<br />
Als Ausdehnung eines Wellenpakets können wir in guter Näherung den Abstand zwischen<br />
den Nullstellen links und rechts des Maximums ansehen. Der Nulldurchgang liegt bei<br />
x ∆k<br />
2π<br />
2 = ±π. So können wir sagen, das Wellenpaket ist im Bereich x = ± ∆k lokalisiert.<br />
Damit beträgt die Ortsunschärfe<br />
∆x = 4π<br />
∆px =<br />
∆k<br />
�∆k<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭ � ∆x · ∆px = � 4π =2h . Heisenbergsche Unschärferelation(1927)<br />
Man sieht also deutlich: ∆x wird kleiner, wenn ∆k größer wird.<br />
Aus (7.2.2) folgt noch eine weitere Konsequenz: Die Dispersion bewirkt, daß die einzelnen<br />
Anteile in der Wellengruppe unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten haben,<br />
d.h. das Wellenpaket zerfließt als Funktion von t. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des<br />
Zentrums (i.a. eines Ortes gleicher Phase, z.B. der Phase � x − dω<br />
dk t� ∆k<br />
x dω<br />
2 =0)ergibtt = dk<br />
dω<br />
dk ≡ v dE<br />
Gr =<br />
dp<br />
= d p2<br />
2m<br />
dp<br />
= p<br />
m = v Teilchen<br />
also: Gruppengeschwindigkeit = Teilchengeschwindigkeit .<br />
, (7.2.3)<br />
3. Als nächstes betrachten wir einen endlichen Wellenzug als Wellengruppe. Dann ist die<br />
Aufenthaltswahrscheinlichkeit in a konstant. Die Wellenfunktion ψ k0 (x) =Ce ik0x sei auf<br />
a normiert:<br />
− a<br />
2<br />
a<br />
Re ψ(x)<br />
Abb. 7.7: Endlicher Wellenzug als Wellengruppe.<br />
a<br />
2<br />
Somit ist<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
|Ce ik0x | 2 dx =1� C = 1<br />
√ a .<br />
ψ k0 (x) = 1<br />
√ a e ik0x<br />
eine auf a normierte Wellenfunktion.
142 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Dies ergibt sich durch eine einfache Rechnung, wenn man berücksichtigt, daß |ψ k0 (x)| 2 =<br />
C 2 ist. Diese Wellenfunktion muß — als Wellenpaket — viele Wellenzahlen enthalten. Dies<br />
wollen wir nun ausrechnen. Dazu multiplizieren wir diese Funktion mit einer anderen auf<br />
a normierten Wellenfunktion mit der Wellenzahl k und integrieren im Ortsraum über den<br />
Bereich a:<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
ψ ∗ k0 (x)ψ 1<br />
k (x) dx =<br />
=<br />
a<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
1<br />
ia(k − k 0 )<br />
e −i(k0x−kx) dx (7.2.4)<br />
�<br />
a i<br />
e 2 (k−k0) a −i<br />
− e 2 (k−k0)�<br />
= sin � a<br />
2 (k − k0 )�<br />
a<br />
2 (k − k = ϕ(k) .<br />
0 )<br />
(7.2.5)<br />
Diese Funktion hat die gleiche Gestalt im k–Raum“ wie vorher das Wellenpaket in Abbil-<br />
”<br />
dung 7.7 im Ortsraum.<br />
k0 − 2π<br />
a<br />
ϕ(k)<br />
k0<br />
k0 + 2π<br />
a<br />
Abb. 7.8: Darstellung des Spektrums.<br />
k<br />
Was haben wir gemacht? Wir haben im Bereich<br />
a einen ” Überlapp“ zwischen ψ k0 (x) und<br />
ψ k (x) mit beliebigem k–Wert gebildet. Wenn<br />
k = k 0 ist, ist der Überlapp komplett. Das Integral<br />
� ψ k0 ψ k dx = ϕ(k), also die Fouriertransformierte<br />
von ψ k0 (x) hat ein einziges Maximum.<br />
Ist k �= k 0 so gibt es einen Bereich, indem der<br />
Überlapp noch nicht verschwindet; und — wenn<br />
|k − k 0 | groß wird — einen Bereich, indem der<br />
Überlapp verschwindet.<br />
Mit diesem Verfahren kann man also herausfinden, welche k–Werte der endliche Wellenzug<br />
enthält: ϕ(k) ist die Funktion für das k–Spektrum. Dies ist anschaulich: Je länger<br />
der Wellenzug (also je größer a ist), um so schmäler ist das Spektrum. Je kürzer Wellenzugist,umsomehrk–Werte<br />
sind möglich, so daß die Wellen im Bereich a einen nicht<br />
verschwindenden Überlapp zeigen. Also gilt<br />
∆x = a<br />
∆p = �∆k = � 4π<br />
�<br />
∆x · ∆p =4π� =2h<br />
a<br />
4. Jetzt sieht man sofort wie die ebene Welle zu normieren ist: Wenn a →∞geht, gibt es nur<br />
einen Überlapp mit der Welle für k = k 0 . Die Spektralfunktion ϕ(k) gehtüber in δ(k −k 0 ),<br />
d.h. sie entartet zu einem unendlich hohen Strich bei k = k 0 : Dirac’sche δ–Funktion.<br />
Die Multiplikation von (7.2.4) mit a<br />
2π ergibt:<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
1<br />
√ 2π e −ik0x ·<br />
Betrachten wir nun den Grenzübergang a →∞:<br />
�+∞<br />
−∞<br />
1 −ik0x 1<br />
√ e √ e<br />
2π 2π ikx dx = lim<br />
a→∞<br />
1<br />
√ e<br />
2π ikx dx = 1 sin<br />
π<br />
� a<br />
2 (k − k0 )�<br />
k − k0 1 sin<br />
π<br />
� a<br />
2 (k − k0 )�<br />
≡ δ(k − k0 )<br />
k − k0
7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 143<br />
Die Multiplikation mit a<br />
2π hat die richtige Normierung ergeben: wir wollen erreichen, daß<br />
+∞ �<br />
das Integral ϕ(k) dk =1wird.<br />
−∞<br />
Vorweg wollen wir aber kurz die Eigenschaften der δ–Funktion (jetzt mit x formuliert)<br />
erwähnen.<br />
�b<br />
a<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
δ(x ′ − x) =0 für x ′ �= x<br />
+∞<br />
δ(x ′ − x) = lim<br />
�<br />
a→∞<br />
−∞<br />
1<br />
π<br />
sin aξ<br />
ξ<br />
dξ =1<br />
f(x)δ(x ′ − x) dx = f(x ′ ) für a
144 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Diese Relation besagt, daß man hinreichend lange messen muß, um eine Energie scharf zu<br />
bestimmen; insbesondere unendlich lange, will man sie exakt messen. Es können deshalb<br />
nur stationäre Zustände exakt gemessen werden.<br />
Bei einem Zerfallsvorgang steht aber nur die mittlere Lebensdauer τ des Zustandes zur<br />
Zeitmessung zur Verfügung. Also muß bei einem nichtstabilen Zustand die Energie prinzipiell<br />
unscharf sein. Das Energieniveau hat eine endliche Breite:<br />
∆E · τ ≈ � .<br />
z.B.: H–Atom: τ ≈ 10 −8 s (elektrische Dipolübergänge)<br />
� ∆E = �<br />
τ = 6.6 · 10−16 eVs<br />
10−8 =6.6 · 10<br />
s<br />
−8 eV natürliche Linienbreite .<br />
7.3 Wahrscheinlichkeit für Ort und Impuls eines Teilchens,<br />
quantenmechanischer Erwartungswert<br />
Wir wollen nun die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Impulse im Wellenpaket berechnen. Ein<br />
derartiges Wellenpaket hat nach (7.2.1) die allgemeine Gestalt<br />
ψ(x) =<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
Ae −iωt e +ikx dk =<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
a k e +ikx dk .<br />
Um die Koeffizienten a k mit der Wahrscheinlichkeit in Verbindung zu bringen, müssen wir die<br />
Wellenfunktion e +ikx im unendlich ausgedehnten Raum normieren. Diese Rechnung wollen wir<br />
hier nicht durchführen und geben sofort das Ergebnis an:<br />
ψ(x) =<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
1 pxx<br />
c(px ) √ e<br />
i � dpx .<br />
2π�<br />
Diese Gleichung bedeutet: Wir haben ein Wellenpaket ψ(x) aus ebenen Wellen aufgebaut, die sich<br />
in ihren k x –Werten, d.h. in den Impulsen p x unterscheiden, indem wir diese Wellen aufsummiert<br />
(aufintegriert) haben. Wenn wir das Wellenpaket ψ(x) auf ein Beugungsgitter fallen lassen, wird<br />
das weiße Licht“ des Wellenpakets in seine Spektralanteile, also seine ebenen Wellen<br />
”<br />
i pxx<br />
� e+ √ ,<br />
2π �<br />
zerlegt. c(p x ) gibt also das Gewicht an, mit dem die Welle mit k x ,bzw.p x , im Wellenpaket ψ(x)<br />
enthalten ist. Das bedeutet:<br />
So wie |ψ(x)| 2 dx die Wahrscheinlichkeit angibt, ein Teilchen am<br />
Ort zwischen x und x + dx zu finden,<br />
gibt |c(p x )| 2 dp x die Wahrscheinlichkeit an, im Wellenpaket ein<br />
Teilchen mit dem Impuls zwischen p x und p x +<br />
dp x zu finden.
7.4. Zeitunabhängige Schrödingergleichung 145<br />
In der Tat ist wegen der Normierung von ψ(x) und den ebenen Wellen folgende Beziehung gültig<br />
�<br />
+∞<br />
−∞<br />
|c(p x )| 2 dp x =1, wie es sich für Wahrscheinlichkeiten gehört.<br />
Jetzt können wir also Wahrscheinlichkeiten angeben für das Auffinden eines Teilchens an einem<br />
bestimmten Ort und für einen bestimmten Impuls. Wir können aber nur Wahrscheinlichkeiten<br />
angeben, da wir wegen der Unschärferelation statistisch verteilte Meßwerte ( ” Quantenfluktuationen“)<br />
haben. Dies ist offenbar analog zu einer mit statistischen Fehlern behafteten Messung. Dort<br />
können wir Mittelwerte bilden und den mittleren quadratischer Fehler, die Varianz, angeben. Das<br />
gelingt uns hier auch, weil wir ja die Verteilungsfunktionen, nämlich die Wahrscheinlichkeiten,<br />
kennen.<br />
Abb. 7.9: Diskrete<br />
Verteilung.<br />
x =<br />
�<br />
i<br />
n i x i<br />
�<br />
ni i<br />
→<br />
� n(x)xdx<br />
� n(x)dx<br />
Abb. 7.10: Übergang zur kontinuierlichen Verteilung.<br />
Im Fall der Ortsmessung, bzw. Impulsmessung entspricht der Verteilungsfunktion n(x) das Produkt<br />
ψ(x)ψ(x) ∗ = |ψ(x)| 2 ,bzw.c(p x ) ∗ c(p x )=|c(p x )| 2 . Wir erhalten also ein Rezept zur Bildung<br />
von Mittelwerten:<br />
x =<br />
x 2 =<br />
f(x) =<br />
V (x) =<br />
+∞ �<br />
−∞<br />
+∞<br />
�<br />
−∞<br />
+∞<br />
�<br />
−∞<br />
+∞<br />
�<br />
−∞<br />
ψ ∗ (x)xψ(x) dx ≡〈x〉 p x =<br />
ψ ∗ (x)x 2 ψ(x) dx ≡〈x 2 〉 p 2 x =<br />
ψ ∗ (x)f(x)ψ(x)dx ≡〈f(x)〉 E kin =<br />
ψ ∗ (x)V (x)ψ(x)dx ≡〈V (x)〉<br />
+∞ �<br />
−∞<br />
+∞<br />
�<br />
c ∗ (p x )p x c(p x ) dp x = 〈p x 〉<br />
c ∗ (p x )p 2 x c(p x ) dp x = 〈p2 x 〉<br />
−∞<br />
+∞ �<br />
c<br />
−∞<br />
∗ (px ) p2x<br />
2m c(p x )dp x = 〈E kin 〉<br />
(7.3.1)<br />
Der Nenner wird wegen der Normierungsbedingung jeweils Eins.<br />
Man nennt diese Werte die quantenmechanischen Erwartungswerte.<br />
Wir sind jetzt also in der Lage, bei Kenntnis der Wellenfunktion ψ(x) eine ganze Reihe von<br />
Meßgrößen — als Mittelwerte — zu berechnen: 〈x〉, 〈px 〉, 〈V (x)〉, 〈Ekin 〉 usw. . Da wir auch<br />
〈x2 〉 und 〈p2 x 〉 angeben können, erhalten wir aus σ2 = 〈x2 〉−〈x〉 2 auch die Varianzen σ ( mittlerer<br />
”<br />
quadratischer Fehler“) = Unschärfen ∆x.<br />
7.4 Zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />
Alle quantenmechanischen Informationen stecken in der Wellenfunktion ψ(x, t). Wie sieht diese<br />
Funktion für ein vorgegebenes Problem aus? Wir müssen zu ihrer Bestimmung die Wellengle-
146 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
ichung lösen. Aber diese Wellengleichung muß irgendwie dem Dualismus Welle–Teilchen Rechnung<br />
tragen, d.h. sie muß einerseits aus der Wellengleichung hervorgehen<br />
andererseits die Relationen<br />
∂2ψ(x, t)<br />
∂x2 = 1<br />
v2 ·<br />
Ph<br />
∂2ψ(x, t)<br />
∂t2 E = �ω, p = �k und E = p2<br />
+ V (x) (nicht relativistisch)<br />
2m<br />
enthalten.<br />
Nun spalten wir die Wellenfunktion so auf, daß der ortsabhängige Teil separiert vom zeitabhängigen<br />
Term steht, also<br />
ψ(x, t) =ψ(x) · e −iωt<br />
Dies läßt sich als stehende Welle auffassen. Dann folgt aus der obigen Wellengleichung mit Hilfe<br />
der separierten Wellenfunktion und deren partiellen Ableitungen:<br />
∂ 2 ψ(x, t)<br />
∂t 2 = ψ(x)(−ω 2 )e −iωt<br />
v 2 Ph · ∂2ψ(x, t)<br />
∂x2 = v2 Ph · d2ψ(x) dx2 · e−iωt 0= d2 ψ(x)<br />
dx 2<br />
woraus sich dann mit ω2<br />
v2 =<br />
Ph<br />
ω2<br />
ω2¯λ 2 = k2 = p2<br />
�<br />
d 2 ψ(x)<br />
dx 2<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
ω2<br />
+<br />
v2 · ψ(x) =<br />
Ph<br />
d2ψ(x) dx2 + k2ψ(x) 2 und mit E = p2<br />
2m<br />
2m<br />
+ (E − V (x)) ψ(x) =0<br />
�2 − ω 2 ψ(x) =v 2 d<br />
Ph<br />
2ψ(x) dx2 + V (x)<br />
die eindimensionale zeitunabhängige Schrödingergleichung ergibt.<br />
Wir werden es meist mit dem stationären, d.h. zeitunabhängigen Fall zu tun haben, nämlich<br />
immer dann, wenn wir nach Energiestufen, Dichteverteilungen oder ähnlichem fragen. Nur für<br />
die Behandlung von Übergangswahrscheinlichkeiten wird die zeitabhängige Schrödingergleichung<br />
benötigt, der wir uns erst in Kapitel 8.4 zuwenden werden.<br />
Ist V (x) bekannt, dann läßt sich die Differentialgleichung lösen. Die Schrödingergleichung ist<br />
eine Differentialgleichung 2. Ordnung. Ihre Lösungen müssen also die Bedingungen erfüllen, die<br />
wir uns bereits aus statistischer Interpretation überlegt hatten:<br />
• ψ(x), dψ(x)<br />
dx eindeutig und stetig im Raum.<br />
• ψ(x) geht hinreichend schnell gegen Null für x →∞, was soviel heißt, daß weit außerhalb<br />
die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens Null sein soll, was physikalisch natürlich<br />
sinnvoll ist, da wir es ja mit gebundenen Teilchen (Teilchen im Potentialfeld) zu tun haben.<br />
Diese Eigenschaften haben zusammen mit der Form der Differentialgleichung wichtige allgemeine<br />
Konsequenzen für die Lösungsfunktionen.
7.5. Beispiele 147<br />
Wegen der Randbedingung ψ(x) → 0für x → +∞ (Teilchen, die sich im Unendlichen aufhalten<br />
können nicht untersucht werden) bleiben nur diskrete Lösungen übrig, die dazuhin symmetrisch<br />
zu x = 0, d.h. physikalisch sinnvoll sein müssen. Symmetrisch heißt, es kann entweder<br />
ψ(−x) =ψ(x) oderψ(−x) =−ψ(x) sein. Je nach Vorzeichen sagt man, daß die Wellenfunktionen<br />
positive oder negative Parität haben. Für die Wahrscheinlichkeitsdeutung (|ψ(x)| 2 )spielt<br />
dieses Vorzeichen keine Rolle, es definiert aber den Symmetriecharakter der Wellenfunktion bei<br />
Raumspiegelungen und hat deshalb große Bedeutung in der Quantenmechanik. Formal können<br />
wir dies durch Anwendung eines linearen Operators P beschreiben:<br />
ψ(−x) =Pψ(x) .<br />
Nochmalige Anwendung, d.h. zweimalige Spiegelung muß den ursprünglichen Zustand ergeben,<br />
also<br />
Pψ(−x) =P 2 ψ(x) =1ψ(x) ,<br />
somit also P 2 =1,� P = ±1.<br />
Analog ergibt sich die dreidimensionale Schrödingergleichung zu<br />
mit ∆ψ := ∂2 ψ<br />
∂x 2 + ∂2 ψ<br />
∂y 2 + ∂2 ψ<br />
∂z 2 .<br />
7.5 Beispiele<br />
∆ψ(�r)+ 2m<br />
(E − V (�r)) ψ(�r) =0<br />
�2 7.5.1 Masse m im Kastenpotential mit unendlich hohen Wänden<br />
Abb. 7.11: Rechteckpotential.<br />
V (x) =∞ für x ≤ −a a<br />
; x ≥<br />
2 2<br />
V (x) =0 für −a a<br />
≤ x ≤<br />
2 2<br />
⎧<br />
E kin = m<br />
2 v2 = E; p = √ 2mE<br />
⎪⎨<br />
Klassisch:<br />
⎪⎩<br />
jedes E erlaubt.<br />
�F<br />
−dV (x)<br />
= ��r →∞<br />
dx<br />
bei x = ± a<br />
2<br />
⎧<br />
⎨ d<br />
Quantenmechanisch:<br />
⎩<br />
2ψ(x) dx2 2m<br />
1 √<br />
+ E · ψ =0; k = 2mE<br />
�2 �<br />
Randbedingung: ψ � ± a<br />
�<br />
2 =0<br />
Die Schrödingergleichung ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung, damit ist der Lösungsraum<br />
zweidimensional und die allgemeine Lösung ist gegeben durch die Linearkombination zweier linear<br />
unabhängiger Lösungen:<br />
ψ(x) = Ae ikx + Be −ikx<br />
ψ(x) = A (cos (kx)+i sin (kx)) + B (cos (kx) − i sin (kx)) .
148 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Einsetzen der Randbedingungen:<br />
�<br />
A � cos � 1<br />
2ka� + i sin � 1<br />
2ka�� + B � cos � 1<br />
2ka� − i sin � 1<br />
2ka�� = 0 für x =+ a<br />
A<br />
2<br />
� cos � − 1<br />
2ka� + i sin � − 1<br />
2ka�� + B � cos � − 1<br />
2ka� − i sin � − 1<br />
2ka�� = 0 für x = − a<br />
2<br />
�<br />
(A + B)cos � 1<br />
2 ka� = 0<br />
(A + B)cos � − 1<br />
2 ka� = 0<br />
� ± 1 π<br />
2ka = n 2<br />
�<br />
(A − B) i sin � 1<br />
2ka� = 0 für x =+ a<br />
2<br />
(A − B) i sin � − 1<br />
2ka� = 0 für x = − a<br />
2<br />
1 π<br />
(n =1, 3, 5 ...) � ± 2ka = n 2 (n =0, 2, 4,...)<br />
rechts eingesetzt: A − B = 0<br />
Damit wird die Wellenfunktion:<br />
links eingesetzt: A + B =0<br />
�<br />
ψn (x) = 2Acos (knx) n =1, 3, 5,... a<br />
2 kn = ±nπ<br />
2 .<br />
ψ n (x) = 2Ai sin (k n x) n =0, 2, 4,...<br />
Die Amplitude A ergibt sich aus der Normierung von<br />
von ψ n und anschließender Integration erhalten wir<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
� 4A 2<br />
�<br />
x<br />
2 ± sin 2knx ��+ ���<br />
4kn a<br />
2<br />
− a<br />
=1,<br />
2<br />
wobei n die Werte wie oben annimmt.<br />
Mit sin(ka) =sin(±nπ) =0für alle ganzzahligen n folgt:<br />
Damit ergeben sich die endgültigen Lösungen:<br />
ψ n (x) =<br />
ψ n (x) =<br />
2A 2 a =1� A = 1<br />
√ 2a .<br />
�<br />
2<br />
a cos (kn x) n =1, 3, 5,...<br />
�<br />
2<br />
ai sin (knx) n =2, 4, 6,...<br />
ψ(x)ψ ∗ (x) dx = 1. Durch Einsetzen<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭ k n<br />
= n π<br />
a<br />
n = 0 ist ausgeschlossen, da sonst ψ0 (k0x) ≡ 0.<br />
Zu diesen Wellenfunktionen gehören diskrete Wellenzahlen kn , damit also auch diskrete Impulse<br />
pn = �kn und diskrete Energien En E n = �2 k 2<br />
2m = n2 �2 π 2<br />
2ma 2 .<br />
Charakteristisches Ergebnis: Aus den diskreten k n folgen
7.5. Beispiele 149<br />
1. diskrete Energien E n ,<br />
2. diskrete Wellenlänge λ n ,alsostehende Wellen.<br />
Diese Diskretheit ist Folge der Randbedingungen.<br />
Am folgenden Beispiel können wir die Ergebnisse von Kapitel 7.3 üben<br />
Abb. 7.12: Energiezustände die das<br />
Teilchen aufgrund der Randbedingungen<br />
annehmen kann.<br />
Abb. 7.13: Mögliche Wellenfunktionen<br />
des im Kasten<br />
eingesperrten Teilchens.<br />
1. Örtliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ n (x)| 2 dx :<br />
Die Maxima sind dem Bild zu entnehmen: •<br />
2. Erwartungswert 〈x〉 = 0, da die Maxima symmetrisch zu x =0<br />
Es ergibt sich formal:<br />
oder<br />
�<br />
〈x〉 =<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
ψ ∗ n (x)xψ 2<br />
n (x)dx =<br />
〈x〉 = 2<br />
�<br />
a<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
a<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
x cos 2 (...) dx,<br />
ψ − 4<br />
ψ + 3<br />
ψ − 2<br />
ψ + 1<br />
(x) =<br />
(x) =<br />
(x) =<br />
(x) =<br />
x sin 2 (...)dx =0<br />
� 2<br />
a i sin � 4 π<br />
a x�<br />
� 2<br />
a cos � 3 π<br />
a x�<br />
� 2<br />
a i sin � 2 π<br />
a x�<br />
� 2<br />
a cos � π<br />
a x�<br />
da x eine ungerade Funktion ist, cos 2 und sin 2 gerade Funktionen sind und somit das<br />
Integral gleich Null ist.<br />
3. Ortsunschärfe ∆x : Sie muß stark mit n zunehmen!<br />
(∆x) 2 = 〈x 2 〉−〈x〉 2<br />
=<br />
����<br />
=0<br />
2<br />
a<br />
�<br />
+ a<br />
2<br />
− a<br />
2<br />
x 2 sin 2 (...)dx = a2<br />
�<br />
1 −<br />
12<br />
6<br />
n2π2 �
150 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
4. Impulswahrscheinlichkeit |c(p x )| 2 dp x :Sieläßt sich sofort aus der Lösung ablesen:<br />
ψn (x) = 1 � iknx −iknx √ e ± e<br />
2a<br />
� = 1 √<br />
2<br />
d.h. c(p x )= 1 √ 2 und c(−p x )=± 1 √ 2<br />
eiknx √ +<br />
a<br />
� �� �<br />
auf a<br />
�<br />
± 1 √ 2<br />
� e −iknx<br />
√ a<br />
� �� �<br />
norm. ebene Wellen<br />
� |c(px )| 2 = 1<br />
2 ; |c(−px )|2 = 1<br />
2<br />
d.h. man findet px und −px mit gleicher Wahrscheinlichkeit 1<br />
2 : also ein hin– und herlaufendes<br />
Teilchen.<br />
5. Erwartungswert 〈px 〉 ist offensichtlich gleich Null.<br />
formal:<br />
〈px 〉 = � c ∗ (px ) · px · c(px )= 1 1<br />
√ px √ +<br />
2 2 1<br />
√ (−px )<br />
2 1 √ =0<br />
2<br />
6. Impulsunschärfe ∆p x : Sie muß ebenfalls stark mit n ansteigen, da ja p x ∼ n ist:<br />
(∆pn ) 2 = 〈p 2 n 〉−〈pn 〉2 =<br />
� �� �<br />
=0<br />
1<br />
√ p<br />
2 2 1<br />
n √ +<br />
2 1 √ (−pn )<br />
2 2 1<br />
√2 = p 2 n = �2 2 π2<br />
n<br />
a2 7. Unschärferelation:<br />
� 2 a<br />
∆x · ∆px =<br />
12<br />
�<br />
1 − 6<br />
n2π2 �<br />
� 2 n<br />
2 π2<br />
a 2<br />
� 1<br />
2<br />
= �<br />
�<br />
n2π2 �<br />
− 2 ≈<br />
2 3 2<br />
∆x · ∆px > �<br />
(n >1)<br />
2<br />
8. Parität der Wellenfunktion: Sie folgt aus der Symmetrie.<br />
7.5.2 Der harmonische Oszillator<br />
E<br />
V (x)<br />
Abb. 7.14: Potentielle Energie des<br />
harmonischen Oszillators.<br />
x<br />
Klassisch:<br />
Quantenmechanisch: Die Schrödingergleichung lautet<br />
d 2 ψ(x)<br />
dx 2<br />
2m<br />
+<br />
� 2<br />
m¨x = −Dx x = A cos(ωt)<br />
0 = ¨x + ω2x ω =<br />
E kin = m<br />
2 ˙x2 = p2<br />
2m<br />
�<br />
E − 1<br />
2 Dx2<br />
� D<br />
m<br />
; V (x) = 1<br />
2 Dx2<br />
E = E kin + V (x) = 1<br />
2 DA2<br />
�<br />
ψ(x) = 0<br />
d 2 ψ(x)<br />
dx 2 + � λ − α 2 x 2� ψ(x) = 0<br />
(n =1)
7.5. Beispiele 151<br />
mit den Abkürzungen λ = 2mE<br />
�<br />
2 und α2 = mD<br />
�<br />
2 = m2ω 2<br />
�<br />
2 .<br />
Die Lösungen dieser Gleichung erfordern bereits einen enormen mathematischen Aufwand, so<br />
daß wir uns im wesentlichen nur auf die Angabe der Lösungen beschränken: Für α2x2 ≫ λ<br />
αx2 − erhalten wir die asymptotische Lösung ψasympt (x) =C · e 2 , eine Gaußfunktion. Für λ = α<br />
ist dies sogar die exakte Lösung.<br />
Machen wir nun einen Potenzreihenansatz<br />
wobei ψ endlich und<br />
αx2 � −<br />
ψ(x) =C · e 2 a0 + a1x + a2x 2 + ...+ anx n� ,<br />
+∞ �<br />
−∞<br />
|ψ(x)| 2 dx = 1d.h. ψ(x) quadratintegrabel sein soll.<br />
Die Lösungen der obigen Differentialgleichung sind die Hermiteschen Polynome. Die Reihe muß<br />
endlich sein, damit die asymptotische Lösung erfüllt ist. Die Konstante C bestimmt sich aus der<br />
Normierungsbedingung. Die Hermiteschen Polynome haben folgende Eigenschaft:<br />
λn = α(2n − 1)= mω<br />
(2n −1 ) mit n =0, 1, 2, 3,...<br />
�<br />
Für jedes n gibt es also genau eine Lösung. Aus λ = 2mE folgt für die Energiewerte:<br />
En =(n + 1<br />
)�ω n =0, 1, 2,...<br />
2<br />
Also wiederum ist die Energie gequantelt. Zum Planckschen Ergebnis kommt noch — für n =0<br />
—dieNullpunktsenergie E0 = 1<br />
2�ω dazu. Alle höheren Anregungsenergien liegen äquidistant<br />
mit dem Abstand �. Die ersten drei vollständigen Lösungen lauten:<br />
Abb. 7.15: Energie des harmonischen<br />
Oszillators. E0 bezeichnet<br />
die Nullpunktsenergie, die<br />
nicht Null ist.<br />
ψ + 2<br />
ψ − 1<br />
ψ + 0<br />
� 2<br />
(x) =<br />
� 3 4α<br />
(x) =<br />
π<br />
(x) =<br />
�<br />
α<br />
� 1<br />
4<br />
(1 − 2αx<br />
4π<br />
2 αx2 −<br />
)e 2<br />
�<br />
α<br />
� 1<br />
4 αx2 −<br />
e 2<br />
π<br />
x<br />
� 1<br />
4<br />
αx2 −<br />
xe 2<br />
Abb. 7.16: Jeweiliger Verlauf der Wellenfunktion zur entsprechenden Energie. +<br />
und − geben die Parität an.<br />
Für den Grundzustand ergibt sich die Unschärferelation zu<br />
∆x · ∆p = �<br />
2 .
152 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Die Nullpunktsenergie ist eine Folge der Unschärferelation. Sie wird (ohne sonstige quantenmechanische<br />
Rechnung) davon erzwungen. Die Gesamtenergie sieht klassisch betrachtet wie<br />
folgt aus:<br />
E = p2 1<br />
+<br />
2m 2 mω2x 2 .<br />
�<br />
Wenn sowohl x als auch p gegen Null gehen, wird sie zu einem Minimum. Da nach ∆x·∆p = 2 der<br />
exakte Ort x einen unendlich hohen Impuls zur Folge haben müßte, lassen wir eine Ortsunschärfe<br />
�<br />
∆x = x (Schwingungsamplitude) zu und haben damit eine Impulsunschärfe ∆p = p = 2x<br />
verknüpft. Die Energie E soll jetzt durch geeignete Wahl von x0 zu einem Minimum werden.<br />
Abb. 7.17: Gesamtenergie E als Summe von Epot und<br />
Ekin.<br />
7.5.3 Das Wasserstoff–Atom<br />
� 2<br />
E =<br />
1<br />
+<br />
8mx2 2 mω2x 2 → Min<br />
�<br />
dE �<br />
dx x=x0<br />
= − 1 �<br />
4<br />
2<br />
mx3 + mω<br />
0<br />
2 x<br />
x0 =0<br />
2 0 =<br />
1 �<br />
2 mω<br />
Emin =<br />
�2 � 8m 2mω<br />
+ 1 �<br />
mω2<br />
4 mω<br />
also ergibt sich<br />
E min = �ω<br />
4<br />
+ �ω<br />
4<br />
1<br />
= �ω .<br />
2<br />
Im Bohrschen Bild des kreisenden Elektrons folgt die Bohrsche Quantisierungsbedingung sofort<br />
aus der Vorstellung einer stehenden Welle, deren Wellenlänge man mit der De–Broglie–Beziehung<br />
ausrechnet. Die Bahn ist demzufolge nur dann stabil, wenn sich stehende Wellen darauf ausbilden<br />
können,<br />
2πr = n · λ � r = n · ¯λ = n �<br />
p ,<br />
woraus die Bohrsche Forderung nach einem gequantelten Drehimpuls wiederum folgt:<br />
p · r = L = n · � .<br />
Als nächstes soll das Verfahren, das zur Berechnung der Nullpunktsenergie des harmonischen Oszillators<br />
geführt hat, auf das H–Atom angewendet werden. Lassen wir also eine Impulsunschärfe<br />
∆p = p = �<br />
r zu,ergibtsich
7.5. Beispiele 153<br />
Abb. 7.18: Potentialverlauf von Ueff .<br />
die Gesamtenergie E = − e2 p2<br />
+<br />
4πε0r 2m<br />
zu E = − e2<br />
4πε0r �<br />
dE �<br />
�<br />
dr<br />
� r=0<br />
�2<br />
+ → Min<br />
2mr2 = e2<br />
4πε0r2 −<br />
0<br />
�2<br />
mr3 0<br />
=0<br />
� a0 = 4πε0 · �2<br />
me2 1. Bohrscher Radius,<br />
d.h. im Grundzustand des H–Atoms sitzt das Elektron<br />
im Minimum der Gesamtenergie, die sich aus der<br />
potentiellen Energie (Anziehung) und der kinetischen<br />
Energie (Abstoßung) aufgrund der Unschärferelation<br />
ergibt.<br />
Als nächstes soll die Lösung der Schrödingergleichung angegeben werden. Was ist nun neu?<br />
Abb. 7.19: Schaubilld zum<br />
Zweikörperproblem.<br />
Bisher : Eindimensionales Problem → jetzt Dreidimensional<br />
Bisher : Einteilchenproblem → jetzt Zweiteilchenproblem<br />
Durch eine Koordinatentransformation versuchen wir die<br />
Zweiteilchen–Schrödingergleichung in zwei ” Einteilchen“–<br />
Gleichungen zu separieren:<br />
Wir können die Bewegung aufteilen in eine Schwerpunktsbewegung<br />
der Masse M = m 1 + m 2 und in eine Relativbewegung<br />
der beiden Massen zueinander, die abhängig vom dortigen<br />
Potential ist.<br />
Im Folgenden wollen wir uns nur für die Relativbewegung interessieren, so daß wir unser Koordinatensystem<br />
in den Schwerpunkt legen. Damit läßt sich die Schrödingergleichung für die<br />
Relativbewegung der beiden Massen unter Verwendung der reduzierten Masse µ schreiben als<br />
∆ψ(�r)+ 2µ<br />
�2 (E − V (�r))ψ(�r) =0 mitµ = m1 · m2 .<br />
m1 + m2 Um diese Gleichung lösen zu können, müssen wir den Laplace–Operator ∆ auf sphärische Polarkoordinaten<br />
umschreiben:<br />
∆= ∂2 ∂2 ∂2<br />
+ +<br />
∂x2 ∂y2 ∂z2 1<br />
⇒ ∆=<br />
r2 � �<br />
∂ 2 ∂<br />
r +<br />
∂r ∂r<br />
1<br />
r2 � �<br />
1 ∂<br />
sin ϑ<br />
sin ϑ ∂ϑ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2<br />
∂ϕ2 �<br />
.<br />
mit x = r sin ϑ · cos ϕ<br />
y = r sin ϑ · sin ϕ<br />
z = r cos ϑ
154 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Abb. 7.20: Zur<br />
geometrischen Veranschaulichung der<br />
spährischen Polorkoordinaten.<br />
Für ein kugelsymmetrisches Potential V = V (r)(d.h. unabhängig<br />
von ϑ, ϕ), lässt sich folgender Separationsansatz<br />
durchführen:<br />
ψ(�r) =R(r) · Y (ϑ, ϕ) = u(r)<br />
r · Y (ϑ, ϕ) .<br />
Damit und mit dem neuen Ausdruck für den Laplace–Operator ergibt sich die Schrödingergleichung<br />
zu<br />
1 d<br />
r<br />
2u(r) Y (ϑ, ϕ)+u(r)<br />
dr2 r3 � �<br />
�<br />
1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />
sin ϑ +<br />
sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2Y (ϑ, ϕ)<br />
∂ϕ2 �<br />
+ 2µ<br />
u(r)<br />
(E − V (r)) · Y (ϑ, ϕ) =0,<br />
�2 r<br />
oder<br />
r2 � 2 d u(r)<br />
u(r) dr2 �<br />
2µ<br />
+ (E − V (r)) u(r) =<br />
�2 1<br />
−<br />
Y (ϑ, ϕ) ·<br />
� �<br />
�<br />
1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />
sin ϑ +<br />
sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2Y (ϑ, ϕ)<br />
∂ϕ2 �<br />
.<br />
Die linke Seite hängt nur von r, die Rechte nur von ϑ, ϕ ab, also müssen beide Seiten gleich<br />
einer Konstanten λ sein, die man Separationskonstante nennt. Wir erhalten zwei Gleichungen,<br />
die sich schreiben lassen als<br />
d2u(r) dr2 2µ<br />
+<br />
�2 �<br />
E − V (r) − �2<br />
�<br />
λ u(r) =0 , (7.5.1)<br />
2µr2 �<br />
�<br />
1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />
sin ϑ +<br />
sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2Y (ϑ, ϕ)<br />
∂ϕ2 + λY (ϑ, ϕ) =0 . (7.5.2)<br />
Somit haben wir die Schrödingergleichung separiert in eine<br />
• Radialgleichung, dieähnlich aufgebaut ist wie die eindimensionale Gesamtgleichung, nur<br />
daß ein weiterer Potentialterm auftritt,<br />
• und in eine Winkelgleichung, die potentialunabhängig ist, d.h. die für alle Zentralpotentiale<br />
V = V (r) in dieser Form auftritt.<br />
1. Zunächst geben wir die Lösung der Winkelgleichung (7.5.2) an: Y (ϑ, ϕ) ist eine doppelt<br />
periodische Funktion, d.h. sie soll für jedes Wertepaar ϑ, ϕ, das den gleichen Punkt der<br />
Kugeloberfläche beschreibt, den gleichen Wert haben.<br />
Y (ϑ, ϕ) =Y (ϑ + n · 2π, ϕ) =Y (ϑ, ϕ + n · 2π) .
7.5. Beispiele 155<br />
Dann läßt sich zeigen, daß mit dieser Forderung (7.5.2) nur erfüllbar ist mit<br />
λ = l(l +1) l ganzzahlig 0,1,2,. . .<br />
Um das besser einsehen zu können, machen wir für Y (ϑ, ϕ) einen weiteren Separationsansatz<br />
Y (ϑ, ϕ) =Θ(ϑ) · Φ(ϕ) .<br />
Setzen wir diesen Separationsansatz in (7.5.2) ein, so erhalten wir mit m 2 als weiterer<br />
Separationskonstanten:<br />
d 2 Φ(ϕ)<br />
dϕ 2 + m2 Φ(ϕ) =0 Azimutalgleichung , (7.5.3-a)<br />
sin ϑ d<br />
�<br />
sin ϑ<br />
dϑ<br />
dΘ(ϑ)<br />
�<br />
+(λsin dϑ<br />
2 ϑ − m 2 )Θ(ϑ) =0 Polargleichung . (7.5.3-b)<br />
Die Polargleichung geht mit der Substitution χ =cosϑ und für m =0über in die Legendresche<br />
Differentialgleichung. Ihre Lösungen sind die Legendreschen Polynome<br />
m =0 Θ0 l (ϑ) =a0 l Pl (cos ϑ) mit λ = l(l +1) l =0, 1, 2,...<br />
Die ersten vier Polynome lauten<br />
P0 (cos ϑ) =1 P2 (cos ϑ) = 1<br />
2 (3 cos2 ϑ − 1)<br />
P1 (cos ϑ) =cosϑ P3 (cos ϑ) = 1<br />
2 (5 cos3 ϑ − 3cosϑ)<br />
Für m�= 0 ergeben sich die zugeordneten Legendreschen Polynome<br />
m �= 0 Θ m l (ϑ) =am l<br />
m Pl (cos ϑ) mit −l ≤ m ≤ +l<br />
Sie hängen mit den Legendreschen Polynomen P l (cos ϑ) über die Beziehung<br />
Die Koeffizienten a m l<br />
P m<br />
1<br />
l (cos ϑ) =(−1)m<br />
2ll! (1 − cos2 ϑ) m<br />
2<br />
d l+m (cos 2 ϑ − 1)<br />
(d cos ϑ) l+m<br />
ergeben sich aus der Normierungsbedingung<br />
� π<br />
0<br />
Θ m∗<br />
l ′ (ϑ) · Θm l (ϑ)dϑ = δ ll ′<br />
zu a m l =<br />
�<br />
2l +1<br />
2<br />
(l −|m|)!<br />
(l + |m|)!<br />
Die Azimutalgleichung ergibt als Lösung die ” ebene Welle“<br />
Φ m (ϕ) = 1<br />
√ 2π e imϕ .<br />
zusammen.
156 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
mit dem Normierungsfaktor 1<br />
√2π aufgrund der Bedingung<br />
Damit lautet die Lösung der Winkelgleichung<br />
Y m<br />
l (ϑ, ϕ) =<br />
� � 1<br />
2<br />
(2l +1)(l−|m|)! 4π(l + |m|)!<br />
�<br />
2π<br />
0<br />
Φ ∗ m ′ · Φ m dϕ = δ mm ′.<br />
P m<br />
l (cos ϑ)eimϕ .<br />
Man nennt diese Lösungsfunktion die Kugelflächenfunktion. Für den Sonderfall m =0<br />
ergibt sich<br />
�<br />
2l +1<br />
Y 0<br />
l (ϑ, ϕ) =<br />
4π<br />
0<br />
Pl (cos ϑ) .<br />
Die Kugelflächenfunktionen Y m<br />
l (ϑ, ϕ) sind orthonormiert:<br />
π�<br />
0<br />
2π �<br />
0<br />
�<br />
Y m′<br />
l ′<br />
�∗ (ϑ, ϕ)<br />
Y m<br />
l (ϑ, ϕ)sinϑdϑdϕ= δ ll ′δ mm ′<br />
� 1 l = l ′ ,m= m ′<br />
0 l �= l ′ ,m�= m ′ .<br />
Noch eine wichtige Eigenschaft der Kugelfunktion sei hier angemerkt. Wenn man den zu<br />
einem Punkt der Kugeloberfläche zeigenden Radiusvektor �r am Nullpunkt spiegelt, so daß<br />
er in −�r übergeht, dann geht ϑ in π − ϑ und ϕ in π − ϕ über. Die Paritätstransformation<br />
(ϑ, ϕ) ergibt:<br />
(Spiegelung am Ursprung) angewandt auf Y m<br />
l<br />
oder<br />
Y m<br />
l (π − ϑ, ϕ + π) =(−1)lY m<br />
l (ϑ, ϕ) (7.5.4)<br />
Zustände mit geradem l : positive Parität : P =+1<br />
Zustände mit ungeradem l : negative Parität : P = −1<br />
Die Funktionen Y m<br />
l bilden also eine zweiparametrige Schar von Lösungen, entsprechend<br />
den Quantenzahlen l und m auf deren Bedeutung wir später noch zu sprechen kommen<br />
werden.<br />
Bei den Y m<br />
l (ϑ, ϕ) handelt es sich um den Teil der Wellenfunktion, der von den Winkelko-<br />
ordinaten abhängt. Damit beschreibt |Y m<br />
l (ϑ, ϕ)|2 die Winkelabhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
des Elektrons im H–Atom (Zentralfeld). Die Quadrate hängen nicht mehr<br />
vom Azimutwinkel ϕ ab.<br />
|Y m<br />
l (ϑ, ϕ))|2 = 1<br />
2π |Θm l (ϑ)|2<br />
Ein volles dreidimensionales Bild der Funktionen, die die Winkelabhängigkeit der<br />
Wahrscheinlichkeitsdichte beschreiben, erhält man, wenn man sich die Figuren um die<br />
z–Achse rotiert denkt. Dieses Bild gilt für jedes Zenttralpotential, da beim Lösungsansatz<br />
vorausgesetzt wurde, daß V unabhängig von ϑ und ϕ ist.
7.5. Beispiele 157<br />
Abb. 7.21: Quadrate der Winkelfunktion als Polardiagramm.<br />
2. Jetzt betrachten wir die Lösung der Radialgleichung (7.5.1).<br />
Mit der Separationskonstanten λ = l(l+1), deren Wert aus der Lösung der Winkelgleichung<br />
folgte, ergibt sich<br />
d 2 u(r)<br />
dr 2<br />
2µ<br />
+<br />
�2 �<br />
E − V (r) −<br />
l(l +1)�2<br />
2µr2 �<br />
u(r) =0 (7.5.5)<br />
d2u(r) dr2 2µ<br />
+<br />
�2 � l<br />
E − Veff (r) � u(r) =0<br />
Dies ist die eindimensionale Schrödingergleichung mit dem effektiven Potential<br />
V l<br />
l(l +1)�2<br />
eff (r) =V (r) −<br />
2µr2 = V (r) − Vl (r).<br />
Die Bedeutung des Zusatzpotentials Vl können wir aus einer klassischen Analogie erschließen.<br />
Ein Teilchen der Masse µ, das auf einer Kreisbahn rotiert, hat das Zentrifugalpotential<br />
Abb. 7.22: Zustandekommen des effektiven<br />
Potentials.<br />
Vrot (r) = L2<br />
2J = J 2ω2 µ<br />
=<br />
2J 2 r2ω 2<br />
worin J = µr 2 das Trägheitsmoment und � L = J�ω der<br />
Drehimpuls ist. Das legt nahe, V l als Zentrifugalpotential<br />
aufzufassen mit dem Drehimpuls � L 2 = l(l +1)� 2 .<br />
Für Veff (r) =− 1e2<br />
4πε0 · r<br />
�<br />
dV (r) �<br />
folgt mit �<br />
dr<br />
� r=rl<br />
+ l(l +1)�2<br />
2µr 2<br />
=0<br />
r l = l(l +1) 4πε 0 �2<br />
1e 2 µ = l(l +1)a 0<br />
mit a 0 = als den 1. Bohrschen Radius.
158 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Zur Erinnerung :<br />
⎧<br />
⎨<br />
⎩<br />
Bohrsches Ergebnis : r n = n 2 · a 0<br />
Sommerfelds Ergebnis :<br />
� an = n 2 · a 0<br />
b nk = n · k · a 0 = n(l +1)a 0<br />
Um nun die Radialgleichung (7.5.5) zu lösen, müssen wir das Coulombpotenial für das<br />
Wasserstoff–Atom V (r) =− e2<br />
4πε0·r einsetzen. Für r →∞erhalten wir die asymptotische<br />
Lösung<br />
u(r) asympt. = c 1 u κr + c 2 u −κr mit 2µ<br />
�<br />
2 E = −κ 2 (E0 ganzzahlig<br />
” Radialquantenzahl“<br />
und<br />
wobei für jedes n die Werte l beschränkt sind auf<br />
l =0,...,n− 1<br />
κ = κn = µe2 1<br />
·<br />
4πε0�2 n<br />
E = En = − �2<br />
2µ κ2 µe<br />
= −<br />
4<br />
2(4πε0 ) 2 1<br />
·<br />
�2 n2 Dies sind aber wieder diskrete Energiewerte, die mit dem Bohrschen Ergebnis übereinstimmen.<br />
Die Radialfunktionen haben dann die Form<br />
Rn,l (r) ∼ r l · e −κr · L 2l+1<br />
n+l (κr) = rl r − na e 0 · L 2l+1<br />
n+l<br />
Bedeutung der Radialquantenzahl:<br />
� �<br />
r<br />
.<br />
na0 n r = n − l ist die Zahl der Knoten (Nulldurchgänge) der Radialfunktion R n,l (r)<br />
einschließlich dem bei r →∞, und ausschließlich dem bei r =0.
7.5. Beispiele 159<br />
Die Wellenfunktion des Wasserstoffproblems lautet damit<br />
ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) =Rn,l (r) · Y m<br />
l (ϑ, ϕ) . (7.5.6)<br />
Die Indizes n, l und m sollen noch einmal verdeutlichen, daß ψ von den Quantenzahlen n, l und m<br />
abhängig ist. Man nennt l die Bahndrehimpulsquantenzahl und m die magnetische Quantenzahl.<br />
Die Energien betragen<br />
E n =<br />
−µe4 2(4πε0 ) 2 1<br />
·<br />
�2 n2 mit<br />
n =1, 2, 3,...<br />
l =0, 1, 2,...,n− 1<br />
� �� �<br />
n–Werte<br />
m = −l,...,0,...,+l<br />
� �� �<br />
2l +1Werte<br />
(7.5.7)<br />
Die Energien hängen also nur von der Hauptquantenzahl n ab. Da zu jedem Wert von n die<br />
beiden Quantenzahlen l und m den durch (7.5.7) definierten Bereich durchlaufen können, gibt<br />
es zu jedem Wert von n genau �n−1 l=0 (2l +1)=n2 Kombinationen der anderen Quantenzahlen,<br />
die zur gleichen Energie führen: Entartung. Es existieren also für ein n jeweils n2 verschiedene<br />
Wellenfunktionen. Diese Entartung entsteht durch das 1<br />
r –Potential. Es läßt sich zeigen, daß für<br />
ein beliebiges Zentralkraftpotential, mit V (r) �= 1<br />
r ,diel–Entartung aufgehoben wird. Störungen<br />
des 1<br />
r –Potentials erhalten wir durch das ” Effektive Potential“, die Relativisitische Masse“,und<br />
”<br />
durch Sommerfelds Tauchbahnen“. (vgl. Kapitel 5.6)<br />
”<br />
Die m–Entartung wird aufgehoben, wenn die Zentralsymmetrie aufgehoben wird. Eine solche<br />
Aufhebung erhalten wir durch Anlegen eines magnetischen oder elektrischen Feldes.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron bei den Koordinaten r, ϑ, ϕ zu finden ist gegeben durch<br />
P (r, ϑ, ϕ) =|ψ(r, ϑ, ϕ)| 2 = |R(r) · Y m<br />
l (ϑ, ϕ)|2 .<br />
Nun soll uns aber nicht diese Wahrscheinlichkeit interessieren, sondern die Wahrscheinlichkeit,<br />
ein Elektron irgendwo im Abstand r zwischen r und r + dr zu finden, also unabhängig von den<br />
Winkelkoordinaten ϑ, ϕ. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist gegeben durch<br />
P n,l (r)dr =<br />
�π<br />
0<br />
�2π<br />
|ψn,l,m (r, ϑ, ϕ)| 2 r 2 dr sin ϑdϑdϕ= r 2 |R(r)| 2 �π<br />
�<br />
dr<br />
0<br />
= r 2 |R(r)| 2 dr = |u(r)| 2 dr .<br />
0<br />
2π<br />
0<br />
|Y m<br />
l (ϑ, ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ<br />
Unter dem Integral steht gerade die auf Eins normierte Wahrscheinlichkeit dafür, daß<br />
die Winkelkoordinaten irgendwo auf der Kugeloberfläche liegen. Multiplizieren wir diese<br />
Wahrscheinlichkeit mit der Elementarladung e so erhalten wir die radiale Ladungsdichteverteilung<br />
e · P n,l (r)dr.
160 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />
Abb. 7.23: Normierte Radialfunktion und normierte radiale Wahrscheinlichkeitsdichten.<br />
∞�<br />
Der Erwartungswert des Radialabstands ergibt sich zu 〈rn,l 〉 = u<br />
0<br />
∗ n,l (r) · r · un,l (r)dr =<br />
�<br />
na0<br />
Z 1 − 1<br />
�<br />
2 1 − l(l+1)<br />
n2 ��<br />
. Er läßt sich in geschlossener Form angeben und für n = 1 , l = 0<br />
ergibt sich 〈r10 〉 = a0<br />
Z , der klassisch gefundene Bohrsche Radius. Die kugelsymmetrischen l =0<br />
Zustände geben eine konzentrische Schalenstruktur mit n Schalen. Für l �= 0ändert sich erstens<br />
die Radialverteilung bei gleichem n, und zweitens werden auch die Winkelfunktionen aus<br />
den Kugelschalen räumlicher Figuren herausprojiziert. Nach gleichem Rezept wird der bei der<br />
Feinstruktur benutzte Erwartungswert<br />
�<br />
1<br />
r3 �<br />
=<br />
�<br />
0<br />
∞<br />
u ∗ 1<br />
n,l (r)<br />
r3 u Z3<br />
n,l (r)dr =<br />
a3 ·<br />
0<br />
1<br />
n3l(l + 1<br />
2 )(l +1)<br />
berechnet.<br />
Wenn m–Entartung vorliegt, haben alle Zustände mit verschiedenen m die gleiche Energie, damit<br />
die gleiche Besetzungswahrscheinlichkeit für alle Konfigurationen. Die Summe über alle Koor-<br />
� dinaten ist kugelsymmetrisch. D.h. fügt man bei gleichem n und l die räumlichen Gebilde<br />
m |Yl (ϑ, ϕ)| 2� aller m–Werte zusammen, so erhalten wir für jedes n eine Kugel. Mathematisch<br />
zeigt sich das Zustandekommen einer Kugel folgendermaßen:<br />
�+l<br />
m=−l<br />
|Y m<br />
l (ϑ, ϕ)|2 2l +1<br />
= = const.<br />
4π<br />
d.h. die z–Achse kann beliebig in den Raum gelegt werden. Es gibt keine Orientierung. Erst<br />
wenn das Atom in ein äußeres Feld gebracht wird, wird die m–Entartung aufgehoben und die<br />
Zustände mit verschiedenen m haben verschiedene Energie. Eine Messung der Orientierung ist<br />
dann möglich. Dies war bisher nur eine formale Lösung. Die Bedeutung von l und m wird erst<br />
nach der Besprechung des Drehimpulsoperators klar (vgl. dazu Kapitel 8.2).
Kapitel 8<br />
Quantenmechanische Operatoren<br />
8.1 Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte,<br />
Vertauschungsrelationen<br />
Wir beginnen zuerst mit dem quantenmechanischen ” System“:<br />
paralleler Teilchenstrom ⇔ ebene Welle: ψ(x, t) =Ae i (pxx−Et) � .<br />
Wenn wir in diesem System in einer Einzelmessung den Impuls messen, werden wir immer den<br />
gleichen, scharfen Wert px = �kx finden.<br />
Frage: Wie kann man dieses Ergebnis in einer quantenmechanischen Rechnung ausdrücken?<br />
Wir bilden die Ableitung von ψ(x, t) nach x<br />
∂ψ(x, t)<br />
∂x<br />
i<br />
=<br />
� px i (pxx−Et) i<br />
� Ae =<br />
� px und mit (−i 2 ) durchmultipliziert erhalten wir<br />
· ψ(x, t) ⇐⇒ �<br />
i<br />
−i� ∂<br />
∂xψ(x, t) =px · ψ(x, t) .<br />
∂<br />
∂x ψ(x, t) =pxψ(x, t)<br />
Mathematisch ist dies eine Operatorgleichung für ψ(x, t): Suche die Funktion ψ(x, t) für die<br />
diese Operation erfüllt ist (Analog ¨x = −ω2x ⇔− ∂2<br />
∂t2 x(t) =ω2 · x(t) � x = x0 cos ωt). Man<br />
nennt<br />
ψ(x, t) Eigenfunktion zum Impulsoperator �p x ≡−i� ∂<br />
∂x<br />
und px den Eigenwert = scharfer Messwert.<br />
�<br />
In der Literatur wird oft schon i<br />
äquivalent.<br />
Wir betrachten als zweites System<br />
∂<br />
∂x<br />
als Impulsoperator bezeichnet. Beide Schreibweisen sind<br />
Wasserstoff–Atome im Grundzustand ⇐⇒ Wellenfunktion ψ 0 (x) .<br />
161
162 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
Wenn wir in diesem System die Gesamtenergie messen, finden wir immer den gleichen Wert<br />
E 0 . Schreiben wir dies auch als Operator– oder Eigenwertgleichung, so müssen wir den ” Operator<br />
für die Gesamtenergie“ betrachten, also wegen E kin + V (x) =H (Hamiltonfunktion), den<br />
Hamiltonoperator � H = �p2<br />
2m + � V (x). Ausgeschrieben erhalten wir<br />
�H = 1<br />
2m<br />
�<br />
−i� ∂<br />
∂x<br />
��<br />
−i� ∂<br />
∂x<br />
Die Operator– oder Eigenwertgleichung lautet dann<br />
�<br />
− �2<br />
2m<br />
∂ 2 ψ n (x)<br />
∂x 2<br />
�<br />
+ � V (x) =− �2<br />
�Hψ n (x) =E n · ψ n (x)<br />
∂2 ∂x2 + � �<br />
V (x)<br />
ψ n (x) =E n ψ n (x)<br />
2m<br />
+<br />
�2 �<br />
En − � �<br />
V (x) ψn (x) =0 .<br />
∂<br />
2m<br />
2<br />
∂x2 + � V (x) . (8.1.1)<br />
Wenn wir � V (x) =V (x) setzen, erhalten wir die Schrödingergleichung.<br />
Die Lösungsfunktionen der Schrödingergleichung sind also die Eigenfunktionen zum<br />
Hamiltonoperator, die Eigenwerte En sind die Meßwerte bei der Energiemessung.<br />
Operatoren spielen in der Quantenmechanik eine zentrale Rolle. Ein Operator erzeugt, auf eine<br />
Wellenfunktion angewendet, eine neue Wellenfunktion. Er kann die Form eines Differentialoperators<br />
haben, aber auch eine reelle Zahl oder die Zahl Eins kann als Operator aufgefaßt werden,<br />
wenn ψ damit multipliziert wird.<br />
Die quantenmechanischen Operatoren sind entweder Differential– (�p x , � H) oder Multiplikationsoperatoren<br />
( � V (x) =V (x)). In der Ortsdarstellung, also bei ψ = ψ(x), werden allen reinen<br />
Ortsfunktionen f(x) Multiplikationsoperatoren � f(x) zugeordnet.<br />
Wie lassen sich nun diese Ergebnisse physikalisch, d.h. quantenmechanisch interpretieren?<br />
Es liegt ein quantenmechanisches System (paralleler Teilchenstrahl, H–Atom)in<br />
einem bestimmten Zustand vor, der durch eine Wellenfunktion, die ” Zustandsfunktion“,<br />
charakterisiert wird.<br />
Wir machen eine Messung<br />
� des Impulses<br />
der Energie<br />
↘<br />
Der Messwert ist scharf.<br />
⎫<br />
⎪⎬ ⎪⎨<br />
←→<br />
⎪⎭<br />
⎧<br />
⎪⎩<br />
Beide sind gleich<br />
Wir wenden auf ψ(x)<br />
�<br />
einen Operator an<br />
�px<br />
�H<br />
↙<br />
Wir erhalten den Eigenwert.<br />
Die Zustandsfunktion ist nach der Messung �p x ψ(x) bzw. � Hψ(x).<br />
Damit allgemein:
8.1. Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen 163<br />
Messung einer ” Observablen“ a im<br />
quantenmechanischen System, das<br />
durch eine Zustandsfunktion ψ(x)<br />
charakterisiert wird.<br />
Jetzt müssen wir zwei Fälle unterscheiden:<br />
⇐⇒<br />
Anwendung des Operators � A auf<br />
die Zustandsfunktion ψ(x). Berechnung<br />
des Eigenwertes A =Meßwert<br />
der Observablen a.<br />
1. Der erste Fall ist der bis jetzt besprochene: Reproduziert sich die Zustandsfunktion ψ(x)<br />
durch Anwendung des Operators � A,d.h.ψ(x) ist Eigenfunktion zu � A, so wird der Zustand<br />
durch die Messung nicht gestört. Eine erneute Anwendung des Operators � A (�= Messung)<br />
liefert also das gleiche Ergebnis, d.h. die Meßwerte sind scharf.<br />
Mit der Eigenwertgleichung � Aψ(x) =A · ψ(x) erhalten wir<br />
�<br />
ψ ∗ (x) � �<br />
Aψ(x) dx = ψ ∗ �<br />
(x)A · ψ(x) dx = A ψ ∗ (x) · ψ(x) dx = A<br />
�<br />
A =<br />
ψ ∗ � �<br />
(x) �Aψ(x) dx .<br />
Der Meßwert — Eigenwert — A ist das Überlappungsintegral zwischen<br />
der Zustandsfunktion � vor der � Messung (ψ(x)) und der Zustandsfunktion<br />
nach der Messung �Aψ(x) .<br />
2. Der zweite Fall ist der in Kapitel 7.5.1Besprochene: Ein Teilchen im Kasten im Grundzustand<br />
mit der Zustandsfunktion ( = Eigenfunktion zum Hamiltonoperator) ψ 0 (x) =<br />
� 2<br />
a cos � π<br />
2 π 2<br />
a x� �<br />
und dem Eigenwert E0 = 2ma2 . Die Impulsmessung liefert kein scharfes<br />
Meßergebnis. Man erhält zwei Impulse px und −px , jeweils mit der Wahrscheinlichkeit<br />
1/2. Also ist der Erwartungswert gleich dem Mittelwert = 0. Was passiert wenn wir auf<br />
diese Zustandsfunktion (ψ0 (x)) den Impulsoperator �p x anwenden, also nach obigem eine<br />
Impulsmessung vornehmen?<br />
�p xψ0 (x) =−i� ∂<br />
��<br />
2<br />
∂x a cos<br />
�<br />
π<br />
a x<br />
� �<br />
= −i� π<br />
�<br />
2<br />
� �<br />
π<br />
− sin<br />
a a a x<br />
��<br />
�= C · ψ(x) .<br />
Die Zustandsfunktion ψ0 (x) reproduziert sich also nicht: ψ0 (x) istkeine Eigenfunktion zu<br />
�p x !Esistψ0 (x) die Zustandsfunktion vor der Messung und �p xψ0 (x) die Zustandsfunktion<br />
nach der Messung. Wie beim ersten Fall liefert das Überlappungsintegral das Meßergebnis.<br />
Es ist also<br />
�<br />
〈�p x 〉≡ ψ ∗ 0 (x)<br />
�<br />
−i� ∂<br />
Eine Rechnung zeigt<br />
�<br />
ψ0 (x) dx .<br />
∂x<br />
�<br />
〈�p x 〉 = c ∗ (px )pxc(px ) dpx = Erwartungswert für px !<br />
px
164 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
Fassen wir nochmal zusammen:<br />
Der quantenmechanische Erwartungswert 〈 � A〉 für die Observable a ergibt sich durch<br />
Bildung des Überlappungsintegrals der Zustandsfunktion ψ(x) vor der Messung mit<br />
der Zustandsfunktion � Aψ(x) nach der Messung. Der Erwartungswert wird zum<br />
Eigenwert, wenn ψ(x) Eigenfunktion zu � A ist.<br />
Mit �x = x usw. sind die in (7.3.1) definierten Erwartungswerte eingeschlossen.<br />
Damit gilt allgemein:<br />
Meßwert<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
Messung von a ⇔ Anwendung des Operators � A .<br />
� � �<br />
∗ ψ (x) �Aψ(x) dx =EigenwertA,<br />
wenn ψ(x) Eigenfunktion zu � �<br />
A ist<br />
� � �<br />
∗ ψ (x) �Aψ(x) dx = Erwartungswert 〈 � A〉,<br />
wenn ψ(x) nicht Eigenfunktion zu � A ist<br />
scharfe Werte<br />
�<br />
Mittelwert statistisch<br />
verteilter Werte<br />
Damit sind wir nun in der Lage anzugeben, welche Eigenschaften die quantenmechanischen<br />
Operatoren erfüllen müssen:<br />
1. Wegen Linearität der Schrödingergleichung und der Superpositionsmöglichkeit der Wellenfunktion,<br />
also ψ(x) =c 1 ψ 1 (x)+c 2 ψ 2 (x) müssen Operatoren linear sein, d.h.<br />
�A(c 1 ψ 1 + c 2 ψ 2 )=c 1 � Aψ1 + c 2 � Aψ2<br />
2. Da die Meßwerte natürlich reell sind, müssen die Eigenwerte und Erwartungswerte reell<br />
sein, es gilt also<br />
〈 � �<br />
A〉 = ψ ∗ ( � ��<br />
Aψ) dx =<br />
ψ ∗ ( � �∗ �<br />
Aψ) dx = ( � Aψ) ∗ ψdx .<br />
Operatoren, die diese Eigenschaft besitzen, heißen hermitesche Operatoren.<br />
Quantenmechanische Operatoren müssen lineare, hermitesche Operatoren sein.<br />
Was passiert nun, wenn man auf die Eigenfunktion ψ(x) zum Operator � A zusätzlich einen anderen<br />
Operator � B anwendet? Es ergeben sich wiederum zwei Fälle:<br />
1. Fall: ψ(x) ist Eigenfunktion sowohl zu � A als auch zu � B. Nach dem Bisherigen heißt dies:<br />
Eine Messung der Observablen a und der Observablen b führt jeweils zu scharfen Werten<br />
(z.B. Impuls und kinetische Energie einer ebenen Welle), da sich die Zustandsfunktion ψ(x)<br />
durch die Messung beider Observablen (�= Anwendung beider Operatoren) nicht verändert.<br />
Was bedeutet das für die beiden Operatoren?<br />
�Aψ = A · ψ<br />
�Bψ = B · ψ<br />
� �B � Aψ = � B(A · ψ) =A( � Bψ) =ABψ<br />
�A � Bψ = � A(B · ψ) =B( � Aψ) =BAψ<br />
�A � Bψ − � B � Aψ =0<br />
�<br />
.
8.1. Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen 165<br />
�A � B − � B � A ≡<br />
� �<br />
�A, B�<br />
=0<br />
Die Operatoren � A, � B sind vertauschbar !<br />
Allgemein: Sind zwei Operatoren � A und � B vertauschbar, so gibt es zu beiden eine gemeinsame<br />
Eigenfunktion ψ, die den quantenmechanischen Zustand des Systems beschreibt.<br />
Dieser Eigenzustand zu beiden Operatoren erlaubt eine scharfe, simultane Messung der<br />
Observablen a und b, wobei die jeweils scharfen Meßwerte A und B gleich den Eigenwerten<br />
der beiden Operatoren sind.<br />
Ein ähnliches Beispiel dazu wäre die Gesamtenergie und der Drehimpuls beim H–Atom.<br />
2. Fall: Was erhält man, wenn man simultan eine beliebige Ortsfunktion f(x) und einen Impuls<br />
p x messen will? ψ(x) ist jetzt nicht gleichzeitig Eigenfunktion zum Impuls– und Ortsoperator.<br />
�f(x)�p xψ(x) �p(x)<br />
=<br />
�<br />
f(x)<br />
� f(x)ψ(x) =<br />
�<br />
−i � ∂<br />
oder<br />
−i� ∂<br />
�<br />
ψ(x) = −i � f(x)<br />
∂x<br />
∂ψ(x)<br />
�<br />
∂x<br />
(f(x)ψ(x)) = −i � f(x)<br />
∂x<br />
∂ψ(x)<br />
− i � ψ(x)∂f(x)<br />
∂x ∂x<br />
� �<br />
�f(x)�px − �p �<br />
xf(x) ψ(x) =i � ∂f(x)<br />
∂x ψ(x)<br />
� f(x)�px − �p x � f(x) ≡<br />
� �<br />
�f(x), �px = i � ∂f(x)<br />
∂x<br />
Die Operatoren können nicht vertauschen! Wir erhalten eine Vertauschungsrelation. Wir<br />
wissen, daß Ortsfunktionen und Impulse nicht gleichzeitig scharf gemessen werden können:<br />
Allgemein: Gilt für zwei Operatoren eine Vertauschungsrelation, so gilt für die<br />
zugehörigen Observablen eine Unschärferelation. Die beiden Oberservablen sind nicht simultan<br />
scharf meßbar, es existiert keine gemeinsame Eigenfunktion.<br />
Im Sonderfall f(x) = V (x) und f(x) = x nimmt die obige Vertauschungsrelation die<br />
folgende Form an:<br />
� �<br />
�V (x), �px<br />
∂V (x)<br />
= i�<br />
∂x<br />
[�x, �p x ] = i�<br />
.<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭
166 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
8.2 Der Drehimpulsoperator<br />
Abb. 8.1: Reduktion des Zweikörperproblems<br />
auf ein äquivalentes Einkörperproblem.<br />
und den Definitionen<br />
umschreiben in<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
Der Drehimpuls von zwei Teilchen<br />
� l = �r1 × �p 1 + �r 2 × �p 2<br />
läßt sich mit der Koordinatentransformation<br />
�r = �r 2 − �r 1<br />
�R = m 1 �r 1 + m 2 �r 2<br />
m 1 + m 2<br />
(Relativkoordinaten)<br />
(Schwerpunktkoordinaten)<br />
�p = µ ˙ �r = m1 · m2 (<br />
m1 + m2 ˙ �r 2 − ˙ �r 1 )= m1 M �p 2 − m2 M �p 1 ;(M = m1 + m2 )<br />
�P = M ˙ � R = m1 ˙ �r1 + m 2 ˙ �r2 = �p 1 + �p 2<br />
�l = (�r × �p)<br />
� �� �<br />
+ (<br />
rel. Drehimpuls<br />
� R × � P )<br />
� �� �<br />
im CM–System = 0<br />
Damit läßt sich also das Zweiteilchenproblem wieder zurückführen auf ein Einteilchenproblem.<br />
Einführung des Drehimpulsoperators: � l = �r × �p mit<br />
Wir erhalten sodann<br />
�<br />
�lx = −i� y ∂<br />
�<br />
∂<br />
− z<br />
�<br />
∂z ∂y<br />
�ly = −i� z ∂<br />
�<br />
∂<br />
− x<br />
�<br />
∂x ∂z<br />
�lz = −i� x ∂<br />
�<br />
∂<br />
− y<br />
∂y ∂x<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
�l 2 = � l 2 x + � l 2 y + � l 2 z<br />
�r =(�x, �y,<br />
�<br />
�z)<br />
�<br />
∂ ∂ ∂<br />
�p = −i� , ,<br />
∂x ∂y ∂z<br />
Für jedes Paar von Komponenten gilt eine Vertauschungsrelation. Denn mit Hilfe der Produktregel<br />
ergibt sich<br />
�lx �ly − �l �<br />
ylx = −� 2<br />
�<br />
y ∂ ∂2 ∂2 ∂2 ∂2<br />
+ yz − z2 − xy + xz<br />
∂x ∂z∂x ∂y∂x ∂z2 ∂y∂z<br />
−yz ∂2<br />
�<br />
∂2 ∂2 ∂2 ∂<br />
+ xy + z2 − xz − x<br />
∂x∂z ∂z2 ∂x∂y ∂y∂z ∂y<br />
= −� 2<br />
�<br />
y ∂<br />
�<br />
∂<br />
− x<br />
∂x ∂y<br />
= i� � l z .<br />
.
8.2. Der Drehimpulsoperator 167<br />
Für die anderen Komponenten gilt das Analoge:<br />
� lx � ly − � l y � lx = i� � l z<br />
� ly � lz − � l z � ly = i� � l x<br />
� lz � lx − � l x � lz = i� � l y<br />
Es lassen sich nie zwei der drei Drehimpulskomponenten simultan scharf messen!<br />
Es kann aber simultan mit einer Komponente zum Beispiel lz , das Betragsquadrat l2 scharf<br />
gemessen werden, denn � l2 und �l z sind vertauschbar. Es ist<br />
�l 2� l z − � l z � l 2 = � lx � lx � lz − � l z � lx � lx + � l y � ly � lz − � l z � ly � ly<br />
= � l x (−i� � l y + � l z � lx ) − (i� � l y + � l x � lz ) � l x<br />
+ � l y (i� � l x + � l z � ly )+(i� � l x − � l y � lz ) � l y<br />
= −i� � l x � ly − i� � l y � lx + i� � l y � lx + i� � l x � ly =0,<br />
also l� 2�lz − �l �<br />
zl2 =0 .<br />
� �<br />
Dies gilt für alle Kombinationen �l 2 , �li =0miti = x, y, z.<br />
Nun sollen die Eigenwerte von �l z und � l2 für das Problem der Zentralkraftbewegung berechnet<br />
werden. Die Energieeigenfunktionen haben nach (7.5.6) die Form<br />
ψn,m,l = Rn,l (r) · Y m<br />
l (ϑ, ϕ) .<br />
Sie sind die Lösungen der Gleichung � Hψ n,m,l = E n ψ n,m,l<br />
mit � H = − �2<br />
2µr2 � � �<br />
∂ 2 ∂<br />
r +<br />
∂r ∂r<br />
1<br />
sin ϑ<br />
und für V (r) = −e2<br />
4πε 0 r<br />
und E n =<br />
�<br />
∂<br />
sin ϑ<br />
∂ϑ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂ϑ<br />
1<br />
µe4 2(4πε0 ) 2 1<br />
·<br />
�2 n2 sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2<br />
∂ϕ2 �<br />
+ V (r)<br />
(H–Atom) .<br />
Der Hamiltonoperator ist in sphärischen Polarkoordinaten angegeben. Wir erhalten ihn durch<br />
3–dim Erweiterung von (8.1.1) und durch Anwendung des Laplaceoperators in sphärische Polarkoordinaten<br />
(vgl. Kapitel 7.5.3). Nun rechnen wir die Drehimpulsoperatoren ebenfalls auf<br />
sphärische Polarkoordinaten um. Es ist<br />
�<br />
�lz = −i� x ∂<br />
�<br />
∂<br />
− y .<br />
∂y ∂x<br />
Ferner gilt:<br />
∂<br />
∂x<br />
∂<br />
∂y<br />
∂r ∂ ∂ϑ ∂ ∂ϕ ∂<br />
= + +<br />
∂x ∂r ∂x ∂ϑ ∂x ∂ϕ<br />
∂r ∂ ∂ϑ ∂ ∂ϕ ∂<br />
= + +<br />
∂y ∂r ∂y ∂ϑ ∂y ∂ϕ
168 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
und:<br />
und damit:<br />
Vergleicht man � H und � l 2 ,soergibtsich<br />
r = � x2 + y2 + z2 �<br />
;<br />
�<br />
x = r sin ϑ cos ϕ<br />
ϑ = arccos z ; y = r sin ϑ sin ϕ<br />
√<br />
x2 +y2 +z2 ϕ =arctan y<br />
x ; z = r cos ϑ<br />
�lz = −i� ∂<br />
�<br />
∂ϕ<br />
�lx = i� sin ϕ ∂<br />
�<br />
∂<br />
+cotϑcos ϕ<br />
�<br />
∂ϑ ∂ϕ<br />
�ly = i� − cos ϕ ∂<br />
�<br />
∂<br />
+cotϑsin ϕ<br />
∂ϑ ∂ϕ<br />
�l 2 = −� 2<br />
� �<br />
1 ∂<br />
sin ϑ<br />
sin ϑ ∂ϑ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2<br />
∂ϕ2 �<br />
. (8.2.1)<br />
�H = � l2 �2<br />
−<br />
2µr2 2µr2 ∂ ∂<br />
(r2 )+V (r).<br />
∂r ∂r<br />
�<br />
Der erste Term ist der Anteil der Rotationsenergie Erot = l2<br />
�<br />
2J an der kinetischen Energie. Da<br />
�l 2 nur von ϑ und ϕ abhängt, V (r) nurvonr (Zentralkraft), sind � H und � l2 , damit auch � H und<br />
�lz vertauschbar:<br />
Die Energieeigenfunktionen ψn,l,m sind auch Eigenfunktion zu � l2 und �l z . Neben der Gesamtenergie<br />
En sind auch l2 und lz simultan sofort scharf meßbar! Wie lauten die Eigenwerte von � l2 und �l z ?<br />
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Winkelgleichung (7.5.2)<br />
� �<br />
1 ∂<br />
sin ϑ<br />
sin ϑ ∂ϑ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2<br />
∂ϕ2 �<br />
Y m<br />
m<br />
l (ϑ, ϕ) =−l(l +1)Yl (ϑ, ϕ).<br />
Die eckige Klammer können wir durch � l 2 ersetzen. Werden beide Seiten mit R n,l (r) multipliziert<br />
erhält man:<br />
�l 2 · ψ n,l,m = l(l +1)� 2 ψ n,l,m .<br />
�l 2 besitzt also den scharf bestimmten Eigenwert l(l+1)�2 . Wendet man �l z auf die Wellenfunktion<br />
ψn,l,m = Rn,l (r) · Y m<br />
l (ϑ, varphi) aus Kapitel 7.5.3 an, so ergibt sich<br />
�lz · ψn,l,m = −i� ∂<br />
∂ϕ ψn,l,m = −i�(im)ψn,l,m ,<br />
� lz ψ n,l,m = m�ψ n,l,m .<br />
Damit ist die Bedeutung von l und m als Drehimpulsquantenzahlen geklärt. Die Folgen dieser<br />
Beziehungen sind die geometrischen Veranschaulichungen von Kapitel 6.3. Dabei ist jedoch zu
8.3. Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur 169<br />
beachten, daß nur l z und l 2 ,nichtaberl x und l y scharf bestimmt sind, die Orientierung der<br />
Horizontalkomponenten von � l, also die Größe von l x und l y , ist unbestimmt. � l x und � l y besitzen<br />
keine Eigenwerte. Ihre Erwartungswerte ergeben sich mit (8.2.1) zu<br />
〈 � l x 〉 = 〈 � l y 〉 =0.<br />
8.3 Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur<br />
In Kapitel 6.4 hatten wir als Folge des Stern–Gerlach–Versuchs den Eigendrehimpuls des Elektrons,<br />
den Spin, eingeführt. Analog zum vorigen läßt sich aus algebraischen Überlegungnen<br />
zeigen, daß die Drehimpulsvertauschungsrelationen für den Spin des Elektrons erfüllt sind. Daraus<br />
ergibt sich in völliger Analogie<br />
�s 2 ψ = s(s +1)� 2 ψ = 3<br />
4 �2 ψ<br />
�s z ψ = m s �ψ = ± 1<br />
2 �ψ<br />
; s =maxm s = 1<br />
2<br />
und wegen �j = � l + �s, vgl. Kapitel 6.7, gilt dies auch für den Gesamtdrehimpulsoperator.<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
�j 2ψ = j(j +1)�2ψ �j zψ = mj�ψ zu<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
j = 1 3<br />
2 , 2 ,... oder 0, 1,...<br />
m j = −j,...,0,...,+j<br />
� �� �<br />
2j +1Werte<br />
Die ganzzahligen Werte von j erklären sich erst bei Mehrelektronensystemen (vgl. Kapitel 9).<br />
Bisher haben wir das Verhalten eines Elektrons durch eine Wellenfunktion ψ = ψ(x, y, z)<br />
beschrieben, die entsprechend den drei Freiheitsgraden eines Massenpunktes von den drei Ortskoordinaten<br />
x, y, z abhängt. Demgemäß hängen die Eigenfunktionen stationärer Zustände von drei<br />
Quantenzahlen, beim Wasserstoff–Atom zum Beispiel von n, l und m ab. Wir können nun den<br />
Spin des Elektrons durch eine Spinkoordinate als vierten Freiheitsgrad �s unseres Massenpunktes<br />
auffassen und dementsprechend für die Wellenfunktion ψ = ψ(x, y, z, �s) schreiben. Wenn das Potential<br />
V = V (�r,�s) keinen Term enthält, der �r und �s verknüpft (z.B. keine Spin–Bahn–Kopplung<br />
�l · �s), also wenn gilt V (�r,�s) =V (�r)+V (�s), kann die Wellenfunktion ψ separiert werden in<br />
ψ(�r,�s) =ψ(�r) · χ(�s) .<br />
ψ(�r) ist dabei die Ortsfunktion, χ(�s) die Spinfunktion. Im Gegensatz zu den Ortsfunktionen, die<br />
im Prinzip kontinuierlich alle Werte von −∞ bis +∞ annehmen können, kann die Spinfunktion<br />
χ(�s) entsprechend den Werten sz =+ 1<br />
2� und s 1<br />
z = − 2� nur 2 Werte erhalten. Das bedeutet<br />
anschaulich für den Zustand des Spins: ” Spin nach oben“ und ” Spin nach unten“. Wir führen<br />
jetzt formal zwei Spinfunktionen ein, die diesen Spinrichtungen entsprechen, nämlich χ ↑ und<br />
χ ↓ . Messen wir nun die z–Komponente, quantenmechanisch bedeutet dies ja die Anwendung des<br />
Operators �s z , so muß gelten:<br />
�s z χ ↑ = �<br />
2 χ ↑ oder �s z χ ↓ = − �<br />
2 χ ↓ .<br />
.
170 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
Suchen wir nach einem Formalismus, der uns die obigen Beziehungen automatisch liefert, so<br />
stellt sich heraus, daß dies am besten mit Matrizen zu bewerkstelligen ist. Wir schreiben für die<br />
Spinfunktionen<br />
1 ms=+<br />
χ↑ = χ 2 =<br />
� �<br />
1<br />
0<br />
1 ms=−<br />
χ↓ = χ 2 =<br />
� �<br />
0<br />
.<br />
1<br />
Diese Spinfunktionen sind Eigenfunktionen des Spinoperators � s 2 und �s z . Aus den Eigenwertgleichungen<br />
für ψ wird dann<br />
�s 2 χ ↑↓ = s(s +1)� 2 χ ↑↓<br />
�s z χ ↑↓ = m s �χ ↑↓<br />
�s 2 und �s z sind nun 2 × 2 Matrizen, die sogenannten Pauli–Matrizen“.<br />
”<br />
Die Wellenfunktion des Wasserstoff–Atoms schreibt sich dann<br />
ψn,l,ml,ms = R ml<br />
n,l (r) · Yl (ϑ, ϕ) · χ↑↓ (�s ) .<br />
Sie ist durch die Hauptquantenzahl n, die Bahndrehimpulsquantenzahl l, die Magnetquantenzahl<br />
m l und die Spinquantenzahl m s gekennzeichnet.<br />
Abb. 8.2: Vektormodell<br />
zur Spin–Bahn–<br />
Kopplung.<br />
Abb. 8.3: Präzession von � l und �s um �j.<br />
Unter Einfluß eines äußeren B–Feldes in<br />
z–Richtung präzediert j um die z–Achse.<br />
,<br />
Nun wollen wir die durch die Spin–Bahn–Wechselwirkung verursachte<br />
Änderung des Energieeigenwertes eines wasserstoffähnlichen oder<br />
Einelektronenatoms berechnen. Die Energieeigenfunktion ψ n,l,ml,ms<br />
ist gleichzeitig Eigenfunktion von � l 2 , � s 2 , � l z und �s z , da diese Operatoren<br />
ja nur auf ϑ, ϕ und �s wirken. Wie wir in Kapitel 6.5 gesehen<br />
haben koppelt � l und �s zu �j. Da j z = l z + s z ist, ist ψ n,l,ml,ms auch<br />
Eigenfunktion zu �j z :<br />
(�j z =( � l z + �s z ))ψ n,l,ml,ms =(m l + m s )�ψ n,l,ml,ms = m j �ψ n,l,ml,ms<br />
Sie ist aber keine Eigenfunktionen zu � j 2 !<br />
Dies geht auch sofort aus Abbildung 8.2 hervor. Da ja l x<br />
und l y mit l z nicht gleichzeitig scharf meßbar sind, wird die<br />
Spitze von � l in wiederholten Messungen irgendwo auf dem<br />
Kegel von � l um die z–Achse angetroffen, ebenso ist die Spitze<br />
von �s irgendwo auf dem Kegel �s um die z–Achse. Die Länge<br />
von |�j | wird daher in wiederholten Messungen verschiedene,<br />
um den Mittelwert fluktuierende Werte ergeben.<br />
Andererseits haben wir in Kapitel 6.5 gesehen, daß �j = � l +�s<br />
eine Konstante der Bewegung ist, und daß � l und �s um so<br />
schneller um �j präzidieren, je größer die Kopplungsenergie<br />
V ls = ζ(r) · ( � l · �s) ist. Dann geht aber die ” Schärfe“ von l z<br />
und s z verloren (vgl. Abbildung 8.3).<br />
Quantenmechanisch bedeutet dies, daß man Energieeigenfunktionen konstuiert, die gleichzeitig<br />
Eigenfunktion von � j 2 ,�j z , � l 2 und � s 2 sein müssen. Diese Funktionen sind die linearen Kombinationen<br />
der einfachen Produktfunktionen mit allen möglichen m l – und m s –Werten. Diese haben
8.4. Zeitabhängige Schrödingergleichung 171<br />
folgende Gestalt:<br />
ψ = n,l,j,mj � �<br />
c(l, s, ml ,ms , | j, mj )Rn,l (r) · Y m<br />
l (ϑ, φ)χms (�s) .<br />
ml ms<br />
Die Koeffizienten c(l, s, ml ,ms | j, mj ) heißen Clebsch–Gordan– oder Drehimpulskopplungskoeffizienten.<br />
Sie stellen einfache Zahlenwerte (z.B.: 1 2<br />
2 , 3 ,...) dar und müssensogewählt sein, daß<br />
die Dreiecksrelation“ �j =<br />
” �l + �s gilt.<br />
Die so konstruierten Wellenfunktionen ψ sind dann Eigenfunk-<br />
n,l,j,mj<br />
tionen zu � H, � l2 , � s2 , � j2 , �j z , aber nicht mehr zu �l z und �s z ,dajaüber ml und ms summiert wurde!<br />
Abb. 8.4: Dreiecksrelation.<br />
Wegen |�j | 2 = | �l | 2 + |�s | 2 +2�l · �s gilt auch � j2 = � l2 + � s2 +2� l · s, also� l · s = 1<br />
2 ( � j2 − � l2 − � s2 ). Deshalb<br />
sind die Eigenfunktionen zu � j2 , � l2 und � s2 , d.h. die ψ auch Eigenfunktionen zu n,l,j,mj � l · s, damit<br />
zu einem Hamiltonoperator, der einen Spin–Bahn–Kopplungsterm enthält.<br />
Die Wellenfunktionen ψ beschreiben die Zustände der Feinstrukturaufspaltung! Die Aufs-<br />
n,l,j,mj<br />
paltungsenergie ergibt sich als Erwartungswert der in (6.5.2) ausgerechneten Wechselwirkungsen-<br />
ergie Vls = −�µ s · � Bl = gs<br />
4m2c2 · 1<br />
r<br />
· dV (r)<br />
dr (� l · �s) =ζ(r)( � l · �s) mitV (r) = −e2<br />
4πε0r .<br />
∆Els = 〈Vls 〉 = � ψ∗ n,l,j,mj Vlsψn,l,j,mj dτ<br />
=<br />
�2π<br />
�π<br />
0<br />
0<br />
η ∗ l,j,mj (ϑ, ϕ, �s)(� ls)η l,j,mj (ϑ, ϕ, �s)sinϑdϑdϕ<br />
·<br />
�<br />
0<br />
∞<br />
R ∗ n,l (r)� ζ(r)R n,l (r)dr<br />
� �� � � �� �<br />
= 〈 � ls〉 ·<br />
gse2 16πε0m2 �<br />
1<br />
·<br />
c2 r3 =<br />
�<br />
�<br />
2<br />
(j(j +1)− l(l +1)− s(s +1))<br />
2<br />
·<br />
1<br />
...·<br />
a3 ·<br />
0<br />
1<br />
n3 1<br />
l(l + 1<br />
2 )(l +1)<br />
Damit ist die Feinstrukturaufspaltung aufgrund der Spin–Bahn–Kopplung quantenmechanisch<br />
erklärt.<br />
8.4 Zeitabhängige Schrödingergleichung<br />
Bisher behandelten wir nur stationäre (zeitunabhängige) Probleme, also stehende Wellen. Will<br />
man auch zeitabhängige Probleme behandeln, brauchen wir eine Gleichung, die berücksichtigt,<br />
daß ψ von t abhängen kann.<br />
Ausgangspunkt ist wieder die Gleichung für die ebene Welle:<br />
ψ(x, t) =Ae i (pxx−Et) � ;<br />
∂ψ(x, t)<br />
∂t<br />
= − i<br />
E · ψ(x, t)<br />
�
172 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
i� ∂<br />
ψ(x, t) =E · ψ(x, t) .<br />
∂t<br />
Dies entspricht der Eigenwertgleichung zum Energieoperator � E = i� ∂<br />
∂t .<br />
Jetzt übersetzen wir den nichtrelativistischen Energiesatz in die Operatorschreibweise<br />
E = H = E kin + V (x).<br />
Mit dem in (8.1.1) besprochenen Hamiltonoperator erhält man<br />
i� ∂<br />
∂t ψ(x, t) = � Hψ(x, t) =<br />
�<br />
− �2<br />
2m<br />
∂2<br />
· + V (x)<br />
∂x2 �<br />
· ψ(x, t) ,<br />
die zeitabhängige Schrödingergleichung.<br />
i − Et �<br />
Ist V (x, t) =V (x), läßt sich ψ(x, t) separieren in ψ(x, t) =ψ(x) · e , damit erhält man eine<br />
harmonische Schwingung (stehende Welle):<br />
�<br />
i − Et �<br />
ψ(x) · E · e = − �2 ∂<br />
2m<br />
2 �<br />
i − Et<br />
�<br />
+ V (x) ψ(x) · e Zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />
∂x2 Übersetzt man den relativistischen Energiesatz in Operatorschreibweise E 2 = p 2 c 2 + m 2 0 c4<br />
bzw. dreidimensional<br />
−�<br />
1<br />
c 2<br />
2 ∂2<br />
�<br />
2 ∂2<br />
−�<br />
∂x2 + m20 c2<br />
�<br />
c 2 ψ(x, t)<br />
ψ(x, t) =<br />
∂t2 ∂2 � �<br />
m0c � �<br />
2<br />
ψ(�r, t) = ∆ − ψ(�r, t) Klein–Gordan–Gleichung<br />
∂t2 �<br />
Die Quantenmechanik ist eine lineare Theorie. Also hat Dirac versucht, die Klein–Gordan–<br />
Gleichung zu linearisieren, indem er im Energiesatz auf der rechten Seite aus jedem Summanden<br />
die Wurzel gezogen hat:<br />
i� ∂<br />
∂t ψ(�r, t) =(c�αi�� ∇ + βm 0 c 2 )ψ(�r, t) Dirac–Gleichung<br />
Die Lösung der Dirac–Gleichung für das H–Atom liefert den richtigen Ausdruck für die j–<br />
entarteten Energieterme, d.h. den Ausdruck, den wir uns früher aus Berücksichtigung der relativistischen<br />
Masse und der Feinstruktur zusammengebaut haben, also die Feinstrukturformel des<br />
Wasserstoffs. Sie liefert aber natürlich nicht die Lambshift.<br />
8.5 Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität<br />
Die quantenmechanische Definition einer Erhaltungsgröße lautet: Eine physikalische Größe ist<br />
zeitlich konstant, wenn sich der Erwartungswert des zugehörigen Operators zeitlich nicht ändert.<br />
〈 � A〉 = � ψ ∗ � Aψ dx = const., wenn<br />
d〈 � A〉<br />
dt =<br />
� ∗ ∂ψ<br />
∂t � �<br />
Aψ dx +<br />
ψ ∗ ∂ � A<br />
∂t ψdx+<br />
�<br />
ψ ∗ A� ∂ψ<br />
dx =0 .<br />
∂t
8.5. Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität 173<br />
Wenn � A nicht explizit von t abhängt, bleiben zwei Summanden stehen. Die Umformung mit<br />
Hilfe der zeitabhängigen Schrödingergleichung i� ∂<br />
∂tψ = � Hψ;(i�∂ ∂tψ)∗ =( � Hψ) ∗ )ergibt:<br />
und damit<br />
d〈 � A〉<br />
dt<br />
�<br />
i<br />
= (<br />
�<br />
� Hψ) ∗ �<br />
Aψ �<br />
i<br />
dx −<br />
�<br />
ψ ∗ A� Hψdx � =0<br />
�<br />
( � Hψ) ∗ �<br />
Aψ � dx = ψ ∗ H� Aψ � dx<br />
�H ist hermitesch, also gilt<br />
d〈 � A〉<br />
dt =<br />
�<br />
ψ ∗ ( � H � A − � A � H)ψdx=0 �<br />
� �<br />
�H, A�<br />
=0 .<br />
Eine physikalische Größe A ist zeitlich konstant, wenn ihr Operator � A<br />
mit dem Hamiltonoperator kommutiert,<br />
d.h. wenn es zu beiden Operatoren eine gemeinsame Eigenfunktion gibt.<br />
Es ergeben sich folgende Erhaltungsgrößen:<br />
1. Energie: � A = � � �<br />
H; Es ist natürlich �H, H�<br />
=0,d.h.Hist Erhaltungsgröße. Hängt die<br />
Hamiltonfunktion nicht explizit von der Zeit ab, also ∂H ∂V<br />
∂t = ∂t<br />
V unabhängig von t.<br />
=0,soistE = const., also<br />
2. Impuls: � A = �p x = −i� ∂<br />
∂x ; wir erhalten<br />
�p x � H − � H �px =<br />
px ist zeitlich konstant, d.h.<br />
0.<br />
�<br />
�p x , � �<br />
H<br />
= � ∂H<br />
i ∂x<br />
� ∂V (x)<br />
=<br />
i ∂x<br />
(vgl. Kapitel 8.1) .<br />
�<br />
�p x , � �<br />
H =0,wennVunabhängig von x ist, damit ∂V<br />
∂x = −Fx =<br />
3. Drehimpuls: � A = �l z = −i� ∂<br />
∂ϕ ;<br />
�A = � l2 = −� 2<br />
� �<br />
1 ∂<br />
sin ϑ<br />
sin ϑ ∂ϑ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂ϑ<br />
1<br />
sin 2 ∂<br />
ϑ<br />
2<br />
∂ϕ2 �<br />
�<br />
�lz H� − H� �lz = �lz , � �<br />
H =0,wennVnicht von ϕ abhängt<br />
�l 2 � H − � H � l2 � �<br />
= �l 2 , H�<br />
=0,wennVweder von ϑ noch von ϕ abhängt: Zentralkraft.<br />
4. Parität: � A = � P<br />
Definition: � Pψ(x) =P ·ψ(−x), d.h. Spiegelung am Ursprung, wobei P gleich dem Eigenwert<br />
zum Paritätsoperator ist. Wegen � P 2 ψ(x) =P 2 ψ(x) und mit P 2 = 1folgt<br />
P = ±1 ,
174 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />
z.B.:<br />
�Pψ(x) =ψ(−x) : gerade Funktion: P =+1<br />
�Pψ(x) =−ψ(−x) : ungerade Funktion: P = −1<br />
�PY m<br />
l (ϑ, ϕ) =(−1)l Y m<br />
l (π − ϑ, π + ϕ) :P =(−1)l (vgl. (7.5.4)).<br />
Die Parität ist eine zeitliche Erhaltungsgröße, wenn<br />
� �<br />
�P, H�<br />
=0,oder<br />
�P ( � H(x)ψ(x)) = � H(x)( � Pψ(x))<br />
�H(−x)ψ(−x) = � H(x)ψ(−x)<br />
�H(−x) = � H(x) � V (−x) =V (x), wenn V (x) eine gerade Funktion ist,<br />
also z.B. V = 1<br />
2Dx2 ; (harmonischer Oszillator) oder V = V (r) =V ( � x2 + y2 + z2 )(Zentralpotential).<br />
Während Drehimpulsquantenzahlen eines Systems additiv sind, die Drehimpulse selbst vektoradditiv,<br />
ist die Parität des Gesamtsystems gleich dem Produkt der Einzelparitäten.<br />
Das bedeutet:<br />
Da die Auswahlregel ∆l = ±1 für das Atom gilt, ändert sich im<br />
atomaren System durch Photonenemission die Parität. Also muß<br />
die Strahlung nach Kapitel 3.3 elektische Dipolstrahlung sein.
Kapitel 9<br />
Mehrelektronensysteme<br />
9.1 Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Erhaltung der<br />
Symmetrie: Fermionen und Bosonen<br />
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir fast alle wesentlichen Erscheinungen, die bei Atomen<br />
auftreten, bereits besprochen, jedoch nur für ein einziges Elektron. Es wird sich herausstellen, daß<br />
vieles bei Mehrelektronensystemen ganz ähnlich ist. Beim Übergang zu Mehrelektronensystemen<br />
tritt aber ein neuer grundsätzlicher Effekt auf, der alle Vielteilchensysteme charakterisiert:<br />
Die Ununterscheidbarkeit der Teilchen.<br />
Wir beschränken uns zunächst auf zwei Teilchen, die in einem gemeinsamen Potential gebunden<br />
sein sollen, z.B. zwei Teilchen im Kastenpotential oder zwei Teilchen im Coulombpotential (He–<br />
Atom), die Erweiterung auf mehrere Teilchen ist später einfach.<br />
Wählen wir nun als Beispiel das Rechteckpotential. Die das System charakterisierende Wellenfunktion<br />
ψ1,2 = ψ1 (1) · ψ2 (2) hängt dann von den beiden Teilchen 1und 2 ab:<br />
E 2<br />
E 1<br />
Abb. 9.1: Energiebesetzung<br />
zweier Teilchen im Rechteckpotential.<br />
ψ 1,2 soll bedeuten, Teilchen 1befindet sich im Zustand mit der<br />
Energie E 1 und Teilchen 2 im Zustand mit der Energie E 2 . Eine<br />
wichtige Vorraussetzung soll nun sein, daß die Wechselwirkung<br />
der Teilchen untereinander vernachläßigt werden kann. Wir haben<br />
dann E ges = E 1 +E 2 und sprechen von einem Modell unabhängiger<br />
Teilchen. Unter diesen Vorraussetzungen hängt der Potentialterm<br />
des Hamiltonoperators nicht von der Wechselwirkung zwischen<br />
beiden Teilchen ab. Er lautet dann<br />
�H = � H 1 + � H 2 =<br />
� 2 �p 1<br />
2m + � � � 2 �p 2<br />
V (r1 ) +<br />
2m + � �<br />
V (r2 ) .<br />
Wenn nun � H1ψ1 (1) = E1ψ1 (1) und � H2ψ2 (2) = E2ψ2 (2) ist, so ist � Hψ1,2 = Egesψ1,2 mit ψ1,2 =<br />
ψ1 (1) · ψ2 (2) und Eges = E1 + E2 eine spezielle Lösung von � H, denn durch einfache Rechnung<br />
175
176 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
läßt sich zeigen, daß<br />
�Hψ 1,2 =( � H 1 + � H 2 )ψ 1 (1)ψ 2 (2) = ψ 2 (2) � H 1 ψ 1 (1) + ψ 1 (1) � H 2 ψ 2 (2)<br />
= (E 1 + E 2 )ψ 1,2 = E ges ψ 1,2<br />
ist. Dies gilt für N Teilchen ganz analog. Das Modell unabhängiger Teilchen bedeutet am<br />
Beispiel der zwei Elektronen, die sich im Coulombpotential des Kerns befinden, daß die gegenseitige<br />
Coulombabstoßung klein sein soll. Das Quadrat |ψ1,2 | 2 der Wellenfunktion ψ gibt die<br />
Wahrscheinlichkeit an, Teilchen 1im Energiezustand E1 und Teilchen 2 im Energiezustand E2 zu finden.<br />
Diese Wahrscheinlichkeit interessiert uns eigentlich nicht, ebensowenig wie |ψ2,1 | 2 , d.h. Teilchen 1<br />
in E2 und Teilchen 2 in E1 zu finden. Beide Wellenfunktionen gehen durch Teilchenvertauschung<br />
ineinander über, d.h. wir erhalten den Zustand, in dem die Teilchen vertauscht sind. Wir können<br />
uns vorstellen, daß dieser durch Anwendung eines Operators � P12 auf den ursprünglichen Zustand<br />
hervorgegangen ist. Man nennt ihn Vertauschungsoperator, der nichts anderes bewirkt, als die<br />
Koordinaten der beiden Teilchen zu vertauschen. Mathematisch geschrieben:<br />
�P 12 ψ 1,2 = ψ 2,1<br />
mit � P 2 12 =1.<br />
Es ist offenbar E ges (1, 2) = E ges (2, 1) : Austauschentartung.<br />
Man interessiert sich nun vielmehr dafür, ein Teilchen im Energiezustand E 1 und ein anderes<br />
Teilchen im Energiezustand E 2 zu finden, also nicht ein bestimmtes. Wollen wir nun<br />
die Wahrscheinlichkeit angeben, irgendein Teilchen bei den betreffenden Koordinaten zu finden,<br />
so bietet sich an, durch Linearkombination der beiden orthogonalen Ausdrücke ψ 1,2 und ψ 2,1 (daß<br />
sie orthogonal sind, sei hier vorrausgesetzt und soll nicht gezeigt werden), die richtige Lösung zu<br />
finden. Hierfür gibt es zwei prinzipiell verschiedene Möglichkeiten:<br />
ψ S (1, 2) = 1 √ 2 ψ 1,2 + 1 √ 2 ψ 2,1<br />
ψ A (1, 2) = 1 √ 2 ψ 1,2 − 1 √ 2 ψ 2,1<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
ψ S,A = 1<br />
√ 2 (ψ 1,2 + e iϕ ψ 2,1 )<br />
ϕ = 0 : symmetrisch,ψ S<br />
ϕ = π : antisymmmetrisch,ψ A<br />
Wir haben einmal addiert und einmal subtrahiert und dadurch zwei neue orthogonale Ausdrücke<br />
mit dem Normierungsfaktor 1/ √ 2 gewonnen. Die Orthogonalität läßt sich im Prinzip wiederum<br />
leicht zeigen, soll aber hier nicht durchgeführt werden. Was geschieht nun mit ψ S und ψ A<br />
beim Vertauschen der Teilchen? Bei ψ S ändert sich offenbar gar nichts, diese Wellenfunktion<br />
ist symmetrisch gegenüber dem Teilchenaustausch. Bei ψ A ändert sich das Vorzeichen, deshalb<br />
heißt die Lösung antisymmetrisch (daher die Indizes S und A). In Operatorschreibweise:<br />
�P 12 ψ S (1, 2) = ψ S (2, 1)=ψ S (1, 2)<br />
�P 12ψA (1, 2) = ψA (2, 1)=−ψA (1, 2)<br />
und |ψS (1, 2)| 2 = |ψA (1, 2)| 2 .<br />
.
9.1. Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 177<br />
Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiten haben wir nun die gewünschte Wirkung erzielt, denn |ψ S | 2<br />
und |ψ A | 2 ändern sich offensichtlich nicht beim Austausch der Teilchen. ψ S und ψ A sind Eigenfunktionen<br />
zum Vertauschungsoperator � P 12 , seine Eigenwerte sind ±1 .Da � P 12 reelle Eigenwerte<br />
besitzt, ist er hermitesch, außerdem ist er linear und vertauschbar mit � H, dem Hamiltonoperator.<br />
�P 12 � Hψ1,2 = � P 12 E 12 ψ 1,2 = E 12 � P12 ψ 1,2 = E 12 ψ 2,1<br />
= E 21 ψ 2,1 = � Hψ 2,1 = � H � P 12 ψ 1,2<br />
�P 12 � H = � H � P12 ⇐⇒ [ � P 12 , � H]=0<br />
Damit ist nach Kapitel 8.5 der Eigenwert +1oder −1eines Systems gegen Teilchenvertauschung<br />
eine Erhaltungsgröße. Dies ist eine wichtige Einsicht: Der Symmetriecharakter eines Systems<br />
unter Vertauschung der Koordinaten von zwei Teilchen ist eine Erhaltungsgröße. Daraus folgt<br />
aber der Erhaltungscharakter der Symmetrie, d.h. ein Vielteilchensystem ist in jedem Falle entweder<br />
symmetrisch oder antisymmetrisch bei Teilchenaustausch und behält diese Eigenschaft<br />
auch immer.<br />
Empirisch: Alle Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) haben eine antisymmetrische<br />
Wellenfunktion und gehorchen der Fermi–Dirac–Statistik, alle Teilchen mit ganzzahligem Spin<br />
(einschließlich 0) (Bosonen) haben eine symmetrische Wellenfunktion und gehorchen der Bose–<br />
Einstein–Statistik. Beispiele für Fermionen sind das Elektron, Proton, Neutron und 3He. Repräsentanten für Bosonen sind Photonen, Phononen und 4He. Die Fermi–Dirac und Bose–Einstein–Statistiken sind beide unterschiedlich gegenüber der klassischen<br />
Boltzmann-Statistik (prinzipiell unterscheidbare Teilchen).<br />
Im thermodyamischen Gleichgewicht sind die Besetzungswahrscheinlichkeiten für einen Zustand<br />
E α+ der Energie proportional zu (e kT − 1) −1 E α+ (Bose–Einstein) und zu (e kt +1) −1 (Fermi–Dirac),<br />
wohingegen für die klassische Boltzmann–Statistik die Besetzungswahrscheinlichkeit proportional<br />
E α+ zu (e kt ) −1 ist.<br />
Im folgenden wollen wir als Teilchen nur noch die Elektronen betrachten. Für Elektronen mit<br />
unterschiedlichem Spin (mS = ± 1)<br />
gilt nun die Ununterscheidbarkeit nicht mehr. Wenn wir nun<br />
2<br />
gemäß Kapitel 8.3 den Spin als 4. Koordinate in unsere Wellenfunktion ψ miteinbeziehen, erhalten<br />
wir folgenden Ausdruck ψ1 = ψ(�r 1 ,�s 1 ). Der Index 1umfaßt nun Orts– und Spinquantenzahl,<br />
ψ1,2 heißt nun Teilchen 1am Ort �r 1 mit dem Spin �s 1 und Teilchen 2 am Ort �r 2 mit dem Spin<br />
�s 2 .<br />
Wenn im Potential des Systems kein Term existiert, der Orts– und Spinkoordinaten verbindet,<br />
läßt sich die Wellenfunktion in eine Orts– und eine Spinfunktion separieren: Der Austauschoperator<br />
� P 12 soll nun Orts– und Spinkoordinate von zwei Teilchen vertauschen. Formal:<br />
�P 12 = � P r · � P s<br />
ψ 1,2 = ψ(�r 1 ,�r 2 ) · χ(�s 1 ,�s 2 )<br />
�P 12 ψ 1,2 = � P r ψ(�r 1 ,�r 2 ) · � P s χ(�s 1 ,�s 2 )<br />
wobei � P r und � P s die Operatoren darstellen, die die Orts– bzw. Spinkoordinaten vertauschen.<br />
(vgl. dazu Abbildung 9.2.)<br />
,
178 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
2<br />
1<br />
⇒<br />
1 2<br />
ˆP12<br />
Abb. 9.2: Zum Austauschoperator.<br />
Wenn wir nun aber mit dem Vertauschen der Ortskoordinaten<br />
gleichzeitig den Spin umkippen, sind beide Zustände<br />
nicht mehr unterscheidbar. Nun können wir die Elektronen<br />
als identisch betrachten.<br />
Da die Gesamtwellenfunktion entweder symmetrisch oder antisymmetrisch gegen Teilchenvertauschung<br />
sein muß, gibt es folgende Möglichkeiten:<br />
ψ S (1, 2) =<br />
� ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χ S (�s 1 ,�s 2 )<br />
ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ A (�s 1 ,�s 2 )<br />
, ψ A (1, 2) =<br />
� ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χ A (�s 1 ,�s 2 )<br />
ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ S (�s 1 ,�s 2 )<br />
Da Elektronen Fermionen sind und eine antisymmetrische Wellenfunktion haben, betrachten wir<br />
im Folgenden nur noch ψA (1, 2).<br />
Was bedeutet das für die Spin– und Ortsfunktion?<br />
1. Die Spinfunktionen können wir noch explizit schreiben, da es für jedes der beiden Elektronen<br />
nur die beiden Werte ↑ oder ↓ geben kann, also insgesamt gibt es nun folgende<br />
Möglichkeiten:<br />
χ(↑↑), χ(↑↓), χ(↓↑), χ(↓↓).<br />
Welche Kombinationen sind nun symmetrisch und welche antisymmetrisch bei Teilchenaustausch?<br />
Abb. 9.3: Darstellung der Spinfunktion χ m S<br />
S<br />
für Zweielektronensysteme.<br />
.
9.1. Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 179<br />
Wie können wir das Abbildung 9.3 verstehen? Betrachtet man die beiden Spinfunktionen<br />
χ1 1 , χ−1 1 (Parallelstellung des Spins), so ergibt sich ein resultierender Gesamtspin S =<br />
s1 + s2 = 1und somit mS = 1 oder −1 . Für den Fall χ0 1 bedenken wir, daß es bei<br />
Parallelstellung des Spins drei z–Komponenten, nämlich 1, 0, −1geben muß. Somit muß<br />
also χ0 1 die z–Komponente mS = 0 zugeordnet werden. Für S = 0 (Antiparallelstellung)<br />
kann mS nur den Wert Null annehmen. Damit erhalten wir eine antisymmetrische und<br />
drei symmetrische Spinfunktionen, für die wir neue Symbole geschrieben haben. Durch<br />
Vertauschen von ↑ und ↓ reproduziert sich χS und χA geht in −χA über.<br />
Zusammenfassend erhalten wir für ein Zweielektronensystem ein<br />
• Triplett-System S =1,mS =1, 0, −1; parallele Spins“ koppeln auf drei Arten.<br />
”<br />
• Singulett-System S = mS =0 antiparallele Spins“ koppeln auf eine Art.<br />
”<br />
2. Jetzt wollen wir die Wahrscheinlichkeitsdichte für die zwei Ortswellenfunktionen ψ S und<br />
ψ A explizit ausrechnen:<br />
ψ S (�r 1 ,�r 2 )= 1<br />
√ 2 (ψ(�r 1 ,�r 2 )+ψ(�r 2 ,�r 1 ))<br />
|ψ S | 2 = 1<br />
2 (|ψ(�r 1 ,�r 2 )|2 + |ψ(�r 2 ,�r 1 )| 2 + |ψ(�r 1 ,�r 2 )ψ(�r 2 ,�r 1 )| + |ψ(�r 2 ,�r 1 )ψ(�r 1 ,�r 2 )|)<br />
Für �r 1 = �r 2 = �r ist: |ψ S | 2 = 1<br />
2 (4 ·|ψ(�r,�r)|2 )=2·|ψ(�r,�r)| 2<br />
ψ A (�r 1 ,�r 2 )= 1 √ 2 (ψ(�r 1 ,�r 2 ) − ψ(�r 2 ,�r 1 ))<br />
|ψ A | 2 = 1<br />
2 (|ψ(�r 1 ,�r 2 )|2 + |ψ(�r 2 ,�r 1 )| 2 −|ψ(�r 1 ,�r 2 )ψ(�r 2 ,�r 1 )|−|ψ(�r 2 ,�r 1 )ψ(�r 1 ,�r 2 )|)<br />
(9.1.1)<br />
und für �r 1 → �r 2 |ψ A | 2 → 0 (9.1.2)<br />
Bei einem System, dessen Ortswellenfunktion antisymmetrisch gegen Teilchenvertauschung<br />
ist, ist die Wahrscheinlichkeit, zwei gleiche Teilchen am gleichen Ort zu<br />
finden, gleich Null; bei einem System mit symmetrischer Ortswellenfunktion ist sie<br />
doppelt so groß wie für zwei unterscheidbare Teilchen.<br />
Elektronen sind Fermionen, haben also antisymmetrische Wellenfunktionen. Das ist von großer<br />
Tragweite, denn dadurch wird verhindert, daß die Ortskoordinaten von zwei Elektronen gleicher<br />
Spinrichtung dieselben sind (→ Pauli–Prinzip).<br />
Damit:<br />
ψ A (1, 2) =<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
ψ S (�r 1 ,�r 2 ) · χ 0 0<br />
ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ 1,0,−1<br />
1<br />
Singulett<br />
Triplett<br />
Wenn also im Zweielektronensystem die Spins parallel sind (χ 0 0 ), dann sind die Elektronen weit<br />
auseinander, da nach (9.1.2) die Wahrscheinlichkeit |ψ A | 2 für �r 1 −→ �r 2 gegen Null geht. Wenn<br />
.
180 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
die Spins antiparallel sind (χ 1,0,−1<br />
1 ), dann sind die Elektronen dicht beieinander, da nach (9.1.1)<br />
|ψS | 2 sehr groß ist.<br />
Zum Schluß dieses Abschnittes wollen wir zeigen, wie die antisymmetrische Wellenfunktion für ein<br />
System mit N unabhängigen Fermionen dargestellt werden kann. Dazu betrachten wir zunächst<br />
ein Zweielektronensystem.<br />
Sind die beiden Elektronen unabhängig, ist also<br />
E 12 = E 1 + E 2 ↔ ψ 1,2 = ψ 1 (1) · ψ 2 (2) .<br />
Wir müssen jedoch erreichen, daß die Funktion antisymmetrisch wird beim Austausch von irgend<br />
zwei Teilchen. Bei zwei Teilchen hatten wir das bewirkt, indem wir von ψ(1, 2) eine Wellenfunktion<br />
subtrahierten, bei der die beiden Teilchen permutiert waren. Also<br />
ψA (1, 2) = 1 √ [ψ1 (1) · ψ2 (2) − ψ1 (2) · ψ2 (1)] =<br />
2 1 �<br />
�<br />
√ �<br />
2<br />
� ψ1 (1) ψ1 (2)<br />
�<br />
�<br />
�<br />
ψ2 (1) ψ2 (2) � ,<br />
oder allgemein für N Teilchen: Gesucht wird wiederum eine antisymmetrische Linearkombination<br />
ψA (N) mit der Eigenschaft:<br />
�P 12 ψ A (1,...,i,j,...,N) = +ψ A (1,...,j,i,...,N)<br />
= −ψ A (1,...,i,j,...,N)<br />
Das Ganze läßt sich normiert wieder als Determinante schreiben:<br />
ψA (N) = 1<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
√ �<br />
N! �<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Slater–Determinante<br />
ψ 1 (1) ...ψ 1 (N)<br />
.<br />
ψ N (1) ...ψ N (N)<br />
(die Indizes geben den Quantenzustand an, in Klammern stehen die Teilchenkoordinate). Wenn<br />
nun 2 Fermionen eines Systems in allen Quantenzahlen übereinstimmen, so sind 2 Spalten gleich<br />
und ψ A = 0. Dies ist genau der Inhalt des Pauli–Prinzips: Zwei Fermionen des gleichen Systems<br />
können nicht in allen ihren Quantenzahlen übereinstimmen.<br />
9.2 Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip<br />
Wechselwirkungen bei Einelektronensystemen:<br />
1. Coulomb–Wechselwirkung Kern — Elektron<br />
2. Spin–Bahn–Wechselwirkung des Elektrons � Feinstruktur–Aufspaltung<br />
3. Relativistische Elektronen–Masse � Aufhebung der l–Entartung<br />
4. Quantenelektrodynamische Effekte � Lamb–shift<br />
5. Magnetische Wechselwirkung Kern — Elektron � Hyperfeinstruktur<br />
Neu hinzukommende Wechselwirkungen bei Mehrelektronensystemen:
9.2. Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip 181<br />
6. Symmetrie–Effekte (Pauli–Prinzip)<br />
7. Coulomb–Wechselwirkung zwischen den Elektronen<br />
8. Magnetische Wechselwirkung zwischen den Bahnen und den Spins der Elektronen<br />
Der Einfluß von 3., 4. und 8. ist sehr klein, und 5. wird in der Kernphysik behandelt.<br />
Es bleibt 1., 2., 6. und 7. .<br />
Nach den allgemeinen Betrachtungen von Kapitel 9.1wollen wir uns konkret dem Helium–Atom<br />
als Zweielektronensystem im Coulombfeld zuwenden.<br />
Für die Bindungsenergien (Ionisationsenergien) der Elektronen im He–Atom ergeben sich folgende<br />
Werte für das erste Elektron E ionis (1) = 24.5 eV und für das zweite Elektron E ionis (2) =<br />
54.4eV. Für die gesamte Ionisationsenergie also E ionis<br />
ges = Eionis (1) + E ionis (2) = 79 eV.<br />
Im ” Modell unabhängiger Teilchen“ ergibt sich der Wert der Bindungsenergien aus dem Produkt<br />
zweier Wasserstoffwellenfunktionen. Mit Hilfe von (7.5.7) und Z = 2 ergibt sich<br />
E (unabh.)<br />
ges<br />
= E1 + E2 =(−13.6eV)Z 2<br />
�<br />
1<br />
n2 +<br />
1<br />
1<br />
n2 �<br />
= −108.8eV.<br />
2<br />
Dies ist eine ganz schlechte Näherung, der Einfluß der ee–Wechselwirkung ist beträchtlich (∼<br />
30 eV). Die Berechnung ist klassisch nicht möglich.
182 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
Empirisch findet man im He–<br />
Spektrum zwei verschiedene Term–<br />
Systeme, so als ob es zwei Sorten<br />
von He–Atomen gäbe:<br />
• Parahelium: Bei diesem<br />
System koppeln die Spins<br />
zu S = 0, wir erhalten ein<br />
Singulett–System, das also<br />
keine Feinstruktur zeigt.<br />
• Orthohelium: Hier stehen<br />
die Spins parallel zueinander<br />
(S = 1). Der resultierende<br />
Gesamtspin S hat drei Einstellungsmöglichkeiten<br />
zu<br />
einem inneren Magnetfeld B l ,<br />
das mit dem Bahndrehimpuls<br />
der Elektronen verknüpft<br />
ist. Die so resultierende<br />
Spin–Bahn–Kopplung führt<br />
zu einer dreifachen Feinstrukturaufspaltung<br />
aller<br />
Terme mit verschiedenem<br />
Gesamt–Bahndrehimpuls<br />
(also ausgenommen aller S–<br />
Terme). Wir erhalten ein<br />
Triplett–Termschema.<br />
Man beobachtet zusätzlich, daß<br />
E/[ eV]<br />
0.8<br />
eV<br />
−1<br />
−2<br />
−3<br />
−4<br />
−5<br />
−24.6<br />
0<br />
3 1 S 0<br />
2 1 S 0<br />
1 1 S 0<br />
1. der Grundzustand nur im Parahelium vorkommt,<br />
2. 2 1 S 0 und 2 3 S 1 metastabil sind,<br />
(Singulett) (Triplett)<br />
Parahelium<br />
Orthohelium<br />
3 1 P 1<br />
2 1 P 1<br />
3 1D2 3 3S0 2 3 S 1<br />
3 3 P 0,1,2<br />
2 3 P 0,1,2<br />
Interkombinationslinie<br />
Verboten!<br />
3 3 D 1,2,3<br />
Abb. 9.4: Termschema des Helium–Atoms aufgeteilt in die Tripletts des<br />
Ortho–He (die aufgrund der geringen Termaufspaltung in dieser Zeichnung<br />
zusammenfallen)und die Singuletts des Para–He.<br />
3. es keine Übergänge zwischen Ortho– und Parahelium gibt. Dies ist das sogenannte Interkombinationsverbot.<br />
Hier ist nun eine Zwischenbemerkung im Hinblick auf die Notation nötig. Hier sei nun die<br />
spektroskopische Termbezeichnung (vgl. Kapitel 6.7) dem Besetzungszustand gegenübergestellt.<br />
Die Schreibweise (1s) 1 (2p) 1 soll bedeuten: ein Elektron befindet sich im 1s Zustand eines im 2p<br />
Zustand. In der Klammer stehen die Quantenzahlen, die Besetzungszahl steht als Index oben.<br />
Einen solchen Besetzungszustand der Niveaus nennt man eine Konfiguration.<br />
Wir wollen nur einfach angeregte Zustände betrachten, d.h. bei dem nur ein Elektron angeregt<br />
wird.
9.2. Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip 183<br />
Konfiguration: (1s) 1<br />
� �� �<br />
↑<br />
Konfiguration: (1s) 1<br />
� �� �<br />
↑<br />
(2s) 1 S=0<br />
� �� �<br />
↓<br />
(2s) 1 S=1<br />
� �� �<br />
↑<br />
←→ Term 2 1 S 0<br />
←→ Term 2 3 S 1<br />
Die Beobachtung, daß es beim He–Atom nur den Zustand 1 1S0 , nicht aber den Zustand 1 3S1 gibt, war für W. Pauli (1925) der Ausgangspunkt für die Formulierung des Pauli–Prinzips:<br />
Die Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden.<br />
Grundzustand : Konfiguration (1s) 1<br />
� �� �<br />
↑<br />
Pauliverbotener Zustand : Konfiguration (1s) 1<br />
� �� �<br />
↑<br />
(1s) 1 S=0<br />
� �� �<br />
↓<br />
(1s) 1 S=1<br />
� �� �<br />
↑<br />
←→ Term 1 1 S 0<br />
←→ Term 1 3 S 1<br />
Wie wir also gesehen haben, erhalten wir für das Helium–Atom zwei Termsysteme. Wie wir<br />
im Kapitel 9.1erörtert haben, können wir sowohl eine symmetrische als auch eine antisymmetrische<br />
Ortswellenfunktion bilden. Dementsprechend gibt es auch beide Möglichkeiten für die<br />
Spinfunktion, d.h. der Spin der Teilchen kann jetzt parallel oder antiparallel stehen. Wenn die<br />
Elektronenspins parallel stehen (S=1) ist also die Ortswellenfunktion antisymmetrisch, und wenn<br />
sie antiparallel stehen (S=0), ist sie symmetrisch.<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
ψA (1, 2) =<br />
⎪⎩<br />
1<br />
√ 2 [ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 )+ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 )] χ A<br />
1<br />
√ 2 [ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 ) − ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 )] χ S<br />
Ort Spin Term<br />
S ↔ A 2 1 S 0<br />
A ↔ S 2 3 S 1<br />
Vom Symmetriecharakter der Ortswellenfunktion hängt aber die wechselseitige Coulombenergie<br />
∆E der beiden Elektronen ab. Im symmetrischen Zustand ist der mittlere Abstand r1,2 der<br />
Elektronen viel kleiner als im antisymmetrischen, wo gleiche Ortskoordinaten zum Verschwinden<br />
der Wellenfunktion führt. Die Folge ist, daß es für die gleiche Konfiguration (1s) 1 (2s) 1 zwei<br />
Zustände unterschiedlicher Energie gibt, wovon der mit S = 0 energetisch höher liegt. Deshalb<br />
liegen also alle Orthohelium–Terme tiefer.<br />
Im Modell unabhängiger Teilchen sind die ψ1 , ψ2 die ungestörten Wasserstoff–Atomwellenfunktionen.<br />
Der Erwartungswert der Energie für die ee–Wechselwirkung ergibt sich in der Quan-<br />
tenmechanik zu<br />
∆E = 〈Eee 〉 = 1<br />
�<br />
2<br />
1<br />
�<br />
2<br />
ψ ∗ A<br />
(1, 2)<br />
e 2<br />
4πε 0 r 12<br />
· ψ A (1, 2)dτ 1 dτ 2 .<br />
e Der Operator“<br />
” 2<br />
wirkt nicht auf den Spin. Wegen der Normierung fallen die Spinfunktio-<br />
4πε0r12<br />
nen heraus, also bleiben die Ortsfunktionen (reell !), damit:<br />
〈Eee 〉 = 1<br />
�<br />
2<br />
1<br />
�<br />
2<br />
e2 [ψ<br />
4πε0r12 2 1 (�r 1 ) · ψ2 2 (�r 2 )+ψ2 1 (�r 2 ) · ψ2 2 (�r 1 )]<br />
± 1<br />
�<br />
2<br />
�<br />
e2 [ψ1 (�r 1 ) · ψ2 (�r 2 ) · ψ1 (�r 2 ) · ψ2 (�r 1 )<br />
1<br />
2<br />
4πε 0 r 12<br />
+ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 ) · ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 )] dτ 1 dτ 2 .
184 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
Das erste Doppelintegral ist einfach die Coulombenergie ∆E Coul für die Wechselwirkung zwischen<br />
den Ladungsdichteverteilungen der Elektronen. Das zweite Doppelintegral muß je nach<br />
Symmetrie addiert oder subtrahiert werden. Wir nennen es Austauschintegral ∆E Aust .<br />
Ortsfunktion S � Spinfunktion A � Para–He 2 1 S 0 ; ∆E = ∆E Coul +∆E Aust<br />
Ortsfunktion A � Spinfunktion S � Ortho–He 2 3 S 1 ; ∆E = ∆E Coul − ∆E Aust<br />
Die numerische Rechnung liefert ∆EAust ≈ 0.4 eV, d.h. ein Unterschied von 2 1S0 −2 3S1 ≈ 0.8eV,<br />
also wie beobachtet. (vgl. Abbildung 9.4.) Die Austauschenergie ist die reale zusätzliche Energie,<br />
die sich als Konsequenz aus der Nichtunterscheidbarkeit der Elektronen ergibt.<br />
Entsprechend liefert die Rechnung für den Grundzustand näherungsweise:<br />
�<br />
∆E = 〈Eee 〉 = ψ ∗ S (�r 1 ,�r 2 )<br />
e2 �<br />
ψS (�r 1 ,�r 2 ) ≈ 34 eV<br />
4πε 0 r 12<br />
mit ψS (�r 1 ,�r 2 )= 1 √ (ψ<br />
2 1 (�r 1 )ψ2 (�r 2 )+(ψ1 (�r 2 )ψ2 (�r 1 )). Daraus ergibt sich die korrigierte Grundzustandsenergie<br />
Eges = E (unabh)<br />
ges +∆E =(−108.8 + 34) eV = −74.8eV. Dies ist nur noch um 5%<br />
falsch.<br />
Zusammenfassend erhalten wir:<br />
Para–He: Singulett Ortho–He: Triplett<br />
ψA (1, 2) = ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χA Elektronen näher beieinander �<br />
ψA (1, 2) = ψA (�r 1 ,�r 2 ) · χS Elektronen weiter weg �<br />
Abstoßung größer � schwächer gebunden. Abstoßung schwächer � stärker gebunden.<br />
Zwischen den beiden Termsystemen herrscht ein strenges Interkombinationsverbot. Ferner gibt<br />
es keinen Übergang zwischen einem der beiden 2S–Niveaus und dem 1S–Grundzustand, weil das<br />
die Drehimpulsauswahlregel ∆l = ±1verletzen würde. Beide Niveaus sind also metastabil.<br />
9.3 LS–Kopplung<br />
Wir betrachten nun Mehrelektronensysteme. Da die betroffenen Elektronen miteinander wechselwirken,<br />
hängt die Addition der einzelnen Drehimpulse � l i und �s i zum Gesamtdrehimpuls � J von<br />
gewissen Regeln ab. Für alle leichten und mittelschweren Atome gilt, daß die Bahndrehimpulse<br />
� li der einzelnen Elektronen durch elektrostatische Kräfte zu einem einzigen Bahndrehimpuls � L<br />
gekoppelt sind und daß sich die einzelnen Spins �s i davon unabhängig zu einem Gesamtspin � S addieren.<br />
Dieses Schema wird LS–Kopplung oder Russel–Sounders–Kopplung genannt. Betrachten<br />
wir als konkretes Beispiel wieder unser Helium–Atom.<br />
Vergleicht man den Energieunterschied entsprechender Ortho–Para–He–Zustände mit der Spin–<br />
Bahn–Aufspaltung, so sieht man:<br />
∆E(Ortho–Para) ≈ 0.8eV ≫ ∆E(Spin–Bahn–WW) ≈ 10 −4 eV .
9.3. LS–Kopplung 185<br />
Die (S = 0)– und (S =1)–Zustände sind energetisch also deutlich getrennt. Das ist der Grund<br />
dafür, daß in der Tat die Spins sich zunächst unabhängig vom Bahndrehimpuls zum Gesamtspin<br />
�S = �s 1 + �s 2 addieren. Aufgrund der � l � l– und �s�s–Kopplung ist die Spin–Bahn–Kopplung eines<br />
einzelnen Elektrons (�j = �l + �s) völlig aufgehoben.<br />
Erinnern wir uns nun an dieser Stelle an Kapitel 9.1. Dort war voraussgesetzt worden, daß die<br />
Spin–Bahn–Kopplungsenergie ∆E( �l�s) vernachlässigbar klein sein soll, um die Wellenfunktion ψ<br />
in Orts– und Spinfunktion zu separieren. d.h. explizit: ψA (1, 2) = ψS,A (�r 1 ,�r 2 ) · χA,S (�s 1�s 2 ). Das<br />
heißt die Eigenwerte von � Pr und � Ps sind gute Quantenzahlen. Solange also ∆E( �l�s) ≪ ∆EAust gilt, liegt LS–Kopplung vor.<br />
Wir erhalten bei der LS–Kopplung folgendes System der Werte der Quantenzahlen L, S und J:<br />
Abb. 9.5: Zur LS–Kopplung.<br />
� l1 + � l 2 = � L mit | � L| = � L(L +1)�<br />
L = l 1 + l 2 ,l 1 + l 2 − 1,...,|l 1 − l 2 |<br />
�s 1 + �s 2 = � S mit | � S| = � S(S +1)�<br />
s1 = 1<br />
2 m 1 = ± s1 2<br />
s2 = 1<br />
2 m 1 = ± s2 2<br />
d.h. Für S =0istJ = L und für S =1istJ = L +1,L,L− 1.<br />
Nomenklatur der Terme:<br />
Term n 2S+1 L J<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
�<br />
1, 0<br />
mS =<br />
−1, 0<br />
� S =1, 0<br />
�L + � S = � J mit | � J| = � J(J +1)�<br />
J = L + S, L + S − 1,...,|L − S|<br />
n : Hauptquantenzahl des am höchsten<br />
angeregten Elektrons<br />
L : Termcharakter: S, P , D, ...Term<br />
2S + 1: Multiplizität<br />
J : Gesamtdrehimpuls<br />
Zu den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten gehören auch die Auswahlregeln für die Dipolstrahlung.<br />
Sie ergeben sich streng durch Untersuchung der Dipolmatrixelemente für Zustände mit verschiedener<br />
Drehimpulskopplung. Es resultieren folgende Regeln:<br />
Allgemein gilt: ∆J = 0, ±1(0 �→ 0)<br />
∆m J = 0, ±1(0 �→ 0für ∆J =0)<br />
für LS–Kopplung: ∆L = 0, ±1(0 �→ 0)<br />
∆S = 0<br />
∆l = ±1 für das übergehende Elektron. Wir erhalten<br />
einen elektrischen Dipolübergang.<br />
Wäre ∆S �= 0,sofände ein Spin–Umklappprozeß statt. Wir erhielten dann einen magnetischen<br />
.
186 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
Dipolübergang. Für alle elektrische Dipolübergänge gilt: Paritätsänderung (vgl. dazu Kapitel<br />
3.3). Die Schreibweise 0 �→ 0sollheißeneinÜbergang von 0 nach 0 ist nicht zulässig.<br />
9.4 Schalenstruktur, allgemeine Regeln<br />
Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, welche Elektronenkonfiguration in Atomen möglich<br />
sind, welche besonders stabil sind und wie die Elektronen eines Atoms auf die Quantenzustände<br />
verteilt sind.<br />
Während die verschiedenen Elektronen in einem komplizierten Atom sicherlich auch miteinander<br />
wechselwirken, kann man einen Großteil der atomaren Struktur durch die einfache Annahme<br />
verstehen, daß sich jedes Elektron in einem konstanten mittleren Kraftfeld bewegt. Für ein<br />
gegebenes Elektron ist dieses Feld näherungsweise gleich dem elektrischen Feld der Kernladung<br />
Ze, vermindert um die teilweise Abschirmung durch die anderen Elektronen, die näher am<br />
Kern sind. Alle Elektronen, die dieselbe Hauptquantenzahl n besitzen, befinden sich im Mittel<br />
ungefähr im gleichen Abstand vom Kern. Diese Elektronen wechselwirken daher mit nahezu<br />
dem gleichen elektischen Feld und haben ähnliche Energien. Daher sagt man, daß diese Elektronen<br />
derselben atomaren Schale angehören. Schalen werden durch Großbuchstaben nach dem<br />
folgenden Schema bezeichnet:<br />
n = 1 2 3 4 5 ...<br />
K L M N O ...<br />
Die Energie eines Elektrons in einer bestimmten Schale hängt außerdem in einem gewissen Maße<br />
von seiner Bahndrehimpulsquantenzahl l ab, obwohl diese Abhängigkeit nicht so stark ist wie<br />
die Abhängigkeit von n.<br />
Elektronen, die in einer Schale denselben Wert von l haben, befinden sich in derselben Unterschale.<br />
Die Besetzungszahlen der Schalen und Unterschalen ergeben sich aus der in Kapitel 7.5.3<br />
erörterten Bedingung, daß zu jedem Wert n der Hauptquantenzahl n−1verschiedene Werte l der<br />
Bahndrehimpulsquantenzahl gehören und zu jedem Wert l wiederum 2l+1verschiedene magnetische<br />
Quantenzahlen m l .Für jede Kombination dieser Zahlen sind zwei verschiedene magnetische<br />
Spinquantenzahlen m s möglich. Damit sind zu jeder Hauptquantenzahl 2n 2 Zustände besetzbar,<br />
d.h. jede Periode enthält 2n 2 Elemente. Für die Hauptquantenzahlen: 2, 3, 4, 5 ergeben sich<br />
daraus die Periodenlängen: 2, 8, 32, 50. Mit dem Pauli–Prinzip erhalten wir folgende Tabelle:
9.4. Schalenstruktur, allgemeine Regeln 187<br />
n<br />
1<br />
l<br />
0<br />
ml 0<br />
ms ±1/2<br />
Elektronenzahl<br />
2<br />
Konfiguration<br />
1s<br />
Name der Schale<br />
2 K–Schale<br />
2 0 0 ±1/2 +2<br />
1 ±1/2 2s2p6L–Schale 1 0 ±1/2 +3· 2<br />
−1 ±1/2<br />
3 0 0 ±1/2 +2<br />
1 ±1/2<br />
1 0 ±1/2 +3· 2<br />
−1 ±1/2<br />
2 ±1/2 3s2p6d10 M–Schale<br />
1 ±1/2<br />
2 0 ±1/2 +5· 2<br />
−1 ±1/2<br />
−2 ±1/2<br />
Es zeigt sich, daß ein Abschluß von Teilschalen, das heißt eine Besetzung aller Zustände<br />
mit gleichem l bei gegebenem n zu besonders stabilen Elektronenkonfigurationen führt. Das<br />
wird verständlich, wenn wir uns klar machen, daß für abgeschlossene, d.h. maximal besetzte<br />
Teilschalen sich die Drehimpulse und magnetische Momente zu Null addieren.<br />
• Hundsche Regeln:<br />
1. Aufgefüllte Schalen tragen weder zu L noch zu S bei. Die Bahndrehimpulse und Spins<br />
der Elektronen der aufgefüllten Schalen kompensieren sich also gegenseitig.<br />
2. Zustände mit der höchsten Multiplizität liegen energetisch am tiefsten. Der Grund<br />
dafür liegt in der gegenseitigen Abstoßung der atomaren Elektronen. Wegen dieser<br />
Abstoßung ist die Energie des Atoms um so größer, je weiter die Elektronen im Atom<br />
voneinander entfernt sind. Die Elektronen in derselben Unterschale mit demselben<br />
Spin müssen verschiedene ml –Werte besitzen und werden daher durch Wellenfunktionen<br />
beschrieben, deren räumliche Verteilungen verschieden sind. Elektronen mit<br />
parallelen Spins sind daher im Raum weiter voneinander entfernt, als wenn sie antiparallele<br />
Spins hätten; daher ist diese Anordnung die stabilere.<br />
3. Bei der Realisierung des größten Wertes von S werden unter Beachtung des Pauli–<br />
Prinzips die Elektronen so über die magnetischen Subzustände einer l–Schale verteilt,<br />
daß der Betrag der resultierende z–Komponente von � L, | � Lz | = � ml� = mL�,ein Maximum wird. Die resultierende Gesamt–Drehimpulsquantenzahl L ist damit gleich<br />
|mL |: L = |mL |. Bei gleicher Multiplizität liegen deshalb die Zustände energetisch<br />
umso tiefer, je größer L ist. Für �l 1 � �l 2 erhalten wir den tiefsten Zustand, weil er die<br />
kleinste Coulombabstoßung hat. Die quantenmechanische Behandlung beschreibt im<br />
Grunde das gleiche, nämlich die Deformation der Ladungswolke des einen Elektrons<br />
durch das andere. Auch hier ergibt sich die geringste Coulombenergie für das größte<br />
L.<br />
4. Bei Feinstrukturtermen, d.h. Berücksichtigung der Spin–Bahn–Kopplung, gilt: In<br />
” normalen“ Multipletts liegen die Terme mit der kleinsten Quantenzahl J energetisch
188 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />
am tiefsten, sonst ist es umgekehrt. ” Normal“ heißt hier, daß die Teilschalen weniger<br />
als zur Hälfte besetzt sind.<br />
• Die Landésche Intervallregel für Feinstrukturterme besagt, daß der Abstand zweier Terme<br />
jeweils proportional zum größeren der beiden Gesamtdrehimpulse der Terme ist.<br />
Die Aufspaltungsenergie ergibt sich in Analogie zu der in Kapitel 6.5 berechneten Gle-<br />
ichung. Es gilt also: ∆E J = F (r)( � S · � L), wobei F (r) ∼ 1<br />
r<br />
· dV (r)<br />
dr . Die dort angestellten<br />
Überlegungen gelten sinngemäß auch für Mehrelektronensysteme mit LS–Kopplung. Die<br />
Funktion F (r) kann nicht mehr analytisch in einfacher Form ausgedrückt werden. Wir<br />
erhalten<br />
∆E J ∼〈 � L · � S〉 =[J(J +1)− L(L +1)− S(S +1)].<br />
Für den Abstand zweier benachbarter Feinstrukturterme ergibt sich nun:<br />
∆E J+1 − ∆E J ∼ (J +1)(J +2)− J(J +1)=2(J +1).<br />
• Zum Schluß sein noch eine ganz allgemeine Regel vermerkt:<br />
Die Regel der alternierenden Multiplizität, nach der bei aufeinanderfolgenden Atomen mit<br />
je um eine Einheit steigenden Z gerade und ungerade Multiplizitäten bei der Feinstruktur<br />
alternieren:<br />
– Einelektronensysteme: Dublett<br />
– Zweielektronensysteme: Singulett und Triplett<br />
– Dreielektronensysteme: Dublett und Quartett ...<br />
9.5 jj–Kopplung, Innere Schalen<br />
Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie steigt mit Z 4 ! (vgl. (6.6.1)). Also ist bei schweren Atomen<br />
∆E (ee–Wechselwirkung) ≫ ∆E( � l · �s) nicht mehr erfüllt. Jetzt ist die Ladung des Kerns groß<br />
genug, so daß eine Spin–Bahn–Wechselwirkung zustande kommt, die mit den elektrostatischen<br />
Wechselwirkungen zwischen den � l i und den �s i vergleichbar wird, und das LS–Kopplungsschema<br />
beginnt zu versagen. (Ein ähnliches Versagen tritt in starken äußeren Magnetfeldern (von der<br />
Größenordnung 10 T) auf, wodurch der Paschen–Back–Effekt in den Atomspektren hervorgerufen<br />
wird (vgl. Kapitel 10.5)). Dabei koppeln die Gesamtdrehimpulse �j i der einzelnen Elektronen<br />
direkt zum Gesamtdrehimpuls � J des Atoms, eine Situation, die als jj–Kopplung bezeichnet<br />
wird, weil jedes �j i durch eine Quantenzahl j beschrieben wird.
9.5. jj–Kopplung, Innere Schalen 189<br />
Es gilt<br />
�s i + � l i = �j i =⇒ � J = � �ji .<br />
Ein Beispiel für fast reine jj–Kopplung ist bei Blei (Pb) die<br />
Konfiguration 6p 7s. Für reine jj–Kopplung wäre das p–<br />
Elektron j 1 =3/2oder1/2, für das s–Elektron j 2 =1/2, so daß<br />
die möglichen Werte 3/2 ± 1/2 = 2 oder 1und 1/2 ± 1/2 =1<br />
oder 0 sind. Die starke Spin–Bahn–Wechselwirkung (∼ Z 4 )<br />
spaltet die Zustände j 1 =3/2 und j 1 =1/2 weit auf. Jeder<br />
dieser Zustände besitzt eine Dublettfeinstruktur infolge der<br />
elektrostatischen Kopplungsenergie (jj–Kopplungsenergie) des<br />
zweiten Elektrons mit j 2 =1/2.<br />
1 P1<br />
1 P012<br />
L-S j-j (3/2, 1/2)1<br />
C<br />
2p3s<br />
Si<br />
3p4s<br />
Ge<br />
4p5s<br />
Sn<br />
5p6s<br />
Pb<br />
6p7s<br />
(3/2, 1/2)2<br />
(1/2, 1/2)1<br />
(1/2, 1/2)0<br />
Abb. 9.7: Energieterme des Zustandes (n, p) (n +<br />
1,s)der Elemente der 4. Kolonne des periodischen<br />
Systems. Man sieht den Übergang von der LS–<br />
Kopplung zur jj–Kopplung.<br />
Abb. 9.6: Zur jj–Kopplung.<br />
Es tritt die gleiche Anzahl von Feinstrukturzuständen<br />
auf, nur in anderer Anordnung.<br />
Natürlich gilt zur Kennzeichnung der Terme jetzt<br />
die LS–Notation nicht mehr, denn ein resultierender<br />
Bahndrehimpuls ist hier nicht mehr definiert. Es<br />
gibt deshalb keine Termsymbole S, P , D usw..<br />
Man führt aus diesem Grund eine jj–Notation ein,<br />
wobei die Terme nach dem Muster (j 1 ,j 2 ) J bezeichnet<br />
sind. Eine reine jj–Kopplung tritt selten<br />
auf. Häufig dagegen die intermediäre Kopplung:<br />
Übergänge von der LS– zurjj–Kopplung.<br />
Wie stark der LS–Anteil vorhanden ist, läßt sich aus der Untersuchung der Feinstrukturintervalle<br />
bestimmen.<br />
Je weniger streng die reine LS–Kopplung ist, desto weniger streng gilt das Interkombinationsverbot<br />
∆S = 0. Bei Quecksilber beobachtet man eine starke Interkombinationslinie 6 3P → 6 1S. Dies bedeutet aber nicht, daß es sich hier um einen magnetische Dipolübergang handelt, sondern<br />
um die schon starke jj–Beimischung!<br />
Für die Übergänge bei reiner jj–Kopplung gelten folgende Auswahlregeln:<br />
Allgemein: ∆J = 0, ±1(0 �→ 0)<br />
∆m J = 0, ±1(0 �→ 0für ∆J =0)<br />
Für die jj–Kopplung: ∆j = 0, ±1 für ein Elektron,<br />
∆j = 0 für alle anderen.<br />
Für die inneren Elektronen schwerer Atome ist die jj–Kopplung in Reinkultur erfüllt: Röntgenspektren<br />
zeigen jj–Feinstruktur (vgl. dazu Kapitel 6.8).
Kapitel 10<br />
Atome in äußeren Feldern<br />
10.1 Normaler Zeeman–Effekt<br />
Bringt man eine Lichtquelle in ein Magnetfeld, so spalten sich die Spektrallinien auf. Dies ist<br />
eine Folge der Aufspaltung der Terme: Es wird die m–Entartung aller Energieterme aufgehoben.<br />
Bei einem schwachen Magnetfeld erhalten wir den Zeeman–Effekt. Schwach“ heißt, daß die<br />
”<br />
vom äußeren Feld bewirkte magnetische Energie Wpot viel kleiner sein soll als die Spin–Bahn–<br />
Kopplungsenergie VLS . Den klassisch erklärbaren Fall nennt man normalen Zeeman–Effekt.<br />
Klassisch ist er genau dann erklärbar, wenn kein Spin beteiligt ist, d.h. S = 0, also bei Singulett–<br />
Termsystemen. Die Aufspaltung im starken Feld heißt Paschen–Back–Effekt und wird in Kapitel<br />
10.3 behandelt.<br />
Die klassische Erklärung des normalen Zeemaneffektes erfolgte durch Lorentz (vgl. dazu Kapitel<br />
3.4).<br />
Wenden wir uns nun der quantenmechanischen Erklärung zu. Wir werden gleich sehen, daß<br />
der klassische anomale“ Effekt eigentlich der quantenmechanische Normalfall ist, und sich<br />
”<br />
umgekehrt der normale Effekt in Ausnahmesituationen ergibt. Trotzdem hat natürlich der Erfolg<br />
der Lorentzschen Theorie außerordentlich viel dazu beigetragen, die Atomspektren auf die<br />
Eigenschaften von Elektronenzuständen zurückzuführen.<br />
Quantenmechanisch erwartet man beim Einschalten eines äußeren � B–Feldes eine magnetische<br />
Zusatzenergie Wpot . Nun soll B so klein sein, daß Wpot ≪ VLS ist, d.h. wir beschränken uns<br />
auf die Linienaufspaltung im schwachen Feld“. Dann darf W<br />
” pot als Störung behandelt werden,<br />
die die Spin–Bahn–Wechselwirkung von � L und � S zu � J nicht beeinträchtigt. Das resultierende<br />
magnetische Dipolmoment �µ J stellt sich nun quantisiert in Richtung zu dem von außen angelegten<br />
Feld � B ein. Wir erhalten die magnetische Zusatzenergie nach (6.1.1):<br />
W pot = E B = −�µ J · � B.<br />
Das resultierende magnetische Moment �µ J ist gegeben durch<br />
�µ J = �µ L + �µ S = − µ B<br />
�<br />
190<br />
� �<br />
g �<br />
LL + gSS�
10.2. Anomaler Zeeman–Effekt 191<br />
Wir behandeln zunächst den Normalen Zeeman–Effekt, betrachten also nur Singulettzustände,<br />
bei denen S = 0 und J = L ist. Damit<br />
�µ J = − µ B<br />
� gL · � L = �µ L<br />
Die magnetische Zusatzenergie ergibt sich somit zu<br />
E B = −�µ L · � B = g L µ B<br />
�L<br />
� � Lz B = gL µ B<br />
� B = gL µ BmLB Zu jeder der 2L + 1Einstellmöglichkeiten von �µ L im Magnetfeld gehört ein verschiedener<br />
Energiewert des ” richtunggequantelten“ Atoms. Nun unterscheiden sich die benachbarten<br />
Termkomponenten im Magnetfeld um<br />
Abb. 10.1: Termaufspaltung von L =2.<br />
Abb. 10.2: Termaufspaltung und Übergänge beim normalen<br />
Zeeman–Effekt. Jeder der drei Gruppen zusammenfallender<br />
Übergänge entspricht eine der beobachteten Triplettkomponenten.<br />
∆E B = g L µ B B<br />
∆E B = µ B B da g L =1.<br />
Wir erhalten also eine äquidistante<br />
Aufspaltung.<br />
Für spinlose Atome (Singulett–Terme)<br />
ist die magnetische Aufspaltung unabhängig<br />
von L = J!<br />
Damit ergibt sich nebenstehende Termaufspaltung<br />
(vgl. Abb. 10.2) und<br />
mit<br />
∆J =0, ±1;<br />
∆m J =0, ±1<br />
die Zahl der Übergänge.<br />
Die Übergänge zwischen den Komponenten<br />
verschiedener Terme mit gleichen<br />
∆m J fallen energetisch zusammen,<br />
weil die Aufspaltung gleich groß<br />
ist.<br />
Wie hängt nun die klassische (Erklärung vgl. Kapitel 3.5) und die quantenmechanische Erklärung<br />
zusammen?<br />
Wir erinnern uns an die Winkelfunktionen beim H–Atom (vgl. Abb. 7.21).<br />
Ein ∆m =0–Übergang entspricht Dipoländerung in z–Richtung. Wir beobachten eine linear<br />
polarisierte Linie.<br />
Ein ∆m =1–Übergang entspricht Dipoländerung in der x–y Ebene. Diese Linien sind zirkular<br />
polarisiert.<br />
10.2 Anomaler Zeeman–Effekt<br />
Beim anomalen Zeeman–Effekt betrachten wir auch alle Nicht–Singulett–Terme, so daß<br />
�J = � L + � S ,also� J �= � L
192 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />
und deshalb im Gegensatz zu Kapitel 10.1<br />
�µ J = − µ B<br />
�<br />
Abb. 10.3: Vektordiagramm zur<br />
Berechnung des Zeeman–Effekts.<br />
� �<br />
g �<br />
lL + gsS� = − µ � �<br />
B �L +2S� =<br />
�<br />
−µ � �<br />
B �S + J�<br />
mit gL = 1und gS =2.<br />
�<br />
Die beiden Vektoren � L und � S koppeln zu � J unter dem Einfluß<br />
von V LS . Dies ist die stärkere der beiden magnetischen Wechselwirkungen.<br />
Sie übt ein Drehmoment auf die beiden Vektoren<br />
�L und � S aus, so daß deren Erwartungswerte, genau wie der<br />
analoge klassische Vektor, um die Richtung der Bewegungskonstanten<br />
� J präzedieren, mit einer Frequenz ω L = V LS /�, die<br />
durch die Wechselwirkungsenergie gegeben ist. Das ist eine relativ<br />
schnelle Präzessionsbewegung. Die Kopplung der Drehimpulsvektoren<br />
ist in Abb. 10.3 nach oben hin aufgetragen. Nach<br />
unten sind in umgekehrter Richtung die zugehörigen Vektoren<br />
der magnetischen Momente eingezeichnet.<br />
Da nun wegen des g–Faktors des Elektrons der Spinvektor � S<br />
mit dem Faktor 2 zu �µ J beiträgt, steht zwar �µ L in Richtung<br />
von � L, und �µ S in Richtung von � S,nichtaber�µ J in Richtung<br />
von � J, sondern hat die eingezeichnete Richtung und Länge.<br />
Da � L und � S mit fester Phase gekoppelt sind, präzediert auch �µ J schnell um die (schwach gezeichnete)<br />
Richtung von � J. Die Komponente von �µ J in Feldrichtung zeigt daher eine schnelle<br />
Variation und wir können zur Berechnung der magnetischen Energie den zeitlichen Mittelwert<br />
�µ J über viele Präzessionsumläufe nehmen. Er ist, wie die Figur zeigt, gleich der Projektion von<br />
�µ J auf die Richtung von � J. Es ist also �µ J der effektive Vektor, auf den � B wirkt. Das resultierende<br />
Drehmoment führt zu einer Präzession von � J um die z–Achse, die aber wegen E B ≪ V LS nun<br />
vergleichsweise langsam ist. Die hier verwendete Näherung für ein schwaches Feld besteht also<br />
darin, daß man während eines langsamen Umlaufs von � J um � B über die vielen schnellen Umläufe<br />
von �µ J um � J mittelt. Das gemittelte magnetische Moment hat den Betrag:<br />
�<br />
�µ J = |�µ J |·cos �µ J , � �<br />
J · � J<br />
| � J| = |�µ J |<br />
= − µ B<br />
�J 2<br />
�<br />
( � L +2� S)( � L + � �<br />
S)<br />
�<br />
�µ J<br />
|�µ J | · � J<br />
· � J = − µ B<br />
�J 2<br />
| � J |<br />
�<br />
· � J<br />
| � 1<br />
=<br />
J| J 2<br />
�<br />
�µ J · � �<br />
J · � J<br />
�<br />
L 2 + � L · � S +2 � L · � S +2S 2� � J.<br />
Mit � J = � L + � S � J 2 = L2 + S2 +2� L · � S folgt:<br />
�µ J = − µ B<br />
�J 2<br />
�<br />
L 2 +2S 2 +3 1<br />
2 (J 2 − L 2 − S 2 =<br />
�<br />
) �J<br />
− µ B<br />
�J 2<br />
�<br />
J 2 + 1<br />
2 (J 2 + S 2 − L 2 =<br />
�<br />
) �J<br />
− µ �<br />
B<br />
1+<br />
�<br />
J 2 + S2 − L2 2J 2<br />
�<br />
�J<br />
Wir gehen nun zum Erwartungswert über, und erhalten, indem wir wie früher statt der Opera-
10.3. Paschen–Back–Effekt 193<br />
toren die Eigenwerte einsetzen, also �2J(J + 1) statt � J 2<br />
usw. . Damit<br />
〈 �µ J 〉 = − µ �<br />
�<br />
B J(J +1)+S(S +1)− L(L +1)<br />
1+ 〈<br />
�<br />
2J(J +1)<br />
� �� �<br />
=gJ �= Landéscher g–Faktor<br />
� J 〉 (10.2.1)<br />
〈�µ J 〉 = − µ BgJ � 〈 � J 〉 (gemitteltes magnetisches Moment).<br />
Wird nun das Magnetfeld eingeschaltet, so präzediert � J um � B. Die Zusatzenergie ist dann<br />
E B = −〈�µ J 〉· � B = −〈�µ J 〉 z B,<br />
wobei wir 〈 � J〉· � B = 〈J z 〉B gesetzt haben. Mit Obigem folgt dann:<br />
E B = µ B g J<br />
� 〈J z 〉B = µ B g J<br />
� m J �B<br />
E B = µ B g J m J B .<br />
Wiederum spaltet jeder Term in 2J +1 äquidistante ” Magnetterme“ auf. Weiter hängt die<br />
Aufspaltung vom Landé–Faktor g J ,derfür jedes Niveau verschieden sein kann, ab. Es ist:<br />
∆E B = µ B g J B<br />
Abb. 10.4: Anomaler Zeeman–Effekt. Aufspaltung der Linien D1 und D2 des neutralen Na–Atoms.<br />
Dies ist das Aufspaltungsbild des Na D–Feinstruktur–Dubletts in 6+4 Linien. Die Polarisationen<br />
und die Ausbreitungsrichtungen von π und σ–Licht verhalten sich wie beim normalen Zeeman–<br />
Effekt.<br />
Für den normalen Zeeman–Effekt (S =0)wirdgJ = 1 aus (10.2.1) und es gelten die Ausdrücke<br />
des letzten Abschnitts.<br />
10.3 Paschen–Back–Effekt<br />
Wie wir in Kapitel 10.1 erwähnt hatten, erhalten wir im ” starken“ Magnetfeld eine andere<br />
Aufspaltung, es tritt der Paschen–Back–Effekt auf. Die Frage ist nun, was ist ein ” starkes“
194 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />
Magnetfeld? Da die Spin–Bahn–Kopplungsenergie V LS mit wachsender Kernladungszahl (vgl.<br />
(6.6.1)) stark zunimmt, ist der Fall des starken Feldes bei leichten Atomen schon bei sehr viel<br />
kleineren Magnetfeldern erfüllt, als bei schwereren Atomen. So beträgt zum Beispiel die Spin–<br />
Bahn–Aufspaltung bei den Natrium–D–Linien 17.2cm −1 , bei den entsprechenden Linien des<br />
Lithium–Atoms 0.3cm −1 . Die Zeeman–Aufspaltung im äußeren Feld beträgt in beiden Fällen<br />
rund 1cm −1 bei einem äußeren Feld von 3 Tesla. Dieses Feld ist also für Lithium ein ” starkes“,<br />
und für Natrium noch ein ” schwaches“ Feld.<br />
B = 3 T = 30 kGauß<br />
V LS :3.7 · 10 −5 eV �=0.3cm −1 2.1 · 10 −3 eV �=17.2cm −1<br />
∆E B :1.7 · 10 −4 eV �=1.4cm −1 1.2 · 10 −4 eV �=1cm −1<br />
Li Na<br />
Abb. 10.5:<br />
Na.<br />
P nach S–Übergänge bei Li und<br />
” starkes“<br />
” schwaches“<br />
Feld Feld<br />
Auf jeden Fall ist ∆EB ∼ B. Wennnun∆EB≈VLS ist, geht das Feinstrukturbild verloren, der<br />
Zeeman–Effekt geht über in den Paschen–Back–Effekt.<br />
Am einfachsten ist wieder das Extrem: Die Energie ∆EB im äußeren Feld soll sehr groß sein gegen VLS , also<br />
ωB ≫ ωLS . Dann wird nämlich durch das Magnetfeld die<br />
LS–Kopplung gelöst, so daß nicht mehr � L und � S gemeinsam<br />
um � J und dieses um die Feldrichtung präzessieren.<br />
�L und � S sind nun vielmehr entkoppelt und präzessieren<br />
nach Abb. 10.6 einzeln um die Feldrichtung, d.h. die<br />
Wellenfunktionen faktorisiert wieder in eine Raumfunktion<br />
Y M L und eine Spinfunktion χ(� S).<br />
Da wir jetzt keine LS–Kopplung zu berücksichtigen<br />
brauchen, ergibt sich die z–Komponente von �µ direkt,<br />
µ z = − µ B<br />
� (Lz +2Sz ),<br />
z<br />
Sz �S<br />
Lz �µ S<br />
�L<br />
und daraus ergibt sich die entsprechende magnetische<br />
Zusatzenergie<br />
�µ L<br />
EB = −µ zB = µ B<br />
� B(Lz +2Sz )=µ BB(mL +2mS ) .<br />
Somit beträgt die Aufspaltungsenergie ∆EB der Spektrallinien<br />
∆E B = µ B · B (∆m L +2∆m S ) .<br />
Abb. 10.6: Zum Paschen–Back–Effekt.<br />
Für optische Übergänge gelten wiederum Auswahlregeln, nämlich wie bereits früher ∆m L =0, ±1<br />
für π– bzw.σ–Übergänge. Da elektrische Dipolstrahlung nicht mit Spinumkehr verbunden ist,<br />
gilt ferner ∆m S = 0. Es ergibt sich ein Aufspaltungstriplett wie beim normalen Zeeman–Effekt.<br />
Man erhält im Paschen–Back–Gebiet (und im Übergangsgebiet) wiederum die gleiche Anzahl<br />
von Termen, wie beim normalen Zeeman–Effekt, aber in anderer Kopplung, d.h. mit anderen<br />
Quantenzahlen.
10.4. Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische Atome, Starkeffekt 195<br />
Abb. 10.7: Übergang vom anomalen<br />
Zeeman–Effekt zum Paschen–Back–<br />
Effekt. Beim Zeeman–Effekt gibt das<br />
Produkt mJ · gJ die relative Weite<br />
der Aufspaltung an; beim Paschen–<br />
Back–Effekt wird sie von der Summe<br />
(mL +2mS)bestimmt.<br />
Das Verhalten im Übergangsgebiet beschreibt die sogenannte Breit–Rabi–Formel. Sie soll hier<br />
nicht angegeben werden. Als wichtige Regel gilt: Terme mit gleichem |m| kreuzen nicht.<br />
Für Atome mit reiner jj–Kopplung und insbesondere mit intermediärer Kopplung (LS–jj) sind<br />
die Verhältnisse im Magnetfeld kompliziert.<br />
10.4 Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische<br />
Atome, Starkeffekt<br />
Einen ersten Hinweis für die Deutung der dia– und paramagnetischen Erscheinungen lieferte die<br />
durch die Erfahrung gesicherte Tatsache, daß Edelgase ausnahmslos diamagnetisch und Alkalidämpfe<br />
paramagnetisch sind. Das äußerste Elektron in der Hülle eines Alkali–Atoms ist stets<br />
ein s–Elektron mit Bahndrehimpuls l = 0 und dem Spindrehimpuls �s, derbezüglich eines Magnetfeldes<br />
nur die beiden Komponenten sz = ± 1<br />
2� besitzen kann. Auch das damit verbundene<br />
magnetische Moment besitzt in Feldrichtung nach der Tabelle in Kapitel 6.11 nur zwei mögliche<br />
Komponenten:<br />
µ sz = ±µ B .<br />
Diese Komponenten besitzt auch das Atom als Ganzes, wie aus dem Stern–Gerlach–Versuch und<br />
der Aufspaltung der s–Niveaus in einem Magnetfeld hervorgeht.<br />
Deshalb hat der Atomrumpf wegen der abgeschlossenen Edelgaskonfiguration kein magnetisches<br />
Moment und besitzt auch keinen Drehimpuls. Dies wird durch den Stern–Gerlach–Versuch<br />
bestätigt. Diamagnetische Atome haben im Grundzustand J =0(L =0,S = 0) und zeigen für<br />
alle Übergänge zum Grundzustand im Magnetfeld das normale Zeeman-Triplett.<br />
Bei allen Atomen induziert ein äußeres Magnetfeld ein magnetisches Dipolmoment: �µ ind ∼−� B.<br />
Für das einzelne Atom bedeutet das eine Zusatzenergie<br />
W ind ∼ B 2 .
196 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />
Wegen der Proportionalität zu B 2 nennt man diesen Effekt auch den quadratischen Zeeman–<br />
Effekt. Der Effekt wird umso größer sein, je größer der magnetische Fluß und damit die<br />
Atomfläche (d.h. r 2 ∼ n 4 )ist.<br />
W ind ∼ n 4 B 2 .<br />
Paramagnetische Atome sind solche Atome mit J �= 0 im Grundzustand.<br />
Im äußeren Magnetfeld tritt die Zeeman–Aufspaltung des Grundzustandes auf. Wegen der<br />
unterschiedlichen Besetzung der Zeeman–Terme im thermischen Gleichgewicht erhält man ein<br />
makroskopisches, magnetisches Dipolmoment. Dies wird bei starken Magnetfeldern, u.a. bei<br />
Rydbergzuständen beobachtet.<br />
Wie steht es mit der Wechselwirkung in elektrischen Feldern? (Stark–Effekt) Der Effekt ist meist<br />
sehr klein, so daß seine Beobachtung hohe Felder und hohe spektrale Auflösung erfordert. Die<br />
Quantenmechanische Behandlung des Stark–Effekts ist sehr viel komplizierter als diejenige des<br />
Zeeman–Effekts, und da der Stark–Effekt für die Untersuchung der Eigenzustände eines Atoms<br />
nicht von Wichtigkeit ist, wollen wir hier nur kurz darauf eingehen. Hier beträgt die Zusatzenergie<br />
Aber wegen<br />
ist<br />
�<br />
〈�µ el 〉 = 〈e�x〉 = e<br />
W el = −�µ el · � E.<br />
W el = �µ el · � E =0.<br />
ψ ∗ (x)�xψ(x)dx =0<br />
Der Erwartungswert 〈�µ el 〉 verschwindet für Zustände definierter Parität, d.h. für Nicht–l–<br />
entartete Zustände, da dann ψ ∗ (x) · ψ(x) eine gerade Funktion in x ist. Da x natürlich eine<br />
ungerade Funtion ist, verschwindet dann das Integral � +∞<br />
−∞ dx.<br />
Wenn �µ el = 0 ist gibt es keine atomare Parelektrizität, (parelektrische Stoffe bestehen aus<br />
Molekülen, die entartet sind), also gibt es auch keine Energieaufnahme W el , die proportional<br />
zu � E ist. Aber ein Atom kann im elektrischen Feld polarisiert werden: Dielektrizität. Dann ist<br />
�µ el ∼ � E und W el = −�µ · � E ∼ E 2 . Die Terme spalten dann im elektrischen Feld auf. Dies nennt<br />
man den quadratischen Stark–Effekt. In der quantenmechanischen Beschreibung ergibt sich<br />
Wel = e 2 �<br />
2<br />
E<br />
ij<br />
|〈ψ j �xψ i 〉| 2<br />
E j − E i<br />
d.h. es müssen zwei Terme unterschiedlicher Parität ψ i und ψ j verbunden werden: Induziertes<br />
Dipolmoment! Eine Ausnahme ist der Wasserstoff. Hier sind die Terme bekanntlich j–entartet,<br />
d.h. 2 s 1/2 und 2 p 1/2 haben die gleiche Energie, d.h. die Wellenfunktionen haben keine definierte<br />
Parität, folglich kann ein permanentes elektrisches Dipolmoment existieren: Linearer Stark–<br />
Effekt.<br />
Ähnlich ist es auch mit den polaren Molekülen z.B. H 2 O: Entartete Zustände.<br />
,
10.5. Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz, Optisches Pumpen 197<br />
10.5 Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz,<br />
Optisches Pumpen<br />
Als Elektronenspinresonanz (ESR) bezeichnet man Übergänge zwischen den durch verschiedene<br />
Werte der magnetischen Quantenzahl m charakterisierten Energiezustände von Elektronen. Die<br />
Übergangsfrequenzen liegen bei den verwendeten Magnetstärken meistens im Bereich der Zentimeterwellen<br />
(Mikrowellen), im Gegensatz zum in Kapitel 10.1 besprochenene Zeeman–Effekt,<br />
bei dem die Übergänge im optischen Spektralbereich zu beobachten sind, d.h. bei denen sich<br />
nicht nur die magnetische Quantenzahl ändert.<br />
Paramagnetische Atome (J �= 0) zeigen im<br />
Grundzustand eine Zeeman–Aufspaltung im<br />
äußeren Feld. Der Termabstand beträgt<br />
∆E B = µ B · g J · B.<br />
Klassisch bedeutet dies, daß der Atomkreisel<br />
�J um die z–Richtung mit der Larmorfre-<br />
quenz:<br />
ωL = |�µ|| � B|<br />
| � J| = g �<br />
J J(J +1)µBB � =<br />
J(J +1)�<br />
∆E<br />
�<br />
Abb. 10.8: Aufspaltung im äußeren Feld.<br />
= γB (unabhängig von α) präzidiert.<br />
Wird jetzt senkrecht zu � B ein HF–Feld mit derselben Frequenz ωL = ∆E<br />
eingestrahlt, so<br />
�<br />
weitet sich der Winkel α auf und � J vollführt eine Spiralbahn. Denn stimmt die Frequenz ω des<br />
HF–Feldes mit der Präzessionsfrequenz ωL überein, so kommt es ständig zu einer Vergrößerung<br />
bzw. zu einer Verkleinerung des Neigungswinkels α, je nachdem ob das Feld in Phase oder in<br />
Gegenphase mit der Präzessionsbewegung ist.<br />
Im klassischen Kreiselmodell bewegt sich die Spitze des Kreisels auf einer Spiralbahn aus einer<br />
stabilen in eine andere stabile Lage. Im quantenmechanischen Bild hat der Spin nur diskrete<br />
stationäre Einstellmöglichkeiten im zeitlich konstanten Magnetfeld. In diesem Bild führt der<br />
Spin unter dem Einfluß des Wechselfeldes � B Übergänge zwischen diesen disketen Energieniveaus<br />
aus, d.h. er klappt von der einen Einstellrichtung in die Andere.<br />
Die ESR wurde 1945 von Zavoisky zum erstenmal beobachtet: Der Nachweis geschieht mittels<br />
Absorption aus dem Klystron–Mikrowellenfeld.<br />
Anwendung:<br />
• Zur Präzisionsbestimmung des g–Faktors des Elektrons,<br />
• zur Messung des g–Faktors von Atomen im Grundzustand zum Zwecke der Termanalyse,<br />
• zur Untersuchung von paramagnetischen Zuständen in Festkörpern: Leitungselektronen,<br />
paramagnetische Ionen in Kristallen u.ä. .<br />
Die unterschiedliche Polarisation der verschiedenen Zeeman–Komponenten kann man benutzen,<br />
um auch ohne die erforderliche spektrale Auflösung, oder wenn die Linienbreite zu groß ist, doch<br />
selektiv einzelne Zeeman–Niveaus des angeregten Zustands zu bevölkern. Dies ist der einfachste<br />
Fall des optischen Pumpens, dem wir uns zum Schluß noch zuwenden werden.
198 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />
Doppelresonanzmethode:<br />
Abb. 10.9: Zur Doppelresonanz: Es<br />
sind die drei Zeeman–Subniveaus des angeregten<br />
Zustand P1 dargestellt.<br />
Durch Einstrahlung von π–Licht werden Atome in den m J =<br />
0 Anregungszustand gehoben. Die so angeregten Atome<br />
emittieren wiederum π–Licht. Durch Einstrahlung eines<br />
HF–Feldes senkrecht zu � B kann man die Zeeman–Niveaus<br />
m =1,m = −1bevölkern. Das aus diesen Niveaus emittierte<br />
Licht ist aber zirkular polarisiert. Das Auftreten der<br />
zirkular polarisierten Emission kann somit zum Nachweis<br />
der Übergänge ∆m = ±1dienen.<br />
Nachweis der Resonanz also durch Beobachtung optischer<br />
Signale: Man erreicht dadurch eine wesentlich größere<br />
Empfindlichkeit, weil man die Hochfrequenzquanten mit<br />
kleiner Quantenenergie durch die viel energiereicheren<br />
Lichtquanten nachweist. Dadurch wird erst die Messung<br />
der Spinresonanz in einem kurzlebigen Anregungszustand<br />
möglich.<br />
Das Doppelresonanzverfahren führt schließlich zur Methode des optischen Pumpens. DasPrinzip<br />
des optischen Pumpens kann gut am Beispiel der Natrium–D–Linien erläutert werden, z.B. am<br />
Übergang vom Grundzustand 2 S 1/2 zum Anregungszustand 2 P 1/2 .<br />
Abb. 10.10: Optisches Pumpen am Übergang 2 S 1/2–<br />
2 P1/2 des Na–Atoms.<br />
In einem äußeren Magnetfeld sind beide Terme<br />
in die Zeeman–Terme m J = ±1/2 aufgespalten.<br />
Wenn nun das Anregungslicht zirkular polarisiert<br />
ist, wird beispielsweise mit σ + –Übergängen von<br />
m J = −1/2 im Grundzustand der Anregungszustand<br />
mit m J = +1/2 bevölkert. Emission aus<br />
diesem Zustand erfolgt entweder als σ + –Licht in<br />
den Ausgangsterm 2 S 1/2 , m J = −1/2 oderaber<br />
als π–Licht in den Grundzustandsterm mit m J =<br />
+1/2. Insgesamt wird durch diesen Pumpzyklus<br />
die Besetzung der Terme m J = +1/2 im<br />
Grundzustand auf Kosten derer mit m J = −1/2<br />
erhöht. Ein Ausgleich kann durch Relaxationsprozesse,<br />
z.B. durch Stöße der Natrium–Atome<br />
untereinander oder mit der Wand erfolgen. Wenn<br />
diese Prozesse nicht rasch genug sind, kann man<br />
durch Einstrahlen von Mikrowellen Übergänge in<br />
dem Grundzustand induzieren.<br />
THE END
Index<br />
Absorption, 75<br />
Absorptionskanten, 129<br />
Absorptionskoeffizient, 57<br />
Absorptionsspektrum, 47<br />
Alkali–Atome, 97<br />
Atome<br />
dielektrische, 195<br />
parelektrische, 195<br />
Atommasse<br />
absolute, 2<br />
Atommodell<br />
Bohr, 89<br />
Rutherford, 89<br />
Sommerfeld, 93<br />
Thomson, 53<br />
Atomspektren, 47<br />
Aufenthaltswahrscheinlichkeit, 141<br />
Aufspaltungsenergie, 171<br />
Auger–Effekt, 101, 102<br />
Auger–Elektronen, 102<br />
Austrittsarbeit, 79<br />
Auswahlregel, 99<br />
Bahndrehimpuls, 119<br />
Bahndrehimpulsquantenzahl, 95, 115<br />
Balmerformel, 50<br />
barometrische Hohenformel, 4<br />
Bohrsche Hauptquantenzahl, 94<br />
Bohrscher Radius, 91<br />
Bohrsches Korrespondenzprinzip, 93<br />
Bohrsches Magneton, 112, 113<br />
Bohrsches Wasserstoff–Atom, 90<br />
Bolzmannscher Energieverteilungssatz, 4<br />
Bosonen, 177<br />
Bremsstrahlung, 46, 100<br />
Charakteristische Strahlung, 100<br />
Clebsh–Gordan–Koeffizienten, 171<br />
Compton–Effekt, 81<br />
199<br />
Comptonwellenlange, 81<br />
Coulombpotential, 158<br />
De Broglie–Beziehung, 134<br />
Diamagnetismus, 111, 195<br />
Dielektrizitat, 196<br />
Diffusionsstrom, 8<br />
Dipol<br />
elektrischer, 41<br />
magnetischer, 110<br />
Dipolmoment<br />
elektrisches, 41<br />
magnetisches, 109<br />
Dipolstrahlung, 41<br />
Dirac–Gleichung, 172<br />
Dispersion, 140<br />
anomale, 57<br />
normale, 57<br />
Doppelbrechung, 59<br />
Doppelfokussierung, 24<br />
Doppelresonanz, 197<br />
Doppelresonanzmethode, 198<br />
Drehimpulskopplungskoeffizienten, 171<br />
Drehimpulsoperator, 166<br />
Dualismus Welle–Teilchen, 134<br />
Dublett, 100, 128<br />
Eigendrehimpuls, 117<br />
Eigenfunktion, 161<br />
Eigenwert, 161<br />
Eigenwertgleichung, 162<br />
Einsteinkoeffizienten, 76<br />
Elektro–optischer Effekt, 62<br />
Elektron<br />
Impuls, 135<br />
Ruhenergie, 82<br />
Elektroneninterferenz, 134<br />
Elektronenspinresonanz, 197<br />
Elementarladung, 21
200 Index<br />
Emission<br />
erzwungene, 76<br />
spontane, 75<br />
Emissionsspektren, 47<br />
Emissionsvermogen<br />
spektrales, 71<br />
Energiedichte, 35, 70, 134<br />
mittlere, 36<br />
Energieeigenfunktionen, 167<br />
Energieflusdichte, 35, 40, 135<br />
Energiestromvektor, 35<br />
Energieverlust<br />
spezifischer, 108<br />
Erwartungswert<br />
quantenmechanischer, 164<br />
Eulersche Wellengleichung, 33<br />
Extinktion, 63<br />
Extinktionskoeffizient, 63<br />
Faradaysches Gesetz, 9<br />
Feinstrukturaufspaltung, 119, 171<br />
Feinstrukturkonstante<br />
Sommerfeld, 91, 96<br />
Fermionen, 177<br />
freie Weglange, 19<br />
Gesamtdrehimpulsvektor, 121<br />
Gesamtenergiedichte, 34<br />
Geschwindigkeitsfokussierung, 23<br />
g–Faktor, 113, 118<br />
Gleichverteilungssatz, 72<br />
Gruppengeschwindigkeit, 141<br />
gyromagnetsiches Verhaltnis, 110<br />
Hamilton–Gleichungen, 90<br />
Hamilton–Operator, 162<br />
Hamiltonfunktion, 73, 90, 162<br />
harmonischer Oszillator, 150<br />
Hauptquantenzahl, 115, 158<br />
Heisenbergsche Unscharferelation, 143<br />
hermitesche Operatoren, 164<br />
hermitesche Polynome, 151<br />
Hohlraum–Strahlung, 69<br />
Hundsche Regeln, 187<br />
Impuls<br />
generalisierter, 90<br />
Impulsdichte, 36<br />
Impulsspektrum, 143<br />
Impulsstromdichte, 36<br />
Impulsunscharfe, 150<br />
Impulswahrscheinlichkeit, 150<br />
Intensitat, 35<br />
Intensitatsverteilung<br />
spektrale, 68<br />
Interferenz, 134<br />
Interferenzgitter, 48<br />
Interferometer, 49<br />
Interkombinationsverbot, 182<br />
Ionisationsenergie, 21<br />
j–Entartung, 126<br />
jj–Kopplung, 188<br />
Kernkrafte, 89<br />
Kernmitbewegung, 92<br />
Kernradius, 89<br />
kinetische Gastheorie, 3<br />
Kirchhoffscher Strahlungssatz, 69<br />
Klein–Gordan–Gleichung, 172<br />
Kugelflachenfunktion, 156<br />
l–Entartung, 93<br />
Aufhebung, 97<br />
Laguerresche Polynome, 158<br />
Lamb–Shift, 123, 127<br />
Landésche Intervallregel, 188<br />
Landéscher g–Faktor, 113, 193<br />
Larmorfrequenz, 55, 109, 110, 197<br />
Larmorsche Strahlungsformel, 41, 46<br />
Legendresche Polynome, 155<br />
l–Entartung, 159<br />
magnetisches Moment, 115<br />
magnetisches Spinmoment, 119<br />
Magnetquantenzahl, 116<br />
Massenabsorptionskoeffizient, 103<br />
Massenspektroskopie, 22<br />
Maxwell–Relation, 34<br />
Maxwellscher Strahlungsdruck, 35<br />
Mittelung<br />
raumliche , 70<br />
Moseley–Gesetz, 101<br />
Mottformel, 130<br />
Mottstreuung, 130<br />
Multiplizität<br />
alternierende, 188<br />
Multiplizitat, 185
Index 201<br />
Multiplizitat, 127<br />
Nebenquantenzahl<br />
Sommerfeld, 95<br />
Nomenklatur der Terme, 127, 185<br />
Normierungsbedingung, 143<br />
Operatorgleichung, 161<br />
optische Aktivitat, 60<br />
optisches Pumpen, 197, 198<br />
Orthohelium, 182<br />
Ortsfunktion, 178<br />
Oszillator<br />
harmonischer, 150<br />
Parabelmethode, 23<br />
Parahelium, 182<br />
Paramagnetismus, 112, 195<br />
Parelektrizitat, 196<br />
Paritat, 173<br />
Paschen–Back–Effekt, 193<br />
Pauli–Prinzip, 180, 183<br />
Phasenraum, 73<br />
quantisierter, 93<br />
Photoeffekt, 79<br />
Photon<br />
Dichte, 135<br />
Drehimpuls, 77<br />
Energie, 135<br />
Spin, 77<br />
Teilchenstromdichte, 135<br />
Plancks Quantisierungsvorschrift, 73<br />
Polarisation, 131<br />
elekrische, 56<br />
Polarisationseffekte, 59<br />
Polarkoordinaten, 153<br />
Poyntingvektor, 135<br />
Prazessionsbewegung, 110<br />
Prazessionsfrequenz, 110<br />
Primarstrahlung, 55<br />
Prismen–Spektrograph, 47<br />
Quantendefekt, 100<br />
Quantenfluktuation, 82<br />
quantenmechanische Erhaltungsgrose, 172<br />
quantenmechanische Erwartungswerte, 138,<br />
145<br />
Quantenzahl j, 121<br />
Quantenzahlen, 133<br />
Quantisierungsbedingung, 90, 94<br />
Radialgleichung, 154<br />
Radialquantenzahl, 158<br />
Ramsauer–Effekt, 137<br />
Relaxationsprozesse, 198<br />
Resonanzfluoreszenz, 57<br />
retardierte Potentiale, 38<br />
retardierte Zeit, 38<br />
Richtungsfokussierung, 24<br />
Richtungsquantelung, 115, 116<br />
Ritzsches Kombinationsprinzip, 52<br />
Rontgenabsorption, 129<br />
Rontgenbremskontinuum, 80<br />
Rontgenemissionslinien, 128<br />
Rontgenfluoreszenz, 129<br />
Rotationsdispersion, 62<br />
Rutherfordsche Streuformel, 86, 130<br />
Rutherfordstreuung<br />
anomale, 89<br />
Rydberg<br />
Atome, 93<br />
Formel, 92<br />
Konstante, 50, 91<br />
Zustande, 93<br />
Schrodingergleichung<br />
zeitabhangige, 171, 172<br />
zeitunabhangige, 146, 172<br />
Schwarzer Korper, 68<br />
Sedimentationsgleichgewicht, 5<br />
Sekundarstrahlung, 55<br />
Serienformeln fur Natrium, 99<br />
Singulett, 179<br />
Slater–Determinante, 180<br />
Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, 91,<br />
96<br />
Sommerfeldsche Nebenquantenzahl, 95<br />
Spektralapparate, 47<br />
Spektrale Strarke, 139<br />
Spektraler Verschiebungssatz, 52<br />
Spektrales Absorptionsvermogen, 69<br />
spektrales Emissionsvermogen, 68<br />
Spektrum<br />
charakteristisches, 80<br />
wasserstoffahnliches, 52<br />
spezifische Masse, 25<br />
Spin, 116, 117
202 Index<br />
Spin–Bahn<br />
–Kopplung, 119<br />
–Kopplungsenergie, 123<br />
–Kopplungskonstante, 123<br />
Spinfunktion, 169, 178<br />
Spinquantenzahl, 118<br />
Stark–Effekt, 52<br />
quadratischer, 196<br />
Stefan–Boltzmann–Gesetz, 75<br />
Strahlungscharakteristik<br />
Dipol, 42<br />
Strahlungsdampfung, 69<br />
Strahlungsformel<br />
Planck, 77<br />
Rayleigh–Jeans, 72<br />
Wien, 72, 85<br />
Suszeptibilitat<br />
elektrische, 56<br />
Teilchengeschwindigkeit, 141<br />
Teilchenvertauschung, 176<br />
Thermisches Gleichgewicht, 70<br />
Thomasfaktor, 120<br />
Thomasprazession, 120<br />
Triplett, 179<br />
Ubergangswahrscheinlichkeit<br />
induzierte, 77<br />
Uberlappungsintegral, 163<br />
Ultraviolettkatastophe, 72<br />
Unscharferelationen<br />
Energie–Zeit, 79, 143<br />
Ort–Impuls, 79<br />
Ununterscheidbarkeit der Teilchen, 175<br />
Valenzelektronen, 97<br />
Vektorpotential, 36<br />
Verschiebungstrom, 8<br />
Versuch von<br />
Franck und Einsporn, 105<br />
Franck und Hertz, 104<br />
Lenard, 102<br />
Vertauschungsrelation, 165<br />
Warmestrahlungsspektren, 68<br />
Wasserstoff<br />
Feinstrukturformel, 126<br />
Wasserstoff–Spektrum, 50<br />
wasserstoffahnliches Spektrum, 52<br />
Wellenfunktion<br />
normierte, 141<br />
Wellengleichung, 134, 146<br />
Wellenpakete, 138<br />
Wienscher Verschiebungssatz, 75<br />
Winkelgleichung, 154<br />
Winkelverteilung, 16<br />
Wirkungsfunktion, 73, 90<br />
Wirkungsquerschnitt, 17<br />
Zeeman–Effekt, 54<br />
anomaler, 191<br />
normaler, 190<br />
quadratischer, 195<br />
Zusatzenergie<br />
magnetische, 194<br />
Zustandsdichte<br />
spektrale, 83<br />
Zustandsfunktion, 162
Literaturverzeichnis<br />
[1] Bergmann–Schäfer. Lehrbuch der <strong>Experimentalphysik</strong>, Band <strong>III</strong>, Optik, 8. Auflage, Walter<br />
de Gruyter Verlag 1987.<br />
[2] Feynman. Vorlesungen über Physik, Band I und II, 1. Auflage, Oldenbourg Verlag München,<br />
Wien 1987.<br />
[3] Gerthsen–Kneser–Vogel. Physik, 16. Auflage, Springer Verlag 1989.<br />
[4] Gönnenwein. Experimantalphysik, Band 2, Vieweg–Verlag.<br />
[5] Gradman–Wolter. Grundlagen der <strong>Atomphysik</strong>, 2. Auflage, Akademische Verlagsgesellschaft<br />
Wiesbaden 1979.<br />
[6] Haken–Wolf. Atom und Quantenphysik, 3. Auflage, Springer Verlag.<br />
[7] Hellwege. Einführung in die Physik der Atome, 4. Auflage, Springer Verlag Berlin Heidelberg<br />
New York 1974.<br />
[8] Huber–Staub. Physik <strong>III</strong>/1 <strong>Atomphysik</strong>, Ernst Reinhardt Verlag München 1970.<br />
[9] T. Mayer–Kuckuk. <strong>Atomphysik</strong>, 3. Auflage, B. G. Teubner Stuttgart 1985.<br />
[10] Schpolski. <strong>Atomphysik</strong> I, VEB Berlin 1983.<br />
[11] Sommerfeld. Atombau und Spektrallinien, Band I, 5. Auflage, Vieweg & Sohn Braunschweig<br />
1931.<br />
[12] Staudt. <strong>Experimentalphysik</strong> I, Attempto Verlag Tübingen.<br />
[13] Staudt. <strong>Experimentalphysik</strong> II, Attempto Verlag Tübingen.<br />
203
Konstanten<br />
Größe Formel– Zahlenwert Einheit relative<br />
zeichen Unsicherheit<br />
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c 299 792 458 ms−1 Null<br />
magnetische Feldkonstante µ0 4π × 10−7 NA−2 =12.566370614 ... 10<br />
Null<br />
−7NA−2 elektrische Feldkonstante, 1/µ0c2 ε0 8.854187817 ... 10−12 Fm−1 Null<br />
Planksches Wirkungsquantum h 6.6260755 (40)10−34 Js 6.0 × 10−7 4.1356692 (12)10−15 eV s 3.0 × 10−7 h/2π � 1.05457266 (63)10 −34 Js 6.0 × 10 −7<br />
6.5821220 (20)10 −16 eV s 3.0 × 10 −7<br />
Elementarladung e 1.60217733 (49)10 −19 C 3.0 × 10 −7<br />
e/� 2.41798836 (72)10 14 AJ −1 3.0 × 10 −7<br />
Bohr–Magneton, e�/2me µB 9.2740154 (31)10 −24 JT −1 3.4 × 10 −7<br />
Feinstrukturkonstante, 1<br />
2 µ0ce 2 /h α 7.29735308 (33)10 −3 4.5 × 10 −8<br />
Rydberg–Konstante, 1<br />
2 mecα2 /h R∞ 10 973 731, 534 (13)m −1 1.2 × 10 −9<br />
R∞c 3.2898419499 (39)10 15 Hz 1.2 × 10 −9<br />
Bohr–Radius, α/4πR∞ a0 0.529177249 (24)10 −10 m 4.5 × 10 −8<br />
Ruhemasse des Elektrons me 9.1093897 (54)10 −31 kg 5.9 × 10 −7<br />
5.48579903 (13)10 −4 u 2.3 × 10 −8<br />
0.51099906 (15)MeV 3.0 × 10 −7<br />
spezifische Elektronenladung −e/me −1.75881962 (53)10 11 Ckg −1 3.0 × 10 −7<br />
Compton–Wellenlänge des Elektrons, h/mec λC 2.42631058 (22)10 −12 m 8.9 × 10 −8<br />
λC/2π = αa0 = α 2 /4πR∞ ¯λC/2π 3.86159323 (35)10 −13 m 8.9 × 10 −8<br />
(klassischer)Radius des Elektrons, α 2 a0 re 2.81794092 (38)10 −15 m 1.3 × 10 −7<br />
magnetisches Moment des Elektrons µe 928.47701 (31)10−26 JT−1 3.4 × 10−7 µe/µB 1.001159652193 (10)1.0 × 10−11 µe/µN 1838.282000 (37)2.0 × 10−8 g–Faktor des Elektrons ge 2.002319304386 (20)1 × 10−11 Avogadro–Konstante NA 6.0221367 (36)10 23 mol −1 5.9 × 10 −7<br />
Faraday–Konstante F 96 485.309 (29)C mol −1 3.0 × 10 −7<br />
Universelle Gaskonstante R 8.314510 (70)J mol −1 K −1 8.4 × 10 −6<br />
atomare Masseneinheit, 1u = mu = 1<br />
12 m(12 C) u 1.6605402 (10)10 −27 kg 5.9 × 10 −7<br />
204