auf der gesamten Rückfront, der dem Sockel- und Erdgeschoß vorgelagertund noch auf die Südwestseite herumgeführt ist. Ihm sind die beidenursprünglichen gedeckten Veranden mit der Gartenterrasse zum Opfergefallen. Der großen, seit der Erbauung nur durch zwei kleine Fledermausgaubenakzentuierten und mit einem Dachreiter bekrönten rückseitigenDachfläche wurden fünf kleine Flächenfenster eingefügt. Im übrigen ist auchauf der Nordostseite ein neuer Eingang entstanden, mit dem gleichen modischenVordach wie auf der Fassadenseite. Alles in allem kommt man nichtumhin, die Veränderungen <strong>im</strong> Hinblick auf die ursprüngliche Gestalt <strong>des</strong>Gebäu<strong>des</strong> als stilwidrig zu bezeichnen.Als Stil der Anlage – in ihrem komplexen Ganzen wie in ihrer Detailfülle –gilt allgemein der Jugendstil. Die amtliche städtische Tafel Daten zurGeschichte der Stadt Homburg, an Gebäude 34 (früher 5) straßenseitig angebracht,vermerkt: „1906-1909 Errichtung der Pfälzischen Heil- undPflegeanstalt <strong>im</strong> Jugendstil“, die kleinere Tafel daneben, die allein auf dieMedizinische Fakultät und die <strong>Universität</strong>skliniken bezogen ist: „1906-1909<strong>im</strong> Jugendstil als Pfälzische Heil- und Pflegeanstalt nach den Plänen vonH. Ullmann erbaut“. Auch für den Verfasser <strong>des</strong> Zeitschriften-Beitrags„Das Lan<strong>des</strong>krankenhaus Homburg-Saar“, der jahrelang an dieser Institutionals Psychiater tätig war und sich als erster mit der „sehr bemerkenswertenArchitektur” der Anlage beschäftigt hat, steht außer Zweifel, daß es sich hierum Jugendstil handelt, der „konsequent ... von den Großformen derGebäudeumrisse bis in die kleinsten baulichen Details, sowie bis in jede dervielfachen Schmuckformen durchgehalten worden ist". 7)Bevor die Stilfrage <strong>im</strong> einzelnen diskutiert werden soll, ist festzuhalten, daßdieser Aufsatz – auf den Beiträgen in der Denkschrift basierend – aus medizinischerSicht die Voraussetzungen darlegt, die zur spezifischen Formfindung<strong>im</strong> Ganzen und <strong>im</strong> Detail hinsichtlich der Bauaufgabe Heil- und Pflegeanstaltgeführt haben. Der Psychiater weiß, daß sich in seiner Wissenschaft gegenEnde <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts ein bedeutender Umbruch in bezug auf die Behandlungvon Geisteskranken anbahnte, daß man Besserung vom möglichstnormalen Ambiente erwartete, von der Lage der Anstalt inmitten der Natur,von Gebäuden ohne den bis dato üblichen Gefängnischarakter.So baute man für die Ärmsten der Armen – eine in entsprechenden Kontextenhäufig gebrauchte Metapher für psychisch Kranke – Pavillons. Der HomburgerAnstalt waren <strong>im</strong> Deutschen Reich schon mehrere vorausgegangen, beidenen die innovative therapeutische Idee in ein dezentralisiertes Pavillonsystemumgesetzt worden war. Allerdings sei die Homburger Anlage <strong>im</strong>Vergleich mit den anderen „geradezu einmalig“ und von psychiatrischer Seiteex cathedra als Vorbild genannt worden. 8)Den Kern der ursprünglichen Homburger Anlage bilden 24 Krankengebäude.Sie sind in der Weise angeordnet, daß <strong>im</strong> Wegenetz der Anlage jeweils dieHälfte der Gebäude beidseits einer Ostwest-Achse, der sogenannten Geschlechterachse,steht: Im nördlichen Teil die Gebäude für die weiblichen, <strong>im</strong>südlichen die für die männlichen Kranken, wobei in diesen Teilen jeweils zweiGebäude bezüglich Baumassen, Geschoßzahl, Grundriß bzw. <strong>Raum</strong>struktur,Gestaltung <strong>des</strong> Umfel<strong>des</strong> nahezu identisch sind. Diesem Kern sind Verwaltungs-,Wirtschafts- und Werkstättengebäude, Wohnhäuser <strong>des</strong> Anstaltspersonals,ein Festsaalgebäude, eine Kirche und an der Peripherie ein Pförtnerhaus,ein Epidemiehaus, ein Leichenhaus mit Friedhof, ein Gutshof undGärtnerei sowie eine Kegelbahn mit Spielplatz nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeitzugeordnet – insgesamt 25 Gebäude.Gebäude 74– Frontansicht– mittlerer, neuer Zugang– rechter, alter ZugangAufnahmen 198576Die Gebäude stehen nicht in Reih und Glied in einem rektangulären StraßenundWegenetz, sondern folgen dem natürlichen Lauf der alten Feldwege <strong>im</strong>Kirrbergertal. Felder und Wiesen <strong>des</strong> Baugelän<strong>des</strong> wurden einbezogen, dieäußere Umgrenzung der Anlage bildet Wald. Die Freiräume zwischen denGebäuden sind großzügig bemessen, insbesondere werden die Krankengebäudeund Wohnhäuser mit Gärten und gelegentlich auch Brunnenanlagenversehen. Natur n<strong>im</strong>mt innerhalb der Anstaltsgrenzen ein Vielfaches der be-
auten Fläche ein. Die Idee <strong>des</strong> englischen Landschaftsgartens scheint hier inein therapeutisches Konzept übernommen.Der „Lageplan der II. pfälzischen Heil- und Pflegeanstalt bei Homburg“, derDenkschrift am Schluß eingefügt, veranschaulicht nicht nur das Verhältnis Natur– Bebauung, sondern zeigt darüber hinaus eine städtebauliche Grundfigur,die nach dem Prinzip der <strong>im</strong>itatio naturae gebildet scheint – die Form einesBlattes, die etwa an Ginkgo biloba denken läßt. Geschwungene, vegetabile,Symmetrieachsen frei umspielende Formen, wie sie der Lageplan der HomburgerAnstalt zeigt, gehören zu den Grundzügen <strong>des</strong> Jugendstils. Insofernkann gesagt werden, daß die von dem jungen Kgl. Bauamtsassessor Ullmannstammende Gesamtanlage ein hervorragen<strong>des</strong> Beispiel für die architektonischeAvantgarde zu Beginn <strong>des</strong> Jahrhunderts ist. Es ist müßig, sich vorzustellen,wie ein altgedienter Kgl. Regierungs- und Kreisbaurat die gestellteBauaufgabe gelöst hätte. 9)Bei der Betrachtung der städtebaulichen Konzeption ist noch ein andererAspekt zu berücksichtigen: Die Industriegesellschaft <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts,namentlich in England, war in ein Stadium gelangt, in dem die Lasten, Nöteund auch Beschädigungen der Arbeitenden als Folge der industriellenArbeitsprozesse nicht nur zunahmen, sondern auch Grenzen der Belastbarkeiterkennen ließen. Am Ende <strong>des</strong> Jahrhunderts war es ein Gebot der Zeit, hierAbhilfe zu schaffen und über Verbesserungen der Arbeits- bzw. Lebensbedingungeneingehend nachzudenken. England war es dann auch, in demdie Konzeptionen der Gartenstadt bzw. der Gartenvorstadt entstanden unddie ersten entsprechenden Planungen realisiert wurden. 10) Als erste deutscheGartenstadt gilt Hellerau bei Dresden, zwischen 1907 und 1913 entstanden;eine frühe deutsche Gartenvorstadt ist die ab 1907 von der Krupp-Stiftunggebaute Margarethenhöhe in Essen-Rüttenscheid. 11)Ginkgo-biloba-ZweigDie Homburger Heil- und Pflegeanstalt muß in diesem Kontext gesehenwerden. Die Frage, ob Gartenstadt oder Gartenvorstadt, ist hier wenigerwichtig. Für beide städtebaulichen Modelle gibt es Anhaltspunkte. Einerseitshebt Ullmann die Vorstadt-Situation hervor, indem er auf seinem Lageplankorrekt formuliert „... bei Homburg“. Andererseits ist die Anstalt durchsämtliche ihr notwendigen Versorgungs-Einrichtungen autonom konzipiert.Entscheidend für die Homburger Konzeption ist die grundlegende therapeutischeIdee: Während Gartenstädte und Gartenvorstädte die Lebensbedingungender Industriegesellschaft in einer prekären Phase ihrer Entwicklung verbessern,sie also allgemein therapieren sollten, liegt der baulichen Planungder Heil- und Pflegeanstalt eine spezielle Therapie für die Ärmsten der Armendieser Industriegesellschaft zugrunde.Wie verhält sich dieser <strong>im</strong> weiteren und <strong>im</strong> engeren Sinn sozial motivierteImpuls zu seiner architektonischen Umsetzung? Ist die Homburger Anlagedurchgehend <strong>im</strong> Jugendstil gebaut? Heinrich Ullmann schreibt in der genanntenDenkschrift: „Bei der Ausbildung der Facaden wurde mit wenigen Ausnahmenjede Anlehnung an historische Stilformen vermieden ...“ 12) Das heißtzunächst, daß es von Anfang an Ullmanns Absicht gewesen ist, sich demGeist historistischen Bauens, an dem er sich mit seinen früheren Bauten inLandau und Speyer orientiert hatte, 13) zu entziehen. Damit folgt er einem Prinzipzeitgenössischer, avantgardistischer Baugesinnung, einem Prinzip <strong>des</strong> Jugendstils,der sich – wiederum zuerst auch in England – von der Nachahmunghistorischer Baustile gelöst hat.Die „wenigen Ausnahmen” vom neuen Bauen, auf die Ullmann selbst anspielt,lassen sich in erster Linie in der S<strong>im</strong>ultankirche (Bau 55, ursprünglich 6)und <strong>im</strong> einstigen Leichenhaus mit Vorhalle (30/7) erkennen, die deutlich demHistorismus verpflichtet sind. Die Mehrzahl der übrigen Gebäude ist „in ruhigenFormen” konzipiert worden. Der Architekt schreibt in der Denkschriftdazu folgen<strong>des</strong>: „Bei der Grundrißbildung der Gebäude wurde darnach gestrebt,die <strong>im</strong> Bauprogramme geforderten Räume in möglichst einfache,übersichtliche und geschlossene Grundrißform zu bringen. Dadurch wurde esauch möglich, die Baumassen der Gebäude in ruhigen Formen zu entwickeln,S<strong>im</strong>ultankircheAufnahme 199177
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Der Nordhang des Schwarzenberges is
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