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Experimentalphysik III (Atomphysik)

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<strong>Experimentalphysik</strong> <strong>III</strong><br />

(<strong>Atomphysik</strong>)<br />

Wolgang Barth<br />

Peter Jesinger<br />

Michael Schumann<br />

Christian Waldenmaier


Die Verfasser:<br />

Wolfgang Barth<br />

Hohenneuffenstr. 9<br />

72587 Böhringen<br />

Tel.: 07382/1524<br />

Peter Jesinger<br />

Im Kalköfele 7<br />

73776 Altbach<br />

Tel.: 07153/27875<br />

Email: jesinger@uni-tuebingen.de<br />

Michael Schumann<br />

Im Schäfergarten 20<br />

72072 Tübingen–Bühl<br />

Christian Waldenmaier<br />

Schießgasse 31<br />

73574 Iggingen<br />

Tel.: 07175/372<br />

CIP–Titelaufnahme of se Tscherman librerie<br />

Hefe–Quartett<br />

Exphysik <strong>III</strong> für Freunde der Vorlesung ” <strong>Atomphysik</strong>“<br />

Tübingen: Null–Bock–Verlag<br />

ISBN xyz–unbekannt<br />

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />

der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung der Verfasser unzulässig<br />

und strafbar. Dies gilt besonders für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die<br />

Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

i


Vorwort<br />

Das vorliegende Skript zur <strong>Experimentalphysik</strong> <strong>III</strong> entstand nach einer Vorlage von Prof. Dr.<br />

G. Staudt. Es umfaßt den Stoff der Vorlesung <strong>Atomphysik</strong>, die von Prof. Baumann und Prof.<br />

Lutz momentan in Tübingen gehalten wird.<br />

Diese kompakte Darstellung setzt jedoch Kenntnisse aus der Mechanik und Elektrodynamik,<br />

sowie einige Grundbegriffe der Hamiltonschen Mechanik voraus. Bei der Gliederung des Stoffes<br />

wurde Wert auf die historische Entwicklung der Atommodelle gelegt. Deshalb wird der Leser<br />

auch nur langsam an die quantenmechanische Formulierung herangeführt, so daß die Einführung<br />

der Schrödingerschen Mechanik erst in Kapitel 7 nötig wird. Zusätzlich zur <strong>Atomphysik</strong> soll der<br />

Leser in Kapitel 8 mit den quantenmechanischen Begriffen, wie z.B. der Operatorenschreibweise<br />

vertraut gemacht werden. Zudem haben wir die Kapitel mit Sternchen versehen, die vom Leser<br />

bei der ersten Lektüre übergangen werden können.<br />

Mit dem vorliegenden Skript soll dem Studenten sowohl ein konzentriertes Folgen der Vorlesung,<br />

als auch eine bessere und gezieltere Prüfungsvorbereitung ermöglicht werden.<br />

Zur besseren optischen Gestaltung wurde das Textsatzsystem LATEX verwendet. Für Verbesserungsvorschläge,<br />

sowie Hinweise auf Fehler sind wir stets dankbar.<br />

Ganz herzlich danken wollen wir Herrn Prof. Dr. G. Staudt, der mit viel Geduld und Engagement<br />

uns jederzeit bei fachlichen Problemen behilflich war. Trotz Zeitmangel fand er immer<br />

noch genügend Zeit eine rasche inhaltliche Korrektur durchzuführen. Ohne ihn wäre eine<br />

Veröffentlichung nicht denkbar gewesen.<br />

Danken möchten wir auch unserem Kommilitonen Dietrich Coordes, der viel Arbeit in dieses<br />

für uns nie enden wollende Skriptum gesteckt hat und der einen entscheidenden Anteil am<br />

Grundgerüst dieses Werkes hatte.<br />

Last but not least möchten wir Rudolf Neu und Harald König für ihre Unterstützung, sowie<br />

Joachim Euchner für seine Mithilfe bei der Erstellung der Graphiken danken. Dank gilt außerdem<br />

unseren drei Rechtschreibfeen“ Ute Junger, Dietlind Straif und Heike Junger, die unser<br />

”<br />

” fehlerfreies“ Manuskript korrigierten.<br />

Tübingen, November 1990<br />

Älbler, Jazzy, Mütze, Quaddle<br />

(in alphabetic order)<br />

iii


Vorwort zur zweiten Auflage<br />

Aufgrund der unerwartet starken Nachfrage in Stuttgart und Tübingen wurde eine Neuauflage<br />

notwendig. Dadurch bot sich für uns die Gelegenheit didaktische und sachliche Verbesserungen<br />

vorzunehmen. Ebenso wurden Druck– und Flüchtigkeitsfehler verbessert, sowie, zum besseren<br />

Verständnis, zahlreiche Abbildungen verändert oder neu gezeichnet. Speziell in den Kapiteln 5<br />

und 6 haben wir einige Ergänzungen vorgenommen und Kapitel 9 völlig neu überarbeitet. An<br />

dieser Stelle möchten wir den Leser darauf hinweisen, daß es sich weiterhin um eine stark komprimierte<br />

Darstellung der <strong>Atomphysik</strong> handelt. Deshalb kann man auf ein simultanes Arbeiten<br />

mit Lehrbüchern nicht verzichten.<br />

Danken wollen wir Prof. Dr. G. Staudt, der uns mit seinen Korrekturen wiederum unermüdlich<br />

zur Seite stand. Dank gilt auch Dr. Kayser, der uns auf einige physikalische Fehler hingewiesen<br />

hat, sowie M. Leins und H. König, die uns bei Problemen stets zur Seite standen.<br />

Tübingen, August 1991<br />

Wolfgang, Peter, Michael, Christian<br />

iv


Inhaltsverzeichnis<br />

1 1<br />

1<br />

1<br />

1 1<br />

1 Größe und Masse von Atomen 1<br />

.1 Die Entstehung des Atombegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

1.2 Bestimmung von NA aus der kinetischen Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

1.3 Bestimmung von NA aus Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1.4 Bestimmung von NA aus Röntgenbeugung am Kristallgitter . . . . . . . . . . . . 0<br />

1.5 Größe der Atome aus Streuquerschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.6 Größe der Atome aus mittlerer freier Weglänge, Kovolumen, Röntgenbeugung . . 18<br />

.7 Wie groß sind Atome? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2 Atomistik der elektrischen Ladung 21<br />

2.1Elementarladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

2.2 Massenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

2.3 Spezifische Ladung e/m von Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2.4 Elektromagnetische Masse me = m(v); Klassischer Elektronenradius . . . . . . . 28<br />

3 Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie 32<br />

3.1Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

∗ 3.2 Die Erregung elektromagnetischer Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

3.3 Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

3.3.1 Elektrische Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

3.3.2 Magnetische Dipolstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

3.3.3 Unterschied zwischen elektrischer und magnetischer Dipolstrahlung . . . . 44<br />

3.3.4 Strahlung beschleunigter Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

3.4 Spektroskopische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

3.5 Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.5.1 Das Thomsonsche Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.5.2 Der Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

v


vi Inhaltsverzeichnis<br />

3.6 Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler . . . . . . . 55<br />

3.6.1Beugung, Brechung, Dispersion, Absorption, Resonanzfluoreszenz, Lebensdauer<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

3.6.2 Doppelbrechung, optische Aktivität, Faraday–Effekt . . . . . . . . . . . . 59<br />

3.6.3 Lichtstreuung, Streuung von Röntgenstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

3.7 Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld . . . . . 65<br />

4 Licht als Quantenerscheinung 68<br />

4.1Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz . . . . . . . . . 68<br />

4.2 Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift, Phasenraum . . . . . . . 72<br />

4.3 Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten . . 75<br />

4.4 Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

∗ 4.5 Dualismus Welle — Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

1<br />

1<br />

1<br />

5 Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld 86<br />

5.1 Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche Streuformel . . . . . . . . . . . . . 86<br />

5.2 Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren . . . . . . . . . . . 89<br />

5.3 Bohrsches Korrespondenzprinzip; Rydberg–Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

5.4 Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

5.5 Aufhebung der l–Entartung: Feinstruktur des Wasserstoff–Spektrums . . . . . . 96<br />

5.6 Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 97<br />

5.7 Röntgenspektren, Auger–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 00<br />

5.8 Anregung von Atomen durch Elektronenstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 02<br />

∗ 5.9 Energieverlust schneller Ionen in Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06<br />

1<br />

1 1<br />

1 1<br />

1 1<br />

1 1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

6Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung 109<br />

6.1Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches Verhältnis, Larmorfrequenz . . . . 09<br />

6.2 Bohrsches Magneton, g–Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

6.3 Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

6.4 Stern–Gerlach–Experiment, Spin, gs–Faktor, Einstein–de Haas–Effekt . . . . . . 6<br />

6.5 Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin . . . . . . 9<br />

6.6 Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift . 123<br />

6.7 Feinstruktur der Alkali–Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

6.8 Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten bei Absorption . . . . . 28<br />

∗ 6.9 Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen: Mott–Streuung . . . . . . . . . . . . . 30<br />

∗ 6.10 (gs − 2)–Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

6.11 Überblick über die Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33


Inhaltsverzeichnis vii<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

7 Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom 134<br />

7.1Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen . . . . 34<br />

7.2 Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

7.3 Wahrscheinlichkeit für Ort und Impuls eines Teilchens, Erwartungswert . . . . . 44<br />

7.4 Zeitunabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

7.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

7.5.1Masse m im Kastenpotential mit unendlich hohen Wänden . . . . . . . . 47<br />

7.5.2 Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

7.5.3 Das Wasserstoff–Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

8 Quantenmechanische Operatoren 161<br />

8.1Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen . . 161<br />

8.2 Der Drehimpulsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

8.3 Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

8.4 Zeitabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

8.5 Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

9 Mehrelektronensysteme 175<br />

9.1Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 175<br />

9.2 Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

9.3 LS–Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

9.4 Schalenstruktur, allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

9.5 jj–Kopplung, Innere Schalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

1<br />

1<br />

1 1<br />

1<br />

1<br />

10 Atome in äußeren Feldern 190<br />

10.1 Normaler Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

10.2 Anomaler Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

0.3 Paschen–Back–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

10.4 Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische Atome, Starkeffekt . . . . . 95<br />

10.5 Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz, Optisches Pumpen . . . . . . . . . . . 97<br />

Index 199<br />

Literaturverzeichnis 203<br />

Konstanten 204


viii Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1<br />

Größe und Masse von Atomen<br />

1.1 Die Entstehung des Atombegriffs<br />

Eine Atomvorstellung wurde zum ersten Male konkret von John Dalton 1808 formuliert:<br />

Jedes Element besteht aus gleichartigen, unteilbaren Bestandteilen, den Atomen.<br />

Jede Verbindung besteht aus Molekülen, die sich ihrerseits aus Atomen zusammensetzen.<br />

Diese Atomhypothese folgerte er aus den Gewichtsverhältnissen bei chemischen Reaktionen:<br />

Gesetz der konstanten Proportionen (J.B. Richter, J.L. Prout, ∼ 1800):<br />

Bei chemischen Reaktionen treten die Partner in konstanten Gewichts– (Massen–)<br />

verhältnissen zusammen.<br />

Gesetz der multiplen Proportionen (J. Dalton, 1803):<br />

Gehen zwei Elemente verschiedene Verbindungen ein, dann verhalten sich die<br />

Gewichtsverhältnisse der Partner in beiden Verbindungen wie (kleine) ganze Zahlen.<br />

Die multiplen Proportionen sind demach die Verhältnisse der Atommassen.<br />

Die nächste Erkenntnis war, daß die Massenzahlen der Elemente ein Vielfaches der Masse des H–<br />

Atoms sind (Prout 1815). Diese Vorstellung — natürlich modifiziert — führte zur Aufstellung<br />

des Periodensystems der Elemente von Mendelejev und L. Meyer (1868).<br />

Es läßt sich also eine Skala der relativen Atom– (Molekül–)massen Ar aufstellen (früher: Atom–<br />

und Molekülgewichte). Diese relativen Atommassen wurden zunächst auf Wasserstoff bezogen,<br />

später auf 1/16 der Masse des neutralen Sauerstoffatoms 16O und seit 1961 auf 1/12 des neutralen<br />

Kohlenstoffatoms 12C. Unterschiede sind nur für Präzisionsmessungen wichtig.<br />

Aus den relativen Atommassen erhält man die absoluten Atommassen über den Begriff des Mols.<br />

Definition: 1 Mol eines beliebigen Stoffes enthält soviele Teilchen wie 12 Gramm 12C. Diese<br />

Zahl heißt Avogadrokonstante oder Loschmidtzahl NA .<br />

1


2 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

1 Mol sind soviel Gramm einer Verbindung wie die Summe der relativen Atommassen des<br />

Moleküls angibt, z.B. 18 g H2O �= NA Moleküle �= 1mol.<br />

Der beste Zahlenwert von NA lautet heute:<br />

N A =6.0221367 (36) · 10 23 /mol<br />

Daraus ergibt sich sofort die absolute Atommasse. Für die atomare Masseneinheit gilt heute<br />

folgende Definition:<br />

und für die Masse eines Atoms:<br />

1u:= 1<br />

12 ma (12C) = 1<br />

g=1.6605402 (10) · 10<br />

NA −27 kg<br />

m a = A r · u → m a (C) = 12 · u<br />

A A r m a<br />

H − Atom 1 1.007825 1.67342 · 10−27 1 1<br />

kg<br />

C − Atom 2 2.000000 19.92516 · 10−27 1<br />

kg<br />

O − Atom1 6 5.9949126.5584 · 10−27 kg<br />

wobei A die Massenzahl ist. Sie ist diejenige ganze Zahl, die der relativen Atommasse am<br />

nächsten liegt.<br />

Ein weiteres stöchiometrisches Gesetz wurde von Gay–Lussac 1808 gefunden:<br />

Bei gasförmigen Reaktionspartnern verhalten sich die Volumenverhältnisse wie einfache<br />

ganze Zahlen.<br />

Daraus und zusammen mit vorherigem folgerte Avogadro die nach ihm benannte Molekularhypothese:<br />

Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur<br />

die gleiche Anzahl von Molekülen.<br />

Anders formuliert:<br />

Ar1 Ar2 = M1 =<br />

M2 ϱ1 ϱ2 Dieses Verhältnis kann zur Bestimmung<br />

von A r herangezogen werden.<br />

Mit M 1 , M 2 als Molmasse in Gramm. (Molmasse M = N A · m Molekül )<br />

bzw.<br />

M<br />

ϱ<br />

= const. =MolvolumenV (= 22.4l)


1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 3<br />

Nimmt man bei einem Festkörper dichteste Kugelpackung der Atome an, kann man das Atomvolumen<br />

und damit den Atomradius r a , abschätzen. Dann gilt:<br />

M<br />

ϱ<br />

Va =<br />

� ra ≈ 10<br />

NA −8 cm<br />

Eine einfache Abschätzung der Atomgröße erhält man durch ein Gedankenexperiment: Gegeben<br />

sei ein H2O–Würfel mit 1cm Kantenlänge. Wir teilen ihn zunächst in einer Richtung in S<br />

Scheiben zu je einer Atomlage, und anschließend in jeder Raumrichtung. Das erfordert also 3S<br />

Schnitte. Der benötigte Energieaufwand ist gleich der Verdampfungswärme Ev . Jeder einzelne<br />

Schnitt trennt bei der Zerlegung des Würfels eine Fläche von 2 cm2 . Die hierzu erforderliche<br />

Energie ist 2 · Oberflächenenergie/Fläche = 2 · E0 .<br />

Außerdem ist S = 1<br />

d<br />

= V<br />

N A<br />

Also E v =3S · 2E 0<br />

(d: Abstand der Atomlagen). Wir erhalten<br />

S = 1 1<br />

=<br />

d 6<br />

E v<br />

E 0<br />

����<br />

makr. Größen<br />

bzw. d ≈ 1.9 · 10 −8 cm.<br />

1.2 Bestimmung von NA aus der kinetischen Gastheorie<br />

Ein anderer Anstoß zum Atombegriff kam aus dem Modell der kinetische Gastheorie (Bernoulli<br />

1738). Ableitung des Boyle–Mariotteschen Gesetzes aus kinetischen Vorstellungen:<br />

1. Ein Gas besteht aus N Molekülen und sei in einem Würfel mit einem Volumen V<br />

eingeschlossen.<br />

2. Alle Moleküle besitzen dieselbe Geschwindigkeit v.<br />

3. Jeweils 1/6 der Gasmoleküle bewegen sich in ∆t senkrecht auf eine Wand mit der Querschnittsfläche<br />

A zu.<br />

Abb. 1.1: Gasmoleküle in einem<br />

Würfel.<br />

Z = 1 ∆V<br />

· N ·<br />

6 V<br />

1 Av∆t<br />

= · N ·<br />

6 V<br />

(Zahl der Teilchen, die in ∆t auf die Wand treffen)<br />

F = Z · ∆p<br />

∆t<br />

= Z · 2mv<br />

∆t<br />

1 A<br />

= Nmv2<br />

3 V<br />

(Kraft auf die Wand durch Impulsänderung)<br />

p = F 1<br />

=<br />

A 3 · mv2 · N<br />

V<br />

(Druck)<br />

p · V = const. = 2<br />

3 · N · E kin, Molek.


4 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

für 1mol : p ·V = 2<br />

3 NA · Ekin, Molek. = R · T (allgemeine Gasgleichung)<br />

V ist das Molvolumen. Damit erhalten wir<br />

Ekin,Molek. = 3 R<br />

· T =<br />

2 NA 3<br />

· k · T<br />

2<br />

�= kinetische Energie eines Moleküls.<br />

k = R<br />

NA : Boltzmannkonstante<br />

k =1.380658 (12) · 10 −23 J/K<br />

Nun sollen die obigen idealisierten Voraussetzungen aufgegeben werden. Die Antwort auf die<br />

Frage, mit welchen Geschwindigkeiten man zu rechnen hat, gibt das Maxwellsche Gesetz der<br />

Geschwindigkeitsverteilung und der Boltzmannsche Energieverteilungssatz an.<br />

Ein System von Teilchen befinde sich im Temperaturgleichgewicht. Die Teilchen besitzen<br />

aufgrund der Masse unterschiedliche Geschwindigkeiten und aufgrund äußerer<br />

Kräfte eine unterschiedliche potentielle Energie E pot .<br />

Der Boltzmannsche Energieverteilungssatz gibt dann die Wahrscheinlichkeit dafür an, ein<br />

Teilchen mit E pot und E kin zu finden, bzw. gibt an, wie groß die (relativen) Besetzungszahlen<br />

der einzelnen Energiezustände sind:<br />

Wichtige Sonderfälle sind:<br />

dN = f(�r,�v) · dx dy dz dv x dv y dv z<br />

Epot(�r)+Ekin(�v)<br />

mit der Verteilungsfunktion f(�r,�v) =f · e<br />

− kT .<br />

1. Die Dichteverteilung im Schwerefeld (barometrische Höhenformel)<br />

mgh<br />

−<br />

n(h) =n0 · e kT = n0 · e − Epot kT .<br />

2. Die Maxwell–Boltzmannsche Verteilung der Geschwindigkeitskomponenten<br />

φ(v x )=<br />

�<br />

m<br />

� 1 mv2<br />

2<br />

x<br />

e<br />

−<br />

2πkT<br />

2kT =<br />

3. Die Maxwell–Verteilung der Geschwindigkeitsbeträge<br />

�<br />

m<br />

� 1<br />

2<br />

Ekin<br />

e<br />

− kT analog φ(vy ),φ(vz ) .<br />

2πkT<br />

ϕ(v) =4πv 2 � m<br />

� 3<br />

2 mv2<br />

· e<br />

− 2kT .<br />

2πkT<br />

Eine wichtige Folgerung ist der Gleichverteilungssatz:<br />

EMolekül = 1<br />

2fkT; E 1<br />

Mol = 2fRT.


1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 5<br />

Aus ϕ(v) folgt sofort:<br />

�∞<br />

v := ϕ(v)vdv=<br />

0<br />

1<br />

1<br />

e<br />

φ(�v) ∼ e − mv2 x<br />

2KT<br />

f gibt die Zahl der Freiheitsgrade an.<br />

�<br />

2KT<br />

v 1 =<br />

e m<br />

�<br />

8kT<br />

πm , analog v2 = 3kT<br />

m<br />

v x<br />

Abb. 1.2: Maxwell–Boltzmannsche Verteilung der<br />

Geschwindigkeitskomponenten.<br />

ϕ(v)<br />

m<br />

�<br />

2 v2 = 3<br />

2 kT.<br />

v max = √ 2 � kT/m<br />

Abb. 1.3: Maxwell–Verteilung der Geschwindigkeitsbeträge.<br />

Eine Überprüfung der Maxwell–Verteilung gelang Stern und unabhängig von ihm Gerthsen<br />

in Atomstrahlexperimenten.<br />

Für die Messung von k, also damit von NA = R<br />

k , bieten sich drei Verfahren an:<br />

1. Die barometrische Höhenformel (Perrin 1908),<br />

2. die Brownsche Molekularbewegung (Theorie Einsteins 1905),<br />

3. der Gleichverteilungssatz (Kappler 1939).<br />

1. Perrin benutzte zur Messung das Sedimentationsgleichgewicht: Die Dichteverteilung<br />

kleiner Schwebeteilchen in einer Suspension (ϱ, V ), in einer Flüssigkeit mit der Dichte<br />

ϱ 0 unter gleichzeitiger Wirkung der Schwerkraft und Brownscher Molekularbewegung ist<br />

durch<br />

(ϱ−ϱ0)Vgz<br />

n(z) =n0e − kT<br />

beschrieben, wobei n(z) die Anzahl der Teilchen in einem Einheitsvolumen in der Höhe z<br />

angibt. Aus der Messung der Höhe in der n auf n0<br />

e abnimmt, d.h. der Exponent dann<br />

gleich −1wird, also<br />

z = h ′ kT<br />

=<br />

(ϱ − ϱ0 )Vg ,<br />

bestimmte Perrin k und damit NA :<br />

N A = R<br />

k =6.28 · 1023 /mol .<br />

v


6 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

Die Gleichgewichtsbedingung führt zu einer Verknüpfung von Diffusionskonstanten D und<br />

Zähigkeit η:<br />

Bei konstantem n würden die Teilchen mit v g absinken. Nach Stokes gilt F R =6πηrv g .<br />

Andererseits befinden sich die absinkenden Teilchen im Gleichgewicht mit der Schwerkraft<br />

(v g = const.), so gilt 6πηϱv g =(m − m ′ )g, wobeim die Masse eines Teilchens mit Radius<br />

r, m ′ die Masse der verdrängten Flüssigkeit und η die Zähigkeit des Mediums ist.<br />

daraus ergibt sich eine Teilchenstromdichte:<br />

v g = − (m − m′ )g<br />

6πηr<br />

jg = nvg = − (m − m′ )g<br />

n<br />

6πηr<br />

In einem zähem Medium läßt sich D durch η ausdrücken:<br />

↓ (1.2.1)<br />

Aus der Dichteverteilung n = n0e −(m−m′ )gz<br />

kT<br />

ergibt sich mit<br />

dn<br />

dz = −(m − m′ )g<br />

· n<br />

kT<br />

der Diffusionsstrom jdiff = −D dn<br />

dz = D −(m − m′ )g<br />

· n<br />

kT<br />

↑<br />

Im thermischen Gleichgewicht ( ” Sedimentationsgleichgewicht“) ist<br />

j diff + j g =0,<br />

(1.2.2)<br />

damit bekommen wir<br />

D = kT<br />

. (1.2.3)<br />

6πηr<br />

Eine der anschaulichsten Manifestationen der kinetischen Gastheorie ist die Brownsche<br />

Bewegung. Kleine Teilchen, in einer Flüssigkeit suspendiert, gehorchen nicht nur<br />

der barometrischen Höhenformel (Perrin), sondern führen auch Bewegungen gemäß<br />

der Maxwell–Boltzmann–Verteilung aus, welche durch häufige, unregelmäßige Stöße mit<br />

Molekülen der Flüssigkeit verursacht werden.<br />

2. Die Verknüpfung der Diffusionskonstanten mit dem mittleren Verschiebungsquadrat der<br />

Brownschen Molekularbewegung gelang Einstein 1905.<br />

Wegen<br />

m<br />

2 v2 = 3<br />

2 kT<br />

müssen auch makroskopische Teilchen an der Bewegung teilnehmen.<br />

Gegeben sei die Zahl der Teilchen N, sowie der Dichtegradient G = − ∂n<br />

∂x in x–Richtung:<br />

n(x) =n0 + ∂n<br />

∂x · x = n0 − Gx.<br />

Aufgrund der thermischen Bewegung erleiden die Teilchen eine Verschiebung.


1.2. Bestimmung von N A aus der kinetischen Gastheorie 7<br />

ξ<br />

Abb. 1.4: Schematische Darstellung der mittleren<br />

Verschiebung ξ.<br />

Über den Weg eines Teilchens bei seiner Zitterbewegung<br />

kann man keine Voraussetzungen machen. Wohl<br />

aber läßt sich statitisch der Mittelwert des Quadrates<br />

der Verschiebung nach der Zeit ∆t bestimmen: Bewegt<br />

sich ein Teilchen mit Radius r in einer Flüssigkeit<br />

der Zähigkeit η und der Temperatur T so beobachtet<br />

man nach der Zeit ∆t eine Verschiebung ξ, die identisch<br />

mit dem momentanen Abstand des Teilchens von<br />

seinem Ausgangspunkt ist.<br />

Die Anzahl der Teilchen, die in ∆t eine Verschiebung zwischen ξ und ξ +∆ξ in Richtung<br />

x erleiden, ist N · ϕ(ξ) dξ.<br />

Abb. 1.5: Zur Einsteinschen Theorie der<br />

Brownschen Molekularbewegung.<br />

Dabei ist ϕ(ξ) eine normierte, symmetrische<br />

Verteilungsfunktion, es gilt:<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

ϕ(ξ) dξ =1<br />

sowie ϕ(ξ) =ϕ(−ξ)<br />

da eine homogene Suspension vorliegt. Wir interessieren<br />

uns für die Anzahl der Teilchen N, die<br />

von links die Ebene x = 0 durchlaufen und aus<br />

dem Volumen dV = A · dx stammen; dieses Volumen<br />

kann irgendwo im linken Halbraum liegen.<br />

Von den A · n(x) · dx Teilchen in diesem Volumenelement<br />

tragen nur jene zu N→ bei, welche<br />

eine Verschiebung ξ>−x erleiden, d.h.<br />

�∞<br />

ξ=−x<br />

A · n(x) dx ϕ(ξ) dξ<br />

Teilchen.<br />

Da die Fläche A irgendwo im linken Halbraum liegen kann, folgt durch Integration über<br />

den gesamten linken Halbraum<br />

N → =<br />

�0<br />

�∞<br />

x=−∞ ξ=−x<br />

oder mit x ′ = −x und der obigen Gleichung<br />

N → =<br />

�∞<br />

�∞<br />

x ′ =0 ξ=x ′<br />

An(x) dx ϕ(ξ) dξ ,<br />

A(n 0 + Gx ′ )ϕ(ξ) dξ dx ′ .


8 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

Analog ergibt sich für die Teilchen, die die Ebene x = 0 von rechts nach links durchlaufen<br />

N ← =<br />

�∞<br />

�−x<br />

x=0 ξ=−∞<br />

An(x) dx ϕ(ξ) dξ.<br />

Mit ξ = −ξ ′ , dξ = −dξ ′ und ϕ(ξ) =ϕ(−ξ) =ϕ(ξ ′ ) ergibt sich:<br />

Damit wird:<br />

N → − N ← =<br />

N ← =<br />

�∞<br />

�∞<br />

x=0 ξ=x<br />

�∞<br />

x=0 ξ ′ =x<br />

�∞<br />

A(n 0 − Gx)ϕ(ξ ′ ) dξ ′ dx.<br />

A [(n 0 + Gx)ϕ(ξ) − (n 0 − Gx)ϕ(ξ)] dξ dx<br />

Man vertauscht die Integration über den oberen Halbraum<br />

Damit<br />

0 ≤ x ≤ ∞<br />

x ≤ ξ ≤ ∞<br />

das letzte wegen<br />

�<br />

≡<br />

N → − N ← = 2G<br />

+∞ �<br />

−∞<br />

� 0 ≤ ξ ≤ ∞<br />

0 ≤ x ≤ ξ<br />

�∞<br />

�ξ<br />

ξ=0 x=0<br />

Ax dx ϕ(ξ) dξ = G<br />

= 1<br />

2 G<br />

�+∞<br />

Aξ 2 ϕ(ξ) dξ = 1<br />

2 Gξ2A −∞<br />

�∞<br />

ξ=0<br />

Aξ 2 ϕ(ξ) dξ<br />

Abb. 1.6: Zur Umformulierung<br />

des Integrationsbereichs.<br />

ϕ(ξ) dξ =1,ξ 2 bezeichnet man als mittleres Verschiebungsquadrat.<br />

Aufgrund des Dichtegradienten fließt also ein Verschiebungsstrom (Diffusionsstrom) der<br />

Dichte<br />

j diff = N → − N ←<br />

A∆t<br />

= 1 ξ<br />

2<br />

2 ξ<br />

G = −1<br />

∆t 2<br />

2 ∂n ∂n<br />

= −D<br />

∆t ∂x ∂x<br />

D = 1 ξ<br />

2<br />

2<br />

∆t<br />

d.h. ξ 2 ∼ ∆t, daD eine Diffusionskonstante ist.<br />

mit j diff = −D ∂n<br />

∂x<br />

(1.2.4)


1.3. Bestimmung von N A aus Elektrolyse 9<br />

Durch Vergleich von (1.2.3) mit (1.2.4) ergibt sich:<br />

ξ2 = kT<br />

· ∆t Einstein–Smoluchowski<br />

3πηr<br />

Beispiel: r =1µm, ϱ =1g/cm 3 , η =10 −2 Poise, T = 293 ◦ ,∆t = 60 s, daraus folgt<br />

ξ2 ≈ 2.6 · 10−7 cm2 �<br />

, ξ2 ≈ 5 · 10−4 cm = 5 µm.<br />

Die Messungen von Nordlund bzw. Millikan und Fletcher ergaben:<br />

N A ≈ 6 · 10 23 /mol .<br />

3. Ein anderes Verfahren, das die statistischen Schwankungen ausnützt, mißt die Zitterbewegung<br />

von einem Schwingspiegel, der an einem Torsionsfaden aufgehängt ist. Dieser Spiegel<br />

nimmt an der Brownschen Molekularbewegung teil. Die potentielle und die kinetische Energie<br />

des Systems hängen quadratisch vom Drehwinkel ϕ bzw. ˙ϕ ab und genügen daher 1<br />

dem Gleichverteilungssatz. Es gilt also (mit Drehmoment I und Richtungsmoment D 0 )<br />

und daraus folgt<br />

Epot = 1<br />

2D0ϕ2 = 1<br />

2kT Ekin = 1<br />

2I ˙ϕ2 = 1<br />

2<br />

1<br />

2I ˙ϕ2 = 1<br />

2D0ϕ2 = 1<br />

2<br />

Aus der Beobachtung von ϕ(t) und der Bestimmung von ϕ 2 fand Kappler 1939 bei T =<br />

298 K ein ϕ 2 =4.178 · 10 −3 rad. Er erhielt für die Avogadro–Konstante den Wert<br />

kT .<br />

N A ≈ 6.06 · 10 23 /mol .<br />

kT ,<br />

1.3 Bestimmung von NA aus Elektrolyse<br />

Bereits Helmholtz hatte zu Ehren Faradays formuliert:<br />

” Wenn wir die Existenz von Atomen der Elemente annehmen, dann können wir nicht<br />

die Folgerung vermeiden, daß auch die Elektrizität in bestimmten Elementarladungen<br />

auftritt, die sich wie Elektrizitätsatome benehmen.“ (Quantisierung der Ladung).<br />

Die Bestimmung der Elementarladung gelang Millikan 1909.<br />

Bei der elektrolytischen Abscheidung von Salzen aus der Lösung hatte Faraday zwei Gesetze<br />

gefunden.<br />

Das 2. Faradaysche Gesetz lautet, daß zur Abscheidung von 1mol eines einwertigen Stoffes F =<br />

96487 Coulomb notwendig sind. Damit ergibt sich<br />

NA = F<br />

e mit e =1.60217733 (49) · 10−19 Coulomb<br />

1 da sie quadratisch in die Energie eingehen<br />

=⇒ N A =6.0221367 (36) · 10 23 /mol


10 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

1.4 NA aus Röntgenbeugung am Kristallgitter<br />

Ein weiteres Verfahren zur Bestimmung der Avogadro–Zahl beruht auf der Röntgenbeugung<br />

an Kristallgittern.<br />

1895 Entdeckung der Röntgenspektren (Röntgen)<br />

1909 Nachweis des Wellencharakters, Abschätzung von λ (Pohl und Walter)<br />

1912 v. Laue: λ Rö ≈ Atomabstand ≈ 1A.<br />

1928 Absolutbestimmung von λ Rö an makroskopischen Gittern mit streifendem Einfall.<br />

Die Bedingung für Interferenzmaxima ist<br />

Abb. 1.7: Darstellung der Gangunterschiede am Reflexionsgitter.<br />

g(cos α ′ − cos α ′′ )=nλ n =1, 2, 3,... .<br />

Für kleine α ′ , α ′′ erhält man durch Reihenentwicklung<br />

wobei g<br />

� α ′ +α ′′<br />

�<br />

g 1 − α′2<br />

� �<br />

− g 1 −<br />

2<br />

α′′2<br />

�<br />

= nλ<br />

2<br />

g<br />

� α ′ + α ′′<br />

2<br />

�<br />

(α ′ − α ′′ )=nλ,<br />

�<br />

die effektive Gitterkonstante ist; sie liegt bei streifendem Einfall bei ungefähr<br />

2<br />

λRö . Aus gegebenen g, α ′ , α ′′ kann dann λRö errechnet werden.<br />

Bei einem ebenen Kreuzgitter mit g x , g y ( � �x und � �y in der Ebene)


1.4. Bestimmung von N A aus Röntgenbeugung am Kristallgitter 11<br />

Abb. 1.8: Reflexion am ebenen Kreuzgitter.<br />

sei die Einfallsrichtung<br />

��s ′ = � �x cos α ′ + � �y cos β ′ + � �z cos γ ′<br />

und die Ausfallsrichtung<br />

��s ′′ = � �x cos α ′′ + � �y cos β ′′ + � �z cos γ ′′ .<br />

Die Bedingung für die Interferenzmaxima ist dann (gleichzeitige Erfüllung):<br />

g x (cos α ′ − cos α ′′ ) = z x λ z x<br />

g y (cos β ′ − cos β ′′ ) = z y λ z y<br />

g x (cos α ′ − cos α ′′ ) = z x · λ<br />

g y (cos β ′ − cos β ′′ ) = z y · λ<br />

g z (cos γ ′ − cos γ ′′ ) = z z · λ<br />

� ganzzahlig,<br />

positiv oder negativ.<br />

Bei einem räumlichen orthogonalen Gitter mit gx , gy , gz lauten die entsprechenden Bedingungen:<br />

v. Laue 1912<br />

⎫<br />

⎬<br />

ganzzahlig<br />

⎭ positiv oder negativ.<br />

Außerdem gilt:<br />

z x<br />

z y<br />

z z<br />

cos 2 α ′ +cos 2 β ′ +cos 2 γ ′ = 1<br />

cos 2 α ′′ +cos 2 β ′′ +cos 2 γ ′′ = 1.<br />

Damit sind i.a. die Bedingungen für fest vorgegebene λ, gx , gy , gz , α ′ , β ′ , γ ′ nicht erfüllbar,<br />

außer für α ′ = α ′′ , β ′ = β ′′ , γ ′ = γ ′′ ,alsozx = zy = zz =0,d.h.für den durchgehenden Strahl.<br />

Um andere Richtungen zu erhalten muß λ der Bedingung genügen, die man durch Quadrieren<br />

und Summieren der Laue–Gleichungen erhält:<br />

cos2 α ′ − 2cosα ′ cos α ′′ +cos2α ′′ � �2 zx · λ<br />

=<br />

. =<br />

1 − 2(cos α ′ cos α ′′ +cosβ ′ cos β ′′ +cosγ ′ cos γ ′′ )+1= λ 2<br />

2 − 2 � �s ′ · � �s ′′ =<br />

2(1 − cos 2ϑ) = λ 2<br />

(da ∢(�s ′ ,�s ′′ )=2ϑ ist).<br />

λ 2 =<br />

� �2 zx<br />

gx<br />

+<br />

4sin 2 ϑ<br />

� �2 zy<br />

gy<br />

+<br />

� �2 zz<br />

gz<br />

gx .<br />

Für dieses λ tritt<br />

Beugung unter ϑ<br />

auf,<br />

�<br />

z2 x<br />

g2 +<br />

x<br />

z2 y<br />

g2 y<br />

.<br />

+ z2 z<br />

g 2 z<br />

�<br />

z2 x<br />

g2 +<br />

x<br />

z2 y<br />

g2 +<br />

y<br />

z2 z<br />

g2 z<br />

�<br />


12 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

oder<br />

sin ϑ = λ<br />

�<br />

�<br />

zx<br />

2 gx � 2<br />

+<br />

� �2 zy<br />

g y<br />

+<br />

� �2 zz<br />

g z<br />

= n λ<br />

�<br />

�<br />

z ′<br />

x<br />

2 gx � 2<br />

�<br />

z ′<br />

y<br />

+<br />

gy � 2<br />

�<br />

z ′<br />

z<br />

+<br />

gz wobei n die gemeinsamer Teiler und z ′ die Millerindizes darstellen.<br />

� 2<br />

(1.4.1)<br />

Diese Bedingung hat eine einfache geometrische Interpretation: Wir denken uns im Ursprung<br />

des Koordinatensystems eine Ebene (⊥ Papier), die den einfallenden Strahl � �s ′ gerade reflektiert<br />

(Netzebene), d.h. � �s ′ − � �s ′′ ⊥�r (Vektor in Netzebene). Damit:<br />

Abb. 1.9: Zur geometrischen Interpretation.<br />

bzw.:<br />

�r · ( � �s ′ − � �s ′′ )=0<br />

x(cos α ′ − cos α ′′ )+y(cos β ′ − cos β ′′ )<br />

+z(cos γ ′ − cos γ ′′ ) = 0<br />

und mit der v. Laue–Bedingung erhalten wir<br />

x z′ x<br />

+ y<br />

gx z′ y<br />

+ z<br />

gy z′ z<br />

gz =0.<br />

Dies entspricht der Gleichung einer Ebene durch<br />

den Ursprung.<br />

Die Gesamtheit aller Ebenen, parallel zur ersten, erhält man durch Verschiebung des Ursprungs<br />

um den Vektor �ϱ:<br />

�ϱ = m x g x � �x + my g y � �y + mz g z � �z<br />

mit m x , m y , m z ganzzahlig.<br />

Damit ist die Gleichung der Ebenenschar (Netzebenenschar):<br />

(x + mxgx ) z′ x<br />

+(y + mygy )<br />

gx z′ y<br />

+(z + mzgz )<br />

gy z′ z<br />

gz x z′ x<br />

+ y<br />

gx z′ y<br />

+ z<br />

gy z′ z<br />

gz Die rechte Seite ist ganzzahlig, damit<br />

x z′ x<br />

+ y<br />

gx z′ y<br />

+ z<br />

gy z′ z<br />

gz = −m x z ′ x − m y z′ y − m z z′ z .<br />

Abb. 1.10: Verschiebung des Ursprungs.<br />

=0<br />

=0, ±1, ±2,... . (1.4.2)<br />

Zur Veranschaulichung gehen wir ins Zweidimensionale. Dann beschreibt (1.4.2) eine Geradenschar:


1.4. Bestimmung von N A aus Röntgenbeugung am Kristallgitter 13<br />

Abb. 1.11: Geometrische Veranschaulichung<br />

zur Berechnung von d.<br />

Im Nenner stehen die Achsenabschnitte. Es gilt:<br />

x z′ x<br />

+ y<br />

gx z′ y<br />

gy = C =0, ±1, ±2<br />

Wir betrachten die zur Ursprungsgerade (C =0)im<br />

Abstand d benachbarte Gerade (C =1).<br />

Dann gilt:<br />

a2 =<br />

+ b2 Wieder aufs Dreidimensionale erweitert, heißt das:<br />

x<br />

g x /z ′ x<br />

+ y<br />

g y /z ′ y<br />

= x y<br />

+ =1. (1.4.3)<br />

a b<br />

d 2 = u · v = � (a2 − d2 ) � (b2 − d2 )<br />

d 4 = a 2 b 2 − d 2 (a 2 + b 2 )+d 4<br />

d =<br />

�<br />

a2b2 1<br />

� .<br />

1/a2 +1/b2 (1.4.4)<br />

1. Die Millerindizes z ′ x , z′ y und z′ z sind (siehe (1.4.3)) die Reziprokwerte der Achsenabschnitte<br />

a, b und c (in Einheiten der jeweiligen Basislänge gx , gy und gz ) einer Netzebene, die im<br />

Abstand d parallel zur Ursprungsebene liegt:<br />

z ′ x<br />

1<br />

= ; z<br />

a/gx ′ 1<br />

y = ; z<br />

b/gy ′ 1<br />

z = .<br />

c/gz 2. Der Netzebenenabstand d ergibt sich zu (siehe (1.4.4))<br />

d =<br />

1<br />

� 1/a 2 +1/b 2 +1/c 2 =<br />

3. Die Bedingung (1.4.1) lautet dann:<br />

d sin ϑ = n · λ<br />

2<br />

�<br />

� �<br />

z ′ 2<br />

x + gx<br />

1<br />

� �<br />

z ′ 2<br />

y<br />

gy<br />

+<br />

W.H. und W.L. Bragg 1912 .<br />

� �<br />

.<br />

z ′ 2<br />

z<br />

gz<br />

Aus der Messung von d = a kann nun NA erschlossen werden: Gegeben sei eine Elementarzelle<br />

eines NaCl–Kristalls mit der Kantenlänge a/2. Im Würfel mit Volumen � �<br />

a 3 4<br />

2 sind 8 NaCl–<br />

” Moleküle“, wobei jedes Ion jeweils 8 Würfeln zugehört. Die Zahl der Moleküle je Volumeneinheit<br />

mit Molmasse M.<br />

n = 4/8<br />

(a/2) 3 = 4<br />

a3 . Andererseits ist dies gleich NA<br />

V<br />

N A = 4M<br />

ϱa 3<br />

= NA·ϱ<br />

M<br />

≈ 6.05 · 10 23 /mol<br />

Anmerkung: Die Größe von d kann durch Röntgeninterferenz gemessen werden, wenn λ Rö<br />

bekannt ist.


14 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

1.5 Größe der Atome aus Streuquerschnitten<br />

Eine Aussage über die Größe der Atome gelingt durch Beobachtung der Streuung von Atomen<br />

bei Beschuß eines Gases mittels eines Atomstrahles.<br />

z 0<br />

z(x)<br />

∆x<br />

A<br />

x<br />

Abb. 1.12: Intensitätsabnahme<br />

des Strahls beim<br />

Durchgang durch das Volumen<br />

∆V = A · ∆x.<br />

Abb. 1.13: Anordnung zur Messung von Streuquerschnitten von Atomen an Atomen. Ein Strahl von Gasatomen tritt<br />

durch die Blenden in die Streukammer. Die Streuung an den dort befindlichen Gasatomen führt zu einer Schwächung<br />

des im Auffänger ankommenden Strahls.<br />

Beim Durchgang durch ein Gas werden die Atome des Strahls teilweise an den Atomen des<br />

” Targetgases“ gestreut. Die Intensität des Strahls wird deshalb als Funktion von x kleiner. Sei<br />

z(x) die Anzahl der Teilchen an der Stelle x, und ∆z die Zahl der gestreuten Teilchen, so gilt:<br />

∆z =<br />

Versperrte Fläche<br />

−z(x) ·<br />

Gesamtfläche<br />

=<br />

∆V<br />

Gesamtzahl der Atome im Volumen ∆V · σ N · V −z(x) · = −z(x) ·<br />

Gesamtfläche<br />

A<br />

· σ<br />

σ ist die versperrte Fläche von einem Atom, N ist die Anzahl der Atome im Gesamtvolumen<br />

V . Da die Gesamtzahl der Atome im betrachteten Volumen durch die Teilchenzahldichte n = N<br />

V<br />

mal Fläche A mal Schichtdicke ∆x gegeben ist, ergibt sich<br />

∆z = −z(x) · n · ∆x · σ<br />

Dabei ist Voraussetzung, daß ∆x so klein ist, daß die Flächen der Streuzentren sich nicht<br />

überdecken.<br />

Der Übergang auf infinitesimale Größen liefert<br />

Anschließende Integration ergibt<br />

dz = −z · n · σ · dx ⇐⇒<br />

dz<br />

z<br />

= −n · σ · dx.<br />

ln z = −nσx + C, aus x =0,z = z 0 folgt C =lnz 0 .<br />

ln z − ln z0 = −nσx.<br />

Somit beträgt die Zahl der Teilchen im Strahl am Ort x:<br />

z(x) =z 0 e −nσx .


1.5. Größe der Atome aus Streuquerschnitten 15<br />

Die Zahl der insgesamt bis zum Ort x aus dem Strahl herausgestreuten Atome ist:<br />

z(x)<br />

z 0<br />

z ′ (x) =z 0 (1 − e −nσx ) .<br />

x<br />

z ′ (x)<br />

z 0<br />

Abb. 1.14: Abnahme und Zunahme der Teilchen in Abhängigkeit von x.<br />

Bei der Messung ist x = d = const. und die Teilchendichte n in der Streukammer variabel. Aus<br />

der Steigung von z(x) in halblogarithmischer Darstellung folgt eine Aussage über den Wirkungsquerschnitt<br />

(WQ) σ.<br />

Wir machen hier die Annahme, daß Atome harte Kugeln sind und ihre Radien seien r 1 und r 2 .<br />

Für den Wirkungsquerschnitt erhalten wir:<br />

σ<br />

r1<br />

r 2<br />

σ = π(r 1 + r 2 ) 2 .<br />

Als Meßergebnis für die Streuung von Ag–Atomen an N 2 –<br />

Molekülen ergaben sich folgende Zahlenwerte:<br />

σ =21· 10 −16 cm 2 =2.1 · 10 −15 cm 2 .<br />

r 1 + r 2 ≈ 2.6 · 10 −8 cm=2.6A<br />

Abb. 1.15: Wirkungsquerschnitt<br />

für zwei harte Kugeln.<br />

Aus diesem gemessenen WQ σ folgt nach σ =(r1 +r2 ) 2π die Größe r1 +r2 . Bei gleichen Atomen<br />

mit r1 = r2 läßt sich daraus r und damit die Größe des Atoms bestimmen.<br />

Wir machen nun eine Abschätzung der Größenordnung der Zahl der gestreuten Teilchen. Die<br />

Teilchendichte n beträgt:<br />

n = ϱ · NA M ≈ 10−3 g/cm3 · 6 · 1023 /mol<br />

≈ 2 · 10<br />

30 g/mol<br />

19 /cm 3 mit M = Molmasse<br />

bei p = 1000 mbar.<br />

Ist der Druck 10−3 mbar, so folgt für die Teilchenzahldichte n ≈ 2 · 1013 /cm3 .<br />

n · σ · d ≈ 2 · 10 13 · 2 · 10 −15 · 1 ≈ 4 · 10 −2 ≪ 1<br />

” dünnes Target“<br />

Dann ist z ′ = z0 (1 − e−nσd ) ≈ z0nσd ≪ z0 eine Näherung für ein dünnes Target.<br />

Der Wirkungsquerschnitt wurde eingeführt als anschaulicher geometrischer Querschnitt zwischen<br />

harten Kugeln. Physikalisch heißt das kurze Reichweite der Wechselwirkungskräfte beim Stoß<br />

zweier harter Kugeln: Abstoßung innerhalb der Radiensumme r1 + r2 (vgl. Abb. 1.16).<br />

Oft existieren aber längerreichende Kräfte, z.B. die Coulombkraft. Wie ist dann σ definiert?<br />

Z.B. wenn der Atomrand nicht definiert ist?<br />

x


16 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

Sei z ′ = z 0 · n · σ · d die Zahl der gestreuten Teilchen, dann ist<br />

oder, anders ausgedrückt:<br />

σ N<br />

A = z′ /t<br />

z 0 /t =<br />

z ′<br />

N<br />

z0<br />

A<br />

z ′<br />

N·t<br />

z0<br />

A·t<br />

σ = z′ 1 z′<br />

· = ·<br />

z0 n · d z0 1<br />

= =<br />

N<br />

A<br />

Zahl der WW/Streuzentrum · sec<br />

=<br />

Stromdichte der einfallenden Teilchen<br />

Zahl der WW/s<br />

= WW–Wahrscheinlichkeit .<br />

Zahl der einfallenden Teilchen/s<br />

Diese Ausdrücke geben auch die Meßvorschrift an.<br />

Abb. 1.16: Schematische Darstellung zur Reichweite der Wechselwirkungskräfte.<br />

Als nächstes wollen wir untersuchen, in welche Richtungen die gestreuten Teilchen fliegen, d.h.<br />

Messung der Winkelverteilung. Die Raumrichtung ist festgelegt durch zwei Winkel: ϑ und ϕ.<br />

Zur Erinnerung:<br />

Wir wollen nun dΩ indϑ dϕ umrechnen:<br />

α = s<br />

R<br />

; dα = ds<br />

;<br />

R<br />

[α] = 1radiant wenn s = R<br />

Vollkreis: 2π rad.<br />

Ω = A<br />

R2 ; dΩ = dA<br />

R<br />

Vollkugel: 4π steradiant<br />

2 ; [Ω] = 1steradiant wenn A = R2


1.5. Größe der Atome aus Streuquerschnitten 17<br />

R<br />

ϑ<br />

dϑ<br />

R · sin ϑ<br />

ϕ<br />

da<br />

db<br />

dϕ<br />

Abb. 1.17: Geometrische Veranschaulichung des Raumwinkels dΩ.<br />

Der differentielle Wirkungsquerschnitt in Richtung (ϑ, ϕ) ist definiert durch:<br />

z 0<br />

R<br />

∆ϑ<br />

ϑ<br />

∆ϕ<br />

Abb. 1.18: Zum Wirkungsquerschnitt.<br />

R 2 · ∆Ω<br />

dA = db · da<br />

= Rdϑ · R sin ϑdϕ<br />

dA = R 2 sin ϑdϑdϕ<br />

dΩ = dA<br />

=sinϑdϑdϕ<br />

R2 z ′ (ϑ, ϕ) =z0 · n · d · dσ<br />

(ϑ, ϕ)∆Ω<br />

dΩ<br />

dσ<br />

der WW / Streuzentrum · sec · ∆Ω<br />

(ϑ, ϕ) =Zahl<br />

dΩ Stromdichte der einfallenden Teilchen j<br />

Man kommt zurück zum totalen (integrierten) Wirkungsquerschnitt durch Integration über die<br />

Einheitskugel:<br />

�<br />

σint =<br />

4π<br />

dσ<br />

(ϑ, ϕ) dΩ =<br />

dΩ<br />

�2π<br />

0<br />

�<br />

0<br />

π<br />

dσ<br />

(ϑ, ϕ)sinϑdϑdϕ .<br />

dΩ<br />

Wenn dσ dσ<br />

dΩ = dΩ (ϑ) ist, also keine Azimutrichtung ausgezeichnet ist (axialsymmetrisches Problem),<br />

kann man die ϕ–Integration ausführen:<br />

�<br />

σint =2π<br />

0<br />

π<br />

dσ<br />

dΩ (ϑ)sinϑdϑ.<br />

Bei einem klassischen Streuprozeß besteht eine feste Beziehung zwischen dem Stoßparameter b<br />

und dem Streuwinkel ϑ:


18 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

Abb. 1.19: Beziehung zwischen Stoßparameter<br />

b und Streuwinkel ϑ bei<br />

axialsymmetrischer Streuung.<br />

Sei ein Streuzentrum herausgegriffen, außerdem sei ein axialsymmetrisches<br />

Problem vorrausgestzt: Alle Teilchen mit<br />

einem Stoßparameter zwischen b und b + db werden in einen<br />

Streuwinkel zwischen ϑ und ϑ + dϑ gestreut. Alles was im<br />

rechten Kreisring liegt, kommt aus dem linken Kreisring.<br />

Damit ist<br />

dσ<br />

der WW / Streuzentrum · sec · ∆Ω(ϑ)<br />

(ϑ) =Zahl<br />

dΩ j<br />

dσ · 2πb db/2π sin ϑdϑ|<br />

(ϑ) =|j =<br />

dΩ j<br />

b<br />

sin ϑ ·<br />

� �<br />

�<br />

�<br />

db �<br />

�<br />

�dϑ�<br />

.<br />

Kennt man nun die Ablenkungsfunktion ϑ = ϑ(b), so folgt daraus dσ<br />

dΩ .<br />

b<br />

α<br />

α<br />

ϑ<br />

R<br />

Abb. 1.20: Zur Ableitung der Ablenkfunktion.<br />

Für harte Kugeln z.B. folgt damit: r 1 + r 2 = R<br />

2α + ϑ = π<br />

α = π ϑ<br />

− ; sinα =cosϑ<br />

2 2 2 .<br />

Als Ablenkfunktion erhält man<br />

b = R · sin α = R · cos ϑ<br />

2 .<br />

Damit ergibt sich mit 2 cos ϑ ϑ<br />

2 · sin 2 =sinϑfür den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />

ϑ<br />

dσ · cos 2<br />

(ϑ) =R<br />

dΩ sin ϑ<br />

· R · sin ϑ 1 R2<br />

· =<br />

2 2 4 .<br />

Der Wirkungsquerschnitt ist unabhängig von ϑ! Die Streuung ist isotrop!<br />

�<br />

σint = 2π<br />

oder: σ int =<br />

�<br />

Ω<br />

0<br />

π<br />

dσ<br />

R2<br />

sin ϑdϑ=2π<br />

dΩ 4<br />

�π<br />

R2 R2<br />

dΩ=4π · = πR2<br />

4 4<br />

Dies entspricht dem geometrischen Querschnitt.<br />

0<br />

sin ϑdϑ= πR2<br />

2<br />

[− cos ϑ]π<br />

0 = πR2 ,<br />

1.6 Größe der Atome aus mittlerer freier Weglänge,<br />

Kovolumen, Röntgenbeugung<br />

Auch ohne einen Atom– ” strahl“ stoßen Moleküle in einem Gas zusammen, σ =4πr 2 ist der ” Stoßquerschnitt“.<br />

Der Weg, den ein Molekül zwischen zwei Stößen zurücklegt, heißt freie Weglänge<br />

x. Das zeitliche Mittel von x bezeichnet man als mittlere freie Weglänge λ. z(x) gibt die


1.7. Wie groß sind Atome? 19<br />

Verteilung der freien Weglängen zwischen zwei Stößen an. Die mittlere freie Weglänge λ ist dann<br />

der Mittelwert.<br />

∞�<br />

z(x)xdx<br />

0<br />

λ = ∞�<br />

=<br />

z(x) dx<br />

1 1<br />

=<br />

σn 4πr2n mit z(x) =z0 · e−nσx .<br />

0<br />

Es ist der Wert, bei dem z0 auf z0<br />

e abgesunken ist. Berücksichtigt man noch, daß sich die<br />

gestoßenen Teilchen bewegen, ergibt sich folgende Beziehung: (ohne Herleitung)<br />

λ =<br />

1<br />

4π √ 2r 2 n .<br />

Die mittlere freie Weglänge λ ist nicht direkt meßbar. Sie geht aber in eine Reihe makroskopisch<br />

2 meßbarer Größen ein ( Transportgrößen“ D, η, λ<br />

” Wl ). Als Beispiel soll die Zähigkeit betrachtet<br />

werden:<br />

η = nvmλ ϱvλ<br />

=<br />

3 3 = n√kTm √ 8<br />

3 √ 2πm4πr2n =<br />

√<br />

RT M<br />

√<br />

6πNA πr2 mit M = Molmasse. Ist NA bekannt, so ist r bestimmbar.<br />

Eine weitere Möglichkeit der Radienbestimmung bildet die Messung des Kovolumens der van der<br />

Waals–Gleichung: �<br />

p + a<br />

V2 �<br />

(V −b) =R · T<br />

mit b =4 4π<br />

3 r3 N A . Wiederum folgt aus der Kenntnis von N A der Radius r.<br />

Bestimmt man η und b des gleichen Gases, so läßt sich r eliminieren und man kann N A bestimmen:<br />

N A =<br />

� 2<br />

3 √ π<br />

� 5 (RT M) 3<br />

2<br />

Eine Messung an Argon, M = 39.94 g, bei T = 20 ◦ C ergibt: η = 221.710 −6 Poise, b =<br />

32.19cm 3 /mol und somit: N A =6.35 · 10 23 /mol. Der Wert aber ist zu hoch. Außerdem zeigt<br />

sich, daß die r–Werte von der Temperatur abhängen: Steigt die Temperatur T ,d.h.E kin ,soist<br />

der Radius r kleiner. Das bedeutet, daß die Vorstellung, Atome als starre Kugeln zu betrachten,<br />

falsch ist.<br />

Die genauesten r–Werte erhält man aus der Röntgenbeugung an Kristallen:<br />

Der Netzebenenabstand mißt den Gleichgewichtsabstand der Atome im Gitter. Aus der Zähigkeit<br />

mißt man den Atomabstand bei thermischer Bewegung. Kovolumen setzt elastische Kugeln<br />

voraus.<br />

Umgekehrt zeigen Beispiele eine erste Anwendung des Konzeptes, makroskopische (Material)–<br />

Größen aus atomaren Größen abzuleiten.<br />

1.7 Wie groß sind Atome?<br />

b 2 η 3<br />

Wie groß sind Atome nun wirklich? Kann man sie sehen?<br />

2 λWl: Wärmeleitung<br />

.


20 Kapitel 1. Größe und Masse von Atomen<br />

Die erste Frage läßt sich nur ungenau beantworten: Atome haben keinen definierten Rand“.<br />

”<br />

Man kann nur ihre Elektronendichteverteilung messen. Das gelingt auch mit der Röntgenbeugungsmethode<br />

an Kristallen, indem man die Analysen der Röntgenbeugungsaufnahmen<br />

entsprechend verfeinert. Heute macht man entsprechende Analysen mit Elektronenstrahlen.<br />

Kann man Atome sehen? Jein!<br />

Die Auflösung von Mikroskopen beträgt d = λ<br />

n sin α ,wobein der Brechungsindex ist.<br />

Beim Feldelektronenmikroskop von E.W. Müller sind Barium–Atome als einzelne, helle Punkte<br />

erkennbar. Man kann sie ” sehen“, also ihre Existenz wahrnehmen, jedoch nicht ihre Struktur.<br />

Wahrnehmen kann man sie auch in Form von Ionen: im Zählrohr, auf dem Fluoreszenzschirm<br />

(Rutherford) oder mit dem Szintillationszähler und Multiplier.


Kapitel 2<br />

Atomistik der elektrischen<br />

Ladung<br />

2.1 Elementarladung<br />

Schon die Faraday–Experimente zeigten, daß Atome Ladungen enthalten und in Ionen und Elektronen<br />

zerlegt werden können. Die Versuche von J.J. Thomson, die mit Hilfe der Ablenkung von<br />

Ionen verschiedener Gase in elektrischen und magnetischen Felder durchgeführt wurden, ergaben<br />

dasselbe für Entladungen in verschiedenen Gasen: Kanalstrahlen, Kathodenstrahlen. Man fand,<br />

daß die bei Gasentladungen, bei Ionisationsprozessen mit Röntgenstrahlen und beim Photoeffekt<br />

entstehenden Ladungsträger dieselben waren. Somit gelang es, die Energie zu messen, die nötig<br />

ist, um ein Atom zu ionisieren: Ionisierungsenergie.<br />

Die erste Messung der Elementarladung gelang Millikan 1910. Er folgerte daraus die Quantisierung<br />

der Ladung. Bei diesem Versuch schwebt ein ionisiertes Öltröpfchen in einem luftgefüllten<br />

Kondensator. Ist kein elektrisches Feld angelegt, bewirkt die Schwerkraft m · g nach dem<br />

Stokesschen Gesetz eine konstante Fallgeschwindigkeit v g , d.h. es gilt:<br />

ohne elektrisches Feld<br />

Reibungskraft = Schwerkraft mg =6πηrv g = 4π<br />

3 r3 (ϱ Öl − ϱ Luft )g (2.1.1)<br />

mit elektrischem Feld<br />

Reibungskraft = Schwerkraft + el. Kraft −6πηrv E = 4π<br />

3 r3 (ϱ Öl − ϱ Luft )g − q · E (2.1.2)<br />

(2.1.1) − (2.1.2) 6πηr(v g + v E )=q · E (2.1.3)<br />

wobei η die Viskosität der Luft ist und ϱ die Dichten sind. Setzt man den aus Gleichung (2.1.1)<br />

21


22 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />

bestimmten Radius r des Teilchens in Gleichung (2.1.3) ein, so ergibt sich<br />

q = 9π<br />

E · (vE + v �<br />

2 · η<br />

g ) ·<br />

3 · vg (ϱÖl − ϱLuft )g<br />

= Z · e. (2.1.4)<br />

Millikan fand, daß die beobachteten Ladungen innerhalb seiner Meßgenauigkeit ganze Vielfache<br />

q = Z ·e einer elementaren Ladung e waren. Er beobachtete außerdem die Abhängigkeit e = e(r).<br />

Der Grund hierfür ist leicht einsichtig. Für kleine r kann das Reibungsgesetz von Stokes nicht<br />

mehr angewendet werden. Hierzu muß die Reibungskraft durch folgenden korrigierten Term<br />

ersetzt werden: Cunningham–Korrektur (1910)<br />

F = 6πηrv g<br />

1+A λ<br />

r<br />

= 6πηrv g<br />

1+ B<br />

p·r<br />

wobei A eine Konstante und λ die mittlere freie Weglänge ist (vgl. Kapitel 1.6). Dies ergibt sich<br />

aus der umgekehrten Proportionalität der mittleren freien Weglänge λ und dem Gasdruck p, B<br />

ist ebenfalls eine Konstante. Für A·λ<br />

r → 0 geht diese Gleichung wieder in das Stokessche Gesetz<br />

über. Somit ergibt sich folgender korrigierter Term:<br />

q = 9π<br />

�<br />

2η<br />

E<br />

3vg (ϱÖl − ϱ vE + vg ·<br />

Luft )g<br />

�<br />

1+ B<br />

� 3 = Z · e0 .<br />

2<br />

p·r<br />

Durch Vergleich beider Ausdrücke für ϱ ergibt sich<br />

e 2<br />

�<br />

3<br />

0 1+ B<br />

�<br />

pr<br />

= e 2<br />

3 .<br />

Durch Messungen Millikans läßt sich die Konstante zu B =6.17 · 10 −3 Torr · cm bestimmen.<br />

Trägt man nun 1<br />

pr über e2/3 ab, so ergibt sich eine lineare Abhängigkeit dieser beiden Größen.<br />

Durch Extrapolation von 1<br />

p<br />

,<br />

→ 0, d.h. r →∞, geht dies wieder in das Stokessche Gesetz über.<br />

Für große Teilchen (r ≫ λ) ergibt sich e 2/3<br />

0 = e2/3 ,odere0 = e. Durch Extrapolation der<br />

Geraden (vgl. Schpolski S.19 Abb.3) erhält man die wahre Größe der Elementarladung e0 . Diese<br />

ist unabhängig von der Art des Mediums (Luft, H2 ) und der Tröpfchenart (Öl, Hg, Schellack).<br />

Aus e0 und F ergibt sich NA . Nach Entwicklung der Röntgenbeugungsmethode stellte sich<br />

heraus, daß ein systematischer Unterschied herauskam. Wegen der großen Autorität Millikans<br />

suchte man Fehler bei der Röntgenbeugung. Auch Autorität kann irren: η war falsch. Statt<br />

η = 1822 · 10−7 Poise waren 1832 · 10−7 Poise richtig! Mit dieser Korrektur ergibt sich e0 zu:<br />

2.2 Massenspektroskopie<br />

e 0 =1.60217733 · 10 −19 C .<br />

Die relativen Atommassen A r konnten ursprünglich nur mit den Methoden der Chemie bestimmt<br />

werden. Dabei waren die Atomgewichte ungefähr ganzzahlige Vielfache der Atommasse des


2.2. Massenspektroskopie 23<br />

Wasserstoff–Atoms, also A r = Z · A H (z.B. A r (O) ≈ 16). Andererseits fand man jedoch z.B. für<br />

Chlor A r (Cl) = 35.5.<br />

Mit der Entdeckung der Elementarladung ergab sich eine bessere Methode zur Massenbestimmung:<br />

die Massenspektroskopie. Hierbei werden bewegte Ladungen in elektrischen und magnetischen<br />

Feldern abgelenkt. Dieses Verfahren führte zur Entdeckung der Isotopie, diemitder<br />

Entdeckung des Neutrons (Chadwick 1933) erst richtig erklärt werden konnte.<br />

• Ältestes Verfahren: Parabelmethode (J.J. Thomson 1913)<br />

+U 0<br />

K<br />

N<br />

�v B� −<br />

+<br />

E�<br />

Abb. 2.1: Parabelspektrograph, schematisch.<br />

S<br />

l<br />

z<br />

y<br />

x<br />

Dabei durchläuft ein Ionenstrahl aus einer<br />

Gasentladung das elektrische Feld � E eines<br />

Kondensators und das parallel dazu orientierte<br />

Magnetfeld � B. Man erhält auf der<br />

Beobachtungsebene für gleiche Teilchen<br />

(gleiche Ladung und gleiche Masse) mit<br />

unterschiedlicher Geschwindigkeit v eine<br />

Parabel, deren Ursprung im Durchstoßpunkt<br />

des unabgelenkten Strahles<br />

liegt. Dies ergibt sich aus folgender einfacher<br />

Rechnung:<br />

Das in y–Richtung angelegte � E–Feld erzeugt eine Ablenkung in diese Richtung.<br />

F y = q · E ⇒ a y = F y<br />

m<br />

q<br />

1<br />

= E ⇒ y =<br />

m 2 ayt2 ≈ qE<br />

2m<br />

l2 1<br />

∼ .<br />

v2 Ekin Das in y–Richtung angelegte � B–Feld bewirkt eine Ablenkung in x–Richtung. Solange das<br />

Teilchen sich im � B–Feld befindet, wird es auf eine kreisförmige Bahn gezwungen, deren<br />

Ebene senkrecht zur Feldrichtung (y–Achse) liegt.<br />

F x = q · v · B ⇒ a x = F x<br />

m<br />

q<br />

1<br />

= vB ⇒ x =<br />

m 2 axt2 ≈ qvB l<br />

2m<br />

2 1<br />

∼<br />

v2 p .<br />

Die Ablenkung in x–Richtung ist umgekehrt proportional zum Impuls p, man nennt den<br />

ablenkenden Magneten deshalb Impulsfilter. Aus den Ausdrücken für x und y läßt sich v<br />

eliminieren, und es ergibt sich:<br />

y = 2mE<br />

q(B · l) 2 x2 =<br />

2E<br />

(B · l) 2 q x<br />

m<br />

2 .<br />

Alle Punkte mit gleichen q<br />

m liegen also auf einer Parabel. Die Parabelpunkte entsprechen<br />

unterschiedlichen Geschwindigkeiten v.<br />

• Geschwindigkeitsfokussierung (Aston 1918)


24 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />

�E<br />

Blenden<br />

Photoplatte<br />

Abb. 2.2: Massenspektrograph von Aston.<br />

� B<br />

D<br />

Schnelle Teilchen ( ” steifer“) werden in<br />

beiden Feldern schwächer abgelenkt als<br />

langsame. Die Geschwindigkeitsfokussierung<br />

bedeutet Unabhängigkeit der<br />

Ablenkung D von der Geschwindigkeit<br />

v. Durch Berechnung ergibt sich:<br />

D = ε(a + b)<br />

Die Photoplatte muß also in der Ebene liegen, die um den Winkel ε gegen den Primärstrahl<br />

geneigt ist, und diesen in der Mitte des Kondensators schneidet. Durch eine Blende wird<br />

ein mittleres ε festgelegt. Das Auflösungsvermögen dieses Spektrographen beträgt:<br />

m<br />

≈ 130<br />

∆m<br />

• Richtungsfokussierung (Dempster 1918)<br />

S 1<br />

S 2<br />

Abb. 2.3: Sektor–<br />

Massenspektrograph mit Richtungsfokussierung.<br />

Zwei Strahlen mit gleicher Geschwindigkeit v, Ladung q und<br />

Masse m aber unter verschiedenem Winkel haben im � B–Feld<br />

den gleichen Krümmungsradius:<br />

qvB = mv2<br />

r<br />

→ r = mv<br />

qB .<br />

Überkreuzen sich zwei Strahlen in S 1 ,soüberkreuzen sie sich auch in S 2 ! Da das Gerät nicht<br />

nach Geschwindigkeit fokussiert, müssen die Ionen einheitliche Energie besitzen. Deshalb<br />

benötigt man eine Quelle für monoenergetische Ionen.<br />

• Doppelfokussierung (Mattauch 1934, Mattauch–Herzog 1940)<br />

Präzisionsinstrumente<br />

vereinigen Richtungsfokussierung und Geschwindigkeitsfokussierung. Ein Beispiel hierfür<br />

gibt der doppelt fokussierende Massenspektrograph nach Mattauch und Herzog. Das<br />

Auflösungsvermögen eines solchen Spektrographen liegt bei 20 000.<br />

m<br />

u<br />

≈ 105<br />

∆m<br />

≈ 107<br />

∆u<br />

Ergebnisse: Auf Grund sorgfältiger Messungen mit Präzisionsspektrographen sind die relativen<br />

Isotopenmassen heute sehr genau bekannt.<br />

Mit Hilfe der Massenspektrographie ergab sich:<br />

1. Es gibt Isotope, d.h. die Elemente sind chemisch gleich, haben jedoch unterschiedliche<br />

Masse.<br />

2. Massenbestimmung


2.3. Spezifische Ladung e/m von Elektronen 25<br />

3. Man erhält außerdem die Isotopenhäufigkeit: Cl: A =35.5 setzt sich aus A = 35 und<br />

A = 37 zusammen.<br />

4. Die Isotopmassen sind annähernd ganzzahlig.<br />

2.3 Spezifische Ladung e<br />

m<br />

von Elektronen<br />

Freie Elektronen können auf verschiedene Weise erzeugt werden und sollen hier nur kurz erwähnt<br />

werden.<br />

1. Aus einer Gasentladung als Kathodenstrahlen.<br />

2. Durch thermische Emission. Ein im Vakuum hocherhitzter Draht, z.B. aus Wolfram emittiert<br />

Elektronen.<br />

3. Beim Lichtelektrischen Effekt: Hinreichend kurzwelliges Licht befreit Elektronen aus Gasen<br />

oder Festkörpern.<br />

4. Durch Feldemission: Extrem hohe elektrische Felder, wie sie in der Umgebung von Metallspitzen<br />

entstehen, extrahieren Elektronen aus Metallen.<br />

5. Durch β–Strahlen aus radioaktiven Atomkernen.<br />

Die spezifische Ladung des Elektrons mißt man aus dem Verhältnis e<br />

m durch Ablenkung in elektrischen<br />

und magnetischen Feldern, d.h. durch Anwendung der allgemeinen Bewegungsgleichung:<br />

+U<br />

Abb. 2.4: Ablenkung von<br />

Elektronen im Magnetfeld.<br />

�F = m d�v<br />

dt<br />

� �<br />

= −e �E +(�v × B) � .<br />

• Eine der ersten Methoden auf diesem Gebiet stammt von Classen (1907).<br />

Aus dem E–Satz folgt:<br />

Film<br />

m<br />

E<br />

2<br />

B<br />

v2 �<br />

2eU<br />

= eU ⇒ v =<br />

m ,<br />

durch Gleichsetzten von Lorentz– und Zentrifugalkraft folgt:<br />

mv2 r<br />

• Nach gleichem Verfahren arbeitet das Fadenstrahlrohr.<br />

= evB ⇒ v = e<br />

rB ,<br />

m<br />

daraus erhält man das Verhältnis von Ladung und Masse<br />

e<br />

m<br />

2U<br />

=<br />

r2 .<br />

B2 • Ein anderes Verfahren ist der Geschwindigkeitsanalysator: Wien–Filter.


26 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />

Ein Plattenkondensator, in welchem dem � E–<br />

Feld das gekreuzte Magnetfeld der Induktion � B<br />

überlagert ist, wirkt als Wien–Filter für Elektronen<br />

der Geschwindigkeit v = E<br />

B , Elektronen dieser<br />

Geschwindigkeit fliegen geradlinig weiter.<br />

e � E = e(�v × � B)<br />

Abb. 2.5: Funktionsweise eines Wien–<br />

⇒ v =<br />

Filters.<br />

E<br />

B .<br />

Außerhalb des Kondensators wirkt nur das � B–Feld. Im homogenen Magnetfeld wirkt die<br />

Lorentzkraft bei konstanter Geschwindigkeit v stets mit gleicher Kraft senkrecht zu �v.<br />

Daraus resultiert die Kreisbewegung. Aus Zentrifugalkraft und Lorentzkraft ergibt sich:<br />

mv2 m v<br />

= evB → r =<br />

r e B .<br />

An Hand von obiger Figur läßt sich der Kreisradius leicht ermitteln:<br />

Es gilt r2 = a2 +(r − d) 2 . Aus dieser Gleichung können wir dann die Elektronenmasse<br />

m = e B2<br />

r (2.3.1)<br />

E<br />

bestimmen. Der mit dem � E– und � B–Feld überlagerte Kondensator läßt nur Elektronen<br />

einer Energie geradeaus durch! Wien–Filter“.<br />

”<br />

Die Gleichung (2.3.1) muß für relativistische Geschwindigkeiten verändert werden. Es<br />

ist dann m = m0 √ . Also ergeben sich für hohe Geschwindigkeiten kleinere spezifische<br />

1−β2 Ladungen.<br />

• Fokussierung im magnetischen Längsfeld (Busch 1922, Goedicke 1939).<br />

Wir betrachten die Wirkung eines Magnetfeldes auf einen divergenten Elektronenstrahl, der<br />

unter einem bestimmten Winkel α �= 0,90◦ ,dervomE–Feld erzeugt wird, zur Richtung der<br />

Feldlinien des Magnetfeldes einfliegt. Auf das Elektron wirkt die Kraft F = e(�v × � B). Wir<br />

teilen die Geschwindigkeit in die Längskomponente<br />

�<br />

vz und die Komponente v⊥ senkrecht<br />

v2 x + v2 y . Auf das senkrecht zum � B–Feld<br />

zu den Feldlinien auf. Es gilt v = const. � v⊥ =<br />

fliegende Elektron wirkt die Lorentz– und Zentrifugalkraft.<br />

y<br />

x<br />

z<br />

S<br />

∼<br />

E B<br />

b<br />

4 3<br />

1 2<br />

0<br />

1<br />

2<br />

0<br />

3<br />

4<br />

z


2.3. Spezifische Ladung e/m von Elektronen 27<br />

Also:<br />

Abb. 2.6: Fokussierung eines Elektronenstrahls im magnetischen Längsfeld.<br />

�v =(v x ,v y ,v z ) � B =(0, 0,Bz ) � F = e(�v × � B)=e(vy B z , −v x B z , 0)<br />

mv 2 ⊥<br />

r = ev ⊥ B → r = mv ⊥<br />

eB .<br />

Die von den Elektronen benötigte Zeit für einen Umlauf ist<br />

T = 2πr<br />

v ⊥<br />

= 2πm<br />

eB .<br />

Die Zeit T hängt also nicht vom Radius r und nicht vom Einschußwinkel α ab. Alle die<br />

Elektronen, die mit verschiedenen Radialkomponenten der Geschwindigkeit v⊥ gleichzeitig<br />

von einem Punkt ausgehen, kehren deshalb, nachdem sie Kreisbahnen mit verschiedenen<br />

Radien beschrieben haben, gleichzeitig zum Ausgangspunkt zurück.<br />

In Richtung der z–Achse übt das Magnetfeld keine Kraft auf das Elektron aus. Das Elektron<br />

fliegt also in der Zeit T auf der Achse des Solenoids um die Strecke<br />

b = vz · T = 2πvz cos α<br />

e .<br />

· B<br />

Ist der Winkel α klein, so gilt cos α ≈ 1und mit vz ≈ v ergibt sich<br />

b = 2πv<br />

e .<br />

· B<br />

m<br />

Alle aus der Blende mit dem gleichen Betrag der Geschwindigkeit v austretenden Elektronen<br />

durchlaufen auf der Achse des Solenoids die gleichen Entfernungen l in einem Zeitraum,<br />

während die Projektionen dieser Elektronen auf der zur Achse des Solenoids senkrechten<br />

Ebene eine vollständige Kreisbahn beschreiben. Also kann man ein divergentes Bündel von<br />

Elektronen mit gleicher Energie im Abstand l durch ein magnetisches Längsfeld fokussieren.<br />

Wir können also mit Hilfe dieser Versuchsapparatur, ein divergentes Elektronenbündel auf<br />

ein Fluoreszenzschirm fokussieren. Da das Feld � B bekannt ist, können wir sofort e<br />

m bestimmen.<br />

Aus der Energiebilanz folgt mv2<br />

2 = eU be<br />

a und mit v = 2πmB sofort<br />

e<br />

m = 8π2Ua B2 .<br />

b2 Diese Methode führte zu relativ genauen Ergebnissen.<br />

• Laufzeitmethode von Kirchner 1930/31<br />

Abb. 2.7: Aufbau von Kirchner.<br />

m<br />

Beide Kondensatoren liegen am gleichen<br />

Hochfrequenz–Generator mit der<br />

Frequenz ν. Das Elektron hat die En-<br />

ergie eU a = m<br />

2 v2 . Im ersten Kondensator<br />

werden die Elektronen abgelenkt.


28 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />

Es fliegen nur die Elektronen geradeaus, die zum Zeitpunkt des HF–Nulldurchgangs den<br />

Kondensator durchfliegen. Im phasengleichen zweiten Kondensator genauso. Dies ergibt<br />

einen gepulsten Strahl. Die Beschleunigungsspannung U a muß so gewählt werden, daß<br />

⇒<br />

ν =20MHz,U a =1kV,l =50cm.<br />

Heutige Bestwerte:<br />

• e/m 0 =1.75881962 (53) · 10 11 C/kg<br />

l<br />

= nT<br />

v 2<br />

e<br />

m = 2l2ν 2<br />

n2Ua = n<br />

2ν .<br />

Präzisionsmethode<br />

• m 0 =9.1093897 (54) · 10 −31 kg = 5.48579903 (13) · 10 −4 u=0.51099906 (15) MeV/c 2<br />

• 1u=1.6605402 (10) · 10 −27 kg = 1822.8885 m 0 = 931.49432 (28) MeV/c 2<br />

Fast die ganze Masse des Atoms ist mit der positiven Ladung verknüpft!<br />

2.4 me = m(v); Elektromagnetische Masse; Klassischer<br />

Elektronenradius<br />

Bereits bei den ersten Messungen von e<br />

m von β–Strahlen (1901 durch Kaufmann) mit Hilfe<br />

der Thomsonschen Parabelmethode war aufgefallen, daß e<br />

m unterschiedlich für verschiedene β–<br />

Energien ist. Messungen von Bucherer 1909 bestätigten das Ergebnis, daß die Masse von der<br />

Geschwindigkeit abhängt:<br />

me =<br />

m0 �<br />

1 − v2<br />

c2 =<br />

m0 �<br />

1 − β2 .<br />

Hieraus folgt ein bedeutsames Ergebnis:<br />

m 0 dv<br />

F = d d d m0v p = mv = �<br />

dt dt dt 1 − β2 = dt<br />

(1 − β2 .<br />

) 3/2<br />

Bewegt sich ein beschleunigter Körper in der Zeit ∆t = t 2 − t 1 um das Wegstück ∆x = x 2 − x 1 ,<br />

dann beträgt die Energieaufnahme:<br />

∆E =<br />

�x2<br />

x1<br />

Fdx=<br />

�t2<br />

t1<br />

m 0 dv<br />

dt<br />

(1 − β2 vdt=<br />

) 3/2<br />

= (m 2 − m 1 )c 2 =∆mc 2 .<br />

�v2<br />

v1<br />

m0v (1 − β2 dv =<br />

) 3/2<br />

�<br />

m 0 c 2<br />

� 1 − β 2<br />

� v2<br />

v1


2.4. Elektromagnetische Masse m e = m(v); Klassischer Elektronenradius 29<br />

Für v 1 =0istm 1 = m 0 und damit E 0 = m 0 c 2 die Ruheenergie; und mit m 2 = m folgt:<br />

E = mc 2 = m 0 c2<br />

� 1 − β 2 .<br />

Für den Zusammenhang zwischen Energie und Impuls gilt dann<br />

m 2 (1 − β 2 )=m 2 0 |·c 4 ⇐⇒ E 2 − c 2 p 2 = m 2 0 c4 .<br />

=⇒ E =<br />

Dieser Ausdruck hat folgende Näherungen:<br />

�<br />

m 2 0 c4 + p 2 c 2 .<br />

1. Nichtrelativistischer Grenzfall: pc ≪ m0c2 ,d.h.v ≪ c<br />

mc 2 = E = m0c 2<br />

�<br />

1+ p2c2 m2 0c4 ≈ m0c2 �<br />

1+ 1<br />

2<br />

p 2<br />

m2 + ...<br />

0c2 = m0c 2 + p2<br />

= m0c 2m0 2 + 1<br />

2 m0v2 = E0 + Ekin .<br />

2. Hochrelativistischer Grenzfall: pc ≫ m0c2 ; m0 �= 0 (Elektronen)<br />

mc 2 = E =<br />

�<br />

pc 1+ m20 c4<br />

p2 �<br />

= pc 1+<br />

c2 1<br />

2<br />

≈ pc + m2 0 c4<br />

2pc .<br />

3. Hochrelativistischer Grenzfall: m 0 =0(γ–Quanten, Neutrinos?)<br />

mc 2 = E = pc ⇒ E = m 0 c2<br />

� 1 − β 2 �=0.<br />

m2 0c4 p2 �<br />

+ ...<br />

c2 Da mit m 0 = 0 die Energie nicht Null sein darf, muß der Nenner auch Null werden, d.h.<br />

β 2 = 1 ⇔ v = c. Also bewegen sich Teilchen mit der Ruhemasse m 0 = 0 stets mit<br />

Lichtgeschwindigkeit.<br />

Es gelang H.A. Lorentz, die Massenveränderlichkeit des Elektrons aus der Vorstellung der<br />

” elektromagnetischen Masse“ des Elektrons abzuleiten. Bereits 1881 begründete J.J. Thomson<br />

die Vermutung, daß die gesamte Masse des Elektrons elektromagnetischer Natur sei: Wird<br />

nämlich eine masse“lose Ladung in Bewegung gesetzt, muß magnetische Feldenergie aufge-<br />

”<br />

baut werden (die der Beschleunigungsarbeit m<br />

2 v2 entspricht). Wird sie abgebremst, bewirkt die<br />

Schwächung des Magnetfeldes, daß via Induktionsgesetz die Ladung weitergetrieben wird (was<br />

der Trägheit entspricht).<br />

Heute verstehen wir, warum es Lorentz gelang, aufgrund der Hypothese der elektromagnetischen<br />

Masse die richtige Formel zu finden: Die Maxwell–Gleichungen sind Lorentz–invariant.<br />


30 Kapitel 2. Atomistik der elektrischen Ladung<br />

Wir wissen heute, daß die relativistische Masse nicht nur für geladene Teilchen, sondern für alle<br />

Teilchen gilt. Deshalb brauchen wir die Hypothese der elektromagnetischen Masse“ nicht mehr.<br />

”<br />

Mit dem Begriff der elektromagnetischen Masse“ ist eng der Begriff des klassischen Elektro-<br />

” ”<br />

nenradius“ verbunden. Er soll an der elektrostatischen Masse“ des Elektrons erläutert werden:<br />

”<br />

Unter der elektrostatischen Masse“ des Elektrons versteht man die Masse, die sich ergibt, wenn<br />

”<br />

man die elektrostatische Feldenergie, die in dem vom Elektron erzeugten elektrischen Feld enthalten<br />

ist, gleich der Ruheenergie des Elektrons setzt:<br />

W el = m 0 c 2<br />

(2.4.1)<br />

1. Annahme: das Elektron sei eine leitende Kugel“, d.h. die Ladung sitzt auf der Oberfläche<br />

”<br />

der Kugel mit Radius R. Dann berechnet sich die Feldenergie zu<br />

� ∞<br />

W el = ε 0<br />

2<br />

= ε 0<br />

2<br />

=<br />

Mit (2.4.1) ergibt sich für R:<br />

R<br />

� e<br />

4πε 0<br />

e 2<br />

8πε 0 R .<br />

R =<br />

E 2 (r)4πr 2 dr mit E(r) =<br />

�2 � ∞<br />

1<br />

4π dr<br />

R r2 e2 1<br />

=<br />

8πε0m0c2 2 ·<br />

e 2<br />

4πε 0 m 0 c 2<br />

e<br />

4πε 0 r 2<br />

(2.4.2)<br />

2. Annahme: das Elektron sei eine ” homgen geladene Kugel“ mit Radius R. Dann ergibt sich<br />

für den Außenraum die gleiche Feldenergie, für den Innenraum kommt noch hinzu<br />

W el,i = ε 0<br />

2<br />

=<br />

= 1<br />

5 ·<br />

Wel,ges = 6<br />

5 ·<br />

Mit (2.4.1) ergibt sich damit:<br />

� R<br />

E<br />

0<br />

2 (r)4πr 2 dr mit E(r) =<br />

e2 8πε0R3 � R<br />

r<br />

0<br />

4 dr<br />

e2 8πε0R e 2<br />

8πε 0 R .<br />

R = 3<br />

5 ·<br />

e 2<br />

4πε 0 m 0 c 2<br />

Man definiert nun den ” klassischen Elektronenradius“ r 0 :<br />

r0 = 1 e<br />

4πε0 2<br />

m0c2 =2.8·10−13 cm .<br />

e<br />

· r<br />

4πε0R3 (2.4.3)


2.4. Elektromagnetische Masse m e = m(v); Klassischer Elektronenradius 31<br />

Aus der Ableitung folgt, daß es sich hierbei um eine reine Rechengröße handelt. Kann man den<br />

Elektronenradius messen? Die Antwort lautet: im Prinzip ja. Man kann z.B. den Wirkungsquerschnitt<br />

für die Streuung von Röntgenstrahlen bestimmen. Dies gelang J.J. Thompson, der<br />

den Wirkungsquerschitt mit<br />

σ = 8π<br />

3<br />

�<br />

e 2<br />

4πε 0 c 2 m 0<br />

�2<br />

= 8π<br />

3 r2 0<br />

berechnete. Die modernen Experimente mit höchstenergetischen Elektronen, gestreut an Elektronen,<br />

haben keine innere Struktur des Elektrons ergeben; insbesondere keine Abweichung von<br />

der Punktladung für alle r ≥ 10 −18 m=10 −16 cm,<br />

d.h. r e ≤ 10 −16 cm .


Kapitel 3<br />

Licht als elektromagnetische<br />

Welle, Wechselwirkung mit<br />

Materie<br />

3.1 Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische<br />

Wellen<br />

Die Maxwell–Gleichungen lauten:<br />

�<br />

�<br />

�Ed� A = Q<br />

ε0 �Bd� A = 0<br />

�<br />

�<br />

�Ed�s = − d<br />

�<br />

dt<br />

�Bd�s = µ 0 I + ε 0 µ 0<br />

�Bd� A<br />

�<br />

d<br />

dt<br />

Im Fernfeld — weitab von Ladungen Q und Strömen I —läßt sich aus den Maxwell–Gleichungen<br />

eine Wellengleichung für den � E– und dem � B–Vektor ableiten: Die elektromagnetische Wellen.<br />

Die Ableitung soll hier kurz vorgeführt und die daraus resultierenden Konsequenzen zusammenstellt<br />

werden. Dazu müssen wir von der Integral– auf die Differentialschreibweise übergehen. Die<br />

Maxwell–Gleichungen lauten dann:<br />

div � E = ϱ<br />

ε 0<br />

rot � E = − ∂ � B<br />

∂t<br />

div � B = 0 rot � B = µ 0 �j + ε 0 µ 0<br />

mit der Ladungsdichte ϱ : ϱ · V = Q,<br />

der Stromdichte �j : �j · � A = I<br />

32<br />

∂ � E<br />

∂t<br />

�Ed � A


3.1. Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen 33<br />

und den Differentialoperatoren:<br />

div � A = � ∇· � A<br />

rot � A = � ∇× � A<br />

grad φ = � ∇φ<br />

und ∇ � =<br />

∂<br />

∂x � �x + ∂<br />

∂y � �y + ∂<br />

∂z � �z.<br />

Weitab von Ladungen ϱ und Strömen �j lauten die Maxwell–Gleichungen in Komponenten:<br />

∂Ez ∂y − ∂Ey ∂z = −∂B x<br />

∂t<br />

∂Ex ∂z − ∂Ez ∂x = −∂B y<br />

∂t<br />

∂Ey ∂x − ∂Ex ∂y = −∂B z<br />

∂t<br />

∂Bz ∂y − ∂By ∂z = ε0 µ ∂Ex 0<br />

∂t<br />

∂Bx ∂z − ∂Bz ∂x = ε0 µ ∂Ey 0<br />

∂t<br />

∂By ∂x − ∂Bx ∂y = ε0 µ ∂Ez 0<br />

∂t<br />

Die Fortschrittsrichtung sei z. Wir suchen ebene Wellen, also ist die xy–Ebene eine Ebene<br />

gleicher Phase, d.h. in dieser Ebene hat jeder Punkt den gleichen Wert, es findet also keine<br />

= 0). Damit verbleibt:<br />

räumliche Änderung statt ( ∂<br />

∂x<br />

− ∂Ey ∂z = −∂B x<br />

∂t<br />

∂Ex ∂z = −∂B y<br />

∂t<br />

= ∂<br />

∂y<br />

0 = − ∂Bz ∂t ⇒ Bz = const.<br />

− ∂B y<br />

∂z = ε0 µ 0<br />

∂Bx ∂z = ε0 µ 0<br />

0 = ε 0 µ 0<br />

∂Ex ∂t<br />

∂Ey ∂t<br />

∂Ez ∂t ⇒ Ez = const.<br />

Wir wollen statische Felder nicht zulassen, deshalb muß B z = E z =0sein: � E und � B haben keine<br />

Komponenten in z–Richtung, somit bilden � E und � B ein Transversalfeld. Wir wählen die x–y<br />

Koordinaten so, daß der � E–Vektor in der E x –Richtung schwingt. Dann ist E y = 0 und damit<br />

Bx = const. Diese Konstante ist Null, da sonst statische Komponenten vorliegen. Der � B–Vektor<br />

schwingt in der y–Ebene, � B und � E stehen also senkrecht aufeinander.<br />

Da die meisten Komponenten wegfallen, lassen sich die obigen Gleichungen umformen in<br />

− ∂B<br />

∂z = ε 0 µ 0<br />

∂E<br />

∂z<br />

= −∂B<br />

∂t<br />

∂E<br />

∂t<br />

− ∂2B ∂z∂t = ε0 µ ∂<br />

0<br />

2E ∂t2 ∂2E ∂z2 = − ∂2B ∂t∂z<br />

|· ∂<br />

∂t<br />

|· ∂<br />

⎫<br />

∂z<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

∂2E ∂z2 = ε0 µ ∂<br />

0<br />

2E .<br />

∂t2 Dies ist die Eulersche Wellengleichung. Daraus folgt für das Vakuum<br />

ε 0 µ 0 = 1<br />

c 2


34 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

und für eine in Materie fortschreitende Welle ergibt sich<br />

Mit n = c<br />

v<br />

als Brechungsindex erhält man<br />

εε 0 µµ 0 = 1<br />

v<br />

1<br />

= 2 �2 .<br />

�<br />

c<br />

n<br />

n = √ εµ (Maxwell–Relation).<br />

Die LösungdieserWellengleichungist die ebene Welle:<br />

� �<br />

z<br />

� �<br />

E = E0 cos ω ∓ t + δ<br />

c<br />

= E 0 cos (kz ∓ ωt + δ)<br />

E = E0e i (kz ∓ ωt + δ)<br />

B ergibt sich dann aus:<br />

und<br />

mit ωz<br />

c<br />

= 2πν · z<br />

c<br />

= 2π<br />

λ<br />

z<br />

· z = = k · z<br />

¯λ<br />

∂B<br />

∂z = −ε0 µ ∂E<br />

0<br />

∂t = ∓ε0 µ 0ωE0 sin<br />

�<br />

ω<br />

�<br />

z ∓ ωt + δ<br />

c<br />

∂B<br />

= −∂E<br />

∂t ∂z =+ω 0<br />

c E0 sin<br />

�<br />

ω<br />

�<br />

z ∓ ωt + δ<br />

c<br />

Deshalb muß B die Form haben<br />

B = ± 1<br />

c E0 cos<br />

�<br />

ω<br />

�<br />

z ∓ ωt + δ<br />

c<br />

B = ±B0e i(kz∓ωt+δ)<br />

= ±B 0 cos<br />

�<br />

ω<br />

�<br />

z ∓ ωt + δ<br />

c<br />

Damit sind � E und � B frequenz– und phasengleich und sie bilden mit � �z ein Rechtssystem.<br />

Vakuum<br />

E 0 = c · B 0<br />

B 0 = √ ε 0 µ 0 E 0 = 1<br />

c · E 0<br />

Intensität und Energiestrom berechnen sich dann wie folgt:<br />

E0 =<br />

Materie<br />

c<br />

n · B0 B 0 = √ εε 0 µµ 0 E 0 = n<br />

c · E 0<br />

Energiedichte: uel = εε0 2 E2 ; umag = 1<br />

B<br />

2µµ 0<br />

2 ; uel = umag .<br />

Die Gesamtenergiedichte der elektromagnetischen Welle ist dann:<br />

uges = uel + umag = 1<br />

2 · εε0E2 + 1<br />

B<br />

2µµ 0<br />

2 = 1<br />

B<br />

µµ 0<br />

2 = εε0E 2 .


3.1. Maxwell–Gleichungen und elektromagnetische Wellen 35<br />

Energieflußdichte: S = v(uel + umag )= 1<br />

EB = εε0vE µµ 0<br />

2<br />

= c<br />

√ εε0E εµ 2 = 1<br />

EB =<br />

µµ 0<br />

c<br />

B<br />

µµ 0<br />

2 = Energie<br />

Zeit · Fläche<br />

Intensität: I = S (t)<br />

Energiestromvektor � S =<br />

�= zeitlicher Mittelwert von S<br />

1<br />

µµ 0<br />

�E × � B (Poyntingvektor)<br />

Die Intensität, ausgedrückt durch die Amplituden E 0 und B 0 ,ergibtsichzu<br />

I = S (t) = | � S| (t)<br />

I = 1<br />

2µµ 0<br />

Abb. 3.1: Zum Veranschaulichung des Impulstransports<br />

einer elektromagnetischen Welle.<br />

= 1<br />

|<br />

µµ 0<br />

� E × � B| (t)<br />

= 1<br />

E0B0cos µµ 0<br />

2 [kz ∓ ωt + δ] (t)<br />

E0B0 = 1<br />

�<br />

εε0<br />

E<br />

2 µµ 0<br />

2 0<br />

�<br />

c2 εε0<br />

= B<br />

2 µµ 0<br />

2 0<br />

(3.1.1)<br />

Neben dem Energietransport tritt bei elektromagnetischen<br />

Wellen auch ein Impulstransport auf. Verantwortlich<br />

dafür ist das an das � E–Feld gekoppelte<br />

�B–Feld. Der Impulstransport läßt sich anhand Abbildung<br />

3.1leicht klarmachen. Erreicht die Welle die<br />

Ladung q, die sich in Ausbreitungsrichtung befindet,<br />

so wird diese in Bewegung gesetzt.<br />

Dies hat zur Folge, daß nun die Ladung auch eine Geschwindigkeitskomponente quer zur Ausbreitungsrichtung<br />

bekommt. Aufgrund dieser Geschwindigkeit übt das � B–Feld die Lorentzkraft<br />

F L auf die Ladung aus. Diese zeigt in Ausbreitungsrichtung. Es gilt<br />

F L = qv x B y = 1<br />

c qv x E x .<br />

Fällt also eine elektromagnetische Welle auf eine Fläche, so ist damit eine Kraftwirkung, d.h.<br />

ein Impulstransport verbunden. Diese Erscheinung bezeichnet man als den Maxwell’schen<br />

Strahlungsdruck. Da � E– und � B–Feld periodische Funktionen der Zeit sind, bilden wir den<br />

zeitlichen Mittelwert<br />

�F L = 1<br />

c qE dx<br />

x<br />

dt<br />

= 1<br />

c<br />

dWA .<br />

dt<br />

Es wirkt also eine Kraft auf die Fläche A, die der absorbierten Leistung dWA<br />

dt<br />

proportional ist.<br />

dWA<br />

dt ist die mittlere übertragene (absorbierte) Leistung, die dem Feld entzogen wird. Dividieren<br />

wir diese Kraft durch die durchstrahlte Fläche A⊥z, sostehtlinkseinDruck,derMaxwell’sche<br />

Strahlungsdruck, rechts die absorbierte Intensität<br />

F L<br />

A = p rad<br />

1 1 dWA 1<br />

= =<br />

c A dt c S.


36 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Andererseits ist<br />

F L<br />

A<br />

1 ∆p ∆p ∆x<br />

= · = ·<br />

A ∆t V ∆t = pV · c.<br />

Man nennt ∆p<br />

V ≡ pV die mittlere Impulsdichte der elektromagnetischen Welle. Der Vergleich der<br />

letzten beiden Gleichungen liefert:<br />

Maxwellscher Strahlungsdruck prad = 1<br />

c S = mittlere Impulsstromdichte pV · c.<br />

∗ 3.2 Die Erregung elektromagnetischer Wellen<br />

Soviel zur Wiederholung. Offenbar hat die Erregung einer elektromagnetischer Welle etwas mit<br />

Ladungen und Strömen, also bewegten Ladungen zu tun.<br />

Jetzt soll kurz die mikroskopische“, die atomistische“ Begründung für die Erregung einer elek-<br />

” ”<br />

tromagnetischen Wellen referiert werden. Dazu werden wir zwei neue Begriffe kennenlernen,<br />

die Sie später in der theoretischen Elektrodynamik ausführlich besprechen werden: Das Vektorpotential<br />

� �<br />

Ad�s � = �BdAund die zeitliche Retardierung. Mit diesen Hilfsmitteln lassen sich<br />

geschlossene Ausdrücke für den � E– und den � B–Vektor angeben, die das Nah– und Fernfeld<br />

enthalten.<br />

Der mathematische Aufwand für die Herleitung des � E– und � B–Feldes einer beliebig bewegten<br />

Ladung ist sehr groß, so daß sie vom Leser bei der ersten Lektüre ohne weiteres übergangen<br />

werden kann und es deshalb genügt, sich nur für die Ergebnisse (3.2.8) und (3.2.9) zu interessieren.<br />

�a sei ein beliebiger Vektor.<br />

Wie man leicht durch Ausdifferenzieren prüfen kann, gilt:<br />

⇐⇒<br />

�div rot�a � = 0<br />

∇· � �∇×�a = 0.<br />

Nun ist div � B =0 (Maxwellgleichung), also� B =rot� A wobei � soll. Dann folgt aus<br />

A das Vektorpotential darstellen<br />

rot � E = − ∂ � B<br />

∂t<br />

=<br />

∂<br />

−<br />

∂t rot � �<br />

A =rot − ∂ � �<br />

A<br />

,<br />

∂t<br />

wegen − ∂<br />

�<br />

rot�a =rot −<br />

∂t ∂�a<br />

�<br />

∂t<br />

⇒<br />

�<br />

rot �E + ∂ � �<br />

A<br />

∂t<br />

= 0, wegen rot�a +rot�b =rot(�a + �b) .<br />

Damit läßt sich der Vektor ( � E + ∂ � A<br />

∂t<br />

0):<br />

�E + ∂ � A<br />

∂t<br />

) als der Gradient einer Größe schreiben (wegen rot grad φ =<br />

= − grad φ ; wobei φ ein (zeitabhängiges) skalares Potential sei.<br />

�E = − ∂ � A<br />

∂t<br />

− grad φ


∗ 3.2. Die Erregung elektromagnetischer Wellen 37<br />

Die Rotation von � A ist durch � B festgelegt, über die Divergenz von � A kann man zweckmäßig<br />

verfügen:<br />

div � A = − 1<br />

c2 ∂φ<br />

∂t<br />

Lorentz–Konvention.<br />

Wie man ebenfalls durch Ausdifferenzieren prüfen kann, gilt:<br />

rot rot�a = graddiv�a−∆�a |<br />

� �<br />

∇× � �∇×�a = � � �<br />

∇ �∇�a −∇ 2 div grad b = ∆b |<br />

�a<br />

� �<br />

∇�<br />

�∇b = ∇ 2 b<br />

∆=∇2 = ∂2 ∂2 ∂2<br />

+ +<br />

∂x2 ∂y2 Dann folgt<br />

ϱ<br />

=div<br />

ε0 � �<br />

E =div − grad φ − ∂ � �<br />

A<br />

∂t<br />

∂z 2<br />

⇐⇒ ∆φ − 1<br />

c 2<br />

Laplace–Operator<br />

= − div grad φ − ∂<br />

∂t div � A = −∆φ + 1<br />

c2 ∂2φ ∂t2 ∂2φ ϱ<br />

= −<br />

∂t2 ε0 (3.2.1)<br />

und rot � B =rotrot� A =graddiv� A − ∆ � A = − 1 ∂φ<br />

grad<br />

c2 ∂t − ∆ � A. (3.2.2)<br />

Andererseits gilt nach Maxwell:<br />

rot � B = µ 0 �j + ε 0 µ 0<br />

∂<br />

∂t � ∂<br />

E = µ 0�j − ε0 µ 0<br />

2A� ∂t2 − ε0 µ ∂<br />

0 grad φ. (3.2.3)<br />

∂t<br />

aus (3.2.2) und (3.2.3) folgt ∆ � A − 1<br />

c2 ∂2A� ∂t2 = −µ 0�j = −µ 0ϱ�v . (3.2.4)<br />

Wir erhalten also vier Potentialfunktionen um die elektromagnetischen Felder � E und � B zu<br />

beschreiben: Ein skalares Potential φ und ein Vektorpotential � A (bestehend aus 3 Funktionen).<br />

Jetzt versteht man den Begriff Vektor ” potential“. Beide ” Potential“–gleichungen entsprechen<br />

den vier Maxwellgleichungen, da sie ja aus ihnen folgen. Wie sehen die Lösungen aus?<br />

• Ist φ zeitunabhängig: Aus (3.2.1) ergibt sich<br />

∆φ = − ϱ<br />

ε 0<br />

Poisson–Gleichung der Elektrostatik<br />

Wir haben hier nun den Spezialfall φ unabhängig von t, d.h.ϱ unabhängig von t. In der<br />

Elektrostatik kennen wir aber φ aus der Kenntnis der Feldstärke � E = 1<br />

4πε0<br />

��r ′ )(mitr = | �<br />

�r 0 − � �r ′ |).<br />

� ϱ(P ′ )<br />

r 2 dV ′ ( � �r 0 −


38 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Abb. 3.2: Zur Veranschaulichung der<br />

Wirkung von P ′ auf P.<br />

So ist das Potential am Punkt P das von einer Ladung im<br />

Volumenelement dV ′ mit der Ladungsdichte ϱ(P ′ ) erzeugt<br />

wird:<br />

φ(P ) = φ(x, y, z) = 1<br />

4πε0 φ =<br />

1<br />

4πε0 r<br />

� ϱ(x ′ ,y ′ ,z ′ )<br />

r<br />

dV ′<br />

��� ′ ′ ′ ϱ (x ,y ,z )<br />

dx ′ dy ′ dz ′<br />

mit r = � (x − x ′ ) 2 +(y − y ′ ) 2 +(z − z ′ ) 2<br />

• Ist ϱ überall im Raum Null (leerer = ladungsfreier Raum), so erhalten wir die Wellengleichung:<br />

∆φ = ∂2φ 1<br />

+ ···=<br />

∂x2 c2 die z.B. durch die ebene Welle φ gelöst wird.<br />

• Lösung der allgemeinen Gleichung:<br />

φ(x, y, z, t) =<br />

1<br />

4πε0 �A(x, y, z, t) = µ 0<br />

4π<br />

∂2φ ,<br />

∂t2 ��� ′ ′ ′ ′ ϱ(x ,y ,z ,t )<br />

dx<br />

r<br />

′ dy ′ dz ′<br />

��� ′ ′ ′ ′ ϱ(x ,y ,z ,t )<br />

· �v(x ′ ,y ′ ,z ′ ,t ′ ) dx ′ dy ′ dz ′<br />

r<br />

(3.2.5)<br />

(3.2.6)<br />

Jetzt betrachten wir als Ladung q ein Elektron, eingesperrt in seinem Volumen ∆τ mit dem<br />

Radius r 0 = 1<br />

4πε0<br />

e 2<br />

m0c 2 (klassischer Elektronenradius). Dann müssen wir über dieses Volumen<br />

integrieren. Sei r ≫ r 0 . Nach diesen Formeln unterscheiden sich die Beträge des Volumenelements<br />

dV ′ = dx ′ dy ′ dz ′ zu den Potentialen im Aufpunkt P (x, y, z) vom statischen Fall lediglich<br />

dadurch, daß für ϱ und ϱ · V nicht die momentanen Werte einzusetzen sind, sondern die Werte,<br />

die in dem um die Laufzeit r<br />

r<br />

c zurückliegenden Augenblick (also t − c )indV ′ geherrscht haben.<br />

Die Beiträge des Quellpunktes zu den Potentialen treffen im Aufpunkt P erst nach der Zeit r<br />

c<br />

ein. Deshalb heißen die, aus (3.2.6) bestimmten Werte die retardierten Potentiale und t ′ = t − r<br />

c<br />

die retardierte Zeit. Nun würde jeder meinen, daß das Integral von ϱ über so eine ” Punkt“ladung<br />

einfach die Gesamtladung q ist, also<br />

φ = 1 q<br />

4πε0 r .<br />

Dies ist aber falsch! Da sich das Elektron bewegt und die Laufwege von einem Punkt P ′ 1<br />

nach P und von einem anderen Punkt P ′ 2<br />

in ∆τ<br />

in ∆τ nach P unterschiedlich sind, vergrößert sich<br />

scheinbar das Volumen ∆τ und somit wegen q = ϱ · V auch die Ladung. Es gilt (ohne Rechnung)<br />

q eff = ϱ · ∆τ =<br />

q<br />

1 − �v·�r<br />

rc<br />

.


∗ 3.2. Die Erregung elektromagnetischer Wellen 39<br />

Damit erhalten wir als Lösung der beiden Potentialgleichungen<br />

�<br />

φ(x, y, z, t) =<br />

1 q<br />

4πε0 r − �v·�r<br />

�<br />

c t ′ =t− r<br />

�A(x, y, z, t) =<br />

c<br />

µ �<br />

0 q�v<br />

4π r − �v·�r<br />

�<br />

c<br />

die sogenannten<br />

Lienard–Wiechert–Potentiale.<br />

t ′ =t− r<br />

c<br />

Die Größen �v und �r sind zur retardierten Zeit t ′ = t − r<br />

c zu nehmen. Daraus � E und � B: (s =<br />

s (x, y, z, x ′ ,y ′ ,z ′ ,t ′ , ˙x ′ , ˙y ′ , ˙z ′ )=r − �v·�r<br />

c )<br />

�<br />

�E(x,<br />

q<br />

y, z, t) = −<br />

4πε0 r ˙ �v<br />

s2 � �<br />

�r �v r<br />

+ −<br />

c2 r c s3 �<br />

1+ �r · ˙ �v<br />

c<br />

�B(x, y, z, t) = µ 0q �<br />

˙�v × �r �v × �r<br />

+<br />

4π cs2 s3 �<br />

1+ �r · ˙ �v v2<br />

−<br />

c2 c2 ��<br />

c 2<br />

2 − v2<br />

t ′ =t− r<br />

c<br />

��<br />

t ′ =t− r<br />

c<br />

Aus der obigen Formeln erkennt man leicht, daß � E⊥ � B ist und � E, � B und �r ein Rechtssystem<br />

bilden.<br />

In der Näherung v<br />

c ≪ 1folgt mit s ≈ r und � �r = �r<br />

r :<br />

�E =<br />

q<br />

4πε 0<br />

�B = µ 0 q<br />

4π<br />

�<br />

− ˙ �v<br />

rc2 + � �r<br />

r2 �<br />

˙�v × �r �<br />

cr + �v × � �r<br />

r2 �<br />

Wir betrachteten nun die Felder in zwei Zonen:<br />

�<br />

1+ �r · ˙ �v<br />

c2 ��<br />

t ′ =t− r<br />

c<br />

t ′ =t− r<br />

c<br />

• Nahzone: maßgeblich sind Terme mit 1<br />

r2 :<br />

�E<br />

q ��r<br />

N ≈<br />

4πε0 r2 Coulomb, (3.2.7)<br />

�B N ≈ qµ 0 �v ×<br />

4π<br />

� �r<br />

r2 Biot–Savart. (3.2.8)<br />

Wir erhalten also das zu erwartende elektrostatische Feld (Coulomb) des Dipols sowie das<br />

quasistatische Magnetfeld eines Stromelements (Biot–Savart).<br />

• Fern– ( = Wellen–)zone: maßgeblich sind Terme mit 1<br />

r :<br />

�E<br />

q<br />

F =<br />

4πɛ2c2 �<br />

− ˙ �v<br />

r + � �r( � �r · ˙ �<br />

�v)<br />

r<br />

�B F = µ 0 q<br />

4πc<br />

Zunächst sieht man: � E F und � B F ∼ ˙ �v = �a.<br />

� �<br />

˙�v × �r �<br />

r


40 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Nur beschleunigte Ladungen erzeugen elektromagnetische Wellen!<br />

Zur Umformung von � EF betrachten wir die Relation<br />

� �<br />

�a × �b × �c = �b(�a · �c ) − �c (�a · �b) .<br />

Nennt man � �r = �a, � �r = �b und ˙ �v = �c, so gilt mit � �r · � �r =1:<br />

� �<br />

�E F = ��r × ( �r �× �v) ˙<br />

θ<br />

P<br />

E F<br />

Abb. 3.3: Elektrisches und magnetisches<br />

Feld am Ort P.<br />

=<br />

B F = qµ 0<br />

4πc<br />

q<br />

4πɛ0c2 1<br />

r<br />

q<br />

4πɛ0c2 | ˙ �v|<br />

sin θ<br />

r<br />

| ˙ �v|<br />

r<br />

sin θ =<br />

q<br />

4πɛ0c3 | ˙ �v|<br />

sin θ.<br />

r<br />

E(t) = qa⊥ (t′ )<br />

4πε0c2 1<br />

r<br />

B(t) = qa⊥ (t′ )<br />

4πε0c3 1<br />

r<br />

Ist a⊥ konstant, so läuft ein mit 1<br />

r<br />

�E, � B,�r rechtshändig (3.2.9)<br />

abnehmender E– (und<br />

B–) Vektor längs �r mit der Geschwindigkeit c!<br />

Physikalisch bedeutet dies, daß senkrecht zur Bewegung der Ladung der maximale Empfang<br />

(maximales � E– und � B–Feld) sich einstellt. In Richtung der Bewegung der Ladung ist � B und � E<br />

Null (da θ =0 ◦ ). (Strahlungscharakteristikum des Hertzschen Dipols, siehe Kapitel 3.3)<br />

Der Poyntingvektor im Vakuum � S = 1<br />

µ0 ( � E × � B) ist anhand (3.2.9) immer in Richtung des<br />

Fahrstrahls �r radial von der Quelle nach außen gerichtet. In Polarkoordinaten ausgedrückt, hat<br />

�S nur eine r–Komponente. Die Quelle strahlt deswegen Energie in den Raum ab. Für die<br />

Energieflußdichte S ergibt sich<br />

S(r, θ, t) =ε0cE 2 �<br />

q<br />

= ε0c 4πε0c2 �2 2 ′ a (t )<br />

r2 sin 2 θ ∼ sin2 θ<br />

r2 .<br />

S(r, θ, t) gibt die Energie an, die in Richtung des Fahrstrahls �r mit dem Polarwinkel θ pro<br />

Zeit– und Flächeneinheit durch eine im Abstand r zur Flußrichtung orientierte Einheitsfläche<br />

strömt. Die insgesamt in der Zeiteinheit abgestrahlte Energie, also die Strahlungsleistung Prad einer beschleunigten Ladung q, erhält man durch Berechnung des Energieflusses durch eine<br />

geschlossene Hüllkugel um die Ladung.<br />

�<br />

�<br />

Prad (t) = S(r, θ, t) dA = S(r, θ, t)r 2 ��<br />

dΩ= Sr 2 sin θdθdφ<br />

�<br />

q<br />

= 2πε0c 4πε0c2 �2 a 2 (t ′ )<br />

�π<br />

sin 3 θdθ<br />

0


3.3. Dipolstrahlung 41<br />

Prad (t) = 2<br />

3<br />

3.3 Dipolstrahlung<br />

3.3.1 Elektrische Dipolstrahlung<br />

q 2<br />

4πε 0 c 3 a2 (t ′ ) Larmorsche Strahlungsformel (3.2.10)<br />

Eine positive Ladung führe auf der z–Achse um eine negative Ladung mit gleichem Absolutwert<br />

Schwingungen aus. Ein solches System stellt einen linearen Oszillator dar. Elektrisch ist dieses<br />

System ein Dipol, dessen elektrische Eigenschaften durch einen Vektor, das Dipolmoment �p = q�r<br />

charakterisiert wird. In unserem Fall stellt q·z(t ′ )=p(t ′ ) ein sich zeitlich änderndes Dipolmoment<br />

dar mit<br />

Abb. 3.4: Zur Abstrahlung eines<br />

Dipols.<br />

mit t ′ = t − r<br />

c<br />

P<br />

und k = 2π<br />

λ<br />

= ω<br />

c .<br />

Damit:<br />

z(t ′ ) = z0 sin ωt ′ ,<br />

a(t ′ ) = −ω 2 z0 sin ωt ′ .<br />

E(r, θ, t) = qz0ω2 4πε0c2 sin θ<br />

r<br />

= qz 0 ω2<br />

4πε 0 c 2<br />

sin θ<br />

r<br />

B(r, θ, t) = 1<br />

E(r, θ, t)<br />

c<br />

sin ωt ′<br />

sin (ωt − kr)<br />

Damit erhält man für die Strahlung eines harmonisch schwingenden Dipolmoments:<br />

E(r, θ, t) =<br />

B(r, θ, t) =<br />

Die Intensität errechnet sich vermöge<br />

S(r, θ, t) =ε0cE 2 �<br />

p0<br />

=<br />

p<br />

�<br />

0 ω<br />

�2 sin θ<br />

sin (ωt − kr)<br />

4πε0 c r<br />

p<br />

�<br />

0 ω<br />

�2 sin θ<br />

sin (ωt − kr)<br />

4πε0c c r<br />

4πε 0<br />

I = S(r, θ, t) (t)<br />

= cε0 � 2 �ω<br />

c<br />

p2 0 /2<br />

(4πε0 ) 2<br />

Entsprechend die Strahlungsleistung (abgestrahlte Energie/Zeit)<br />

cp 2 0<br />

Prad (t) = 2<br />

3 4πε0 � 4<br />

ε 0 c sin2 θ<br />

r 2 sin 2 (ωt − kr)<br />

.<br />

�<br />

ω<br />

�4 sin<br />

c<br />

2 θ<br />

r2 . (3.3.1)<br />

�<br />

ω<br />

�4 sin<br />

c<br />

2 (ωt − kr)


42 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

(t) 1 cp<br />

Prad =<br />

3<br />

2 �<br />

0 ω<br />

�4 4πε0 c<br />

Was bedeuten diese Ergebnisse für den Hertzschen Dipol?<br />

1. I ∼ 1<br />

r2 2. I ∼ sin 2 θ<br />

Abb. 3.5: Strahlungscharakteristik<br />

des Dipols.<br />

. (3.3.2)<br />

Die graphische Darstellung in dem Polardiagramm der<br />

Abbildung 2 wird Strahlungscharakteristik des Dipols<br />

genannt. Man trägt dabei Pfeile in Richtung vom Ursprung<br />

des Koordinatensystems ab, deren Längen<br />

I(r, θ)<br />

I(θ) =<br />

I(r, π/2) =sin2θ betragen, also proportional zum Energiefluß in dieser Richtung. Die Charakteristik zeigt<br />

anschaulich, daß in Schwingungsrichtung des Dipols keine und senkrecht zum Dipol maximale<br />

Intensität abgestrahlt wird.<br />

3. Die Strahlung ist linear polarisiert (vgl. Abbildung 3.6):<br />

Dipol<br />

�B<br />

�E<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

�r<br />

Abb. 3.6: Zur Polarisation der Strahlung.<br />

4. Betrag:<br />

I = I0 · sin2 θ<br />

r2 → I0 = 1<br />

5. Strahlungsfeld: Nah– und Fernfeld<br />

2<br />

cε0p2 0<br />

(4πε0 ) 2<br />

�<br />

ω<br />

�4 c<br />

Nungibtesnocheineandere Möglichkeit, elektrische Dipolstrahlung zu erzeugen:<br />

(3.3.3)<br />

Ein in der xy–Ebene umlaufender (damit zeitlich veränderlicher)<br />

Dipol:<br />

Diesen umlaufenden Dipol kann man in zwei in x– und y–Richtung<br />

mit 90 ◦ planarer Differenz schwingende Dipole zerlegen. So ergibt<br />

sich die Gesamtfeldstärke � E des Dipols laut Vektoraddition aus<br />

der Feldstärke � E 1 des in Richtung der x–Achse schwingenden<br />

Dipols und der Feldstärke � E 2 ⊥ � E 1 ,desiny–Richtung schwingenden<br />

Dipols ( � E 2 = �r × � E 1 )(�r: Ausbreitungsrichtung). Also Abb. 3.7: Ein in der xy–Ebene<br />

umlaufender Dipol.


3.3. Dipolstrahlung 43<br />

�z<br />

θ<br />

θ<br />

�x<br />

�y<br />

′<br />

�E(r, θ, t)<br />

P<br />

�E 1<br />

�r<br />

Abb. 3.8: Zur Berechnung des elektrischen<br />

Feldes in P.<br />

=<br />

p<br />

�<br />

0 ω<br />

�2 sin θ<br />

4πε0 c<br />

′<br />

sin (ωt − kr)<br />

r<br />

� E1 �<br />

+ p �<br />

0 ω<br />

�2 1<br />

4πε0 c r sin<br />

�<br />

ωt − kr + π<br />

�<br />

2<br />

�<br />

��r × � =<br />

�<br />

E1 �<br />

p<br />

�<br />

0 ω<br />

� �<br />

2 cos θ<br />

sin (ωt − kr)<br />

4πε0 c r<br />

� E1 �<br />

+ 1<br />

�<br />

cos (ωt − kr) ��r ×<br />

r � ��<br />

E1 � ,<br />

wobei das Koordinatensystem so gewählt wird, daß �r in der zx–Ebene liegt.<br />

p<br />

I(r, θ) =ε0c 2 0<br />

(4πε0 ) 2<br />

�<br />

ω<br />

�4 c<br />

� 2 cos θ<br />

r2 sin 2 (ωt − kr)+ 2cosθ<br />

r2 sin (ωt − kr) · cos (ωt − kr)<br />

+ 1<br />

r2 cos2 �<br />

(ωt − kr)<br />

Wir erhalten folgende Ergebnise:<br />

1. I ∼ 1<br />

r 2<br />

2. I ∼ 1+cos 2 θ<br />

3. Die Strahlung ist<br />

4. Betrag:<br />

I(r, θ) =ε 0 c<br />

p2 0<br />

(4πε0 ) 2<br />

• in z–Richtung zirkular polarisiert (θ =0◦ ),<br />

• in der x, y–Ebene linear polarisiert ⊥ z (θ =<br />

90◦ ),<br />

• dazwischen (0


44 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

3.3.2 Magnetische Dipolstrahlung<br />

Eine weitere Form der Dipolstrahlung ergibt sich, wenn sich nicht ein elektrisches, sondern ein<br />

magnetisches Dipolmoment (m = I · A) zeitlich ändert, z.B. durch periodische Schwingungen<br />

eines Kreisstroms.<br />

m(t) =m 0 sin ωt = I 0 A sin ωt<br />

mit A als die vom Kreisstrom I umflossene Fläche.<br />

Das führt zu Ausdrücken für � E und � B, die analog denen bei elektrischen Dipolstrahlung sind,<br />

nur daß in den Ausdrücken anstelle von p0 jetzt m0<br />

c steht und im Feld � E– und � B–Vektor ihre<br />

Plätze tauschen:<br />

(t) 1 m<br />

Prad =<br />

3<br />

2 �<br />

0 ω<br />

�4 . (3.3.4)<br />

4πε0c c<br />

Dipol<br />

Abb. 3.11: Strahlungscharakteristik und Polarisation eines magnetischen Dipols.<br />

Analog für den in der xy–Ebene rotierenden magnetischen Dipol.<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

�r<br />

3.3.3 Unterschied zwischen elektrischer und magnetischer Dipolstrahlung<br />

In beiden Fällen ist die Strahlungscharakteristik gleich, und in beiden Fällen bilden � E, � B, �r ein<br />

Dreibein. Bei Betrachtung der beiden Strahlungsfelder stellen wir dennoch einen Unterschied<br />

fest.<br />

Abb. 3.12: Strahlungsfeld des elektrischen und des magnetischen Dipols.<br />

Betrachten wir zunächst das Strahlungfeld des elektrischen Dipols. Der � E–Vektor zeigt dort im<br />

rechten und linken Halbraum in die gleiche Richtung. Der � B–Vektor dagegen wechselt beim<br />

Übergang vom rechten in den linken Halbraum das Vorzeichen. Beim Strahlungsfeld des magnetischen<br />

Dipols finden wir unter vertauschten Rollen das gleiche Bild.<br />

Damit kann man beide Strahlungsfelder durch eine Spiegelung am Ursprung (Paritätstransformation)<br />

unterscheiden. Dabei müssen wir folgendes beachten: Spiegelt man einen polaren Vektor


3.3. Dipolstrahlung 45<br />

am Ursprung, so dreht sich bei diesem das Vorzeichen um (vgl. Abbildung 3.13). Spiegelt man<br />

einen axialen Vektor am Ursprung, so erhalten wir den gleichen Vektor wieder (vgl. Abbildung<br />

3.14).<br />

Wir erinnern uns: polare Vektoren sind durch Betrag und Richtung charakterisiert, axiale dagegen<br />

durch Betrag, Richtung und Drehsinn.<br />

Abb. 3.13: Spiegelung des � E–Vektors am Ursprung als<br />

Beispiel einer Spiegelung eines polaren Vektors. Abb. 3.14: Spiegelung des Drehmoments � T = �r × � F<br />

am Ursprung als Beispiel einer Spiegelung eines axialen<br />

Vektors.<br />

Spiegelt man nun unter Beachtung, daß � E ein polarer und � B ein axialer Vektor ist, beim magnetischen<br />

Dipolfeld den rechten Halbraum am Ursprung, so gelangt man zu einem Bild, das mit<br />

dem Bild des linken Halbraums des magnetischen Strahlungsfeldes übereinstimmt (vgl. Abbildung<br />

3.16). Man ordnet deshalb dem Feld der magnetischen Dipolstrahlung die Parität +1zu<br />

(gerade Parität).<br />

Spiegelt man beim elektrischen Dipol den rechten Halbraum am Ursprung, so gelangt man zu<br />

einem Bild, das mit dem Bild des linken Halbraums des elektrischen Strahlungsfeldes nicht übereinstimmt,<br />

sondern bei dem man erst die Vorzeichen sowohl von � E als auch von � B vertauschen<br />

muß, ehe man Übereinstimmung bekommt. Das elektrische Strahlungsfeld erhält deshalb die<br />

Parität −1(ungerade Parität, vgl. Abbildung 3.15).<br />

Abb. 3.15: Zur Veranschaulichung der Paritätstransformation<br />

beim elektrischen Strahlungsfeld.<br />

Abb. 3.16: Zur Veranschaulichung der Paritätstransformation<br />

beim magnetischen Strahlungsfeld.<br />

Merkregel: Auf � B–Vektor (axialer Vektor) achten: Wenn im Strahlungsfeld � B links und rechts<br />

in die gleiche Richtung zeigt: Positive Parität. Wechselt � B beim Vergleich von rechts und links<br />

sein Vorzeichen: negative Parität. (vgl. Abbildung 3.12)<br />

3.3.4 Strahlung beschleunigter Ladungen<br />

Nun wollen wir der Frage nachgehen, ob elektromagnetische Wellen als Folge einer beschleunigten<br />

Ladung beobachtet werden können. Die Antwort ist bereits bekannt: Hertzscher Dipol, HF– ,<br />

Rundfunktechnik. Die schwingende Ladung eines HF-Stromes ist eine beschleunigte Ladung.


46 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Wie steht es aber mit der Strahlung von makroskopisch“ beschleunigten Ladungen?<br />

”<br />

Betrachten wir einen Linearbeschleuniger (Van de Graaff). Es gilt:<br />

F = eE = e U<br />

= ma , l ist die Wegstrecke im Beschleuniger.<br />

l<br />

a = e U<br />

m l � t0 =<br />

�<br />

2l<br />

a =<br />

�<br />

2l2 (e/m) · U<br />

Ist v<br />

c ≪ 1gilt die Larmorsche Strahlungsformel und die abgestrahlte Energie in der Zeit t0 beträgt:<br />

Wrad = Prad · t0 = 2 e<br />

3<br />

2<br />

4πε0c3 · a2 · t0 = 2 e<br />

3<br />

2 � � 3<br />

2 e U<br />

· · · (2l)<br />

4πε0c3 m l<br />

1<br />

2<br />

und wir erhalten für das Verhältnis<br />

W rad<br />

E kin<br />

= 2<br />

3<br />

e 2<br />

4πε 0 c 3 ml<br />

� � 1<br />

2 2eU<br />

≈ 5.3 · 10<br />

m<br />

−20<br />

für e = 1.6 · 10−19 C; mp = 1.67 · 10−27 kg; U = 5MV; l = 2 m. Der Energieverlust der<br />

beschleunigten Ladung durch Abstrahlung ist für diesen Beschleunigertyp also zu vernachlässigen.<br />

Beschleunigt (oder besser: verzögert) man Elektronen auf sehr, sehr kleinen (atomaren)<br />

Abständen, dann wird ein beachtlicher Teil der kinetischen Energie in Strahlung umgewandelt.<br />

Man erhält die Bremsstrahlung. Die empirisch ermittelte Strahlungsausbeute beträgt<br />

etwa 1%, d.h. sie ist etwa 17 Größenordnungen größer als beim Van de Graaff–Beschleuniger.<br />

U (1/2)<br />

m (3/2) liefert einen Faktor von etwa 104 , also muß l einen Faktor von etwa 1013 bringen:<br />

l ≈ 10−13 m=10−11 cm! Die Abbremsung geschieht also innerhalb des Atoms(10−8 cm): (Erster<br />

Hinweis auf Atomkerne!) Dies war jedoch eine sehr grobe Abschätzung, da v<br />

c ≪ 1nicht erfüllt<br />

ist. Wir haben es hierbei mit hochrelativistischen Elektronen zu tun.<br />

�a<br />

v<br />

c ≪ 1<br />

v<br />

c ≈ 1<br />

Bewegungsrichtung<br />

Abb. 3.17: Strahlungscharakteristik für nicht– und<br />

hochrelativistische Elektronen.<br />

Wie sieht dann die Strahlungscharakteristik aus?<br />

Die Antwort ist: Wir erhalten für hochrelativistische<br />

Elektronen eine verbogene Diplokeule.<br />

Für v<br />

c ≪ 1, d.h. im nichtrelativistischen Grenzfall,<br />

strahlt das Teilchen senkrecht zur Bewegungsrich-<br />

tung ab. Für v<br />

3.4 Spektroskopische Ergebnisse<br />

c<br />

≈ 1also im relativistischen Gren-<br />

zfall, nahe der Lichtgeschwindigkeit, strahlt das<br />

Teilchen demnach die elektromagnetische Energie<br />

direkt in Bewegungsrichtung ab.<br />

Zunächst einige spektroskopische Ergebnisse:<br />

Lichtstrahlung läßt sich thermisch oder elektrisch anregen: Gase, Dämpfe und Festkörper emittieren<br />

und absorbieren Licht. Die Form der Spektren hängt von den Anregungsbedingungen“<br />

”<br />

ab (Druck, Temperatur, Stromstärke u.ä.).


3.4. Spektroskopische Ergebnisse 47<br />

1. Emissionsspektren<br />

(a) Atomspektren sind Linienspektren (Gasentladung, Lichtbogen, Metalldämpfe, Edelgase).<br />

(b) Ionenspektren (Funken).<br />

(c) Molekülspektren sind Bandenspektren. Sie bestehen aus Gruppen sehr vieler eng<br />

beieinanderliegender Spektrallinien.<br />

(d) Festkörper und Gase unter hohem Druck senden ein kontinuierliches Spektrum aus.<br />

2. Absorptionsspektren: z.B. bei Atomen: Sie sind gekennzeichnet durch linienhafte Absorption,<br />

die an den gleichen Stellen wie bei der Emission auftreten: Frauenhofersche Linien,<br />

also Linien, die im kontinuierlichen Spektrum wegen Absorption fehlen. (Kirchhoff 1859)<br />

3. Spektralbereiche: Sichtbares Licht, UV-Spektroskopie (Quarz-Optik), Vakuum-UV (λ <<br />

2000 A Luftabsorption), IR-Spektroskopie (Ionenkristall–Linsen), Röntgenspektroskopie.<br />

4. Spektralapparate<br />

(a) Prismen–Spektrograph<br />

Abb. 3.18: Frauenhofersche Anordnung.<br />

Bei hinreichend engem Spalt kann eine Beugungsfigur<br />

durch die Prismenfassung entstehen.<br />

Das erste Minimum ergibt sich bei<br />

sin γ = λ<br />

B .<br />

Dadurch wird das Auflösungsvermögen des<br />

Prismas begrenzt. Die spektrale Auflösungsgrenze<br />

ist dann erreicht, wenn die benachbarte<br />

Wellenlänge λ + dλ gerade in dieses Minimum<br />

fällt.<br />

Abbildung des Eingangsspalts über das<br />

Prisma auf den Schirm. Aufgrund der<br />

Dispersion n = n(λ) (Abhängigkeit<br />

des Brechungsindex von der Wellenlänge)<br />

wird monochromatisches Licht unterschiedlicher<br />

Wellenlänge unterschiedlich<br />

gebrochen.<br />

1. Min.: sin γ = λ<br />

B<br />

Abb. 3.19: Beugungsfigur beim Spalt.


48 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Abb. 3.20: Zum Auflösungsvermögen eines Prismenspektrographen.<br />

Der optischen Weg von EA = s ist gleich<br />

dem optischen Weg CD2 = s2 , da<br />

die Strecke EC auf der gleichen Wellenfront<br />

liegt, wie die Strecke AD2 zu einem<br />

späteren Zeitpunkt. Weil die Strecke EA<br />

innerhalb des Prismas verläuft, gilt für die<br />

optische Weglänge EA · n2 = s · n2 = s2 .<br />

Ebenso erhalten wir für s1 : s1 = s·n1 . Die<br />

Differenz der optischen Weglängen D1D2 ist in guter Näherung gleich s1 − s2 =<br />

s(n1 − n2 ) = s · dn mit n1 = n2 + dn.<br />

Aus Abbildung 3.20 erhalten wir sin γ =<br />

D1D2<br />

= B vgl. Abb. 3.18).<br />

AD2<br />

Durch die Definition des Auflösungsvermögen hatten wir erhalten sin γ = λ<br />

B . Durch<br />

Gleichsetzen und Division durch dλ erhalten wir das spektrale Auflösungsvermögen<br />

λ<br />

= sdn<br />

dλ dλ .<br />

= s·dn<br />

B (AD 2<br />

s ist die Basislänge des verwendeten Prismas. Das spektrale Auflösungsvermögen<br />

eines Prismas ist also gleich dem Produkt aus seiner Basislänge und der Dispersion<br />

des Prismenmaterials. Es ist unabhängig vom brechenden Winkel.<br />

Um zum Beispiel die Na–D–Linie gerade noch getrennt wahrzunehmen, wollen wir<br />

die Basislänge des zu verwendenden Prismas berechnen: Na–D–Linien: λ1 = 5890 A,<br />

λ2 = 5896 A. =⇒ λ<br />

dλ =103 . Die Größe dn<br />

dλ beträgt für Flintglas ca. 1000 cm−1 .Damit<br />

ergibt sich die Basislänge:<br />

� s =<br />

103 103 =1cm<br />

cm−1 (b) Interferenzgitter: Im Strahlengang von Abbildung 3.18 wird das Prisma durch ein<br />

Gitter ersetzt.<br />

Wie schon beim Prismenspektrograph<br />

können zwei Wellenlängen (λ, λ + dλ)<br />

gerade noch getrennt wahrgenommen<br />

werden, wenn das Hauptmaximum der<br />

einen Wellenlänge mit dem ersten<br />

Minimum der Anderen zusammenfällt.<br />

Dann gilt<br />

g sin α1 = mλ g sin α3 =(m +1)λ<br />

g sin α2 = mλ + λ<br />

N<br />

g sin α4 =(m +1)λ − λ<br />

N<br />

Abb. 3.21: Beugungsfigur am Gitter.<br />

m(λ + dλ) =mλ + λ<br />

N<br />

=⇒<br />

λ<br />

= N · m<br />

dλ<br />

Das ist das Auflösungsvermögen beim<br />

Gitter.


3.4. Spektroskopische Ergebnisse 49<br />

Bestrahlt man ein Gitter mit einem Bündel weißem Licht, so entsteht beispielsweise<br />

das Maximum erster Ordnung für rotes Licht unter einem größerem Winkel als für<br />

blaues Licht.<br />

Ein Prisma macht nur ein Spektrum, ein Gitter<br />

macht viele Spektren sich überlappender Ordnungen!<br />

Man definiert den nutzbarer Wellenlängenbereich<br />

∆λ als den Bereich, in dem zu jeder Richtung<br />

(sin α) nur eine Wellenlänge gehört. Dies ist<br />

gerade der Bereich, bei dem die letzte Linie“ der<br />

”<br />

Ordnung m gerade in das letzte Minimum vor der<br />

Abb. 3.22: Überlapp zweier Spektren. ” erster Linie“ der Ordnung m +1fällt!<br />

Dann gilt:<br />

(c) Interferometer<br />

Abb. 3.23: Strahlengang im Interferometer.<br />

m(λ +∆λ) =(m +1)λ − λ<br />

N<br />

∆λ = λ<br />

m<br />

mit λ<br />

N<br />

≪ (m +1)λ<br />

Das Auflösungsvermögen und damit die Meßgenauigkeit<br />

läßt sich wesentlich erhöhen, wenn<br />

das Ausgangsstrahlenbündel in viele Teilbündel<br />

zerlegt wird, die einen von Bündel zu<br />

Bündel zunehmenden festen Gangunterschied<br />

aufweisen, bevor sie wieder vereinigt werden.<br />

Eines der bekanntesten Vielstrahlinterferrometer ist das Fabry–Perot–Interferrometer.<br />

Es besteht aus zwei hochreflektierenden Spiegeln, von denen der Eine halbdurchlässig<br />

ist. Die beiden Spiegel stehen variabel im Abstand d zueinander und bilden also einen<br />

offenen optischen Resonator aus.<br />

Die auf das Interferrometer unter dem Winkel ϑ treffende Strahlung wird durch die<br />

Vielfachreflexion zwischen den Spiegeln in viele Teilbündel aufgespalten. Der von<br />

Bündel zu Bündel fortschreidende Gangunterschied δ der durchgehenden Strahlung<br />

beträgt<br />

δ =2nd cos ϑ,<br />

wobei n der Brechungsindex des Mediums zwischen den Spiegeln ist. Mit einer<br />

Linse werden die austretenden parallelen Strahlenbündel in der Brennebene vereinigt.<br />

Es entstehen sehr scharfe Interferenzmaxima, die man aufgrund der Symmetrie der<br />

Anordnung als helle konzentrische Kreise auf dunklem Untergrung betrachtet (Kurven<br />

gleicher Neigung). Die Interferenzen sind um so schmäler, ja häufiger das Bündel<br />

zwischen den Spiegeln reflektiert wird und miteinander interferrierende Teilbündel<br />

erzeugt werden. Die Auflösung mit diesem Vielstrahlinterferometer ist sehr hoch. Die<br />

Ordnung der Interferrenzen beträgt etwa m ≈ 10 4 − 10 5 , wohingegen der nutzbare<br />

Wellenlängenbereich ∆λ ≈ 10 −4 λ sehr klein ist, was eine Vorzerlegung des Lichts<br />

notwendig macht.<br />

Mit diesem Gerät können also feine Linsenspektren und Linienbreiten vermessen werden.


50 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Was hat man nun beobachtet?<br />

Für das sichtbare H–Spektrum fand Balmer 1885 empirisch die Serienformel für λ:<br />

Seriengrenze: λ = C = 3645.6A.<br />

Hα : λ = 6562.7A = C 32<br />

32 9<br />

=<br />

− 22 5 C<br />

Hβ : λ = 4861.3A = C 42<br />

42 4<br />

=<br />

− 22 3 C<br />

Hγ : λ = 4340.5A = C 52<br />

52 25<br />

=<br />

− 22 21 C<br />

Hδ : λ = 4101.7A = C 62<br />

62 9<br />

=<br />

− 22 8 C<br />

Rydberg gab 1890 der Balmerformel die künftige Gestalt:<br />

ν := 1 ν<br />

=<br />

λ c<br />

mit<br />

�<br />

4 1 1<br />

= −<br />

C n2 n ′2<br />

�<br />

n ′ =3, 4,... n=2; ν Wellenzahl,<br />

4<br />

C = R H = 109677.6cm−1 : Rydberg–Konstante für Wasserstoff.<br />

Die Seriengrenze für n ′ →∞ergibt sich zu ν ∞ = 1<br />

4 R.


3.4. Spektroskopische Ergebnisse 51<br />

Abb. 3.24: Spektralserien des Wasserstoffs.<br />

Abb. 3.25: Termschma für die Linien des Wasserstoffspektrums.<br />

Die obigen Schaubilder zeigen die Linien des Wasserstoffspektrums, die in den weiter unten<br />

genannten Serien zusammengefaßt werden. Das Termschema des Wasserstoffs wird im Ramen<br />

der Bohrschen Theorie noch ausführlicher behandelt werden und soll an dieser Stelle nur erwähnt<br />

werden. Neben der schon erwähnten Balmerserie ergeben sich noch die von:<br />

�<br />

1 1<br />

Th. Lyman (1906) : ν = RH −<br />

12 n ′2<br />

�<br />

�<br />

1 1<br />

F. Paschen (1908) : ν = RH −<br />

32 n ′2<br />

�<br />

�<br />

1 1<br />

Brackett (1922) : ν = RH −<br />

42 n ′2<br />

�<br />

�<br />

1 1<br />

Pfund (1924) : ν = RH −<br />

52 n ′2<br />

�<br />

n =1 n ′ =2, 3,... UV,<br />

n =3 n ′ =4, 5,... IR,<br />

n =4 n ′ =5, 6,... IR,<br />

n =5 n ′ =6, 7,... IR.<br />

D.h. die Wellenzahlen ν (gemessen in cm −1 = Kayser) sind Differenzen von Termen:<br />

T n = R H<br />

n2 und Tn ′ = RH .<br />

n ′2


52 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

1908: Ritzsches Kombinationsprinzip: Die Differenz der Wellenzahlen (Frequenzen) zweier Linien<br />

einer Serie ist gleich der Wellenzahl (Frequenz) einer Linie, die im gleichen Atom in einer anderen<br />

Serie tatsächlich auftritt.<br />

(T n1 − T n ′ 1<br />

) − (T − T n1 n ′′ )=(T − T<br />

1<br />

n2 n ′ ) .<br />

2<br />

Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Entdeckung der Lyman– und Pfund–Serie mit enormen<br />

Meßschwierigkeiten verbunden war.<br />

Wasserstoff ist das einfachste (Einelektronen) Atom. Chemisch identisch ist der schwere Wasserstoff<br />

(Deuterium), der von Urey im H–Spektrum entdeckt wurde, da wegen RD �= RH die<br />

Linien im Spektrum etwas verschoben sind. Es gilt jedoch die gleiche Serienformel.<br />

Geht man vom Ein– zum Zweielektronensystem über (Helium), so findet man gleich ein sehr<br />

kompliziertes Spektrum. Es ist nur erklärbar durch zwei getrennte Termschemata. Man glaubte<br />

zunächst an zwei Sorten Helium: Ortho– und Parahelium. Jedoch in Funken (und bei astronomischen<br />

Beobachtungen) fand man ein He + –Spektrum und Serien (z.B. Fowler–Serie, Pickering–<br />

Serie u.a.), die ähnlich den Wasserstoffserien sind. Ebenso bei Li ++ –Spektren. Diese Ergebnisse<br />

bestätigten die Bohrsche Vorstellung, daß die Spektren aller Atome bzw. Ionen mit nur einem<br />

Elektron gleich sein müßten, bis auf den Faktor Z2 und der Rydbergzahl. Also sollte das Spektrum<br />

des H–Atoms zugleich die Spektren von He + ,Li ++ ,Be +++ oder allgemein aller Ionen, die<br />

nur ein Elektron besitzen, erklären. Also gilt<br />

ν = R · Z 2<br />

�<br />

1 1<br />

−<br />

n2 n ′2<br />

�<br />

für wasserstoffähnliche Spektren.<br />

mit RH �= R + He<br />

�= R ++ Li<br />

�= usw.<br />

Diese Aussage wurde zusammengefaßt im Spektralen Verschiebungssatz wasserstoffähnlicher<br />

Spektren von Kossel und Sommerfeld 1916:<br />

Das Spektrum eines beliebigen Atoms ist sehr ähnlich dem Spektrum des einfach<br />

positiv geladenen Atoms, das im Periodensystem folgt.<br />

Chemisch verwandt mit dem Wasserstoff sind Alkali–Atome (ein ” Leuchtelektron“). Die Spektren<br />

sind aber deutlich komplizierter: Es treten Haupt– und Nebenserien auf. Es gilt:<br />

ν = RNa · (Z − σ) 2<br />

�<br />

1<br />

−<br />

(n + s) 2<br />

1<br />

(n ′ + p) 2<br />

�<br />

n ′ = n +1,n+2,...<br />

Messungen mit besserer Auflösung zeigen, daß Einelektronenatome Dublett–Struktur, Paraheliumatome<br />

Singulett–, Orthoheliumatome Triplett– Struktur besitzen. Dies deutet auf eine Feinstruktur<br />

der Spektrallinien hin (vgl. Kapitel 6.5).<br />

Bringt man eine Lichtquelle in ein elektrisches oder magnetisches Feld, so erfolgt eine Aufspaltung<br />

der Spektrallinien. Im elektrischen Feld nennt man diese Beobachtung Stark–Effekt und<br />

im magnetsichen Feld spricht man vom Zeeman–Effekt, den wir im folgenden noch abhandeln<br />

werden.


3.5. Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler 53<br />

3.5 Thomsonsches Atommodell, Atome als Primärstrahler<br />

3.5.1 Das Thomsonsche Atommodell<br />

Man stellte sich das Atom als statisches System vor, in dem die Elektronen in einer Wolke von<br />

positiver Elektrizität schwimmen. Der Radius dieser Kugel sollte etwa der des Gesamtatoms<br />

sein. Thomson selber stellte sich das Atom als einen positiv geladenen Pudding vor, in dem die<br />

Elektronen wie Rosinen eingebettet waren und Schwingungen ausführen durften.<br />

Es gilt folgende Bewegungsgleichung für die schwingenden Elektronen:<br />

Abb. 3.26: Zum Thomsonschen Atommodell.<br />

F = 1<br />

�<br />

4πε0 Z · e<br />

4π<br />

3 r3<br />

4π<br />

3 R3<br />

� �<br />

· − e<br />

r2 �<br />

= − Z · e2r = m¨r<br />

4πε0R3 Das Volumenverhältnis 4/3πr3<br />

4/3πR3 gibt dabei den Bruchteil der Coulombkraft des Gesamtatoms an,<br />

die auf das Elektron wirkt. (Da F bei einer homogen geladenen Vollkugel linear mit dem Abstand<br />

vom Mittelpunkt anwächst.)<br />

Die Lösung obiger Differentialgleichung ist die Harmonische Schwingung mit<br />

ω 0 =<br />

�<br />

Ze 2<br />

4πε 0 R 3 m<br />

Mit e =1.6 · 10−19 C, m =0.91 · 10−30 kg, 4πε0 = 1<br />

9 · 10−9 C/m 2<br />

V/m<br />

16 1<br />

ω0 =1.6 · 10<br />

s ⇐⇒ ν 1<br />

0 =2.5 · 1015<br />

s<br />

� λ0 = c<br />

ν0 =1.2 · 10 −7 m=1200A<br />

, Z = 1(H) ergibt sich<br />

Dies würde in etwa der stärksten Wasserstofflinie: Lα :<br />

λ = 1215 A entsprechen.<br />

Abb. 3.27: Serienspektrum mit<br />

Konvergenzgrenze.<br />

So gut, so schön; aber: Serienspektren mit Konvergenzgrenze sind nicht erklärbar!<br />

Andererseits konnte das Thomson–Modell auch das natürliche Licht als Folge von<br />

Dipolschwingungen erklären. Bei Schwingungen der eingebetteten Elektronen vieler ungeordneter<br />

Atome ergibt sich eine inkohärente Überlagerung. (Keine Phasenbeziehung!)<br />

Aufgrund der in Kapitel 3.3 gemachten Überlegungen erhalten wir für die Intensität der<br />

Strahlung:<br />

� � 2 2<br />

I = I0 sin θ +1+cosθ =2I0 , unabhängig von θ.<br />

D.h. isotrop, außerdem nicht polarisiert, ganz entsprechend der Beobachtung.<br />

Wie groß ist das Verhältnis von elektrischer zu magnetischer Dipolstrahlung?


54 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Ein zeitlich veränderliches Dipolmoment entspricht einem zeitlich veränderlichem Strom I =<br />

I0 · cos ωt, also<br />

˙p = dq<br />

dt l = Il = I0l cos ωt<br />

=⇒ p = 1<br />

ω I0l sin ωt � p 1<br />

0 =<br />

ω I0l. Damit ergibt sich das Verhältnis der Strahlungsleistungen (vgl. (3.3.2) und (3.3.4)) zu<br />

Prad (mag. D.) 1<br />

=<br />

Prad (elekt. D.) c2 m2 0<br />

p2 =<br />

0<br />

1<br />

c2 (I 0 A) 2<br />

1<br />

ω 2 I 2 0<br />

l2 ≈ ω2<br />

c 2 l2 =<br />

� �2 2πl<br />

λ<br />

Identifiziert man l mit dem Atomdurchmesser (≈ 1A) und λ mit der Lichtwellenlänge λ<br />

2π =<br />

6000<br />

2π A ≈ 103 A, dann gilt:<br />

Prad (mag. D.)<br />

≈ 10−6<br />

Prad (elekt. D.)<br />

d.h. die magnetische Dipolstrahlung kann gegenüber der elektrischen Dipolstrahlung vernachlässigt<br />

werden!<br />

Ein großer Erfolg des Thomson–Modells war die Deutung des (normalen)Zeeman–Effekts (1896)<br />

durch H.A. Lorentz.<br />

3.5.2 Der Zeeman–Effekt<br />

Bringt man eine Lichtquelle (z.B. eine Cd–Lampe) in ein schwaches Magnetfeld � B, so beobachtet<br />

man statt der einen Spektrallinie (z.B. 6440 A–Linie von Cd) folgendes:<br />

1. Bei Beobachtung senkrecht zu � B findet man 3 Linien, alle linear polarisiert, und zwar<br />

(a) die unverschobene Linie, die parallel zu � B polarisiert ist (π–Linie),<br />

(b) zwei um ω = ± e·B<br />

2m verschobene Linien, die senkrecht zu � B polarisiert sind (σ–Linien).<br />

2. Bei Beobachtung parallel zu � B findet man zwei Linien, beide sind zirkular polarisiert (rechts<br />

und links) und beide sind um ω = ± e·B<br />

2m in der Frequenz verschoben. Die unverschobene<br />

Linie beobachtet man nicht.<br />

B N B<br />

S<br />

Spekt. App.<br />

Transvers. B<br />

Spekt. App.<br />

Longit. B<br />

ν 0<br />

σ π σ<br />

B =0<br />

Abb. 3.28: Aufbau und Beobachtung beim klassischen Zeeman–Effekt.<br />

⊥ � B<br />

Transversal<br />

�<br />

Longitudinal<br />

� B


3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 55<br />

Der Effekt ist klein, man braucht zu seiner Untersuchung Spektralapparate sehr hoher Auflösung.<br />

Erklärung: Man kann einen beliebig im Raum schwingenden Atomdipol in eine lineare<br />

Schwingung in z–Richtung und in eine lineare Schwingung in der xy–Ebene zerlegen. Schaltet<br />

man jetzt das Magnetfeld in z–Richtung ein, so erfährt das senkrecht zu � B schwingende Elektron<br />

durch die Lorentzkraft e�v × � B eine Drehung seiner Bewegung. In einem um � B mitrotierenden<br />

Koordinatensystem wird die Lorentzkraft von der Corioliskraft kompensiert:<br />

evB =2mvω L � ω L = eB<br />

2m Larmorfrequenz.<br />

In diesem rotierenden System macht das Elektron dieselbe Bewegung (Frequenz) wie im ruhendem<br />

System ohne Magnetfeld. Die lineare Schwingung läßt sich in zwei Kreisschwingungen<br />

gleicher Frequenz (halbe Amplitude) zerlegen. Ein ruhender Beobachter sieht dann Umläufe<br />

mit ω = ω0 ± ωL . (Die Zentrifugalkraft kann vernachlässigt werden, da mω2 Lr ≪ 2mvωL d.h.<br />

ωL ≪ 2 v<br />

r =2ω0 .)<br />

Parallel zu � B beobachtet man (Longitudinal):<br />

• die beiden (verschobenen) zirkular polarisierten Linien.<br />

Senkrecht zu � B beobachtet man (Transversal):<br />

• Eine linear polarisierte unverschobene Linie, die parallel zu � B polarisiert ist (π–Licht) und<br />

die parallel zu � B nicht ausgestrahlt wird.<br />

• Zwei senkrecht zu � B polarisierte Linien (σ–Licht), frequenzverschoben, da man ” seitlich“<br />

auf die Kreisströme blickt.<br />

Aus dem normalem Zeeman–Effekt kann e/m bestimmt werden! Die Erklärung des Effekts mit<br />

Hilfe von schwingenden Elektronen war somit eine Bestätigung für das Thomson–Modell.<br />

3.6 Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als<br />

Sekundärstrahler<br />

3.6.1 Beugung, Brechung, Dispersion, Absorption, Resonanzfluoreszenz,<br />

Lebensdauer<br />

Werden die Elektronen der Atome (z.B. thermisch, in Gasentladungen) angeregt, dann erfolgt<br />

aufgrund der Dipolschwingungen eine Emission von elektromagnetischen Wellen, die<br />

Primärstrahlung. Erfolgt die Anregung durch diese elektromagnetischen Wellen, so führen die<br />

Elektronen der Atome erzwungene Schwingungen aus. Man erhält die Sekundärstrahlung. Die<br />

Strahlung ist kohärent zwischen Anregung und Ausstrahlung, d.h. die Phasenbeziehung zwischen<br />

Primär– und Sekundärstrahlung ist zwischen Anregung und Ausstrahlung fest.<br />

Welche Phänomene können mit diesem Modell erklärt werden?<br />

Gegeben sei ein Einkristall, d.h. geordnete Sekundärquellen mit d ≈ 1A. Als Primärstrahlung<br />

werde Licht mit λ ≈ 1A, d.h. Röntgenstrahlung verwendet.


56 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Die Sekundärstrahlung interferiert wenn d sin α = z · λ, wennalsodieBragg–Bedingung erfüllt<br />

ist. Wir erhalten viele Ordnungen: Röntgenbeugung.<br />

In der 0. Ordnung tritt auch Interferenz zwischen der Primär– und Sekundärstrahlung auf.<br />

Was ergibt sich nun für sichtbares Licht (λ ≈ 5000 A)? d sin α = zλ ist nur erfüllbar für z =0,<br />

d.h. nur für die 0. Beugungsordnung (durchgehender Strahl). Da aber im sichtbaren Bereich<br />

die atomaren Eigenfrequenzen der schwingenden Atome liegen, beobachtet man Resonanz<br />

bei der erzwungenen Schwingung. Wie wir aus der klassischen Mechanik wissen, beträgt die<br />

Phasenverschiebung zwischen erzwungener Schwingung und Erregerschwingung in der Resonanz<br />

90◦ . Da der durchgehende Strahl eine Überlagerung einer Primärwelle mit der Summe aller<br />

Sekundärwellen ist, ergibt sich eine Phasenverzögerung der aufsummierten Welle gegenüber der<br />

ursprünglicher Primärwelle. Sie wirkt sich als Herabsetzung der effektiven Phasengeschwindigkeit<br />

aus. Dieses Phasenverhalten, das abhängig von der Frequenz ω ist, ist Ursache für die Dispersion.<br />

Die Lichtgeschwindigkeit wird kleiner:<br />

v = c<br />

n<br />

Dies ist zugleich die Ursache für die Lichtbrechung. Die Abhängigkeit n = n(ω) nenntman<br />

Dispersion. Im Bereich hoher Frequenzen (Röntgengebiet ω ≫ ω0 ) gilt n ≈ 1;<br />

d.h. Röntgenbeugungsordnungen zeigen keine Brechung!<br />

Allgemein gilt für die DGL einer erzwungenen Schwingung mit Dämpfung:<br />

m¨x + γ ˙x + Dx = eE 0 e −iωt′<br />

� x(t ′ )= eE 0<br />

m<br />

e −iωt′<br />

ω 2 0 − ω2 − iγ ω<br />

m<br />

mit F (t ′ )=e · E(t ′ )=e · E 0 e −iωt′<br />

mit ω 0 =<br />

Damit wird das elektrische Dipolmoment des Atoms:<br />

p(t ′ )=e · x(t ′ )= e2 E 0<br />

m<br />

Aus der Beziehung für die elektrische Polarisation<br />

� D<br />

m Eigenfrequenz.<br />

e−iωt′ ω2 0 − ω2 − iγ ω .<br />

m<br />

P (t ′ )=N · p(t ′ )=ε 0 (ε − 1)E(t ′ )<br />

N Teilchenzahl/cm 3 , erhalten wir für den Brechungsindex:<br />

n = √ ε =<br />

�<br />

1+<br />

Ne 2<br />

ε 0 m(ω 2 0 − ω2 − iγ ω<br />

m ) = � 1+χ el<br />

Der Brechungsindex ist also komplex!<br />

�<br />

�<br />

�<br />

n = �1+ Ne2 (ω2 0 − ω2 + iγ ω<br />

m )<br />

�<br />

ε0m (ω2 0 − ω2 ) 2 + � γω<br />

m<br />

mit χ el : der elektrischen Suszeptibilität.<br />

� 2 � = n ′ + in ′′<br />

(3.6.1)


3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 57<br />

Die Feldstärke am Ort z ergibt sich zu:<br />

�E = � E o e −iωt′<br />

= � z −iω(t− Eoe v )<br />

�E = � zn′<br />

Eoe −iω( c − t) n′′ −ω e c z<br />

Damit ist dann die Intensität am Ort z:<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

mit v = c<br />

n und t′ = t − z<br />

v<br />

(zeitliche Retardierung siehe Kapitel∗ 3.2).<br />

I ∼| � E| 2 2ωn′′<br />

∼ e<br />

− c z = e −αz<br />

α = 2ωn′′<br />

c<br />

α = Absorptionskoeffizient<br />

Der Realteil n ′ gibt uns den normalen“ Brechungsindex v =<br />

” c<br />

n ′ an und der Imaginärteil n ′′ ist<br />

verknüpft mit einem Absorptionskoeffizienten α. Dies läßt sich im folgenden zeigen:<br />

Ist in n = √ 1+A die Größe A ≪ 1(z.B. Teilchendichte klein) kann man die Taylorentwicklung<br />

der Wurzel nach dem 2. Glied abbrechen. In der Nähe der Resonanzstelle (ω ≈ ω0 )ist(ω2 0 −ω2 )=<br />

(ω0 − ω)(ω0 + ω) ≈−2ω0 (ω − ω0 ) und ωγ ω0γ γ<br />

m ≈ m ,sowie<br />

m =Γω .<br />

Dann erhält man für kleines N aus einer Taylorentwicklung von n nach N<br />

n ≈ 1+ 1 ···<br />

2 ··· = n′ + in ′′ .<br />

n ′ = 1 + Ne2 ω<br />

2ε0m 2 0 − ω2<br />

(ω2 0 − ω2 ) 2 + � � ωγ 2<br />

m<br />

−→ 1 − Ne2 ω − ω0 4ε0ω0m (ω − ω0 ) 2 + � �2 Γω<br />

2<br />

(3.6.2)<br />

α = 2ωn′′<br />

c =<br />

Ne2ω2γ cε0m2 �<br />

(ω2 0 − ω2 ) 2 + � � �<br />

ωγ 2<br />

m<br />

−→ Ne2 Γω 4ε0cm (ω − ω0 ) 2 + � �2 Γω<br />

2<br />

(3.6.3)<br />

Tragen wir (3.6.2) und (3.6.3) in Abhängigkeit von ω auf, so erhalten wir Abbildung 3.29.<br />

Die Breite der Resonanz Γω entspricht gleichzeitig dem Gebiet der anomalen Dispersion<br />

Abb. 3.29: Resonanzkurven (Lorentzkurven)für α und Dispersionskurve für den Brechungsindex.<br />

Befinden wir uns im Resonanzfall, so ist die Erregerfrequenz (Absorptionsfrequenz) gleich der<br />

Eigenfrequenz des Atoms (Emissionsfrequenz). Absorbiert also eine Substanz die gleiche Frequenz,<br />

die sie emittiert, so nennt man diese Erscheinung Resonanzfluoreszenz.<br />

.


58 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Bringt man die Resonatoren aus dem Lichtfeld heraus (allgemein aus dem Anregungsbereich<br />

heraus), so entsteht eine freie gedämpfte Schwingung:<br />

Die Intensität ist dann<br />

m¨x + γ ˙x + Dx =0 mitLösung: x(t ′ γ<br />

−<br />

)=x0e 2m t′<br />

e iω0t′<br />

.<br />

I(t ′ ) ∼ x 2 (t ′ γ<br />

−<br />

)=I0e m t′<br />

e iω0t′<br />

t′<br />

−<br />

= I0e τ e iω0t′<br />

,<br />

wobei τ = m<br />

γ<br />

= 1<br />

Γ ω<br />

die mittlere Lebensdauer darstellt.<br />

Die Fouriertransformation (Fourierintegral) des Zeitverhaltens liefert ein Frequenzspektrum. Als<br />

Ergebnis erhalten wir eine Emissionslinie endlicher Breite:<br />

Γ ω = γ<br />

m .<br />

Die Emissionslinie hat die gleiche Breite wie die Absorptionslinie. Die Breite, verknüpft mit der<br />

mittlere Lebensdauer, ergibt die klassische Unschärferelation:<br />

τΓ ω =1 .<br />

Wir setzten die Reibungskraft proportional zu ˙x (R = γ ˙x) an, da die Ursache für die ” Reibung“<br />

die Strahlungsdämpfung ist. Die Arbeit der Dämpfungskraft ergibt sich zu<br />

Die mittlere Leistung ist dann<br />

Mit<br />

P (t′ ) 1<br />

=<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

0<br />

dW = Rdx = R ˙xdt ′ .<br />

(t<br />

der Strahlungsleistung Prad ′ ) 2<br />

=<br />

3<br />

1<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

0<br />

¨x 2 dt ′ = 1<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

0<br />

¨x¨xdt ′ =<br />

R ˙xdt ′ , die ja gleich (3.6.4)<br />

e 2<br />

4πε 0 c 3<br />

1<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

˙x¨x| t ′ − ˙x¨x| 0<br />

t ′<br />

� �� �<br />

→ 0<br />

da ˙x, ¨x endl. variiert; t ′ groß<br />

und durch Gleichsetzten von (3.6.4) und (3.6.5) ergibt sich somit<br />

1<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

0<br />

R ˙xdt ′ = − 2<br />

3<br />

e 2<br />

4πε 0 c 3<br />

1<br />

t ′<br />

t ′<br />

�<br />

o<br />

˙x ...<br />

xdt ′ � R = − 2<br />

3<br />

0<br />

¨x 2 dt ′<br />

− 1<br />

t ′<br />

e 2<br />

4πε 0 c 3<br />

t ′<br />

�<br />

0<br />

sein soll. (3.6.5)<br />

˙x · ...<br />

xdt ′<br />

e 2 ω 2<br />

... 2<br />

x =<br />

3 4πε0c3 ˙x,<br />

� �� �<br />

γ


3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 59<br />

da mit ˙x = ˙x0 sin ωt ′ � ...<br />

x = −ω2 ˙x 0 sin ωt ′ = −ω2 ˙x gilt. Wir erhlaten dann für die mittlere<br />

Lebensdauer:<br />

τ = m<br />

γ<br />

= 1<br />

Γ ω<br />

= 3 4πε0c 2<br />

3m e2ω2 Mit den Werten für die Konstanten und für ω (λ = 5000 A) ergibt sich eine Abklingzeit an<br />

Kathodenstrahlen mit:<br />

τ =10 −8 s .<br />

3.6.2 Doppelbrechung, optische Aktivität, Faraday–Effekt<br />

Mit der Vorstellung der erzwungenen schwingenden Atomdipole lassen sich die Phänomene<br />

der Reflexion und Brechung (Fresnelsche Formeln), derTotalreflexion (endliches Eindringen in<br />

” dünneres“ Medium) und des klassischen Tunneleffekts zwangslos erklären, ebenso die Polarisation<br />

des reflektierten Lichts unter dem Brewster–Winkel.<br />

Weitere Polarisationseffekte:<br />

• Die Doppelbrechung erklärt sich aus räumlicher Anisotropie der Rückstellkräfte. Dies gilt<br />

für Kristalle, die in einer Richtung eine höhere Symmetrie aufweisen als in den Anderen.<br />

Diese ausgezeichnete Richtung nennt man optische Achse. (Bsp.: Ist ein Molekül rotationssymmetrisch,<br />

so ist die Rotationsachse die optische Achse). Durch die unterschiedlichen<br />

Rückstellkräfte ergeben sich für verschiedene Schwingungsrichtungen unterschiedliche Resonanzstellen,<br />

damit unterschiedliche Brechungsindizes, d.h. unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten.<br />

Betrachten wir konkret eine Lichtquelle, repräsentiert durch in alle drei Raumrichtungen<br />

schwingende Atomdipole, in einem optischen Kristall mit der z–Achse als optische Achse.<br />

Stellen wir uns die schwingenden Atomdipole als Ladungen vor, die durch Federn gekoppelt<br />

sind, so bedeutet der oben genannte optisch anisotrope Kristall, daß die Federn in x– und y–<br />

Richtung gleich stark sein sollen, jedoch die Feder in z–Richtung eine andere Federkonstante<br />

besitzen soll.<br />

Abb. 3.30: Zur Ausbreitung der elektromagnetischen<br />

Welle.<br />

.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Federkonstanteninderxy–Ebene<br />

bzw. in der xz– und yz–<br />

Ebene schwingt der Dipol, der entlang der optischen<br />

Achse abstrahlt, mit einer anderen Frequenz<br />

als diejenigen Dipole, die in der xz– bzw.<br />

yz–Ebene schwingen.<br />

Zur Ausbreitung der elektromagnetischen Welle<br />

in z–Richtung tragen nur die x– und y–<br />

Federn bei, die ja beide die gleiche Federkonstante<br />

und somit gleiche Ausbreitungsgeschwindigkeiten<br />

besitzen.<br />

In allen anderen Richtungen der xz–Ebene tragen alle drei Federn bei.<br />

Wir bezeichnen den Strahl, dessen � E–Vektor senkrecht zu der Ebene schwingt, die aus der<br />

Ausbreitungsrichtung �k und der optischen Achse ausgespannt wird, als ordentlicher Strahl<br />

(in Abbildung 3.30 durch einen Punkt (•) gekennzeichnet); den Strahl, dessen � E–Vektor


60 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

parallel zu der Ebene schwingt als außerordentlicher Strahl (in der Abbildung durch einen<br />

Strich (−) gekennzeichnet).<br />

Die z–Richtung heißt optische Achse. Auf ihr liegen die beiden Berührungspunkte der<br />

ordentlichen Lichtkugel und des ausserordentlichen Lichtellipsoids.<br />

Trifft nun Licht von außen senkrecht auf die<br />

Oberfläche eines optisch anisotropen Kristalls,<br />

so erhalten wir folgende Fälle:<br />

– Die optische Achse liegt parallel zur Einfallsrichtung:<br />

Keine Aufspaltung in zwei<br />

Abb. 3.31: Optische Achse parallel zur Einfallsrich-<br />

Strahlen.<br />

tung.<br />

– Die Optische Achse liegt senkrecht zur Einfallsrichtung: Zwei Strahlen laufen mit unterschiedlichen<br />

Phasengeschwindigkeiten hintereinander her, die senkrecht zueinander<br />

polarisiert sind.<br />

Als Spezialfall erhalten wir hier das λ/4–Plättchen, bei dem die Phasendifferenz nach<br />

Austritt aus dem doppelbrechenden Material genau π/2beträgt. Wir erhalten zirkular<br />

polarisiertes Licht.<br />

Abb. 3.32: Optische Achse senkrecht zur Einfallsrichtung.<br />

Abb. 3.33: Doppelbrechung bei einem λ/4–<br />

Plättchen.<br />

– Bei schrägem Auffall auf einen Kistall mit<br />

schräg liegender optischer Achse: Zwei<br />

Strahlen, die senkrecht zueinander polarisiert<br />

sind und unterschiedlich gebrochen<br />

werden.<br />

Abb. 3.34: Optische Achse schräg zur Einfallsrichtung.<br />

• Optische Aktivität: Darunter versteht man die Drehung der Schwingungsebene des linear<br />

polarisierten Lichtes in optisch aktiven Kristallen (Quarz) oder optisch aktiven Lösungen<br />

(Zuckerlösung). Die Erklärung dafür sind die verschiedenen Brechungsindizes und aufgrund<br />

der Dispersion die unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten für rechts– und<br />

linkszirkular polarisiertes Licht. Es sei z.B. n +


3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 61<br />

Abb. 3.35: Optische Aktivität. Drehung des � E–Vektors um den Winkel α.<br />

Zunächst:<br />

E = E z = e i(kx−ωt)<br />

Zerlegung in zwei zirkular polarisierte Wellen:<br />

E + ⎧<br />

⎪⎨<br />

=<br />

⎪⎩<br />

mit<br />

E − ⎧<br />

⎪⎨<br />

=<br />

⎪⎩<br />

k + = 2π<br />

λ + = n+ · ω<br />

c<br />

k − = 2π<br />

λ− = n− · ω<br />

c<br />

Nach Durchlaufen der Länge l gilt:<br />

E z = E + z (l)+E− z (l) = E 0<br />

2<br />

E + z = E 0<br />

2 ei(k+ x−ωt)<br />

E + y = E 0<br />

2 ei(k+ x−ωt+ π<br />

2 )<br />

E − z = E 0<br />

2 ei(k− x−ωt)<br />

E − y = E 0<br />

2 ei(k− x−ωt+ π<br />

2 )<br />

; n + = n − ∆n; k + = n ω<br />

c<br />

− ∆nω<br />

c<br />

; n − = n +∆n; k − = n ω<br />

c +∆nω<br />

c .<br />

�<br />

ω<br />

ei(n c l−ωt)<br />

= E 0 e i(...) cos<br />

entsprechend E y = E 0 e i(...) sin<br />

ω<br />

e<br />

−i(∆n c l) ω<br />

+ e<br />

i(∆n c l)�<br />

�<br />

∆n · ω<br />

c l<br />

�<br />

,<br />

�<br />

∆n · ω<br />

c l<br />

�<br />

.


62 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Die resultierende Welle, die wiederum linear polarisiert ist, erhält man durch Vektoraddition<br />

von E + und E − . Hierzu drehen wir die schneller laufende Welle E + auf ihrer<br />

Schraubenlinie um die Strecke zurück, die sie aufgrund ihrer größeren Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

gewonnen hat. Die resultierende Welle ist nun aber um den Winkel α<br />

gegenüber der Polarisationsebene beim Eintritt der Welle in die optische aktive Substanz<br />

gedreht.<br />

Ey =tanα =tan(∆n<br />

Ez ω<br />

l) α =∆nωl<br />

Rotationsdispersion ,<br />

c c<br />

wobei ∆n proportional zur Konzentration der Lösungen ist.<br />

Die Optische Aktivität kann man auch künstlich erzeugen, wenn man eine normale Substanz<br />

durchstrahlt und parallel dazu ein � B–Feld einschaltet: Faraday–Effekt. Das � B–Feld<br />

bewirkt auf die senkrecht dazu schwingende Dipole eine Larmorpräzession (Zerlegung in<br />

zwei rotierende Elektronen → ein ruhender Beobachter sieht die Frequenzen verschoben,<br />

d.h. aus einer Resonanzstelle wurden zwei!).<br />

Damit ist<br />

∆n = dn dn<br />

∆ω =<br />

dω dω ωL wobei ωL die Larmorfrequenz ist.<br />

Mit dω 2πc<br />

dλ = − λ2 folgt ∆n = −λ2 dn<br />

2πc dλ ω λ2 dn eB 2πc<br />

L , also gilt α = − 2πc dλ 2m cλ l oder<br />

α = − e<br />

2mc λdnlB<br />

= V · l · B .<br />

dλ<br />

V ist dabei die Verdetsche Konstante (= − e λ dn<br />

m 2c dλ )<br />

Damit läßt sich für Substanzen, die den normalen Zeeman–Effekt zeigen, mit Hilfe des<br />

Faradayeffekts e<br />

m bestimmem.<br />

• Der elektro–optische Effekt (Kerr-Effekt 1875)<br />

Für Interessierte nachzulesen in Feynman Band I, S. 451.<br />

3.6.3 Lichtstreuung, Streuung von Röntgenstrahlen<br />

• Lichtstreuung<br />

Röntgenbeugung und Lichtbrechung (gebrochener Strahl = 0. Beugungsordung) sind<br />

Interferenzphänomene. Ihr Zustandekommen setzt einen hohen Ordnungsgrad der<br />

Sekundärquellen (Atome) voraus. Zur Berechnung der Intensitäten (z.B. Fresnelsche Gleichungen)<br />

muß man die Amplituden addieren und quadrieren: kohärente Überlagerung des<br />

Sekundärlichtes (+ kohärente Addition des Primärlichtes in der 0. Ordnung!).<br />

Ist die Ordnung der Sekundärquellen durch eingelagerte und statistisch (also willkürlich)<br />

verteilte Fremdatome gestört, so löschen sich bei diesen Sekundärquellen bei der Amplitudenüberlagerung<br />

die Interferenzterme heraus (Phasendifferenz nicht konstant, zeitliches<br />

Mittel gleich Null) und die Gesamtintensität ist die Summe der Einzelintensitäten:<br />

Inkohärente Überlagerung der Sekundärstrahlung (aber kohärent, d.h. phasenstarr in Bezug<br />

auf das Primärlicht: Erzwungene Schwingung). Diese Erscheinung nennt man Streuung.<br />

Fassen wir also nochmals zusammen:


3.6. Wechselwirkung von Licht mit Materie, Atome als Sekundärstrahler 63<br />

Die Wechselwirkung von Licht mit unregelmäßig verteilten Sekundärquellen<br />

nennt man Streuung. Die Lichtstreuung tritt also auf bei Einbau von<br />

Fremdatomen in Einkristalle (Dotierungen), bei Zusätzen in Flüssigkeiten (kolloidale<br />

Verklumpungen: Tyndall–Effekt), bei Zusätzen in Gasen (z.B. Rauch),<br />

und letztlich auch bei Gasen überhaupt (thermische Bewegung sorgt für eine<br />

statistische Verteilung).<br />

Die Lichtstreuung an Teilchen wird zur Bestimmung der Größe und Konzentration von<br />

Teilchen ausgenutzt. Zur Beschreibung der Brechung in Gasen geht die mittlere Teilchendichte<br />

N ein, zur Beschreibung der Streuung die Schwankung (Varianz) (N − N) 2 .<br />

Schickt man Licht in ein streuendes Medium, so wird die Intensität geschwächt (Extinktion).<br />

Nun ist<br />

Abb. 3.36: Zur Intensitätsabnahme.<br />

Die Intensitätsabnahme ∆I längs eines kurzen<br />

Wegstückes ∆x ist proportional zur einfallenden<br />

Intensität I und zur Länge von ∆x. κ heißt<br />

Extinktionskoeffizient.<br />

∆I = −κI∆x I = W P<br />

=<br />

A · t A<br />

κ = −∆I<br />

I∆x<br />

1. die eingestrahlte Intensität I = 1<br />

2ε0cE2 0 (vgl. (3.1.1)),<br />

2. die Intensitätsabnahme ∆I gleich der gestreuten Intensität, die sich aus der<br />

Strahlungsleistung Hertzscher Dipole berechnen läßt (3.3.2). Da (mit N = Teilchendichte)<br />

in ∆x insgesamt N · A · ∆x Dipole angeregt werden, gilt<br />

Energie<br />

Fläche·Zeit<br />

∆I := − Prad A · NA∆x = −PradN∆x [∆I] =<br />

= − 1 cp<br />

3<br />

2 �<br />

0 ω<br />

�4 N∆x [Prad ] =<br />

4πε0 c<br />

Energie<br />

Zeit<br />

Damit ergibt sich der Extinktionskoeffizient<br />

κ =<br />

� �<br />

ω 4<br />

c N∆x<br />

1 cp<br />

3<br />

2<br />

0<br />

4πε0<br />

1<br />

2ε0cE2 0∆x = 8π<br />

3<br />

κ = 8π3<br />

3ε2 � �2 p0<br />

0 E0 N<br />

(4πε0 ) 2<br />

�<br />

p0<br />

E0 N · 1<br />

.<br />

λ4 � 2 �ω<br />

Diese starke Frequenzabhängigkeit κ ∼ 1<br />

λ 4 wird als Rayleigh–Streuung bezeichnet.<br />

Betrachtet man ein Gas mit seinen statistisch verteilten Molekülen, so muß auch im saubersten<br />

Gas Streuung erfolgen. Für die elektrische Polarisation � P gilt:<br />

�P = ε 0 (ε − 1) � E = N · �p =⇒<br />

p0 E0 c<br />

� 4<br />

= ε 0<br />

N (ε − 1)=ε 0<br />

N (n′2 − 1),


64 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

damit gilt κ = (n′2 2 − 1)<br />

6 πNc4 ω4 = 8π3 M<br />

· ·<br />

3 ϱNA (n′2 − 1)<br />

λ4 (3.6.6)<br />

mit N = ϱNA<br />

M und M als Molmasse. Je kleiner λ ist, desto mehr Licht wird also gestreut.<br />

Daraus läßt sich das Himmelsblau erklären (blaues Licht wird stärker gestreut als rotes).<br />

Mißt man den Extinktionskoeffizienten κ, so kann aus (3.6.6) die Avogadrokonstante NA aus der Lichtstreuung bestimmt werden.<br />

• Streuung von Röntgenstrahlen<br />

Wie beim sichtbarem Licht sind auch die gestreuten Röntgenstrahlen linear polarisiert:<br />

Barkla–Streuung.<br />

Von J.J. Thomson wurde damit auch der Extinktionskoeffizient der Röntgenstrahlung<br />

bestimmt. Es hatte sich experimentell gezeigt, daß der sogenannte Massenstreukoeffizient<br />

(bei mittleren Härten der Röntgenstrahlung) einen materialunabhängigen Wert besitzt:<br />

κ<br />

ϱ<br />

κ<br />

experimentell:<br />

ϱ =0.2cm2 /g .<br />

Zur Berechnung müssen wir berücksichtigen, daß<br />

1. alle Elektronen der Atome zur Röntgenstreuung beitragen: N → N · Z ,<br />

2. ω ≫ ω0 und ω ≫ γ<br />

m ist. Dann ergibt sich aus (3.6.1) in 1. Näherung<br />

Und somit wird mit (3.6.6)<br />

κ = 8π<br />

�<br />

(Z · N)<br />

3<br />

n ′2 = 1 + ZNe 2<br />

ε 0 m(−ω 2 )<br />

⇐⇒ (n ′2 2 Z<br />

− 1) = 2 N 2e4 . 4<br />

e 2<br />

4πε 0 mc 2<br />

�2<br />

ε 2 0 m2 ω<br />

= 8π<br />

3 r2 0 · (ZN)=σ · Z · N , (3.6.7)<br />

da man einen Absorptionskoeffizienten schreiben kann als κ =(ZN) · σ. Also lautet der<br />

Streuwirkungsquerschnitt<br />

σ St. Rö. = 8π<br />

3 r2 0 .<br />

r 0 ist der klassische Elektronenradius und σ der Thomson–Querschnitt.<br />

Mit N = ϱNA<br />

M<br />

wird der Massenstreukoeffizient zu<br />

κ 8π<br />

=<br />

ϱ 3 r2 0 · N Z<br />

A ·<br />

M<br />

cm2 Z<br />

=0.4 ·<br />

mol M =0.4<br />

� �<br />

Z<br />

cm<br />

M<br />

2 g −1 .<br />

Der Vergleich mit dem experimentellen Befund κ<br />

ϱ =0.2cm2 /g liefert<br />

� �<br />

Z<br />

=<br />

M<br />

Z<br />

=0.5 J.J. Thomson. (M = Molzahl; A = Massenzahl)<br />

A


3.7. Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld 65<br />

Diese Formel besagt, daß bei leichten Elementen (mit Ausnahme von Wasserstoff) die<br />

Ordnungszahl gleich der Hälfte des Atomgewichts sein muß. Eine solche Beziehung ist am<br />

Anfang des Periodensystems tatsächlich annähernd erfüllt. Die physikalischen Ursachen<br />

dafür sind in der Natur der Kernkräfte zu suchen. (Kern besteht aus Protonen und Neutronen).<br />

3.7 Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen<br />

Strahlungsfeld<br />

Wie wir aus Kapitel 3.1wissen, führt ein elektromagnetisches Strahlungsfeld einen Impuls mit<br />

sich.<br />

Die absorbierte Strahlung überträgt also auf den Absorber einen Strahlungsdruck. Analog:<br />

senkrecht reflektierte Strahlung überträgt auf einen Spiegel den doppelten Druck.<br />

Außerdem führt zirkular polarisiertes Licht einen Drehimpuls mit sich.<br />

Wir betrachten ein Plättchen aus doppelbrechendem Material.<br />

Abb. 3.37: Plättchen aus doppelbrechenden Material.<br />

Senkrecht dazu soll Licht auffallen. Der � E–<br />

Vektor des Lichts erzeugt ein induziertes elektrisches<br />

Dipolmoment �p, das wegen n x �= n y<br />

nicht mehr kollinear zu � E ist. Das Drehmoment<br />

�T beträgt dann:<br />

�T = �p × � E.<br />

Das Drehmoment pro Volumeneinheit ist dann:<br />

d� T<br />

dV = � P × � �<br />

E = ε0 (ε − 1) � E × � �<br />

E = ε0 (ε � E) × � E<br />

mit Polarisation � P = d�p<br />

dV und � E = const. (d.h.<br />

d � E<br />

dV =0).<br />

d � T<br />

dV ist nur ungleich Null, wenn ε ein Tensor ist, d.h. εx = n2x �= εy = n2y , d.h. anisotropes<br />

(doppelbrechendes) Material vorhanden ist. Dies ist hier der Fall und so erhalten wir mit � E =<br />

(Ex ,Ey , 0) und εxy = εxz = εyz =0:<br />

dTz dV = ε � 2<br />

0 nx (ExEy ) − n 2 y (EyEx )� = ε0ExEy (n 2 x − n2y ) .<br />

Die Welle, die in z = 0 auftrifft, hat die Komponenten Ex = E cos ωt ; E x0 y = E cos(ωt − α)<br />

y0<br />

mit<br />

α = 0 : linear polarisierte Welle<br />

α = π<br />

2<br />

: rechts zirkular polarisierte Welle<br />

α = − π<br />

2<br />

: links zirkular polarisierte Welle


66 Kapitel 3. Licht als elektromagnetische Welle, Wechselwirkung mit Materie<br />

Nach Durchlaufen der Strecke z im Medium ist dann<br />

mit E x0 = E y0 = E 0 .<br />

Ex =<br />

z<br />

E cos ω(t − n x0 x<br />

c ) = Ex0 cos(ωt − φx )<br />

Ey =<br />

z<br />

E cos ω(t − n y0 y<br />

c − α) = Ey0 cos(ωt − φy − α)<br />

dTz dV = ε0E2 0 (n2x − n2 y )cos(ωt − φx ) · cos(ωt − φ =<br />

y − α)<br />

1<br />

2 ε0E2 0 (n2x − n2y ) � cos(2ωt − φx − φy − α)+cos(φx−φy− α) �<br />

(3.7.1)<br />

Nun wollen wir das gesamte Drehmoment, das der Quader � in Abbildung � 3.37 erfährt im zeitlichen<br />

Mittel berechnen. Dazu mitteln wir (3.7.1) zeitlich cos(...t)=0 , integrieren über z von 0 bis<br />

l und multiplizieren noch mit der durchströmten Fläche A:<br />

�<br />

(t)<br />

Tz = A<br />

0<br />

l<br />

dTz dV dz = Aε0c 2ω (nx + ny )E2 � �<br />

2π<br />

0 sin<br />

λ (nx − n � �<br />

y )l − α +sinα<br />

Die einfallende Intensität beträgt<br />

I = vε0εE2(t) = c<br />

n ε0 · n2E2(t) = 1<br />

2 cε �<br />

0 nxE 2 x0 + nyE2 �<br />

y0 wegen E2 (t) = 1<br />

2E2 0<br />

= cε0E2 0<br />

(nx + ny ).<br />

2<br />

Damit beträgt die Leistung P (t) auf die Fläche A:<br />

Für das mittlere Drehmoment ergibt sich dann<br />

P (t) = I · A = cε 0 A<br />

2 (n x + n y )E2 0 .<br />

(t) P<br />

Tz = (t) � �<br />

2π<br />

sin<br />

ω λ (nx − n � �<br />

y )l − α +sinα .<br />

Wegen T = ∆L<br />

∆t beträgt der in der Einwirkungszeit ∆t übertragene Drehimpuls ∆L, derdem<br />

Strahlungsfeld entzogen sein muß (Drehimpulserhaltungssatz):<br />

(t)<br />

∆W<br />

∆L =<br />

ω<br />

∆L = P (t) ∆t<br />

ω<br />

[...]<br />

� �<br />

2π<br />

sin<br />

λ (nx − n � �<br />

y )l − α +sinα<br />

.


3.7. Impuls und Drehimpulstransport im elektromagnetischen Strahlungsfeld 67<br />

∆W ist die in der Einwirkungszeit ∆t durch das Plättchen gestrahlte Energie.<br />

λ<br />

4 –Plättchen<br />

(n x − n y )l = λ<br />

4<br />

λ<br />

2 –Plättchen<br />

(n x − n y )l = λ<br />

2<br />

zur Erklärung:<br />

⎧<br />

⎨<br />

austretendes Licht:<br />

2π<br />

⎩ λ (nx − ny )l − α :<br />

⎧<br />

[...]:<br />

⎨ austretendes Licht:<br />

2π<br />

⎩ λ (nx − ny )l − α :<br />

[...]:<br />

Einfallendes Licht<br />

lin. pol. rechts zirk. pol. links zirk. pol.<br />

α =0 α = π<br />

2 α = − π<br />

zirk. pol. lin. pol.<br />

2<br />

π π<br />

2 − 0= 2<br />

1+0=1<br />

π π<br />

2 − 2 =0<br />

lin. pol.<br />

0+1=1<br />

π π<br />

2 + 2 = π<br />

0 − 1=−1<br />

lin. pol. links zirk. pol.<br />

π − 0=π<br />

0+0=0<br />

π − π<br />

rechts zirk. pol.<br />

π<br />

2 = 2<br />

1+1=2<br />

π + π 3<br />

2 = 2π −1 − 1=−2<br />

Wenn linear pol. Licht übergeht in linear pol. Licht: kein Drehimpulsübertrag.<br />

Wenn linear pol. Licht übergeht in zirkular pol. Licht: Drehimpulsübertrag Betrag 1.<br />

Wenn zirkular pol. Licht übergeht in linear pol. Licht: Drehimpulsübertrag Betrag 1.<br />

Wenn rechts zirk. pol. Licht übergeht in links zirk. pol. Licht: ∆L–Übertrag Betrag 2.<br />

Nur zirkular polarisiertes Licht überträgt einen Drehimpuls!<br />

Experiment von Rich.A.Beth(1936).<br />

Wird zirkular polarisiertes Licht absorbiert, so übernimmt der Absorber den Drehimpuls.<br />

∆L = ∆W<br />

ω<br />

Die Formel gilt für alle Frequenzen. Das Experiment wurde 1949 von Carrara im Radiowellenbereich<br />

wiederholt. Es gilt auch für Wechselstrom: Drehstrommotor (Synchronmotor). Dort<br />

absorbiert der Rotor die Leistung der zirkular polarisierten Welle des (drehenden) � B–Feldes und<br />

erfährt das Drehmoment<br />

T = P<br />

ω<br />

mit der Leistung P .


Kapitel 4<br />

Licht als Quantenerscheinung<br />

4.1 Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher<br />

Strahlungssatz<br />

Gase und feste Körper können auf vielerlei Weise zur Lichtemission angeregt werden. Alle Stoffe<br />

kann man zum Leuchten anregen, indem man sie erwärmt. Man findet allerdings die unterschiedlichsten<br />

Typen von Spektren. Für festes T haben jedoch die Wärmestrahlungsspektren<br />

aller Stoffe eine gemeinsame Einhüllende, die von keinem Stoff überschritten wird und dies ist<br />

das Spektrum des Schwarzen Körpers.<br />

Abb. 4.1: Modell zum Schwarzen<br />

Körper: Körper mit Temperaturbad.<br />

Abb. 4.2: Wärmestrahlungsspektren<br />

verschiedener Stoffe und<br />

Einhüllende.<br />

Dann muß sein:<br />

Wir betrachten einen ” Körper im<br />

Körper“. Äußerer und innerer<br />

Körper stehen über Strahlung<br />

im Temperaturgleichgewicht.<br />

Die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts<br />

beruht im Inneren des<br />

Körpers ausschließlich auf dem Austausch<br />

von Temperaturstrahlung<br />

über die Prozesse der Emission und<br />

Absorption.<br />

E(λ, T )dλ = I(λ, T )dλ · A(λ, T ) , (4.1.1)<br />

E(λ, T )dλ = Spektrales Emissionsvermögen � � des Innenkörpers = Gesamt-<br />

Energie<br />

strahlungsleistung Zeit im Intervall zwischen λ und<br />

λ + dλ pro Flächeneinheit ∆A nach allen Richtungen bei<br />

der Temperatur T .<br />

I(λ, T )dλ = Spektrale Intensitätsverteilung = Strahlungsleistung zwischen<br />

λ und λ + dλ, diederFlächeneinheit ∆A des Körpers<br />

aus dem Strahlungsfeld bei Temperatur T aus allen Richtungen<br />

zugestrahlt wird.<br />

68


4.1. Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz 69<br />

A(λ, T ) = Spektrales Absorptionsvermögen = Bruchteil der einfallenden<br />

Strahlung zwischen λ und λ + dλ, diebeiTvom Körper<br />

absorbiert wird.<br />

Ein Schwarzer Körper ist dadurch definiert, daß sein spekrales Absorptionsvermögen für alle<br />

Wellenlängen identisch Eins ist (A(λ, T ) ≡ 1). Für das spektrale Emissionsvermögen des<br />

Schwarzen Körpers schreiben wir nun E(λ, T )=Es (λ, T ).<br />

Aus (4.1.1) ergibt sich mit Obigem:<br />

Das führt zum Kirchhoffschen Strahlungssatz (1860):<br />

Und daraus:<br />

E s (λ, T )dλ = I(λ, T )dλ . (4.1.2)<br />

E(λ, T )=E s (λ, T ) · A(λ, T ) .<br />

E(λ, T ) ≤E s (λ, T ) .<br />

Der Kirchhoffsche Strahlungssatz sagt aus, daß der Quotient aus dem Emissions– und Absorptionsvermögen<br />

eines beliebigen Strahlers dem Emissionsvermögen Es des Schwarzen Körpers<br />

gleich ist.<br />

Experimentell verwirklicht man einen Schwarzen Körper durch einen Hohlraum mit einem Loch:<br />

Alle Strahlung, die durch das Loch einfällt, wird im Innern des Hohlraumkörpers absorbiert:<br />

Das Loch erscheint als Schwarzer Körper“. Die Strahlung, die den Hohlraum durch das Loch<br />

”<br />

verläßt, ist dann die Strahlung eines Schwarzen Körpers.<br />

Aus der Beziehung (4.1.2) können wir eine Aussage über das spektrale Emissionsvermögen Es des Schwarzen Körpers folgern. Dazu denken wir uns die Wände des schwarzen Innenkörpers<br />

aus linearen harmonischen Oszillatoren aufgebaut.<br />

1. Absorbierte Leistung eines Oszillators mit der Eigenfrequenz ω 0 im Strahlungsfeld mit ω<br />

Abb. 4.3: Anregung eines<br />

in x–Richtung schwingenden<br />

Oszillators unter dem<br />

Winkel ϑ.<br />

P (ϑ, ω) = 1<br />

T<br />

�T<br />

0<br />

F ˙xdt ′ = ω<br />

2π<br />

F = eE 0 cos ωt ′<br />

Für den angetriebenen harmonischen Oszillator gilt folgende<br />

DGL:<br />

mit Γ = γ<br />

¨x + γ<br />

m ˙x + ω2 e<br />

0x =<br />

m E0 cos ωt′ cos ϑ<br />

m = e2ω2 0<br />

(vgl. Kapitel 3.6).<br />

6πε0mc3 Aus obiger Differentialgleichung läßt sich x(t ′ ) und ˙x(t ′ )<br />

berechnen und damit läßt sich die mittlere Leistung, die an<br />

den Oszillator geht als leichte ÜA berechnen:<br />

�<br />

0<br />

2π<br />

ω<br />

eE 0 cos ωt ′ cos ϑ ˙xdt ′ =<br />

(eE0 cos ϑ) 2Γ · ω2 �<br />

2m (ω2 0 − ω2 ) 2 +(Γω) 2�.


70 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

Die Strahlung ist in keiner Richtung ausgezeichnet und unpolarisiert. Daher muß ϑ sicher<br />

alle Werte von 0 bis π annehmen und da die räumlich gemittelte Leistung P proportional<br />

zu cos 2 ϑ ist oder da (räumliche Mittelung)<br />

ist, ergibt sich<br />

cos 2 ϑ = 1<br />

4π<br />

�π<br />

0<br />

P (ω) =<br />

cos 2 ϑ2π sin ϑdϑ= 1<br />

�<br />

2<br />

(eE 0 ) 2 Γω 2<br />

+1<br />

−1<br />

�<br />

6m (ω2 0 − ω2 ) 2 .<br />

2�<br />

+(Γω)<br />

x 2 dx = 1<br />

3<br />

Die Integration über alle Strahlungsfrequenzen ω ergibt dann (Gesamtstrahlung):<br />

�<br />

P =<br />

0<br />

∞<br />

P (ω)dω = πe2 E 2 0 (ω 0 )<br />

12m ,<br />

mit der Energiedichte des Feldes an der Stelle ω = ω 0 (merklicher Energieübertrag findet<br />

nur in der Nähe der Resonanz statt):<br />

u(ω0 )= 1<br />

2 ε0E2 0 (ω πe2<br />

0 ) =⇒ P = u(ω0 )<br />

6mε0 P entspricht der vom Oszillator aufgenommenen Strahlungsleistung.<br />

2. Die Strahlungsleistung, die der Oszillator abgibt ist:<br />

P rad = 1<br />

3<br />

cp 2 0<br />

4πε 0<br />

� �<br />

ω0 4<br />

c<br />

mit p 0 = e · x 0 .<br />

Für den harmonischen Oszillator ist: W HO = W kin + W pot = m<br />

2 ω2 0 x2 0<br />

P rad = 2<br />

3 ·<br />

e 2 ω 2 0<br />

4πε 0 mc 3 W HO .<br />

Da beim Schwarzen Körper thermisches Gleichgewicht zwischen abgestrahlter und<br />

aufgenommener Leistung gelten soll (P = P rad ), ergibt sich:<br />

πe2 u(ω0 )=<br />

6mε0 2<br />

3 ·<br />

e 2 ω 2 0<br />

4πε 0 mc 3 W HO ⇐⇒ u(ω 0 )= ω2 0<br />

π 2 c 3 W HO .<br />

Diese Ausdrücke sind natürlich eine Funktion der Temperatur T . Man erhält so einen Zusammenhang<br />

zwischen der mittleren totalen Energie W HO eines Oszillators, der bei der Temperatur T<br />

mit ω 0 schwingt, und der Energiedichte u(ω 0 ,T) im Zwischenraum<br />

u(ω0 ,T)= ω2 0<br />

π2c3 WHO (T ) .


4.1. Strahlung des Schwarzen Körpers, Kirchhoffscher Strahlungssatz 71<br />

Um das spektrale Emissionsvermögen E s (λ, T ) auszurechnen, ist es nach (4.1.2) nur notwendig,<br />

die gesamte auftreffende spektrale Intensität auszurechen. Unter Intensität versteht man die<br />

senkrecht auf eine Wand auftreffende Energie pro Zeit mal Fläche, also Leistung pro Fläche. Es<br />

sei ∆A =1dieFlächeneinheit der Wand. Ist die Energiedichte des sich nach allen Seiten mit der<br />

Geschwindigkeit c ausbreitenden Strahlungsfeldes u, soistdiesenkrecht auf die Flächeneinheit<br />

der Oberfläche pro Zeiteinheit auftreffende Energie<br />

Abb. 4.4: Zur Berechnung des spektralen<br />

Emissionsvermögens.<br />

I = c · u ; [I] = Energie<br />

Zeit · Fläche .<br />

Fällt die Energie dagegen unter dem Winkel<br />

ϑ auf die Fläche ∆A, so ist die unter diesem<br />

Winkel auftreffende Energie um den Faktor<br />

cos ϑ kleiner, also<br />

I ϑ = c · u · cos ϑ.<br />

Das ist das Lambertsches Gesetz.<br />

Dann ist die gesamte auf ∆A = 1auftreffende Intensität<br />

Itot = 1<br />

4π<br />

�<br />

Halbraum<br />

c · u cos ϑdΩ= 2π<br />

�<br />

c · u<br />

4π<br />

cos ϑ sin ϑdϑ= c<br />

4 u = E s .<br />

Damit Es (ω0 ,T)= c<br />

4 u(ω0 ,T)= ω2 0<br />

4π2c2 WHO (T ) .<br />

Die in der Literatur gebräuchlichen Ausdrücke ergeben sich durch Umformung:<br />

da<br />

u(ω, T)dω = ω2 dω<br />

π2 W (T )<br />

c3 u(ν, T )dν = 8πν2 dν<br />

c3 W (T )<br />

u(λ, T )dλ = 8πdλ<br />

W (T )<br />

λ4 u(ω, T)dω = u(ν, T )dν ; dω<br />

dν<br />

u(λ, T )dλ = −u(ν, T )dν ; dν<br />

dλ<br />

=2π ; ω =2πν<br />

c c<br />

= − ; ν =<br />

λ2 λ<br />

Es (ω, T)dω = ω2 dω<br />

4π2 W (T )<br />

c2 Es (ν, T )dν = 2πν2 dν<br />

c2 W (T )<br />

Es (λ, T )dλ =<br />

2πc dλ<br />

λ4 W (T )<br />

Abb. 4.5: Spekrale Intensitätsverteilung in<br />

der Hohlraumstrahlung bei verschiedenen<br />

Temperaturen.


72 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

4.2 Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift,<br />

Phasenraum<br />

Setzt man in u(ω, T) ∼ W (T ) die Beziehung aus dem Gleichverteilungssatz<br />

ein, so erhält man:<br />

W (T )= f<br />

2 kT = kT (HO: f =2: E kin + E pot )<br />

u(ν, T ) = 8πν2<br />

c 3 kT ∼ ν2 T<br />

bzw. u(λ, T ) = 8π<br />

kT ∼<br />

λ4 T<br />

λ 4<br />

Strahlungsformel von Rayleigh–Jeans.<br />

Diese rein klassisch hergeleitete Formel gilt jedoch empirisch nur für kleine ν (große λ). Für<br />

∞�<br />

ν →∞wird u(ν, T ) →∞, damit auch das totale Emissionsvermögen S = Esdν →∞. Dies<br />

bezeichnet man als die sogenannte Ultraviolettkatastrophe.<br />

Für kleine Wellenlängen fand Wien nach Messungen von Lummer und Pringsheim die empirische<br />

Formel, die zwei Konstanten c1 und c2 enthält:<br />

u(ν, T )=c 1 ν 3 e −c 2 ν<br />

T .<br />

Bei der Ableitung dieser Formel mußte Wien verschiedene Hypothesen über den Mechanismus<br />

der Ausstrahlung machen und z.B. annehmen, daß die Frequenzverteilung der Strahlung gleich<br />

der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle ist.<br />

Das Versagen der klassischen Physik bei der Ultraviolettkatastrophe“ war ein herber Schlag.<br />

”<br />

Hier setzte Planck 1900 an: Offenbar gilt der Gleichverteilungssatz nicht allgemein (dies war<br />

bereits von den spezifischen Wärmen her bekannt, bei der die experimentell gefundenen Werte<br />

mit der Theorie nicht mehr übereinstimmten).<br />

Max Planck betrachtete einen linearen harmonischen Oszillator im Phasenraum, der von den<br />

kanonischen Koordinaten aufgespannt wird.<br />

Im folgenden betrachten wir einen Massenpunkt im 3–dimensionalen kartesischen Koordinatensystem<br />

mit den Ortskoordinaten x, y, z. Dann ergeben sich aus einer Verallgemeinerung der<br />

klassischen Bewegungsgleichung:<br />

Wpot = W (x, y, z) −→ − ∂Wpot ∂x = Fx =˙px ,... ,<br />

Wkin = m<br />

2 (˙x2 +˙y 2 +˙z 2 ) −→ ∂Wkin ∂ ˙x = m ˙x = px ,... ,<br />

Wkin = 1<br />

2m (p2x + p2y + p2z ) −→ ∂Wkin =<br />

∂px px =˙x,... ,<br />

m<br />

und unter Einführung der Hamiltonfunktion H<br />

H(x, y, z, p x ,p y ,p z )=W pot + W kin<br />

0


4.2. Strahlungsformeln, Plancksche Quantisierungsvorschrift, Phasenraum 73<br />

die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen:<br />

− ∂H<br />

∂x =˙px , −∂H<br />

∂y =˙py , −∂H<br />

∂z =˙pz ∂H<br />

∂px =˙x,<br />

∂H<br />

∂py =˙y,<br />

∂H<br />

∂pz =˙z<br />

Die Variablen der Hamiltonfunktion heißen kanonische Variablen, sie spannen den Phasenraum<br />

auf. Der Phasenraum wird also durch die Orts– und Impulsvariablen aufgespannt.<br />

Die kinetische Energie läßt sich nun auch schreiben als Wkin = 1<br />

2 (px ˙x + py ˙y + pz ergibt sich für die Wirkungsfunktion:<br />

�T<br />

0<br />

W kin dt = 1<br />

2<br />

�T<br />

0<br />

(p x ˙x + p y ˙y + p z ˙z) dt = 1<br />

2<br />

⎛<br />

�T<br />

�T<br />

�T<br />

⎞<br />

⎝ px dx + py dy + pz dz⎠<br />

.<br />

0<br />

0<br />

.<br />

0<br />

˙z) und damit<br />

Wendet man diesen Formalismus auf den linearen harmonischen Oszillator an, so erhält man<br />

in einem eindimensionalen Phasenraum, der durch die Koordinaten x = x 0 cos ωt und p x =<br />

−mωx 0 sin ωt aufgespannt wird, eine Ellipse.<br />

Abb. 4.6: Quantisierter Phasenraum.<br />

Die Wirkungsfunktion der periodischen Bewegung � p x dx ist<br />

dann die Fläche innerhalb dieser Ellipse. In der klassischen<br />

Physik bildet der Phasenraum ein Kontinuum, d.h. die<br />

möglichen Ellipsen bedecken den (zweidimensionalen) Raum<br />

kontinuierlich.<br />

Revolutionär war Plancks Quantisierungsvorschrift 1 : Es werden<br />

nur solche Ellipsen zugelassen, deren Flächendifferenz zwischen<br />

aufeinanderfolgenden Kurven jeweils h ist.<br />

� px dx = nh n =1, 2, 3,... ” Quantenzahlen“<br />

h ist eine empirische Konstante, sie ist experimentell zu gewinnen ([h] =[W · t] =: Wirkung).<br />

Das bedeutet: Das Volumen des Phasenraumes hat diskrete Werte.<br />

Für den harmonischen Oszillator gilt.<br />

�<br />

pxdx = x0 · mωx0 · π = nh.<br />

Daraus ergibt sich für die Energie des harmonischen Oszillators:<br />

Wn = En = m<br />

2 x20 ω2 = m<br />

2<br />

nh<br />

mωπ ω2 = n h<br />

ω = n�ω = nhν ,<br />

2π<br />

also E n = nhν .<br />

Man beachte, daß die Energie jetzt nur noch gequantelt auftritt.<br />

1Es sei darauf hingewiesen, daß historisch genau dies die Forderung von Planck und En = nhν nur eine<br />

Folgerung daraus war.


74 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

Die erlaubten Energieniveaus eines harmonischen Oszillators haben einen gleichen Abstand hν<br />

zueinander (vgl. Abbilung 4.7). Der Oszillator kann nur diese quantisierten Energien aufnehmen.<br />

Die Wahrscheinlichkeiten für die Besetzung eines Energieniveaus En ist gleich<br />

⎛<br />

⎞<br />

En<br />

nhν<br />

P (En )=αe<br />

− kT = αe<br />

− kT<br />

∞�<br />

⎝<br />

1<br />

P (En )=1=⇒ α =<br />

⎠<br />

�<br />

. En<br />

∞<br />

n=0<br />

n=0 e− kT<br />

Nehmen wir nun an, daß wir eine ganze Anzahl von Oszillatoren haben; einige davon werden<br />

im Quantengrundzustand, einige in angeregten Zuständen schwingen usw. . Was uns nun<br />

interessiert, ist die mittlere Energie all dieser Oszillatoren. Dazu müssen wir die Gesamtenergie<br />

der Oszillatoren berechnen und durch die Gesamtzahl der Oszillatoren dividieren, bzw. die<br />

Wahrscheinlichkeit für die Besetzung eines Zustandes mit der jeweiligen Energie bewichten und<br />

über alle Zustände summieren.<br />

Abb. 4.7: Besetzung der Energieniveaus im<br />

thermischen Gleichgewicht.<br />

E(T )<br />

E(T ) kl = kT<br />

hν = kT<br />

E(T ) qm = hν<br />

e hν<br />

kT −1<br />

Abb. 4.8: Mittlere Energie in der klassischen<br />

Physik und in der Quantenmechanik.<br />

Die Gesetze von<br />

T<br />

Dies ergibt dann den mittleren Energieanteil pro Oszillator<br />

im thermischen Gleichgewicht. Diese mittlere Energie<br />

ist dann:<br />

E(T )=<br />

mit z = hν<br />

kT .<br />

E(T ) = zkT<br />

E(T ) = zkT<br />

∞�<br />

n=0<br />

nhν<br />

nhνe<br />

− kT<br />

∞�<br />

n=0<br />

− dN<br />

dz<br />

N<br />

nhν<br />

e<br />

− kT<br />

e −z<br />

(1 − e −z )<br />

E(T )=<br />

zkT<br />

=<br />

∞�<br />

ne<br />

n=0<br />

−nz<br />

∞�<br />

e−nz n=0<br />

∞�<br />

mit N = e<br />

0<br />

−nz 1<br />

=<br />

1 − e−z 1<br />

/ 2 1 − e−z hν<br />

e hν<br />

kT − 1<br />

Der Ausdruck nach dem Gleichheitszeichen steht an<br />

Stelle von kT der klassischen Physik.<br />

Damit ergibt sich die Planksche Strahlungsformel (1900):<br />

Rayleigh–Jeans hν ≪ kT : 1<br />

und Wien hν ≫ kT : 1<br />

u(ν, T ) = 8πν2<br />

c 3<br />

u(λ, T ) = 8πhc<br />

λ 5<br />

hν<br />

e kT −1<br />

hν<br />

e kT −1<br />

−→ kT<br />

hν<br />

−→ e<br />

hν − kT<br />

.<br />

hν<br />

e hν<br />

kT − 1<br />

1<br />

e hc<br />

λkT − 1


4.3. Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten 75<br />

sind darin als Grenzfälle enthalten. Dieser Sachverhalt läßt sich auch sehr gut Abbildung 4.9<br />

entnehmen.<br />

Abb. 4.9: Qualitatives Verhalten des Emissionsvermögens nach<br />

dem Rayleigh–Jeansschen und Wienschen Gesetz. Das Spektrum<br />

eines Schwarzen Strahlers als eine Funktion von �ω.<br />

Der Vergleich mit dem Experiment ergibt<br />

h = 6.6260755 (40) · 10 −34 Js<br />

= 4.1356692 (12) · 10 −15 eVs.<br />

Aus dem Planckschen Strahlungsgesetz<br />

folgt der bereits vorher von Wien 1893<br />

gefundene Wiensche Verschiebungssatz:<br />

λ max · T =const.=0.29 cm K<br />

(d.h.: λ max ∼ 1/T) und das bereits aus thermodynamischen Überlegungen bekannte Stefan–<br />

Boltzmannsche Gesetz:<br />

∞�<br />

Es (ν, T )dν = σ · T 4 mit σ = 2π5k4 0<br />

15h 3 c 2 =5.67 · 10−8 Wm −2 K −4 .<br />

4.3 Quantisierung des Strahlungsfeldes,<br />

Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten<br />

Max Planck hatte in seiner Ableitung der Strahlungsformel nur den (materiellen) harmonischen<br />

Oszillator quantisiert. Einstein erweiterte die Vorstellung durch die Quantisierung des<br />

Strahlungsfeldes (Lichtquanten):<br />

Die Träger des elektromagnetischen Feldes sind die Photonen. Zur Ableitung der Planckschen<br />

Strahlungsformel betrachtet man die Wechselwirkung zwischen den Atomen der Wand mit dem<br />

Strahlungsfeld (Photonenfeld).<br />

Harmonischer Oszillator,<br />

Zustände der Wandatome<br />

E2 =(n +1)hν<br />

E 1 = nhν<br />

hν<br />

(induzierte)<br />

Absorption eines<br />

Quants<br />

hν<br />

spontane Emission,<br />

(freie Schwingung)<br />

inkohärent<br />

hν<br />

2hν<br />

induzierte Emission<br />

eines Quants,<br />

(erzwungene Schwingung)<br />

kohärent<br />

atomare Besetzungszahlen<br />

im thermischen Gleichgewicht<br />

N2 ∼ e − E2 kT<br />

N 1 ∼ e − E 1<br />

kT<br />

Abb. 4.10: Absorption, spontane und induzierte Emission zwischen zwei Energieniveaus.<br />

Ein Atom mit zwei Energiezuständen E 1 und E 2 kann nach Einstein auf drei verschiedene Arten<br />

mit elektromagnetischer Strahlung in Wechselwirkung treten:<br />

• Absorption eines Lichtquants bringt das Atom aus dem tieferen Zustand E 1 in den energetisch<br />

höheren Zustand E 2 . Dabei verschwindet ein Lichtquant der Energie ∆E =<br />

E 2 − E 1 = hν aus dem Strahlungsfeld.<br />

• Emission spontan aus dem Zustand E 2 . Dabei wird ein Lichtquant der Energie ∆E an das<br />

Strahlungfeld abgegeben.<br />

.


76 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

• Emission erzwungen durch das Strahlungsfeld. Für diese erzwungene oder induzierte Emission<br />

sind also primäre Lichtquanten erforderlich.<br />

Na-Dampf-Lampe<br />

Absorption<br />

(erzwungene<br />

Schwingung)<br />

(erzwungene<br />

Schwingung)<br />

induzierte Emission<br />

Na-Dampf<br />

durchgehendes Licht<br />

geschwächt<br />

(freie Schwingung)<br />

spontane Emission<br />

angeregte Na-Atome fallen heraus<br />

Abb. 4.11: Versuchsaufbau zur Darstellung der Wechselwirkung der<br />

Na–Atome mit elektromagnetischer Strahlung.<br />

Diese drei Wechselwirkungsarten<br />

können wir zum Beispiel im Versuch<br />

von Abbildung 4.11 erhalten. Der Natriumdampf<br />

absorbiert das Licht einer<br />

Natriumdampflampe und emittiert das<br />

gleiche Licht als Resonanzlicht in alle<br />

Richtungen. Fallen angeregte Na–<br />

Atome aus dem Strahlungsfeld heraus,<br />

so führen sie freie Schwingungen aus<br />

(spontane Emission) (vgl. Kapitel 3.4).<br />

Wir betrachten nun ein System von N<br />

Atomen, wobei die Anzahl der Atome<br />

im Zustand E 1 bzw. E 2 gleich N 1 bzw.<br />

N 2 ist. Das System sei im thermischen<br />

Gleichgewicht mit der Umgebung.<br />

Die Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld sei nur in Form von Absorption oder Emission der<br />

Strahlung in diskreten Energiequanten hν = E2 − E1 möglich. Das Strahlungfeld habe die<br />

Strahlungdichte u(ν, T ). Die Zahl der Prozesse je Zeiteinheit ist der Besetzungszahl N1 und der<br />

Strahlungdichte u proportional.<br />

Damit ist die Zahl der Übergänge durch Absorption (N1 → N2 )<br />

dN 1→2 ∼ N 1 · u(ν, T )dt<br />

= N 1 · B 12 · u(ν, T )dt.<br />

Der Proportionalitätsfaktor B12 heißt Einstein–Koeffizient und mißt die Wahrscheinlichkeit eines<br />

Übergangs je Zeit– und Strahlungsdichteeinheit.<br />

Die Zahl der Übergänge durch spontane Emission (N2 → N1 ) ist dann der Besetzungszahl N2 proportional.<br />

dN sp<br />

2→1 = N2 · A21dt A 21 ist ebenfalls ein Einsteinkoeffizient und mißt die<br />

Wahrscheinlichkeit eines spontanen Übergangs je Zeiteinheit.<br />

Ferner ergibt sich analog zur Absorption für die induzierte<br />

Emission von 2 nach 1<br />

dN ind<br />

2→1 = N2 · B21 · u(ν, T ) · dt.<br />

Im thermischem Gleichgewicht ist dann<br />

dN1→2 = dN sp ind<br />

2→1 + dN2→1 E 2 ,N 2<br />

E 1 ,N 1<br />

B 12 A 21 B 21<br />

Abb. 4.12: Zwei Energieniveaus<br />

verbunden mit den<br />

Übergangswahrscheinlichkeiten B12,<br />

B21 und A12.<br />

N1B12 · u(ν, T )=N2 (A21 + B21u(ν, T )) mit [A] =1;[B] = m3<br />

. (4.3.1)<br />

Js


4.3. Quantisierung des Strahlungsfeldes, Unschärferelation, Einstein–Koeffizienten 77<br />

Daraus folgt dann:<br />

B12u(ν, T )<br />

A21 + B21u(ν, T ) = N2 .<br />

N1 Da thermisches Gleichgewicht herrscht, kann das Verhältnis der Besetzungszahlen gemäß Kapitel<br />

4.2 geschrieben werden als<br />

N2 =<br />

N1 e− E2<br />

kT hν<br />

= e<br />

− kT .<br />

E1<br />

e<br />

− kT<br />

A21 Somit ist u(ν, T )=<br />

B12e hν .<br />

kT − B21 Zur Bestimmung von A und B benützt man die Grenzbedingung, daß für T →∞auch u(ν, T ) →<br />

∞ gehen muß, also<br />

B12 = B21 = B ,<br />

d.h.: Die Wahrscheinlichkeiten für induzierte Emission und Absorption sind gleich.<br />

Damit ergibt sich:<br />

u(ν, T )= A 1<br />

. (4.3.2)<br />

B<br />

e hν<br />

kT − 1<br />

Außerdem muß für hν ≪ kT (d.h. für kleine Frequenzen) das experimentell bestätigte<br />

+ ... folgt<br />

Rayleigh–Jeanssche Gesetz gelten. Mit der Reihenentwicklung e hν<br />

kT =1+ hν<br />

kT<br />

8πν2 A kT<br />

kT =<br />

c3 B hν .<br />

A = 8πhν3<br />

c 3 B ; für gegebenes B: A ∼ ν 3 . (4.3.3)<br />

Das entspricht dem Kirchhoffschen Gesetz E ∼ A , wonach die Wahrscheinlichkeiten für spontane<br />

Emission und Absorption einander proportional sind. Außerdem gilt: Die induzierte<br />

Übergangswahrscheinlichkeit nimmt bei festem B mit ν3 zu!<br />

Setzt man (4.3.3) in (4.3.2) ein, so folgt die Plancksche Strahlungsformel<br />

u(ν, T )= 8πν2<br />

c 3<br />

hν<br />

e hν<br />

kT − 1<br />

Man sieht also, daß die Quantisierung des linearen harmonischen Oszillators in Verbindung mit<br />

der Quantisierung des Strahlungsfeldes zur richtigen Strahlungsformel führt.<br />

Welche Eigenschaften besitzen die so eingeführten Photonen (Lichtquanten)?<br />

Durch Vergleich mit den Formeln der klassischen Elektrodynamik folgt sofort der Impuls und<br />

Drehimpuls (Spin) der Photonen.<br />

Es gilt gemäß Kapitel 3.1:<br />

c�p V = 1<br />

c � S<br />

mit der Impulsstromdichte �p V und der Energiestromdichte � S.<br />

.


78 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

Im Photonenbild geschieht der Transport durch N Photonen pro Volumen V . Es gilt:<br />

�p V =<br />

N · pPh<br />

V<br />

somit:<br />

c · NpPh<br />

V<br />

Der Impuls der Photonen beträgt also<br />

p Ph = EPh<br />

c<br />

= hν<br />

c<br />

�S = c ·<br />

N · EPh<br />

V<br />

1 N · EPh<br />

= · c ·<br />

c V<br />

in Übereinstimmung mit der<br />

Relativitätstheorie.<br />

Aus E = mc2 = hν folgt die relativistische Masse der Photonen:<br />

mrel = hν h<br />

=<br />

c2 λ · c .<br />

Andererseits gilt:<br />

p Ph = h h c h<br />

ν = = = � · k .<br />

c c λ λ<br />

Damit erhalten wir folgenden Zusammenhang zwischen Impuls und Wellenlänge: �p Ph = � · �k Ph .<br />

Aus diesem Photonenimpuls läßt sich natürlich sofort der Strahlungsdruck verstehen.<br />

Der Drehimpuls läßt sich gewinnen aus der Beziehung<br />

L = W<br />

(vgl. Kapitel 3.7).<br />

ω<br />

Im Photonenbild ist dann N · LPh = N·EPh<br />

ω und<br />

L Ph = hν<br />

ω<br />

= hν<br />

2πν<br />

h<br />

= =1· � .<br />

2π<br />

Da nur zirkular polarisiertes Licht Drehimpuls transportiert, besitzen Photonen einen Spin von<br />

1 · � entweder parallel (rechts–zirkular polarisiertes Licht) oder antiparallel (links–zirkular polarisiertes<br />

Licht) zur Ausbreitungsrichtung. Linear polarisiertes Licht trägt keinen Drehimpuls!<br />

Also wird linear polarisiertes Licht erzeugt durch die (kohärente) Überlagerung von je 2 Photonen<br />

mit Spin nach vorn und nach hinten.<br />

Ein weiteres Ergebnis der Photonenvorstellung sind die Unschärferelationen:<br />

• Orts–Impuls–Unschärfe:<br />

Abb. 4.13: Zur Veranschaulichung der Unschärferelation<br />

am Spalt.<br />

Ein Photon fliege in horizontaler Richtung (y).<br />

Senkrecht zu seiner Flugrichtung sei ein Spalt<br />

mit d =∆x aufgestellt. Trifft das Photon auf<br />

diese Blende, so ist der Durchflugort irgendwo<br />

innerhalb ∆x. Aus dem Wellenbild wissen wir,<br />

daß für das 1. Beugungsminimum gilt:<br />

sin ϕ = λ<br />

d .<br />

Nach dem Spalt besitzt das Photon also eine<br />

Impulskomponente in x–Richtung, die irgendwo<br />

innerhalb ∆p x = p sin ϕ liegt.


4.4. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt 79<br />

Mit p = h<br />

λ<br />

folgt dann die Heisenbergsche Unschärferelation:<br />

∆x · ∆p x ≈ h .<br />

Ein Ergebnis, das wir aus der Quantisierung des Phasenraums erhalten haben.<br />

• Energie–Lebensdauer–Unschärfe:<br />

Aus der klassischen Unschärferelation τ·Γω = 1folgt durch einfache Multiplikation mit � die<br />

Heisenbergsche Unschärferelation: τ · Γω · � = � (mittleren Lebensdauer τ, Halbwertsbreite<br />

der Spekrallinie Γω .)<br />

τ · Γ=� Γ=�Γ ω =∆E<br />

Aus der Energieunschärfe erhalten wir die natürliche Linienbreite.<br />

4.4 Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung,<br />

Compton–Effekt<br />

• Photoeffekt<br />

Der Photoeffekt wurde 1888 von Hallwachs entdeckt. Die Erklärung im Wellenbild setzt<br />

eine Ansammlung von Energie“ voraus. Die Erklärung im Photonenbild erfolgte 1905<br />

”<br />

durch Einstein:<br />

Beim Photoeffekt werden aus einer negativ geladenen Metallplatte Elektronen freigesetzt,<br />

die durch ein Elektrometer nachgewiesen werden können (es entlädt sich). Klassisch würde<br />

man erwarten, daß das elektrische Feld � E für die Beschleunigung und Ablösung verantwortlich<br />

ist, daß also bei höherer Intensität die Energie dieser Photoelektronen zunimmt.<br />

Das ist aber nicht der Fall. Die Energie der Elektronen hängt nur von der Frequenz<br />

des einfallenden Lichts ab, jedoch ist ihre Anzahl der Lichtintensität proportional. Photoelektronen<br />

treten nur aus, wenn die Frequenz des einfallenden Lichts größer als eine<br />

bestimmte materialabhängige Grenzfrequenz ist. Dieser Sachverhalt läßt sich nur erklären,<br />

wenn man das Licht als aus einzelnen Lichtquanten oder Photonen bestehend betrachtet.<br />

Nach Einstein kann man sich Licht als einen Teilchenstrahl<br />

vorstellen, der aus Photonen der Energie E = hν<br />

besteht, die sich mit der Geschwindigkeit c bewegen. Ihre<br />

Ruhemasse ist m0 = 0, ihr Impuls p = hν h<br />

c = λ . Jeweils<br />

ein Photon kann ein Elektron aus dem Metall herauslösen,<br />

dazu ist die Austrittsarbeit WA notwendig. Ein<br />

Lichtquant muß mindestens diese Energie besitzen, um<br />

ein Elektron herauslösen zu können.<br />

Abb. 4.14: Gegenspannung UG als Funktion<br />

der Frequenz ν.<br />

Über die Gegenspannungsmethode erhält man Auskunft über die kinetische Energie der<br />

freigesetzten Elektronen.


80 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

hν = W A + m<br />

2 v2 = W A + eU G<br />

U G = Gegenspannung<br />

Die Steigung der Geraden, die man beim Auftragen von Umax gegen die Frequenz ν des Anregungslichts<br />

erhält, kann zur Präzisions–Messung des Verhältnisses h<br />

e verwendet werden.<br />

Für den Steigungswinkel α gilt<br />

tan α = h<br />

e .<br />

• Röntgenbremsstrahlung<br />

Beschießt man eine Antikathode mit Elektronen, die die Beschleunigungsspannung U0 durchlaufen haben und zerlegt das emittierte Röntgenlicht spektral, so beobachtet man<br />

– immer ein Kontinuum — die<br />

Kα Röntgen–Bremsstrahlung<br />

Kβ – und ist die Beschleunigungsspannung<br />

größer als ein vom Material<br />

der Antikathode abhängiger<br />

bestimmter Wert, so erhalten wir<br />

zusätzlich ein Linienspektrum —<br />

die charakteristische Strahlung.<br />

Letzteres werden wir in Kapitel 5.7<br />

erklären und soll hier nicht weiter<br />

erwähnt werden.<br />

Z ählrate<br />

λ min<br />

Die Grenzwellenlänge des Röntgen–Bremskontinuums ist<br />

gegeben durch<br />

Charakteristische<br />

Linien<br />

Bremskontinuum<br />

λ =2d sin ϑ<br />

Abb. 4.15: Charakteristisches Röntgenspektrum.<br />

eU0 = m<br />

2 v2 = hνGrenz = hc<br />

.<br />

λGrenz Abb. 4.16: Ablenkung der Bahn eines<br />

Elektrons im Feld eines Kerns.<br />

Eine Erklärung im Wellenbild ist nicht möglich. Klassisch würde man erwarten, daß das<br />

Spektrum sich bis zu beliebig hohen Frequenzen erstreckt. Man beobachtet jedoch eine<br />

Grenzwellenlänge.<br />

Das heißt, daß die hochenergetische oder kurzwellige Grenze des Röntgenspektrums λGrenz durch das Energieäquivalent eU0 gegeben ist. Das Bremsspektrum kommt dadurch zustande,<br />

daß Elektronen, die nahe an Atomkernen vorbeifliegen, im Felde so abgelenkt<br />

und abgebremst werden, daß sie eine Hyperbelbahn beschreiben. Eine (positv oder negativ)<br />

beschleunigte Ladung strahlt nach der klassischen Elektrodynamik elektromagnetische<br />

Strahlung ab. Die so erzeugte Strahlung heißt daher Bremsstrahlung. Der Energieverlust<br />

des einfliegenden Elektrons kann je nach Abstand der Hyperbelbahn vom Atomkern<br />

zwischen Null und einer oberen Grenze variieren. Das Bremsstrahlungsspektrum ist daher<br />

kontinuierlich. Das Abbremsen erfolgt durch Stoß zwischen Elektronen und den Metallatomen<br />

(Ionen), wobei im allgemeinen das Elektron sehr viele Stöße erleidet, bevor es<br />

völlig abgebremst ist. Im günstigsten Fall jedoch kann das Elektron beim ersten Stoß<br />

vollständig abgebremst werden und seine gesamte kinetische Energie einem Lichtquant


4.4. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung, Compton–Effekt 81<br />

mitgeben. Man erhält dann ein Röntgenquant der Energie<br />

hν Grenz = eU 0 .<br />

Während beim normalen lichtelektrischen Effekt mit monochromatische Wellenstrahlung<br />

Korpuskeln ausgelöst werden, werden hier von Korpuskeln einheitlicher Geschwindigkeit<br />

eine Wellenstrahlung erzeugt (inverser Photoeffekt).<br />

• Comptoneffekt<br />

Den direkten Beweis für den Photonencharakter der γ–Strahlung brachte der Compton–<br />

Effekt 1922–23. Bei einer Streuung von Röntgenstrahlen im harten Röntgengebiet<br />

beobachtete Compton, daß zusätzlich zu der spektral unverschobenen Streustrahlung noch<br />

eine spektral verschobene Komponente auftritt. Für die Wellenlängenverschiebung ∆λ<br />

besteht ein einfacher Zusammenhang mit dem Streuwinkel ϑ:<br />

∆λ = λ c (1 − cos ϑ) (siehe Abbilung 4.17)<br />

mit der Comptonwellenlänge λ c = 0.024 A. Die Wellenlängenverschiebung ∆λ ist unabhängig<br />

von der Primär–Wellenlänge. Die Intensität der Compton–Streuung hängt vom<br />

Streumaterial ab. Für leichte Materialien Z ist sie besonders groß wegen der geringen Absorption.<br />

Klassisch konnte man sich diese Wellenlängeverschiebung nicht erklären, da sie<br />

im Beugungsbild nicht auftreten dürfte.<br />

Eine Erklärung ergibt sich, wenn wir den Comptoneffekt als elastischen Stoß zwischen<br />

Photon und Elektron betrachten. Energie und Impulssatz müssen erfüllt sein. Wir rechnen<br />

relativistisch. Der Impuls des Elektrons vor dem Stoß sei Null und seine Ruheenergie<br />

E = m 0 c 2 .<br />

Man beobachtet die Energie und die Impulse in x-y–Richtung vor und nach dem Stoß:<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

hν hν′<br />

=<br />

c c cos ϑ + m0v � cos ψ<br />

1 − β2 hν ′<br />

c sin ϑ = m0v � sin ψ<br />

1 − β2 �<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

Impulserhaltung<br />

Energieerhaltung<br />

m 0 c 2 + hν = hν ′ + m 0 c2<br />

� 1 − β 2<br />

Daraus ergibt sich:<br />

mit<br />

λ ′ − λ =∆λ = 2h ϑ<br />

sin2<br />

m0c 2 =2λ ϑ<br />

c sin2<br />

2 ;<br />

Abb. 4.17: Zur Erklärung des<br />

Compton–Effekts.<br />

λ c = h<br />

m 0 c =2.4262 · 10−10 cm Compton–Wellenlänge des Elektrons<br />

und hν c =<br />

h · c<br />

λ c<br />

= h · c<br />

h/m 0 c = m 0 · c2 =511 keV Ruhenergie des Elektrons.


82 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

d.h. die Quantenenergie einer Strahlung mit Compton–Wellenlänge λc ist gleich der Ruheenergie<br />

des Elektrons.<br />

Die unverschobene Linie ergibt sich durch Streuung an inneren Elektronen, die fest gebunden<br />

sind: Rückstoß auf das ganze Atom.<br />

– ∆λ materialunabhängig<br />

– ∆λ unabhängig von λ: Im sichtbaren Bereich ist ∆λ<br />

λ =2· λc λ ≈ 10−5 nicht meßbar.<br />

Beim Compton–Effekt erfahren Elektronen einen Rückstoß. Es gilt:<br />

Ekin = m0c 2<br />

�<br />

�<br />

1<br />

� − 1<br />

1 − β2 = hν − hν ′<br />

Daraus ergibt sich dann:<br />

ε 2ε sin2 2<br />

Ekin = h · ∆ν =<br />

1+2γsin mit der reduzierten γ–Energie ε.<br />

2 ϑ<br />

2<br />

hν =<br />

2ε cos2 ψ<br />

(1+ ε2 ) − ε2 cos2 hν<br />

hν ε =<br />

ψ m0c2 = λc λ ,<br />

Das Planksche Wirkungsquantum h tritt stets in Verbindung mit anderen Naturkonstanten auf.<br />

Daraus ergeben sich verschiedene Methoden der h–Bestimmung:<br />

1. Strahlungsformel h/k<br />

2. Photoeffekt, Röntgenbremsstrahlung h/e<br />

3. Compton–Effekt h/m 0 c<br />

4. Rydberg–Konstante me 4 /8ε 2 0 h3 c<br />

5. Elektronenbeugung h/ √ e · m<br />

Die letzten beiden Möglichkeiten werden später noch behandelt.<br />

∗ 4.5 Dualismus Welle — Teilchen<br />

Fazit: Licht verhält sich als Welle oder als Lichtquant. Je nach Experiment zeigt es die verschiedenen<br />

Eingeschaften: Dualismus von Welle und Teilchen.<br />

Aber:<br />

Für große λ (kleine ν) ist das Wellenbild adäquater,<br />

jedoch für kleine λ (große ν) ist das Quantenbild adäquater.<br />

Wie bringt man beide Bilder zusammen? Die Wechselwirkung von Lichtquanten in einem elektro–<br />

magnetischen Strahlungsfeld mit Materie geschieht statistisch“, man spricht von Quantenfluk-<br />

”<br />

tuationen. Wie zum Beispiel beim


∗ 4.5. Dualismus Welle — Teilchen 83<br />

• Photoeffekt: Hier haben wir eine kontinuierliche Lichtstrahlung mit statistischem Elektronenaustritt.<br />

(Nachweis durch Joffe in der UdSSR: Beobachtung der statistischen<br />

Ladungsänderung eines Bi–Kügelchens in einem Millikan–Kondensator.)<br />

• Fluoreszensstreuung: Röntgenfluoreszenz, beobachtet durch Bothe (Schüler von Geiger):<br />

unabhängige Röntgenquanten, d.h. keine Koinzidenz.<br />

Umgekehrt:<br />

• Comptoneffekt (Geiger und Bothe): Koinzidenz zwischen Elektron und γ–Quant.<br />

• Beugung: Die Beugung ist ja ein echtes Wellenphänomen. Wawilow (UdSSR) konnte<br />

in einem Experiment nachweisen, daß die Beugungsfigur tröpfchenweise, also statistisch<br />

entsteht und damit im Photonenbild erklärbar ist.<br />

Ein schönes Beispiel für den dualen Charakter des Lichts bildet wieder die Betrachtung der<br />

spektralen Energiedichte des elektro–magnetischen Feldes im Wellen– und im Photonenbild, d.h.<br />

die Ableitung der Planckschen Strahlungsformel.<br />

Im Wellenbild ist diese Energiedichte gegeben als<br />

u(ν, T )=ϱ(ν) · W (T )<br />

mit ϱ(ν) als spektrale Zustandsdichte, W (T ) als mittlere Energie pro Zustand. Ein Hohlraum mit<br />

dem Volumen V sei von ideal reflektierenden Wänden umgeben und auf konstanter Temperatur<br />

gehalten. Da seine Wände bei beliebigen Temperaturen elektromagnetische Wellen (Licht oder<br />

Infrarotstrahlung) aussenden, besteht in seinem Inneren ein elektromagnetisches Feld, das in ein<br />

System stehender Wellen verschiedener Frequenzen und Richtungen zerlegt werden kann. Jede<br />

der stehenden Wellen stellt dabei einen Elementarzustand des elektromagnetsichen Feldes dar.<br />

Zahl der stehenden Wellen = Zahl der Elementarzustände = Zahl der Eigenschwingungen<br />

Zahl der stehenden Wellen<br />

ϱ(ν) =<br />

Frequenzintervall und Volumen<br />

Um ϱ(ν) bestimmen zu können, müssen wir also nun die Zahl der stehenden Wellen im Volumen<br />

” abzählen“:<br />

• 1–dimensionaler Fall: Gegeben eine Saite mit Länge a. Bedingung für eine stehende Welle<br />

ist a = n · λ<br />

2 mit n =1, 2, 3,.... 2a<br />

Somit ist n = λ<br />

, und damit<br />

2aν = c die Zahl der Eigenzustände<br />

(Eigenschwingungen) Z(ν) =n = 2aν<br />

c<br />

ϱ(ν) = 1 dZ(ν) 2<br />

· =<br />

a dν c .<br />

• 3–dimensionaler Fall: Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, daß das Volumen die Form<br />

eines Würfels mit der Kantenlänge a hat. Die Bedingung für eine stehende Welle ist für<br />

jede Raumrichtung a = ni · λi<br />

2 mit ni =1, 2, 3,..., i = x, y, z und damit n 2a<br />

i = . Wir<br />

λi<br />

bilden im n–Raum, der aus diskreten Punkten besteht:<br />

n i = 2a<br />

λ i<br />

= ak i<br />

π


84 Kapitel 4. Licht als Quantenerscheinung<br />

Abb. 4.18: Zur Berechnung<br />

von ϱ(ν).<br />

den Vektor �n mit:<br />

n = |�n| =<br />

�<br />

= a<br />

π<br />

n 2 x + n2 y + n2 z<br />

�<br />

k 2 x + k2 y + k2 z<br />

= a<br />

π |�k| = 2aν<br />

.<br />

c<br />

Da der Raum dicht mit Punkten belegt ist, gehen wir wiederum zum Kontinuum über,<br />

d.h. wir betrachten das Volumen des Würfels. Dieses Volumen können wir in einer sehr<br />

guten Näherung durch das Volumen einer Kugel mit dem Radius n = 2aν<br />

c ersetzen. Da nur<br />

positive nx , ny und nz vorkommen, füllt der ursprüngliche Kubus jedoch nur 1<br />

8 der Kugel<br />

aus. Damit<br />

und<br />

Z ′ (ν) = 1 4π<br />

·<br />

8 3 · n3 = 1 4π<br />

·<br />

8 3 · 8a3ν 3<br />

c3 ϱ ′ (ν) = 1<br />

a3 dZ ′ (ν)<br />

dν<br />

4πν2<br />

= .<br />

c3 4π<br />

=<br />

3 · a3ν 3<br />

c3 Da jeder Frequenz ν zwei Wellen mit zueinander senkrechter Polarisationsebene<br />

entsprechen, es also zwei Polarisationsmöglichkeiten gibt, folgt:<br />

ϱ(ν) = 8πν2<br />

c 3<br />

In der klassischen Wellenoptik tragen E und B zum elektromagnetischen Feld bei, sie entsprechen<br />

den Freiheitsgraden und gehen beide quadratisch in die Energie ein; also gilt nach dem Boltzmannschen<br />

Gleichverteilungssatz:<br />

E(ν, T )=2· 1<br />

kT = kT .<br />

2<br />

Damit ergibt sich mit Hilfe der klassischen Theorie u(ν, T )dieFormelvomRayleigh–Jeans<br />

u(ν, T )= 8πν2<br />

kT .<br />

c3 Im Photonenbild können wir die Zahl der Zustände (Zahl der Elementarzellen im Phasenraum)<br />

viel schneller abzählen. �p ist der Impulsvektor, �r der Ortsvektor. Es interessieren nur die Beträge,<br />

Orts– und Impulsraum sind unabhängig, so daß folgt:<br />

mit de Broglie p = h hν<br />

λ = c :<br />

ϱ ′ (ν) = 1<br />

V · d(n3 ) ν2<br />

=4π<br />

dν c3 n 3 =<br />

4π V · 3<br />

h3 n 3 = V 4π<br />

3<br />

· p3<br />

· ν3<br />

c 3<br />

,<br />

.<br />

mit den 2 Polarisationsmöglichkeiten:


∗ 4.5. Dualismus Welle — Teilchen 85<br />

ϱ(ν) = 8πν2<br />

c 3<br />

�<br />

�<br />

�pd�r = V ·<br />

Um E(T ) im Photonenbild zu berechnen, setzt man<br />

0<br />

p<br />

4πp 2 dp = n 3 h 3 ,<br />

; dies ist identisch mit der klassischen Abzählung.<br />

E(ν, T )=N Ph (ν, T ) · E Ph = N Ph (ν, T ) · hν<br />

an. Behandelt man Photonen als unterscheidbare Teilchen“ mit Energie hν, so ist nach der<br />

”<br />

klassischen Boltzmannstatistik<br />

N Ph hν<br />

(ν, T ) ∼ e<br />

− kT ,<br />

damit Wien: u(ν, T ) ∼ 8πν2<br />

c3 hν<br />

· hν · e<br />

− kT .<br />

Fazit: Man kommt also im reinen Wellenbild mit dem Gleichverteilungssatz zur Formel von<br />

Rayleigh–Jeans, im Photonenbild mit der Boltzmannstatistik zur Formel von Wien. Beide<br />

geben nicht die ganze Wahrheit wieder, sie liefern nur die jeweiligen Grenzfälle.<br />

Wie wir gesehen haben, ergibt sich im Wellenbild und im Photonenbild dieselbe spektrale Zustandsdichte<br />

ϱ(ν). Also liegt der Fehler in der mittleren thermischen Energie. Im Wellenbild hat<br />

nach Planck der Gleichverteilungssatz keine Gültigkeit mehr. Dies korrigierte Planck in der<br />

Herleitung seiner Strahlungsformel. Da Photonen nicht abzählbar (nicht unterscheidbar) sind,<br />

darf im Photonenbild die Boltzmannstatistik nicht angewendet werden.<br />

Die Antwort darauf gibt die Quantenstatistik für Teilchen mit geradzahligem Spin (Bose–<br />

Einstein–Statistik).


Kapitel 5<br />

Das Atommodell nach<br />

Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

Vorbemerkung: Bevor wir mit der Darstellung der Atommodelle beginnen, sei der Leser darauf<br />

aufmerksam gemacht, daß die Autoren sich an die historische Entwicklung der damals gefundenen<br />

Atommodelle halten. Die erzielten Ergebnisse sind deshalb nicht falsch, sie liefern jedoch meist<br />

nur die halbe Wahrheit. Die ” ganze“ Wahrheit wird uns erst die Quantenmechanik liefern. Diese<br />

Tatsache sollte dem Leser stets bewußt sein und er wird deshalb an den entsprechenden Stellen<br />

darauf hingewiesen.<br />

5.1 Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche<br />

Streuformel<br />

Durch Rutherfords Messung des Wirkungsquerschnitts beim Stoß zwischen α–Teilchen (He–<br />

Kernen) und Atomen kamen Zweifel an der Richtigkeit des Thomson–Modells auf: Geiger und<br />

Marsden fanden heraus, daß der Großteil der α–Teilchen unter sehr kleinen Winkeln gestreut<br />

wurde. Es gab jedoch auch Streuung unter großen Winkeln und sogar Rückwärtsstreuung. Da<br />

α–Teilchen sehr schwer sind (mehr als 7000 mal schwerer als Elektronen) und da sie in diesem<br />

Experiment hohe Geschwindigkeiten hatten, mußten also starke Kräfte auf sie eingewirkt haben,<br />

um solch ausgeprägte Ablenkungen zu verursachen. Rutherfords Idee war nun, daß diese Streuung<br />

eine Streuung am Coulombpotential eines Atomkerns war. Im sehr kleinen (punktförmigen)<br />

positiv geladenen Kern sei fast die gesamte Masse des Atoms vereinigt, um den sich die Elektronen<br />

wie Planeten um den Kern bewegen. Das Coulombpotential würde dann eine Zentralkraft<br />

bewirken und nach der klassischen Mechanik müßte die Bahnkurve dann ein Kegelschnitt sein<br />

(Keplerproblem). Da es sich um eine Streuung handelt, erhalten wir also eine Hyperbel.<br />

Dieses Modell führt zur Rutherfordschen Streuformel (5.1.1), wenn man ausschließlich die<br />

Coulombabstoßung zwischen der Kernladung und der Ladung der α–Teilchen berücksichtigt.<br />

Wir berechnen jetzt mit diesem Modell die Abhängigkeit der Streuwahrscheinlichkeit vom<br />

Ablenkwinkel.<br />

Zur Bestimmung von a in Abbildung 5.1benutzen wir den Energie– und Drehimpulserhaltungssatz.<br />

v ∞ sei die Geschwindigkeit des Teilchens im Unendlichen und v P die Geschwindigkeit<br />

86


5.1. Rutherfordsches Atommodell, Rutherfordsche Streuformel 87<br />

in P . Z sei die ” Kern“–Ladungszahl.<br />

• Der Energieerhaltungssatz liefert<br />

m<br />

2 v2 m<br />

∞ =<br />

2 v2 P + Z1Z2e2 m<br />

=<br />

4πε0 (a + ε) 2 v2 P + Z1Z2C a + ε<br />

• der Drehimpulserhaltungssatz<br />

Abb. 5.1: Rutherfordstreuung, Skizze für die Modellrechnung.<br />

mv ∞ b = mv P (a + ε) =⇒ v P = v ∞<br />

a + ε b.<br />

Durch Einsetzen von v P in den Energiesatz ergibt sich<br />

1<br />

2 mv2 1<br />

∞ =<br />

2 mv2 ∞<br />

b 2<br />

(ε + a) 2 + Z 1 Z 2 C<br />

Erweitert man mit (ε + a) 2 , so gewinnt man durch Umformen<br />

und daraus a = Z1Z2C mv2 .<br />

∞<br />

C = e2<br />

=1.44 MeVfm,<br />

4πε0 Eigenschaften der Hyperbel:<br />

Gleichung: x2 y2<br />

− =1<br />

a2 b2 Asymptote: y = ∓ b<br />

a x<br />

cot ϑ/2 = b<br />

a<br />

a + ε .<br />

mv 2 ∞ · a(ε + a) =Z1Z2C(ε + a)<br />

=⇒ cot(ϑ/2) = mv2 ∞ b<br />

Z 1 Z 2 C<br />

a 2 + b 2 = ε 2<br />

Daraus folgt dann der Stoßparameter mit Z 2 = 2 (He–Kerne) b = Z1C<br />

E∞ cot(ϑ/2) mit E ∞<br />

Für den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />

dσ b<br />

=<br />

dΩ sin ϑ<br />

� �<br />

�<br />

�<br />

db �<br />

�<br />

�dϑ�<br />

= m<br />

2 v2 ∞ .


88 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

wie er in Kapitel 1.5 hergeleitet wurde, ergibt sich dann mit obigem (Z1 = Z):<br />

dσ<br />

dΩ = ZC/E∞ · cot(ϑ/2)<br />

·<br />

sin ϑ<br />

ZC<br />

�<br />

1<br />

·<br />

E∞ 2 (1+ cot2 �<br />

(ϑ/2))<br />

· cos(ϑ/2) · sin−1 (ϑ/2) 1<br />

·<br />

2cos(ϑ/2) · sin(ϑ/2) 2 ·<br />

1<br />

sin 4 (ϑ/2)<br />

dσ<br />

= Z2 C 2<br />

E 2 ∞<br />

dΩ = Z2 1Z2 2e4 8(4πε0 )<br />

E 2 ∞<br />

2 · 1<br />

·<br />

1<br />

sin 4 (ϑ/2)<br />

Abb. 5.2:<br />

Theoretischer Verlauf der Coulombstreuung<br />

nach Rutherford.<br />

Korrekturen an der Streuformel:<br />

1<br />

sin 2 (ϑ/2) = Z2C 2<br />

4E2 ·<br />

∞<br />

, die Rutherfordsche Streuformel 1911. (5.1.1)<br />

Größenordnung: dσ Z2 1<br />

dΩ ≈ 1.3 Z2 2<br />

E2 1<br />

∞ sin4 mbarn, wobei<br />

ϑ/2<br />

E in MeV und 1mbarn = 10−27 cm2 . Prüfung des<br />

Rutherford–Gesetzes durch Geiger und Marsden<br />

1913.<br />

1. Bei Streuwinkeln ϑ3 · 10 −10 cm: Die Abschirmung durch innere<br />

Atomelektronen wird merklich.<br />

2. Streufolien müssen dünn sein, sonst Mehrfachstreuung.<br />

3. Bisher M K in Ruhe, d.h. M K ≫ m α , andernfalls Übergang ins CM–System:<br />

E CM<br />

∞<br />

�v CM =<br />

= µ<br />

2 v2 ∞ , µ = m α · M K<br />

m α + M K<br />

m α<br />

�v<br />

MK + mα L α<br />

→ E CM<br />

∞ = MK E<br />

MK + mα L ∞<br />

Aus der Gültigkeit des Rutherfordgesetzes auch bei großen Winkeln folgt die Aussage über die<br />

Kernausdehnung, bzw. die Aussage über die Gültigkeit des reinen Coulombpotentials.<br />

Für ϑ =180 ◦ ,d.h.b = 0 erhalten wir die Umkehrbahn und damit den kleinsten Abstand δ 0 des<br />

streuenden Teilchens vom Kern aus der Energiebilanz.<br />

Abb. 5.3: Bahnkurve von α–<br />

Teilchen beim zentralen Stoß.<br />

E ∞ = E pot = m<br />

2 v2 ∞ = Z 1 Z 2 C<br />

δ 0<br />

� δ 0 =1.44 MeV fm Z 1 Z 2<br />

E ∞<br />

So erhalten wir für das Rutherfordsche Experiment mit den Werten E ∞ =5.5 MeV an Silber<br />

(Z 1 = 79): δ 0 ≈ 3 · 10 −12 cm.<br />

Beim obigen Experiment hat die Rutherfordsche Streuformel noch Gültigkeit. Bei der Streuung<br />

sehr schneller α–Teilchen (E > 6 MeV) um große Winkel ϑ, (bei annähernd zentralem Stoß)<br />

.


5.2. Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren 89<br />

beobachtet man jedoch deutliche Abweichungen von der Rutherfordformel. Hier ist die Grundvoraussetzung<br />

der Theorie, das Coulombsche Kraftgesetz, nicht mehr erfüllt. α–Teilchen und<br />

Kern kommen sich so nahe, daß neue Kräfte wirksam werden, die Kernkräfte. Dies nennt man<br />

die anomale Rutherfordstreuung. Man definiert den Kernradius rK als den Abstand, bei dem<br />

die Wirkung des Kernkraftpotentials mit der des Coulombpotentials vergleichbar wird (also den<br />

Bereich, in dem es eine deutliche Abweichung vom Coulombpotential gibt).<br />

Aus Messungen an Au folgerte man, daß der Kern die Größe von ca. 10−15 m hat.<br />

Messung an vielen Kernen ergab: r K = r 0 · A 1<br />

3 mit r 0 ≈ 1.25 fm .<br />

Chadwick bestimmte 1920 aus dem Verhältnis der gestreuten zu den direkt durchfliegenden<br />

α–Teilchen das Z 1 der Folienkerne.<br />

Nach dem Rutherford’schen Atommodell für das Einelektronensystem (H, He + ,Li ++ ) gilt für<br />

die Energie des Elektrons mit der Masse me = m auf der Kreisbahn r<br />

E = Epot + Ekin = − Z1e2 m<br />

+<br />

4πε0r 2 (rω)2 . (5.1.2)<br />

Für das umlaufende Elektron gilt das Kräftegleichgewicht FZ = FC , daher ist<br />

(5.1.3) in (5.1.2) eingesetzt liefert:<br />

Z 1 e 2<br />

E = − 1<br />

2 4πε0r Abb. 5.4: Energie des Elektrons.<br />

mω 2 r = Z1e2 4πε0r2 � m(rω)2 = Z1e2 . (5.1.3)<br />

4πε0r , sowie ω =<br />

�<br />

Z 1 e 2<br />

4πε 0 mr 3<br />

wie im Thomson–Modell.<br />

Es folgt außerdem mit r =10 −8 cm die richtige Größenordnung<br />

der Ionisationsenergie. Für Z 1 = 1 : E = −7.2eV<br />

(gemessen: E exp = −13.5eV.)<br />

Offene Fragen:<br />

1. Warum fallen die Elektronen, da sie doch bei ihrer (beschleunigten) Kreisbewegung dauernd<br />

Energie abstrahlen, nicht in den Kern?<br />

2. Wie kommt es zum stabilen Atomradius?<br />

3. Wie kommen die beobachteten Spektrallinien zustande?<br />

5.2 Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche<br />

Spektren<br />

Hier setzte nun Niels Bohr (1913) an, indem er die Vorstellung des Rutherfordschen Atommodells<br />

mit der Plankschen Quantisierungsvorschrift für den harmonischen Oszillator und mit<br />

der Einsteinschen Photonenvorstellung verband.


90 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

Für Elektronen, die sich auf Kreisbahnen bewegen, ergibt sich in Polarkoordinaten (r, ϕ): ˙r =0,<br />

˙ϕ = ω. Im folgenden sei Z = Z 1 . Es herrscht ein Kräftegleichgewicht zwischen Coulomb– und<br />

Zentrifugalkraft, also:<br />

Ze 2<br />

4πε 0 r 2 = mω2 r.<br />

Für die Energie gilt: W = Wpot + Wkin = − Ze2 1<br />

+<br />

4πε0r 2 mr2ω 2<br />

� W = − 1 Ze<br />

2<br />

2<br />

4πε0r .<br />

Um die Quantisierungsvorschrift zu formulieren, müssen wir zunächst den generalisierten Impuls<br />

bestimmen.<br />

Wir betrachten ein zweidimensionales Problem und wählen als generalisierte (unabhängige)<br />

Koordinaten r, ϕ = qi (i = 1, 2). qi = qi (x, y) sind Funktionen von kartesischen Koordinaten.<br />

Damit ist die potentielle Energie eine Funktion von generalisierten Koordinaten<br />

(Wpot = Wpot (qi )). Die zwei Gleichungen qi = qi (x, y) nach x, y aufgelöst, nach t differenziert<br />

und in Wkin eingesetzt liefern eine homogene, quadratische Funktion der ˙q i mit Koeffizienten,<br />

die von qi abhängen:<br />

Wkin = �<br />

C(qi )˙q<br />

i<br />

2 i<br />

=⇒ ∂W kin<br />

∂ ˙q i<br />

=2C(qi ) · ˙q i ⇐⇒ C(qi )= 1<br />

2˙q i<br />

=⇒ Wkin = 1 � ∂Wkin ˙q i .<br />

2 ∂ ˙q<br />

i i<br />

∂W kin<br />

∂ ˙q i<br />

Der Vergleich mit W kin = 1<br />

2 p x ˙x liefert die Definition der generalsierten Impulse p i<br />

Dann läßt sich zeigen, daß mit der Hamiltonfunktion H = H(q i ,p i ) wieder die<br />

Hamilton–Gleichungen − ∂H<br />

∂q i<br />

Für die Wirkungsfunktion ergibt sich:<br />

�<br />

W kin dt = 1<br />

2<br />

Im Falle der Kreisbahn ist damit<br />

= p˙i ,<br />

�<br />

�<br />

i<br />

∂H<br />

∂p i<br />

p i dq i .<br />

= q˙i q i = r, ϕ −→ ˙r =0, ˙ϕ = ω<br />

p ϕ = ∂W kin<br />

∂ω = mr2 ω = L (Drehimpuls)<br />

gelten.<br />

und unter Berücksichtigung der Quantisierungsbedingung folgt<br />

�<br />

pdq = mr 2 ω · 2π = nh (n =1, 2, 3,... Hauptquantenzahl).<br />

∂Wkin = ∂ . ˙qi


5.2. Das Bohrsche Wasserstoff–Atom, wasserstoffähnliche Spektren 91<br />

� mr 2 ω = L = n h<br />

= n�<br />

2π<br />

!Vorsicht!<br />

in der Interpretation für das H–Atom !<br />

Wie wir in 5.4 zeigen werden, ist dies nur ein Sonderfall der von Sommerfeld modifizierten<br />

Drehimpulsquantelung (Annahme von Bohr: Kreisbahnen).<br />

Aus der Quantisierungsbedingung m2r4ω 2 = n2�2 und dem Kräftegleichgewicht mr3ω2 = Ze2<br />

4πε0 ,<br />

n also mr =4πε0 2 2<br />

�<br />

Ze2 folgt der Bahnradius<br />

rn = 1<br />

Z 4πε0 �2 me2 · n2 ,<br />

und für Z =1,n = 1ergibt sich der 1. Bohrscher Radius des Wasserstoff–Atoms<br />

a 0 =4πε 0<br />

Daraus folgt die Energie auf der n.ten Bahn<br />

Abb. 5.5:<br />

Energieniveauschema.<br />

� 2<br />

me 2 =0.528 · 10−8 cm .<br />

Wn = − (Ze2 ) 2m (4πε0 ) 2 1<br />

·<br />

2�2 n2 = −Z2hcR∞ · 1<br />

n2 mit der Rydberg–Konstanten R ∞<br />

R ∞ =<br />

Die Geschwindigkeit des Elektrons auf der n.ten Bahn ist<br />

Dies läßt sich auch schreiben als<br />

v n<br />

c<br />

= Z · α · 1<br />

n<br />

e2 1<br />

mit α = =<br />

4πε0�c 137<br />

e 4 m<br />

(4π) 3 ε 2 0 �3 c = 109 737.3cm−1 .<br />

vn = ωrn = n�<br />

= Z<br />

mrn e2 1<br />

·<br />

4πε0� n .<br />

Für die Umlauffrequenz des Elektrons auf der n.ten Bahn ergibt sich<br />

ν n = v n<br />

2πr n<br />

= Z 2<br />

, der Sommerfeldschen Feinstrukturkonstanten.<br />

me4<br />

32π 3 ε 2 0<br />

�3 · 1<br />

n3 = Z22cR∞ · 1<br />

n<br />

Wir erhalten negative Gesamtenergien, da es sich um Bindungsenergien handelt; d.h. wenn sich<br />

das Elektron vom Kern entfernt, so muß es Energie aufnehmen, bei Annäherung verliert es diese<br />

Energie wieder. Versucht man jedoch, bei einem solchen Modell die Emission und Absorption von<br />

Licht mit den bekannten Gesetzen der klassischen Elektrodynamik zu verstehen, so stößt man<br />

auf grundlegende Schwierigkeiten. Klassisch sollten Bahnen mit beliebigem Radius und damit<br />

eine kontinuierliche Folge von Energiewerten für das Elektron im Feld des Kerns möglich sein.<br />

Würde man die in den Spektralserien in Erscheinung tretenden Energieniveaus jedoch als Werte<br />

3 .


92 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

für die Energie des Elektrons ansehen, so müßte man annehmen, daß nur diskrete Energiewerte<br />

möglich sind. Wie sollte man sich also die offenen Fragen beim Rutherfordschen Atommodell<br />

erklären?<br />

Um diese Diskrepanz zu den Gesetzen der klassichen Physik zu vermeiden, stellte Bohr, in<br />

Form der nach ihm benannten Postulaten, Forderungen für das von den Gesetzen der klassischen<br />

Physik abweichende Verhalten der Elektronen im Atom auf.<br />

1. Bohrsches Postulat: Die durch die Quantisierungsbedingung ausgezeichneten Bahnen sind<br />

stationäre (zeitunabhängige) Bahnen, auf denen das Elektron nicht strahlt!<br />

2. Bohrsches Postulat: Die Emission von Licht erfolgt beim Übergang von einer Bahn höherer zu<br />

einer Bahn niedrigerer Energie (bei der Absorption entsprechend umgekehrt). Für die emittierte<br />

Frequenz gilt:<br />

hν = W − W .<br />

n2→n1 n2 n1<br />

Damit läßt sich nun die experimentell gefundene Rydberg–Formel herleiten<br />

ν = ν<br />

c = hνn2→n1 =<br />

hc<br />

Wn2 − Wn1 = T − T = Z n2 n1<br />

hc<br />

2 �<br />

1<br />

R∞ n2 −<br />

1<br />

1<br />

n2 �<br />

2<br />

mit ν = 1 v<br />

λ = c .<br />

Allerdings hat die Rydberg–Konstante R ∞ einen etwas anderen Wert als das experimentelle R H :<br />

M A<br />

r A<br />

S<br />

r e e<br />

Abb. 5.6: Zweikörperproblem.<br />

Damit wird RH = R∞ 1+ me ,<br />

MA<br />

Bei obiger Rechnung lag die Annahme einer unendlich großen<br />

Masse M A des Kerns zugrunde. Dies ist jedoch falsch. Analog<br />

zur Mechanik erhalten wir ein Zweikörperproblem. Bei der<br />

Berücksichtigung der Kernmitbewegung müssen wir also in allen<br />

Gleichungen<br />

r durch r A + r e<br />

und m durch µ = me · MA me =<br />

me + MA (1+ me<br />

MA )<br />

R H = 109 677.6cm −1<br />

R D = 109 707.4cm −1<br />

ersetzen.<br />

RHe + = 109 722.3cm−1 Somit ist das Wasserstoffspektrum erklärt. Wegen der Mitbewegung des Kerns haben verschiedene<br />

Isotope des gleichen Elements etwas unterschiedliche Spektrallinien. Dies führte zur<br />

Entdeckung des Deuteriums. Wegen der unterschiedlichen Rydberg–Konstanten weichen die<br />

Spektrallinien von He + und Deuterium vom Wasserstoff etwas ab. Die Wellenlängendifferenz ∆λ<br />

für die entsprechenden Linien im Spektrum des leichten und des schweren Wasserstoffs beträgt<br />

�<br />

∆λ = λH − λD = λH 1 − λ � �<br />

D<br />

= λH 1 −<br />

λH R �<br />

H<br />

.<br />

RD Wesentliches gemeinsames Charakteristikum der Bohrschen Postulate ist: Man macht nicht Aussagen<br />

über Vorgänge, sondern über Zustände. Der klassische Bahnbegriff wird aufgegeben. Es<br />

wird nicht nach dem zeitlichen Verlauf gefragt, sondern nach dem stationären Anfangs– und<br />

Endzustand.


5.3. Bohrsches Korrespondenzprinzip; Rydberg–Zustände 93<br />

5.3 Bohrsches Korrespondenzprinzip;<br />

Rydberg–Zustände<br />

Die durch die Quantisierung entstehenden Phasenraumzellen mit dem Volumen h 3 liegen für<br />

große Quantenzahlen beliebig dicht: vgl. Abbildung 4.6.<br />

Quantisierter Phasenraum ⇒ Kontinuum für n →∞.<br />

Die Anwendung dieses Sachverhaltes auf die <strong>Atomphysik</strong> ist das Bohrsche Korrespondenzprinzip:<br />

Für große Quantenzahlen geht die Quantenphysik in die klassische Physik über, d.h.<br />

für große Quantenzahlen liegen die Energieniveaus beliebig dicht nebeneinander, so daß hier von<br />

einem Kontinuum gesprochen werden kann. Das bedeutet konkret, daß die<br />

Übergangsfrequenz ν n+1→n gleich der Umlauffrequenz ν n<br />

νn+1→n = Z 2 �<br />

1<br />

Rc −<br />

n2 1<br />

(n +1) 2<br />

�<br />

= Z 2 Rc 1<br />

n2 �<br />

1 −<br />

≈ Z 2 Rc 1<br />

n2 2<br />

n =2Z2Rc 1<br />

n3 = νn für n →∞.<br />

ist, also<br />

1<br />

(1+ 1<br />

n )2<br />

�<br />

Mit diesem Prinzip ist es möglich, die mit Hilfe der klassischen Physik berechneten Aussagen<br />

über Intensitäten und Polarisationen in die Gesetze der Quantentheorie zu übertragen. Dennoch<br />

sind die Ergebnisse und vor allem die Methode nicht befriedigend.<br />

Atomzustände mit sehr hohen Quantenzahlen nennt man Rydberg–Zustände. Die moderne<br />

Lasertechnik mit ihren fein–durchstimmbaren Laserfrequenzen macht eine Anregung dieser<br />

Zustände möglich. Da sich das eine hoch angeregte Elektron weit weg vom Rumpf der übrigen<br />

Elektronen befindet, sind seine Zustände sehr wasserstoffähnlich.<br />

Charakteristika dieser Rydberg–Atome sind:<br />

1 . Größe der Rydberg–Atome:<br />

a 0 ≈ 0.5 · 10 −8 cm bei n = 1(1. Bohrscher Radius)<br />

r 100 =0.5 · 10 −8 cm · n 2 =0.5 · 10 −4 cm = 0.5 µm (n = 100).<br />

2. Sehr große Lebensdauer τ ∼ 10 −3 s=1ms<br />

3. Sehr kleine Ionisationsenergie,<br />

d.h. Rydberg–Atome werden leicht durch Stöße mit anderen Atomen und durch die thermische<br />

Strahlung der umgebenden Wände ionisiert: Einfluß der Temperatur auf den Ionisationsstrom.<br />

5.4 Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung<br />

Die heile Welt des Bohrschen Modells wurde durch die Beobachtung gestört, daß die Linien der<br />

Balmerserie des Wasserstoffs bei höheren spektralen Auflösungen nicht einfache Linien sind; jede


94 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

von ihnen besteht vielmehr aus mehreren Komponenten. Aus derartigen Beobachtungen leitete<br />

Sommerfeld eine Erweiterung des Bohrschen Modells ab. Sommerfeld berücksichtigte (1916),<br />

daß ein Elektron im Coulombfeld nicht nur auf Kreisbahnen, sondern auch auf Ellipsenbahnen<br />

umlaufen kann (wie die Planeten um die Sonne).<br />

Für die Gesamtenergie W = W pot + W kin ergibt<br />

sich klassisch (Keplerproblem)<br />

W = − 1 Ze<br />

2<br />

2<br />

4πε0a .<br />

Die Gesamtenergie W ist nur von der großen Halbachse<br />

abhängig!<br />

Abb. 5.7: Bewegung des Elektrons auf Ellipsenbahnen<br />

um den Kern.<br />

Wir führen nun die generalisierten Koordinaten q1 = ϕ(t); ˙ϕ(t) =ω; q2 = r(t) ein, und schreiben<br />

die Gesamtenergie als<br />

Wkin = m<br />

2 v2 = m<br />

2 (˙r2 +(r ˙ϕ) 2 )= m<br />

2 (˙r2 +(rω) 2 ) ,<br />

damit ergeben sich die generalisierten Impulse zu<br />

pϕ = ∂Wkin ∂ ˙ϕ = mr2 ˙ϕ = mr 2 ω = L = const.<br />

und pr = ∂Wkin = m ˙r.<br />

∂ ˙r<br />

Berücksichtigt man jetzt die Quantisierungsbedingung, so läßt sich das Wirkungsintegral<br />

schreiben als:<br />

�<br />

2<br />

W kin dt =<br />

�<br />

p ϕ dϕ + � p r dr<br />

= n ϕ h + n r h<br />

= mr 2 �<br />

ω2π + prdr ganzzahlig.<br />

n ϕ ,n r<br />

Der Sonderfall der Bohrschen Kreisbahn bedeutet r = const. und somit p r =0=⇒ n r = 0 und<br />

2 � W kin dt = n · h. Allgemein gilt nun<br />

n = n ϕ + n r<br />

n = Bohrsche Hauptquantenzahl.<br />

Die Sommerfeldsche Rechnung liefert (mit a0 = 4πε0�2 : 1. Bohrscher Radius).<br />

me2 1. W = − Z2 Rhc<br />

(n ϕ + n r )<br />

2. a = a 0<br />

Z (n ϕ + n r )2<br />

Ze<br />

= −1 2 2<br />

2<br />

4πε0a


5.4. Ellipsenbahnen nach Sommerfeld; l–Entartung 95<br />

3. b = a 0<br />

Z (n ϕ + n r )n ϕ<br />

4. L = mr 2 ω = √ −2mW · b = a √<br />

0<br />

−2mW · (nϕ + nr ) · nϕ mit p =<br />

Z<br />

√ −2mW und W


96 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

Abb. 5.8: l–Entartung, Termschema stark vereinfacht.<br />

k Nebenquantenzahl<br />

l Bahndrehimpulsquantenzahl<br />

s, p, d, f spektroskopische Bezeichnungen<br />

W n,l = W n<br />

Energiezustände sind entartet (unabhängig<br />

von l).<br />

5.5 Aufhebung der l–Entartung:<br />

Feinstruktur des Wasserstoff–Spektrums<br />

Die Entartung der Energieterme in Bezug auf die Bahndrehimpulsquantenzahl wird aufgehoben,<br />

wenn die Voraussetzungen des Modells in Bezug auf die Energien nicht mehr gelten, das heißt<br />

wenn z.B. ” Störungen“ dazukommen.<br />

Für das H–Atom stellt eine solche Störung die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Elektronenmasse<br />

dar, also m e = m e (v). Bei Ellipsenbahnen mit kleinem l (kleiner Halbachse) ist die<br />

Massenveränderlichkeit in der Nähe des Perihels besonders groß. Dies führt zu einer Absenkung<br />

der Energie, denn vergrößerte Masse bedeutet nach Bohr einen kleineren Radius, das wiederum<br />

eine größere (negative) Bindungsenergie.<br />

Die relativistische Korrektur führt also zu einer Abhängigkeit der Energieterme von l (bzw. k).<br />

Die Rechnung, die hier nicht durchgeführt werden soll, liefert (Sommerfeld 1916):<br />

E n,k = − Z2 R H hc<br />

n 2<br />

mit α = e2 1<br />

=<br />

4πε0�c 137<br />

�<br />

1+ α2Z 2<br />

n2 � � �<br />

n 3<br />

− + ...<br />

k 4<br />

Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante


5.6. Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 97<br />

Abb. 5.9: Aufhebung der l–Entartung.<br />

Die relativistische Massenzunahme des Elektrons<br />

führt zu einer Periheldrehung der Ellipsenbahn. Es<br />

ergibt sich im anschaulichen Bild eine Rosetten-<br />

”<br />

bewegung“ des Elektrons um den Kern (Störung<br />

des 1<br />

r –Gesetzes), analog zur Periheldrehung der<br />

Merkurbahn um die Sonne.<br />

Die Aufhebung der Entartung führt also zu einer<br />

Feinstruktur der H–Linien, z.B. die der Hα ,diezum<br />

ersten Mal bereits 1887 von Michelson und Morley<br />

mit einem Gitterspektrographen beobachtet<br />

wurde.<br />

H α :∆λ =0.14 A (bei 6563 A) bzw. ν =0.32 cm −1<br />

Man beobachtet nur die im Termschema eingezeichneten Übergänge. Dies kann durch eine<br />

Auswahlregel erklärt werden:<br />

∆l = ±1<br />

Trotz der Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment ist Sommerfelds Erklärung der<br />

Feinstruktur (Aufspaltung der H–Terme)nur die halbe Wahrheit: Die Spin–Bahn–Kopplung ist<br />

noch nicht bekannt!<br />

5.6 Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen:<br />

Schalenstruktur der Elektronenhülle<br />

Um 1915 waren Atomgrößen und Ionisationsenergien der Elemente annähernd bekannt. Man<br />

erhielt folgende Ergebnisse<br />

1. Alkali–Atome sind besonders groß,<br />

2. ihre Ionisationsenergien für das 1. Elektron sind besonders klein,<br />

3. ihre Ionisationsenergien für das 2. Elektron sind besonders groß.<br />

Für die Ionisationsenergien ergeben sich Zahlenwerte der folgenden Tabelle:<br />

A + A ++ A +++<br />

Außerdem war die Tatsache aus der Chemie<br />

bekannt, daß Alkali–Atome 1Valenz ( =<br />

1H 2He 3Li 10Ne 11Na 18Ar K<br />

1 3.6<br />

24.5 54<br />

5.4 75<br />

21.6 41<br />

5.147<br />

15.8 28<br />

4.3 32<br />

122<br />

64<br />

72<br />

41<br />

46<br />

eV<br />

Leucht)–Elektron besitzen. Es war naheliegend,<br />

die quantisierten Energiezustände des<br />

Bohrschen Modells als Schalen“ zu betra-<br />

”<br />

chten, die der Reihe nach mit Elektronen besetzt<br />

werden. Bei einem Alkali–Atom fängt<br />

eine neue Schale an, mit einem Edelgas ist sie<br />

abgeschlossen.<br />

19


98 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

H He Li Ne Na Ar K Kr Rb X Cs<br />

1 1 1 1 Z1 2 3 0 8 9 36 37 54 55<br />

∆Z 2 8 8 1 8 1 8<br />

n 1 2 3 (4)<br />

Schale K L M (N)<br />

∆Z ist die Zahl der Elektronen pro Schale.<br />

Die genaue Erklärung für den Elektronen–Schalen–Aufbau gab erst das Pauli–Prinzip 1925, das<br />

wir in Kapitel 9 noch behandeln werden. Das Termschema der Alkali–Atome können wir jedoch<br />

qualitativ jetzt schon verstehen.<br />

Abb. 5.10: Form des effektiven Potentials.<br />

Wenn das Valenz– oder Leuchtelektron<br />

eine neue Schale eröffnet, so ergibt sich<br />

ein Quasi–Wasserstoff–Atom. Dieses<br />

Leuchtelektron befindet sich in einem relativ<br />

großen Abstand r vom Kern und<br />

bewegt sich in einem � E–Feld der Kernladung<br />

+Ze, das durch die Z − 1inneren<br />

Elektronen weitgehend abgeschirmt<br />

ist. Wir beschreiben die abschirmende<br />

Wirkung der (Z − 1) Elektronen gemeinsam<br />

mit dem Kernpotential durch ein effektives<br />

Potential V eff für das Leuchtelektron.<br />

Damit reduzieren wir das ursprüngliche Mehrteilchenproblem auf ein Einteilchenproblem. Bewegt<br />

sich also das Leuchtelektron in großer Entfernung r vom Kern, so beträgt seine potentielle<br />

Energie V = −e2<br />

4πε0r . Die auf das Leuchtelektron wirkende Kernladung +Ze ist bis auf eine<br />

Ladungseinheit durch die inneren Elektronen kompensiert. Je näher aber das Elektron an den<br />

Kern gelangt, um so mehr unterliegt es der unabgeschirmten Wirkung der Kernladung. Hier gilt<br />

für die potentielle Energie V = −Ze2 , d.h. das effektive Potential ist nicht mehr proportional zu<br />

1<br />

r .<br />

4πε0r


5.6. Aufhebung der l–Entartung bei Alkali–Atomen: Schalenstruktur der Elektronenhülle 99<br />

E/eV<br />

s p d f H–Atom Nur diese Proportionalität ist aber für<br />

die l–Entartung verantwortlich, wie wir<br />

5p 4d 4f 4<br />

in Kapitel 7.5.3 sehen werden. Som-<br />

5s<br />

-1<br />

4p<br />

fundamental<br />

merfelds Ellipsen tauchen teilweise<br />

3d<br />

3<br />

aber tief in die Abschirmung ein, d.h.<br />

4s<br />

für Elektronen mit kleinen l ist das<br />

-2<br />

sharp diffuse<br />

1<br />

r –Potential nicht mehr gegeben, und<br />

somit ist auch die l–Entartung aufge-<br />

3p<br />

-3<br />

hoben. Da die s–Elektronen den nicht<br />

2<br />

abgeschirmten Kern am stärksten ausgesetzt<br />

sind, sind sie auch am stärksten<br />

-4<br />

principal<br />

gebunden, danach die p–Elektronen<br />

usw. . Dieser Effekt nimmt bei wach-<br />

3s<br />

-5<br />

sender Kernladungszahl Z noch zu.<br />

Für Natrium zum Beispiel liegt das<br />

4s–Niveau schon niedriger als das 3d–<br />

Niveau.<br />

Abb. 5.11: Termschema für Natrium.<br />

Für das Natriumatom erhalten wir das nebenstehende Termschema. Der entscheidende Unterschied<br />

zum Wasserstoff–Atom liegt darin, daß die Aufspaltung in die s, p, d–Terme (Aufhebung<br />

der l–Entartung) im Bereich von mehreren eV liegt, wohingegen beim Wasserstoff diese Aufspaltung<br />

im Bereich von etwa 10−4 eV anzusiedeln ist.<br />

Dieser Effekt ist um so größer, je kleiner die Hauptquantenzahl n ist. Für sehr große n, d.h.<br />

weitab vom Kern, erhalten wir wieder wasserstoffähnliche Zustände, d.h. wieder sehr geringe<br />

Aufspaltung.<br />

Außerdem erlaubt dieses Termschema eine Einordnung der in Spektrallinien der Alkali–Atome<br />

beobachteten Linien in Serien, wenn man als Auswahlregel für optische Übergänge noch die<br />

Vorschrift ∆l = ±1hinzunimmt. Diese Auswahlregel wird in der Quantenmechanik noch<br />

begründet.<br />

Die Serien in den Emissionsspektren der neutralen Alkali–Atome werden durch Serienformeln<br />

erfaßt, die der Balmer–Serienformel ähnlich sind.<br />

Für die beiden Quantenzahlen n und l bestimmten Frequenzen erhalten wir die empirische Serienformel<br />

für Na:<br />

ν ∼<br />

�<br />

1<br />

1<br />

−<br />

(3 − ∆(3, 0)) 2 (n − ∆(n, 1)) 2<br />

ν ∼<br />

�<br />

�<br />

1<br />

1<br />

−<br />

(3 − ∆(3, 1)) 2 (n − ∆(n, 0))<br />

n ≥ 3 principal–Serie (p → s)<br />

2<br />

ν ∼<br />

�<br />

�<br />

1<br />

1<br />

−<br />

(3 − ∆(3, 1)) 2 (n − ∆(n, 2))<br />

n>3 sharp–Serie (s → p)<br />

2<br />

ν ∼<br />

�<br />

�<br />

1<br />

1<br />

−<br />

(3 − ∆(3, 2)) 2 (n − ∆(n, 3))<br />

n ≥ 3 diffuse–Serie (d → p)<br />

2<br />

�<br />

n>3 fundamental–Serie (f → d) .<br />

Allgemein gilt offenbar<br />

�<br />

1<br />

Wn,l ≈<br />

(n − ∆(n, l)) 2<br />

�<br />

.


100 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

n − ∆(n, l) ist im allgemeinen eine nicht ganzzahlige Quantenzahl, n die dem H–Atom<br />

entsprechende ganzzahlige Hauptquantenzahl und ∆(n, l) der zu den Quantenzahlen n und l<br />

gehörende sogenannte Quantendefekt. Die empirisch bestimmten Zahlenwerte für Quantendefekte<br />

sind für s–Elektronen am größten, nehmen mit steigender Bahndrehimpulsquantenzahl l<br />

ab und sind weitgehend unabhängig von der Hauptquantenzahl n. Diese Quantendefekte erfassen<br />

empirisch die unterschiedlichen Abschirmungen, die die s, p, d, ...–Elektronen durch die<br />

Elektronen der inneren Schalen erfahren.<br />

Aber die Theorie von Bohr–Sommerfeld liefert keine Erklärung für Dubletts. Dubletts sind<br />

Doppellinien in den Spektren. Sie kommen dadurch zustande, daß alle Energieterme En,l von<br />

Atomen mit nur einem Valenzelektron in 2 Terme aufgespalten sind. Diese Tatsache kann erst<br />

mit der Spin–Bahn–Kopplung erklärt werden.<br />

5.7 Röntgenspektren, Auger–Effekt<br />

Zur Erinnerung:<br />

• 1895 Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Röntgen.<br />

• 1908 Entdeckung der charakteristischen Strahlung (Röntgenspektren) durch Barkla.<br />

• 1912 Vermutung einer atomaren Schalenstruktur von (J.J. Thomson, Rydberg; vor<br />

Bohr!).<br />

• 1912 Entdeckung der Röntgeninterferenzen durch v. Laue.<br />

• 1913 Drehkristallspektrograph von Bragg.<br />

Röntgenstrahlen sind noch kurzwelliger als UV–Licht. Ihre Frequenzen sind also sehr hoch.<br />

Nach der Bohrschen Theorie müssen daher auch die Energieumsetzungen bei Quantensprüngen<br />

beträchtlich sein (1keV – 100 keV). Derart hohe Werte setzen energiereichere Elektronenbahnen<br />

voraus.<br />

Beim Beschuß von Antikathoden aus schweren Atomen mit beschleunigten Elektronen entstehen<br />

Röntgenstrahlen. Dazu zwei Erzeugungsmechanismen:<br />

1. Beschleunigung im Kernfeld, man erhält die Bremsstrahlung. (vgl. Kapitel 4.4)<br />

2. Ionisation innerer Schalen mit anschließender charakteristischer Strahlung (Röntgenspektren).<br />

Charakteristisches Emissionsspektrum: Es wird deshalb so genannt, weil es für das Material<br />

im gleichen Maße charakteristisch ist, wie das optische Emissionsspektrum für ein Gas oder<br />

einen Dampf. Das Spektrum der charakteristischen Strahlung ist ein Linienspektrum. Experimentell<br />

läßt sich das charakteristische Spektrum und das Bremsspektrum nicht trennen. Daher<br />

ist dem charakteristischen Spektrum stets das Bremsstrahlungsspektrum überlagert (vgl. Abbildung<br />

5.12).<br />

Allgemein gilt für charakteristische Spektren: Im Gegensatz zu den optischen Spektren, die sehr<br />

viele Linien mit recht komplizierter Abhängigkeit von der Kernladungszahl Z enthalten und


5.7. Röntgenspektren, Auger–Effekt 101<br />

die einer starken Beeinflußung durch die chemischen Bindung unterliegen, beobachtet man bei<br />

Röntgenspektren eine begrenzte Zahl von Linien, die in einige Serien zusammengefaßt werden<br />

können. Diese Serien konvergieren zu einer kurzwelligen Grenze. Man bezeichnet die Serien mit<br />

K, L, M, N, ..., die Linien innerhalb der Serien mit griechischen Buchstaben beginnend mit α,<br />

d.h. z.B. die Linie des Übergangs von L nach K heißt K α –Linie, von M nach KK β –Linie (vgl.<br />

Abbildung 5.13). Moseley fand im Jahre 1913 ein einfaches Gesetz, das die Frequenzen der<br />

Spektrallinien mit der Ordnungszahl Z des emittierenden Elements verknüpft. Die erste Linie<br />

der K–Serie, die Linie Kα , kann in guter Näherung geschrieben werden als<br />

Kα : ν =(Z − σ Kα K ) 2 �<br />

1 1<br />

Rc −<br />

12 22 �<br />

Moseley: ν = Kα 3<br />

Rc(Z − 1)2<br />

4<br />

und für die erste Linie der L–Serie gilt<br />

Lα : ν =(Z − σ Lα L ) 2 �<br />

1 1<br />

Rc −<br />

22 32 �<br />

; Moseley: ν = Lα 5<br />

Rc(Z − 7.4)2<br />

36<br />

σ K ≈ 1<br />

σ L ≈ 7.4<br />

wobei σ die Abschirmungskonstante der jeweiligen Seriengrenze bedeutet. Die Übergänge zwischen<br />

inneren Schalen sind energiereicher als die Übergänge in äußeren Schalen.<br />

Kossel deutete 1916 die Entstehung der Röntgenlinienspektren anhand des Bohrschen Atommodells<br />

folgendermaßen: Zunächst muß das anregende Elektron ein Atomelektron aus einer<br />

inneren Schale entfernen. Das so entstandene Loch wird durch äußere Elektronen aufgefüllt.<br />

Für diese Auffüllung bestehen folgende Möglichkeiten:<br />

1. Ein Elektron fällt unmittelbar (d.h. unter Überspringen sämtlicher Zwischenstufen) in den<br />

freien Platz der inneren Elektronenbahnen zurück.<br />

2. Es findet ein stufenweises Zurückfallen statt.<br />

Zwischen diesen beiden Fällen gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Der Gesamtbetrag<br />

der freiwerdenden Energie muß aber beim direkten Übergang gleich sein, wie bei einer<br />

Übergangskaskade. Alle Übergänge, die auf der gleichen inneren Schale enden, treten gemeinsam<br />

auf. Sie bilden zusammen eine Serie.<br />

Damit wurde der Beweis der Schalenstruktur erbracht. Heute: Wichtiges Verfahren zur Z–<br />

Bestimmung (Materialanalyse).<br />

Z ählrate<br />

λ min<br />

K β<br />

K α<br />

Charakteristische<br />

Linien<br />

Bremskontinuum<br />

λ =2d sin ϑ<br />

Abb. 5.12: Charakteristisches Röntgenspektrum.<br />

Abb. 5.13: Schema zur Erklärung der K, L,<br />

M Serien im Röntgenspektrum, Übergänge<br />

von Elektronen aus äußeren Schalen nach der<br />

Ionisation (Erzeugung eines Loches in einer<br />

inneren Schale).


102 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

Auger–Effekt<br />

K L<br />

N<br />

M<br />

Auger–<br />

Elektronen<br />

Abb. 5.14: Augerelektronenemission.<br />

Eine Konkurrenz zur Emission der charakteristischen<br />

Röntgenstrahlung stellt die Emission von Elektronen aus<br />

äußeren Schalen dar. Das Atom gibt seine hohe Anregungsenergie<br />

nicht in Form von elektromagnetischer<br />

Strahlung sondern in Form von Elektronen ab (Auger–<br />

Effekt); dadurch entsteht ein weiteres ” Loch“ in der Elektronenhülle.<br />

Auf diese Weise kann man hochionisierte<br />

Atome erhalten.<br />

Erklärung: Zunächst wird die K–Schale ionisiert. Ein<br />

L–Elektron fällt von der L– indieK–Schale und füllt die<br />

dort entstandene Lücke.<br />

Die frei werdende Energie wird benutzt, um ein zweites L–Elektron aus der L–Schale oder einer<br />

anderen zu entfernen, dieses entweicht aus dem Atom. Im Endeffekt ist die L–Schale also um<br />

zwei Elektronen ärmer geworden, diese werden wiederum von weiter außen liegenden Elektronen<br />

nachgeliefert. Somit kann es zur Emission weiterer Auger–Elektronen kommen. Für die<br />

kinetische Energie der Auger–Elektonen gilt<br />

E kin = hν Kα − E L = E K − E L − E L = E K − 2 · E L<br />

mit E K , E L : Bindungsenergie in der K, bzw.L–Schale.<br />

Man stellt fest, daß die Wahrscheinlichkeit für solche strahlungslose Konkurrenzprozesse zur<br />

Röntgenemission mit steigender Kernladungszahl stark abnimmt, d.h. daß bei leichten Atomen<br />

die Wahrscheinlichkeit der Emission von Auger–Elektronen steigt.<br />

1<br />

.5<br />

η<br />

20 40 60 80<br />

Z<br />

Abb. 5.15: η in Abhängigkeit<br />

der Ordnungszahl Z.<br />

Abbildung 5.15 stellt dies anschaulich dar; wobei η wie folgt<br />

definiert ist:<br />

η =<br />

Zahl der Röntgenlicht emittieren Atome<br />

Zahl der in K, L, ... ionisierten Atome .<br />

5.8 Anregung von Atomen durch Elektronenstoß<br />

Die Ergebnisse der Bohrschen Theorie, insbesondere die Tatsache der diskreten Energieniveaus<br />

im Atom, können experimentell überprüft werden. Diese Überprüfung sollte unabhängig von<br />

den optischen Ergebnissen sein und die richtige Wiedergabe der Spektren zur Folge haben. Eine<br />

Bestätigung bildet z.B. auch die Wiedergabe der Größe des Wasserstoff–Atoms und eine Messung<br />

der Ionisierungsenergie aus der Seriengrenze der Lyman–Serie.<br />

Davon unabhängige Experimente zur Untersuchung der Atomstruktur lassen sich mit Elektronen<br />

durchführen.<br />

Erste Untersuchungen der Wechselwirkung von Elektronen und Materie wurden bereits um 1890<br />

von Lenard durchgeführt. Er stellte fest, daß 50 keV–Elektronen eine 3 µm dicke Al–Folie<br />

(∼ 104 Atomschichten) bzw. 7 mm Luft bei Normalbedinungen mit ca. 80 % Wahrscheinlichkeit<br />

durchdringen. Für die Abschwächung eines Elektronenstrahls (Transmissionsexperiment) gilt<br />

das übliche Schwächungsgesetz (vgl. Kapitel 1.5). Sei N(x) die Anzahl der Teilchen am Ort x.


5.8. Anregung von Atomen durch Elektronenstoß 103<br />

N 0<br />

N(x)<br />

x<br />

Abb. 5.16: Zum Transmissionsexperiment.<br />

Dann gilt: N(x) =N0e −αx α −<br />

= N0e ϱ (ϱx)<br />

α = n · σ,<br />

n ist die Teilchendichte und σ der Wirkungsquerschnitt.<br />

Lenard fand, daß der Massenabsorptionskoeffizient“<br />

” α<br />

ϱ materialunabhängig ist. Der Schwächungseffekt<br />

des Primärstrahls beruht auf der Ionisation der Targetatome. Es kommt nämlich nur<br />

auf die Zahl der Elektronen im Target an. Dafür spricht auch die Tatsache, daß der Zahlenwert<br />

des Wirkungsquerschnitts für β = v<br />

c =0.04 �= Wkin ≈ 400 eV etwa gleich dem geometrischen<br />

Querschnitt ist:<br />

σ(400 eV) ≈ 3 · 10 −16 cm 2<br />

≈ geometrischer Querschnitt des Atoms.<br />

Bei dieser Geschwindigkeit der Elektronen — also der Umlaufgeschwindigkeit der Atomelektronen<br />

—ist v<br />

c<br />

etwa gleich 1<br />

137 .<br />

Mit zunehmender Einschußenergie folgt eine Abnahme des Wirkungsquerschnitts σ:<br />

Abb. 5.17: Abnahme des Wirkungsquerschnitts in<br />

Abhängigkeit von der Energie.<br />

β = v<br />

c W kin (keV) σ(10−16 cm 2 )<br />

0.04 0.4 3.1<br />

0.1 2.6 4· 10 −1<br />

0.2 1 1 .8 · 10 −2<br />

0.3 25 1.5 · 10 −3<br />

0.5 79 1.1 · 10 −4<br />

0.7 204 1.4 · 10 −5<br />

Die Abnahme des Wirkungsquerschnitts beruht auf Verkleinerung der Wechselwirkungszeit für<br />

die Ionisation: Materie wird ” durchsichtiger“. Dieses Ergebnis von Lenard war noch vor<br />

Rutherford bekannt.<br />

Eine Bestätigung der Bohrschen Theorie gelang durch folgende Versuche:<br />

• Lenard untersuchte ab etwa 1902 die Ionisation von Atomen durch Elektronenstoß:<br />

Glühelektronen werden im Raum zwischen Kathode K und Gitter G auf die Energie<br />

W kin = eU G beschleunigt. Im Raum zwischen G und A besteht eine Gegenspannung<br />

|U A | > U G . Die Elektronen können also gegen die negative Anode nicht anlaufen, sie<br />

fallen zurück auf das Gitter G. Ist die kinetische Energie der Elektronen größer als die<br />

Ionisationsenergie des Gases, also eU G ≥ W ionis , erfolgt eine Ionisation der Gasatome.<br />

Die positv geladenen Ionen fliegen nun auf die Anode zu. Diese Ionisationsereignisse werden<br />

als Strom an der Anode gemessen. Der Einsatzpunkt der Anodenstromkurve ist gleich der<br />

Ionisationsspannung.


104 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

UG<br />

− +<br />

KG A<br />

Gas<br />

+ −<br />

UA<br />

IA<br />

IA<br />

eUionis = Wionis<br />

Uionis<br />

Abb. 5.18: Versuchsanordnung von Lenard; Anodenstrom als Funktion der Gitterspannung UG.<br />

In der ” modernen Sprache“ würde man diese Experimente inelastische Elektronenstreuung<br />

an Atomen unter Ionisation der Atome nennen.<br />

• Im Jahre 1913 führten Franck und Hertz zum ersten Male Experimente durch, die nicht<br />

zur Ionisation, sondern zur Anregung der Atome führten: Inelastische Elektronenstreuung<br />

an Atomen unter Anregung.<br />

K G A<br />

U G<br />

Hg 6 mbar<br />

IA<br />

IA<br />

300<br />

200<br />

100<br />

UA<br />

UG<br />

− + + −<br />

≈ 0.5V 5 10<br />

U∆W 2U∆W 3U∆W<br />

Abb. 5.19: Versuch von Franck und Hertz.<br />

Die Glühelektronen werden durch das Gitter beschleunigt.<br />

Zwischen Anode A und Gitter G liegt eine kleine Gegenspannung UA .AnderAnodewird<br />

der Strom IA als Funktion der Beschleunigungsspannung UG bei fester Gegenspannung UA gemessen.<br />

Ist die Gitterspannung UG klein, so erfolgen elastische Stöße zwischen den Elektronen und<br />

den Hg–Atomen.<br />

Ist UG >UA , so steigt der Strom zunächst mit wachsender Spannung UG an. Bei einem<br />

bestimmten Wert von UG = U∆W ≈ 5V (für Hg) sinkt IA jedoch stark ab. Es erreichen<br />

also plötzlich viel weniger Elektronen die Anode A, und diesen Befund kann man nur so<br />

deuten, daß diese Elektronen ihre kinetische Energie in anregenden Stößen an die Hg–<br />

Atome abgegeben haben. Diese Anregung findet am Ort des Gitters statt. Sie besitzen<br />

nun nicht mehr genügend Energie, um gegen die Gegenspannung von 0.5VoltdieAnodeA zu erreichen. Steigert man die Spannung UG weiter, so steigt die Stromstärke IA wieder<br />

an, bis bei 9.8 Volt erneut ein starker Abfall erfolgt. Bei dieser Spannung können die<br />

Elektronen auf ihrem Weg von K bis G zweimal anregen. Der Ort der unelastischen Stoße<br />

ist dann in der Mitte zwischen Kathode und Gitter, und am Gitter selber.<br />

Die Messung ergab U ∆W =4.89 V =⇒ λ = hc<br />

eU ∆W<br />

=2.537 A<br />

Dies entspricht genau der Wellenlänge λ, die man im optischen Spektrum von Hg als<br />

intensive Linie bei Emission und Absorption beobachtet.<br />

UG


5.8. Anregung von Atomen durch Elektronenstoß 105<br />

• Franck, Knipping und Einsporn haben 1920 die Versuchsanordnung verbessert: Durch<br />

Trennung von Beschleunigungs– und Anregungsraum und durch indirekte Heizung erreicht<br />

man eine größere Homogenität der Energien der beteiligten Elektronen und somit eine<br />

Verbesserung des Auflösungsvermögens für den Energieverlust der Elektronen. Mit dieser<br />

verfeinerten Meßanordnung zeigen sich in der Spannungskurve eine Vielzahl von Strukturen.<br />

Diese entsprechen weiteren Anregungsstufen des Atoms.<br />

Zum Versuchsaufbau: Sie verlegten gemäß Abbildung 5.20 die Elektronenbeschleunigung<br />

auf die kurze Wegstrecke K, G 1 und unterdrückten durch Arbeiten bei sehr niedrigem<br />

Gasdruck weitgehend alle anregenden Stöße. Im Gegensatz zu Abbildung 5.19 arbeitet<br />

man hier im Stoßraum G 1 ,G 2 nur mit sehr langsam zunehmender Energie. Mit diesem<br />

verbesserten Versuchsaufbau war es nun möglich, eine verfeinerte Kurve (vgl. Abbildung<br />

5.20) aufzunehmen. Unter den so gefundenen Hg–Energieniveaus befinden sich bei 4.68 eV<br />

und bei 5.29 eV solche, deren Übergänge im Grundzustand nicht beobachtet und deshalb<br />

als ” verboten“ bezeichnet werden. Solche Energiezustände nennt man auch metastabil,<br />

weil sie nicht durch Strahlung in tiefere Zustände übergehen, sondern eine größere Lebensdauer<br />

besitzen. Die Auswahlregeln für Stoßanregung von Atomen sind offensichtlich nicht<br />

identisch mit denjenigen für optische Anregungen.<br />

K<br />

indirekte<br />

Heizung<br />

U G<br />

G 1<br />

Hg<br />

G 2 A<br />

U A<br />

I A<br />

I A<br />

4.68<br />

4.90<br />

5.29<br />

5.78<br />

Abb. 5.20: Verbesserte Versuchsanordnung von Franck, Kripping und Einsporn.<br />

Abb. 5.21: Hg–Termschema.<br />

6.72<br />

Damit war nachgewiesen, daß Atome diskrete Energieniveaus<br />

besitzen, die sich durch einen Elektronenstoß anregen<br />

lassen. Diese Elektronenstoß–Versuche sind damit eine<br />

ausgezeichnete Bestätigung der Bohrschen Theorie. Auch<br />

der direkte Nachweis, daß die angeregten Zustände unter<br />

Emission von Licht wieder zerfallen, gelang Franck und<br />

Einsporn, indem sie die Licht ( = UV–) Quanten per Photoeffekt<br />

an einer Photokathode nachwiesen:<br />

Dabei sahen sie auch die metastabilen Zustände, die zwar kein Licht emittierten, aber ihre<br />

Energie an die Photokathode abgaben, die Sekundärelektronen emittiert.<br />

U G


106 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

metastabieles Atom<br />

G<br />

K<br />

A<br />

U K<br />

hν<br />

0.02 mbar<br />

+0.1V<br />

−U Ph<br />

I Ph<br />

I Ph<br />

4.7 4.9 5.4<br />

Abb. 5.22: Nachweis metastabiler Zustände.<br />

In diesem Zusammenhang ist noch folgender Versuch interessant: Na–Dampf unter<br />

niedrigem Druck kann durch Einstrahlung der gelben Na–Linie (Quantenenergie: 2.11 eV)<br />

zum Leuchten angeregt werden. Die Anregung erfolgt nur, wenn das eingestrahlte Licht exakt<br />

die Quantenenergie 2.11 eV besitzt. Sowohl kleinere, als auch größere Quantenenergien<br />

im sichtbaren Spektrum bleiben für die Anregung unwirksam.<br />

Anders jedoch bei Anregung durch Elektronenstoß: Bei dieser Anregung wird gelbes Na–<br />

Licht emittiert, wenn die Energie der Elektronen gleich oder größer ist als 2.11 eV. Die<br />

Erklärung hierfür lautet: Die kinetische Energie freier Elektronen ist nicht gequantelt!<br />

Nach der Anregung eines diskreten Atomniveaus durch Elektronenstoß kann deshalb<br />

ein beliebiger Betrag an kinetischer Energie dem anregenden Elektron übrig bleiben. Dieser<br />

Betrag kann, wenn er groß genug ist, auch noch zur Anregung eines weiteren Atoms im<br />

Gasgefäß dienen.<br />

∗ 5.9 Energieverlust schneller Ionen in Materie<br />

Auch Ionen (z.B. p + , He ++ ≡ α,...) zeigen eine Wechselwirkung mit den Elektronen der Atome,<br />

wenn sie auf Materie geschossen werden. Hier interessiert man sich nicht für den Einzelprozeß,<br />

sondern für die Folgeprodukte insgesamt. Nachweis von geladenen Teilchen in Teilchendetektoren:<br />

• Nachweis des Lichts nach Anregung durch Photokathode und Multiplier,<br />

• Nachweis der Elektronen (und Ionen) nach Ionisation durch Zählrohre, Halbleiterzähler<br />

u.a. (Teilchendetektoren).<br />

Die ersten Energieverlustformel wurde bereits von Bohr angegeben: Ion mit M, +Ze, �v und<br />

E kin ≫ W ionis : quasifreie Elektronen.<br />

Abb. 5.23: Zur Energieverlustformel.<br />

Der Impulsübertragung auf ein Elektron beträgt: p y =<br />

U K<br />

F = Ze2 ZC<br />

= ;<br />

4πε0r2 r2 F x = − ZC<br />

r 2 cos ϕ; F y<br />

C = e2<br />

=1.44 MeV<br />

4πε0 �<br />

+∞<br />

−∞<br />

F y dt =<br />

�π<br />

0<br />

ZC<br />

= sin ϕ<br />

r2 ZC dt<br />

sin ϕ<br />

r2 dϕ dϕ


∗ 5.9. Energieverlust schneller Ionen in Materie 107<br />

mit b = x tan ϕ � db =tanϕdx+ x<br />

cos2 ϕdϕ =0.<br />

damit ist<br />

dϕ<br />

dx<br />

dt<br />

dϕ<br />

ϕ · cos ϕ<br />

= −sin = −<br />

x<br />

b<br />

r2 �<br />

dt dx 1<br />

= · = −<br />

dx dϕ v<br />

r2<br />

�<br />

= −<br />

b<br />

r2<br />

b · v<br />

p y =<br />

�π<br />

0<br />

ZC<br />

r 2<br />

b<br />

wegen sin ϕ =<br />

�<br />

− r2<br />

�<br />

sin ϕdϕ=<br />

bv<br />

Ze2<br />

2πε0bv .<br />

r<br />

;cosϕ = x<br />

r<br />

p x = 0, da Symmetrie zu x = 0 herrscht. Damit beträgt der Energieübertrag auf ein Elektron<br />

( = Energieverlust des einfliegenden Ions pro Atomelektron — bei festem Stoßparameter b):<br />

Abb. 5.24:<br />

Zur Zahl der Elektronen<br />

am Zylinderrand.<br />

EÜb = p2y Z<br />

=<br />

2me 2e4 8π2ε2 omeb2v 2 .<br />

Die Zahl der Elektronen im Zylinderrand db · dx ist:<br />

d 2 N = n A Z A · 2πb db · dx, wobei n A die Teilchendichte und Z A die<br />

Elektronenzahl pro Atom ist.<br />

Damit erhalten wir einen Energieverlust von: − d 2 E = E Üb · d2 N = Z2 e 4<br />

und einen Energieverlust pro Weglänge von:<br />

−dE<br />

dx = Z2e4 4πε2 omev2 · nAZA · B mit der Bremszahl B =<br />

4πε 2 0 m e v2 · n A Z A<br />

� db<br />

b .<br />

Zur Berechnung der Bremszahl B muß man Atomeigenschaften berücksichtigen:<br />

B =<br />

bmax �<br />

bmin<br />

db<br />

b<br />

b min �=0;b max �= 0 , sonst divergent.<br />

db<br />

b dx<br />

• b max : Es kann gerade noch die Energie übertragen werden, die der niedrigsten Anregungsenergie<br />

im Atomen entspricht. Diese Energie korrespondiert mit der Elektronenumlaufgeschwindigkeit<br />

v e .<br />

b max ist erreicht, wenn v e<br />

r e<br />

= v<br />

,alsobmax =<br />

bmax v<br />

.<br />

ωe • b min : Schließt man den zentralen Stoß aus, so muß der relative Bahndrehimpuls mindestens<br />

1� sein. Damit b min = �<br />

m e v .


108 Kapitel 5. Das Atommodell nach Rutherford, Bohr, Sommerfeld<br />

Wir können nun die Bremszahl B berechnen. Setzen wir dies in die Form für den Energieverlust<br />

pro Weglänge ein, so erhalten wir:<br />

− dE<br />

dx = Z2 e 4<br />

4πε 2 o m e v2 · n A Z A ln m e v2<br />

�ω e<br />

oder − dE<br />

dx ∼ Z2M · nAZA Ekin mit �ω e ≈ I = I 0 Z A und I 0 ≈ 11 eV. Die ist ein Ausdruck für das Bremsvermögen, bzw. den<br />

spezifischen Energieverlust, englisch: Stopping power.


Kapitel 6<br />

Atomare magnetische Momente,<br />

Richtungsquantelung<br />

6.1 Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches<br />

Verhältnis, Larmorfrequenz<br />

Das magnetische Dipolmoment einer Leiterschleife ist definiert als �µ := I · � A mit � A = A · �n.<br />

Abb. 6.1: Zur Berechnung<br />

der potentiellen Energie einer<br />

Leiterschleife im Magnetfeld.<br />

Abb. 6.2: Zur Berechnung<br />

des Magnetischen<br />

Momentes.<br />

Im Magnetfeld � B wirkt auf �µ ein Drehmoment<br />

�T = �µ × � B mit T = µB sin α.<br />

Damit beträgt die potentielle Energie des Dipolmoments im<br />

Magnetfeld<br />

W pot =<br />

�α<br />

π/2<br />

Tdα = −µB cos α = −�µ · � B . (6.1.1)<br />

Wir wollen nun die Definition des magnetischen Dipolmoments auf<br />

Atome übertragen und berechnen das magnetische Moment einer<br />

Ladung, die gemäß Abbildung 6.2 auf einer Kreisbahn mit der<br />

fließt ein Strom<br />

Geschwindigkeit v umläuft. Bei der Umlaufzeit T = 2π<br />

ω<br />

I = q<br />

T<br />

Andererseits besitzt die umlaufende Masse einen Drehimpuls<br />

qω<br />

1<br />

= , damit ist µ = IA =<br />

2π 2 qr2ω. L = mr 2 ω.<br />

109


110 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Also schreibt sich das magnetische Moment �µ<br />

�µ = q<br />

2m � L = γ � L . (6.1.2)<br />

Bei positiver Ladung q sind die Vektoren �µ und � L zueinander gleich gerichtet. Die Proportionalität<br />

von � L und �µ bezeichnet man als magnetomechanischen Parallelismus und<br />

γ = q<br />

2m<br />

als das gyromagnetische Verhältnis. (vgl. Staudt <strong>Experimentalphysik</strong> II, Kap. 3.4)<br />

Auf das magnetische Moment �µ wirkt ein äußeres Magnetfeld der magnetischen Flußdichte � B<br />

in der Weise, daß es versucht die Richtungen der Vektoren �µ und � B parallel zu richten, da in<br />

dieser Einstellung die potentielle Energie ihr Minimum hat: Drehimpuls � L und magnetisches<br />

Dipolmoment �µ vollführen eine Präzessionsbewegung:<br />

Abb. 6.3: Vektordiagramm<br />

zur Berechnung der Präzessionsfrequenz<br />

ωp.<br />

�T = �µ × � B ⇐⇒ T = µB sin α<br />

�T = �ω p × � �<br />

L ⇐⇒ T = ωpL sin(π − α)<br />

In Koordinaten:<br />

�µ = (µ x ,µ y ,µ z )<br />

�B = (0, 0,B)<br />

Damit<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

�<br />

⇒ �ω p = − µ<br />

L � B = −γ � B<br />

=⇒ � T =(µ y B,−µ x B,0) = ˙ � L<br />

˙L x = µ y B = γL y B<br />

˙L y = −µ x B = −γL x B<br />

˙L z = 0 =⇒ L z = const.<br />

Die Differentiation der Komponenten ˙ L x nach t ergibt: ¨ L x = γ ˙ L y B = −(γB) 2 L x . Dies ist die<br />

Differenzialgleichung einer harmonische Schwingung. Eine Lösung erhält man durch den Ansatz<br />

L x = a cos ω p t. Zweimal nach der Zeit differenziert erhalten wir ¨ L x = −ω 2 p a cos ω p t = −ω2 p L x .<br />

Zusammen mit ¨ L x = −(γB) 2 L x ergibt sich ω p = γB.<br />

wegen Ly = ˙ Lx γB und ωp = γB ist<br />

=⇒ L 2 x + L2 y = a2 = const.<br />

=⇒ L 2 x + L2 y + L2 z = L2 = const. .<br />

L x = +a cos ω p t<br />

Ly = −a sin ωpt Lz = const.<br />

Die Präzessionsfrequenz ω p ist gleich der vom Zeeman–Effekt (vgl. Kapitel 3.5) her bekannten<br />

Larmorfrequenz<br />

ω p = γB = qB<br />

2m = ω L .


6.1. Magnetisches Dipolmoment, gyromagnetisches Verhältnis, Larmorfrequenz 111<br />

Sie ist unabhängig vom Einstellwinkel α!<br />

Die Tatsache, daß zur Erklärung der magnetischen Eigenschaften der Materie kreisende Ladungen<br />

nötig sind, ist schon lange bekannt: Ampèresche Ringströme. Mit diesen Strömen lassen sich<br />

leicht Dia– und Paramagnetismus verstehen.<br />

1. Diamagnetismus<br />

Diamagnetische Stoffe besitzen kein permanentes atomares Dipolmoment. In diamagnetischen<br />

Stoffen kreisen die Elektronen paarweise gegensinnig um den Atomkern. Es stehen<br />

immer zwei Bahndrehimpulse � L antiparallel. Das in einem Magnetfeld auftretende Moment<br />

des Stoffes muß deshalb erst beim Einbringen in ein äußeres Feld entstehen.<br />

Um den Diamagnetismus zu erklären betrachten wir im Folgenden zwei unterschiedliche<br />

Modelle, die beide aber zum selben Ergebnis führen.<br />

• Im ersten Modell haben wir es mit einem Induktionsvorgang im Sinne der klassischen<br />

Physik zu tun, bei dem die induzierten Ströme immer solche magnetische Momente<br />

erzeugen, die dem äußeren Feld entgegengesetzt gerichtet sind (Lenz’sche Regel).<br />

Damit ist verständlich, warum in diamagnetischen Stoffen die Flußdichte geringer<br />

ist als die im äußeren Feld, bzw. die Suszeptibilität negativ sein muß. Für die paarweise<br />

und gegensinnig umlaufenden Elektronen führen wir jeweils Einzelbetrachtungen<br />

durch.<br />

Man faßt das Elektron, wie oben erwähnt, als<br />

Stromschleife auf. Bringt man eine solche Schleife<br />

senkrecht zu den Feldlinien in ein Magnetfeld der<br />

Flußdichte B, so ändert sich der umschlossene<br />

Kraftfluß φ um<br />

Abb. 6.4: Zur Erklärung des Diamagnetismus<br />

mit Hilfe der Elektrodynamik.<br />

∆φ = −Br 2 π. (6.1.3)<br />

Findet diese Änderung in der Zeit ∆t statt, so tritt nach dem Induktionsgesetz im<br />

Leiter eine elektrische Feldstärke E auf, wobei � Eds =∆φ/∆t sein muß. Bei einem<br />

kreisförmigen Leiter kann unter Verwendung von (6.1.3) auch 2πrE∆t = −Br 2 π<br />

geschrieben werden. Auf das Elektron in der Schleife wirkt also während der Zeit ∆t<br />

ein Kraftstoß F · ∆t = eE∆t, der eine Impulsänderung m e ∆v = eE∆t hervorruft, die<br />

nach obiger Gleichung die Geschwindigkeitsänderung<br />

∆v = − Ber<br />

= γBr<br />

2me bewirkt. Es resultiert eine Umlauffrequenzänderung<br />

∆ω = ∆v<br />

r = γB = ω L .<br />

Die Ladung kreist schneller oder langsamer.


112 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Abb. 6.5: Zur Erklärung des<br />

Diamagnetismus mit Hilfe<br />

der Kreiseltheorie.<br />

• Im zweiten Modell führen wir für die Elektronen<br />

wiederum jeweils Einzelbetrachtungen analog zu 6.1<br />

durch. Das magnetische Moment �µ vollführt nach Abb.<br />

6.5 eine Präzessionsbewegung mit ω p = qB<br />

2m = ω L ,d.h.<br />

der Ringstrom präzediert um � B. Wir haben damit eine<br />

zusätzliche Kreisbewegung der Ladung um � B, was gleichbedeutend<br />

mit einem zusätzlicher Ringstrom ist. Addieren<br />

wir nun die Ergebnisse der beiden Einzelbetrachtungen,<br />

so erhalten wir ebenfalls ein resultierendes �µ dia .<br />

Es resultiert also bei beiden Betrachtungen ein induziertes<br />

magnetisches Dipolmoment antiparallel zu � B! Mit (6.1.2)<br />

ergibt sich:<br />

�µ dia = I · � A = 1<br />

2 qr2 �ω L = −<br />

�<br />

1<br />

4 q2r 2<br />

�<br />

· 1<br />

m � B<br />

2. Paramagnetismus<br />

Bei Stoffen mit ungepaarten Elektronen können sich die magnetischen Momente der Elektronenbahnen<br />

nicht paarweise kompensieren. Die Atome besitzen ein permanentes magnetisches<br />

Dipolmoment �µ, herrührend vom primären Ringstrom mit Kreisfrequenz ω. In<br />

z–Richtung wirkt nur die Komponente �µ cos ϑ, außerdem kommen — im thermischen Gleichgewicht<br />

— alle Einstellrichtungen gemäß ihrer potentiellen Energie W pot = −�µ � B bewichtet<br />

mit der Boltzmannverteilung vor. Wir bilden den Mittelwert von �µ para :<br />

|�µ para | =<br />

�<br />

|�µ|·cos ϑe−zdΩ Ω<br />

�<br />

e−zdΩ Ω<br />

≈ |�µ|2 · B<br />

3kT<br />

mit z = − �µ � B<br />

kT und dΩ =sinϑdϑdϕ. µ para<br />

= |�µ|·coth µB<br />

kT<br />

− kT<br />

µB<br />

1 ( 2 = qr2ω) 2 �<br />

· B 1<br />

=<br />

3kT 4 q2r 2<br />

�<br />

· (rω)2<br />

1<br />

· B ∼<br />

3kT T<br />

1 ∼ T : Curiesches Gesetz.<br />

(6.1.4)<br />

Die obige Formel für µ para ist nicht die ganze Wahrheit, da über den Raumwinkel Ω kontinuierlich<br />

integriert wurde. Dies ist, wie wir in Kapitel 6.3 sehen werden jedoch falsch:<br />

Richtungsquantisierung<br />

Ein Vergleich beider Effekte zeigt, daß der Paramagnetismus ca. 300 mal stärker ist.<br />

Experimentell ergibt sich für die magnetische Suszeptibilität χmag = µ − 1:<br />

χ dia (N 2 ) = −12 · 10 −6<br />

χ para (O 2 ) = 3450 · 10 −6<br />

6.2 Bohrsches Magneton, g–Faktor<br />

Setzen wir jetzt statt der allgemeinen Ladung q die Ladung des Elektrons ein: q = −e, soergibt<br />

sich<br />

µ = − 1<br />

2 eωr2 und �µ = γ� L = − e<br />

2m � L.


6.3. Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses 113<br />

Während bei positiver Ladung q + die Größen � L und �µ parallel zueinander sind, sind für die<br />

kreisenden Elektronen mit der (Ruhe–) Masse m die beiden Größen antiparallel:<br />

Als Einheit des magnetischen Dipolmoments im atomaren Bereich<br />

Abb. 6.6: Zum magnetomechanischenParallelismus.<br />

definiert man die Größe, die einem umlaufenden Elektron mit dem Bah-<br />

=1· � entspricht:<br />

ndrehimpuls L =1· h<br />

2π<br />

µ B = e�<br />

2m<br />

wobei µ B =9.2740 · 10 −24 Am 2 beträgt.<br />

Bohrsches Magneton<br />

Daß die Beziehung �µ = γ � L auch im atomaren Bereich gilt, ist nicht selbstverständlich, es muß<br />

am Experiment geprüft werden. Man definiert deshalb den Faktor γ neu:<br />

�µ =+γ � L mit γ = g q<br />

2m<br />

, statt klassisch γ = q<br />

2m .<br />

Damit<br />

�µ = −g e<br />

2m � L = −g e�<br />

2m · � L<br />

� =⇒<br />

�µ<br />

= −g ·<br />

µ B<br />

� L<br />

. (6.2.1)<br />

�<br />

Den g–Faktor für die Bahnbewegung nennt man gl –Faktor. Es wird sich herausstellen, daß:<br />

g l =1 .<br />

6.3 Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses<br />

Aus der Beziehung (6.2.1) ergibt sich durch Erweitern<br />

�µ = −gl µ B · � L<br />

� = −gl µ B ·<br />

�<br />

l(l +1) L�<br />

� ,<br />

l(l +1)�<br />

daraus folgt<br />

� �L<br />

�µ = −gl l(l +1)µB<br />

| � L|<br />

Die Quantelung des Drehimpulses in der Form<br />

wobei � L<br />

| � L|<br />

die Richtung angibt.<br />

| � L| = � l(l +1)� oder L 2 = l(l +1)� 2<br />

wird hier vorweggenommen und erst später in der Quantenmechanik erläutert. Somit ist wegen<br />

des magnetomechanischen Parallelismus auch der Betrag des magnetischen Dipolmoments<br />

gequantelt:<br />

�<br />

|�µ| = gl l(l +1)µB oder µ 2 = g 2 l l(l +1)µ2B .<br />

Auf Sommerfeld geht nun nicht nur die modellmäßige Einführung der Bahndrehimpulsquantenzahl<br />

l (ursprünglich: Nebenquantenzahl nϕ ≡ k) zurück, sondern auch die modellmäßige<br />

Einführung der Magnetquantenzahl ml (ursprünglich: Richtungsquantenzahl nα ).


114 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Wir hatten im vorigen Kapitel Ellipsen mittels der azimutalen Quantenzahl n ϕ und der radialen<br />

Quantenzahl n r nach Größe und Gestalt gequantelt.<br />

�L<br />

�Lz<br />

z<br />

ϑ<br />

r · sin ϑ<br />

Abb. 6.7: Darstellung der Elektronenbahnen in<br />

sphärischen Koordinaten.<br />

ϕ<br />

Die zu r, α und ϑ kanonischen Impulse sind:<br />

Während<br />

r<br />

α<br />

P<br />

x<br />

Nun werden wir auch die Lage im Raum<br />

bestimmen, d.h. wir heben aus der kontinuierlichen<br />

Mannigfaltigkeit aller möglichen<br />

Raumlagen eine diskrete Anzahl gequantelter<br />

Bahnen hervor. Zum besseren Verständnis<br />

beschreiben wir die Elektronenbahnen wieder in<br />

sphärische Koordinaten r(t), α(t) und ϑ(t). Die<br />

Geschwindigkeit in sphärische Koordinaten ist<br />

gegeben durch vr = ˙r, vϑ = r ˙ ϑ, vα = r sin ϑ ˙α<br />

und v2 ges = v2 α + v2 ϑ + v2 r . Dann ist die kinetische<br />

Energie:<br />

W kin = m<br />

2<br />

�<br />

˙r 2 + r 2 (sin 2 ϑ · ˙α 2 + ˙ ϑ 2 �<br />

)<br />

p r = ∂W kin<br />

∂ ˙r = m ˙r, p α = ∂W kin<br />

∂ ˙α = mr2 sin 2 ϑ ˙α und p ϑ = ∂W kin<br />

∂ ˙ ϑ = mr2 ˙ ϑ.<br />

p ϕ = mr 2 ˙ϕ = mr 2 ω = | � L| der Bahndrehimpuls ist, ist<br />

p α = m(r sin ϑ) 2 ˙α = m(r sin ϑ) 2 · ω z = L z die z–Komponente vom Bahndrehimpuls.<br />

Entsprechend unserer 3 Freiheitsgrade erhalten wir 3 Quantisierungsbedingungen<br />

�<br />

2<br />

W kin dt =<br />

=<br />

�<br />

�<br />

p r dr +<br />

�<br />

p ϕ dϕ =<br />

p r dr + mr 2 ω · 2π =<br />

�<br />

�<br />

p r dr +<br />

�<br />

p α dα +<br />

p r dr + m(r sin ϑ) · 2πω z +<br />

= n r h + n ϕ h = n r h + n α h + n ϑ h<br />

�<br />

�<br />

p ϑ dϑ<br />

p ϑ dϑ<br />

Stellt man nun den Ergebnissen von Sommerfeld den erst später gefundenen Ergebnissen der<br />

Quantenmechanik gegenüber, so findet man<br />

mr 2 ω = | � L| = n ϕ � ≡ k� | � L| = � l(l +1)�<br />

m(r sin ϑ) 2 ω z = L z = n α � L z = m l · �<br />

Nun kann L z maximal die Werte ±| � L| erreichen, also<br />

−n ϕ ≤ n α ≤ n ϕ −l ≤ m l ≤ +l<br />

n ϕ ,n α ganzzahlig l, m l ganzzahlig<br />

n α : 2n ϕ +1Werte: − n ϕ ...0 ...n ϕ m l : 2l +1Werte: − l,...0,...l


6.3. Richtungsquantisierung des Bahndrehimpulses 115<br />

Abb. 6.8: Richtungsquantelung: für die z–Komponente<br />

des Drehimpulses � L sind nur diskrete Werte erlaubt.<br />

Darstellung nach Sommerfeld.<br />

cos ϑ = n α �<br />

n ϕ �<br />

Abb. 6.9: Richtungsquantelung in der Quantenmechanik.<br />

cos ϑ =<br />

m l �<br />

� l(l +1)�<br />

Wir sehen also, daß die Quantisierung des Vektors � L im Raum nicht beliebig ist, d.h. daß die<br />

Ellipsenbahnen der Elektronen bei einem äußeren Magnetfeld (das eine Vorzugsrichtung angibt)<br />

nicht jede Lage im Raum einnehmen können (Richtungsquantelung).<br />

Wir verlassen nun die Sommerfeld–Theorie, die uns ja nur die halbe Wahrheit lieferte, und<br />

werden im folgenden nur noch mit den Ergebnissen der Quantenmechanik weiterrechnen.<br />

Da die z–Komponente des Drehimpulses Lz gequantelt ist, Lz = ml�, ist auch die z–Komponente<br />

des magnetischen Dipolmoments µ z aufgrund des magnetomechanischen Parallelismus (�µ =<br />

+γ� L) gequantelt:<br />

µ z = g l · m l · µ B<br />

mit m l = −l,...,0,...+ l.<br />

Es hat sich eingebürgert, als Drehimpuls oft die Quantenzahl l = max � � Lz anzugeben.<br />

� � �<br />

µz<br />

Entsprechend bezeichnet man als magnetisches Moment µ die Zahl µ =max . Mit diesen<br />

µB<br />

Beziehungen folgt aus (6.2.1):<br />

µ = gl · l<br />

Wir hatten in Kapitel 5 gesehen, daß die Energie eines Zustandes nur von der Hauptquantenzahl n<br />

und (da die l–Entartung aufgehoben ist) von der Bahndrehimpulsquantenzahl l abhängt. Jetzt<br />

ergebensichfür jedes l noch einmal (2l +1) neueml –Quantenzahlen, von denen die Energie<br />

offenbar nicht abhängt:<br />

Jeder Zustand mit der Energie Wn,l ist (2l +1)–fach ml –entartet.<br />

Wie kann man die Entartung aufheben? Wegen des magneto–mechanischen Parallelismus �µ =<br />

+γ� L und mit der potentiellen Energie eines magnetischen Dipolmoments im Magnetfeld � B:<br />

Wpot = −�µ � B folgt eine Energieaufspaltung in einem Magnetfeld � B.<br />

W pot = −�µ � B = −<br />

�<br />

−g l<br />

�<br />

l(l +1)µB · � L<br />

| � �<br />

·<br />

L|<br />

� B


116 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

oder kürzer:<br />

= g l<br />

W pot = g l m l µ B · B<br />

� l(l +1)µB · B · cos ϑ = g l<br />

� l(l +1)µB · B ·<br />

W pot = −�µ · � B = µ z · B = g l m l µ B B ,<br />

m l<br />

� l(l +1)<br />

mit anderen Worten: Die m l –Entartung wird durch ein äußeres Magnetfeld aufgehoben. Dies<br />

führt zum Zeeman–Effekt und zur quantenmechanisch richtigen Formel für den Paramagnetismus.<br />

Bei der Ableitung der Formel (6.1.4) für Paramagnetismus machten wir den Fehler,<br />

daß über das gesamte Volumen integriert wurde. Aufgrung der Richtungsquantelung ist nun<br />

nicht mehr jede Raumrichtung zugelassen, wir müssen also das Integral durch die Summe über<br />

die quantisierten Zustände ersetzen. Wegen dieses Zusammenhangs heißt m l Magnetquantenzahl.<br />

Fazit: Von den Größen � L und �µ kann nur der Betrag L 2 und µ 2 und die z–Komponente L z<br />

und µ z angegeben werden. Diese Werte sind gequantelt. Die x– undy–Komponente mitteln sich<br />

zeitlich wegen der Präzession heraus.<br />

6.4 Stern–Gerlach–Experiment, Spin,<br />

gs–Faktor, Einstein–de Haas–Effekt<br />

Der Nachweis der Richtungsquantisierung gelang O. Stern und W. Gerlach 1922: Einschuß<br />

von atomaren Kreiseln in ein inhomogenes Magnetfeld mit Hilfe eines Ag–Atomstrahls. (Ag ist<br />

paramagnetisch)<br />

Im Magnetfeld vollführen die Kreisel aufgrund des Drehmomentes � T = �µ × � B und des magnetomechanischen<br />

Parallelismus �µ =+γ� L eine Präzessionsbewegung mit der Larmorfrequenz<br />

ωL = γB gemäß Abbildung 6.10. Sie besitzen die potentielle Energie Wpot = −�µ · � B.<br />

Das Magnetfeld ist inhomogen und damit wirkt auf die magnetischen Dipolmomente nicht nur<br />

ein Drehmoment, sondern auch eine Kraft � F = − grad(−�µ � B) = grad(µ xBx + µ yBy + µ zBz ).<br />

∂Bx Fx = µ x<br />

∂x + µ ∂By y<br />

∂Bx Fy = µ x<br />

∂y + µ y<br />

∂Bx Fz = µ x<br />

∂z + µ y<br />

∂x + µ ∂Bz z<br />

∂x<br />

∂By ∂y + µ ∂Bz z<br />

∂y<br />

∂By ∂z + µ ∂Bz z<br />

∂z<br />

Wegen der Präzession um z (Magnetfeld � B ↑↑ z !) ist µ x = µ y = 0. Der Magnet ist so geformt,<br />

= 0. Damit bleibt<br />

daß sich am Strahlort nur ein Feldgradient in z–Richtung ergibt: ∂Bz<br />

∂x<br />

∂Bz F = Fz = µ z<br />

∂z<br />

.<br />

= ∂Bx<br />

∂y


6.4. Stern–Gerlach–Experiment, Spin, g s –Faktor, Einstein–de Haas–Effekt 117<br />

�B<br />

�µ<br />

Abb. 6.10: Präzessionsbewegung von<br />

�µ um � B.<br />

Abb. 6.12: Klassische Erwartung.<br />

z<br />

z<br />

y<br />

x<br />

N<br />

S<br />

Blende<br />

Schirm<br />

Abb. 6.11: Stern–Gerlach–Versuch: Messung des magnetischen Momentes<br />

von Ag–Atomen mit Hilfe der Atomstrahlmethode.<br />

Klassisch sind alle Komponenten µ z kontinuierlich zugelassen.<br />

Man erwartet auf dem Schirm eine kontinuierliche Verteilung in<br />

z–Richtung.<br />

Im Sommerfeld–Modell erwartet man für die Ag–Atome im Grundzustand mit n ϕ ≡ k =1,also<br />

eine Richtungsquantisierung in drei Teilstrahlen gemäß den 3 Komponenten mit n α = −1, 0, 1.<br />

Diesen Effekt suchten Stern und Gerlach.<br />

Abb. 6.13: Ionisation<br />

des Alkali–Atoms.<br />

Sie verwendeten einen Ag–Atomstrahl, da der Nachweis von Atomstrahlen<br />

damals allgemein noch Schwierigkeiten bot (Ag–Atome auf<br />

Glasplatte aufgefangen und mit AgNO 3 und Photoentwickler sichtbar<br />

gemacht).<br />

Später benutzte man den Langmuir–Taylor–Detektor: Weil die Ionisierungsarbeit<br />

kleiner ist als die ” Elektroneneintrittsarbeit“, wird das<br />

Alkali–Atom ionisiert.<br />

Stern und Gerlach beobachteten eine Aufspaltung in zwei Teilstrahlen. Damit war die Richtungsquantelung<br />

nachgewiesen, aber die Tatsache von zwei Teilstrahlen war nach unserer bisherigen<br />

Theorie unverständlich. Nach dieser würden wir außer den beiden Teilstrahlen einen weiteren,<br />

nicht abgelenkten Teilstrahl, der der Lage senkrecht zum Magnetfeld entsprechen würde,<br />

erwarten. Aus der Größe der Ablenkung, der bekannten (thermischen) Geschwindigkeit der Ag–<br />

Atome und dem gemessenen Feldgradienten (Kraft auf Bi–Kügelchen) erhielten sie die Größe<br />

von µ z :<br />

µ z = ±µ B (±10%) .<br />

Eine Aufklärung dieser Diskrepanz erfolgte durch G.E. Uhlenbeck und S. Goudsmit (1925)<br />

indem sie einen Eigendrehimpuls = Spin �s des Elektrons einführten. Der Effekt der Aufspaltung<br />

in 2 Teilsstrahlen läßt sich nur dadurch erklären, daß das s–Elektron des Ag–Atoms keinen<br />

Bahndrehimpuls besitzt, d.h. l = 0. Jetzt dürfte es überhaupt keine Aufspaltung geben und<br />

die Tatsache, daß wir zwei Strahlen sehen, muß an einer neuen Quantenzahl liegen, die den<br />

gleichen Regeln gehorchen soll, wie die des Bahndrehimpulses. Nach diesen müssen, daß sich die


118 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

z–Komponenten immer um eine Einheit von � unterscheiden. Daher ist diese neue Quantenzahl<br />

m s halbzahlig. Analog zum Bahndrehimpuls ordnet man dem Eigendrehimpuls den Betrag<br />

|�s | = � s(s +1)� =<br />

� �<br />

1 1<br />

2 2 +1<br />

� �<br />

3<br />

1<br />

� = � (mit s =<br />

4 2 )<br />

als eine neue Quantenzahl, die Spinquantenzahl s zu, wobei s := max � �<br />

sz , sz = ms� und<br />

�<br />

ms = ± 1<br />

2 ist. Mit der Einführung des Eigendrehimpulses lässt sich auch die damals schon<br />

bekannte Tatsache, daß Einelektronenatome im Grundzustand paramagnetisch sind, erklären.<br />

Aus dem Meßergebnis µ z ≈±1 · µ B und der Beziehung µ z = g · ms · µ B mit ms = ± 1<br />

2 müßte<br />

man auf<br />

schließen.<br />

Abb. 6.14: Aufbau des<br />

Einstein–de Haas Versuchs.<br />

g = g s ≈ 2<br />

Jetzt erinnerte man sich an das Ergebnis des Einstein–de Haas–<br />

Effekts (1915): Das Ummagnetisieren eines ferromagnetischen<br />

Stabes, der an einem Torsionsfaden aufgehängt ist, ist mit einer<br />

Drehung verbunden: Magneto–mechanischer Parallelismus.<br />

gyromagnetisches Verhältnis fand man in guter Näherung<br />

γ =<br />

Als<br />

∆µ<br />

∆L ≈−e<br />

m<br />

Mit �µ = −g e<br />

2m � L folgt g =2<br />

Eine weitere Konsequenz dieses Versuchs ist, daß Ferromagnetismus mit dem Spin– (und nicht<br />

mit dem Bahn– !) Moment verbunden ist und daß<br />

e<br />

gs ≈ 2 also �µ s = −gs �s ist. (6.4.1)<br />

2m<br />

Weitere Konsequenzen aus dem Stern–Gerlach Experiment:<br />

1. Silber– und Alkali–Atome besitzen nur Spin–Magnetismus, also keinen Bahnmagnetismus.<br />

Also muß der kleinste Bahnmagnetismus Null sein, damit l min =0 (und nicht k min =1:Sommerfeld).<br />

An dieser Stelle müssen wir nun die Verstellungen Sommerfelds aufgeben, daß<br />

sich Elektronen auf Ellipsenbahnen um den Kern bewegen und zur quantenmechanischen<br />

Interpretation übergehen, wo wir keine Aussagen mehr über die genaue Bewegungsbahn<br />

machen können. Man spricht nur noch von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten (ψψ ∗ ): ” Das<br />

Elektron ist halt da“. Über die Bewegung des Elektrons kann man keine Aussagen machen,<br />

was ja auch der Unschärferelation wiedersprechen würde. Der Paramagnetismus von Ag–<br />

und Alkali–Atomen beruht auf dem Spin.<br />

2. Drehimpulse und magnetische Momente der inneren Elektronen müssen sich kompensieren.<br />

Man mißt nur den Effekt des äußersten (ungepaarten) Elektrons.


6.5. Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin 119<br />

6.5 Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems,<br />

�µ von Bahn und Spin<br />

Wie wir in Kap. 6.3 erwähnt hatten, hat es sich in der Literatur eingebürgert, für den Drehimpuls<br />

eines Elektrons �l statt � L zu schreiben. Damit haben wir folgende Verhältnisse:<br />

Bahndrehimpuls �l des Elektrons:<br />

Spin �s des Elektrons:<br />

| �l | 2 = l(l +1)�2 ; lz = ml� |�µ l | 2 = g2 l l(l +1)µ2B ; µ z = glml µ B<br />

|�s | 2 = s(s +1)� 2 = 3<br />

4 �2 ; s z = m s � = ± 1<br />

2 �<br />

|�µ s | 2 = g 2 s s(s +1)µ2 B =3µ2 B ; µ sz = g s m s µ B = ±µ B<br />

Bahn z.B. l =1 Spin, s = 1<br />

2<br />

| � l| = � l(l +1)� = √ 2� |�s| = � s(s +1)� =<br />

� ml = −l,...,0,...,+l<br />

2l +1Werte<br />

g l =1;l =max(m l )<br />

lz = ml� =(−1, 0, +1)� sz = ms� = ± 1<br />

2� �<br />

|�µ l | = gl l(l +1)µB = √ �<br />

2µ B |�µ s | = gs s(s +1)µB =2·<br />

µ lz = g l m l µ B =(−1, 0, +1)µ B µ sz = g s m s µ B = ±µ B<br />

� ms = ± 1<br />

2<br />

2Werte<br />

g s =2;s = 1<br />

2<br />

�<br />

3<br />

4� =0.87�<br />

Abb. 6.15: Zusammenhang zwischen magnetischem Moment und Bahndrehimpuls<br />

bzw. Spin im Vektordiagramm. Die magnetischen Momente sind gleich.<br />

� 3<br />

4 µ B =1.74µ B<br />

Spin und Bahnbewegung des Elektrons sind voneinander nicht unabhängig: Das umlaufende<br />

Elektron erzeugt ein Magnetfeld � Bl , in dem sich das magnetische Spinmoment �µ s des Elektrons<br />

einstellen kann: Spin–Bahn–Kopplung.<br />

Diese potentielle magnetische Energie bedeutet eine Zusatzenergie im System. Da zwei Einstellmöglichkeiten<br />

für µ gegeben sind bedeutet dies eine Aufspaltung der bisherigen Energi-<br />

sz<br />

eterme und damit der Spektrallinien als Folge des Spins. Dies bezeichnet man als Feinstrukturaufspaltung.<br />

Die Schwierigkeit ist nun das Magnetfeld des Elektrons an seinem eigenen Ort zu berechnen. Man<br />

betrachtet deshalb das Elektron im Ruhesystem, und läßt den Kern ums Elektron herumlaufen.


120 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Mit dem Biot–Savartschen Gesetz ergibt sich das Magnetfeld zu<br />

Abb. 6.16: Zur Berechnung des Magnetfeldes<br />

am Ort des Elektrons.<br />

mit I = Ze 2πr<br />

T ; v = T<br />

� 2πr · I = Zev.<br />

d � Bl = µ 0 Id�s × �r<br />

4π r3 �B l = µ 0 �s 0 × �r<br />

4π r3 I<br />

= µ 0 × �r<br />

Ze�v<br />

4π r3 0<br />

�s o × �r<br />

r 3 Ids<br />

= µ 0<br />

4π<br />

�2π<br />

ds = µ 0 �s 0 × �r<br />

4π r3 2πrI<br />

Die elektrische Feldstärke des atomaren Zentralfelds ist � E = − Ze �r<br />

. Setzen wir dies ein, so<br />

4πε0 r3 folgt:<br />

�B l = −ε0 µ 0 (�v × � E)=− 1<br />

c2 (�v × � E) .<br />

Die Feldstärke läßt sich durch das Potential ausdrücken:<br />

damit<br />

�F = −e � dV (r)<br />

E = − ·<br />

dr<br />

�r<br />

r ,<br />

�B l = − 1<br />

ec 2 r<br />

dV (r)<br />

(�v × �r)<br />

dr<br />

und mit dem Drehimpuls � l = �r × m�v = −m�v × �r schließlich<br />

�B l = 1 1 dV (r)<br />

· ·<br />

emc2 r dr<br />

�l. Die Rücktransformation ist kompliziert: Das Ruhesystem des Elektrons dreht sich bei jedem Umlauf<br />

um seine Achse: Thomaspräzession. Die Transformation muß lorentzinvariant durchgeführt<br />

werden. Diese Transformation ergibt den Faktor 1<br />

2 , den Thomasfaktor. Damit erhalten wir<br />

endgültig:<br />

�B l =<br />

1<br />

2emc2 1 dV (r)<br />

·<br />

r dr<br />

�l . (6.5.1)<br />

Das durch die Relativbewegung von Kern und Elektron erzeugte Magnetfeld B l ist also propotional<br />

und parallel zum Bahndrehimpuls � l des Elektrons. In diesem Magnetfeld der Bahnbewegung<br />

stellt sich nun das magnetische Spinmoment und — damit verbunden — der Spin ein. Die<br />

Wechselwirkungs–Energie zwischen der Bahn– und Spinbewegung ergibt sich mit (6.4.1) zu<br />

V ls = g s<br />

4m 2 c 2<br />

Vls = −�µ s · � �<br />

Bl = −<br />

1<br />

r<br />

−g s<br />

e<br />

2m �s<br />

� � 1<br />

2emc2 1 dV (r)<br />

·<br />

r dr<br />

� �<br />

l<br />

dV (r)<br />

(<br />

dr<br />

�l · �s )=ζ(r)( �l · �s ) mit ζ(r) = gs 4m2c2 1 dV (r)<br />

. (6.5.2)<br />

r dr


6.5. Spin–Bahn–Kopplung des Einelektronensystems, �µ von Bahn und Spin 121<br />

Zwischen Spinmoment �µ s und Bahnfeld � B l wirkt ein Drehmoment, und zwar ein gegenseitiges<br />

Drehmoment:<br />

Es wirkt auf �µ s ∼ �s bei festgehaltenen � B l ∼ � l : Drehmoment � Ts = �µ s × � B l<br />

= ζ(r) · (�s × � l )= d�s<br />

dt<br />

und auf � Bl ∼ �l bei festgehaltenen �µ s ∼ �s : Drehmoment Tl � = � =<br />

Bl × �µ s<br />

−ζ(r) · (�s × �l )= d�l dt .<br />

Also ist die Summe der Drehmomente<br />

d�s<br />

dt + d�l dt = d(�l + �s)<br />

=<br />

dt<br />

� Ts + � Tl =0<br />

=⇒ � l + �s = const. = �j .<br />

Bei der Bewegung unter dem gegenseitigen Drehmoment bleibt eine Größe zeitlich konstant: der<br />

Summen– (Gesamtdrehimpuls–)Vektor �j = �l + �s.<br />

Wie sieht die Bewegung aus? Es ist<br />

�T s = d�s<br />

dt = ζ(r) · (�s × �l )+ζ(r) · (�s × �s ) = ζ(r) · (�s × (<br />

� �� �<br />

=0<br />

�l + �s)) = ζ(r) · (�s × �j),<br />

�T l = d�l dt = ζ(r) · (�l × �s )+ζ(r) · ( �l × �l ) = ζ(r) · (<br />

� �� �<br />

=0<br />

�l × ( �l + �s )) = ζ(r) · ( �l × �j).<br />

Wir erhalten also eine Präzessionsbewegung von �s und � l um �j. Die jeweilige Frequenz erhalten<br />

wir aus den Beziehungen<br />

Frequenz:<br />

� Ts = d�s<br />

dt = �ω ps × �s bzw. � Tl = d� l<br />

dt = �ω pl × � l<br />

ζ(r) · (�s × �j )=�ω × �s ps � �ω = −ζ(r) · �j<br />

ps<br />

ζ(r) · ( �l × �j )=�ω pl × �l � �ω = −ζ(r) · �j.<br />

pl<br />

D.h. durch die Spin–Bahn–Kopplung präzediert � l und �s um �j = � l + �s mit derselben Präzessionsfrequenz<br />

�ω ls = −ζ(r) · �j, d.h. um so schneller, je größer die Kopplungsenergie ist.<br />

ωls �<br />

� l<br />

Abb. 6.17: Spin–Bahn–<br />

Kopplung im Vektordiagramm.<br />

�j<br />

�s<br />

Für die z–Komponenten von �j gilt:<br />

Der Gesamtdrehimpulsvektor �j muß als Drehimpulsvektor folgende<br />

Eigenschaften haben:<br />

Vektor �j ; Betrag |�j | = � j(j +1)�;<br />

neue Quantenzahl j<br />

des Gesamtdrehimpulses<br />

Was kann man über die z–Komponenten sagen? Welche Werte kann<br />

j annehmen?<br />

j z = l z + s z = m l � + m s �,d.h.m j = m l + m s<br />

.


122 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Analog zu Kapitel 6.4 gilt j =max( jz<br />

)=max(mj ).<br />

�<br />

Nun haben wir aber das Problem, daß aufgrund der Präzessionsbewegung die z–Komponenten<br />

von � l und �s nicht beobachtbar sind. Man sagt auch die z–Komponenten von � l und �s sind<br />

verschmiert, d.h. die Kenntnis von m l und m s geht verloren, da sie sich bei der Präzession<br />

zeitlich stets ändern. Um nun m j zu berechnen, bedienen wir uns folgenden Tricks: Wir denken<br />

uns die Spin–Bahn–Kopplung ausgeschaltet. Dann haben wir also keine Präzession mehr und<br />

m l und m s sind gute Quantenzahlen, d. h. sie sind beobachtbar. Wir gewinnen m j nun durch<br />

einfache Addition von m l und m s . Damit ergibt sich für den Fall, daß<br />

l =0,m l =0=⇒ m s<br />

l =1,m l =1, 0, −1 =⇒ m s<br />

l =2,m l =0, ±1, ±2 =⇒ m s<br />

1 = 2 � m 1<br />

j = 2<br />

m s = − 1<br />

2 � m j<br />

= 1<br />

2 � m j<br />

m s = − 1<br />

2 � m j<br />

= 1<br />

2 � m j<br />

m s = − 1<br />

2 � m j<br />

= 3<br />

2<br />

= 1<br />

2<br />

= 5<br />

2<br />

= 3<br />

2<br />

, 3<br />

2<br />

, 1<br />

2<br />

= − 1<br />

2<br />

1 1 , 2 , − 2<br />

1 3 , − 2 , − 2<br />

, 1<br />

2<br />

, − 1<br />

2<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

1 3 , − 2 , − 2<br />

3 5 , − 2 , − 2<br />

� j = 1<br />

2<br />

3 � j = 2 und j = 1<br />

2<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

5 � j = 2 und j = 3<br />

2<br />

Die Quantenzahl j =max(mj ) kann offenbar nur die beiden Werte j = l ± 1<br />

2 , entsprechend der<br />

relativen Orientierung von � l und �s ( ” Parallel“: j = l + 1<br />

2 , ”<br />

mj<br />

5<br />

2<br />

3<br />

2<br />

1<br />

2<br />

− 1<br />

2<br />

− 3<br />

2<br />

− 5<br />

2<br />

mj<br />

Abb. 6.18: Kopplung von � l und �s zu �j;<br />

Orientierungsmöglichkeiten von �j.<br />

�s<br />

z<br />

�j<br />

� l<br />

�s<br />

1<br />

Antiparallel“: j = l − ) annehmen.<br />

Bei ” eingeschalteter“ Spin–Bahn–<br />

Kopplung präzedieren � l und �s um �j.<br />

Bei dieser Präzession geht die Kenntnis<br />

von m l und m s verloren. Gute Quantenzahlen<br />

(also Beobachtungsgrößen, die<br />

zeitlich konstant sind) sind jetzt | � l | 2 , |�s | 2 ,<br />

|�j | 2 und m j . Wegen j z = m j · � wird also<br />

der Öffnungswinkel des Präzessionskegels<br />

durch die Magnetquantenzahl m j bestimmt,<br />

d.h. weiter, daß es auch für j eine<br />

Richtungsquantelung gibt.<br />

Vorweg sei jedoch erwähnt, daß für optische Übergänge die Auswahlregel ∆l = ±1 ,∆j =0, ±1<br />

gilt, wobei der Übergang von j =0zuj = 0 jedoch verboten ist. Diese Auswahlregel steht hier<br />

als aus den Spektren abgeleitetes empirisches Ergebnis und wird erst später einsichtig.<br />

Abb. 6.19: Vektorielle<br />

Addition der Drehimpulse<br />

zum Gesamtdrehimpuls �j.<br />

Jetzt läßt sich die Kopplungsenergie berechnen. Mit Hilfe des Kosinussatzes<br />

gilt<br />

|�j | 2 = | �l | 2 + |�s | 2 +2�l · �s<br />

� �l · �s =<br />

�2 [j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />

2<br />

und daraus ergibt sich mit (6.5.2)<br />

2


6.6. Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift 123<br />

Vls = ζ(r) · �2<br />

[j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />

2<br />

Vls = gs�2 8m2 1 dV (r)<br />

· · [j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)]<br />

c2 r dr<br />

Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie Vls wird damit durch die Quantenzahlen l, s und j, sowie<br />

durch die Meßgröße ζ ausgedrückt, die sogenannte Spin–Bahn–Kopplungskonstante.<br />

Welchen Einfluß hat nun die Spin–Bahn–Kopplung auf unser Termschema? Jedes Niveau mit<br />

gegebenen Quantenzahlen n, l (ausgenommen l = 0), spaltet in zwei Niveaus auf, wobei der<br />

relative Abstand der aufgespaltenen Linien nur von l abhängt (vgl. (6.5.3)).<br />

Abb. 6.20: Aufspaltung der Energieniveaus<br />

Wnl aufgrund der Spin–Bahn–<br />

Kopplung.<br />

Das Einsetzen von j = l ± s = l ± 1<br />

2 ergibt<br />

�<br />

�<br />

Vl+1/2 Vl−1/2 =<br />

=<br />

2<br />

ζ(r) · 2 · l<br />

2<br />

ζ(r) · 2 (−(l +1))<br />

�<br />

∆Wls = ζ(r) · �2<br />

(2l +1).<br />

2<br />

(6.5.3)<br />

∆W ls ist die Energie, die aufgewandt werden muß, um das magnetische Spinmoment �µ s im Feld<br />

der Bahn herumzudrehen.<br />

Für das Wasserstoffspektrum erhalten wir das Termschema Abb. 6.23. Wenn man die Energieverschiebungen<br />

V l+1/2 bzw. V l−1/2 mit ihrer Anzahl möglicher m j –Entartungen bewichtet (d.h.<br />

mit der Zahl 2j + 1multipliziert), und aufsummiert, also<br />

ζ(r) �2<br />

2 l<br />

� �<br />

2 l + 1<br />

� �<br />

+1 + ζ(r)<br />

2<br />

�2<br />

� �<br />

(−(l +1)) 2 l −<br />

2 1<br />

� �<br />

+1 =0<br />

2<br />

bildet, so ergibt sich Null: Der Schwerpunkt der Feinstrukturaufspaltung ist das unaufgespaltene<br />

Niveau.<br />

Fazit:<br />

• Durch Wechselwirkung des Bahndrehimpulses mit dem Spin des Elektrons spaltet jedes<br />

Niveau in zwei Niveaus auf, man erhält Dublett–Niveaus, beim oberen Zustand der<br />

Natrium–D–Linien wird z.B. aus 3P :3P 1/2 und 3P 3/2 .<br />

• Für s–Terme gibt es keine Aufspaltung, weil kein Magnetfeld da ist (l =0),zudemsich<br />

der Spin einstellen könnte.<br />

• Niveaus mit größerer Quantenzahl j liegen energetisch höher.<br />

• Die Aufspaltung ist am größten bei den kleinsten Hauptquantenzahlen n.<br />

6.6 Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des<br />

Wasserstoff–Spektrums, Lamb–Shift<br />

Von den Energiezuständen der wasserstoffähnlichen Atome (Einelektronensysteme) wissen wir<br />

bis jetzt folgendes:<br />

.


124 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Bohr–Sommerfeld Quantenmechanik<br />

Wn = −Z 2 1<br />

2π�cRH n2 Schrödingergleichung mit dem Coulombpotential<br />

Wn identisch<br />

Abb. 6.21: Termaufspaltung unter Nichtberücksichtigung der rel. Masse und der Spin–Bahn–Kopplung, l–<br />

Entartung.<br />

Die Berücksichtigung der relativistischen Masse durch Sommerfeld ergibt die Aufhebung der<br />

l–Entartung (Feinstrukturformel) (vgl. Kapitel 5.5):<br />

W n,k = −Z 2 2π�cR H<br />

= −Z 2 2π�cR H<br />

�<br />

1<br />

n2 + α2Z 2<br />

n4 � ��<br />

n 3<br />

−<br />

k 4<br />

1<br />

n2 − Z42π�cRHα 2<br />

�<br />

1<br />

n3 3<br />

−<br />

k 4n4 �<br />

Der erste Term ist der unverschobene Bohr–Term, der Korrekturterm ist also:<br />

Sommerfeld Quantenmechanik<br />

∆Wrel = −Z 4 2π�cRHα 2<br />

�<br />

1<br />

n3 3<br />

−<br />

k 4n4 � Analog dazu die durch relativistische<br />

Näherung der Schrödingergleichung<br />

gefundene Formel<br />

∆Wrel = − mc2<br />

2 (Zα)4<br />

�<br />

1<br />

n3 3<br />

−<br />

k 4n4 �<br />

mit R H =<br />

e 4 m<br />

(4π) 3 ε 2 0 �3 c<br />

∆Wrel = − mc2<br />

2 (Zα)4<br />

�<br />

1<br />

n3 (l + 1<br />

3<br />

−<br />

2 ) 4n4 �<br />

und α = e2<br />

4πε 0 �c


6.6. Zusammenfassung der Ergebnisse, Feinstruktur des H–Spektrums, Lamb–Shift 125<br />

Abb. 6.22: Termschema unter Nichtberücksichtigung der Spin–Bahn–Kopplung; nicht maßstabsgetreu.<br />

Dies waren die bisher bekannten Ergebnisse, nun wollen wir noch die in Kapitel 6.5 besprochene<br />

Spin–Bahn–Kopplung berücksichtigen.<br />

Coulombpotential<br />

Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie ergibt sich im<br />

V (r) =− Ze2<br />

4πε0r �<br />

dV Ze2<br />

=+<br />

dr 4πε0r2 mit (6.5.2) zu<br />

ζ(r) �2<br />

2 = g s �2 Ze 2<br />

4πε 0 8m 2 c<br />

1<br />

· . 2 r3 In diese Formel geht nun der Bahnradius ein. In der quantenmechanischen Beschreibung<br />

gibt es keine festen Bahnen. Für r müssen wir den entsprechenden quantenmechanischen Erwartungswert<br />

einsetzen, den wir später noch behandeln werden. Wir verwenden ihn hier nur als<br />

Rechengröße und fahren fort.<br />

1<br />

r3 =<br />

n<br />

Z3m3c 6<br />

(4πε0 ) 3� mit a0 = 4πε0�2 mc2 Bohr Quantenmechanik<br />

1<br />

· 6 n<br />

Z3<br />

= 6 a3 0<br />

· 1<br />

n 6<br />

(1. Bohrscher Radius)<br />

ζ(r) �2<br />

2 = gsmc2 (Zα)<br />

8<br />

4 · 1<br />

n6 1<br />

〈r3 Z3<br />

=<br />

〉 a3 0<br />

ζ(r) �2<br />

2 = gsmc2 (Zα)<br />

8<br />

4<br />

1<br />

n3l(l + 1<br />

2 )(l +1)<br />

1<br />

n3l(l + 1<br />

2 )(l +1)<br />

(6.6.1)<br />

In der Quantenmechanik ergeben die beiden Korrekturterme (relativistische<br />

Massenänderung ∆W rel und Spin–Bahn–Kopplung V ls ) zusammen die Feinstruktur<br />

Korrektur ∆W FS =∆W rel + V ls . Man erhält sie durch Lösung der Diracgleichnung, die Spin<br />

und relativitische Effekte enthält.<br />

∆WFS = − mc2<br />

2 (Zα)4<br />

�<br />

1<br />

n3 (l + 1<br />

3<br />

−<br />

2 ) 4n4 �<br />

∆WFS = − 1<br />

2 mc2 4 1<br />

(Zα)<br />

n3 �<br />

1<br />

j + 1 −<br />

2<br />

3<br />

�<br />

4n<br />

+ gsmc2 4 j(j +1)− l(l +1)− s(s +1)<br />

(Zα)<br />

8<br />

n3l(l + 1<br />

2 )(l +1)<br />

mit g s = 2 und j = l ± 1<br />

2 .


126 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Dies ist die Feinstukturformel des Wasserstoffs von Dirac.<br />

Wir sehen als wichtigstes Resultat, daß beim H–Atom in der Feinstrukturformel nur j und nicht<br />

l auftaucht. Terme mit gleichem j besitzen die gleiche Energie: j–Entarung 1 . Im Termschema<br />

kann man nun sehen, daß die Spin–Bahn–Aufspaltung mit wachsendem n und l abnimmt.<br />

rel.<br />

rel.<br />

Abb. 6.23: Termschema des Wasserstoffs; nicht maßstabsgetreu.<br />

∆WFS = − 1<br />

2 mc2 4 1<br />

(Zα)<br />

n3 �<br />

1<br />

= −72.67 · 10 −5 eV · 1<br />

n 3<br />

Die optischen Übergänge im Termschema<br />

ergeben sich unter Berücksichtigung der<br />

Auswahlregeln.<br />

∆l = ±1<br />

∆j = 0, ±1(0 �→ 0)<br />

Optische Übergänge sind also nur erlaubt,<br />

wenn sich dabei der Betrag des<br />

Bahndrehimpuls ändert. Der Betrag des<br />

Gesamtdrehimpules j kann dagegen erhalten<br />

bleiben. Zahlenmäßig beträgt die Verschiebung<br />

j + 1 −<br />

2<br />

3<br />

�<br />

4n<br />

�<br />

1<br />

j + 1 −<br />

2<br />

3<br />

�<br />

4n<br />

s1/2 : n =1; j = 1<br />

2 : ∆W �<br />

FS = −72.67 · 10−5 1 − 3<br />

4<br />

p1/2 : n =2; j = 1<br />

2 : ∆WFS = −72, 67 · 10−5 · 1<br />

�<br />

8<br />

p 3/2 : n =2; j = 3<br />

2 : ∆W FS = −72.67 · 10−5 · 1<br />

8<br />

�<br />

1 − 3<br />

�<br />

�<br />

8<br />

�<br />

1 3<br />

−<br />

2 8<br />

für Z =1<br />

= −1.82 · 10 −4 eV<br />

= −0.87 · 10 −4 eV<br />

= −0.41 · 10 −4 eV<br />

Die relativistische Verschiebung und die Spin–Bahn–Kopplung liegen in gleicher Größenordnung<br />

bei etwa 10 −4 eV (verglichen mit etwa 10 eV). Die experimentelle Beobachtung erfordert<br />

eine hohe spektrale Auflösung (Mikrowellenspektroskopie). Die Größe von B l ergibt sich zu<br />

B l ≈ 1T�=10 4 Gauss. Quantenelektrodynamische Effekte (Wechselwirkung des Elektrons mit<br />

seinem eigenen Strahlungsfeld: z.B. Vakuumpolarisation) wirken bindungslockernd insbesondere<br />

bei Elektronen, die große Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Zentralkraftzentrum (Kern) besitzen,<br />

also den s–Elektronen. Anders ausgedückt: Bei sehr kleinen Abständen der Ladungen treten Abweichungen<br />

vom Coulombpotential auf, die sich aus der Quantisierung des elektromagnetischen<br />

Feldes ergeben.<br />

1 Im eigentlichen Sinne würde man bei dem Begriff ” Entartung“ erwarten: Terme mit verschiedenem j besitzen<br />

die gleiche Energie. In der Literatur jedoch spricht man in diesem Fall denoch von j–Entartung.


6.7. Feinstruktur der Alkali–Spektren 127<br />

Abb. 6.24: Niveauskizze<br />

zur Beobachtung der Lamb–<br />

Shift beim H–Atom; nicht<br />

maßstäblich.<br />

Die ” Verdünnung“ des Coulombfeldes bei sehr kleinen Distanzen<br />

sollte daher eine etwas schwächere Bindung für s–Zustände bewirken,<br />

als für energetisch gleiche p–Zustände. Durch diesen Effekt<br />

wird also die j–Entartung aufgehoben und das s–Niveau ein<br />

wenig nach oben gesetzt. Diese Erscheinung nennt man Lamb–<br />

Shift: Aufhebung der j–Entartung!<br />

Die Aufspaltung (2s 1/2 − 2p 1/2 )beträgt 4.4 · 10 −6 eV �=10 9 Hz =<br />

1GHz und entspricht damit etwa 10% der FS–Aufspaltung. Messung<br />

des Lamb–Shifts durch erzwungene Übergänge von 2s 1/2 →<br />

2p 3/2 =10GHz�= λ = 3 cm durch Lamb und Retherford 1947.<br />

Die zur Kennzeichnung der Energieterme des Wasserstoff–Atoms<br />

nötige Symbolik können wir jetzt erweitern.<br />

Haben wir bisher die Terme mit 1s, 2s, 2p, 3s,... bezeichnet, so schreiben wir jetzt die Gesamtdrehimpulsquantenzahl<br />

j als Index. Schließlich kennzeichnet man die Multiziplität 2s +1(s ist<br />

die Spinquantenzahl) durch eine Zahl links oben am Bahndrehimpuls–Buchstaben. Bei einem<br />

Einelektronensystem sind die Terme Dublett–Terme, weil der Spin des einen Elektrons zwei<br />

Einstellungsmöglichkeiten zum Bahndrehimpuls hat.<br />

Die s–Terme spalten nicht auf. Trotzdem schreibt man bei einem Einelektronensystem auch für<br />

s–Terme die Multiziplität 2.<br />

Man erhält damit fogende Symbole<br />

2 2 s 1/2<br />

für einen Zustand, bei dem das Leuchtelektron die Quantenzahlen n =2,<br />

l =0,j =1/2 hat.<br />

� für einen Zustand, bei dem das Leuchtelektron die Quantenzahlen n =2,<br />

2 2p1/2 2 2p3/2 l =1,j =1/2 bzw.3/2 hat,<br />

oder allgemein die Symbolik n 2s+1lj für ein Einelektronensystem.<br />

6.7 Feinstruktur der Alkali–Spektren<br />

Wir haben bisher nur das Wasserstoff–Atom betrachtet. Beim Übergang vom Einelektronensystem<br />

zum Mehrelektronensystem müssen wir unsere Termsymbolik dahingehend ändern, daß wir<br />

an den Stellen für s, l, j die großen Buchstaben S = �<br />

i s �<br />

i (Gesamtspinquantenzahl), L = i li (Bahndrehimpulsquantenzahl), J = S + L (Gesamtdrehimpulsquantenzahl) schreiben, wobei si ,<br />

li die Quantenzahlen der einzelnen Elektronen sind. Wir erhalten die allgemeine Nomenklatur<br />

der Terme:<br />

Term n 2S+1 L π J<br />

n : Hauptquantenzahl des am höchsten<br />

angeregten Elektrons<br />

L : Termcharakter: S, P , D, ...Term<br />

2S + 1: Multiplizität<br />

J : Gesamtdrehimpuls<br />

.


128 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

Es ist üblich, aber leider verwirrend, daß der Buchstabe S nun gleichzeitig zwei ganz verschiedene<br />

Bedeutungen hat: Einmal steht S für den Bahndrehimpuls L = 0 und einmal für den Gesamtspin<br />

S = �<br />

i si .<br />

Durch den Effekt der Spin–Bahn–Kopplung zeigen auch Alkali–Atome eine Aufspaltung der<br />

Terme.<br />

Feinstruktur durch Spin–Bahn–Kopplung:<br />

Na : 3P → 3 2 P 1/2 und 3 2 P 3/2 : ∆ = 2.13 · 10 −3 eV<br />

K : 4P → 4 2 P 1/2 und 4 2 P 3/2 : ∆ = 8.41 · 10 −3 eV<br />

Cs : 6P → 6 2 P 1/2 und 6 2 P 3/2 : ∆ = 68.7 · 10 −3 eV<br />

Da die S–Terme einfach und die P – und D–Terme doppelt vorhanden sind, erhält man Dublett–<br />

Charakter für die prinzipal– und der sharp–Serie, d.h. man erhält jeweils 2 Linien. Linien der<br />

diffuse– und der fundamental–Serie sind aufgrund der Auswahlregeln ∆l = ±1 ,∆j =0, ±1<br />

dagegen Tripel.<br />

n=4<br />

n=3<br />

n=2<br />

S P D F<br />

1/2<br />

3/2<br />

1/2<br />

5/2<br />

3/2<br />

7/2<br />

5/2<br />

5/2<br />

1/2<br />

3/2<br />

1/2<br />

3/2<br />

1/2<br />

3/2<br />

1/2<br />

Abb. 6.25: Termschema für Alkali–Atome mit Einschluß der<br />

Spin–Bahn–Wechselwirkung; nicht maßstäblich.<br />

Abb. 6.26: Erlaubte und verbotene Übergänge zwischen<br />

P– und D–Zustände des Alkali–Atoms.<br />

6.8 Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten<br />

bei Absorption<br />

Die Linien, die wir mit K α , K β ,...,L α , L β ,... usw. bezeichneten, stellen diejenigen Übergänge<br />

aus den entsprechenden Schalen mit höherer Hauptquantenzahl n dar (vgl. Kapitel 5.7). Die<br />

Emissionslinien, die dadurch entstehen, daß ein Loch in einer inneren Schaale aufgefüllt wird,<br />

bedeuten, daß wir Energie gewinnen, wenn ein Loch geschlossen wird.<br />

Ein besseres experimentelles Auflösungsvermögen zeigt jedoch, daß auch diese Linien eine viel<br />

differenziertere Struktur aufweisen. Der Grund für diese Feinstruktur ist in der Spin–Bahn–<br />

Wechselwirkung zu suchen (vgl. Kapitel 6.5) (Analog zur Feinstruktur optischer Linien). Die<br />

Zunahme der Energie dieser Wechselwirkung ist proportional zu Z 4 .


6.8. Feinstruktur der Röntgenemissionslinien, Röntgenkanten bei Absorption 129<br />

Abb. 6.27: Schema zur Feinstruktur der Röntgenspektren.<br />

Die durch die Quantenzahl n charakterisierten<br />

Schalen (K,L,M,...) werden nun in Unterschalen<br />

unterteilt und mit römischen Zahlen<br />

numeriert. Die Enegieaufspaltung ist jedoch<br />

unterschiedlich und in Abbildung 6.27 nicht<br />

maßstabsgetreu gezeichnet. Sie beruht bei gleichem<br />

l auf der normalen Dublett–Aufspaltung<br />

und sonst auf der unterschiedlichen Abschirmung.<br />

Die Aufspaltung der L–Schale z.B.<br />

beträgt zwischen L II und L <strong>III</strong> :<br />

W (L II ) − W (L <strong>III</strong> ) ∼ (Z − 3.5) 2<br />

Z =20 : Ca : 3.7eV<br />

bei:<br />

Z =40<br />

Z =60<br />

:<br />

:<br />

Zr<br />

Nd<br />

:<br />

:<br />

84eV<br />

412eV<br />

Z = 81: Tl : 2050 eV<br />

Röntgenstrahlung wird beim Durchgang von<br />

Materie wie jede elektromagnetische Strahlung<br />

absorbiert und gestreut.<br />

Röntgenstreuung wurde bereits behandelt: Thomson–Streuformel, Compton–Streuung.<br />

Röntgenabsorption erfolgt ebenfalls nach dem Exponentialgesetz. Man mißt primär den Schwächungskoeffizienten<br />

µ entsprechend der Gleichung<br />

I = I0e −µx µ<br />

−<br />

= I0e ϱ (ϱx) ,<br />

wenn x die durchstrahlte Dicke, I0 die einfallende und I die durchgelassene Intensität ist.<br />

Röntgenabsorption bedeutet — wie bei der Absorption des sichtbaren Lichts — im Bohrschen<br />

Modell, den Übergang eines Elektrons von einer tieferen in eine höhere Schale. Nun sind aber die<br />

höheren Schalen alle besetzt! Also bleiben nur die Übergänge ins Kontinuum oder in die dicht<br />

darunter liegenden optischen“ Niveaus.<br />

”<br />

[cm2 σ<br />

]<br />

10 −19<br />

10 −20<br />

10 −21<br />

10 −22<br />

10 −23<br />

Pb<br />

10 100 1000<br />

E<br />

[keV]<br />

Abb. 6.28: Absorptionskoeffizient für Röntgenstrahlen<br />

im Bereich der L– und K–Kante.<br />

Typisch für Röntgenabsorptionsspektren ist ein starkes<br />

Abnehmen des Absorptionskoeffizienten σ<br />

mit zunehmender Gesamtenergie und das Auftreten von<br />

sogenannten Absorptionskanten.<br />

Sie treten da auf, wo die Quantenenergie des Röntgenquants<br />

gerade zum Absorptionsübergang aus einer neuen<br />

(tieferen) Schale in das Grenzkontinuum ausreicht. Sie<br />

entsprechen den Seriengrenzen der Serien K,L,M,...<br />

und werden entsprechend bezeichnet. Auch die Unterschalen<br />

treten als Kanten in Erscheinung, im Schaubild<br />

als L I –, L II – und L <strong>III</strong> –Kante.<br />

K–Kante: Übergang von der K–Schale ins Kontinuum<br />

L–Kante: Feinstruktur: L I ,L II ,L <strong>III</strong> –Kante.<br />

Als Folge der Röntgenabsorption tritt Röntgenfluoreszenz auf. Wir sprechen genau dann von<br />

Röntgenfluoreszenz, wenn durch Bestrahlung von Atomen, Molekülen oder Festkörpern durch<br />

Röntgenlicht wieder Röntgenlicht emittiert wird. Durch Absorption wird ein Elektron z.B. aus


130 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

der K–Schale ins Kontinuum gehoben, was eine Röntgenkaskade zur Folge hat. Die Wellenlänge<br />

des Röntgenfluoreszenzlichtes ist größer oder höchstens gleich derjenigen des Anregungslichts, da<br />

zur Anregung der Linien einer Serie im Spektrum die Quantenenergie der energiereichsten, d.<br />

h. kurzwelligsten Linie, sprich der Kante gebraucht wird. So wird zum Beispiel zur Anregung<br />

der K α –Linie die Quantenenergie der sogenannten K–Kante benötigt. Dies ist ein wichtiges<br />

Verfahren für die zerstörungsfreien Materialanalyse.<br />

∗ 6.9 Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen:<br />

Mott–Streuung<br />

Auch bei der Streuung von Teilchen mit Spin bzw. mit einem magnetischen Dipolmoment spielt<br />

die Spin–Bahn–Kopplung eine Rolle. Ihre Berücksichtigung führt zu einer Modifizierung der<br />

Rutherfordformel (Streuung von Teilchen ohne Spin an Kernen) zur Mottformel (Streuung von<br />

schnellen Elektronen an Kernen). Schnelle Elektronen (E ∼ 1MeV → GeV) sind relativistische<br />

Teilchen.<br />

Also zunächst die Rutherfordformel für relativistische Teilchen<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

� Z1 · Z 2 · e 2<br />

2(4πε 0 )<br />

�2 �<br />

E<br />

E 2 − E 2 0<br />

Andererseits ist mit p = mv; m = m0 √<br />

1−β2 ; E2 = E2 0 + p2c2 damit<br />

�<br />

E<br />

E 2 − E 2 0<br />

� 2<br />

= m2 0 c4 + p 2 c 2<br />

p 4 c 4<br />

= m2 0 + m2 β 2<br />

p 4<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

�<br />

Z1Z2e2 �2<br />

·<br />

2(4πε0 )E0 1 − β2<br />

β4 1<br />

·<br />

sin4 ϑ<br />

2<br />

E0 = m0c2 ist die Ruheenergie des gestreuten Teilchens.<br />

−→<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

mit E = E 0 + E kin :<br />

� Z1 · Z 2 · e 2<br />

E<br />

E 2 −E 2 0<br />

4(4πε 0 )<br />

�2<br />

·<br />

1<br />

E 2 kin<br />

·<br />

1<br />

4 ϑ sin 2<br />

→ 1<br />

2 E kin für E kin ≪ E 0 .<br />

� 2<br />

·<br />

1<br />

sin 4 ϑ<br />

2<br />

= m2 1<br />

=<br />

p4 m2 1 − β2<br />

=<br />

v4 E2 0β4 Rutherford — relativistisch.<br />

Rutherford — nicht relativistisch.<br />

Bei der Rutherfordstreuung ist die potentielle Energie gleich der Coulombenergie:<br />

V (r) = −Ze2<br />

4πε 0<br />

· 1<br />

r<br />

mit (Z 1 =1;Z 2 = Z).<br />

Ein bewegtes geladenes Teilchen sieht aber in seinem Ruhesystem neben dem Coulomb–Feld<br />

auch ein Magnetfeld (vgl. (6.5.1)) mit<br />

�B l = − 1<br />

c2 (�v × � 1 1 dV (r)<br />

E)= ·<br />

2em0c2 r dr �l.


∗ 6.9. Spin–Bahn–Kopplung bei Streuprozessen: Mott–Streuung 131<br />

In diesem Feld kann sich das magnetische Dipolmoment des gestreuten Teilchens einstellen. Das<br />

verändert die potentielle Energie<br />

Abb. 6.29: Skizze zur Streuung.<br />

V = −�µ s · � Bl = gs 1<br />

·<br />

4m0c2 r<br />

dV (r)<br />

(<br />

dr<br />

�l · �s)<br />

Man nennt diese Teilchenstreuung nach Spinstellung Polarisation<br />

1.Streuer (Polaris.)<br />

2.Streuer (Analysat.)<br />

Abb. 6.30: Versuchsaufbau; schematisch.<br />

2<br />

P =<br />

Je nachdem, ob � l · �s kleiner oder größer als Null<br />

ist, wird das Gesamtpotential vergrößert oder<br />

verkleinert und damit die Ablenkkraft unterschiedlich<br />

verändert (also je nachdem ob � l und<br />

�s parallel oder antiparallel sind). (Im Beispiel:<br />

mit � l · �s >0: Stärkere Kraft, also mehr Teilchen<br />

mit ⇓ nach rechts bzw mit ⇑ nach links. Aber:<br />

nach rechts und links gleich viele Teilchen.)<br />

Z ⇑−Z ⇓<br />

Z ⇑ +Z ⇓<br />

Transversalpolarisation: Ein zweiter Streuer<br />

wirkt als Analysator. Man erhält jetzt einen Intensitätsunterschied<br />

zwischen rechts und links.<br />

Die Berücksichtigung dieser Zusatzkraft führt<br />

zur Mottschen Streuformel:<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

�<br />

Ze2 �2<br />

·<br />

2(4πε0 )E0 1 − β2<br />

β4 �<br />

1<br />

· 4 · 1 − β ϑ sin 2<br />

2 =<br />

�<br />

2 ϑ<br />

sin<br />

2<br />

dσ<br />

� �<br />

�<br />

�<br />

d�<br />

· 1 − β<br />

Ruth<br />

2 �<br />

2 ϑ<br />

sin<br />

2<br />

Für hochrelativistische Teilchen geht β → 1und<br />

1 − β2 E2 �<br />

E<br />

=<br />

0β4 E2 − E2 �2 →<br />

0<br />

1<br />

,<br />

E2 damit ergibt sich:<br />

dσ<br />

dΩ =<br />

� �2 2<br />

2 ϑ<br />

Ze cos 2<br />

2(4πε0 )E 4 ϑ sin<br />

= dσ<br />

�<br />

�<br />

�<br />

dΩ<br />

2 ϑ<br />

· cos<br />

2<br />

(E0 ≪ E, Zα ≪ 1).<br />

Für die Streuung an schweren Kernen gilt<br />

dσ<br />

dΩ<br />

�<br />

dσ �<br />

= �<br />

dΩ<br />

� Ruth<br />

�<br />

ϑ<br />

2 ϑ sin 2<br />

· cos 1+πZα<br />

2<br />

� Ruth<br />

� �<br />

ϑ 1 − sin 2<br />

cos 2 ϑ<br />

2<br />

+ ...(Zα) 2 ...<br />

�<br />

E 0 ≪ E; Zα �≪ 1.


132 Kapitel 6. Atomare magnetische Momente, Richtungsquantelung<br />

∗ 6.10 (gs − 2)–Experiment<br />

Die Dirac–Theorie liefert für den g s Faktor des Elektrons den Wert g s = 2. Die Berücksichtigung<br />

der Wechselwirkung des Elektrons mit seinem eigenen Strahlungsfeld (QED–Effekte) liefert einen<br />

um etwa 1<br />

1000 höheren Wert.<br />

gs =<br />

�<br />

2 1+ α<br />

�<br />

α<br />

�2 �<br />

α<br />

�3 �<br />

α<br />

� �<br />

4<br />

− 0.328478 ... + a6 + O<br />

2π π π π<br />

(gs − 2) Theor. = 0.002319310(6)<br />

Die Präzisionsmessungen von (gs − 2) erfolgten an der University of Michigan durch Crane und<br />

Mitarbeiter. Die Messungen beruhen auf dem Vergleich der Frequenzen:<br />

Zyklotronfrequenz (Umlauffrequenz) mvω = evB � ωc = e<br />

m B<br />

und Larmorfrequenz ω L = ω s = g s µ B B<br />

�<br />

= g s<br />

2<br />

e<br />

m B<br />

Wenn g s =2wäre, wären ω c und ω s identisch und der Spin des Elektrons müßte immer senkrecht<br />

zum Impuls stehen. Wegen der Abweichung des g–Faktors von 2 tritt aber eine zusätzliche Präzession<br />

von �s und �p e auf, die eine empfindliche Messung ermöglicht. Ein gepulster Elektronenstrahl<br />

von 100 ns Länge und 100 kV Energie wird zunächst an einer Goldfolie gestreut.<br />

Zunächst Mott–Streuung � Transversalpolarisation, die durch die Coulombstreuung um 90◦ abgelenkten Elektronen werden durch die Spin–Bahn–Kopplungsenergie senkrecht zur Impulsrichtung<br />

polarisiert. Sie laufen dann in ein Magnetfeld von 0.1T, dessen Feldverlauf so gewählt<br />

ist, daß an beiden Seiten magnetische Spiegel entstehen. Durch geeigneten Spannungsstoß zwischen<br />

Metallzylindern werden sie so verlangsamt, daß sie die Feldregion nicht mehr verlassen<br />

können und zwischen den magnetischen Spiegeln hin und her pendeln. Nach gewisser Zeit T<br />

wird durch erneuten Spannungsstoß der Weg zur zweiten Streufolie, die als Analysator für die<br />

Polarisationsrichtung wirkt, freigeben. Dadurch kann man die Spinstellung von �s relativ zur<br />

Impulsrichtung der Elektronen als Faktor der im Feld verbrachten Zeit T beobachten. Wegen<br />

ωs �= ωl wird Transversalpolarisation → Longitudinalpolarisation → Transversalpolarisation. Die<br />

Mott–Streuung ist nur empfindlich auf eine Transversalpolarisation. Damit Zählrate im Detektor<br />

als Funktion von T → Schwebungsfrequenz.<br />

Ts = 2π<br />

ωs − ωl Ergebnis (1972): (gs − 2) exp =0.00231934(7)<br />

Ein neueres und genaueres Experiment wurde von Dehmelt und Mitarbeitern 1977 durchgeführt<br />

(Nobelpreis 1989). Die Messung ist ein<br />

gs e<br />

ωs − ωc 2mB − m =<br />

ωc B<br />

e<br />

mB = gs 2 − 1=g s − 2<br />

–Experiment.<br />

2<br />

Das Experiment beruht auf der Messung der Energieaufnahme eines einzelnen Elektrons, eingefangen<br />

in einer magnetischen Flasche.<br />

Man erhält<br />

gs 2 = ωs =1.001159625410 (200) (12 Stellen!)<br />

ωc


6.11. Überblick über die Quantenzahlen 133<br />

6.11 Überblick über die Quantenzahlen<br />

Name Mögliche Bedeutung Mathematischer<br />

Werte Zusammenhang<br />

n Hauptquantenzahl 1, 2, 3,... Energie in erster<br />

Näherung<br />

l Nebenquantenzahl 0 ≤ l ≤ n − 1 quantenmechanischer | � l| = � l(l +1)· �<br />

(Bahndrehimpuls- Bahndrehimpuls<br />

quantenzahl)<br />

m l Richtungquantenzahl |m l |≤l Komponente des l z = m l �<br />

quantenmechanischen<br />

Bahndrehimpulses<br />

in z–Richtung<br />

Komponente des µ lz = m l µ B<br />

quantenmechanischen<br />

magnetischen Momentes<br />

in der z–Richtung<br />

m s Spinquantenzahl m s = ± 1<br />

2 quantenmechanischer |�s| =<br />

�<br />

1 1<br />

2 (1+ 2 )<br />

Eigendrehimpuls<br />

Komponente des s z = m s �<br />

Eigendrehimpulses<br />

in z–Richtung<br />

magnetisches Moment µ sz =2m s µ B<br />

in der z–Richtung<br />

Die Quantenzahlen j, m j , die aus der Spin–Bahn–Kopplung resultieren seien hier nicht berücksichtigt.


Kapitel 7<br />

Einführung in die<br />

Quantenmechanik, H–Atom<br />

7.1 Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung,<br />

Elektroneninterferenzen<br />

Eine in der Zeit t in positiver x–Richtung fortschreitende (mechanische) Welle wird beschrieben<br />

durch<br />

�<br />

x = const. = 0 : harmonische Schwingung<br />

ψ = ψ0 sin(kx − ωt)<br />

t = const. =0:räumliche Sinus–Welle<br />

dabei ist k = 2π<br />

λ und ω =2πν = 2π<br />

T .<br />

λ und T ist die räumliche und die zeitliche Periode. In komplexer Schreibweise lautet der Ausdruck<br />

für die ebene Welle<br />

ψ = ψ0ei(kx−ωt) .<br />

Beide Ausdrücke für ψ gehorchen — wie man leicht durch Einsetzen nachvollziehen kann — der<br />

Wellengleichung<br />

∂ 2 ψ(x, t)<br />

∂x 2<br />

= 1<br />

v2 · ∂2ψ(x, t)<br />

∂t2 und v = ω<br />

= λ · ν =¯λ · ω.<br />

k<br />

Wie wir in Kapitel 3 gesehen haben, wird auch das Licht durch elektromagnetische Wellen<br />

ψ =<br />

�<br />

E = E 0 e i(kx−ωt)<br />

B = B 0 e i(kx−ωt)<br />

beschrieben. Charakteristisch für die Welleneigenschaft ist die Interferenz d.h. ψ = c1ψ1 + c2ψ2 z.B. im Doppelspaltexperiment, Fresnelsches Biprisma u.ä. .<br />

Die Energiedichte im elektromagnetischen Feld beträgt<br />

uem = ue + um = εε0 2 E2 + 1<br />

B<br />

2µµ 0<br />

2 = εε0E 2 , da ue = um .<br />

134


7.1. Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen 135<br />

Die Energieflußdichte ist dann<br />

und der Poyntingvektor<br />

S = vu em = vεε 0 E 2 =<br />

�<br />

εε0<br />

E<br />

µµ 0<br />

2<br />

�S = 1<br />

�E ×<br />

µµ 0<br />

� B mit | � S| = S.<br />

In Kapitel 4 haben wir schließlich gesehen, daß das Licht gequantelt ist, wobei die folgenden<br />

Beziehungen gelten<br />

Energie des Photons : W = hν = �ω<br />

Impuls des Elektrons :<br />

p = hν<br />

c<br />

�p = � · � k<br />

Für die Photonen läßt sich eine Teilchenstromdichte angeben<br />

Teilchenstromdichte j = n · c<br />

h = λ = �<br />

¯λ = � · k<br />

n = Teilchendichte<br />

c = Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

Die Energieflußdichte ist somit analog zum obigen: S = j · W = n · c · W . Damit ergibt sich die<br />

Photonendichte im elektromagnetischen Feld im Vakuum zu<br />

n = S<br />

cW = ε 0<br />

�ω E2 ∼ E 2 . Im Vakuum ist n ∼ E 2 .<br />

So finden wir für das Licht je nach Experiment einmal Welleneigenschaften (Interferenzen) und<br />

einmal Quanten–( ” Teilchen“–)eigenschaften (Comptoneffekt)<br />

Dualismus Welle — Teilchen .<br />

Dieser Sachverhalt wurde von Louis De Broglie (1924) auf Teilchen mit Ruhemasse m0 �=0<br />

übertragen. Durch die Zuordnung: paralleler Teilchenstrom �= fortlaufende ebene Welle erhält<br />

man eine Wellenlänge für Teilchen mit m �= 0 analog zu den Photonen. Der Impuls eines Teilchens<br />

der relativistischen Masse m und der Geschwindigkeit v beträgt p = m · v. Aus p = hν h<br />

c = λ<br />

ergibt sich daher die de Broglie–Wellenänge zu :<br />

Damit erhalten wir zwei Beziehungen:<br />

λ = h h �<br />

= ; ¯λ =<br />

p mv p<br />

• Wellenlänge — Impuls: ¯λ = �<br />

p = ��1 − β2 m0v • Frequenz — Energie: ω = E<br />

�<br />

mc2<br />

=<br />

� = m0c2 � � .<br />

1 − β2 .


136 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Mit diesen Bezeichnungen berechnen wir nun die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser sogenannten<br />

de Broglie– oder Materiewellen und werden dabei stets streng zwischen der Phasengeschwindigkeit<br />

v Ph , also der einem Teilchenstrom gegebener Geschwindigkeit zugeschriebene<br />

monochromatischer Materiewelle, und der Gruppengeschwindigkeit v Teilchen (vgl. (7.2.3)) unterscheiden.<br />

v Ph = λ · ν =¯λ · ω = �� 1 − β 2<br />

m 0 v<br />

· m0c2 � � =<br />

1 − β2 c2 >c .<br />

vTeilchen Wegen c ≥ v ist die Phasengeschwindigkeit vPh der de Broglie–Wellen also größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit<br />

cVak . Dies darf uns nicht verwundern, da die Phasengeschwindigkeit<br />

vPh weder die Geschwindigkeit eines Signals noch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Energie<br />

charakterisiert und daher kleiner, aber auch größer als cVak sein kann.<br />

Ein paralleler Teilchenstrom wird also durch eine ebene Welle beschrieben.<br />

bzw. allgemein<br />

ψ = ψ 0 sin(kx − ωt),<br />

bzw. komplex ψ = ψ 0 e i(kx−ωt)<br />

k = 1 p<br />

=<br />

¯λ � .<br />

ψ = ψ0e i(�k·�r−ωt) = ψ0e i (�p·�r−Et) � = ψ(x, y, z, t) .<br />

Was diese Beschreibung bedeutet lassen wir zunächst offen. Auf jeden Fall ist das Kriterium<br />

einer Wellenerscheinung die Interferenzfähigkeit, d.h. die Überlagerung (Superposition) der Amplituden<br />

zu einem Interferenz–, einem Beugungsbild:<br />

ψ = c 1 ψ 1 + c 2 ψ 2 + ... Die Koeffizienten c i sind i. a. komplex.<br />

Die Intensität ist dann durch das Quadrat der Amplituden gegeben: I ∼|ψ| 2 . Jetzt erinnerte<br />

man sich auch der Ergebnisse zweier bisher ” unverstandener“ Experimente:<br />

1. Davisson und Germer (1919): Reflexion langsamer Elektronen an Kristallen: Ergebnis<br />

analog Laue–Interferenzen bzw. Bragg–Beugung. Davisson und Germer beobachteten<br />

Interferenzen, d.h. Maxima und Minima in der Intensität der reflektierten Elektronen,<br />

die eindeutig durch Geschwindigkeit der Elektronen, Kristallorientierung und Beobachtungswinkel<br />

bestimmt waren. Das Auftreten von Interferenzen bedeutete, daß die Bewegung<br />

der Elektronen mit einem Wellenvorgang verknüpft sein mußte. Für die Wellenlänge<br />

ergab sich<br />

λ = h<br />

p =<br />

h<br />

� =<br />

2mEkin<br />

12.3<br />

√ A.<br />

U<br />

mit U =54V,λ =1.67 A, für Nickel 1. Max. bei 50◦ (Deutung 1927). Wellenlänge des<br />

Elektrons in A:<br />

Ekin (eV) 10 100 103 104 105 106 107 108 λ (A) 3.9 1.2 0.39 0.1 2 3.7 · 10−2 8.7 · 10−3 1.2 · 10−3 1.2 · 10−4


7.1. Dualismus Welle–Teilchen, de Broglie–Beziehung, Elektroneninterferenzen 137<br />

2. Ramsauer–Effekt (1921):<br />

Streuung langsamer Elektronen an<br />

Gasatomen. Der Wirkungsquerschnitt<br />

sinkt dabei weit unter den<br />

gaskinetischen Wert und steigt bei<br />

etwas höheren Energien. Deutung:<br />

Ist λ ≈ Atomdurchmesser<br />

=⇒ Beugung, damit Möglichkeit<br />

zur Auslöschung (Minima).<br />

50<br />

Wirkungsquerschnit cm2<br />

cm 3<br />

0<br />

Gaskin. Querschnit<br />

2 4 6<br />

Beschleunigungsspannung √ Volt<br />

Abb. 7.1: Ramsauer Effekt: Wirkungsquerschnitt σ von<br />

Gasatomen bei verschiedenen Geschwindigkeiten schematisch.<br />

Später folgten weitere eindrucksvolle Experimente zum Nachweis des Wellencharakters<br />

eines Elektronenstrahls:<br />

3. Beugung am Fresnelschen Biprisma: Möllenstedt und Düker 1956<br />

4. Fresnel–Beugung an einer Kante: Boersch 1956.<br />

Für Teilchen liegt der gleiche Sachverhalt vor wie für Licht: Fragt man nach dem Teilchencharakter,<br />

findet man Teilchen; sucht man nach der Welleneigenschaft, findet man Wellen. Wie läßt<br />

sich dieser Dualismus verstehen“?<br />

”<br />

Wir erinnern uns der Quantenfluktuationen (vgl. Kapitel∗ 4.5) beim Licht: Im Wellenbild<br />

ergibt sich die Beugungserscheinung elementar; im Quantenbild können wir Photon für Photon<br />

beobachten. Erst die Beobachtung von vielen Photonen, also ihre Summe, ergibt das Beugungsbild.<br />

Das ist der Schlüssel für den Dualismus. Mit Obigem ergibt sich folgende Äquivalenz:<br />

Also gibt<br />

Photonendichte n ∼| � E| 2 ⇐⇒ Teilchendichte n ∼|ψ| 2 = ψ · ψ ∗ .<br />

|ψ(x, y, z, t)| 2 dτ = ψ(x, y, z, t) · ψ ∗ (x, y, z, t) dτ<br />

die Zahl der Teilchen im Volumenelement dτ zur Zeit t an;<br />

oder aber, für ein einzelnes Teilchen gibt<br />

|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz<br />

die Wahrscheinlichkeit an, ein Teilchen zur Zeit t am Ort zwischen<br />

x und x + dx, y und y + dy, z und z + dz zu finden.<br />

Mit anderen Worten: Die Intensität der Beugungsfigur ist proportional zum Amplitudenquadrat<br />

|ψ| 2 . Betrachtet man die Intensität in einem Volumenelement, so ergibt sich Idxdydz=<br />

|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz, I ist natürlich auch proportional zur Häufigkeit, ein Teilchen am Ort<br />

dx dy dz aufzufinden, also muß |ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz als Wahrscheinlichkeit gedeutet werden.<br />

Man nennt deshalb<br />

ψψ ∗ die Wahrscheinlichkeitsdichte für den räumlichen Aufenthalt des Teilchens,<br />

ψ die Wahrscheinlichkeitsamplitude eines Teilchens.


138 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Dies ist die statistische Deutung oder Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Wellenfunktion.<br />

Diese Interpretation hat für die Wellenfunktion selbst wichtige Konsequenzen:<br />

1. Die Normierungsbedingung<br />

�+∞<br />

�<br />

�<br />

+∞ +∞<br />

−∞ −∞ −∞<br />

|ψ(x, y, z, t)| 2 dx dy dz =1, (7.1.1)<br />

d.h. die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im gesamten Raum zu finden ist gleich Eins.<br />

2. Die Eindeutigkeit, Stetigkeit und Endlichkeit von ψ, ∂ψ ∂ψ ∂ψ<br />

∂x , ∂y , ∂z<br />

3. ψ geht hinreichend schnell → 0für x, y, z →∞.<br />

im Raum.<br />

Aus dem Dualismus Welle–Teilchen folgt wie beim Licht (vgl. Kapitel 4.3) die Unschärferelation.<br />

Für die Beugung am Spalt ergibt sich:<br />

Abb. 7.2: Beugung einer ebenen Welle am Spalt.<br />

1. Minimum: sin α = λ h<br />

=<br />

d p · d<br />

d · p sin α = h<br />

∆x · ∆p x = h<br />

Eine Festlegung des Ortes des Teilchens in der x–Richtung auf die Größe d =∆x<br />

bedeutet für dieses eine Teilchen eine Unbestimmtheit in Bezug auf seine Richtung<br />

und damit auf seine Impulskomponente p x in x–Richtung: das einzelne Teilchen<br />

kann irgendwo innerhalb des 0. Beugungsmaximums einschlagen. Die Größe dieser<br />

Unbestimmheit — ∆p x —läßt sich durch den Abstand zwischen den beiden ersten<br />

Beugungsminima abschätzen.<br />

Wenn man jedoch viele Teilchen betrachtet, ergibt sich die Intensitätsverteilung, die<br />

man im Wellenbild erwartet. Den Mittelwert aus den vielen Einzelmessungen nennt<br />

man den Quantenmechanischen Erwartungswert, hier: 〈p x 〉 = 0. Den mittleren<br />

quadatischen Fehler aus den Messungen, die Varianz σ der Verteilung, nennt man<br />

die Unschärfe:<br />

σ 2 := � (p x −〈p x 〉) 2� = 〈p 2 x 〉−〈p x 〉2 ; ∆p x = σ<br />

7.2 Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation<br />

Wir wollen nun diese allgemeinen Betrachtungen konkretisieren:


7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 139<br />

1. Wir betrachten zunächst eine ebene, monochromatische Welle, die nach rechts läuft. Dies<br />

entspricht einem parallelen Teilchenstrom, der sich folgendermaßen darstellen läßt:<br />

Re ψ(x)<br />

x<br />

Abb. 7.4: Darstellung einer ebe-<br />

Abb. 7.3:<br />

nen monochromatischen Welle im k–<br />

Raum. ϕ(k)beschreibt das Spektrum<br />

Darstellung einer ebenen der vorkommenden Wellenzahlen.<br />

monochromatischen Welle im Orts–<br />

Raum.<br />

Monochromatisch heißt:<br />

(a) Nur eine Wellenzahl k = k 0 = 2π<br />

λ0 .<br />

(b) Der Wellenzug ist unendlich lang.<br />

Für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit zur Zeit t =0amOrtx ergibt sich<br />

|ψ(x, t)| 2 = ψ(x) · ψ ∗ (x) =|C| 2 = const.,<br />

ψ(x, t) =C · e i(k0x−ω0t)<br />

d.h. sie ist unabhängig von x.<br />

Wir könnenanjedemOrtxein einzelnes Teilchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit finden.<br />

Dies können wir uns auch so erklären: Da der Wellenzug unendlich ausgedehnt ist, kann<br />

man das Teilchen nicht lokalisieren.<br />

� Ortsunschärfe (Unbestimmtheit ( mittlerer quadratischer Fehler“) bei der Ortsbes-<br />

”<br />

timmung eines Teilchens): ∆x →∞ .<br />

� Da die Wellenzahl diskret ist, ist auch der Impuls p0 diskret (Unbestimmtheit ( mit-<br />

”<br />

tlerer quadratischer Fehler“) bei Impulsmessung eines Teilchens): ∆p → 0 .<br />

Wenden wir die Normierungsbedingung (7.1.1) auf die ebene, monochromatische Welle an,<br />

so divergiert das Integral und ist somit nicht auf Eins normierbar: ψ(x) �→ 0für x →∞<br />

�<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

|ψ(x)| 2 dx = |C| 2 x � � +∞<br />

−∞ .<br />

2. Als Teilchen ist das Elektron lokalisiert, als Welle jedoch nicht. Nun wollen wir versuchen,<br />

das Elektron im Wellenbild zu lokalisieren.<br />

Abb. 7.5: Spektrum der k–<br />

Werte.<br />

Eine Möglichkeit zur Lokalisierung der Teilchen im Raum<br />

ergibt sich, wenn man ein Spektrum der k–Werte vorgibt,<br />

in welchem z.B. die Spektrale Stärke ϕ(k) = const. = A ist.<br />

Wir bilden also eine Wellengruppe, ein Wellenpaket durch<br />

Überlagerung (Superposition) von ebenen Wellen mit den<br />

k–Werten aus dem Bereich k 0 ± ∆k<br />

2 .


140 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

ψ(x, t) =<br />

k0+ ∆k0 � 2<br />

k0− ∆k 0<br />

2<br />

Ae +ikx e −iωt dk =<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

Ae +ikx e −iωt dk . (7.2.1)<br />

Die Funktion ϕ(k) beschreibt das Spektrum der vorkommenden Wellenzahlen und läßt sich<br />

umgekehrt als Fouriertransformierte von ψ(x) schreiben:<br />

ϕ(k) =<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

ψ(x)e −ikx dk .<br />

In Abb. 7.3 haben wir das Spektrum für den Fall eines scharf definierten Impulses. Abb.<br />

7.5 zeigt eine Rechteckverteilung der Wellenzahlen, das wie wir gleich sehen werden (vgl.<br />

Abb. 7.6), einem begrenzten aber oszillierenden Verhalten von ψ(x) entspricht. Nun sind k<br />

und ω nicht unabhängig voneinander. E = p2<br />

2m � �ω = �<br />

sich für die Phasengeschwindigkeit vPh folgende Beziehung:<br />

v Ph = ω<br />

k<br />

�<br />

= k = f(k) =g(λ)<br />

2m<br />

2 2<br />

k<br />

2m =⇒ ω = �<br />

2mk2 . Damit ergibt<br />

Die Abhängigkeit der Phasengeschwindigkeit von der Wellenlänge bezeichnet man als Dispersion.<br />

Materiewellen zeigen bereits im Vakuum Dispersion. Da nach obigem Dispersionsgesetz<br />

ω von k abhängt, setzen wir k = k0 +(k − k0 ) und entwickeln ω an der Stelle k0 nach<br />

ξ := k − k0 , wobei wir nach dem zweiten Glied abbrechen: ω = ω0 + � �<br />

dω<br />

dk ξ. Setzen wir<br />

diese Beziehungen in (7.2.1) ein, so erhalten wir folgendes Integral:<br />

oder ausintegriert<br />

oder für t =0<br />

ψ(x, t) =Ae i(k0x−ω0t)<br />

+ ∆k<br />

� 2<br />

− ∆k<br />

2<br />

e i � x − dω<br />

dk t� ξ dξ mit ξ = k − k0<br />

ψ(x, t) =2A sin � x − dω<br />

dk t� ∆k<br />

2<br />

x − dω<br />

dk t<br />

e i(k0x−ω0t) , (7.2.2)<br />

ψ(x) =2A ∆k<br />

2<br />

sin � ∆k<br />

2 x�<br />

x ∆k<br />

2<br />

e ik0x .


7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 141<br />

Abb. 7.6: Der Realteil von ψ(x, t)als Funktion des<br />

Ortes x. Die rasche Oszillation wird bei festem t<br />

durch cos(k0x − ω0t)beschrieben, die Einhüllende durch<br />

sin ∆kx<br />

2<br />

∆kx .<br />

2<br />

Wir haben nun eine räumlich lokalisierte<br />

Wellenfunktion erhalten, die alle Wellenzahlen<br />

im Bereich k ± ∆k<br />

2 enthält. Wenn<br />

wir diese Welle auf ein Gitter fallen lassen,<br />

sehen wir eine Beugungserscheinung. In<br />

höheren Ordnungen gibt es spektrale Zerlegungen.<br />

Das Wellenpaket bedeutet<br />

” weißes Licht“. Das Wellenpaket hat sein<br />

sin x<br />

Zentrum bei x = 0 (wegen lim<br />

x→0 x =1).<br />

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beträgt<br />

dort |ψ(0, 0)| 2 =4A2∆k2 .<br />

Als Ausdehnung eines Wellenpakets können wir in guter Näherung den Abstand zwischen<br />

den Nullstellen links und rechts des Maximums ansehen. Der Nulldurchgang liegt bei<br />

x ∆k<br />

2π<br />

2 = ±π. So können wir sagen, das Wellenpaket ist im Bereich x = ± ∆k lokalisiert.<br />

Damit beträgt die Ortsunschärfe<br />

∆x = 4π<br />

∆px =<br />

∆k<br />

�∆k<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭ � ∆x · ∆px = � 4π =2h . Heisenbergsche Unschärferelation(1927)<br />

Man sieht also deutlich: ∆x wird kleiner, wenn ∆k größer wird.<br />

Aus (7.2.2) folgt noch eine weitere Konsequenz: Die Dispersion bewirkt, daß die einzelnen<br />

Anteile in der Wellengruppe unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten haben,<br />

d.h. das Wellenpaket zerfließt als Funktion von t. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des<br />

Zentrums (i.a. eines Ortes gleicher Phase, z.B. der Phase � x − dω<br />

dk t� ∆k<br />

x dω<br />

2 =0)ergibtt = dk<br />

dω<br />

dk ≡ v dE<br />

Gr =<br />

dp<br />

= d p2<br />

2m<br />

dp<br />

= p<br />

m = v Teilchen<br />

also: Gruppengeschwindigkeit = Teilchengeschwindigkeit .<br />

, (7.2.3)<br />

3. Als nächstes betrachten wir einen endlichen Wellenzug als Wellengruppe. Dann ist die<br />

Aufenthaltswahrscheinlichkeit in a konstant. Die Wellenfunktion ψ k0 (x) =Ce ik0x sei auf<br />

a normiert:<br />

− a<br />

2<br />

a<br />

Re ψ(x)<br />

Abb. 7.7: Endlicher Wellenzug als Wellengruppe.<br />

a<br />

2<br />

Somit ist<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

|Ce ik0x | 2 dx =1� C = 1<br />

√ a .<br />

ψ k0 (x) = 1<br />

√ a e ik0x<br />

eine auf a normierte Wellenfunktion.


142 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Dies ergibt sich durch eine einfache Rechnung, wenn man berücksichtigt, daß |ψ k0 (x)| 2 =<br />

C 2 ist. Diese Wellenfunktion muß — als Wellenpaket — viele Wellenzahlen enthalten. Dies<br />

wollen wir nun ausrechnen. Dazu multiplizieren wir diese Funktion mit einer anderen auf<br />

a normierten Wellenfunktion mit der Wellenzahl k und integrieren im Ortsraum über den<br />

Bereich a:<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

ψ ∗ k0 (x)ψ 1<br />

k (x) dx =<br />

=<br />

a<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

1<br />

ia(k − k 0 )<br />

e −i(k0x−kx) dx (7.2.4)<br />

�<br />

a i<br />

e 2 (k−k0) a −i<br />

− e 2 (k−k0)�<br />

= sin � a<br />

2 (k − k0 )�<br />

a<br />

2 (k − k = ϕ(k) .<br />

0 )<br />

(7.2.5)<br />

Diese Funktion hat die gleiche Gestalt im k–Raum“ wie vorher das Wellenpaket in Abbil-<br />

”<br />

dung 7.7 im Ortsraum.<br />

k0 − 2π<br />

a<br />

ϕ(k)<br />

k0<br />

k0 + 2π<br />

a<br />

Abb. 7.8: Darstellung des Spektrums.<br />

k<br />

Was haben wir gemacht? Wir haben im Bereich<br />

a einen ” Überlapp“ zwischen ψ k0 (x) und<br />

ψ k (x) mit beliebigem k–Wert gebildet. Wenn<br />

k = k 0 ist, ist der Überlapp komplett. Das Integral<br />

� ψ k0 ψ k dx = ϕ(k), also die Fouriertransformierte<br />

von ψ k0 (x) hat ein einziges Maximum.<br />

Ist k �= k 0 so gibt es einen Bereich, indem der<br />

Überlapp noch nicht verschwindet; und — wenn<br />

|k − k 0 | groß wird — einen Bereich, indem der<br />

Überlapp verschwindet.<br />

Mit diesem Verfahren kann man also herausfinden, welche k–Werte der endliche Wellenzug<br />

enthält: ϕ(k) ist die Funktion für das k–Spektrum. Dies ist anschaulich: Je länger<br />

der Wellenzug (also je größer a ist), um so schmäler ist das Spektrum. Je kürzer Wellenzugist,umsomehrk–Werte<br />

sind möglich, so daß die Wellen im Bereich a einen nicht<br />

verschwindenden Überlapp zeigen. Also gilt<br />

∆x = a<br />

∆p = �∆k = � 4π<br />

�<br />

∆x · ∆p =4π� =2h<br />

a<br />

4. Jetzt sieht man sofort wie die ebene Welle zu normieren ist: Wenn a →∞geht, gibt es nur<br />

einen Überlapp mit der Welle für k = k 0 . Die Spektralfunktion ϕ(k) gehtüber in δ(k −k 0 ),<br />

d.h. sie entartet zu einem unendlich hohen Strich bei k = k 0 : Dirac’sche δ–Funktion.<br />

Die Multiplikation von (7.2.4) mit a<br />

2π ergibt:<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

1<br />

√ 2π e −ik0x ·<br />

Betrachten wir nun den Grenzübergang a →∞:<br />

�+∞<br />

−∞<br />

1 −ik0x 1<br />

√ e √ e<br />

2π 2π ikx dx = lim<br />

a→∞<br />

1<br />

√ e<br />

2π ikx dx = 1 sin<br />

π<br />

� a<br />

2 (k − k0 )�<br />

k − k0 1 sin<br />

π<br />

� a<br />

2 (k − k0 )�<br />

≡ δ(k − k0 )<br />

k − k0


7.2. Wellenpakete, Dispersion, Unschärferelation 143<br />

Die Multiplikation mit a<br />

2π hat die richtige Normierung ergeben: wir wollen erreichen, daß<br />

+∞ �<br />

das Integral ϕ(k) dk =1wird.<br />

−∞<br />

Vorweg wollen wir aber kurz die Eigenschaften der δ–Funktion (jetzt mit x formuliert)<br />

erwähnen.<br />

�b<br />

a<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

δ(x ′ − x) =0 für x ′ �= x<br />

+∞<br />

δ(x ′ − x) = lim<br />

�<br />

a→∞<br />

−∞<br />

1<br />

π<br />

sin aξ<br />

ξ<br />

dξ =1<br />

f(x)δ(x ′ − x) dx = f(x ′ ) für a


144 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Diese Relation besagt, daß man hinreichend lange messen muß, um eine Energie scharf zu<br />

bestimmen; insbesondere unendlich lange, will man sie exakt messen. Es können deshalb<br />

nur stationäre Zustände exakt gemessen werden.<br />

Bei einem Zerfallsvorgang steht aber nur die mittlere Lebensdauer τ des Zustandes zur<br />

Zeitmessung zur Verfügung. Also muß bei einem nichtstabilen Zustand die Energie prinzipiell<br />

unscharf sein. Das Energieniveau hat eine endliche Breite:<br />

∆E · τ ≈ � .<br />

z.B.: H–Atom: τ ≈ 10 −8 s (elektrische Dipolübergänge)<br />

� ∆E = �<br />

τ = 6.6 · 10−16 eVs<br />

10−8 =6.6 · 10<br />

s<br />

−8 eV natürliche Linienbreite .<br />

7.3 Wahrscheinlichkeit für Ort und Impuls eines Teilchens,<br />

quantenmechanischer Erwartungswert<br />

Wir wollen nun die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Impulse im Wellenpaket berechnen. Ein<br />

derartiges Wellenpaket hat nach (7.2.1) die allgemeine Gestalt<br />

ψ(x) =<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

Ae −iωt e +ikx dk =<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

a k e +ikx dk .<br />

Um die Koeffizienten a k mit der Wahrscheinlichkeit in Verbindung zu bringen, müssen wir die<br />

Wellenfunktion e +ikx im unendlich ausgedehnten Raum normieren. Diese Rechnung wollen wir<br />

hier nicht durchführen und geben sofort das Ergebnis an:<br />

ψ(x) =<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

1 pxx<br />

c(px ) √ e<br />

i � dpx .<br />

2π�<br />

Diese Gleichung bedeutet: Wir haben ein Wellenpaket ψ(x) aus ebenen Wellen aufgebaut, die sich<br />

in ihren k x –Werten, d.h. in den Impulsen p x unterscheiden, indem wir diese Wellen aufsummiert<br />

(aufintegriert) haben. Wenn wir das Wellenpaket ψ(x) auf ein Beugungsgitter fallen lassen, wird<br />

das weiße Licht“ des Wellenpakets in seine Spektralanteile, also seine ebenen Wellen<br />

”<br />

i pxx<br />

� e+ √ ,<br />

2π �<br />

zerlegt. c(p x ) gibt also das Gewicht an, mit dem die Welle mit k x ,bzw.p x , im Wellenpaket ψ(x)<br />

enthalten ist. Das bedeutet:<br />

So wie |ψ(x)| 2 dx die Wahrscheinlichkeit angibt, ein Teilchen am<br />

Ort zwischen x und x + dx zu finden,<br />

gibt |c(p x )| 2 dp x die Wahrscheinlichkeit an, im Wellenpaket ein<br />

Teilchen mit dem Impuls zwischen p x und p x +<br />

dp x zu finden.


7.4. Zeitunabhängige Schrödingergleichung 145<br />

In der Tat ist wegen der Normierung von ψ(x) und den ebenen Wellen folgende Beziehung gültig<br />

�<br />

+∞<br />

−∞<br />

|c(p x )| 2 dp x =1, wie es sich für Wahrscheinlichkeiten gehört.<br />

Jetzt können wir also Wahrscheinlichkeiten angeben für das Auffinden eines Teilchens an einem<br />

bestimmten Ort und für einen bestimmten Impuls. Wir können aber nur Wahrscheinlichkeiten<br />

angeben, da wir wegen der Unschärferelation statistisch verteilte Meßwerte ( ” Quantenfluktuationen“)<br />

haben. Dies ist offenbar analog zu einer mit statistischen Fehlern behafteten Messung. Dort<br />

können wir Mittelwerte bilden und den mittleren quadratischer Fehler, die Varianz, angeben. Das<br />

gelingt uns hier auch, weil wir ja die Verteilungsfunktionen, nämlich die Wahrscheinlichkeiten,<br />

kennen.<br />

Abb. 7.9: Diskrete<br />

Verteilung.<br />

x =<br />

�<br />

i<br />

n i x i<br />

�<br />

ni i<br />

→<br />

� n(x)xdx<br />

� n(x)dx<br />

Abb. 7.10: Übergang zur kontinuierlichen Verteilung.<br />

Im Fall der Ortsmessung, bzw. Impulsmessung entspricht der Verteilungsfunktion n(x) das Produkt<br />

ψ(x)ψ(x) ∗ = |ψ(x)| 2 ,bzw.c(p x ) ∗ c(p x )=|c(p x )| 2 . Wir erhalten also ein Rezept zur Bildung<br />

von Mittelwerten:<br />

x =<br />

x 2 =<br />

f(x) =<br />

V (x) =<br />

+∞ �<br />

−∞<br />

+∞<br />

�<br />

−∞<br />

+∞<br />

�<br />

−∞<br />

+∞<br />

�<br />

−∞<br />

ψ ∗ (x)xψ(x) dx ≡〈x〉 p x =<br />

ψ ∗ (x)x 2 ψ(x) dx ≡〈x 2 〉 p 2 x =<br />

ψ ∗ (x)f(x)ψ(x)dx ≡〈f(x)〉 E kin =<br />

ψ ∗ (x)V (x)ψ(x)dx ≡〈V (x)〉<br />

+∞ �<br />

−∞<br />

+∞<br />

�<br />

c ∗ (p x )p x c(p x ) dp x = 〈p x 〉<br />

c ∗ (p x )p 2 x c(p x ) dp x = 〈p2 x 〉<br />

−∞<br />

+∞ �<br />

c<br />

−∞<br />

∗ (px ) p2x<br />

2m c(p x )dp x = 〈E kin 〉<br />

(7.3.1)<br />

Der Nenner wird wegen der Normierungsbedingung jeweils Eins.<br />

Man nennt diese Werte die quantenmechanischen Erwartungswerte.<br />

Wir sind jetzt also in der Lage, bei Kenntnis der Wellenfunktion ψ(x) eine ganze Reihe von<br />

Meßgrößen — als Mittelwerte — zu berechnen: 〈x〉, 〈px 〉, 〈V (x)〉, 〈Ekin 〉 usw. . Da wir auch<br />

〈x2 〉 und 〈p2 x 〉 angeben können, erhalten wir aus σ2 = 〈x2 〉−〈x〉 2 auch die Varianzen σ ( mittlerer<br />

”<br />

quadratischer Fehler“) = Unschärfen ∆x.<br />

7.4 Zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />

Alle quantenmechanischen Informationen stecken in der Wellenfunktion ψ(x, t). Wie sieht diese<br />

Funktion für ein vorgegebenes Problem aus? Wir müssen zu ihrer Bestimmung die Wellengle-


146 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

ichung lösen. Aber diese Wellengleichung muß irgendwie dem Dualismus Welle–Teilchen Rechnung<br />

tragen, d.h. sie muß einerseits aus der Wellengleichung hervorgehen<br />

andererseits die Relationen<br />

∂2ψ(x, t)<br />

∂x2 = 1<br />

v2 ·<br />

Ph<br />

∂2ψ(x, t)<br />

∂t2 E = �ω, p = �k und E = p2<br />

+ V (x) (nicht relativistisch)<br />

2m<br />

enthalten.<br />

Nun spalten wir die Wellenfunktion so auf, daß der ortsabhängige Teil separiert vom zeitabhängigen<br />

Term steht, also<br />

ψ(x, t) =ψ(x) · e −iωt<br />

Dies läßt sich als stehende Welle auffassen. Dann folgt aus der obigen Wellengleichung mit Hilfe<br />

der separierten Wellenfunktion und deren partiellen Ableitungen:<br />

∂ 2 ψ(x, t)<br />

∂t 2 = ψ(x)(−ω 2 )e −iωt<br />

v 2 Ph · ∂2ψ(x, t)<br />

∂x2 = v2 Ph · d2ψ(x) dx2 · e−iωt 0= d2 ψ(x)<br />

dx 2<br />

woraus sich dann mit ω2<br />

v2 =<br />

Ph<br />

ω2<br />

ω2¯λ 2 = k2 = p2<br />

�<br />

d 2 ψ(x)<br />

dx 2<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

ω2<br />

+<br />

v2 · ψ(x) =<br />

Ph<br />

d2ψ(x) dx2 + k2ψ(x) 2 und mit E = p2<br />

2m<br />

2m<br />

+ (E − V (x)) ψ(x) =0<br />

�2 − ω 2 ψ(x) =v 2 d<br />

Ph<br />

2ψ(x) dx2 + V (x)<br />

die eindimensionale zeitunabhängige Schrödingergleichung ergibt.<br />

Wir werden es meist mit dem stationären, d.h. zeitunabhängigen Fall zu tun haben, nämlich<br />

immer dann, wenn wir nach Energiestufen, Dichteverteilungen oder ähnlichem fragen. Nur für<br />

die Behandlung von Übergangswahrscheinlichkeiten wird die zeitabhängige Schrödingergleichung<br />

benötigt, der wir uns erst in Kapitel 8.4 zuwenden werden.<br />

Ist V (x) bekannt, dann läßt sich die Differentialgleichung lösen. Die Schrödingergleichung ist<br />

eine Differentialgleichung 2. Ordnung. Ihre Lösungen müssen also die Bedingungen erfüllen, die<br />

wir uns bereits aus statistischer Interpretation überlegt hatten:<br />

• ψ(x), dψ(x)<br />

dx eindeutig und stetig im Raum.<br />

• ψ(x) geht hinreichend schnell gegen Null für x →∞, was soviel heißt, daß weit außerhalb<br />

die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens Null sein soll, was physikalisch natürlich<br />

sinnvoll ist, da wir es ja mit gebundenen Teilchen (Teilchen im Potentialfeld) zu tun haben.<br />

Diese Eigenschaften haben zusammen mit der Form der Differentialgleichung wichtige allgemeine<br />

Konsequenzen für die Lösungsfunktionen.


7.5. Beispiele 147<br />

Wegen der Randbedingung ψ(x) → 0für x → +∞ (Teilchen, die sich im Unendlichen aufhalten<br />

können nicht untersucht werden) bleiben nur diskrete Lösungen übrig, die dazuhin symmetrisch<br />

zu x = 0, d.h. physikalisch sinnvoll sein müssen. Symmetrisch heißt, es kann entweder<br />

ψ(−x) =ψ(x) oderψ(−x) =−ψ(x) sein. Je nach Vorzeichen sagt man, daß die Wellenfunktionen<br />

positive oder negative Parität haben. Für die Wahrscheinlichkeitsdeutung (|ψ(x)| 2 )spielt<br />

dieses Vorzeichen keine Rolle, es definiert aber den Symmetriecharakter der Wellenfunktion bei<br />

Raumspiegelungen und hat deshalb große Bedeutung in der Quantenmechanik. Formal können<br />

wir dies durch Anwendung eines linearen Operators P beschreiben:<br />

ψ(−x) =Pψ(x) .<br />

Nochmalige Anwendung, d.h. zweimalige Spiegelung muß den ursprünglichen Zustand ergeben,<br />

also<br />

Pψ(−x) =P 2 ψ(x) =1ψ(x) ,<br />

somit also P 2 =1,� P = ±1.<br />

Analog ergibt sich die dreidimensionale Schrödingergleichung zu<br />

mit ∆ψ := ∂2 ψ<br />

∂x 2 + ∂2 ψ<br />

∂y 2 + ∂2 ψ<br />

∂z 2 .<br />

7.5 Beispiele<br />

∆ψ(�r)+ 2m<br />

(E − V (�r)) ψ(�r) =0<br />

�2 7.5.1 Masse m im Kastenpotential mit unendlich hohen Wänden<br />

Abb. 7.11: Rechteckpotential.<br />

V (x) =∞ für x ≤ −a a<br />

; x ≥<br />

2 2<br />

V (x) =0 für −a a<br />

≤ x ≤<br />

2 2<br />

⎧<br />

E kin = m<br />

2 v2 = E; p = √ 2mE<br />

⎪⎨<br />

Klassisch:<br />

⎪⎩<br />

jedes E erlaubt.<br />

�F<br />

−dV (x)<br />

= ��r →∞<br />

dx<br />

bei x = ± a<br />

2<br />

⎧<br />

⎨ d<br />

Quantenmechanisch:<br />

⎩<br />

2ψ(x) dx2 2m<br />

1 √<br />

+ E · ψ =0; k = 2mE<br />

�2 �<br />

Randbedingung: ψ � ± a<br />

�<br />

2 =0<br />

Die Schrödingergleichung ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung, damit ist der Lösungsraum<br />

zweidimensional und die allgemeine Lösung ist gegeben durch die Linearkombination zweier linear<br />

unabhängiger Lösungen:<br />

ψ(x) = Ae ikx + Be −ikx<br />

ψ(x) = A (cos (kx)+i sin (kx)) + B (cos (kx) − i sin (kx)) .


148 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Einsetzen der Randbedingungen:<br />

�<br />

A � cos � 1<br />

2ka� + i sin � 1<br />

2ka�� + B � cos � 1<br />

2ka� − i sin � 1<br />

2ka�� = 0 für x =+ a<br />

A<br />

2<br />

� cos � − 1<br />

2ka� + i sin � − 1<br />

2ka�� + B � cos � − 1<br />

2ka� − i sin � − 1<br />

2ka�� = 0 für x = − a<br />

2<br />

�<br />

(A + B)cos � 1<br />

2 ka� = 0<br />

(A + B)cos � − 1<br />

2 ka� = 0<br />

� ± 1 π<br />

2ka = n 2<br />

�<br />

(A − B) i sin � 1<br />

2ka� = 0 für x =+ a<br />

2<br />

(A − B) i sin � − 1<br />

2ka� = 0 für x = − a<br />

2<br />

1 π<br />

(n =1, 3, 5 ...) � ± 2ka = n 2 (n =0, 2, 4,...)<br />

rechts eingesetzt: A − B = 0<br />

Damit wird die Wellenfunktion:<br />

links eingesetzt: A + B =0<br />

�<br />

ψn (x) = 2Acos (knx) n =1, 3, 5,... a<br />

2 kn = ±nπ<br />

2 .<br />

ψ n (x) = 2Ai sin (k n x) n =0, 2, 4,...<br />

Die Amplitude A ergibt sich aus der Normierung von<br />

von ψ n und anschließender Integration erhalten wir<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

� 4A 2<br />

�<br />

x<br />

2 ± sin 2knx ��+ ���<br />

4kn a<br />

2<br />

− a<br />

=1,<br />

2<br />

wobei n die Werte wie oben annimmt.<br />

Mit sin(ka) =sin(±nπ) =0für alle ganzzahligen n folgt:<br />

Damit ergeben sich die endgültigen Lösungen:<br />

ψ n (x) =<br />

ψ n (x) =<br />

2A 2 a =1� A = 1<br />

√ 2a .<br />

�<br />

2<br />

a cos (kn x) n =1, 3, 5,...<br />

�<br />

2<br />

ai sin (knx) n =2, 4, 6,...<br />

ψ(x)ψ ∗ (x) dx = 1. Durch Einsetzen<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭ k n<br />

= n π<br />

a<br />

n = 0 ist ausgeschlossen, da sonst ψ0 (k0x) ≡ 0.<br />

Zu diesen Wellenfunktionen gehören diskrete Wellenzahlen kn , damit also auch diskrete Impulse<br />

pn = �kn und diskrete Energien En E n = �2 k 2<br />

2m = n2 �2 π 2<br />

2ma 2 .<br />

Charakteristisches Ergebnis: Aus den diskreten k n folgen


7.5. Beispiele 149<br />

1. diskrete Energien E n ,<br />

2. diskrete Wellenlänge λ n ,alsostehende Wellen.<br />

Diese Diskretheit ist Folge der Randbedingungen.<br />

Am folgenden Beispiel können wir die Ergebnisse von Kapitel 7.3 üben<br />

Abb. 7.12: Energiezustände die das<br />

Teilchen aufgrund der Randbedingungen<br />

annehmen kann.<br />

Abb. 7.13: Mögliche Wellenfunktionen<br />

des im Kasten<br />

eingesperrten Teilchens.<br />

1. Örtliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ n (x)| 2 dx :<br />

Die Maxima sind dem Bild zu entnehmen: •<br />

2. Erwartungswert 〈x〉 = 0, da die Maxima symmetrisch zu x =0<br />

Es ergibt sich formal:<br />

oder<br />

�<br />

〈x〉 =<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

ψ ∗ n (x)xψ 2<br />

n (x)dx =<br />

〈x〉 = 2<br />

�<br />

a<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

a<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

x cos 2 (...) dx,<br />

ψ − 4<br />

ψ + 3<br />

ψ − 2<br />

ψ + 1<br />

(x) =<br />

(x) =<br />

(x) =<br />

(x) =<br />

x sin 2 (...)dx =0<br />

� 2<br />

a i sin � 4 π<br />

a x�<br />

� 2<br />

a cos � 3 π<br />

a x�<br />

� 2<br />

a i sin � 2 π<br />

a x�<br />

� 2<br />

a cos � π<br />

a x�<br />

da x eine ungerade Funktion ist, cos 2 und sin 2 gerade Funktionen sind und somit das<br />

Integral gleich Null ist.<br />

3. Ortsunschärfe ∆x : Sie muß stark mit n zunehmen!<br />

(∆x) 2 = 〈x 2 〉−〈x〉 2<br />

=<br />

����<br />

=0<br />

2<br />

a<br />

�<br />

+ a<br />

2<br />

− a<br />

2<br />

x 2 sin 2 (...)dx = a2<br />

�<br />

1 −<br />

12<br />

6<br />

n2π2 �


150 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

4. Impulswahrscheinlichkeit |c(p x )| 2 dp x :Sieläßt sich sofort aus der Lösung ablesen:<br />

ψn (x) = 1 � iknx −iknx √ e ± e<br />

2a<br />

� = 1 √<br />

2<br />

d.h. c(p x )= 1 √ 2 und c(−p x )=± 1 √ 2<br />

eiknx √ +<br />

a<br />

� �� �<br />

auf a<br />

�<br />

± 1 √ 2<br />

� e −iknx<br />

√ a<br />

� �� �<br />

norm. ebene Wellen<br />

� |c(px )| 2 = 1<br />

2 ; |c(−px )|2 = 1<br />

2<br />

d.h. man findet px und −px mit gleicher Wahrscheinlichkeit 1<br />

2 : also ein hin– und herlaufendes<br />

Teilchen.<br />

5. Erwartungswert 〈px 〉 ist offensichtlich gleich Null.<br />

formal:<br />

〈px 〉 = � c ∗ (px ) · px · c(px )= 1 1<br />

√ px √ +<br />

2 2 1<br />

√ (−px )<br />

2 1 √ =0<br />

2<br />

6. Impulsunschärfe ∆p x : Sie muß ebenfalls stark mit n ansteigen, da ja p x ∼ n ist:<br />

(∆pn ) 2 = 〈p 2 n 〉−〈pn 〉2 =<br />

� �� �<br />

=0<br />

1<br />

√ p<br />

2 2 1<br />

n √ +<br />

2 1 √ (−pn )<br />

2 2 1<br />

√2 = p 2 n = �2 2 π2<br />

n<br />

a2 7. Unschärferelation:<br />

� 2 a<br />

∆x · ∆px =<br />

12<br />

�<br />

1 − 6<br />

n2π2 �<br />

� 2 n<br />

2 π2<br />

a 2<br />

� 1<br />

2<br />

= �<br />

�<br />

n2π2 �<br />

− 2 ≈<br />

2 3 2<br />

∆x · ∆px > �<br />

(n >1)<br />

2<br />

8. Parität der Wellenfunktion: Sie folgt aus der Symmetrie.<br />

7.5.2 Der harmonische Oszillator<br />

E<br />

V (x)<br />

Abb. 7.14: Potentielle Energie des<br />

harmonischen Oszillators.<br />

x<br />

Klassisch:<br />

Quantenmechanisch: Die Schrödingergleichung lautet<br />

d 2 ψ(x)<br />

dx 2<br />

2m<br />

+<br />

� 2<br />

m¨x = −Dx x = A cos(ωt)<br />

0 = ¨x + ω2x ω =<br />

E kin = m<br />

2 ˙x2 = p2<br />

2m<br />

�<br />

E − 1<br />

2 Dx2<br />

� D<br />

m<br />

; V (x) = 1<br />

2 Dx2<br />

E = E kin + V (x) = 1<br />

2 DA2<br />

�<br />

ψ(x) = 0<br />

d 2 ψ(x)<br />

dx 2 + � λ − α 2 x 2� ψ(x) = 0<br />

(n =1)


7.5. Beispiele 151<br />

mit den Abkürzungen λ = 2mE<br />

�<br />

2 und α2 = mD<br />

�<br />

2 = m2ω 2<br />

�<br />

2 .<br />

Die Lösungen dieser Gleichung erfordern bereits einen enormen mathematischen Aufwand, so<br />

daß wir uns im wesentlichen nur auf die Angabe der Lösungen beschränken: Für α2x2 ≫ λ<br />

αx2 − erhalten wir die asymptotische Lösung ψasympt (x) =C · e 2 , eine Gaußfunktion. Für λ = α<br />

ist dies sogar die exakte Lösung.<br />

Machen wir nun einen Potenzreihenansatz<br />

wobei ψ endlich und<br />

αx2 � −<br />

ψ(x) =C · e 2 a0 + a1x + a2x 2 + ...+ anx n� ,<br />

+∞ �<br />

−∞<br />

|ψ(x)| 2 dx = 1d.h. ψ(x) quadratintegrabel sein soll.<br />

Die Lösungen der obigen Differentialgleichung sind die Hermiteschen Polynome. Die Reihe muß<br />

endlich sein, damit die asymptotische Lösung erfüllt ist. Die Konstante C bestimmt sich aus der<br />

Normierungsbedingung. Die Hermiteschen Polynome haben folgende Eigenschaft:<br />

λn = α(2n − 1)= mω<br />

(2n −1 ) mit n =0, 1, 2, 3,...<br />

�<br />

Für jedes n gibt es also genau eine Lösung. Aus λ = 2mE folgt für die Energiewerte:<br />

En =(n + 1<br />

)�ω n =0, 1, 2,...<br />

2<br />

Also wiederum ist die Energie gequantelt. Zum Planckschen Ergebnis kommt noch — für n =0<br />

—dieNullpunktsenergie E0 = 1<br />

2�ω dazu. Alle höheren Anregungsenergien liegen äquidistant<br />

mit dem Abstand �. Die ersten drei vollständigen Lösungen lauten:<br />

Abb. 7.15: Energie des harmonischen<br />

Oszillators. E0 bezeichnet<br />

die Nullpunktsenergie, die<br />

nicht Null ist.<br />

ψ + 2<br />

ψ − 1<br />

ψ + 0<br />

� 2<br />

(x) =<br />

� 3 4α<br />

(x) =<br />

π<br />

(x) =<br />

�<br />

α<br />

� 1<br />

4<br />

(1 − 2αx<br />

4π<br />

2 αx2 −<br />

)e 2<br />

�<br />

α<br />

� 1<br />

4 αx2 −<br />

e 2<br />

π<br />

x<br />

� 1<br />

4<br />

αx2 −<br />

xe 2<br />

Abb. 7.16: Jeweiliger Verlauf der Wellenfunktion zur entsprechenden Energie. +<br />

und − geben die Parität an.<br />

Für den Grundzustand ergibt sich die Unschärferelation zu<br />

∆x · ∆p = �<br />

2 .


152 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Die Nullpunktsenergie ist eine Folge der Unschärferelation. Sie wird (ohne sonstige quantenmechanische<br />

Rechnung) davon erzwungen. Die Gesamtenergie sieht klassisch betrachtet wie<br />

folgt aus:<br />

E = p2 1<br />

+<br />

2m 2 mω2x 2 .<br />

�<br />

Wenn sowohl x als auch p gegen Null gehen, wird sie zu einem Minimum. Da nach ∆x·∆p = 2 der<br />

exakte Ort x einen unendlich hohen Impuls zur Folge haben müßte, lassen wir eine Ortsunschärfe<br />

�<br />

∆x = x (Schwingungsamplitude) zu und haben damit eine Impulsunschärfe ∆p = p = 2x<br />

verknüpft. Die Energie E soll jetzt durch geeignete Wahl von x0 zu einem Minimum werden.<br />

Abb. 7.17: Gesamtenergie E als Summe von Epot und<br />

Ekin.<br />

7.5.3 Das Wasserstoff–Atom<br />

� 2<br />

E =<br />

1<br />

+<br />

8mx2 2 mω2x 2 → Min<br />

�<br />

dE �<br />

dx x=x0<br />

= − 1 �<br />

4<br />

2<br />

mx3 + mω<br />

0<br />

2 x<br />

x0 =0<br />

2 0 =<br />

1 �<br />

2 mω<br />

Emin =<br />

�2 � 8m 2mω<br />

+ 1 �<br />

mω2<br />

4 mω<br />

also ergibt sich<br />

E min = �ω<br />

4<br />

+ �ω<br />

4<br />

1<br />

= �ω .<br />

2<br />

Im Bohrschen Bild des kreisenden Elektrons folgt die Bohrsche Quantisierungsbedingung sofort<br />

aus der Vorstellung einer stehenden Welle, deren Wellenlänge man mit der De–Broglie–Beziehung<br />

ausrechnet. Die Bahn ist demzufolge nur dann stabil, wenn sich stehende Wellen darauf ausbilden<br />

können,<br />

2πr = n · λ � r = n · ¯λ = n �<br />

p ,<br />

woraus die Bohrsche Forderung nach einem gequantelten Drehimpuls wiederum folgt:<br />

p · r = L = n · � .<br />

Als nächstes soll das Verfahren, das zur Berechnung der Nullpunktsenergie des harmonischen Oszillators<br />

geführt hat, auf das H–Atom angewendet werden. Lassen wir also eine Impulsunschärfe<br />

∆p = p = �<br />

r zu,ergibtsich


7.5. Beispiele 153<br />

Abb. 7.18: Potentialverlauf von Ueff .<br />

die Gesamtenergie E = − e2 p2<br />

+<br />

4πε0r 2m<br />

zu E = − e2<br />

4πε0r �<br />

dE �<br />

�<br />

dr<br />

� r=0<br />

�2<br />

+ → Min<br />

2mr2 = e2<br />

4πε0r2 −<br />

0<br />

�2<br />

mr3 0<br />

=0<br />

� a0 = 4πε0 · �2<br />

me2 1. Bohrscher Radius,<br />

d.h. im Grundzustand des H–Atoms sitzt das Elektron<br />

im Minimum der Gesamtenergie, die sich aus der<br />

potentiellen Energie (Anziehung) und der kinetischen<br />

Energie (Abstoßung) aufgrund der Unschärferelation<br />

ergibt.<br />

Als nächstes soll die Lösung der Schrödingergleichung angegeben werden. Was ist nun neu?<br />

Abb. 7.19: Schaubilld zum<br />

Zweikörperproblem.<br />

Bisher : Eindimensionales Problem → jetzt Dreidimensional<br />

Bisher : Einteilchenproblem → jetzt Zweiteilchenproblem<br />

Durch eine Koordinatentransformation versuchen wir die<br />

Zweiteilchen–Schrödingergleichung in zwei ” Einteilchen“–<br />

Gleichungen zu separieren:<br />

Wir können die Bewegung aufteilen in eine Schwerpunktsbewegung<br />

der Masse M = m 1 + m 2 und in eine Relativbewegung<br />

der beiden Massen zueinander, die abhängig vom dortigen<br />

Potential ist.<br />

Im Folgenden wollen wir uns nur für die Relativbewegung interessieren, so daß wir unser Koordinatensystem<br />

in den Schwerpunkt legen. Damit läßt sich die Schrödingergleichung für die<br />

Relativbewegung der beiden Massen unter Verwendung der reduzierten Masse µ schreiben als<br />

∆ψ(�r)+ 2µ<br />

�2 (E − V (�r))ψ(�r) =0 mitµ = m1 · m2 .<br />

m1 + m2 Um diese Gleichung lösen zu können, müssen wir den Laplace–Operator ∆ auf sphärische Polarkoordinaten<br />

umschreiben:<br />

∆= ∂2 ∂2 ∂2<br />

+ +<br />

∂x2 ∂y2 ∂z2 1<br />

⇒ ∆=<br />

r2 � �<br />

∂ 2 ∂<br />

r +<br />

∂r ∂r<br />

1<br />

r2 � �<br />

1 ∂<br />

sin ϑ<br />

sin ϑ ∂ϑ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2<br />

∂ϕ2 �<br />

.<br />

mit x = r sin ϑ · cos ϕ<br />

y = r sin ϑ · sin ϕ<br />

z = r cos ϑ


154 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Abb. 7.20: Zur<br />

geometrischen Veranschaulichung der<br />

spährischen Polorkoordinaten.<br />

Für ein kugelsymmetrisches Potential V = V (r)(d.h. unabhängig<br />

von ϑ, ϕ), lässt sich folgender Separationsansatz<br />

durchführen:<br />

ψ(�r) =R(r) · Y (ϑ, ϕ) = u(r)<br />

r · Y (ϑ, ϕ) .<br />

Damit und mit dem neuen Ausdruck für den Laplace–Operator ergibt sich die Schrödingergleichung<br />

zu<br />

1 d<br />

r<br />

2u(r) Y (ϑ, ϕ)+u(r)<br />

dr2 r3 � �<br />

�<br />

1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />

sin ϑ +<br />

sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2Y (ϑ, ϕ)<br />

∂ϕ2 �<br />

+ 2µ<br />

u(r)<br />

(E − V (r)) · Y (ϑ, ϕ) =0,<br />

�2 r<br />

oder<br />

r2 � 2 d u(r)<br />

u(r) dr2 �<br />

2µ<br />

+ (E − V (r)) u(r) =<br />

�2 1<br />

−<br />

Y (ϑ, ϕ) ·<br />

� �<br />

�<br />

1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />

sin ϑ +<br />

sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2Y (ϑ, ϕ)<br />

∂ϕ2 �<br />

.<br />

Die linke Seite hängt nur von r, die Rechte nur von ϑ, ϕ ab, also müssen beide Seiten gleich<br />

einer Konstanten λ sein, die man Separationskonstante nennt. Wir erhalten zwei Gleichungen,<br />

die sich schreiben lassen als<br />

d2u(r) dr2 2µ<br />

+<br />

�2 �<br />

E − V (r) − �2<br />

�<br />

λ u(r) =0 , (7.5.1)<br />

2µr2 �<br />

�<br />

1 ∂ ∂Y (ϑ, ϕ)<br />

sin ϑ +<br />

sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2Y (ϑ, ϕ)<br />

∂ϕ2 + λY (ϑ, ϕ) =0 . (7.5.2)<br />

Somit haben wir die Schrödingergleichung separiert in eine<br />

• Radialgleichung, dieähnlich aufgebaut ist wie die eindimensionale Gesamtgleichung, nur<br />

daß ein weiterer Potentialterm auftritt,<br />

• und in eine Winkelgleichung, die potentialunabhängig ist, d.h. die für alle Zentralpotentiale<br />

V = V (r) in dieser Form auftritt.<br />

1. Zunächst geben wir die Lösung der Winkelgleichung (7.5.2) an: Y (ϑ, ϕ) ist eine doppelt<br />

periodische Funktion, d.h. sie soll für jedes Wertepaar ϑ, ϕ, das den gleichen Punkt der<br />

Kugeloberfläche beschreibt, den gleichen Wert haben.<br />

Y (ϑ, ϕ) =Y (ϑ + n · 2π, ϕ) =Y (ϑ, ϕ + n · 2π) .


7.5. Beispiele 155<br />

Dann läßt sich zeigen, daß mit dieser Forderung (7.5.2) nur erfüllbar ist mit<br />

λ = l(l +1) l ganzzahlig 0,1,2,. . .<br />

Um das besser einsehen zu können, machen wir für Y (ϑ, ϕ) einen weiteren Separationsansatz<br />

Y (ϑ, ϕ) =Θ(ϑ) · Φ(ϕ) .<br />

Setzen wir diesen Separationsansatz in (7.5.2) ein, so erhalten wir mit m 2 als weiterer<br />

Separationskonstanten:<br />

d 2 Φ(ϕ)<br />

dϕ 2 + m2 Φ(ϕ) =0 Azimutalgleichung , (7.5.3-a)<br />

sin ϑ d<br />

�<br />

sin ϑ<br />

dϑ<br />

dΘ(ϑ)<br />

�<br />

+(λsin dϑ<br />

2 ϑ − m 2 )Θ(ϑ) =0 Polargleichung . (7.5.3-b)<br />

Die Polargleichung geht mit der Substitution χ =cosϑ und für m =0über in die Legendresche<br />

Differentialgleichung. Ihre Lösungen sind die Legendreschen Polynome<br />

m =0 Θ0 l (ϑ) =a0 l Pl (cos ϑ) mit λ = l(l +1) l =0, 1, 2,...<br />

Die ersten vier Polynome lauten<br />

P0 (cos ϑ) =1 P2 (cos ϑ) = 1<br />

2 (3 cos2 ϑ − 1)<br />

P1 (cos ϑ) =cosϑ P3 (cos ϑ) = 1<br />

2 (5 cos3 ϑ − 3cosϑ)<br />

Für m�= 0 ergeben sich die zugeordneten Legendreschen Polynome<br />

m �= 0 Θ m l (ϑ) =am l<br />

m Pl (cos ϑ) mit −l ≤ m ≤ +l<br />

Sie hängen mit den Legendreschen Polynomen P l (cos ϑ) über die Beziehung<br />

Die Koeffizienten a m l<br />

P m<br />

1<br />

l (cos ϑ) =(−1)m<br />

2ll! (1 − cos2 ϑ) m<br />

2<br />

d l+m (cos 2 ϑ − 1)<br />

(d cos ϑ) l+m<br />

ergeben sich aus der Normierungsbedingung<br />

� π<br />

0<br />

Θ m∗<br />

l ′ (ϑ) · Θm l (ϑ)dϑ = δ ll ′<br />

zu a m l =<br />

�<br />

2l +1<br />

2<br />

(l −|m|)!<br />

(l + |m|)!<br />

Die Azimutalgleichung ergibt als Lösung die ” ebene Welle“<br />

Φ m (ϕ) = 1<br />

√ 2π e imϕ .<br />

zusammen.


156 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

mit dem Normierungsfaktor 1<br />

√2π aufgrund der Bedingung<br />

Damit lautet die Lösung der Winkelgleichung<br />

Y m<br />

l (ϑ, ϕ) =<br />

� � 1<br />

2<br />

(2l +1)(l−|m|)! 4π(l + |m|)!<br />

�<br />

2π<br />

0<br />

Φ ∗ m ′ · Φ m dϕ = δ mm ′.<br />

P m<br />

l (cos ϑ)eimϕ .<br />

Man nennt diese Lösungsfunktion die Kugelflächenfunktion. Für den Sonderfall m =0<br />

ergibt sich<br />

�<br />

2l +1<br />

Y 0<br />

l (ϑ, ϕ) =<br />

4π<br />

0<br />

Pl (cos ϑ) .<br />

Die Kugelflächenfunktionen Y m<br />

l (ϑ, ϕ) sind orthonormiert:<br />

π�<br />

0<br />

2π �<br />

0<br />

�<br />

Y m′<br />

l ′<br />

�∗ (ϑ, ϕ)<br />

Y m<br />

l (ϑ, ϕ)sinϑdϑdϕ= δ ll ′δ mm ′<br />

� 1 l = l ′ ,m= m ′<br />

0 l �= l ′ ,m�= m ′ .<br />

Noch eine wichtige Eigenschaft der Kugelfunktion sei hier angemerkt. Wenn man den zu<br />

einem Punkt der Kugeloberfläche zeigenden Radiusvektor �r am Nullpunkt spiegelt, so daß<br />

er in −�r übergeht, dann geht ϑ in π − ϑ und ϕ in π − ϕ über. Die Paritätstransformation<br />

(ϑ, ϕ) ergibt:<br />

(Spiegelung am Ursprung) angewandt auf Y m<br />

l<br />

oder<br />

Y m<br />

l (π − ϑ, ϕ + π) =(−1)lY m<br />

l (ϑ, ϕ) (7.5.4)<br />

Zustände mit geradem l : positive Parität : P =+1<br />

Zustände mit ungeradem l : negative Parität : P = −1<br />

Die Funktionen Y m<br />

l bilden also eine zweiparametrige Schar von Lösungen, entsprechend<br />

den Quantenzahlen l und m auf deren Bedeutung wir später noch zu sprechen kommen<br />

werden.<br />

Bei den Y m<br />

l (ϑ, ϕ) handelt es sich um den Teil der Wellenfunktion, der von den Winkelko-<br />

ordinaten abhängt. Damit beschreibt |Y m<br />

l (ϑ, ϕ)|2 die Winkelabhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

des Elektrons im H–Atom (Zentralfeld). Die Quadrate hängen nicht mehr<br />

vom Azimutwinkel ϕ ab.<br />

|Y m<br />

l (ϑ, ϕ))|2 = 1<br />

2π |Θm l (ϑ)|2<br />

Ein volles dreidimensionales Bild der Funktionen, die die Winkelabhängigkeit der<br />

Wahrscheinlichkeitsdichte beschreiben, erhält man, wenn man sich die Figuren um die<br />

z–Achse rotiert denkt. Dieses Bild gilt für jedes Zenttralpotential, da beim Lösungsansatz<br />

vorausgesetzt wurde, daß V unabhängig von ϑ und ϕ ist.


7.5. Beispiele 157<br />

Abb. 7.21: Quadrate der Winkelfunktion als Polardiagramm.<br />

2. Jetzt betrachten wir die Lösung der Radialgleichung (7.5.1).<br />

Mit der Separationskonstanten λ = l(l+1), deren Wert aus der Lösung der Winkelgleichung<br />

folgte, ergibt sich<br />

d 2 u(r)<br />

dr 2<br />

2µ<br />

+<br />

�2 �<br />

E − V (r) −<br />

l(l +1)�2<br />

2µr2 �<br />

u(r) =0 (7.5.5)<br />

d2u(r) dr2 2µ<br />

+<br />

�2 � l<br />

E − Veff (r) � u(r) =0<br />

Dies ist die eindimensionale Schrödingergleichung mit dem effektiven Potential<br />

V l<br />

l(l +1)�2<br />

eff (r) =V (r) −<br />

2µr2 = V (r) − Vl (r).<br />

Die Bedeutung des Zusatzpotentials Vl können wir aus einer klassischen Analogie erschließen.<br />

Ein Teilchen der Masse µ, das auf einer Kreisbahn rotiert, hat das Zentrifugalpotential<br />

Abb. 7.22: Zustandekommen des effektiven<br />

Potentials.<br />

Vrot (r) = L2<br />

2J = J 2ω2 µ<br />

=<br />

2J 2 r2ω 2<br />

worin J = µr 2 das Trägheitsmoment und � L = J�ω der<br />

Drehimpuls ist. Das legt nahe, V l als Zentrifugalpotential<br />

aufzufassen mit dem Drehimpuls � L 2 = l(l +1)� 2 .<br />

Für Veff (r) =− 1e2<br />

4πε0 · r<br />

�<br />

dV (r) �<br />

folgt mit �<br />

dr<br />

� r=rl<br />

+ l(l +1)�2<br />

2µr 2<br />

=0<br />

r l = l(l +1) 4πε 0 �2<br />

1e 2 µ = l(l +1)a 0<br />

mit a 0 = als den 1. Bohrschen Radius.


158 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Zur Erinnerung :<br />

⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

Bohrsches Ergebnis : r n = n 2 · a 0<br />

Sommerfelds Ergebnis :<br />

� an = n 2 · a 0<br />

b nk = n · k · a 0 = n(l +1)a 0<br />

Um nun die Radialgleichung (7.5.5) zu lösen, müssen wir das Coulombpotenial für das<br />

Wasserstoff–Atom V (r) =− e2<br />

4πε0·r einsetzen. Für r →∞erhalten wir die asymptotische<br />

Lösung<br />

u(r) asympt. = c 1 u κr + c 2 u −κr mit 2µ<br />

�<br />

2 E = −κ 2 (E0 ganzzahlig<br />

” Radialquantenzahl“<br />

und<br />

wobei für jedes n die Werte l beschränkt sind auf<br />

l =0,...,n− 1<br />

κ = κn = µe2 1<br />

·<br />

4πε0�2 n<br />

E = En = − �2<br />

2µ κ2 µe<br />

= −<br />

4<br />

2(4πε0 ) 2 1<br />

·<br />

�2 n2 Dies sind aber wieder diskrete Energiewerte, die mit dem Bohrschen Ergebnis übereinstimmen.<br />

Die Radialfunktionen haben dann die Form<br />

Rn,l (r) ∼ r l · e −κr · L 2l+1<br />

n+l (κr) = rl r − na e 0 · L 2l+1<br />

n+l<br />

Bedeutung der Radialquantenzahl:<br />

� �<br />

r<br />

.<br />

na0 n r = n − l ist die Zahl der Knoten (Nulldurchgänge) der Radialfunktion R n,l (r)<br />

einschließlich dem bei r →∞, und ausschließlich dem bei r =0.


7.5. Beispiele 159<br />

Die Wellenfunktion des Wasserstoffproblems lautet damit<br />

ψn,l,m (r, ϑ, ϕ) =Rn,l (r) · Y m<br />

l (ϑ, ϕ) . (7.5.6)<br />

Die Indizes n, l und m sollen noch einmal verdeutlichen, daß ψ von den Quantenzahlen n, l und m<br />

abhängig ist. Man nennt l die Bahndrehimpulsquantenzahl und m die magnetische Quantenzahl.<br />

Die Energien betragen<br />

E n =<br />

−µe4 2(4πε0 ) 2 1<br />

·<br />

�2 n2 mit<br />

n =1, 2, 3,...<br />

l =0, 1, 2,...,n− 1<br />

� �� �<br />

n–Werte<br />

m = −l,...,0,...,+l<br />

� �� �<br />

2l +1Werte<br />

(7.5.7)<br />

Die Energien hängen also nur von der Hauptquantenzahl n ab. Da zu jedem Wert von n die<br />

beiden Quantenzahlen l und m den durch (7.5.7) definierten Bereich durchlaufen können, gibt<br />

es zu jedem Wert von n genau �n−1 l=0 (2l +1)=n2 Kombinationen der anderen Quantenzahlen,<br />

die zur gleichen Energie führen: Entartung. Es existieren also für ein n jeweils n2 verschiedene<br />

Wellenfunktionen. Diese Entartung entsteht durch das 1<br />

r –Potential. Es läßt sich zeigen, daß für<br />

ein beliebiges Zentralkraftpotential, mit V (r) �= 1<br />

r ,diel–Entartung aufgehoben wird. Störungen<br />

des 1<br />

r –Potentials erhalten wir durch das ” Effektive Potential“, die Relativisitische Masse“,und<br />

”<br />

durch Sommerfelds Tauchbahnen“. (vgl. Kapitel 5.6)<br />

”<br />

Die m–Entartung wird aufgehoben, wenn die Zentralsymmetrie aufgehoben wird. Eine solche<br />

Aufhebung erhalten wir durch Anlegen eines magnetischen oder elektrischen Feldes.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron bei den Koordinaten r, ϑ, ϕ zu finden ist gegeben durch<br />

P (r, ϑ, ϕ) =|ψ(r, ϑ, ϕ)| 2 = |R(r) · Y m<br />

l (ϑ, ϕ)|2 .<br />

Nun soll uns aber nicht diese Wahrscheinlichkeit interessieren, sondern die Wahrscheinlichkeit,<br />

ein Elektron irgendwo im Abstand r zwischen r und r + dr zu finden, also unabhängig von den<br />

Winkelkoordinaten ϑ, ϕ. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist gegeben durch<br />

P n,l (r)dr =<br />

�π<br />

0<br />

�2π<br />

|ψn,l,m (r, ϑ, ϕ)| 2 r 2 dr sin ϑdϑdϕ= r 2 |R(r)| 2 �π<br />

�<br />

dr<br />

0<br />

= r 2 |R(r)| 2 dr = |u(r)| 2 dr .<br />

0<br />

2π<br />

0<br />

|Y m<br />

l (ϑ, ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ<br />

Unter dem Integral steht gerade die auf Eins normierte Wahrscheinlichkeit dafür, daß<br />

die Winkelkoordinaten irgendwo auf der Kugeloberfläche liegen. Multiplizieren wir diese<br />

Wahrscheinlichkeit mit der Elementarladung e so erhalten wir die radiale Ladungsdichteverteilung<br />

e · P n,l (r)dr.


160 Kapitel 7. Einführung in die Quantenmechanik, H–Atom<br />

Abb. 7.23: Normierte Radialfunktion und normierte radiale Wahrscheinlichkeitsdichten.<br />

∞�<br />

Der Erwartungswert des Radialabstands ergibt sich zu 〈rn,l 〉 = u<br />

0<br />

∗ n,l (r) · r · un,l (r)dr =<br />

�<br />

na0<br />

Z 1 − 1<br />

�<br />

2 1 − l(l+1)<br />

n2 ��<br />

. Er läßt sich in geschlossener Form angeben und für n = 1 , l = 0<br />

ergibt sich 〈r10 〉 = a0<br />

Z , der klassisch gefundene Bohrsche Radius. Die kugelsymmetrischen l =0<br />

Zustände geben eine konzentrische Schalenstruktur mit n Schalen. Für l �= 0ändert sich erstens<br />

die Radialverteilung bei gleichem n, und zweitens werden auch die Winkelfunktionen aus<br />

den Kugelschalen räumlicher Figuren herausprojiziert. Nach gleichem Rezept wird der bei der<br />

Feinstruktur benutzte Erwartungswert<br />

�<br />

1<br />

r3 �<br />

=<br />

�<br />

0<br />

∞<br />

u ∗ 1<br />

n,l (r)<br />

r3 u Z3<br />

n,l (r)dr =<br />

a3 ·<br />

0<br />

1<br />

n3l(l + 1<br />

2 )(l +1)<br />

berechnet.<br />

Wenn m–Entartung vorliegt, haben alle Zustände mit verschiedenen m die gleiche Energie, damit<br />

die gleiche Besetzungswahrscheinlichkeit für alle Konfigurationen. Die Summe über alle Koor-<br />

� dinaten ist kugelsymmetrisch. D.h. fügt man bei gleichem n und l die räumlichen Gebilde<br />

m |Yl (ϑ, ϕ)| 2� aller m–Werte zusammen, so erhalten wir für jedes n eine Kugel. Mathematisch<br />

zeigt sich das Zustandekommen einer Kugel folgendermaßen:<br />

�+l<br />

m=−l<br />

|Y m<br />

l (ϑ, ϕ)|2 2l +1<br />

= = const.<br />

4π<br />

d.h. die z–Achse kann beliebig in den Raum gelegt werden. Es gibt keine Orientierung. Erst<br />

wenn das Atom in ein äußeres Feld gebracht wird, wird die m–Entartung aufgehoben und die<br />

Zustände mit verschiedenen m haben verschiedene Energie. Eine Messung der Orientierung ist<br />

dann möglich. Dies war bisher nur eine formale Lösung. Die Bedeutung von l und m wird erst<br />

nach der Besprechung des Drehimpulsoperators klar (vgl. dazu Kapitel 8.2).


Kapitel 8<br />

Quantenmechanische Operatoren<br />

8.1 Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte,<br />

Vertauschungsrelationen<br />

Wir beginnen zuerst mit dem quantenmechanischen ” System“:<br />

paralleler Teilchenstrom ⇔ ebene Welle: ψ(x, t) =Ae i (pxx−Et) � .<br />

Wenn wir in diesem System in einer Einzelmessung den Impuls messen, werden wir immer den<br />

gleichen, scharfen Wert px = �kx finden.<br />

Frage: Wie kann man dieses Ergebnis in einer quantenmechanischen Rechnung ausdrücken?<br />

Wir bilden die Ableitung von ψ(x, t) nach x<br />

∂ψ(x, t)<br />

∂x<br />

i<br />

=<br />

� px i (pxx−Et) i<br />

� Ae =<br />

� px und mit (−i 2 ) durchmultipliziert erhalten wir<br />

· ψ(x, t) ⇐⇒ �<br />

i<br />

−i� ∂<br />

∂xψ(x, t) =px · ψ(x, t) .<br />

∂<br />

∂x ψ(x, t) =pxψ(x, t)<br />

Mathematisch ist dies eine Operatorgleichung für ψ(x, t): Suche die Funktion ψ(x, t) für die<br />

diese Operation erfüllt ist (Analog ¨x = −ω2x ⇔− ∂2<br />

∂t2 x(t) =ω2 · x(t) � x = x0 cos ωt). Man<br />

nennt<br />

ψ(x, t) Eigenfunktion zum Impulsoperator �p x ≡−i� ∂<br />

∂x<br />

und px den Eigenwert = scharfer Messwert.<br />

�<br />

In der Literatur wird oft schon i<br />

äquivalent.<br />

Wir betrachten als zweites System<br />

∂<br />

∂x<br />

als Impulsoperator bezeichnet. Beide Schreibweisen sind<br />

Wasserstoff–Atome im Grundzustand ⇐⇒ Wellenfunktion ψ 0 (x) .<br />

161


162 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

Wenn wir in diesem System die Gesamtenergie messen, finden wir immer den gleichen Wert<br />

E 0 . Schreiben wir dies auch als Operator– oder Eigenwertgleichung, so müssen wir den ” Operator<br />

für die Gesamtenergie“ betrachten, also wegen E kin + V (x) =H (Hamiltonfunktion), den<br />

Hamiltonoperator � H = �p2<br />

2m + � V (x). Ausgeschrieben erhalten wir<br />

�H = 1<br />

2m<br />

�<br />

−i� ∂<br />

∂x<br />

��<br />

−i� ∂<br />

∂x<br />

Die Operator– oder Eigenwertgleichung lautet dann<br />

�<br />

− �2<br />

2m<br />

∂ 2 ψ n (x)<br />

∂x 2<br />

�<br />

+ � V (x) =− �2<br />

�Hψ n (x) =E n · ψ n (x)<br />

∂2 ∂x2 + � �<br />

V (x)<br />

ψ n (x) =E n ψ n (x)<br />

2m<br />

+<br />

�2 �<br />

En − � �<br />

V (x) ψn (x) =0 .<br />

∂<br />

2m<br />

2<br />

∂x2 + � V (x) . (8.1.1)<br />

Wenn wir � V (x) =V (x) setzen, erhalten wir die Schrödingergleichung.<br />

Die Lösungsfunktionen der Schrödingergleichung sind also die Eigenfunktionen zum<br />

Hamiltonoperator, die Eigenwerte En sind die Meßwerte bei der Energiemessung.<br />

Operatoren spielen in der Quantenmechanik eine zentrale Rolle. Ein Operator erzeugt, auf eine<br />

Wellenfunktion angewendet, eine neue Wellenfunktion. Er kann die Form eines Differentialoperators<br />

haben, aber auch eine reelle Zahl oder die Zahl Eins kann als Operator aufgefaßt werden,<br />

wenn ψ damit multipliziert wird.<br />

Die quantenmechanischen Operatoren sind entweder Differential– (�p x , � H) oder Multiplikationsoperatoren<br />

( � V (x) =V (x)). In der Ortsdarstellung, also bei ψ = ψ(x), werden allen reinen<br />

Ortsfunktionen f(x) Multiplikationsoperatoren � f(x) zugeordnet.<br />

Wie lassen sich nun diese Ergebnisse physikalisch, d.h. quantenmechanisch interpretieren?<br />

Es liegt ein quantenmechanisches System (paralleler Teilchenstrahl, H–Atom)in<br />

einem bestimmten Zustand vor, der durch eine Wellenfunktion, die ” Zustandsfunktion“,<br />

charakterisiert wird.<br />

Wir machen eine Messung<br />

� des Impulses<br />

der Energie<br />

↘<br />

Der Messwert ist scharf.<br />

⎫<br />

⎪⎬ ⎪⎨<br />

←→<br />

⎪⎭<br />

⎧<br />

⎪⎩<br />

Beide sind gleich<br />

Wir wenden auf ψ(x)<br />

�<br />

einen Operator an<br />

�px<br />

�H<br />

↙<br />

Wir erhalten den Eigenwert.<br />

Die Zustandsfunktion ist nach der Messung �p x ψ(x) bzw. � Hψ(x).<br />

Damit allgemein:


8.1. Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen 163<br />

Messung einer ” Observablen“ a im<br />

quantenmechanischen System, das<br />

durch eine Zustandsfunktion ψ(x)<br />

charakterisiert wird.<br />

Jetzt müssen wir zwei Fälle unterscheiden:<br />

⇐⇒<br />

Anwendung des Operators � A auf<br />

die Zustandsfunktion ψ(x). Berechnung<br />

des Eigenwertes A =Meßwert<br />

der Observablen a.<br />

1. Der erste Fall ist der bis jetzt besprochene: Reproduziert sich die Zustandsfunktion ψ(x)<br />

durch Anwendung des Operators � A,d.h.ψ(x) ist Eigenfunktion zu � A, so wird der Zustand<br />

durch die Messung nicht gestört. Eine erneute Anwendung des Operators � A (�= Messung)<br />

liefert also das gleiche Ergebnis, d.h. die Meßwerte sind scharf.<br />

Mit der Eigenwertgleichung � Aψ(x) =A · ψ(x) erhalten wir<br />

�<br />

ψ ∗ (x) � �<br />

Aψ(x) dx = ψ ∗ �<br />

(x)A · ψ(x) dx = A ψ ∗ (x) · ψ(x) dx = A<br />

�<br />

A =<br />

ψ ∗ � �<br />

(x) �Aψ(x) dx .<br />

Der Meßwert — Eigenwert — A ist das Überlappungsintegral zwischen<br />

der Zustandsfunktion � vor der � Messung (ψ(x)) und der Zustandsfunktion<br />

nach der Messung �Aψ(x) .<br />

2. Der zweite Fall ist der in Kapitel 7.5.1Besprochene: Ein Teilchen im Kasten im Grundzustand<br />

mit der Zustandsfunktion ( = Eigenfunktion zum Hamiltonoperator) ψ 0 (x) =<br />

� 2<br />

a cos � π<br />

2 π 2<br />

a x� �<br />

und dem Eigenwert E0 = 2ma2 . Die Impulsmessung liefert kein scharfes<br />

Meßergebnis. Man erhält zwei Impulse px und −px , jeweils mit der Wahrscheinlichkeit<br />

1/2. Also ist der Erwartungswert gleich dem Mittelwert = 0. Was passiert wenn wir auf<br />

diese Zustandsfunktion (ψ0 (x)) den Impulsoperator �p x anwenden, also nach obigem eine<br />

Impulsmessung vornehmen?<br />

�p xψ0 (x) =−i� ∂<br />

��<br />

2<br />

∂x a cos<br />

�<br />

π<br />

a x<br />

� �<br />

= −i� π<br />

�<br />

2<br />

� �<br />

π<br />

− sin<br />

a a a x<br />

��<br />

�= C · ψ(x) .<br />

Die Zustandsfunktion ψ0 (x) reproduziert sich also nicht: ψ0 (x) istkeine Eigenfunktion zu<br />

�p x !Esistψ0 (x) die Zustandsfunktion vor der Messung und �p xψ0 (x) die Zustandsfunktion<br />

nach der Messung. Wie beim ersten Fall liefert das Überlappungsintegral das Meßergebnis.<br />

Es ist also<br />

�<br />

〈�p x 〉≡ ψ ∗ 0 (x)<br />

�<br />

−i� ∂<br />

Eine Rechnung zeigt<br />

�<br />

ψ0 (x) dx .<br />

∂x<br />

�<br />

〈�p x 〉 = c ∗ (px )pxc(px ) dpx = Erwartungswert für px !<br />

px


164 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

Fassen wir nochmal zusammen:<br />

Der quantenmechanische Erwartungswert 〈 � A〉 für die Observable a ergibt sich durch<br />

Bildung des Überlappungsintegrals der Zustandsfunktion ψ(x) vor der Messung mit<br />

der Zustandsfunktion � Aψ(x) nach der Messung. Der Erwartungswert wird zum<br />

Eigenwert, wenn ψ(x) Eigenfunktion zu � A ist.<br />

Mit �x = x usw. sind die in (7.3.1) definierten Erwartungswerte eingeschlossen.<br />

Damit gilt allgemein:<br />

Meßwert<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

Messung von a ⇔ Anwendung des Operators � A .<br />

� � �<br />

∗ ψ (x) �Aψ(x) dx =EigenwertA,<br />

wenn ψ(x) Eigenfunktion zu � �<br />

A ist<br />

� � �<br />

∗ ψ (x) �Aψ(x) dx = Erwartungswert 〈 � A〉,<br />

wenn ψ(x) nicht Eigenfunktion zu � A ist<br />

scharfe Werte<br />

�<br />

Mittelwert statistisch<br />

verteilter Werte<br />

Damit sind wir nun in der Lage anzugeben, welche Eigenschaften die quantenmechanischen<br />

Operatoren erfüllen müssen:<br />

1. Wegen Linearität der Schrödingergleichung und der Superpositionsmöglichkeit der Wellenfunktion,<br />

also ψ(x) =c 1 ψ 1 (x)+c 2 ψ 2 (x) müssen Operatoren linear sein, d.h.<br />

�A(c 1 ψ 1 + c 2 ψ 2 )=c 1 � Aψ1 + c 2 � Aψ2<br />

2. Da die Meßwerte natürlich reell sind, müssen die Eigenwerte und Erwartungswerte reell<br />

sein, es gilt also<br />

〈 � �<br />

A〉 = ψ ∗ ( � ��<br />

Aψ) dx =<br />

ψ ∗ ( � �∗ �<br />

Aψ) dx = ( � Aψ) ∗ ψdx .<br />

Operatoren, die diese Eigenschaft besitzen, heißen hermitesche Operatoren.<br />

Quantenmechanische Operatoren müssen lineare, hermitesche Operatoren sein.<br />

Was passiert nun, wenn man auf die Eigenfunktion ψ(x) zum Operator � A zusätzlich einen anderen<br />

Operator � B anwendet? Es ergeben sich wiederum zwei Fälle:<br />

1. Fall: ψ(x) ist Eigenfunktion sowohl zu � A als auch zu � B. Nach dem Bisherigen heißt dies:<br />

Eine Messung der Observablen a und der Observablen b führt jeweils zu scharfen Werten<br />

(z.B. Impuls und kinetische Energie einer ebenen Welle), da sich die Zustandsfunktion ψ(x)<br />

durch die Messung beider Observablen (�= Anwendung beider Operatoren) nicht verändert.<br />

Was bedeutet das für die beiden Operatoren?<br />

�Aψ = A · ψ<br />

�Bψ = B · ψ<br />

� �B � Aψ = � B(A · ψ) =A( � Bψ) =ABψ<br />

�A � Bψ = � A(B · ψ) =B( � Aψ) =BAψ<br />

�A � Bψ − � B � Aψ =0<br />

�<br />

.


8.1. Quantenmechanische Operatoren, Erwartungswerte, Vertauschungsrelationen 165<br />

�A � B − � B � A ≡<br />

� �<br />

�A, B�<br />

=0<br />

Die Operatoren � A, � B sind vertauschbar !<br />

Allgemein: Sind zwei Operatoren � A und � B vertauschbar, so gibt es zu beiden eine gemeinsame<br />

Eigenfunktion ψ, die den quantenmechanischen Zustand des Systems beschreibt.<br />

Dieser Eigenzustand zu beiden Operatoren erlaubt eine scharfe, simultane Messung der<br />

Observablen a und b, wobei die jeweils scharfen Meßwerte A und B gleich den Eigenwerten<br />

der beiden Operatoren sind.<br />

Ein ähnliches Beispiel dazu wäre die Gesamtenergie und der Drehimpuls beim H–Atom.<br />

2. Fall: Was erhält man, wenn man simultan eine beliebige Ortsfunktion f(x) und einen Impuls<br />

p x messen will? ψ(x) ist jetzt nicht gleichzeitig Eigenfunktion zum Impuls– und Ortsoperator.<br />

�f(x)�p xψ(x) �p(x)<br />

=<br />

�<br />

f(x)<br />

� f(x)ψ(x) =<br />

�<br />

−i � ∂<br />

oder<br />

−i� ∂<br />

�<br />

ψ(x) = −i � f(x)<br />

∂x<br />

∂ψ(x)<br />

�<br />

∂x<br />

(f(x)ψ(x)) = −i � f(x)<br />

∂x<br />

∂ψ(x)<br />

− i � ψ(x)∂f(x)<br />

∂x ∂x<br />

� �<br />

�f(x)�px − �p �<br />

xf(x) ψ(x) =i � ∂f(x)<br />

∂x ψ(x)<br />

� f(x)�px − �p x � f(x) ≡<br />

� �<br />

�f(x), �px = i � ∂f(x)<br />

∂x<br />

Die Operatoren können nicht vertauschen! Wir erhalten eine Vertauschungsrelation. Wir<br />

wissen, daß Ortsfunktionen und Impulse nicht gleichzeitig scharf gemessen werden können:<br />

Allgemein: Gilt für zwei Operatoren eine Vertauschungsrelation, so gilt für die<br />

zugehörigen Observablen eine Unschärferelation. Die beiden Oberservablen sind nicht simultan<br />

scharf meßbar, es existiert keine gemeinsame Eigenfunktion.<br />

Im Sonderfall f(x) = V (x) und f(x) = x nimmt die obige Vertauschungsrelation die<br />

folgende Form an:<br />

� �<br />

�V (x), �px<br />

∂V (x)<br />

= i�<br />

∂x<br />

[�x, �p x ] = i�<br />

.<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭


166 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

8.2 Der Drehimpulsoperator<br />

Abb. 8.1: Reduktion des Zweikörperproblems<br />

auf ein äquivalentes Einkörperproblem.<br />

und den Definitionen<br />

umschreiben in<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

Der Drehimpuls von zwei Teilchen<br />

� l = �r1 × �p 1 + �r 2 × �p 2<br />

läßt sich mit der Koordinatentransformation<br />

�r = �r 2 − �r 1<br />

�R = m 1 �r 1 + m 2 �r 2<br />

m 1 + m 2<br />

(Relativkoordinaten)<br />

(Schwerpunktkoordinaten)<br />

�p = µ ˙ �r = m1 · m2 (<br />

m1 + m2 ˙ �r 2 − ˙ �r 1 )= m1 M �p 2 − m2 M �p 1 ;(M = m1 + m2 )<br />

�P = M ˙ � R = m1 ˙ �r1 + m 2 ˙ �r2 = �p 1 + �p 2<br />

�l = (�r × �p)<br />

� �� �<br />

+ (<br />

rel. Drehimpuls<br />

� R × � P )<br />

� �� �<br />

im CM–System = 0<br />

Damit läßt sich also das Zweiteilchenproblem wieder zurückführen auf ein Einteilchenproblem.<br />

Einführung des Drehimpulsoperators: � l = �r × �p mit<br />

Wir erhalten sodann<br />

�<br />

�lx = −i� y ∂<br />

�<br />

∂<br />

− z<br />

�<br />

∂z ∂y<br />

�ly = −i� z ∂<br />

�<br />

∂<br />

− x<br />

�<br />

∂x ∂z<br />

�lz = −i� x ∂<br />

�<br />

∂<br />

− y<br />

∂y ∂x<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

�l 2 = � l 2 x + � l 2 y + � l 2 z<br />

�r =(�x, �y,<br />

�<br />

�z)<br />

�<br />

∂ ∂ ∂<br />

�p = −i� , ,<br />

∂x ∂y ∂z<br />

Für jedes Paar von Komponenten gilt eine Vertauschungsrelation. Denn mit Hilfe der Produktregel<br />

ergibt sich<br />

�lx �ly − �l �<br />

ylx = −� 2<br />

�<br />

y ∂ ∂2 ∂2 ∂2 ∂2<br />

+ yz − z2 − xy + xz<br />

∂x ∂z∂x ∂y∂x ∂z2 ∂y∂z<br />

−yz ∂2<br />

�<br />

∂2 ∂2 ∂2 ∂<br />

+ xy + z2 − xz − x<br />

∂x∂z ∂z2 ∂x∂y ∂y∂z ∂y<br />

= −� 2<br />

�<br />

y ∂<br />

�<br />

∂<br />

− x<br />

∂x ∂y<br />

= i� � l z .<br />

.


8.2. Der Drehimpulsoperator 167<br />

Für die anderen Komponenten gilt das Analoge:<br />

� lx � ly − � l y � lx = i� � l z<br />

� ly � lz − � l z � ly = i� � l x<br />

� lz � lx − � l x � lz = i� � l y<br />

Es lassen sich nie zwei der drei Drehimpulskomponenten simultan scharf messen!<br />

Es kann aber simultan mit einer Komponente zum Beispiel lz , das Betragsquadrat l2 scharf<br />

gemessen werden, denn � l2 und �l z sind vertauschbar. Es ist<br />

�l 2� l z − � l z � l 2 = � lx � lx � lz − � l z � lx � lx + � l y � ly � lz − � l z � ly � ly<br />

= � l x (−i� � l y + � l z � lx ) − (i� � l y + � l x � lz ) � l x<br />

+ � l y (i� � l x + � l z � ly )+(i� � l x − � l y � lz ) � l y<br />

= −i� � l x � ly − i� � l y � lx + i� � l y � lx + i� � l x � ly =0,<br />

also l� 2�lz − �l �<br />

zl2 =0 .<br />

� �<br />

Dies gilt für alle Kombinationen �l 2 , �li =0miti = x, y, z.<br />

Nun sollen die Eigenwerte von �l z und � l2 für das Problem der Zentralkraftbewegung berechnet<br />

werden. Die Energieeigenfunktionen haben nach (7.5.6) die Form<br />

ψn,m,l = Rn,l (r) · Y m<br />

l (ϑ, ϕ) .<br />

Sie sind die Lösungen der Gleichung � Hψ n,m,l = E n ψ n,m,l<br />

mit � H = − �2<br />

2µr2 � � �<br />

∂ 2 ∂<br />

r +<br />

∂r ∂r<br />

1<br />

sin ϑ<br />

und für V (r) = −e2<br />

4πε 0 r<br />

und E n =<br />

�<br />

∂<br />

sin ϑ<br />

∂ϑ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂ϑ<br />

1<br />

µe4 2(4πε0 ) 2 1<br />

·<br />

�2 n2 sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2<br />

∂ϕ2 �<br />

+ V (r)<br />

(H–Atom) .<br />

Der Hamiltonoperator ist in sphärischen Polarkoordinaten angegeben. Wir erhalten ihn durch<br />

3–dim Erweiterung von (8.1.1) und durch Anwendung des Laplaceoperators in sphärische Polarkoordinaten<br />

(vgl. Kapitel 7.5.3). Nun rechnen wir die Drehimpulsoperatoren ebenfalls auf<br />

sphärische Polarkoordinaten um. Es ist<br />

�<br />

�lz = −i� x ∂<br />

�<br />

∂<br />

− y .<br />

∂y ∂x<br />

Ferner gilt:<br />

∂<br />

∂x<br />

∂<br />

∂y<br />

∂r ∂ ∂ϑ ∂ ∂ϕ ∂<br />

= + +<br />

∂x ∂r ∂x ∂ϑ ∂x ∂ϕ<br />

∂r ∂ ∂ϑ ∂ ∂ϕ ∂<br />

= + +<br />

∂y ∂r ∂y ∂ϑ ∂y ∂ϕ


168 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

und:<br />

und damit:<br />

Vergleicht man � H und � l 2 ,soergibtsich<br />

r = � x2 + y2 + z2 �<br />

;<br />

�<br />

x = r sin ϑ cos ϕ<br />

ϑ = arccos z ; y = r sin ϑ sin ϕ<br />

√<br />

x2 +y2 +z2 ϕ =arctan y<br />

x ; z = r cos ϑ<br />

�lz = −i� ∂<br />

�<br />

∂ϕ<br />

�lx = i� sin ϕ ∂<br />

�<br />

∂<br />

+cotϑcos ϕ<br />

�<br />

∂ϑ ∂ϕ<br />

�ly = i� − cos ϕ ∂<br />

�<br />

∂<br />

+cotϑsin ϕ<br />

∂ϑ ∂ϕ<br />

�l 2 = −� 2<br />

� �<br />

1 ∂<br />

sin ϑ<br />

sin ϑ ∂ϑ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2<br />

∂ϕ2 �<br />

. (8.2.1)<br />

�H = � l2 �2<br />

−<br />

2µr2 2µr2 ∂ ∂<br />

(r2 )+V (r).<br />

∂r ∂r<br />

�<br />

Der erste Term ist der Anteil der Rotationsenergie Erot = l2<br />

�<br />

2J an der kinetischen Energie. Da<br />

�l 2 nur von ϑ und ϕ abhängt, V (r) nurvonr (Zentralkraft), sind � H und � l2 , damit auch � H und<br />

�lz vertauschbar:<br />

Die Energieeigenfunktionen ψn,l,m sind auch Eigenfunktion zu � l2 und �l z . Neben der Gesamtenergie<br />

En sind auch l2 und lz simultan sofort scharf meßbar! Wie lauten die Eigenwerte von � l2 und �l z ?<br />

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Winkelgleichung (7.5.2)<br />

� �<br />

1 ∂<br />

sin ϑ<br />

sin ϑ ∂ϑ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2<br />

∂ϕ2 �<br />

Y m<br />

m<br />

l (ϑ, ϕ) =−l(l +1)Yl (ϑ, ϕ).<br />

Die eckige Klammer können wir durch � l 2 ersetzen. Werden beide Seiten mit R n,l (r) multipliziert<br />

erhält man:<br />

�l 2 · ψ n,l,m = l(l +1)� 2 ψ n,l,m .<br />

�l 2 besitzt also den scharf bestimmten Eigenwert l(l+1)�2 . Wendet man �l z auf die Wellenfunktion<br />

ψn,l,m = Rn,l (r) · Y m<br />

l (ϑ, varphi) aus Kapitel 7.5.3 an, so ergibt sich<br />

�lz · ψn,l,m = −i� ∂<br />

∂ϕ ψn,l,m = −i�(im)ψn,l,m ,<br />

� lz ψ n,l,m = m�ψ n,l,m .<br />

Damit ist die Bedeutung von l und m als Drehimpulsquantenzahlen geklärt. Die Folgen dieser<br />

Beziehungen sind die geometrischen Veranschaulichungen von Kapitel 6.3. Dabei ist jedoch zu


8.3. Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur 169<br />

beachten, daß nur l z und l 2 ,nichtaberl x und l y scharf bestimmt sind, die Orientierung der<br />

Horizontalkomponenten von � l, also die Größe von l x und l y , ist unbestimmt. � l x und � l y besitzen<br />

keine Eigenwerte. Ihre Erwartungswerte ergeben sich mit (8.2.1) zu<br />

〈 � l x 〉 = 〈 � l y 〉 =0.<br />

8.3 Spinoperator, Spin–Bahn–Kopplung, Feinstruktur<br />

In Kapitel 6.4 hatten wir als Folge des Stern–Gerlach–Versuchs den Eigendrehimpuls des Elektrons,<br />

den Spin, eingeführt. Analog zum vorigen läßt sich aus algebraischen Überlegungnen<br />

zeigen, daß die Drehimpulsvertauschungsrelationen für den Spin des Elektrons erfüllt sind. Daraus<br />

ergibt sich in völliger Analogie<br />

�s 2 ψ = s(s +1)� 2 ψ = 3<br />

4 �2 ψ<br />

�s z ψ = m s �ψ = ± 1<br />

2 �ψ<br />

; s =maxm s = 1<br />

2<br />

und wegen �j = � l + �s, vgl. Kapitel 6.7, gilt dies auch für den Gesamtdrehimpulsoperator.<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

�j 2ψ = j(j +1)�2ψ �j zψ = mj�ψ zu<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

j = 1 3<br />

2 , 2 ,... oder 0, 1,...<br />

m j = −j,...,0,...,+j<br />

� �� �<br />

2j +1Werte<br />

Die ganzzahligen Werte von j erklären sich erst bei Mehrelektronensystemen (vgl. Kapitel 9).<br />

Bisher haben wir das Verhalten eines Elektrons durch eine Wellenfunktion ψ = ψ(x, y, z)<br />

beschrieben, die entsprechend den drei Freiheitsgraden eines Massenpunktes von den drei Ortskoordinaten<br />

x, y, z abhängt. Demgemäß hängen die Eigenfunktionen stationärer Zustände von drei<br />

Quantenzahlen, beim Wasserstoff–Atom zum Beispiel von n, l und m ab. Wir können nun den<br />

Spin des Elektrons durch eine Spinkoordinate als vierten Freiheitsgrad �s unseres Massenpunktes<br />

auffassen und dementsprechend für die Wellenfunktion ψ = ψ(x, y, z, �s) schreiben. Wenn das Potential<br />

V = V (�r,�s) keinen Term enthält, der �r und �s verknüpft (z.B. keine Spin–Bahn–Kopplung<br />

�l · �s), also wenn gilt V (�r,�s) =V (�r)+V (�s), kann die Wellenfunktion ψ separiert werden in<br />

ψ(�r,�s) =ψ(�r) · χ(�s) .<br />

ψ(�r) ist dabei die Ortsfunktion, χ(�s) die Spinfunktion. Im Gegensatz zu den Ortsfunktionen, die<br />

im Prinzip kontinuierlich alle Werte von −∞ bis +∞ annehmen können, kann die Spinfunktion<br />

χ(�s) entsprechend den Werten sz =+ 1<br />

2� und s 1<br />

z = − 2� nur 2 Werte erhalten. Das bedeutet<br />

anschaulich für den Zustand des Spins: ” Spin nach oben“ und ” Spin nach unten“. Wir führen<br />

jetzt formal zwei Spinfunktionen ein, die diesen Spinrichtungen entsprechen, nämlich χ ↑ und<br />

χ ↓ . Messen wir nun die z–Komponente, quantenmechanisch bedeutet dies ja die Anwendung des<br />

Operators �s z , so muß gelten:<br />

�s z χ ↑ = �<br />

2 χ ↑ oder �s z χ ↓ = − �<br />

2 χ ↓ .<br />

.


170 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

Suchen wir nach einem Formalismus, der uns die obigen Beziehungen automatisch liefert, so<br />

stellt sich heraus, daß dies am besten mit Matrizen zu bewerkstelligen ist. Wir schreiben für die<br />

Spinfunktionen<br />

1 ms=+<br />

χ↑ = χ 2 =<br />

� �<br />

1<br />

0<br />

1 ms=−<br />

χ↓ = χ 2 =<br />

� �<br />

0<br />

.<br />

1<br />

Diese Spinfunktionen sind Eigenfunktionen des Spinoperators � s 2 und �s z . Aus den Eigenwertgleichungen<br />

für ψ wird dann<br />

�s 2 χ ↑↓ = s(s +1)� 2 χ ↑↓<br />

�s z χ ↑↓ = m s �χ ↑↓<br />

�s 2 und �s z sind nun 2 × 2 Matrizen, die sogenannten Pauli–Matrizen“.<br />

”<br />

Die Wellenfunktion des Wasserstoff–Atoms schreibt sich dann<br />

ψn,l,ml,ms = R ml<br />

n,l (r) · Yl (ϑ, ϕ) · χ↑↓ (�s ) .<br />

Sie ist durch die Hauptquantenzahl n, die Bahndrehimpulsquantenzahl l, die Magnetquantenzahl<br />

m l und die Spinquantenzahl m s gekennzeichnet.<br />

Abb. 8.2: Vektormodell<br />

zur Spin–Bahn–<br />

Kopplung.<br />

Abb. 8.3: Präzession von � l und �s um �j.<br />

Unter Einfluß eines äußeren B–Feldes in<br />

z–Richtung präzediert j um die z–Achse.<br />

,<br />

Nun wollen wir die durch die Spin–Bahn–Wechselwirkung verursachte<br />

Änderung des Energieeigenwertes eines wasserstoffähnlichen oder<br />

Einelektronenatoms berechnen. Die Energieeigenfunktion ψ n,l,ml,ms<br />

ist gleichzeitig Eigenfunktion von � l 2 , � s 2 , � l z und �s z , da diese Operatoren<br />

ja nur auf ϑ, ϕ und �s wirken. Wie wir in Kapitel 6.5 gesehen<br />

haben koppelt � l und �s zu �j. Da j z = l z + s z ist, ist ψ n,l,ml,ms auch<br />

Eigenfunktion zu �j z :<br />

(�j z =( � l z + �s z ))ψ n,l,ml,ms =(m l + m s )�ψ n,l,ml,ms = m j �ψ n,l,ml,ms<br />

Sie ist aber keine Eigenfunktionen zu � j 2 !<br />

Dies geht auch sofort aus Abbildung 8.2 hervor. Da ja l x<br />

und l y mit l z nicht gleichzeitig scharf meßbar sind, wird die<br />

Spitze von � l in wiederholten Messungen irgendwo auf dem<br />

Kegel von � l um die z–Achse angetroffen, ebenso ist die Spitze<br />

von �s irgendwo auf dem Kegel �s um die z–Achse. Die Länge<br />

von |�j | wird daher in wiederholten Messungen verschiedene,<br />

um den Mittelwert fluktuierende Werte ergeben.<br />

Andererseits haben wir in Kapitel 6.5 gesehen, daß �j = � l +�s<br />

eine Konstante der Bewegung ist, und daß � l und �s um so<br />

schneller um �j präzidieren, je größer die Kopplungsenergie<br />

V ls = ζ(r) · ( � l · �s) ist. Dann geht aber die ” Schärfe“ von l z<br />

und s z verloren (vgl. Abbildung 8.3).<br />

Quantenmechanisch bedeutet dies, daß man Energieeigenfunktionen konstuiert, die gleichzeitig<br />

Eigenfunktion von � j 2 ,�j z , � l 2 und � s 2 sein müssen. Diese Funktionen sind die linearen Kombinationen<br />

der einfachen Produktfunktionen mit allen möglichen m l – und m s –Werten. Diese haben


8.4. Zeitabhängige Schrödingergleichung 171<br />

folgende Gestalt:<br />

ψ = n,l,j,mj � �<br />

c(l, s, ml ,ms , | j, mj )Rn,l (r) · Y m<br />

l (ϑ, φ)χms (�s) .<br />

ml ms<br />

Die Koeffizienten c(l, s, ml ,ms | j, mj ) heißen Clebsch–Gordan– oder Drehimpulskopplungskoeffizienten.<br />

Sie stellen einfache Zahlenwerte (z.B.: 1 2<br />

2 , 3 ,...) dar und müssensogewählt sein, daß<br />

die Dreiecksrelation“ �j =<br />

” �l + �s gilt.<br />

Die so konstruierten Wellenfunktionen ψ sind dann Eigenfunk-<br />

n,l,j,mj<br />

tionen zu � H, � l2 , � s2 , � j2 , �j z , aber nicht mehr zu �l z und �s z ,dajaüber ml und ms summiert wurde!<br />

Abb. 8.4: Dreiecksrelation.<br />

Wegen |�j | 2 = | �l | 2 + |�s | 2 +2�l · �s gilt auch � j2 = � l2 + � s2 +2� l · s, also� l · s = 1<br />

2 ( � j2 − � l2 − � s2 ). Deshalb<br />

sind die Eigenfunktionen zu � j2 , � l2 und � s2 , d.h. die ψ auch Eigenfunktionen zu n,l,j,mj � l · s, damit<br />

zu einem Hamiltonoperator, der einen Spin–Bahn–Kopplungsterm enthält.<br />

Die Wellenfunktionen ψ beschreiben die Zustände der Feinstrukturaufspaltung! Die Aufs-<br />

n,l,j,mj<br />

paltungsenergie ergibt sich als Erwartungswert der in (6.5.2) ausgerechneten Wechselwirkungsen-<br />

ergie Vls = −�µ s · � Bl = gs<br />

4m2c2 · 1<br />

r<br />

· dV (r)<br />

dr (� l · �s) =ζ(r)( � l · �s) mitV (r) = −e2<br />

4πε0r .<br />

∆Els = 〈Vls 〉 = � ψ∗ n,l,j,mj Vlsψn,l,j,mj dτ<br />

=<br />

�2π<br />

�π<br />

0<br />

0<br />

η ∗ l,j,mj (ϑ, ϕ, �s)(� ls)η l,j,mj (ϑ, ϕ, �s)sinϑdϑdϕ<br />

·<br />

�<br />

0<br />

∞<br />

R ∗ n,l (r)� ζ(r)R n,l (r)dr<br />

� �� � � �� �<br />

= 〈 � ls〉 ·<br />

gse2 16πε0m2 �<br />

1<br />

·<br />

c2 r3 =<br />

�<br />

�<br />

2<br />

(j(j +1)− l(l +1)− s(s +1))<br />

2<br />

·<br />

1<br />

...·<br />

a3 ·<br />

0<br />

1<br />

n3 1<br />

l(l + 1<br />

2 )(l +1)<br />

Damit ist die Feinstrukturaufspaltung aufgrund der Spin–Bahn–Kopplung quantenmechanisch<br />

erklärt.<br />

8.4 Zeitabhängige Schrödingergleichung<br />

Bisher behandelten wir nur stationäre (zeitunabhängige) Probleme, also stehende Wellen. Will<br />

man auch zeitabhängige Probleme behandeln, brauchen wir eine Gleichung, die berücksichtigt,<br />

daß ψ von t abhängen kann.<br />

Ausgangspunkt ist wieder die Gleichung für die ebene Welle:<br />

ψ(x, t) =Ae i (pxx−Et) � ;<br />

∂ψ(x, t)<br />

∂t<br />

= − i<br />

E · ψ(x, t)<br />


172 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

i� ∂<br />

ψ(x, t) =E · ψ(x, t) .<br />

∂t<br />

Dies entspricht der Eigenwertgleichung zum Energieoperator � E = i� ∂<br />

∂t .<br />

Jetzt übersetzen wir den nichtrelativistischen Energiesatz in die Operatorschreibweise<br />

E = H = E kin + V (x).<br />

Mit dem in (8.1.1) besprochenen Hamiltonoperator erhält man<br />

i� ∂<br />

∂t ψ(x, t) = � Hψ(x, t) =<br />

�<br />

− �2<br />

2m<br />

∂2<br />

· + V (x)<br />

∂x2 �<br />

· ψ(x, t) ,<br />

die zeitabhängige Schrödingergleichung.<br />

i − Et �<br />

Ist V (x, t) =V (x), läßt sich ψ(x, t) separieren in ψ(x, t) =ψ(x) · e , damit erhält man eine<br />

harmonische Schwingung (stehende Welle):<br />

�<br />

i − Et �<br />

ψ(x) · E · e = − �2 ∂<br />

2m<br />

2 �<br />

i − Et<br />

�<br />

+ V (x) ψ(x) · e Zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />

∂x2 Übersetzt man den relativistischen Energiesatz in Operatorschreibweise E 2 = p 2 c 2 + m 2 0 c4<br />

bzw. dreidimensional<br />

−�<br />

1<br />

c 2<br />

2 ∂2<br />

�<br />

2 ∂2<br />

−�<br />

∂x2 + m20 c2<br />

�<br />

c 2 ψ(x, t)<br />

ψ(x, t) =<br />

∂t2 ∂2 � �<br />

m0c � �<br />

2<br />

ψ(�r, t) = ∆ − ψ(�r, t) Klein–Gordan–Gleichung<br />

∂t2 �<br />

Die Quantenmechanik ist eine lineare Theorie. Also hat Dirac versucht, die Klein–Gordan–<br />

Gleichung zu linearisieren, indem er im Energiesatz auf der rechten Seite aus jedem Summanden<br />

die Wurzel gezogen hat:<br />

i� ∂<br />

∂t ψ(�r, t) =(c�αi�� ∇ + βm 0 c 2 )ψ(�r, t) Dirac–Gleichung<br />

Die Lösung der Dirac–Gleichung für das H–Atom liefert den richtigen Ausdruck für die j–<br />

entarteten Energieterme, d.h. den Ausdruck, den wir uns früher aus Berücksichtigung der relativistischen<br />

Masse und der Feinstruktur zusammengebaut haben, also die Feinstrukturformel des<br />

Wasserstoffs. Sie liefert aber natürlich nicht die Lambshift.<br />

8.5 Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität<br />

Die quantenmechanische Definition einer Erhaltungsgröße lautet: Eine physikalische Größe ist<br />

zeitlich konstant, wenn sich der Erwartungswert des zugehörigen Operators zeitlich nicht ändert.<br />

〈 � A〉 = � ψ ∗ � Aψ dx = const., wenn<br />

d〈 � A〉<br />

dt =<br />

� ∗ ∂ψ<br />

∂t � �<br />

Aψ dx +<br />

ψ ∗ ∂ � A<br />

∂t ψdx+<br />

�<br />

ψ ∗ A� ∂ψ<br />

dx =0 .<br />

∂t


8.5. Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, Parität 173<br />

Wenn � A nicht explizit von t abhängt, bleiben zwei Summanden stehen. Die Umformung mit<br />

Hilfe der zeitabhängigen Schrödingergleichung i� ∂<br />

∂tψ = � Hψ;(i�∂ ∂tψ)∗ =( � Hψ) ∗ )ergibt:<br />

und damit<br />

d〈 � A〉<br />

dt<br />

�<br />

i<br />

= (<br />

�<br />

� Hψ) ∗ �<br />

Aψ �<br />

i<br />

dx −<br />

�<br />

ψ ∗ A� Hψdx � =0<br />

�<br />

( � Hψ) ∗ �<br />

Aψ � dx = ψ ∗ H� Aψ � dx<br />

�H ist hermitesch, also gilt<br />

d〈 � A〉<br />

dt =<br />

�<br />

ψ ∗ ( � H � A − � A � H)ψdx=0 �<br />

� �<br />

�H, A�<br />

=0 .<br />

Eine physikalische Größe A ist zeitlich konstant, wenn ihr Operator � A<br />

mit dem Hamiltonoperator kommutiert,<br />

d.h. wenn es zu beiden Operatoren eine gemeinsame Eigenfunktion gibt.<br />

Es ergeben sich folgende Erhaltungsgrößen:<br />

1. Energie: � A = � � �<br />

H; Es ist natürlich �H, H�<br />

=0,d.h.Hist Erhaltungsgröße. Hängt die<br />

Hamiltonfunktion nicht explizit von der Zeit ab, also ∂H ∂V<br />

∂t = ∂t<br />

V unabhängig von t.<br />

=0,soistE = const., also<br />

2. Impuls: � A = �p x = −i� ∂<br />

∂x ; wir erhalten<br />

�p x � H − � H �px =<br />

px ist zeitlich konstant, d.h.<br />

0.<br />

�<br />

�p x , � �<br />

H<br />

= � ∂H<br />

i ∂x<br />

� ∂V (x)<br />

=<br />

i ∂x<br />

(vgl. Kapitel 8.1) .<br />

�<br />

�p x , � �<br />

H =0,wennVunabhängig von x ist, damit ∂V<br />

∂x = −Fx =<br />

3. Drehimpuls: � A = �l z = −i� ∂<br />

∂ϕ ;<br />

�A = � l2 = −� 2<br />

� �<br />

1 ∂<br />

sin ϑ<br />

sin ϑ ∂ϑ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂ϑ<br />

1<br />

sin 2 ∂<br />

ϑ<br />

2<br />

∂ϕ2 �<br />

�<br />

�lz H� − H� �lz = �lz , � �<br />

H =0,wennVnicht von ϕ abhängt<br />

�l 2 � H − � H � l2 � �<br />

= �l 2 , H�<br />

=0,wennVweder von ϑ noch von ϕ abhängt: Zentralkraft.<br />

4. Parität: � A = � P<br />

Definition: � Pψ(x) =P ·ψ(−x), d.h. Spiegelung am Ursprung, wobei P gleich dem Eigenwert<br />

zum Paritätsoperator ist. Wegen � P 2 ψ(x) =P 2 ψ(x) und mit P 2 = 1folgt<br />

P = ±1 ,


174 Kapitel 8. Quantenmechanische Operatoren<br />

z.B.:<br />

�Pψ(x) =ψ(−x) : gerade Funktion: P =+1<br />

�Pψ(x) =−ψ(−x) : ungerade Funktion: P = −1<br />

�PY m<br />

l (ϑ, ϕ) =(−1)l Y m<br />

l (π − ϑ, π + ϕ) :P =(−1)l (vgl. (7.5.4)).<br />

Die Parität ist eine zeitliche Erhaltungsgröße, wenn<br />

� �<br />

�P, H�<br />

=0,oder<br />

�P ( � H(x)ψ(x)) = � H(x)( � Pψ(x))<br />

�H(−x)ψ(−x) = � H(x)ψ(−x)<br />

�H(−x) = � H(x) � V (−x) =V (x), wenn V (x) eine gerade Funktion ist,<br />

also z.B. V = 1<br />

2Dx2 ; (harmonischer Oszillator) oder V = V (r) =V ( � x2 + y2 + z2 )(Zentralpotential).<br />

Während Drehimpulsquantenzahlen eines Systems additiv sind, die Drehimpulse selbst vektoradditiv,<br />

ist die Parität des Gesamtsystems gleich dem Produkt der Einzelparitäten.<br />

Das bedeutet:<br />

Da die Auswahlregel ∆l = ±1 für das Atom gilt, ändert sich im<br />

atomaren System durch Photonenemission die Parität. Also muß<br />

die Strahlung nach Kapitel 3.3 elektische Dipolstrahlung sein.


Kapitel 9<br />

Mehrelektronensysteme<br />

9.1 Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Erhaltung der<br />

Symmetrie: Fermionen und Bosonen<br />

In den vorangegangenen Kapiteln haben wir fast alle wesentlichen Erscheinungen, die bei Atomen<br />

auftreten, bereits besprochen, jedoch nur für ein einziges Elektron. Es wird sich herausstellen, daß<br />

vieles bei Mehrelektronensystemen ganz ähnlich ist. Beim Übergang zu Mehrelektronensystemen<br />

tritt aber ein neuer grundsätzlicher Effekt auf, der alle Vielteilchensysteme charakterisiert:<br />

Die Ununterscheidbarkeit der Teilchen.<br />

Wir beschränken uns zunächst auf zwei Teilchen, die in einem gemeinsamen Potential gebunden<br />

sein sollen, z.B. zwei Teilchen im Kastenpotential oder zwei Teilchen im Coulombpotential (He–<br />

Atom), die Erweiterung auf mehrere Teilchen ist später einfach.<br />

Wählen wir nun als Beispiel das Rechteckpotential. Die das System charakterisierende Wellenfunktion<br />

ψ1,2 = ψ1 (1) · ψ2 (2) hängt dann von den beiden Teilchen 1und 2 ab:<br />

E 2<br />

E 1<br />

Abb. 9.1: Energiebesetzung<br />

zweier Teilchen im Rechteckpotential.<br />

ψ 1,2 soll bedeuten, Teilchen 1befindet sich im Zustand mit der<br />

Energie E 1 und Teilchen 2 im Zustand mit der Energie E 2 . Eine<br />

wichtige Vorraussetzung soll nun sein, daß die Wechselwirkung<br />

der Teilchen untereinander vernachläßigt werden kann. Wir haben<br />

dann E ges = E 1 +E 2 und sprechen von einem Modell unabhängiger<br />

Teilchen. Unter diesen Vorraussetzungen hängt der Potentialterm<br />

des Hamiltonoperators nicht von der Wechselwirkung zwischen<br />

beiden Teilchen ab. Er lautet dann<br />

�H = � H 1 + � H 2 =<br />

� 2 �p 1<br />

2m + � � � 2 �p 2<br />

V (r1 ) +<br />

2m + � �<br />

V (r2 ) .<br />

Wenn nun � H1ψ1 (1) = E1ψ1 (1) und � H2ψ2 (2) = E2ψ2 (2) ist, so ist � Hψ1,2 = Egesψ1,2 mit ψ1,2 =<br />

ψ1 (1) · ψ2 (2) und Eges = E1 + E2 eine spezielle Lösung von � H, denn durch einfache Rechnung<br />

175


176 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

läßt sich zeigen, daß<br />

�Hψ 1,2 =( � H 1 + � H 2 )ψ 1 (1)ψ 2 (2) = ψ 2 (2) � H 1 ψ 1 (1) + ψ 1 (1) � H 2 ψ 2 (2)<br />

= (E 1 + E 2 )ψ 1,2 = E ges ψ 1,2<br />

ist. Dies gilt für N Teilchen ganz analog. Das Modell unabhängiger Teilchen bedeutet am<br />

Beispiel der zwei Elektronen, die sich im Coulombpotential des Kerns befinden, daß die gegenseitige<br />

Coulombabstoßung klein sein soll. Das Quadrat |ψ1,2 | 2 der Wellenfunktion ψ gibt die<br />

Wahrscheinlichkeit an, Teilchen 1im Energiezustand E1 und Teilchen 2 im Energiezustand E2 zu finden.<br />

Diese Wahrscheinlichkeit interessiert uns eigentlich nicht, ebensowenig wie |ψ2,1 | 2 , d.h. Teilchen 1<br />

in E2 und Teilchen 2 in E1 zu finden. Beide Wellenfunktionen gehen durch Teilchenvertauschung<br />

ineinander über, d.h. wir erhalten den Zustand, in dem die Teilchen vertauscht sind. Wir können<br />

uns vorstellen, daß dieser durch Anwendung eines Operators � P12 auf den ursprünglichen Zustand<br />

hervorgegangen ist. Man nennt ihn Vertauschungsoperator, der nichts anderes bewirkt, als die<br />

Koordinaten der beiden Teilchen zu vertauschen. Mathematisch geschrieben:<br />

�P 12 ψ 1,2 = ψ 2,1<br />

mit � P 2 12 =1.<br />

Es ist offenbar E ges (1, 2) = E ges (2, 1) : Austauschentartung.<br />

Man interessiert sich nun vielmehr dafür, ein Teilchen im Energiezustand E 1 und ein anderes<br />

Teilchen im Energiezustand E 2 zu finden, also nicht ein bestimmtes. Wollen wir nun<br />

die Wahrscheinlichkeit angeben, irgendein Teilchen bei den betreffenden Koordinaten zu finden,<br />

so bietet sich an, durch Linearkombination der beiden orthogonalen Ausdrücke ψ 1,2 und ψ 2,1 (daß<br />

sie orthogonal sind, sei hier vorrausgesetzt und soll nicht gezeigt werden), die richtige Lösung zu<br />

finden. Hierfür gibt es zwei prinzipiell verschiedene Möglichkeiten:<br />

ψ S (1, 2) = 1 √ 2 ψ 1,2 + 1 √ 2 ψ 2,1<br />

ψ A (1, 2) = 1 √ 2 ψ 1,2 − 1 √ 2 ψ 2,1<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

ψ S,A = 1<br />

√ 2 (ψ 1,2 + e iϕ ψ 2,1 )<br />

ϕ = 0 : symmetrisch,ψ S<br />

ϕ = π : antisymmmetrisch,ψ A<br />

Wir haben einmal addiert und einmal subtrahiert und dadurch zwei neue orthogonale Ausdrücke<br />

mit dem Normierungsfaktor 1/ √ 2 gewonnen. Die Orthogonalität läßt sich im Prinzip wiederum<br />

leicht zeigen, soll aber hier nicht durchgeführt werden. Was geschieht nun mit ψ S und ψ A<br />

beim Vertauschen der Teilchen? Bei ψ S ändert sich offenbar gar nichts, diese Wellenfunktion<br />

ist symmetrisch gegenüber dem Teilchenaustausch. Bei ψ A ändert sich das Vorzeichen, deshalb<br />

heißt die Lösung antisymmetrisch (daher die Indizes S und A). In Operatorschreibweise:<br />

�P 12 ψ S (1, 2) = ψ S (2, 1)=ψ S (1, 2)<br />

�P 12ψA (1, 2) = ψA (2, 1)=−ψA (1, 2)<br />

und |ψS (1, 2)| 2 = |ψA (1, 2)| 2 .<br />

.


9.1. Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 177<br />

Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiten haben wir nun die gewünschte Wirkung erzielt, denn |ψ S | 2<br />

und |ψ A | 2 ändern sich offensichtlich nicht beim Austausch der Teilchen. ψ S und ψ A sind Eigenfunktionen<br />

zum Vertauschungsoperator � P 12 , seine Eigenwerte sind ±1 .Da � P 12 reelle Eigenwerte<br />

besitzt, ist er hermitesch, außerdem ist er linear und vertauschbar mit � H, dem Hamiltonoperator.<br />

�P 12 � Hψ1,2 = � P 12 E 12 ψ 1,2 = E 12 � P12 ψ 1,2 = E 12 ψ 2,1<br />

= E 21 ψ 2,1 = � Hψ 2,1 = � H � P 12 ψ 1,2<br />

�P 12 � H = � H � P12 ⇐⇒ [ � P 12 , � H]=0<br />

Damit ist nach Kapitel 8.5 der Eigenwert +1oder −1eines Systems gegen Teilchenvertauschung<br />

eine Erhaltungsgröße. Dies ist eine wichtige Einsicht: Der Symmetriecharakter eines Systems<br />

unter Vertauschung der Koordinaten von zwei Teilchen ist eine Erhaltungsgröße. Daraus folgt<br />

aber der Erhaltungscharakter der Symmetrie, d.h. ein Vielteilchensystem ist in jedem Falle entweder<br />

symmetrisch oder antisymmetrisch bei Teilchenaustausch und behält diese Eigenschaft<br />

auch immer.<br />

Empirisch: Alle Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) haben eine antisymmetrische<br />

Wellenfunktion und gehorchen der Fermi–Dirac–Statistik, alle Teilchen mit ganzzahligem Spin<br />

(einschließlich 0) (Bosonen) haben eine symmetrische Wellenfunktion und gehorchen der Bose–<br />

Einstein–Statistik. Beispiele für Fermionen sind das Elektron, Proton, Neutron und 3He. Repräsentanten für Bosonen sind Photonen, Phononen und 4He. Die Fermi–Dirac und Bose–Einstein–Statistiken sind beide unterschiedlich gegenüber der klassischen<br />

Boltzmann-Statistik (prinzipiell unterscheidbare Teilchen).<br />

Im thermodyamischen Gleichgewicht sind die Besetzungswahrscheinlichkeiten für einen Zustand<br />

E α+ der Energie proportional zu (e kT − 1) −1 E α+ (Bose–Einstein) und zu (e kt +1) −1 (Fermi–Dirac),<br />

wohingegen für die klassische Boltzmann–Statistik die Besetzungswahrscheinlichkeit proportional<br />

E α+ zu (e kt ) −1 ist.<br />

Im folgenden wollen wir als Teilchen nur noch die Elektronen betrachten. Für Elektronen mit<br />

unterschiedlichem Spin (mS = ± 1)<br />

gilt nun die Ununterscheidbarkeit nicht mehr. Wenn wir nun<br />

2<br />

gemäß Kapitel 8.3 den Spin als 4. Koordinate in unsere Wellenfunktion ψ miteinbeziehen, erhalten<br />

wir folgenden Ausdruck ψ1 = ψ(�r 1 ,�s 1 ). Der Index 1umfaßt nun Orts– und Spinquantenzahl,<br />

ψ1,2 heißt nun Teilchen 1am Ort �r 1 mit dem Spin �s 1 und Teilchen 2 am Ort �r 2 mit dem Spin<br />

�s 2 .<br />

Wenn im Potential des Systems kein Term existiert, der Orts– und Spinkoordinaten verbindet,<br />

läßt sich die Wellenfunktion in eine Orts– und eine Spinfunktion separieren: Der Austauschoperator<br />

� P 12 soll nun Orts– und Spinkoordinate von zwei Teilchen vertauschen. Formal:<br />

�P 12 = � P r · � P s<br />

ψ 1,2 = ψ(�r 1 ,�r 2 ) · χ(�s 1 ,�s 2 )<br />

�P 12 ψ 1,2 = � P r ψ(�r 1 ,�r 2 ) · � P s χ(�s 1 ,�s 2 )<br />

wobei � P r und � P s die Operatoren darstellen, die die Orts– bzw. Spinkoordinaten vertauschen.<br />

(vgl. dazu Abbildung 9.2.)<br />

,


178 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

2<br />

1<br />

⇒<br />

1 2<br />

ˆP12<br />

Abb. 9.2: Zum Austauschoperator.<br />

Wenn wir nun aber mit dem Vertauschen der Ortskoordinaten<br />

gleichzeitig den Spin umkippen, sind beide Zustände<br />

nicht mehr unterscheidbar. Nun können wir die Elektronen<br />

als identisch betrachten.<br />

Da die Gesamtwellenfunktion entweder symmetrisch oder antisymmetrisch gegen Teilchenvertauschung<br />

sein muß, gibt es folgende Möglichkeiten:<br />

ψ S (1, 2) =<br />

� ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χ S (�s 1 ,�s 2 )<br />

ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ A (�s 1 ,�s 2 )<br />

, ψ A (1, 2) =<br />

� ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χ A (�s 1 ,�s 2 )<br />

ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ S (�s 1 ,�s 2 )<br />

Da Elektronen Fermionen sind und eine antisymmetrische Wellenfunktion haben, betrachten wir<br />

im Folgenden nur noch ψA (1, 2).<br />

Was bedeutet das für die Spin– und Ortsfunktion?<br />

1. Die Spinfunktionen können wir noch explizit schreiben, da es für jedes der beiden Elektronen<br />

nur die beiden Werte ↑ oder ↓ geben kann, also insgesamt gibt es nun folgende<br />

Möglichkeiten:<br />

χ(↑↑), χ(↑↓), χ(↓↑), χ(↓↓).<br />

Welche Kombinationen sind nun symmetrisch und welche antisymmetrisch bei Teilchenaustausch?<br />

Abb. 9.3: Darstellung der Spinfunktion χ m S<br />

S<br />

für Zweielektronensysteme.<br />

.


9.1. Ununterscheidbarkeit der Teilchen, Symmetrieerhaltung, Fermionen und Bosonen 179<br />

Wie können wir das Abbildung 9.3 verstehen? Betrachtet man die beiden Spinfunktionen<br />

χ1 1 , χ−1 1 (Parallelstellung des Spins), so ergibt sich ein resultierender Gesamtspin S =<br />

s1 + s2 = 1und somit mS = 1 oder −1 . Für den Fall χ0 1 bedenken wir, daß es bei<br />

Parallelstellung des Spins drei z–Komponenten, nämlich 1, 0, −1geben muß. Somit muß<br />

also χ0 1 die z–Komponente mS = 0 zugeordnet werden. Für S = 0 (Antiparallelstellung)<br />

kann mS nur den Wert Null annehmen. Damit erhalten wir eine antisymmetrische und<br />

drei symmetrische Spinfunktionen, für die wir neue Symbole geschrieben haben. Durch<br />

Vertauschen von ↑ und ↓ reproduziert sich χS und χA geht in −χA über.<br />

Zusammenfassend erhalten wir für ein Zweielektronensystem ein<br />

• Triplett-System S =1,mS =1, 0, −1; parallele Spins“ koppeln auf drei Arten.<br />

”<br />

• Singulett-System S = mS =0 antiparallele Spins“ koppeln auf eine Art.<br />

”<br />

2. Jetzt wollen wir die Wahrscheinlichkeitsdichte für die zwei Ortswellenfunktionen ψ S und<br />

ψ A explizit ausrechnen:<br />

ψ S (�r 1 ,�r 2 )= 1<br />

√ 2 (ψ(�r 1 ,�r 2 )+ψ(�r 2 ,�r 1 ))<br />

|ψ S | 2 = 1<br />

2 (|ψ(�r 1 ,�r 2 )|2 + |ψ(�r 2 ,�r 1 )| 2 + |ψ(�r 1 ,�r 2 )ψ(�r 2 ,�r 1 )| + |ψ(�r 2 ,�r 1 )ψ(�r 1 ,�r 2 )|)<br />

Für �r 1 = �r 2 = �r ist: |ψ S | 2 = 1<br />

2 (4 ·|ψ(�r,�r)|2 )=2·|ψ(�r,�r)| 2<br />

ψ A (�r 1 ,�r 2 )= 1 √ 2 (ψ(�r 1 ,�r 2 ) − ψ(�r 2 ,�r 1 ))<br />

|ψ A | 2 = 1<br />

2 (|ψ(�r 1 ,�r 2 )|2 + |ψ(�r 2 ,�r 1 )| 2 −|ψ(�r 1 ,�r 2 )ψ(�r 2 ,�r 1 )|−|ψ(�r 2 ,�r 1 )ψ(�r 1 ,�r 2 )|)<br />

(9.1.1)<br />

und für �r 1 → �r 2 |ψ A | 2 → 0 (9.1.2)<br />

Bei einem System, dessen Ortswellenfunktion antisymmetrisch gegen Teilchenvertauschung<br />

ist, ist die Wahrscheinlichkeit, zwei gleiche Teilchen am gleichen Ort zu<br />

finden, gleich Null; bei einem System mit symmetrischer Ortswellenfunktion ist sie<br />

doppelt so groß wie für zwei unterscheidbare Teilchen.<br />

Elektronen sind Fermionen, haben also antisymmetrische Wellenfunktionen. Das ist von großer<br />

Tragweite, denn dadurch wird verhindert, daß die Ortskoordinaten von zwei Elektronen gleicher<br />

Spinrichtung dieselben sind (→ Pauli–Prinzip).<br />

Damit:<br />

ψ A (1, 2) =<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

ψ S (�r 1 ,�r 2 ) · χ 0 0<br />

ψ A (�r 1 ,�r 2 ) · χ 1,0,−1<br />

1<br />

Singulett<br />

Triplett<br />

Wenn also im Zweielektronensystem die Spins parallel sind (χ 0 0 ), dann sind die Elektronen weit<br />

auseinander, da nach (9.1.2) die Wahrscheinlichkeit |ψ A | 2 für �r 1 −→ �r 2 gegen Null geht. Wenn<br />

.


180 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

die Spins antiparallel sind (χ 1,0,−1<br />

1 ), dann sind die Elektronen dicht beieinander, da nach (9.1.1)<br />

|ψS | 2 sehr groß ist.<br />

Zum Schluß dieses Abschnittes wollen wir zeigen, wie die antisymmetrische Wellenfunktion für ein<br />

System mit N unabhängigen Fermionen dargestellt werden kann. Dazu betrachten wir zunächst<br />

ein Zweielektronensystem.<br />

Sind die beiden Elektronen unabhängig, ist also<br />

E 12 = E 1 + E 2 ↔ ψ 1,2 = ψ 1 (1) · ψ 2 (2) .<br />

Wir müssen jedoch erreichen, daß die Funktion antisymmetrisch wird beim Austausch von irgend<br />

zwei Teilchen. Bei zwei Teilchen hatten wir das bewirkt, indem wir von ψ(1, 2) eine Wellenfunktion<br />

subtrahierten, bei der die beiden Teilchen permutiert waren. Also<br />

ψA (1, 2) = 1 √ [ψ1 (1) · ψ2 (2) − ψ1 (2) · ψ2 (1)] =<br />

2 1 �<br />

�<br />

√ �<br />

2<br />

� ψ1 (1) ψ1 (2)<br />

�<br />

�<br />

�<br />

ψ2 (1) ψ2 (2) � ,<br />

oder allgemein für N Teilchen: Gesucht wird wiederum eine antisymmetrische Linearkombination<br />

ψA (N) mit der Eigenschaft:<br />

�P 12 ψ A (1,...,i,j,...,N) = +ψ A (1,...,j,i,...,N)<br />

= −ψ A (1,...,i,j,...,N)<br />

Das Ganze läßt sich normiert wieder als Determinante schreiben:<br />

ψA (N) = 1<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

√ �<br />

N! �<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Slater–Determinante<br />

ψ 1 (1) ...ψ 1 (N)<br />

.<br />

ψ N (1) ...ψ N (N)<br />

(die Indizes geben den Quantenzustand an, in Klammern stehen die Teilchenkoordinate). Wenn<br />

nun 2 Fermionen eines Systems in allen Quantenzahlen übereinstimmen, so sind 2 Spalten gleich<br />

und ψ A = 0. Dies ist genau der Inhalt des Pauli–Prinzips: Zwei Fermionen des gleichen Systems<br />

können nicht in allen ihren Quantenzahlen übereinstimmen.<br />

9.2 Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip<br />

Wechselwirkungen bei Einelektronensystemen:<br />

1. Coulomb–Wechselwirkung Kern — Elektron<br />

2. Spin–Bahn–Wechselwirkung des Elektrons � Feinstruktur–Aufspaltung<br />

3. Relativistische Elektronen–Masse � Aufhebung der l–Entartung<br />

4. Quantenelektrodynamische Effekte � Lamb–shift<br />

5. Magnetische Wechselwirkung Kern — Elektron � Hyperfeinstruktur<br />

Neu hinzukommende Wechselwirkungen bei Mehrelektronensystemen:


9.2. Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip 181<br />

6. Symmetrie–Effekte (Pauli–Prinzip)<br />

7. Coulomb–Wechselwirkung zwischen den Elektronen<br />

8. Magnetische Wechselwirkung zwischen den Bahnen und den Spins der Elektronen<br />

Der Einfluß von 3., 4. und 8. ist sehr klein, und 5. wird in der Kernphysik behandelt.<br />

Es bleibt 1., 2., 6. und 7. .<br />

Nach den allgemeinen Betrachtungen von Kapitel 9.1wollen wir uns konkret dem Helium–Atom<br />

als Zweielektronensystem im Coulombfeld zuwenden.<br />

Für die Bindungsenergien (Ionisationsenergien) der Elektronen im He–Atom ergeben sich folgende<br />

Werte für das erste Elektron E ionis (1) = 24.5 eV und für das zweite Elektron E ionis (2) =<br />

54.4eV. Für die gesamte Ionisationsenergie also E ionis<br />

ges = Eionis (1) + E ionis (2) = 79 eV.<br />

Im ” Modell unabhängiger Teilchen“ ergibt sich der Wert der Bindungsenergien aus dem Produkt<br />

zweier Wasserstoffwellenfunktionen. Mit Hilfe von (7.5.7) und Z = 2 ergibt sich<br />

E (unabh.)<br />

ges<br />

= E1 + E2 =(−13.6eV)Z 2<br />

�<br />

1<br />

n2 +<br />

1<br />

1<br />

n2 �<br />

= −108.8eV.<br />

2<br />

Dies ist eine ganz schlechte Näherung, der Einfluß der ee–Wechselwirkung ist beträchtlich (∼<br />

30 eV). Die Berechnung ist klassisch nicht möglich.


182 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

Empirisch findet man im He–<br />

Spektrum zwei verschiedene Term–<br />

Systeme, so als ob es zwei Sorten<br />

von He–Atomen gäbe:<br />

• Parahelium: Bei diesem<br />

System koppeln die Spins<br />

zu S = 0, wir erhalten ein<br />

Singulett–System, das also<br />

keine Feinstruktur zeigt.<br />

• Orthohelium: Hier stehen<br />

die Spins parallel zueinander<br />

(S = 1). Der resultierende<br />

Gesamtspin S hat drei Einstellungsmöglichkeiten<br />

zu<br />

einem inneren Magnetfeld B l ,<br />

das mit dem Bahndrehimpuls<br />

der Elektronen verknüpft<br />

ist. Die so resultierende<br />

Spin–Bahn–Kopplung führt<br />

zu einer dreifachen Feinstrukturaufspaltung<br />

aller<br />

Terme mit verschiedenem<br />

Gesamt–Bahndrehimpuls<br />

(also ausgenommen aller S–<br />

Terme). Wir erhalten ein<br />

Triplett–Termschema.<br />

Man beobachtet zusätzlich, daß<br />

E/[ eV]<br />

0.8<br />

eV<br />

−1<br />

−2<br />

−3<br />

−4<br />

−5<br />

−24.6<br />

0<br />

3 1 S 0<br />

2 1 S 0<br />

1 1 S 0<br />

1. der Grundzustand nur im Parahelium vorkommt,<br />

2. 2 1 S 0 und 2 3 S 1 metastabil sind,<br />

(Singulett) (Triplett)<br />

Parahelium<br />

Orthohelium<br />

3 1 P 1<br />

2 1 P 1<br />

3 1D2 3 3S0 2 3 S 1<br />

3 3 P 0,1,2<br />

2 3 P 0,1,2<br />

Interkombinationslinie<br />

Verboten!<br />

3 3 D 1,2,3<br />

Abb. 9.4: Termschema des Helium–Atoms aufgeteilt in die Tripletts des<br />

Ortho–He (die aufgrund der geringen Termaufspaltung in dieser Zeichnung<br />

zusammenfallen)und die Singuletts des Para–He.<br />

3. es keine Übergänge zwischen Ortho– und Parahelium gibt. Dies ist das sogenannte Interkombinationsverbot.<br />

Hier ist nun eine Zwischenbemerkung im Hinblick auf die Notation nötig. Hier sei nun die<br />

spektroskopische Termbezeichnung (vgl. Kapitel 6.7) dem Besetzungszustand gegenübergestellt.<br />

Die Schreibweise (1s) 1 (2p) 1 soll bedeuten: ein Elektron befindet sich im 1s Zustand eines im 2p<br />

Zustand. In der Klammer stehen die Quantenzahlen, die Besetzungszahl steht als Index oben.<br />

Einen solchen Besetzungszustand der Niveaus nennt man eine Konfiguration.<br />

Wir wollen nur einfach angeregte Zustände betrachten, d.h. bei dem nur ein Elektron angeregt<br />

wird.


9.2. Das Helium–Atom; Pauli–Prinzip 183<br />

Konfiguration: (1s) 1<br />

� �� �<br />

↑<br />

Konfiguration: (1s) 1<br />

� �� �<br />

↑<br />

(2s) 1 S=0<br />

� �� �<br />

↓<br />

(2s) 1 S=1<br />

� �� �<br />

↑<br />

←→ Term 2 1 S 0<br />

←→ Term 2 3 S 1<br />

Die Beobachtung, daß es beim He–Atom nur den Zustand 1 1S0 , nicht aber den Zustand 1 3S1 gibt, war für W. Pauli (1925) der Ausgangspunkt für die Formulierung des Pauli–Prinzips:<br />

Die Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden.<br />

Grundzustand : Konfiguration (1s) 1<br />

� �� �<br />

↑<br />

Pauliverbotener Zustand : Konfiguration (1s) 1<br />

� �� �<br />

↑<br />

(1s) 1 S=0<br />

� �� �<br />

↓<br />

(1s) 1 S=1<br />

� �� �<br />

↑<br />

←→ Term 1 1 S 0<br />

←→ Term 1 3 S 1<br />

Wie wir also gesehen haben, erhalten wir für das Helium–Atom zwei Termsysteme. Wie wir<br />

im Kapitel 9.1erörtert haben, können wir sowohl eine symmetrische als auch eine antisymmetrische<br />

Ortswellenfunktion bilden. Dementsprechend gibt es auch beide Möglichkeiten für die<br />

Spinfunktion, d.h. der Spin der Teilchen kann jetzt parallel oder antiparallel stehen. Wenn die<br />

Elektronenspins parallel stehen (S=1) ist also die Ortswellenfunktion antisymmetrisch, und wenn<br />

sie antiparallel stehen (S=0), ist sie symmetrisch.<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

ψA (1, 2) =<br />

⎪⎩<br />

1<br />

√ 2 [ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 )+ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 )] χ A<br />

1<br />

√ 2 [ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 ) − ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 )] χ S<br />

Ort Spin Term<br />

S ↔ A 2 1 S 0<br />

A ↔ S 2 3 S 1<br />

Vom Symmetriecharakter der Ortswellenfunktion hängt aber die wechselseitige Coulombenergie<br />

∆E der beiden Elektronen ab. Im symmetrischen Zustand ist der mittlere Abstand r1,2 der<br />

Elektronen viel kleiner als im antisymmetrischen, wo gleiche Ortskoordinaten zum Verschwinden<br />

der Wellenfunktion führt. Die Folge ist, daß es für die gleiche Konfiguration (1s) 1 (2s) 1 zwei<br />

Zustände unterschiedlicher Energie gibt, wovon der mit S = 0 energetisch höher liegt. Deshalb<br />

liegen also alle Orthohelium–Terme tiefer.<br />

Im Modell unabhängiger Teilchen sind die ψ1 , ψ2 die ungestörten Wasserstoff–Atomwellenfunktionen.<br />

Der Erwartungswert der Energie für die ee–Wechselwirkung ergibt sich in der Quan-<br />

tenmechanik zu<br />

∆E = 〈Eee 〉 = 1<br />

�<br />

2<br />

1<br />

�<br />

2<br />

ψ ∗ A<br />

(1, 2)<br />

e 2<br />

4πε 0 r 12<br />

· ψ A (1, 2)dτ 1 dτ 2 .<br />

e Der Operator“<br />

” 2<br />

wirkt nicht auf den Spin. Wegen der Normierung fallen die Spinfunktio-<br />

4πε0r12<br />

nen heraus, also bleiben die Ortsfunktionen (reell !), damit:<br />

〈Eee 〉 = 1<br />

�<br />

2<br />

1<br />

�<br />

2<br />

e2 [ψ<br />

4πε0r12 2 1 (�r 1 ) · ψ2 2 (�r 2 )+ψ2 1 (�r 2 ) · ψ2 2 (�r 1 )]<br />

± 1<br />

�<br />

2<br />

�<br />

e2 [ψ1 (�r 1 ) · ψ2 (�r 2 ) · ψ1 (�r 2 ) · ψ2 (�r 1 )<br />

1<br />

2<br />

4πε 0 r 12<br />

+ψ 1 (�r 2 ) · ψ 2 (�r 1 ) · ψ 1 (�r 1 ) · ψ 2 (�r 2 )] dτ 1 dτ 2 .


184 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

Das erste Doppelintegral ist einfach die Coulombenergie ∆E Coul für die Wechselwirkung zwischen<br />

den Ladungsdichteverteilungen der Elektronen. Das zweite Doppelintegral muß je nach<br />

Symmetrie addiert oder subtrahiert werden. Wir nennen es Austauschintegral ∆E Aust .<br />

Ortsfunktion S � Spinfunktion A � Para–He 2 1 S 0 ; ∆E = ∆E Coul +∆E Aust<br />

Ortsfunktion A � Spinfunktion S � Ortho–He 2 3 S 1 ; ∆E = ∆E Coul − ∆E Aust<br />

Die numerische Rechnung liefert ∆EAust ≈ 0.4 eV, d.h. ein Unterschied von 2 1S0 −2 3S1 ≈ 0.8eV,<br />

also wie beobachtet. (vgl. Abbildung 9.4.) Die Austauschenergie ist die reale zusätzliche Energie,<br />

die sich als Konsequenz aus der Nichtunterscheidbarkeit der Elektronen ergibt.<br />

Entsprechend liefert die Rechnung für den Grundzustand näherungsweise:<br />

�<br />

∆E = 〈Eee 〉 = ψ ∗ S (�r 1 ,�r 2 )<br />

e2 �<br />

ψS (�r 1 ,�r 2 ) ≈ 34 eV<br />

4πε 0 r 12<br />

mit ψS (�r 1 ,�r 2 )= 1 √ (ψ<br />

2 1 (�r 1 )ψ2 (�r 2 )+(ψ1 (�r 2 )ψ2 (�r 1 )). Daraus ergibt sich die korrigierte Grundzustandsenergie<br />

Eges = E (unabh)<br />

ges +∆E =(−108.8 + 34) eV = −74.8eV. Dies ist nur noch um 5%<br />

falsch.<br />

Zusammenfassend erhalten wir:<br />

Para–He: Singulett Ortho–He: Triplett<br />

ψA (1, 2) = ψS (�r 1 ,�r 2 ) · χA Elektronen näher beieinander �<br />

ψA (1, 2) = ψA (�r 1 ,�r 2 ) · χS Elektronen weiter weg �<br />

Abstoßung größer � schwächer gebunden. Abstoßung schwächer � stärker gebunden.<br />

Zwischen den beiden Termsystemen herrscht ein strenges Interkombinationsverbot. Ferner gibt<br />

es keinen Übergang zwischen einem der beiden 2S–Niveaus und dem 1S–Grundzustand, weil das<br />

die Drehimpulsauswahlregel ∆l = ±1verletzen würde. Beide Niveaus sind also metastabil.<br />

9.3 LS–Kopplung<br />

Wir betrachten nun Mehrelektronensysteme. Da die betroffenen Elektronen miteinander wechselwirken,<br />

hängt die Addition der einzelnen Drehimpulse � l i und �s i zum Gesamtdrehimpuls � J von<br />

gewissen Regeln ab. Für alle leichten und mittelschweren Atome gilt, daß die Bahndrehimpulse<br />

� li der einzelnen Elektronen durch elektrostatische Kräfte zu einem einzigen Bahndrehimpuls � L<br />

gekoppelt sind und daß sich die einzelnen Spins �s i davon unabhängig zu einem Gesamtspin � S addieren.<br />

Dieses Schema wird LS–Kopplung oder Russel–Sounders–Kopplung genannt. Betrachten<br />

wir als konkretes Beispiel wieder unser Helium–Atom.<br />

Vergleicht man den Energieunterschied entsprechender Ortho–Para–He–Zustände mit der Spin–<br />

Bahn–Aufspaltung, so sieht man:<br />

∆E(Ortho–Para) ≈ 0.8eV ≫ ∆E(Spin–Bahn–WW) ≈ 10 −4 eV .


9.3. LS–Kopplung 185<br />

Die (S = 0)– und (S =1)–Zustände sind energetisch also deutlich getrennt. Das ist der Grund<br />

dafür, daß in der Tat die Spins sich zunächst unabhängig vom Bahndrehimpuls zum Gesamtspin<br />

�S = �s 1 + �s 2 addieren. Aufgrund der � l � l– und �s�s–Kopplung ist die Spin–Bahn–Kopplung eines<br />

einzelnen Elektrons (�j = �l + �s) völlig aufgehoben.<br />

Erinnern wir uns nun an dieser Stelle an Kapitel 9.1. Dort war voraussgesetzt worden, daß die<br />

Spin–Bahn–Kopplungsenergie ∆E( �l�s) vernachlässigbar klein sein soll, um die Wellenfunktion ψ<br />

in Orts– und Spinfunktion zu separieren. d.h. explizit: ψA (1, 2) = ψS,A (�r 1 ,�r 2 ) · χA,S (�s 1�s 2 ). Das<br />

heißt die Eigenwerte von � Pr und � Ps sind gute Quantenzahlen. Solange also ∆E( �l�s) ≪ ∆EAust gilt, liegt LS–Kopplung vor.<br />

Wir erhalten bei der LS–Kopplung folgendes System der Werte der Quantenzahlen L, S und J:<br />

Abb. 9.5: Zur LS–Kopplung.<br />

� l1 + � l 2 = � L mit | � L| = � L(L +1)�<br />

L = l 1 + l 2 ,l 1 + l 2 − 1,...,|l 1 − l 2 |<br />

�s 1 + �s 2 = � S mit | � S| = � S(S +1)�<br />

s1 = 1<br />

2 m 1 = ± s1 2<br />

s2 = 1<br />

2 m 1 = ± s2 2<br />

d.h. Für S =0istJ = L und für S =1istJ = L +1,L,L− 1.<br />

Nomenklatur der Terme:<br />

Term n 2S+1 L J<br />

⎫<br />

⎪⎬<br />

⎪⎭<br />

�<br />

1, 0<br />

mS =<br />

−1, 0<br />

� S =1, 0<br />

�L + � S = � J mit | � J| = � J(J +1)�<br />

J = L + S, L + S − 1,...,|L − S|<br />

n : Hauptquantenzahl des am höchsten<br />

angeregten Elektrons<br />

L : Termcharakter: S, P , D, ...Term<br />

2S + 1: Multiplizität<br />

J : Gesamtdrehimpuls<br />

Zu den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten gehören auch die Auswahlregeln für die Dipolstrahlung.<br />

Sie ergeben sich streng durch Untersuchung der Dipolmatrixelemente für Zustände mit verschiedener<br />

Drehimpulskopplung. Es resultieren folgende Regeln:<br />

Allgemein gilt: ∆J = 0, ±1(0 �→ 0)<br />

∆m J = 0, ±1(0 �→ 0für ∆J =0)<br />

für LS–Kopplung: ∆L = 0, ±1(0 �→ 0)<br />

∆S = 0<br />

∆l = ±1 für das übergehende Elektron. Wir erhalten<br />

einen elektrischen Dipolübergang.<br />

Wäre ∆S �= 0,sofände ein Spin–Umklappprozeß statt. Wir erhielten dann einen magnetischen<br />

.


186 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

Dipolübergang. Für alle elektrische Dipolübergänge gilt: Paritätsänderung (vgl. dazu Kapitel<br />

3.3). Die Schreibweise 0 �→ 0sollheißeneinÜbergang von 0 nach 0 ist nicht zulässig.<br />

9.4 Schalenstruktur, allgemeine Regeln<br />

Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, welche Elektronenkonfiguration in Atomen möglich<br />

sind, welche besonders stabil sind und wie die Elektronen eines Atoms auf die Quantenzustände<br />

verteilt sind.<br />

Während die verschiedenen Elektronen in einem komplizierten Atom sicherlich auch miteinander<br />

wechselwirken, kann man einen Großteil der atomaren Struktur durch die einfache Annahme<br />

verstehen, daß sich jedes Elektron in einem konstanten mittleren Kraftfeld bewegt. Für ein<br />

gegebenes Elektron ist dieses Feld näherungsweise gleich dem elektrischen Feld der Kernladung<br />

Ze, vermindert um die teilweise Abschirmung durch die anderen Elektronen, die näher am<br />

Kern sind. Alle Elektronen, die dieselbe Hauptquantenzahl n besitzen, befinden sich im Mittel<br />

ungefähr im gleichen Abstand vom Kern. Diese Elektronen wechselwirken daher mit nahezu<br />

dem gleichen elektischen Feld und haben ähnliche Energien. Daher sagt man, daß diese Elektronen<br />

derselben atomaren Schale angehören. Schalen werden durch Großbuchstaben nach dem<br />

folgenden Schema bezeichnet:<br />

n = 1 2 3 4 5 ...<br />

K L M N O ...<br />

Die Energie eines Elektrons in einer bestimmten Schale hängt außerdem in einem gewissen Maße<br />

von seiner Bahndrehimpulsquantenzahl l ab, obwohl diese Abhängigkeit nicht so stark ist wie<br />

die Abhängigkeit von n.<br />

Elektronen, die in einer Schale denselben Wert von l haben, befinden sich in derselben Unterschale.<br />

Die Besetzungszahlen der Schalen und Unterschalen ergeben sich aus der in Kapitel 7.5.3<br />

erörterten Bedingung, daß zu jedem Wert n der Hauptquantenzahl n−1verschiedene Werte l der<br />

Bahndrehimpulsquantenzahl gehören und zu jedem Wert l wiederum 2l+1verschiedene magnetische<br />

Quantenzahlen m l .Für jede Kombination dieser Zahlen sind zwei verschiedene magnetische<br />

Spinquantenzahlen m s möglich. Damit sind zu jeder Hauptquantenzahl 2n 2 Zustände besetzbar,<br />

d.h. jede Periode enthält 2n 2 Elemente. Für die Hauptquantenzahlen: 2, 3, 4, 5 ergeben sich<br />

daraus die Periodenlängen: 2, 8, 32, 50. Mit dem Pauli–Prinzip erhalten wir folgende Tabelle:


9.4. Schalenstruktur, allgemeine Regeln 187<br />

n<br />

1<br />

l<br />

0<br />

ml 0<br />

ms ±1/2<br />

Elektronenzahl<br />

2<br />

Konfiguration<br />

1s<br />

Name der Schale<br />

2 K–Schale<br />

2 0 0 ±1/2 +2<br />

1 ±1/2 2s2p6L–Schale 1 0 ±1/2 +3· 2<br />

−1 ±1/2<br />

3 0 0 ±1/2 +2<br />

1 ±1/2<br />

1 0 ±1/2 +3· 2<br />

−1 ±1/2<br />

2 ±1/2 3s2p6d10 M–Schale<br />

1 ±1/2<br />

2 0 ±1/2 +5· 2<br />

−1 ±1/2<br />

−2 ±1/2<br />

Es zeigt sich, daß ein Abschluß von Teilschalen, das heißt eine Besetzung aller Zustände<br />

mit gleichem l bei gegebenem n zu besonders stabilen Elektronenkonfigurationen führt. Das<br />

wird verständlich, wenn wir uns klar machen, daß für abgeschlossene, d.h. maximal besetzte<br />

Teilschalen sich die Drehimpulse und magnetische Momente zu Null addieren.<br />

• Hundsche Regeln:<br />

1. Aufgefüllte Schalen tragen weder zu L noch zu S bei. Die Bahndrehimpulse und Spins<br />

der Elektronen der aufgefüllten Schalen kompensieren sich also gegenseitig.<br />

2. Zustände mit der höchsten Multiplizität liegen energetisch am tiefsten. Der Grund<br />

dafür liegt in der gegenseitigen Abstoßung der atomaren Elektronen. Wegen dieser<br />

Abstoßung ist die Energie des Atoms um so größer, je weiter die Elektronen im Atom<br />

voneinander entfernt sind. Die Elektronen in derselben Unterschale mit demselben<br />

Spin müssen verschiedene ml –Werte besitzen und werden daher durch Wellenfunktionen<br />

beschrieben, deren räumliche Verteilungen verschieden sind. Elektronen mit<br />

parallelen Spins sind daher im Raum weiter voneinander entfernt, als wenn sie antiparallele<br />

Spins hätten; daher ist diese Anordnung die stabilere.<br />

3. Bei der Realisierung des größten Wertes von S werden unter Beachtung des Pauli–<br />

Prinzips die Elektronen so über die magnetischen Subzustände einer l–Schale verteilt,<br />

daß der Betrag der resultierende z–Komponente von � L, | � Lz | = � ml� = mL�,ein Maximum wird. Die resultierende Gesamt–Drehimpulsquantenzahl L ist damit gleich<br />

|mL |: L = |mL |. Bei gleicher Multiplizität liegen deshalb die Zustände energetisch<br />

umso tiefer, je größer L ist. Für �l 1 � �l 2 erhalten wir den tiefsten Zustand, weil er die<br />

kleinste Coulombabstoßung hat. Die quantenmechanische Behandlung beschreibt im<br />

Grunde das gleiche, nämlich die Deformation der Ladungswolke des einen Elektrons<br />

durch das andere. Auch hier ergibt sich die geringste Coulombenergie für das größte<br />

L.<br />

4. Bei Feinstrukturtermen, d.h. Berücksichtigung der Spin–Bahn–Kopplung, gilt: In<br />

” normalen“ Multipletts liegen die Terme mit der kleinsten Quantenzahl J energetisch


188 Kapitel 9. Mehrelektronensysteme<br />

am tiefsten, sonst ist es umgekehrt. ” Normal“ heißt hier, daß die Teilschalen weniger<br />

als zur Hälfte besetzt sind.<br />

• Die Landésche Intervallregel für Feinstrukturterme besagt, daß der Abstand zweier Terme<br />

jeweils proportional zum größeren der beiden Gesamtdrehimpulse der Terme ist.<br />

Die Aufspaltungsenergie ergibt sich in Analogie zu der in Kapitel 6.5 berechneten Gle-<br />

ichung. Es gilt also: ∆E J = F (r)( � S · � L), wobei F (r) ∼ 1<br />

r<br />

· dV (r)<br />

dr . Die dort angestellten<br />

Überlegungen gelten sinngemäß auch für Mehrelektronensysteme mit LS–Kopplung. Die<br />

Funktion F (r) kann nicht mehr analytisch in einfacher Form ausgedrückt werden. Wir<br />

erhalten<br />

∆E J ∼〈 � L · � S〉 =[J(J +1)− L(L +1)− S(S +1)].<br />

Für den Abstand zweier benachbarter Feinstrukturterme ergibt sich nun:<br />

∆E J+1 − ∆E J ∼ (J +1)(J +2)− J(J +1)=2(J +1).<br />

• Zum Schluß sein noch eine ganz allgemeine Regel vermerkt:<br />

Die Regel der alternierenden Multiplizität, nach der bei aufeinanderfolgenden Atomen mit<br />

je um eine Einheit steigenden Z gerade und ungerade Multiplizitäten bei der Feinstruktur<br />

alternieren:<br />

– Einelektronensysteme: Dublett<br />

– Zweielektronensysteme: Singulett und Triplett<br />

– Dreielektronensysteme: Dublett und Quartett ...<br />

9.5 jj–Kopplung, Innere Schalen<br />

Die Spin–Bahn–Kopplungsenergie steigt mit Z 4 ! (vgl. (6.6.1)). Also ist bei schweren Atomen<br />

∆E (ee–Wechselwirkung) ≫ ∆E( � l · �s) nicht mehr erfüllt. Jetzt ist die Ladung des Kerns groß<br />

genug, so daß eine Spin–Bahn–Wechselwirkung zustande kommt, die mit den elektrostatischen<br />

Wechselwirkungen zwischen den � l i und den �s i vergleichbar wird, und das LS–Kopplungsschema<br />

beginnt zu versagen. (Ein ähnliches Versagen tritt in starken äußeren Magnetfeldern (von der<br />

Größenordnung 10 T) auf, wodurch der Paschen–Back–Effekt in den Atomspektren hervorgerufen<br />

wird (vgl. Kapitel 10.5)). Dabei koppeln die Gesamtdrehimpulse �j i der einzelnen Elektronen<br />

direkt zum Gesamtdrehimpuls � J des Atoms, eine Situation, die als jj–Kopplung bezeichnet<br />

wird, weil jedes �j i durch eine Quantenzahl j beschrieben wird.


9.5. jj–Kopplung, Innere Schalen 189<br />

Es gilt<br />

�s i + � l i = �j i =⇒ � J = � �ji .<br />

Ein Beispiel für fast reine jj–Kopplung ist bei Blei (Pb) die<br />

Konfiguration 6p 7s. Für reine jj–Kopplung wäre das p–<br />

Elektron j 1 =3/2oder1/2, für das s–Elektron j 2 =1/2, so daß<br />

die möglichen Werte 3/2 ± 1/2 = 2 oder 1und 1/2 ± 1/2 =1<br />

oder 0 sind. Die starke Spin–Bahn–Wechselwirkung (∼ Z 4 )<br />

spaltet die Zustände j 1 =3/2 und j 1 =1/2 weit auf. Jeder<br />

dieser Zustände besitzt eine Dublettfeinstruktur infolge der<br />

elektrostatischen Kopplungsenergie (jj–Kopplungsenergie) des<br />

zweiten Elektrons mit j 2 =1/2.<br />

1 P1<br />

1 P012<br />

L-S j-j (3/2, 1/2)1<br />

C<br />

2p3s<br />

Si<br />

3p4s<br />

Ge<br />

4p5s<br />

Sn<br />

5p6s<br />

Pb<br />

6p7s<br />

(3/2, 1/2)2<br />

(1/2, 1/2)1<br />

(1/2, 1/2)0<br />

Abb. 9.7: Energieterme des Zustandes (n, p) (n +<br />

1,s)der Elemente der 4. Kolonne des periodischen<br />

Systems. Man sieht den Übergang von der LS–<br />

Kopplung zur jj–Kopplung.<br />

Abb. 9.6: Zur jj–Kopplung.<br />

Es tritt die gleiche Anzahl von Feinstrukturzuständen<br />

auf, nur in anderer Anordnung.<br />

Natürlich gilt zur Kennzeichnung der Terme jetzt<br />

die LS–Notation nicht mehr, denn ein resultierender<br />

Bahndrehimpuls ist hier nicht mehr definiert. Es<br />

gibt deshalb keine Termsymbole S, P , D usw..<br />

Man führt aus diesem Grund eine jj–Notation ein,<br />

wobei die Terme nach dem Muster (j 1 ,j 2 ) J bezeichnet<br />

sind. Eine reine jj–Kopplung tritt selten<br />

auf. Häufig dagegen die intermediäre Kopplung:<br />

Übergänge von der LS– zurjj–Kopplung.<br />

Wie stark der LS–Anteil vorhanden ist, läßt sich aus der Untersuchung der Feinstrukturintervalle<br />

bestimmen.<br />

Je weniger streng die reine LS–Kopplung ist, desto weniger streng gilt das Interkombinationsverbot<br />

∆S = 0. Bei Quecksilber beobachtet man eine starke Interkombinationslinie 6 3P → 6 1S. Dies bedeutet aber nicht, daß es sich hier um einen magnetische Dipolübergang handelt, sondern<br />

um die schon starke jj–Beimischung!<br />

Für die Übergänge bei reiner jj–Kopplung gelten folgende Auswahlregeln:<br />

Allgemein: ∆J = 0, ±1(0 �→ 0)<br />

∆m J = 0, ±1(0 �→ 0für ∆J =0)<br />

Für die jj–Kopplung: ∆j = 0, ±1 für ein Elektron,<br />

∆j = 0 für alle anderen.<br />

Für die inneren Elektronen schwerer Atome ist die jj–Kopplung in Reinkultur erfüllt: Röntgenspektren<br />

zeigen jj–Feinstruktur (vgl. dazu Kapitel 6.8).


Kapitel 10<br />

Atome in äußeren Feldern<br />

10.1 Normaler Zeeman–Effekt<br />

Bringt man eine Lichtquelle in ein Magnetfeld, so spalten sich die Spektrallinien auf. Dies ist<br />

eine Folge der Aufspaltung der Terme: Es wird die m–Entartung aller Energieterme aufgehoben.<br />

Bei einem schwachen Magnetfeld erhalten wir den Zeeman–Effekt. Schwach“ heißt, daß die<br />

”<br />

vom äußeren Feld bewirkte magnetische Energie Wpot viel kleiner sein soll als die Spin–Bahn–<br />

Kopplungsenergie VLS . Den klassisch erklärbaren Fall nennt man normalen Zeeman–Effekt.<br />

Klassisch ist er genau dann erklärbar, wenn kein Spin beteiligt ist, d.h. S = 0, also bei Singulett–<br />

Termsystemen. Die Aufspaltung im starken Feld heißt Paschen–Back–Effekt und wird in Kapitel<br />

10.3 behandelt.<br />

Die klassische Erklärung des normalen Zeemaneffektes erfolgte durch Lorentz (vgl. dazu Kapitel<br />

3.4).<br />

Wenden wir uns nun der quantenmechanischen Erklärung zu. Wir werden gleich sehen, daß<br />

der klassische anomale“ Effekt eigentlich der quantenmechanische Normalfall ist, und sich<br />

”<br />

umgekehrt der normale Effekt in Ausnahmesituationen ergibt. Trotzdem hat natürlich der Erfolg<br />

der Lorentzschen Theorie außerordentlich viel dazu beigetragen, die Atomspektren auf die<br />

Eigenschaften von Elektronenzuständen zurückzuführen.<br />

Quantenmechanisch erwartet man beim Einschalten eines äußeren � B–Feldes eine magnetische<br />

Zusatzenergie Wpot . Nun soll B so klein sein, daß Wpot ≪ VLS ist, d.h. wir beschränken uns<br />

auf die Linienaufspaltung im schwachen Feld“. Dann darf W<br />

” pot als Störung behandelt werden,<br />

die die Spin–Bahn–Wechselwirkung von � L und � S zu � J nicht beeinträchtigt. Das resultierende<br />

magnetische Dipolmoment �µ J stellt sich nun quantisiert in Richtung zu dem von außen angelegten<br />

Feld � B ein. Wir erhalten die magnetische Zusatzenergie nach (6.1.1):<br />

W pot = E B = −�µ J · � B.<br />

Das resultierende magnetische Moment �µ J ist gegeben durch<br />

�µ J = �µ L + �µ S = − µ B<br />

�<br />

190<br />

� �<br />

g �<br />

LL + gSS�


10.2. Anomaler Zeeman–Effekt 191<br />

Wir behandeln zunächst den Normalen Zeeman–Effekt, betrachten also nur Singulettzustände,<br />

bei denen S = 0 und J = L ist. Damit<br />

�µ J = − µ B<br />

� gL · � L = �µ L<br />

Die magnetische Zusatzenergie ergibt sich somit zu<br />

E B = −�µ L · � B = g L µ B<br />

�L<br />

� � Lz B = gL µ B<br />

� B = gL µ BmLB Zu jeder der 2L + 1Einstellmöglichkeiten von �µ L im Magnetfeld gehört ein verschiedener<br />

Energiewert des ” richtunggequantelten“ Atoms. Nun unterscheiden sich die benachbarten<br />

Termkomponenten im Magnetfeld um<br />

Abb. 10.1: Termaufspaltung von L =2.<br />

Abb. 10.2: Termaufspaltung und Übergänge beim normalen<br />

Zeeman–Effekt. Jeder der drei Gruppen zusammenfallender<br />

Übergänge entspricht eine der beobachteten Triplettkomponenten.<br />

∆E B = g L µ B B<br />

∆E B = µ B B da g L =1.<br />

Wir erhalten also eine äquidistante<br />

Aufspaltung.<br />

Für spinlose Atome (Singulett–Terme)<br />

ist die magnetische Aufspaltung unabhängig<br />

von L = J!<br />

Damit ergibt sich nebenstehende Termaufspaltung<br />

(vgl. Abb. 10.2) und<br />

mit<br />

∆J =0, ±1;<br />

∆m J =0, ±1<br />

die Zahl der Übergänge.<br />

Die Übergänge zwischen den Komponenten<br />

verschiedener Terme mit gleichen<br />

∆m J fallen energetisch zusammen,<br />

weil die Aufspaltung gleich groß<br />

ist.<br />

Wie hängt nun die klassische (Erklärung vgl. Kapitel 3.5) und die quantenmechanische Erklärung<br />

zusammen?<br />

Wir erinnern uns an die Winkelfunktionen beim H–Atom (vgl. Abb. 7.21).<br />

Ein ∆m =0–Übergang entspricht Dipoländerung in z–Richtung. Wir beobachten eine linear<br />

polarisierte Linie.<br />

Ein ∆m =1–Übergang entspricht Dipoländerung in der x–y Ebene. Diese Linien sind zirkular<br />

polarisiert.<br />

10.2 Anomaler Zeeman–Effekt<br />

Beim anomalen Zeeman–Effekt betrachten wir auch alle Nicht–Singulett–Terme, so daß<br />

�J = � L + � S ,also� J �= � L


192 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />

und deshalb im Gegensatz zu Kapitel 10.1<br />

�µ J = − µ B<br />

�<br />

Abb. 10.3: Vektordiagramm zur<br />

Berechnung des Zeeman–Effekts.<br />

� �<br />

g �<br />

lL + gsS� = − µ � �<br />

B �L +2S� =<br />

�<br />

−µ � �<br />

B �S + J�<br />

mit gL = 1und gS =2.<br />

�<br />

Die beiden Vektoren � L und � S koppeln zu � J unter dem Einfluß<br />

von V LS . Dies ist die stärkere der beiden magnetischen Wechselwirkungen.<br />

Sie übt ein Drehmoment auf die beiden Vektoren<br />

�L und � S aus, so daß deren Erwartungswerte, genau wie der<br />

analoge klassische Vektor, um die Richtung der Bewegungskonstanten<br />

� J präzedieren, mit einer Frequenz ω L = V LS /�, die<br />

durch die Wechselwirkungsenergie gegeben ist. Das ist eine relativ<br />

schnelle Präzessionsbewegung. Die Kopplung der Drehimpulsvektoren<br />

ist in Abb. 10.3 nach oben hin aufgetragen. Nach<br />

unten sind in umgekehrter Richtung die zugehörigen Vektoren<br />

der magnetischen Momente eingezeichnet.<br />

Da nun wegen des g–Faktors des Elektrons der Spinvektor � S<br />

mit dem Faktor 2 zu �µ J beiträgt, steht zwar �µ L in Richtung<br />

von � L, und �µ S in Richtung von � S,nichtaber�µ J in Richtung<br />

von � J, sondern hat die eingezeichnete Richtung und Länge.<br />

Da � L und � S mit fester Phase gekoppelt sind, präzediert auch �µ J schnell um die (schwach gezeichnete)<br />

Richtung von � J. Die Komponente von �µ J in Feldrichtung zeigt daher eine schnelle<br />

Variation und wir können zur Berechnung der magnetischen Energie den zeitlichen Mittelwert<br />

�µ J über viele Präzessionsumläufe nehmen. Er ist, wie die Figur zeigt, gleich der Projektion von<br />

�µ J auf die Richtung von � J. Es ist also �µ J der effektive Vektor, auf den � B wirkt. Das resultierende<br />

Drehmoment führt zu einer Präzession von � J um die z–Achse, die aber wegen E B ≪ V LS nun<br />

vergleichsweise langsam ist. Die hier verwendete Näherung für ein schwaches Feld besteht also<br />

darin, daß man während eines langsamen Umlaufs von � J um � B über die vielen schnellen Umläufe<br />

von �µ J um � J mittelt. Das gemittelte magnetische Moment hat den Betrag:<br />

�<br />

�µ J = |�µ J |·cos �µ J , � �<br />

J · � J<br />

| � J| = |�µ J |<br />

= − µ B<br />

�J 2<br />

�<br />

( � L +2� S)( � L + � �<br />

S)<br />

�<br />

�µ J<br />

|�µ J | · � J<br />

· � J = − µ B<br />

�J 2<br />

| � J |<br />

�<br />

· � J<br />

| � 1<br />

=<br />

J| J 2<br />

�<br />

�µ J · � �<br />

J · � J<br />

�<br />

L 2 + � L · � S +2 � L · � S +2S 2� � J.<br />

Mit � J = � L + � S � J 2 = L2 + S2 +2� L · � S folgt:<br />

�µ J = − µ B<br />

�J 2<br />

�<br />

L 2 +2S 2 +3 1<br />

2 (J 2 − L 2 − S 2 =<br />

�<br />

) �J<br />

− µ B<br />

�J 2<br />

�<br />

J 2 + 1<br />

2 (J 2 + S 2 − L 2 =<br />

�<br />

) �J<br />

− µ �<br />

B<br />

1+<br />

�<br />

J 2 + S2 − L2 2J 2<br />

�<br />

�J<br />

Wir gehen nun zum Erwartungswert über, und erhalten, indem wir wie früher statt der Opera-


10.3. Paschen–Back–Effekt 193<br />

toren die Eigenwerte einsetzen, also �2J(J + 1) statt � J 2<br />

usw. . Damit<br />

〈 �µ J 〉 = − µ �<br />

�<br />

B J(J +1)+S(S +1)− L(L +1)<br />

1+ 〈<br />

�<br />

2J(J +1)<br />

� �� �<br />

=gJ �= Landéscher g–Faktor<br />

� J 〉 (10.2.1)<br />

〈�µ J 〉 = − µ BgJ � 〈 � J 〉 (gemitteltes magnetisches Moment).<br />

Wird nun das Magnetfeld eingeschaltet, so präzediert � J um � B. Die Zusatzenergie ist dann<br />

E B = −〈�µ J 〉· � B = −〈�µ J 〉 z B,<br />

wobei wir 〈 � J〉· � B = 〈J z 〉B gesetzt haben. Mit Obigem folgt dann:<br />

E B = µ B g J<br />

� 〈J z 〉B = µ B g J<br />

� m J �B<br />

E B = µ B g J m J B .<br />

Wiederum spaltet jeder Term in 2J +1 äquidistante ” Magnetterme“ auf. Weiter hängt die<br />

Aufspaltung vom Landé–Faktor g J ,derfür jedes Niveau verschieden sein kann, ab. Es ist:<br />

∆E B = µ B g J B<br />

Abb. 10.4: Anomaler Zeeman–Effekt. Aufspaltung der Linien D1 und D2 des neutralen Na–Atoms.<br />

Dies ist das Aufspaltungsbild des Na D–Feinstruktur–Dubletts in 6+4 Linien. Die Polarisationen<br />

und die Ausbreitungsrichtungen von π und σ–Licht verhalten sich wie beim normalen Zeeman–<br />

Effekt.<br />

Für den normalen Zeeman–Effekt (S =0)wirdgJ = 1 aus (10.2.1) und es gelten die Ausdrücke<br />

des letzten Abschnitts.<br />

10.3 Paschen–Back–Effekt<br />

Wie wir in Kapitel 10.1 erwähnt hatten, erhalten wir im ” starken“ Magnetfeld eine andere<br />

Aufspaltung, es tritt der Paschen–Back–Effekt auf. Die Frage ist nun, was ist ein ” starkes“


194 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />

Magnetfeld? Da die Spin–Bahn–Kopplungsenergie V LS mit wachsender Kernladungszahl (vgl.<br />

(6.6.1)) stark zunimmt, ist der Fall des starken Feldes bei leichten Atomen schon bei sehr viel<br />

kleineren Magnetfeldern erfüllt, als bei schwereren Atomen. So beträgt zum Beispiel die Spin–<br />

Bahn–Aufspaltung bei den Natrium–D–Linien 17.2cm −1 , bei den entsprechenden Linien des<br />

Lithium–Atoms 0.3cm −1 . Die Zeeman–Aufspaltung im äußeren Feld beträgt in beiden Fällen<br />

rund 1cm −1 bei einem äußeren Feld von 3 Tesla. Dieses Feld ist also für Lithium ein ” starkes“,<br />

und für Natrium noch ein ” schwaches“ Feld.<br />

B = 3 T = 30 kGauß<br />

V LS :3.7 · 10 −5 eV �=0.3cm −1 2.1 · 10 −3 eV �=17.2cm −1<br />

∆E B :1.7 · 10 −4 eV �=1.4cm −1 1.2 · 10 −4 eV �=1cm −1<br />

Li Na<br />

Abb. 10.5:<br />

Na.<br />

P nach S–Übergänge bei Li und<br />

” starkes“<br />

” schwaches“<br />

Feld Feld<br />

Auf jeden Fall ist ∆EB ∼ B. Wennnun∆EB≈VLS ist, geht das Feinstrukturbild verloren, der<br />

Zeeman–Effekt geht über in den Paschen–Back–Effekt.<br />

Am einfachsten ist wieder das Extrem: Die Energie ∆EB im äußeren Feld soll sehr groß sein gegen VLS , also<br />

ωB ≫ ωLS . Dann wird nämlich durch das Magnetfeld die<br />

LS–Kopplung gelöst, so daß nicht mehr � L und � S gemeinsam<br />

um � J und dieses um die Feldrichtung präzessieren.<br />

�L und � S sind nun vielmehr entkoppelt und präzessieren<br />

nach Abb. 10.6 einzeln um die Feldrichtung, d.h. die<br />

Wellenfunktionen faktorisiert wieder in eine Raumfunktion<br />

Y M L und eine Spinfunktion χ(� S).<br />

Da wir jetzt keine LS–Kopplung zu berücksichtigen<br />

brauchen, ergibt sich die z–Komponente von �µ direkt,<br />

µ z = − µ B<br />

� (Lz +2Sz ),<br />

z<br />

Sz �S<br />

Lz �µ S<br />

�L<br />

und daraus ergibt sich die entsprechende magnetische<br />

Zusatzenergie<br />

�µ L<br />

EB = −µ zB = µ B<br />

� B(Lz +2Sz )=µ BB(mL +2mS ) .<br />

Somit beträgt die Aufspaltungsenergie ∆EB der Spektrallinien<br />

∆E B = µ B · B (∆m L +2∆m S ) .<br />

Abb. 10.6: Zum Paschen–Back–Effekt.<br />

Für optische Übergänge gelten wiederum Auswahlregeln, nämlich wie bereits früher ∆m L =0, ±1<br />

für π– bzw.σ–Übergänge. Da elektrische Dipolstrahlung nicht mit Spinumkehr verbunden ist,<br />

gilt ferner ∆m S = 0. Es ergibt sich ein Aufspaltungstriplett wie beim normalen Zeeman–Effekt.<br />

Man erhält im Paschen–Back–Gebiet (und im Übergangsgebiet) wiederum die gleiche Anzahl<br />

von Termen, wie beim normalen Zeeman–Effekt, aber in anderer Kopplung, d.h. mit anderen<br />

Quantenzahlen.


10.4. Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische Atome, Starkeffekt 195<br />

Abb. 10.7: Übergang vom anomalen<br />

Zeeman–Effekt zum Paschen–Back–<br />

Effekt. Beim Zeeman–Effekt gibt das<br />

Produkt mJ · gJ die relative Weite<br />

der Aufspaltung an; beim Paschen–<br />

Back–Effekt wird sie von der Summe<br />

(mL +2mS)bestimmt.<br />

Das Verhalten im Übergangsgebiet beschreibt die sogenannte Breit–Rabi–Formel. Sie soll hier<br />

nicht angegeben werden. Als wichtige Regel gilt: Terme mit gleichem |m| kreuzen nicht.<br />

Für Atome mit reiner jj–Kopplung und insbesondere mit intermediärer Kopplung (LS–jj) sind<br />

die Verhältnisse im Magnetfeld kompliziert.<br />

10.4 Dia– und Paramagnetismus, Di– und Parelektrische<br />

Atome, Starkeffekt<br />

Einen ersten Hinweis für die Deutung der dia– und paramagnetischen Erscheinungen lieferte die<br />

durch die Erfahrung gesicherte Tatsache, daß Edelgase ausnahmslos diamagnetisch und Alkalidämpfe<br />

paramagnetisch sind. Das äußerste Elektron in der Hülle eines Alkali–Atoms ist stets<br />

ein s–Elektron mit Bahndrehimpuls l = 0 und dem Spindrehimpuls �s, derbezüglich eines Magnetfeldes<br />

nur die beiden Komponenten sz = ± 1<br />

2� besitzen kann. Auch das damit verbundene<br />

magnetische Moment besitzt in Feldrichtung nach der Tabelle in Kapitel 6.11 nur zwei mögliche<br />

Komponenten:<br />

µ sz = ±µ B .<br />

Diese Komponenten besitzt auch das Atom als Ganzes, wie aus dem Stern–Gerlach–Versuch und<br />

der Aufspaltung der s–Niveaus in einem Magnetfeld hervorgeht.<br />

Deshalb hat der Atomrumpf wegen der abgeschlossenen Edelgaskonfiguration kein magnetisches<br />

Moment und besitzt auch keinen Drehimpuls. Dies wird durch den Stern–Gerlach–Versuch<br />

bestätigt. Diamagnetische Atome haben im Grundzustand J =0(L =0,S = 0) und zeigen für<br />

alle Übergänge zum Grundzustand im Magnetfeld das normale Zeeman-Triplett.<br />

Bei allen Atomen induziert ein äußeres Magnetfeld ein magnetisches Dipolmoment: �µ ind ∼−� B.<br />

Für das einzelne Atom bedeutet das eine Zusatzenergie<br />

W ind ∼ B 2 .


196 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />

Wegen der Proportionalität zu B 2 nennt man diesen Effekt auch den quadratischen Zeeman–<br />

Effekt. Der Effekt wird umso größer sein, je größer der magnetische Fluß und damit die<br />

Atomfläche (d.h. r 2 ∼ n 4 )ist.<br />

W ind ∼ n 4 B 2 .<br />

Paramagnetische Atome sind solche Atome mit J �= 0 im Grundzustand.<br />

Im äußeren Magnetfeld tritt die Zeeman–Aufspaltung des Grundzustandes auf. Wegen der<br />

unterschiedlichen Besetzung der Zeeman–Terme im thermischen Gleichgewicht erhält man ein<br />

makroskopisches, magnetisches Dipolmoment. Dies wird bei starken Magnetfeldern, u.a. bei<br />

Rydbergzuständen beobachtet.<br />

Wie steht es mit der Wechselwirkung in elektrischen Feldern? (Stark–Effekt) Der Effekt ist meist<br />

sehr klein, so daß seine Beobachtung hohe Felder und hohe spektrale Auflösung erfordert. Die<br />

Quantenmechanische Behandlung des Stark–Effekts ist sehr viel komplizierter als diejenige des<br />

Zeeman–Effekts, und da der Stark–Effekt für die Untersuchung der Eigenzustände eines Atoms<br />

nicht von Wichtigkeit ist, wollen wir hier nur kurz darauf eingehen. Hier beträgt die Zusatzenergie<br />

Aber wegen<br />

ist<br />

�<br />

〈�µ el 〉 = 〈e�x〉 = e<br />

W el = −�µ el · � E.<br />

W el = �µ el · � E =0.<br />

ψ ∗ (x)�xψ(x)dx =0<br />

Der Erwartungswert 〈�µ el 〉 verschwindet für Zustände definierter Parität, d.h. für Nicht–l–<br />

entartete Zustände, da dann ψ ∗ (x) · ψ(x) eine gerade Funktion in x ist. Da x natürlich eine<br />

ungerade Funtion ist, verschwindet dann das Integral � +∞<br />

−∞ dx.<br />

Wenn �µ el = 0 ist gibt es keine atomare Parelektrizität, (parelektrische Stoffe bestehen aus<br />

Molekülen, die entartet sind), also gibt es auch keine Energieaufnahme W el , die proportional<br />

zu � E ist. Aber ein Atom kann im elektrischen Feld polarisiert werden: Dielektrizität. Dann ist<br />

�µ el ∼ � E und W el = −�µ · � E ∼ E 2 . Die Terme spalten dann im elektrischen Feld auf. Dies nennt<br />

man den quadratischen Stark–Effekt. In der quantenmechanischen Beschreibung ergibt sich<br />

Wel = e 2 �<br />

2<br />

E<br />

ij<br />

|〈ψ j �xψ i 〉| 2<br />

E j − E i<br />

d.h. es müssen zwei Terme unterschiedlicher Parität ψ i und ψ j verbunden werden: Induziertes<br />

Dipolmoment! Eine Ausnahme ist der Wasserstoff. Hier sind die Terme bekanntlich j–entartet,<br />

d.h. 2 s 1/2 und 2 p 1/2 haben die gleiche Energie, d.h. die Wellenfunktionen haben keine definierte<br />

Parität, folglich kann ein permanentes elektrisches Dipolmoment existieren: Linearer Stark–<br />

Effekt.<br />

Ähnlich ist es auch mit den polaren Molekülen z.B. H 2 O: Entartete Zustände.<br />

,


10.5. Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz, Optisches Pumpen 197<br />

10.5 Elektronenspinresonanz, Doppelresonanz,<br />

Optisches Pumpen<br />

Als Elektronenspinresonanz (ESR) bezeichnet man Übergänge zwischen den durch verschiedene<br />

Werte der magnetischen Quantenzahl m charakterisierten Energiezustände von Elektronen. Die<br />

Übergangsfrequenzen liegen bei den verwendeten Magnetstärken meistens im Bereich der Zentimeterwellen<br />

(Mikrowellen), im Gegensatz zum in Kapitel 10.1 besprochenene Zeeman–Effekt,<br />

bei dem die Übergänge im optischen Spektralbereich zu beobachten sind, d.h. bei denen sich<br />

nicht nur die magnetische Quantenzahl ändert.<br />

Paramagnetische Atome (J �= 0) zeigen im<br />

Grundzustand eine Zeeman–Aufspaltung im<br />

äußeren Feld. Der Termabstand beträgt<br />

∆E B = µ B · g J · B.<br />

Klassisch bedeutet dies, daß der Atomkreisel<br />

�J um die z–Richtung mit der Larmorfre-<br />

quenz:<br />

ωL = |�µ|| � B|<br />

| � J| = g �<br />

J J(J +1)µBB � =<br />

J(J +1)�<br />

∆E<br />

�<br />

Abb. 10.8: Aufspaltung im äußeren Feld.<br />

= γB (unabhängig von α) präzidiert.<br />

Wird jetzt senkrecht zu � B ein HF–Feld mit derselben Frequenz ωL = ∆E<br />

eingestrahlt, so<br />

�<br />

weitet sich der Winkel α auf und � J vollführt eine Spiralbahn. Denn stimmt die Frequenz ω des<br />

HF–Feldes mit der Präzessionsfrequenz ωL überein, so kommt es ständig zu einer Vergrößerung<br />

bzw. zu einer Verkleinerung des Neigungswinkels α, je nachdem ob das Feld in Phase oder in<br />

Gegenphase mit der Präzessionsbewegung ist.<br />

Im klassischen Kreiselmodell bewegt sich die Spitze des Kreisels auf einer Spiralbahn aus einer<br />

stabilen in eine andere stabile Lage. Im quantenmechanischen Bild hat der Spin nur diskrete<br />

stationäre Einstellmöglichkeiten im zeitlich konstanten Magnetfeld. In diesem Bild führt der<br />

Spin unter dem Einfluß des Wechselfeldes � B Übergänge zwischen diesen disketen Energieniveaus<br />

aus, d.h. er klappt von der einen Einstellrichtung in die Andere.<br />

Die ESR wurde 1945 von Zavoisky zum erstenmal beobachtet: Der Nachweis geschieht mittels<br />

Absorption aus dem Klystron–Mikrowellenfeld.<br />

Anwendung:<br />

• Zur Präzisionsbestimmung des g–Faktors des Elektrons,<br />

• zur Messung des g–Faktors von Atomen im Grundzustand zum Zwecke der Termanalyse,<br />

• zur Untersuchung von paramagnetischen Zuständen in Festkörpern: Leitungselektronen,<br />

paramagnetische Ionen in Kristallen u.ä. .<br />

Die unterschiedliche Polarisation der verschiedenen Zeeman–Komponenten kann man benutzen,<br />

um auch ohne die erforderliche spektrale Auflösung, oder wenn die Linienbreite zu groß ist, doch<br />

selektiv einzelne Zeeman–Niveaus des angeregten Zustands zu bevölkern. Dies ist der einfachste<br />

Fall des optischen Pumpens, dem wir uns zum Schluß noch zuwenden werden.


198 Kapitel 10. Atome in äußeren Feldern<br />

Doppelresonanzmethode:<br />

Abb. 10.9: Zur Doppelresonanz: Es<br />

sind die drei Zeeman–Subniveaus des angeregten<br />

Zustand P1 dargestellt.<br />

Durch Einstrahlung von π–Licht werden Atome in den m J =<br />

0 Anregungszustand gehoben. Die so angeregten Atome<br />

emittieren wiederum π–Licht. Durch Einstrahlung eines<br />

HF–Feldes senkrecht zu � B kann man die Zeeman–Niveaus<br />

m =1,m = −1bevölkern. Das aus diesen Niveaus emittierte<br />

Licht ist aber zirkular polarisiert. Das Auftreten der<br />

zirkular polarisierten Emission kann somit zum Nachweis<br />

der Übergänge ∆m = ±1dienen.<br />

Nachweis der Resonanz also durch Beobachtung optischer<br />

Signale: Man erreicht dadurch eine wesentlich größere<br />

Empfindlichkeit, weil man die Hochfrequenzquanten mit<br />

kleiner Quantenenergie durch die viel energiereicheren<br />

Lichtquanten nachweist. Dadurch wird erst die Messung<br />

der Spinresonanz in einem kurzlebigen Anregungszustand<br />

möglich.<br />

Das Doppelresonanzverfahren führt schließlich zur Methode des optischen Pumpens. DasPrinzip<br />

des optischen Pumpens kann gut am Beispiel der Natrium–D–Linien erläutert werden, z.B. am<br />

Übergang vom Grundzustand 2 S 1/2 zum Anregungszustand 2 P 1/2 .<br />

Abb. 10.10: Optisches Pumpen am Übergang 2 S 1/2–<br />

2 P1/2 des Na–Atoms.<br />

In einem äußeren Magnetfeld sind beide Terme<br />

in die Zeeman–Terme m J = ±1/2 aufgespalten.<br />

Wenn nun das Anregungslicht zirkular polarisiert<br />

ist, wird beispielsweise mit σ + –Übergängen von<br />

m J = −1/2 im Grundzustand der Anregungszustand<br />

mit m J = +1/2 bevölkert. Emission aus<br />

diesem Zustand erfolgt entweder als σ + –Licht in<br />

den Ausgangsterm 2 S 1/2 , m J = −1/2 oderaber<br />

als π–Licht in den Grundzustandsterm mit m J =<br />

+1/2. Insgesamt wird durch diesen Pumpzyklus<br />

die Besetzung der Terme m J = +1/2 im<br />

Grundzustand auf Kosten derer mit m J = −1/2<br />

erhöht. Ein Ausgleich kann durch Relaxationsprozesse,<br />

z.B. durch Stöße der Natrium–Atome<br />

untereinander oder mit der Wand erfolgen. Wenn<br />

diese Prozesse nicht rasch genug sind, kann man<br />

durch Einstrahlen von Mikrowellen Übergänge in<br />

dem Grundzustand induzieren.<br />

THE END


Index<br />

Absorption, 75<br />

Absorptionskanten, 129<br />

Absorptionskoeffizient, 57<br />

Absorptionsspektrum, 47<br />

Alkali–Atome, 97<br />

Atome<br />

dielektrische, 195<br />

parelektrische, 195<br />

Atommasse<br />

absolute, 2<br />

Atommodell<br />

Bohr, 89<br />

Rutherford, 89<br />

Sommerfeld, 93<br />

Thomson, 53<br />

Atomspektren, 47<br />

Aufenthaltswahrscheinlichkeit, 141<br />

Aufspaltungsenergie, 171<br />

Auger–Effekt, 101, 102<br />

Auger–Elektronen, 102<br />

Austrittsarbeit, 79<br />

Auswahlregel, 99<br />

Bahndrehimpuls, 119<br />

Bahndrehimpulsquantenzahl, 95, 115<br />

Balmerformel, 50<br />

barometrische Hohenformel, 4<br />

Bohrsche Hauptquantenzahl, 94<br />

Bohrscher Radius, 91<br />

Bohrsches Korrespondenzprinzip, 93<br />

Bohrsches Magneton, 112, 113<br />

Bohrsches Wasserstoff–Atom, 90<br />

Bolzmannscher Energieverteilungssatz, 4<br />

Bosonen, 177<br />

Bremsstrahlung, 46, 100<br />

Charakteristische Strahlung, 100<br />

Clebsh–Gordan–Koeffizienten, 171<br />

Compton–Effekt, 81<br />

199<br />

Comptonwellenlange, 81<br />

Coulombpotential, 158<br />

De Broglie–Beziehung, 134<br />

Diamagnetismus, 111, 195<br />

Dielektrizitat, 196<br />

Diffusionsstrom, 8<br />

Dipol<br />

elektrischer, 41<br />

magnetischer, 110<br />

Dipolmoment<br />

elektrisches, 41<br />

magnetisches, 109<br />

Dipolstrahlung, 41<br />

Dirac–Gleichung, 172<br />

Dispersion, 140<br />

anomale, 57<br />

normale, 57<br />

Doppelbrechung, 59<br />

Doppelfokussierung, 24<br />

Doppelresonanz, 197<br />

Doppelresonanzmethode, 198<br />

Drehimpulskopplungskoeffizienten, 171<br />

Drehimpulsoperator, 166<br />

Dualismus Welle–Teilchen, 134<br />

Dublett, 100, 128<br />

Eigendrehimpuls, 117<br />

Eigenfunktion, 161<br />

Eigenwert, 161<br />

Eigenwertgleichung, 162<br />

Einsteinkoeffizienten, 76<br />

Elektro–optischer Effekt, 62<br />

Elektron<br />

Impuls, 135<br />

Ruhenergie, 82<br />

Elektroneninterferenz, 134<br />

Elektronenspinresonanz, 197<br />

Elementarladung, 21


200 Index<br />

Emission<br />

erzwungene, 76<br />

spontane, 75<br />

Emissionsspektren, 47<br />

Emissionsvermogen<br />

spektrales, 71<br />

Energiedichte, 35, 70, 134<br />

mittlere, 36<br />

Energieeigenfunktionen, 167<br />

Energieflusdichte, 35, 40, 135<br />

Energiestromvektor, 35<br />

Energieverlust<br />

spezifischer, 108<br />

Erwartungswert<br />

quantenmechanischer, 164<br />

Eulersche Wellengleichung, 33<br />

Extinktion, 63<br />

Extinktionskoeffizient, 63<br />

Faradaysches Gesetz, 9<br />

Feinstrukturaufspaltung, 119, 171<br />

Feinstrukturkonstante<br />

Sommerfeld, 91, 96<br />

Fermionen, 177<br />

freie Weglange, 19<br />

Gesamtdrehimpulsvektor, 121<br />

Gesamtenergiedichte, 34<br />

Geschwindigkeitsfokussierung, 23<br />

g–Faktor, 113, 118<br />

Gleichverteilungssatz, 72<br />

Gruppengeschwindigkeit, 141<br />

gyromagnetsiches Verhaltnis, 110<br />

Hamilton–Gleichungen, 90<br />

Hamilton–Operator, 162<br />

Hamiltonfunktion, 73, 90, 162<br />

harmonischer Oszillator, 150<br />

Hauptquantenzahl, 115, 158<br />

Heisenbergsche Unscharferelation, 143<br />

hermitesche Operatoren, 164<br />

hermitesche Polynome, 151<br />

Hohlraum–Strahlung, 69<br />

Hundsche Regeln, 187<br />

Impuls<br />

generalisierter, 90<br />

Impulsdichte, 36<br />

Impulsspektrum, 143<br />

Impulsstromdichte, 36<br />

Impulsunscharfe, 150<br />

Impulswahrscheinlichkeit, 150<br />

Intensitat, 35<br />

Intensitatsverteilung<br />

spektrale, 68<br />

Interferenz, 134<br />

Interferenzgitter, 48<br />

Interferometer, 49<br />

Interkombinationsverbot, 182<br />

Ionisationsenergie, 21<br />

j–Entartung, 126<br />

jj–Kopplung, 188<br />

Kernkrafte, 89<br />

Kernmitbewegung, 92<br />

Kernradius, 89<br />

kinetische Gastheorie, 3<br />

Kirchhoffscher Strahlungssatz, 69<br />

Klein–Gordan–Gleichung, 172<br />

Kugelflachenfunktion, 156<br />

l–Entartung, 93<br />

Aufhebung, 97<br />

Laguerresche Polynome, 158<br />

Lamb–Shift, 123, 127<br />

Landésche Intervallregel, 188<br />

Landéscher g–Faktor, 113, 193<br />

Larmorfrequenz, 55, 109, 110, 197<br />

Larmorsche Strahlungsformel, 41, 46<br />

Legendresche Polynome, 155<br />

l–Entartung, 159<br />

magnetisches Moment, 115<br />

magnetisches Spinmoment, 119<br />

Magnetquantenzahl, 116<br />

Massenabsorptionskoeffizient, 103<br />

Massenspektroskopie, 22<br />

Maxwell–Relation, 34<br />

Maxwellscher Strahlungsdruck, 35<br />

Mittelung<br />

raumliche , 70<br />

Moseley–Gesetz, 101<br />

Mottformel, 130<br />

Mottstreuung, 130<br />

Multiplizität<br />

alternierende, 188<br />

Multiplizitat, 185


Index 201<br />

Multiplizitat, 127<br />

Nebenquantenzahl<br />

Sommerfeld, 95<br />

Nomenklatur der Terme, 127, 185<br />

Normierungsbedingung, 143<br />

Operatorgleichung, 161<br />

optische Aktivitat, 60<br />

optisches Pumpen, 197, 198<br />

Orthohelium, 182<br />

Ortsfunktion, 178<br />

Oszillator<br />

harmonischer, 150<br />

Parabelmethode, 23<br />

Parahelium, 182<br />

Paramagnetismus, 112, 195<br />

Parelektrizitat, 196<br />

Paritat, 173<br />

Paschen–Back–Effekt, 193<br />

Pauli–Prinzip, 180, 183<br />

Phasenraum, 73<br />

quantisierter, 93<br />

Photoeffekt, 79<br />

Photon<br />

Dichte, 135<br />

Drehimpuls, 77<br />

Energie, 135<br />

Spin, 77<br />

Teilchenstromdichte, 135<br />

Plancks Quantisierungsvorschrift, 73<br />

Polarisation, 131<br />

elekrische, 56<br />

Polarisationseffekte, 59<br />

Polarkoordinaten, 153<br />

Poyntingvektor, 135<br />

Prazessionsbewegung, 110<br />

Prazessionsfrequenz, 110<br />

Primarstrahlung, 55<br />

Prismen–Spektrograph, 47<br />

Quantendefekt, 100<br />

Quantenfluktuation, 82<br />

quantenmechanische Erhaltungsgrose, 172<br />

quantenmechanische Erwartungswerte, 138,<br />

145<br />

Quantenzahl j, 121<br />

Quantenzahlen, 133<br />

Quantisierungsbedingung, 90, 94<br />

Radialgleichung, 154<br />

Radialquantenzahl, 158<br />

Ramsauer–Effekt, 137<br />

Relaxationsprozesse, 198<br />

Resonanzfluoreszenz, 57<br />

retardierte Potentiale, 38<br />

retardierte Zeit, 38<br />

Richtungsfokussierung, 24<br />

Richtungsquantelung, 115, 116<br />

Ritzsches Kombinationsprinzip, 52<br />

Rontgenabsorption, 129<br />

Rontgenbremskontinuum, 80<br />

Rontgenemissionslinien, 128<br />

Rontgenfluoreszenz, 129<br />

Rotationsdispersion, 62<br />

Rutherfordsche Streuformel, 86, 130<br />

Rutherfordstreuung<br />

anomale, 89<br />

Rydberg<br />

Atome, 93<br />

Formel, 92<br />

Konstante, 50, 91<br />

Zustande, 93<br />

Schrodingergleichung<br />

zeitabhangige, 171, 172<br />

zeitunabhangige, 146, 172<br />

Schwarzer Korper, 68<br />

Sedimentationsgleichgewicht, 5<br />

Sekundarstrahlung, 55<br />

Serienformeln fur Natrium, 99<br />

Singulett, 179<br />

Slater–Determinante, 180<br />

Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, 91,<br />

96<br />

Sommerfeldsche Nebenquantenzahl, 95<br />

Spektralapparate, 47<br />

Spektrale Strarke, 139<br />

Spektraler Verschiebungssatz, 52<br />

Spektrales Absorptionsvermogen, 69<br />

spektrales Emissionsvermogen, 68<br />

Spektrum<br />

charakteristisches, 80<br />

wasserstoffahnliches, 52<br />

spezifische Masse, 25<br />

Spin, 116, 117


202 Index<br />

Spin–Bahn<br />

–Kopplung, 119<br />

–Kopplungsenergie, 123<br />

–Kopplungskonstante, 123<br />

Spinfunktion, 169, 178<br />

Spinquantenzahl, 118<br />

Stark–Effekt, 52<br />

quadratischer, 196<br />

Stefan–Boltzmann–Gesetz, 75<br />

Strahlungscharakteristik<br />

Dipol, 42<br />

Strahlungsdampfung, 69<br />

Strahlungsformel<br />

Planck, 77<br />

Rayleigh–Jeans, 72<br />

Wien, 72, 85<br />

Suszeptibilitat<br />

elektrische, 56<br />

Teilchengeschwindigkeit, 141<br />

Teilchenvertauschung, 176<br />

Thermisches Gleichgewicht, 70<br />

Thomasfaktor, 120<br />

Thomasprazession, 120<br />

Triplett, 179<br />

Ubergangswahrscheinlichkeit<br />

induzierte, 77<br />

Uberlappungsintegral, 163<br />

Ultraviolettkatastophe, 72<br />

Unscharferelationen<br />

Energie–Zeit, 79, 143<br />

Ort–Impuls, 79<br />

Ununterscheidbarkeit der Teilchen, 175<br />

Valenzelektronen, 97<br />

Vektorpotential, 36<br />

Verschiebungstrom, 8<br />

Versuch von<br />

Franck und Einsporn, 105<br />

Franck und Hertz, 104<br />

Lenard, 102<br />

Vertauschungsrelation, 165<br />

Warmestrahlungsspektren, 68<br />

Wasserstoff<br />

Feinstrukturformel, 126<br />

Wasserstoff–Spektrum, 50<br />

wasserstoffahnliches Spektrum, 52<br />

Wellenfunktion<br />

normierte, 141<br />

Wellengleichung, 134, 146<br />

Wellenpakete, 138<br />

Wienscher Verschiebungssatz, 75<br />

Winkelgleichung, 154<br />

Winkelverteilung, 16<br />

Wirkungsfunktion, 73, 90<br />

Wirkungsquerschnitt, 17<br />

Zeeman–Effekt, 54<br />

anomaler, 191<br />

normaler, 190<br />

quadratischer, 195<br />

Zusatzenergie<br />

magnetische, 194<br />

Zustandsdichte<br />

spektrale, 83<br />

Zustandsfunktion, 162


Literaturverzeichnis<br />

[1] Bergmann–Schäfer. Lehrbuch der <strong>Experimentalphysik</strong>, Band <strong>III</strong>, Optik, 8. Auflage, Walter<br />

de Gruyter Verlag 1987.<br />

[2] Feynman. Vorlesungen über Physik, Band I und II, 1. Auflage, Oldenbourg Verlag München,<br />

Wien 1987.<br />

[3] Gerthsen–Kneser–Vogel. Physik, 16. Auflage, Springer Verlag 1989.<br />

[4] Gönnenwein. Experimantalphysik, Band 2, Vieweg–Verlag.<br />

[5] Gradman–Wolter. Grundlagen der <strong>Atomphysik</strong>, 2. Auflage, Akademische Verlagsgesellschaft<br />

Wiesbaden 1979.<br />

[6] Haken–Wolf. Atom und Quantenphysik, 3. Auflage, Springer Verlag.<br />

[7] Hellwege. Einführung in die Physik der Atome, 4. Auflage, Springer Verlag Berlin Heidelberg<br />

New York 1974.<br />

[8] Huber–Staub. Physik <strong>III</strong>/1 <strong>Atomphysik</strong>, Ernst Reinhardt Verlag München 1970.<br />

[9] T. Mayer–Kuckuk. <strong>Atomphysik</strong>, 3. Auflage, B. G. Teubner Stuttgart 1985.<br />

[10] Schpolski. <strong>Atomphysik</strong> I, VEB Berlin 1983.<br />

[11] Sommerfeld. Atombau und Spektrallinien, Band I, 5. Auflage, Vieweg & Sohn Braunschweig<br />

1931.<br />

[12] Staudt. <strong>Experimentalphysik</strong> I, Attempto Verlag Tübingen.<br />

[13] Staudt. <strong>Experimentalphysik</strong> II, Attempto Verlag Tübingen.<br />

203


Konstanten<br />

Größe Formel– Zahlenwert Einheit relative<br />

zeichen Unsicherheit<br />

Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c 299 792 458 ms−1 Null<br />

magnetische Feldkonstante µ0 4π × 10−7 NA−2 =12.566370614 ... 10<br />

Null<br />

−7NA−2 elektrische Feldkonstante, 1/µ0c2 ε0 8.854187817 ... 10−12 Fm−1 Null<br />

Planksches Wirkungsquantum h 6.6260755 (40)10−34 Js 6.0 × 10−7 4.1356692 (12)10−15 eV s 3.0 × 10−7 h/2π � 1.05457266 (63)10 −34 Js 6.0 × 10 −7<br />

6.5821220 (20)10 −16 eV s 3.0 × 10 −7<br />

Elementarladung e 1.60217733 (49)10 −19 C 3.0 × 10 −7<br />

e/� 2.41798836 (72)10 14 AJ −1 3.0 × 10 −7<br />

Bohr–Magneton, e�/2me µB 9.2740154 (31)10 −24 JT −1 3.4 × 10 −7<br />

Feinstrukturkonstante, 1<br />

2 µ0ce 2 /h α 7.29735308 (33)10 −3 4.5 × 10 −8<br />

Rydberg–Konstante, 1<br />

2 mecα2 /h R∞ 10 973 731, 534 (13)m −1 1.2 × 10 −9<br />

R∞c 3.2898419499 (39)10 15 Hz 1.2 × 10 −9<br />

Bohr–Radius, α/4πR∞ a0 0.529177249 (24)10 −10 m 4.5 × 10 −8<br />

Ruhemasse des Elektrons me 9.1093897 (54)10 −31 kg 5.9 × 10 −7<br />

5.48579903 (13)10 −4 u 2.3 × 10 −8<br />

0.51099906 (15)MeV 3.0 × 10 −7<br />

spezifische Elektronenladung −e/me −1.75881962 (53)10 11 Ckg −1 3.0 × 10 −7<br />

Compton–Wellenlänge des Elektrons, h/mec λC 2.42631058 (22)10 −12 m 8.9 × 10 −8<br />

λC/2π = αa0 = α 2 /4πR∞ ¯λC/2π 3.86159323 (35)10 −13 m 8.9 × 10 −8<br />

(klassischer)Radius des Elektrons, α 2 a0 re 2.81794092 (38)10 −15 m 1.3 × 10 −7<br />

magnetisches Moment des Elektrons µe 928.47701 (31)10−26 JT−1 3.4 × 10−7 µe/µB 1.001159652193 (10)1.0 × 10−11 µe/µN 1838.282000 (37)2.0 × 10−8 g–Faktor des Elektrons ge 2.002319304386 (20)1 × 10−11 Avogadro–Konstante NA 6.0221367 (36)10 23 mol −1 5.9 × 10 −7<br />

Faraday–Konstante F 96 485.309 (29)C mol −1 3.0 × 10 −7<br />

Universelle Gaskonstante R 8.314510 (70)J mol −1 K −1 8.4 × 10 −6<br />

atomare Masseneinheit, 1u = mu = 1<br />

12 m(12 C) u 1.6605402 (10)10 −27 kg 5.9 × 10 −7<br />

204

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