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STEINZEUG Information 2004 - Fachverband Steinzeugindustrie eV

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<strong>Information</strong><br />

<strong>STEINZEUG</strong><br />

WRRL: Europaweiter<br />

Gewässerschutz<br />

In Züri läuft`s supr!<br />

Kanalbauten für<br />

Kölner U-Bahn<br />

Ausgabe <strong>2004</strong><br />

FV ST<br />

<strong>Fachverband</strong><br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Max-Planck-Straße 8<br />

50858 Köln (Marsdorf)<br />

Tel.: 02234/507-261<br />

Fax: 02234/507-204<br />

E-Mail: fachverband@steinzeug.com<br />

Internet: www.steinzeug.com<br />

Redaktion:<br />

Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

Heiko Daun<br />

Dr. Gabriele Hahn<br />

Redaktionsbüro Dr. Hahn<br />

Postfach 30 06 24<br />

53186 Bonn<br />

Tel.: 0228/46 41 89<br />

Fax: 0228/43 39 261<br />

E-Mail: redaktion@hahn-bonn.de<br />

Satz:<br />

Medien Synergie<br />

Renate Weyler, Bonn<br />

E-Mail: r.weyler@medien-synergie.de<br />

Druck:<br />

Das Druckhaus<br />

Beineke Dickmanns GmbH, Kaarst-Büttgen<br />

Zum Abdruck angenommene Beiträge und Abbildungen gehen im<br />

Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen in das Veröffentlichungs- und Verbreitungsrecht<br />

des Herausgebers über. Redaktionelle Überarbeitungen und Kürzungen liegen im Ermessen<br />

des Herausgebers.


Die vom <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. herausgegebene Steinzeug-<br />

<strong>Information</strong> erscheint mit dieser Ausgabe <strong>2004</strong> in veränderter Form und<br />

wird Ihnen zukünftig häufiger als <strong>Information</strong>squelle zur Verfügung stehen.<br />

Mit ergänzenden „up dates“ werden wir Sie zusätzlich und damit zeitnah<br />

informieren. Kanalisation ist und wird dabei unser Thema bleiben. Der<br />

<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> als Herausgeber stellt sich dieser Herausforderung<br />

bereits seit nunmehr 40 Jahren. Fachzeitschriften sind unverzichtbar<br />

und werden auch zukünftig ihren Platz in den Medien behalten;<br />

elektronische Medien können diese nur ergänzen.<br />

Steinzeug, ein Wort, das in dieser Form als Werkstoff für den Bau von<br />

Kanalisationen steht und in Kurzform für die deutsche <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

Verwendung findet, steht für Partnerschaft und Vertrauen im Kanalbau.<br />

„Europa“ ist seit dem 1. Mai <strong>2004</strong> deutlich größer geworden und hat für<br />

uns alle an Relevanz wieder dazu gewonnen. Dies betrifft selbstverständlich<br />

auch die Abwassertechnik. Mit der vorliegenden Ausgabe stehen Ihnen<br />

zum Thema Europa Nachrichten, Berichte, Infos und Interviews aus erster<br />

Hand zur Verfügung. Technische, wirtschaftliche und rechtliche Themen,<br />

sowie <strong>Information</strong>en und Stellungnahmen komplettieren den Inhalt dieser<br />

Steinzeug-<strong>Information</strong>. Die fachliche Rubrizierung unterstützt Sie, Ihre<br />

Themen schnell zu finden.<br />

Mit der Steinzeug-<strong>Information</strong> wollen wir auch Meinungen veröffentlichen,<br />

zeigen, was wir tun und was wir denken. Gerne würden wir hierüber<br />

mit Ihnen ins Gespräch kommen und freuen uns über Ihre Rückäußerungen.<br />

Ihr<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

Geschäftsführer <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Editorial<br />

Ihre Themen sind uns wichtig<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

1


2<br />

Inhalt<br />

22 Normung: Welche Standpunkte vertritt der FVST<br />

und in welchen Gremien ist er vertreten?<br />

42 Der Startschuss für den Bau der Kölner Nord-Süd-Stadtbahn<br />

fiel am Breslauer Platz. Hier wurden alte Ver- und Entsorgungsleitungen<br />

verlegt und neue Abwasserleitungen aus Steinzeug<br />

eingebaut.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

49 Mit Gottfried Neuhold<br />

hat die Stadt Zürich den Betrieb<br />

ihrer Abwasserkanäle<br />

optimiert und die Kosten<br />

drastisch minimiert. Wie, das<br />

verriet er in einem Interview.<br />

10 Gewässerschutz europaweit<br />

nach vergleichbaren Grundsätzen<br />

ist das Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie.<br />

Helmut Blöch, Mitglied<br />

der Europäischen Kommission,<br />

stellt diese Ziele im einzelnen vor<br />

und beschreibt die Strategien zur<br />

schrittweisen und transparenten<br />

Umsetzung bis 2015 in den EU-<br />

Mitgliedstaaten.


61 Großer Rückblick auf<br />

Messen + Kongresse in<br />

<strong>2004</strong>, kleine Vorschau auf<br />

die IFAT im kommenden<br />

Jahr.<br />

Inhalt<br />

■ Editorial<br />

Ihre Themen sind uns wichtig 1<br />

■ Verbandsnachrichten<br />

„Rohrleitungen verbinden Europa“ 7<br />

NODIG <strong>2004</strong>: FEUGRES mit eigenem Workshop dabei 6<br />

Europäische Vereinigung der Steinzeugröhrenindustrie 5<br />

FVST ist Mitglied im Förderverein des IKT 4<br />

FEUGRES-Kongress <strong>2004</strong> 7<br />

■ Blickpunkt EU<br />

Gewässerschutz europaweit nach vergleichbaren Grundsätzen 10<br />

Rote Karte für neun EU-Mitgliedstaaten 14<br />

Kanalisations- und allgemeine Abwasserprojekte in EU-Beitrittsländern 17<br />

■ Regelwerknews<br />

„Wahrnehmung“ und Standpunkt des FVST 22<br />

■ Forschung + Technik<br />

Steinzeug – Material und Bauteil 25<br />

Vortriebsrohre und Druckübertragung 32<br />

20 Jahre Microtunneling in Berlin 38<br />

■ Baustellenbericht/-reportage<br />

Kanalbauten für Kölns Mammutprojekt 42<br />

■ Portrait/Interview<br />

In Züri läuft’s supr! 49<br />

Große Festveranstaltung für die Wasserexperten 53<br />

■ Wirtschaft + Recht<br />

Öffentliche Auftragsvergabe in den neuen EU-Mitgliedstaaten 55<br />

Abgrenzung von Herstellungs- und Unterhaltungskosten 58<br />

■ Messen + Kongresse<br />

FEUGRES-Kongress – Nachhaltig erfolgreich 61<br />

IFAT China <strong>2004</strong> – High-Tech im Land des Drachens 61<br />

Branchentermine im Überblick 65<br />

IFAT 2005 – Messe der Superlative 66<br />

■ Last Minute<br />

ATV-DVWK-Resolution: Substanzerhalt der Kanalisation 67<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

3


4<br />

Verbandsnachrichten<br />

Oldenburger Rohrleitungsforum 2005<br />

„Rohrleitungen verbinden Europa“<br />

Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V., Köln, hat bei<br />

der inhaltlichen Ausrichtung<br />

des Vortragsblocks „Steinzeug“<br />

das Leitthema des 19. Oldenburger<br />

Rohrleitungsforums 2005<br />

thematisch aufgegriffen. Die deutsche<br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong>, seit Jahrzehnten<br />

aktiv im Export der Bauteile<br />

in Europa oder Übersee tätig,<br />

steht mitten in Europa. Die bekannten<br />

abwassertechnischen Aufgabenstellungen<br />

in der Kanalisation<br />

sind in unserer Welt so unterschiedlich<br />

nicht. Die europäische<br />

Dimension hat mit der Erweiterung<br />

der EU zugenommen; somit wird<br />

Europa in der Welt als Ganzes<br />

wahrgenommen. Die Kanalisation<br />

steht dabei selbstverständlich nicht<br />

außen vor.<br />

Produkte und Systemlösungen<br />

werden in den europäischen Märkten<br />

heute gleichermaßen erwartet.<br />

Bautechnische Aufgaben für Neubau<br />

und Sanierung, deren Finanzierung<br />

und wirtschaftliche Bewertung,<br />

aber auch Antworten auf die<br />

Frage, was ist eigentlich Steinzeug<br />

als Werkstoff und Produkt?, stehen<br />

an. Der Vortragsblock, moderiert<br />

vom <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V., geht hierauf ein und<br />

beinhaltet im Detail die im Kasten<br />

aufgeführten Themen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Steinzeug – Werkstoff- und Produktentwicklungen<br />

Referent: Dipl.-Ing. Jürgen Weis<br />

Leiter Produktion und Entwicklung,<br />

Steinzeug Abwassersysteme GmbH, Köln<br />

Europa – Finanzierung und Projektentwicklung von<br />

Abwasseranlagen in den neuen Mitgliedsländern der EU<br />

Referent: Dipl.-Ing. Stefan Girod<br />

Technischer Key Account Manager Ost,<br />

Steinzeug Abwassersysteme GmbH, Köln<br />

Finanzierung von Abwasseranlagen in den Beitrittsländern<br />

zur Europäischen Union einschließlich Projektbeispiel<br />

Referent: Dipl.-Ing. Maris Jurevics<br />

Geschäftsführer SIA Jurevics & Partner, Riga<br />

Nachhaltigkeit – Anforderungen für die Kanalisation<br />

Referent: Dipl.-Ing. Dietmar Böhme Technisches Marketing,<br />

Steinzeug Abwassersysteme GmbH, Köln<br />

Moderation: Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick, Geschäftsführer<br />

<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Köln<br />

Das 19. Oldenburger Rohrleitungsforum 2005 findet am 10./11. Februar<br />

2005 in der FH Oldenburg statt. Weitere <strong>Information</strong>en erhalten<br />

Sie unter den angegebenen Kontaktmöglichkeiten.<br />

Kontakt<br />

Institut für Rohrleitungsbau an der<br />

Fachhochschule Oldenburg e.V.<br />

Industriestraße 11<br />

26121 Oldenburg<br />

Tel.: 0441/36 10 39-0<br />

Fax: 0441/36 10 39-10<br />

E-Mail: ina.kleist@iro-online.de


Verbandsnachrichten<br />

NODIG <strong>2004</strong> in Hamburg<br />

FEUGRES mit eigenem Workshop dabei<br />

Der unterirdische Bau von Abwasserkanälen ist seit der Verfügbarkeit<br />

der Mikrotunnelbau-Technik ganz eng mit Steinzeugrohren<br />

verbunden. Bauteile und Maschinen wurden und werden bei dieser<br />

Bautechnik immer aufeinander abgestimmt. Die hochwertige Einbautechnik<br />

mit ihren bekannten verfahrenstechnischen Vorteilen, den damit<br />

verbundenen herausragenden wirtschaftlichen Randbedingungen und die<br />

Produkteigenschaften der Steinzeugbauteile passen anerkanntermaßen<br />

gut zusammen. Die nunmehr über 20-jährige Erfahrung mit Steinzeugrohren<br />

im Mikrotunnelbau in den Nennweiten DN 150 bis DN 1000 waren<br />

mit Anlass, bei der NODIG <strong>2004</strong> einen eigenständigen Workshop einzurichten.<br />

Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. organisiert und moderiert<br />

die Themen im Namen der FEUGRES Europäische Vereinigung der Steinzeugröhrenindustrie,<br />

Brüssel.<br />

Die Referenten berichten über neueste Forschungsergebnisse zur Druckübertragung<br />

beim Rohrvortrieb mit den damit verbundenen Auswirkungen<br />

zur Bemessung der Bauteile, über das aktuelle europäische technische<br />

Regelwerk zu Anforderungen an Vortriebsrohre, sowie über Praxiserfahrungen<br />

zum Rohrvortrieb und bei der Renovation. Die vorhandene Bandbreite<br />

der Erfahrungen deckt heute einen sehr breiten Anwendungsbereich ab.<br />

Die darauf abgestimmten Steinzeug-Vortriebsrohre stehen zur Verfügung!<br />

Die Themen des Workshops<br />

auf der NODIG<br />

<strong>2004</strong> am 16.11.<strong>2004</strong><br />

in Hamburg.<br />

Die Gründe zum Einsatz des<br />

Rohrvortriebs – Erfahrungen<br />

aus dem Projekt Castelnuovo<br />

Referent: Ing. Fabrizio Zanetti,<br />

Verona (I)<br />

Anforderungen an Bauteile<br />

zum grabenlosen Bau von<br />

Abwasserleitungen und<br />

-kanälen – Bericht zur aktuellen<br />

Neuerscheinung der<br />

DIN EN 14457, Ausg. 09/04<br />

Referent: Bau-Ass. Dipl.-Ing.<br />

Karl-Heinz Flick, Köln (D)<br />

Vortriebsrohre und Druckübertragung<br />

– Ergebnisse<br />

aus Forschung und Praxis<br />

Referent: Dipl.-Ing. Marc<br />

Peters, Schwanau (D)<br />

Vortriebsrohre für Renovierung<br />

und Erneuerung –<br />

Praxisberichte<br />

Referent: Dipl.-Ing. Albert<br />

Römer-Schmidt, Marsberg (D)<br />

Moderation:<br />

Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz<br />

Flick, <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />

e.V., Köln, Mitglied der<br />

FEUGRES, Brüssel<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

5


6<br />

Verbandsnachrichten<br />

FEUGRES ist die ...<br />

Europäische Vereinigung der<br />

Steinzeugröhrenindustrie<br />

Über FEUGRES, Europäische<br />

Vereinigung der Steinzeugröhrenindustrie,<br />

ist vielfach<br />

berichtet worden. Die meisten<br />

assoziieren damit die „International<br />

Meetings“ der FEUGRES und verschiedene<br />

Aktivitäten des <strong>Fachverband</strong>es<br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Wie FEUGRES organisiert ist und<br />

was ihre gestellten Aufgaben und<br />

Ziele sind, ist aus der folgenden<br />

Übersicht ersichtlich.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

EUROPÄISCHE VEREINIGUNG DER <strong>STEINZEUG</strong>RÖHRENINDUSTRIE<br />

FEDERATION EUROPEENNE DES FABRICANTS DE TUYAUX EN GRES<br />

EUROPEAN FEDERATION OF THE VITRIFIED CLAY PIPE INDUSTRY<br />

Sitz und Sekretariat: Rue des Colonies, 18-24 Bte 17 -<br />

B-1000 Bruxelles<br />

Tel.: (++32-2) 511 30 12/511 70 25<br />

Fax: (++32-2) 511 51 74<br />

E-Mail: sec@cerameunie.net<br />

Aufgabe und Funktion: Selbstständige Fachvereinigung zur Förderung<br />

der Lösung aller wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen<br />

Probleme, welche die europäische Steinzeugröhrenindustrie<br />

gemeinsam beschäftigen.<br />

Gründung: 1957<br />

Organe: Generalversammlung<br />

Vorstand<br />

Sekretariat<br />

Präsident: Dr Rodolfo Spotti, Bergamo (I)<br />

Mitgliedschaften: Die FEUGRES ist eigenständiges Mitglied<br />

in der Cerame-Unie, der Europäischen<br />

Vereinigung der keramischen Industrie,<br />

mit Sitz in Brüssel. Das Sekretariat der<br />

FEUGRES wird wahrgenommen von der<br />

Cerame-Unie.<br />

Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.,<br />

Köln, vertritt die deutsche Steinzeugrohrindustrie.


Verbandsnachrichten<br />

Auf gute Partnerschaft<br />

FVST ist Mitglied im Förderverein des IKT<br />

Der Förderverein des IKT, Institut für Unterirdische Infrastruktur,<br />

Gelsenkirchen, hat auf seiner Mitgliederversammlung am 18.<br />

August <strong>2004</strong> den FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Köln,<br />

als neues Mitglied aufgenommen. Der Förderverein selbst ist Mitgesellschafter<br />

des IKT.<br />

Die bereits langjährige Zusammenarbeit zwischen dem IKT und der deutschen<br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong> war in der Vergangenheit eher durch Einzelaufträge<br />

im Rahmen von Produktprüfungen bestimmt. Durch die Mitgliedschaft<br />

des FVST sollen die bestehenden Kontakte intensiviert und unterstützt<br />

werden.<br />

Unter der Regie des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. hatte die<br />

Europäische Vereinigung der Steinzeugröhrenindustrie FEUGRES zu<br />

ihrer 15. Internationalen Tagung der Fachleute für Abwassertechnik<br />

am 26. und 27. März <strong>2004</strong> ins italienische Sorrent eingeladen. Rund 330<br />

Teilnehmer aus Europa, dem Nahen Osten und Übersee nahmen die Gelegenheit<br />

wahr, sich über das Thema „Nachhaltigkeit – Verantwortung übernehmen“<br />

zu informieren. Dazu brachten 12 Experten aus Technik, Wirtschaft<br />

und Politik in ihren Referaten ihre eigenen Erfahrungen, Vorstellungen<br />

und Visionen ein, die zu lebhaften Diskussionen, neuen Denkanstößen<br />

und zahlreichen Gesprächen führten.<br />

Bauprodukte und deren Anwendung<br />

in der Kanalisation werden<br />

bestimmt über Fragen zum Neubau,<br />

zum Arbeiten im Bestand und<br />

zu Reparaturen. Hinzu kommen<br />

konzeptionelle Themen zum Betrieb<br />

der Kanalisation.<br />

Das IKT kann mit seiner Aufgabenstellung<br />

die Arbeit des FVST unterstützen.<br />

FEUGRES-Kongress <strong>2004</strong><br />

Auf Nachhaltigkeit setzen heißt<br />

Verantwortung übernehmen<br />

Eröffnet wurde der Kongress vom<br />

amtierenden Präsidenten der<br />

FEUGRES, Dr Rodolfo Spotti, Bergamo.<br />

Dem stellvertretenden Umweltminister<br />

Italiens, Antonio Martusciello,<br />

schien es ein sichtliches<br />

Anliegen zu sein, die Begrüßung<br />

der Teilnehmer zu übernehmen.<br />

Seine kompetente Ansprache<br />

machte deutlich, dass die italienische<br />

Regierung der Nachhaltigkeit<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

7


8<br />

Verbandsnachrichten<br />

in der Abwassertechnik hohe Priorität<br />

einräumt und viele Umweltaspekte<br />

nicht nur auf dem Papier<br />

existieren, sondern in der Praxis bereits<br />

realisiert sind. Zur Einstimmung<br />

auf das Kongressthema<br />

machte Prof. Dr. Christian Friesl aus<br />

der Erfahrung und mit Ausblick aus<br />

der Industrie deutlich, dass sich<br />

„Erfolgreich wirtschaften – verantwortungsvoll<br />

handeln“ nicht gegenseitig<br />

ausschließen.<br />

Der Tag klang mit einem umfangreichen<br />

Dinner aus, bei dem es<br />

noch reichlich Gelegenheit zu Diskussionen<br />

und Gesprächen oder<br />

einfach nur zum Kennenlernen<br />

gab.<br />

Technisch, wirtschaftlich, ökonomisch<br />

und politisch ausgerichtete<br />

Vorträge bestimmten den Inhalt<br />

des nächsten Tages. Den Auftakt<br />

machte Giancarlo Bedotti, Mitglied<br />

der Europäischen Kommission, mit<br />

seinem Vortrag über „Die Bedeutung<br />

der Bauproduktenrichtlinie im<br />

europäischen Binnenmarkt“. Dr.<br />

Diego Finazzi, Direktor in der<br />

Stadtverwaltung Bergamo, stellte<br />

die „Anwendung der Ökobilanzierung<br />

– eine Untersuchung von Kanalisationssystemen“<br />

vor. Über<br />

„Nachhaltigkeit – ein Entscheidungsinstrument<br />

für Abwassernetze“,<br />

referierte der Belgier Dirk Dewaele,<br />

Direktor der Ingenieurabteilung<br />

bei Aquafin, Aartselaar.<br />

Nach einer stärkenden Kaffeepause<br />

konzentrierten sich die Vorträge<br />

auf Themen in Hinblick auf die<br />

Ziele der EU und auf wirtschaftlich<br />

ausgerichtete Aspekte. Karl-Heinz<br />

Flick, Geschäftsführer des <strong>Fachverband</strong>es<br />

<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.,<br />

Köln, fokussierte seine Ausführungen<br />

auf „Europa und umweltfreundliche<br />

Produkte“; Ray W.<br />

Doughty, Direktor der technischen<br />

Entwicklungsabteilung Hepworth<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

■ Der stellvertretende Umweltminister, Antonio Martusciello, begrüßt die<br />

Kongress-Teilnehmer in Sorrent.<br />

Building Products, Hazlehead, ging der Frage nach „Ökobilanzierung – eine<br />

Methode zur Bestimmung der Nachhaltigkeit“ auf den Grund. Die europäischen<br />

Vergaberichtli-nien enthalten bislang keinen ausdrücklichen<br />

Verweis auf den Umweltschutz oder die Berücksichtigung von Umweltbelangen.<br />

Prof. Dr. Thomas Ax, Rechtsanwalt in Neckargemünd, konstatierte<br />

in seinem Vortrag „Ökologische Beschaffung“, dass die Beachtung und der<br />

Ausbau eines effektiven Umweltschutzes eine wichtige gemeinschaftliche<br />

■ Die Referenten des FEUGRES-Kongresses <strong>2004</strong>: hintere Reihe v.l.n.r.: G. Bedotti<br />

(EU), P. Simpson (NZ), G. Neuhold (CH), D. Finazzi (I). Vordere Reihe: v.l.n.r.:<br />

R.W. Doughty (GB), K.-H. Flick (D), H. Brühl (D), M. Preußner (D), und A. Puissant<br />

(B); T. Ax (D) und D. Dewaele (B) fehlen.


Aufgabe darstellten. Die „Finanziellen Aspekte von Infrastrukturprojekten“<br />

nahm Dr. Hartmut Brühl, Beratender Ingenieur, Unna, unter die Lupe.<br />

Der letzte Vortragsblock des Tages konzentrierte sich auf die Umsetzung<br />

nachhaltiger öffentlicher Kanalisationsnetze an praktischen Beispielen<br />

und deren Wirtschaftlichkeit. Gottfried Neuhold, Geschäftsführer<br />

der ERZ Entsorgung und Recycling Zürich, beschrieb am Beispiel der Stadt<br />

Zürich, dass es nicht nur hoher Qualität der verwendeten Abwasserrohre,<br />

sondern auch einer Management-Qualität durch alle Hierarchieebenen bedarf,<br />

um Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Auch down under ist die Nachhaltigkeit<br />

ein viel diskutiertes Thema, wenn es um Investitionen im öffentlichen<br />

Bereich geht. Peter Simpson, Consultant aus Auckland (NZ), hat die<br />

„Nachhaltigkeit bei Abwasserleitungen“ für Australien und Neuseeland aus<br />

seinem persönlichen Blickwinkel betrachtet. Im abschließenden Referat<br />

von Prof. Max Preußner, Ingenieurbüro Preußner Hamburg, spielte die<br />

Wirtschaftlichkeit von Abwassersystemen die zentrale Rolle. „Return on Investment<br />

– Was zeigt uns die Realität?“ machte deutlich, welche Faktoren<br />

die Wirtschaftlichkeit einer gut funktionierenden Abwasserentsorgung beeinflussen.<br />

Wie schon auf dem FEUGRES-Kongress in Barcelona 2001, sorgte auch in<br />

Sorrent der belgische Journalist Alexander Puissant für einen reibungslosen<br />

Ablauf der Vortragsreihe. Nicht nur allein mit seiner Sprachenvielfalt, sondern<br />

auch mit seiner ungezwungenen Art, die Zuhörer mit Fragen zu mobilisieren,<br />

sie zu Stellungnahmen aufzufordern oder sie einfach nur zu provozieren,<br />

brachte er Schwung und Lebhaftigkeit in den Tagungssaal.<br />

■ Der belgische Journalist, Alexander Puissant, im Einsatz als Chairman.<br />

Ein gemeinsames, abschließendes Abendessen in einem Sorrenter Restaurant<br />

ließ noch so manche Diskussionen und Gespräche zu.<br />

Ein gelungener, nachhaltig wirkender FEUGRES-Kongress <strong>2004</strong>.<br />

Verbandsnachrichten<br />

Alle Vorträge sind in ausgearbeiteter<br />

Form in einer Sonderausgabe<br />

des <strong>Fachverband</strong>es Steinzeug e.V.<br />

veröffentlicht und können dort angefordert<br />

werden.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

9


10<br />

Blickpunkt EU<br />

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

Gewässerschutz europaweit nach<br />

vergleichbaren Grundsätzen<br />

Mit der Wasserrahmenrichtlinie<br />

[1] hat die EU<br />

ihre Wasser- und<br />

Gewässerschutzpolitik neu ausgerichtet,<br />

aufbauend auf Grundsätzen,<br />

wie sie in Deutschland vielfach<br />

lange Tradition haben [2], aber<br />

auch diese weiterentwickelnd:<br />

● Gewässerschutz für alle Gewässer,<br />

Grundwasser und Oberflächengewässer<br />

● Verpflichtung zur Erreichung/<br />

Erhaltung eines „guten Zustands“<br />

für alle Gewässer; der ,gute Zustand’<br />

ist umfassend definiert – für<br />

Oberflächengewässer über Biologie<br />

(Mikrofauna, Mikroflora, Fischfauna),<br />

Chemie und Morphologie, für<br />

Grundwasser über Chemie und<br />

Quantität (Gleichgewicht zwischen<br />

Dargebot und Entnahmen)<br />

● Wasserwirtschaft auf Grundlage<br />

von Flusseinzugsgebieten, über<br />

Verwaltungs- und politische Grenzen<br />

hinaus<br />

● Gewässergütebewertung nach<br />

Gewässertypen, nicht bloß ein und<br />

dasselbe System, z.B. für Gebirgsflüsse<br />

und Flachlandflüsse<br />

● Verknüpfung von Emissionsund<br />

Immissionskriterien<br />

● Preise für wasserbezogene<br />

Dienstleistungen wie Trinkwasser<br />

und Abwasser, die das Kostende-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

ckungsprinzip widerspiegeln und damit den Ressourcenschutz unterstützen<br />

● verpflichtende Einbindung von Bürgern, Kommunen und Betroffenen<br />

in die Entscheidungsprozesse bei der Ausarbeitung der Flussgebietspläne<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie – ein transparenter Prozess<br />

Schritt für Schritt<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie gibt ein ambitioniertes Ziel vor – in der Regel<br />

soll das Ziel bis 2015 erreicht sein; sie schafft aber auch einen kontinuierlichen<br />

und transparenten Prozess für Planen und Handeln (Abb. 1).<br />

2003: formale Umsetzung in nationale Gesetzgebung (Artikel 24);<br />

Ausweisung der Außengrenzen der Flussgebiete und der zuständigen<br />

Behörden (Artikel 3)<br />

<strong>2004</strong>: erste Bestandsaufnahme und ökonomische Analyse (Artikel 5<br />

und Anhänge I + II); Interkalibrierung (Anhang V); Verzeichnis der<br />

Schutzgebiete (Artikel 6)<br />

2006: Mess- und Überwachungssystem (Artikel 8); Spätestbeginn für<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung (Artikel 14)<br />

2008: Entwurf der Flussgebietspläne<br />

2009: endgültige Flussgebietspläne und Maßnahmeprogramme<br />

(Artikel 13)<br />

2015 bzw. 2015+: Umweltschutzziel erreicht, ggf. nach Fortschreibung<br />

der Flussgebietspläne und Maßnahmeprogramme [3]<br />

■ Abb. 1: Mit den vorgegebenen Fristen, die für alle 25 EU-Mitgliedstaaten<br />

gelten, ist ein schrittweiser, transparenter Prozess zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

geschaffen.<br />

▼<br />

▼<br />

▼<br />

▼<br />


Die in Abb. 1 genannten Fristen für die Wasserrahmenrichtlinie gelten für<br />

alle 25 EU-Mitgliedstaaten, für die ,alten’ EU15 wie für die ‚neuen‘ Mitgliedstaaten,<br />

die am 1. Mai <strong>2004</strong> der EU beigetreten sind. Dies bedeutet,<br />

als Ergebnis der Beitrittsverhandlungen, ein klares politisches Zeichen einerseits<br />

für den Umweltschutz, andererseits gegen Wettbewerbsverzerrungen<br />

durch national unterschiedliche Gewässerschutzstandards.<br />

Für die ersten beiden Schritte in diesem Prozess<br />

● formal – nationale Gesetzgebung und<br />

● inhaltlich – Interkalibrierung der Güteklassifizierung<br />

ergibt sich – per Juli <strong>2004</strong> – folgendes Bild der Umsetzung in den 25 Mitgliedstaaten:<br />

Nationale Gesetzgebung<br />

Die Mehrzahl der 25 Mitgliedstaaten hat die Wasserrahmenrichtlinie in nationale<br />

Gesetzgebung umgegossen, ein Teil aber nicht oder nicht vollständig<br />

(Stand Juli <strong>2004</strong>). Zu letzterer Gruppe gehört auch Deutschland (Bundesgesetzgebung<br />

liegt vor, beträchtliche Teile der Landesgesetze fehlen).<br />

Deshalb hat die Europäische Kommission im Juli <strong>2004</strong> letzte Mahnungen<br />

(„mit Gründen versehene Stellungnahmen“; letzte Stufe vor einer Klage<br />

beim Europäischen Gerichtshof) an 9 der 25 Mitgliedstaaten veröffentlicht:<br />

Belgien, Deutschland, Finnland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal,<br />

Schweden und Vereinigtes Königreich. Die noch ausstehenden Rechtsakte<br />

sind allerdings bis Ende <strong>2004</strong> absehbar. Anschließend an die formale<br />

Prü-fung der Umsetzung wird die inhaltliche Prüfung für alle 25 Mitgliedstaaten<br />

folgen.<br />

Interkalibrierung der Güteklassifizierung [4]<br />

Bei den bereits fälligen praktischen Schritten zur Implementierung – Ausweisung<br />

der Referenzgewässer im Rahmen der Interkalibrierung – sieht die<br />

Bilanz noch positiver aus: Mit Juli <strong>2004</strong> haben alle Mitgliedstaaten die<br />

Referenzgewässer bereits ausgewiesen, mit Ausnahme von Belgien (nur<br />

teilweise), Malta und Litauen.<br />

Die Implementierungsstrategie – ein kooperativer<br />

Prozess aller Beteiligten<br />

Gleichzeitig mit der endgültigen Verabschiedung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

haben sich – in einer bislang beispiellosen Aktion – Europäische Kommission,<br />

Mitgliedstaaten und Beitrittstaaten geeinigt, eine Strategie für die<br />

Umsetzung der Richtlinie zu entwickeln und zu beschließen, sowie eine<br />

umfassende Zusammenarbeit für alle wesentlichen Aspekte der Richtlinie in<br />

die Wege zu leiten. Nur 4 Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie ist<br />

diese Strategie verabschiedet worden. Von Anfang an war eine Einbindung<br />

der beteiligten und betroffenen Interessensvertretungen und der Umweltschutzorganisationen<br />

auf europäischer Ebene sichergestellt.<br />

Ein Rückblick auf 2 Jahre gemeinsamer Arbeit in der Implementierungsstrategie<br />

zeigt:<br />

● die Identifikation aller Beteiligten mit Arbeit und Ergebnissen<br />

● die erfolgreiche Erarbeitung einer Vielzahl von Arbeitsdokumenten [5]<br />

Blickpunkt EU<br />

● den Beginn von Praxistests in<br />

Pilotflussgebieten<br />

● die enorme Wichtigkeit der Arbeit<br />

in den Internationalen Flussgebietskommissionen<br />

und<br />

● die Herausforderung, EU Förderungsinstrumente<br />

– hier steht nun<br />

erstmals auch die neue EU-Agrarpolitik<br />

[6] zur Verfügung – optimal<br />

zu verwenden<br />

Die nächsten Herausforderungen<br />

Die Bestandsaufnahme ist bis<br />

Ende <strong>2004</strong> abzuschließen, gefolgt<br />

von ihrer Präsentation und Diskussion<br />

mit Entscheidungsträgern und<br />

Betroffenen. Eine differenzierte Betrachtung<br />

– wie auch im jüngst verabschiedeten<br />

europäischen Arbeitspapier<br />

ausgeführt – wird dabei<br />

sowohl der fachlich-technischen<br />

wie der politischen Diskussion<br />

dienlich sein.<br />

Der Umfang der notwendigen<br />

Maßnahmen wird naturgemäß<br />

vom schon Erreichten abhängen.<br />

Für Deutschland werden sich dabei<br />

ohne Zweifel die enormen Leistungen<br />

und Erfolge bei den Punktquellen<br />

(Leistungen der Kommunen bei<br />

Kanalisation und Abwasserreinigung;<br />

Leistungen der Industrie bei<br />

Direkt- wie Indirekteinleitungen)<br />

widerspiegeln. Die Heimkehr des<br />

Lachses in unsere großen Flüsse<br />

wie Rhein, Elbe, aber auch Themse<br />

hat hier ein deutliches Signal gesetzt.<br />

Im Lichte des schon Erreichten –<br />

siehe dazu auch den Bericht der<br />

Europäischen Kommission vom<br />

Mai <strong>2004</strong> zur Umsetzung der kommunalen<br />

Abwasserrichtlinie – werden<br />

sich damit für die Kommunen<br />

in Deutschland Herausforderungen<br />

nur mehr in jenen Bereichen ergeben,<br />

wo bislang keine europäi-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

11


12<br />

Blickpunkt EU<br />

schen oder nationalen Emissionsvorgaben<br />

vorlagen und aufgrund<br />

des Ist-Zustands Immissionsprobleme<br />

(schlechterer Gütezustand als<br />

‚gut‘) noch bestehen.<br />

Herausforderungen werden die Gewässermorphologie<br />

und Längsdurchgängigkeit<br />

sein (aber auch<br />

dies gegen den Hintergrund der<br />

vielfachen Bemühungen zur Re-<br />

Ökologisierung von Flüssen), sowie<br />

diffuse Belastungen besonders aus<br />

der Landwirtschaft.<br />

Maßnahmen und Kosten werden<br />

im nächsten Schritt klarzustellen<br />

sein; hier werden zwei Prinzipien<br />

von herausragender Bedeutung<br />

sein:<br />

● die Flexibilität bei der Wahl der<br />

Maßnahmen (das zu erreichende<br />

Ziel ist klar und bindend definiert,<br />

bei den Maßnahmen für dieses Ziel<br />

dagegen herrscht Maßnahmenoffenheit<br />

und -freiheit) und<br />

● die Transparenz des Entscheidungsprozesses<br />

Beide Prinzipien sollen dazu beitragen,<br />

dass für das jeweilige Flussgebiet,<br />

die jeweilige Region, die bestgeeignete<br />

Lösung verwirklicht werden<br />

kann.<br />

Ein wesentlicher Punkt bei der<br />

künftigen Umsetzung sollte<br />

schließlich die bestmögliche<br />

Nutzung von Förderungsinstrumenten<br />

sein, sowohl bei der<br />

Planungs-/Vorbereitungsphase wie<br />

bei der Verwirklichung. Mit der<br />

2003 drastisch reformierten EU-<br />

Agrarpolitik und ihres Förderungsinstrumentariums<br />

[7] ergeben sich<br />

gerade für den ländlichen Raum<br />

umfassend neue Möglichkeiten,<br />

weil nun – als Paradigmenwechsel<br />

zur bisherigen Regelung – Maßnahmen<br />

zur Verwirklichung gesetzlicher<br />

Vorgaben förderungsfähig<br />

sind. Die Mitgliedstaaten werden –<br />

gerade in einer wichtigen Phase<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

der Umsetzung – die Möglichkeit haben, Schwerpunkte z.B. im Gewässerschutzbereich<br />

zu setzen.<br />

Die Arbeit in Internationalen Flussgebietskommissionen (in<br />

Europa derzeit am Rhein einschließlich Mosel und Saar, Donau, Elbe, Oder,<br />

Schelde und Maas) zeigt klare Schwerpunktsetzungen:<br />

● einerseits die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

● andererseits Hochwasservermeidung und Hochwasserschutz [8]<br />

Für Deutschland – im Einzugsbereich einer Vielzahl von europäischen Flussgebieten,<br />

wie Donau, Elbe, Oder, Rhein einschließlich Bodensee, Ems und<br />

Maas – ist grenzüberschreitende Zusammenarbeit vielfach Teil der wasserwirtschaftlichen<br />

Tradition.<br />

Die Bestandsaufnahme nach der Wasserrahmenrichtlinie Anfang 2005 wird<br />

bereits vielfach als gemeinsamer flussgebietweiter Bericht veröffentlicht<br />

werden, im Falle der Donau weit über die bestehenden Grenzen der EU25<br />

hinaus bis ans Schwarze Meer (Abb. 2).<br />

■ Abb. 2: Das Einzugsgebiet der Donau – 817.000 km 2, mit 18 Ländern im Einzugsgebiet das<br />

‚internationalste’ Flussgebiet der Erde.<br />

Europäisches Gewässerschutzrecht – verbindlich im Ziel,<br />

flexibel im Weg<br />

Mit der Wasserrahmenrichtlinie wird ein gemeinsamer Managementrahmen<br />

für alle wasserbezogenen Rechtsvorschriften der EU geschaffen, im<br />

Sinne eines übersichtlicheren und transparenten Vollzugs (Abb. 3). Gleichzeitig<br />

wird schrittweise eine Reihe von älteren Rechtsvorschriften aus den<br />

70er und 80er Jahren aufgehoben.<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie ist<br />

● ambitioniert und rechtlich verbindlich beim Ziel


● flexibel bei den Wegen zur Erreichung dieses Zieles; sie ist damit auch<br />

offen für Innovationen und erlaubt beträchtliche Flexibilität bei den Mitteln.<br />

Gleichzeitig bedeutet aber die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

keine Änderung der Ziele und Fristen schon bestehenden EU-Rechtes,<br />

z.B. für kommunale Abwasserbehandlung oder Nitratbelastung aus der<br />

Landwirtschaft. Hier wird es – u.a. bei den Richtlinien kommunale Abwasserbehandlung,<br />

Badegewässerqualität und Nitratverschmutzung aus der<br />

Landwirtschaft – kein Nachlassen der Bemühungen der Europäischen Kommission<br />

in der Durchsetzung geben [9]. Eine der Erwartungen der Europäischen<br />

Kommission an die Zusammenarbeit im Rahmen der Implementierungsstrategie<br />

ist es aber auch, einen beträchtlichen Teil der Vertragsverletzungsverfahren<br />

zu vermeiden, weil eine möglichst gemeinsame Verständnis-<br />

und Interpretationsbasis erarbeitet wird. Gleichzeitig wird und<br />

muss es aber für die Beteiligten möglich und notwendig sein, zur Klärung<br />

von Streitfragen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes anzurufen;<br />

dies entspricht auch dem Grundsatz der Europäischen Union als einer<br />

Gemeinschaft des Rechtes.<br />

Mit der Wasserrahmenrichtlinie ist ein umfassendes europäisches Gewässerschutzrecht<br />

entstanden. Darüber hinausgehende Entwicklungen sind<br />

nicht absehbar; Details wie die ‚Tochterrichtlinien’ über gefährliche Stoffe<br />

und Details zum Grundwasserschutz sind in der Wasserrahmenrichtlinie<br />

bereits klar vorgegeben und teils schon verabschiedet (Liste prioritärer<br />

Stoffe), teils in politischer Diskussion [10].<br />

■ Abb. 3: Mit der Wasserrahmenrichtlinie wird schrittweise eine Reihe von älteren<br />

Rechtsvorschriften aufgehoben.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Mit der Wasserrahmenrichtlinie hat sich die Europäische Union von nun 25<br />

Staaten ein umfassendes neues Gewässerschutzrecht gegeben. Sie bringt<br />

Blickpunkt EU<br />

● die Festlegung des Gewässerschutzes<br />

für alle Länder der EU<br />

nach vergleichbaren und transparenten<br />

Prinzipien; die Richtlinie gilt<br />

auch für die <strong>2004</strong> beigetretenen<br />

neuen Mitgliedstaaten ohne Übergangsfristen<br />

● die Reduzierung bestehender<br />

Wettbewerbsverzerrung durch national<br />

oft stark unterschiedliche<br />

Umweltstandards<br />

● die Sicherstellung einer langfristigen<br />

und verlässlichen Grundlage<br />

für alle Beteiligten – für ihre technischen,<br />

finanziellen und politischen<br />

Entscheidungen<br />

● die Initiative für Umwelttechnologie<br />

und -forschung im Bereich<br />

Lieferungen und Leistungen wie<br />

auch Planung<br />

Deutschland hat viele dieser<br />

Grundsätze schon seit geraumer<br />

Zeit in Gesetzgebung und Vollzug<br />

verwirklicht und viele Probleme bereits<br />

gelöst; die dabei erreichten Erfolge<br />

spiegeln sich sowohl in deutschen<br />

[11] als auch europäischen<br />

[12] Berichten wider.<br />

Literatur und Hinweise<br />

[1] Richtlinie 2000/60/EG „Wasserrahmenrichtlinie“,<br />

einschließlich Implementierungsstrategie<br />

und umfangreicher<br />

Dokumentation im Internet verfügbar<br />

unter http://europa.eu.int/comm/<br />

environment/water/waterframework/<br />

[2] Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des<br />

Bundes; Wassergesetze der Länder; Verordnungen<br />

über Mindestanforderungen<br />

nach § 7a WHG Emissionsanforderungen<br />

für eine Reihe von Sektoren)<br />

[3] alle Termine zu lesen als „22. Dezember“<br />

[4] Anders als traditionelle Güteklassifizierungen,<br />

wie der Saprobien-Index,<br />

legt die Richtlinie für die biologische<br />

Klassifizierung ein Eingehen auf typspe-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

13


14<br />

Blickpunkt EU<br />

zifische und regionalspezifische Unterschiede<br />

fest (z.B. nordischer See – mediterraner<br />

See); siehe Anhang V der<br />

Richtlinie. Die Interkalibrierung soll in<br />

einem transparenten Prozess die Vergleichbarkeit<br />

sicherstellen.<br />

[5] Europäische Kommission, Mitgliedstaaten,<br />

Beitrittstaaten und Norwegen:<br />

Arbeitsdokumente im Rahmen<br />

der Implementierungsstrategie: Sämtliche<br />

Dokumente sind im Internet verfügbar<br />

(nur in Englisch) unter<br />

http://forum.europa.eu.int/Public/irc/<br />

env/wfd/library?l=/framework_directive<br />

&vm=detailed&sb=Title<br />

[6] Europäische Kommission, Generaldirektionen<br />

Umwelt und Landwirtschaft<br />

„Die Wasserrahmenrichtlinie und<br />

Instrumente im Rahmen der Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik zu ihrer Implementierung“,<br />

Brüssel November 2003; Englisch,<br />

erhältlich durch E-Mail an: envwater@cec.eu.int<br />

[7] Verordnungen 1782/2003/EG<br />

und 1783/2003/EG<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

[8] Siehe auch Europäische Initiativen: Mitteilung und Aktionsplan der Kommission<br />

„Hochwasservermeidung – Hochwasserschutz“, Juli <strong>2004</strong>, und politische Debatte<br />

des Themas durch die EU-Umweltminister, Juli <strong>2004</strong><br />

[9] Europäischer Gerichtshof: Urteile in den Rechtssachen C-387/97 und<br />

C-278/01, Kommission gegen Griechenland bzw. Kommission gegen Spanien; Volltext<br />

im Internet: http://curia.eu.int/de/jurisp/index.htm<br />

[10] Texte und Erläuterungen im Internet:<br />

http://europa.eu.int/comm/environment/water/water-framework<br />

[11] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA); Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt<br />

[12] Europäische Kommission, Bericht „Umsetzung der Richtlinie kommunale<br />

Abwasserbehandlung“; Bericht „Badegewässerqualität“; beide Brüssel Mai <strong>2004</strong><br />

Dieser Beitrag stellt die Meinung des Verfassers dar und nicht unbedingt jene<br />

der Europäischen Kommission.<br />

Kontakt<br />

Dr. Helmut Blöch<br />

Europäische Kommission<br />

Generaldirektion Umwelt<br />

BU-9 03/154, Rue de la Loi/Wetstraat 200<br />

B-1049 Brüssel<br />

Wasserrahmenrichtlinie<br />

Rote Karte für neun EU-Mitgliedstaaten<br />

Mit Veröffentlichung im<br />

Amtsblatt L327 der EuropäischenGemeinschaften<br />

am 22. Dezember 2000 ist die<br />

„Richtlinie 2000/60/EG des<br />

Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 23. Oktober<br />

2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens<br />

für Maßnahmen<br />

der Gemeinschaft im Bereich<br />

der Wasserpolitik“ (Wasserrahmenrichtlinie)<br />

in Kraft getreten.<br />

In der 72 Seiten umfassenden Richtlinie, bestehend aus 26 Artikeln und 11<br />

Anhängen, ist u.a. festgeschrieben, dass die Mitgliedstaaten Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften erlassen müssen, die erforderlich sind, um dieser<br />

Richtlinie spätestens ab Dezember 2003 nachzukommen.<br />

Nach knapp vier Jahren sind nun neun Mitgliedstaaten in Verzug geraten,<br />

d.h., sie haben sich nicht an diese Vorgabe gehalten und müssen nun mit<br />

rechtlichen Konsequenzen rechnen, die die Europäische Kommission im Juli<br />

<strong>2004</strong> eingeleitet hat.<br />

Im Folgenden werden die gesetzlichen Grundlagen und Begründungen<br />

der Kommission zu dieser Maßnahme im Original wiedergegeben.<br />

Die Europäische Kommission unternimmt rechtliche Schritte gegen 13<br />

Mitgliedstaaten, die zwei wichtige EU-Vorschriften zur Wasserreinhaltung<br />

nicht eingehalten haben. Mit diesen Vorschriften soll die Qualität sämtli-


cher Gewässer in Europa, von Seen und Flüssen bis zu den Küstengewässern,<br />

zum Nutzen aller europäischen Bürger und der Umwelt verbessert<br />

werden. Neun Mitgliedstaaten – Belgien, Finnland, Deutschland, Italien,<br />

Luxemburg, die Niederlande, Portugal, das Vereinigte Königreich und<br />

Schweden – haben eine letzte schriftliche Mahnung erhalten, in der sie aufgefordert<br />

werden, die notwendigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu<br />

erlassen, um der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu genügen. Diese Richtlinie<br />

stellt einen Meilenstein im EU-Recht dar und soll eine gute Qualität sämtlicher<br />

Wasserressourcen in der EU auf der Grundlage eines neuen, integrierten<br />

grenzübergreifenden Konzepts für die Wasserwirtschaft sicherstellen.<br />

Sie musste bis Dezember 2003 in nationales Recht umgesetzt werden. Ferner<br />

hat die Kommission Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal,<br />

Spanien und dem Vereinigten Königreich eine erste schriftliche Mahnung<br />

übermittelt, da sie die Frist Dezember 2000 nicht eingehalten haben, die<br />

für die Einrichtung geeigneter Anlagen zur Behandlung von Abwässern aus<br />

Städten und Ballungsgebieten mit über 15.000 Einwohnern festgesetzt<br />

wurde. Eine ungenügende Abwasserbehandlung ist ein Hauptgrund für die<br />

Wasserverschmutzung und stellt eine ernste Gefahr für die menschliche<br />

Gesundheit und die Umwelt dar. Mit diesen Maßnahmen trägt die Kommission<br />

dazu bei, europaweit eine hohe Wasserqualität für die Bürger zu<br />

gewährleisten.<br />

Zu diesen Entscheidungen meinte das für Umwelt zuständige Kommissionsmitglied,<br />

Margot Wallström: „Die Wasserrahmenrichtlinie ist eine der<br />

weltweit ehrgeizigsten Rechtsvorschriften. Mit ihr wird die Qualität unserer<br />

Gewässer verbessert und geschützt – aber eben nur, wenn sie ordnungsgemäß<br />

umgesetzt wird. Ebenso wichtig für die Wasserqualität ist die richtige<br />

Behandlung kommunaler Abwässer, damit sichergestellt ist, dass unsere<br />

Gewässer nicht durch mangelhaft behandelte Abwässer verschmutzt<br />

werden.“<br />

Nichtumsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie [1] bietet einen Ordnungsrahmen für den<br />

Schutz sämtlicher Gewässer in der Europäischen Union – für Flüsse, Seen,<br />

Küstengewässer, Grundwasser und sonstige oberirdischen Binnengewässer.<br />

Ziel ist es, bis 2015 eine gute Qualität der Wasserressourcen zu erreichen.<br />

Es soll durch eine integrierte Bewirtschaftung der Wassereinzugsgebiete<br />

erreicht werden, da Wassersysteme nicht an Verwaltungsgrenzen Halt<br />

machen. Die Wasserrahmenrichtlinie legt klare Fristen für die einzelnen<br />

Schritte fest, die für eine nachhaltige, integrierte Wasserwirtschaft in<br />

Europa erforderlich sind. Die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung<br />

der Richtlinie mussten bis Dezember 2003 erlassen werden.<br />

Belgien, Deutschland, Italien, Finnland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal,<br />

das Vereinigte Königreich und Schweden haben das Verfahren zur<br />

Verabschiedung der notwendigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und<br />

deren Mitteilung an die Kommission noch nicht abgeschlossen. Aus diesem<br />

Grund hat die Kommission ihnen letzte schriftliche Mahnungen zukommen<br />

lassen. Durch die Nichtumsetzung dieser wichtigen Richtlinie<br />

enthalten die neun Mitgliedstaaten ihren Bürgern eine bessere Wasserqua-<br />

Blickpunkt EU<br />

lität von Seen, Flüssen und Küstengewässern<br />

vor, auf die diese Anspruch<br />

haben.<br />

Fehlende Abwasserbehandlung<br />

Die Kommission hat Frankreich,<br />

Griechenland, Irland, Italien, Portugal,<br />

Spanien und dem Vereinigten<br />

Königreich erste schriftliche Mahnungen<br />

übermittelt, nachdem sie<br />

bei einer Überprüfung festgestellt<br />

hatte, dass in diesen Mitgliedstaaten<br />

viele Städte und Ballungsgebiete<br />

mit über 15.000 Einwohnern ihre<br />

Abwässer nicht ordnungsgemäß<br />

behandeln. In der EU-Richtlinie<br />

über die Behandlung von kommunalem<br />

Abwasser wurde eine Frist<br />

bis zum 31. Dezember 2000 für die<br />

so genannte Zweitbehandlung [2]<br />

festgesetzt, bevor Wasser aus Städten<br />

und Ballungsgebieten dieser<br />

Größe abgeleitet werden darf.<br />

Die Richtlinie [3] behandelt die<br />

durch kommunales Abwasser verursachte<br />

Belastung durch Nährstoffe,<br />

Bakterien und Viren. Kommunale<br />

Abwässer, die extrem hohe<br />

Nährstofffrachten, insbesondere<br />

Phosphor und Stickstoff, in Flüsse<br />

und Seen einbringen, fördern das<br />

übermäßige Wachstum von Algen<br />

und anderen Formen von Wasserpflanzen.<br />

Dieser als „Eutrophierung“<br />

bekannte Vorgang führt seinerseits<br />

zur Verknappung von Sauerstoff<br />

und bedroht damit die<br />

Überlebensfähigkeit von Fischen,<br />

die Sauerstoff benötigen. Dies kann<br />

auch dazu führen, dass das Wasser<br />

nicht mehr als Trinkwasser geeignet<br />

ist. Die Einleitungen enthalten<br />

möglicherweise schädliche Bakterien<br />

und Viren und können damit<br />

auch die menschliche Gesundheit<br />

gefährden, wenn sie in Gewässer<br />

gelangen, die zum Baden oder zur<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

15


16<br />

Blickpunkt EU<br />

Schalentierzucht genutzt werden.<br />

Aufgrund der Richtlinie mussten in<br />

Städten und Ballungsgebieten innerhalb<br />

bestimmter Fristen Mindestanforderungen<br />

an die Abwassersammlung<br />

und -behandlung erfüllt<br />

werden. Diese Fristen richten<br />

sich nach der Anfälligkeit der Gewässer<br />

und der Größe des jeweiligen<br />

Siedlungsgebiets.<br />

Rechtslage<br />

Gemäß Artikel 226 EG-Vertrag ist<br />

die Kommission befugt, rechtliche<br />

Schritte gegen einen Mitgliedstaat<br />

zu unternehmen, der seinen Verpflichtungen<br />

nicht nachkommt.<br />

Wenn nach Auffassung der Kommission<br />

möglicherweise ein Verstoß<br />

gegen das EU-Recht vorliegt,<br />

der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens<br />

rechtfertigt,<br />

richtet sie an den betreffenden Mitgliedstaat<br />

ein „Aufforderungsschreiben“<br />

(erste schriftliche Mahnung),<br />

in dem dieser ersucht wird,<br />

sich bis zu einem bestimmten Termin,<br />

in der Regel innerhalb von<br />

zwei Monaten, zu äußern.<br />

Je nachdem, wie sich der betreffende<br />

Mitgliedstaat in seiner Antwort<br />

äußert und ob er überhaupt antwortet,<br />

kann die Kommission beschließen,<br />

ihm eine „mit Gründen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

versehene Stellungnahme“ (letzte schriftliche Mahnung) zu übermitteln, in<br />

der sie klar und eindeutig darlegt, weshalb ihrer Ansicht nach ein Verstoß<br />

gegen das EU-Recht vorliegt, und den Mitgliedstaat auffordert, seinen Verpflichtungen<br />

innerhalb eines bestimmten Zeitraums (in der Regel zwei Monate)<br />

nachzukommen.<br />

Kommt der Mitgliedstaat der mit Gründen versehenen Stellungnahme<br />

nicht nach, kann die Kommission beschließen, den Europäischen Gerichtshof<br />

anzurufen. Gelangt der Gerichtshof zu der Auffassung, dass eine Vertragsverletzung<br />

vorliegt, wird der säumige Mitgliedstaat aufgefordert, die<br />

notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen.<br />

Gemäß Artikel 228 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, gegen einen Mitgliedstaat<br />

vorzugehen, der einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />

nicht nachkommt. Aufgrund dieses Artikels kann die Kommission den Gerichtshof<br />

auch ersuchen, gegen den betreffenden Mitgliedstaat eine Geldstrafe<br />

zu verhängen.<br />

© Europäische Gemeinschaften, 1998-<strong>2004</strong><br />

Literatur<br />

[1] Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.<br />

Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft<br />

im Bereich der Wasserpolitik.<br />

[2] Die Zweitbehandlung ermöglicht es, in der Regel durch ein Verfahren mit biologischer<br />

Reinigungsstufe, feste Schwebstoffe und gelöste Schadstoffe zu eliminieren.<br />

[3] Richtlinie 91/271/EWG des Rates über die Behandlung von kommunalem<br />

Abwasser.<br />

Kontakt<br />

Internet: www.europa.eu.int<br />

Weiterführung über Links


Steinbacher-CONSULT ist ein mittelständisches Ingenieurbüro mit<br />

Hauptniederlassung in Bayern. In den letzten 20 Jahren ist die Ingenieurgesellschaft<br />

unter der Führung von Dipl.-Ing. Stefan Steinbacher<br />

vom 5-Mann-Büro auf ein Unternehmen mit fast 200 Angestellten und<br />

mehreren nationalen und internationalen Niederlassungen gewachsen.<br />

Das fachliche Spektrum umfasst mittlerweile alle Aufgaben des allgemeinen<br />

Bauwesens sowie insbesondere der Siedlungswasserwirtschaft und des<br />

Wasserbaus.<br />

Mit der Öffnung Osteuropas Ende der 80er Jahre gründete Stefan Steinbacher<br />

schon sehr früh in Ostdeutschland und später auch in Ungarn, Rumnien<br />

sowie Polen eigenständige und gut funktionierende Niederlassungen.<br />

Die zunehmend nachlassende Nachfrage im Inland verstärkte die Bestrebungen,<br />

die Aktivitäten im Ausland zu intensivieren. Mittlerweile ist ein<br />

nicht unwesentlicher Teil der Belegschaft in die unterschiedlichsten Auslandsprojekte<br />

involviert. Hierzu gehören neben generellen Planungsaufgaben<br />

auch das gesamte Spektrum des Projektmanagements, die Erstellung<br />

von Machbarkeitsstudien sowie allgemeine Beratungsleistung und technische<br />

Assistenz.<br />

Mögliche Förderprogramme in EU-Beitrittsländern<br />

Vor dem Beitritt der „10 Neuen“ in die EU gab es in diesen Ländern praktisch<br />

keine nationalen öffentlichen Ausschreibungen. Vor allem internationale<br />

Entwicklungsbanken ermöglichten die Realisierung von Projekten<br />

durch hohe Finanzierungszuschüsse, welche zum Teil einen Förderanteil<br />

von 85 % hatten. In den ersten Jahren der Öffnung beteiligte sich die Weltbankgruppe,<br />

vor allem vertreten durch die IBRD und die IFC, an Projekten<br />

in diesen Ländern. Je näher der Beitrittstermin rückte, umso mehr zog sich<br />

die Weltbank zurück, da die Bedürftigkeit aus Sicht der Weltbank nicht<br />

mehr gegeben war. Bei allen Projekten war von Anfang an die Europäische<br />

Union, die vor allem über die beiden Programme PHARE und ISPA die Länder<br />

auf den Beitritt vorbereitete, beteiligt. Die notwendigen Co-Finanzierungen<br />

wurden und werden sichergestellt durch die Europäische Investitionsbank<br />

(EIB) und die European Bank for Reconstruction and Development<br />

(EBRD). Nach dem Aufbau der neuen Bundesländer beteiligte sich auch die<br />

Blickpunkt EU<br />

Erfahrungen in Rumänien<br />

Kanalisations- und allgemeine Abwasserprojekte<br />

in EU-Beitrittsländern<br />

deutsche Entwicklungsbank KfW<br />

an der Finanzierung von Projekten<br />

in diesen Ländern, vor allem im<br />

Umweltsektor.<br />

Mit dem Beitritt der 10 neuen EU-<br />

Mitgliedstaaten gelten in diesen<br />

Ländern dieselben Vorschriften und<br />

Regeln wie in den Alt-Mitgliedstaaten.<br />

Die Finanzierung läuft jetzt<br />

über den Kohäsionsfonds, der ähnliche<br />

Verfahren aufweist wie das<br />

ausgelaufene ISPA-Programm und<br />

die Strukturfonds. Die europäischen<br />

Länder, die schon in Beitrittsverhandlung<br />

stehen, aber erst zu<br />

einem späteren Zeitpunkt dem<br />

Staatenbund beitreten werden, erhalten<br />

weiterhin Fördergelder aus<br />

den Programmen ISPA und PHARE.<br />

Zu diesen Ländern gehören vor allem<br />

Rumänien, Bulgarien und<br />

Kroatien. Für die weiter im Osten<br />

gelegenen Staaten der ehemaligen<br />

Russischen Föderation, die Mittelmeeranrainer,<br />

die Staaten Ex-Jugoslawiens<br />

und Entwicklungsländer<br />

werden andere Förderprogramme<br />

und -instrumente bedient.<br />

Jede Entwicklungsbank hat eine eigene<br />

Richtlinie, was die Abwicklung<br />

von Projekten anbelangt. Die<br />

Bewerbungs- und Ausschreibungsverfahren<br />

sind komplex und erfordern<br />

eine gezielte Auseinandersetzung<br />

mit der Materie, um Formfeh-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

17


18<br />

Blickpunkt EU<br />

ler zu vermeiden, die zum Ausscheiden<br />

bei der Bewerbung führen.<br />

Vergabeverfahren<br />

Größere Aufträge werden generell<br />

ausgeschrieben und ab einem bestimmten<br />

Betrag mit einer vorlaufenden<br />

Prä-Qualifikation verbunden.<br />

In den meisten Fällen ist die<br />

Projektsprache Englisch. In den 10<br />

neuen Mitgliedstaaten wird ausschließlich<br />

in der Landessprache<br />

ausgeschrieben und angeboten, so<br />

dass die Einbindung von lokalen<br />

Partnern unumgänglich ist. Die Erstellung<br />

einer Prä-Qualifikation ist<br />

mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand<br />

verbunden und führt in vielen<br />

Fällen nicht zum Erfolg.<br />

Für Steinbacher-CONSULT hat sich<br />

die Bewerbung bei EU-Projekten als<br />

zielführend herausgestellt. Über<br />

den beschriebenen Weg gelang es<br />

Ende 2003, einen großen Auftrag<br />

■ Abb. 1: Titelseite der Ausschreibung zur Modernisierung<br />

des Wasser- und Abwassersystems der Stadt Sibiu.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

in Rumänien im Konsortium mit einem großen niederländischen Büro sowie<br />

mit einem etablierten und renommierten Büro in Rumänien zu gewinnen<br />

(Abb. 1). Dieses Projekt ist aktuell in Bearbeitung. Die funktionierende<br />

Niederlassung in Rumänien mit einheimischem Fachpersonal war in diesem<br />

Fall für Steinbacher-CONSULT und das gesamte Konsortium der<br />

Schüssel zum Erfolg.<br />

Das Projekt SIBIU<br />

Die Stadt Sibiu (früher Hermannstadt) liegt an den Ausläufern der Karpaten<br />

im Zentrum von Rumänien (Abb. 2). Die Stadt mit einer Einwohnerzahl<br />

von ca. 170.000 zeigt eine stark steigende wirtschaftliche Entwicklung. Etliche<br />

internationale Investoren<br />

haben sich in<br />

den Gewerbegebieten<br />

der Stadt Sibiu bereits<br />

angesiedelt. Aufgrund<br />

der großen Dynamik<br />

bezüglich der Stadtentwicklung<br />

ist die Sanierung,<br />

die Überarbeitung<br />

und die teilweise<br />

Neuerstellung der Infrastrukturen<br />

im Bereich<br />

der Wasserversorgung,Abwasserableitung,Trinkwasserbehandlung<br />

und Abwas-<br />

■ Abb. 2: Das Zentrum von Sibiu.<br />

serbehandlungzwingend notwendig. Hierfür<br />

konnte ein Finanzierungsprogramm mit Unterstützung der Europäischen<br />

Union aufgelegt werden. Das Konsortium, welches aus der deutschen<br />

Ingenieurgesellschaft Steinbacher-CONSULT, dem niederländischen<br />

Ingenieurbüro Witteeven + Bos sowie dem rumänischen Ingenieurbüro Pro<br />

Wasser aus Timisoara gebildet wird, wurde in diesem Zusammenhang damit<br />

beauftragt, die technische Assistenz bei der Abwicklung der Gesamtmaßnahme<br />

zu übernehmen. Hierzu gehört die generelle Überprüfung der<br />

bereits vorliegenden Planungen, die Aktualisierung und Überarbeitung der<br />

Planungen, die Analyse der Netze im Bereich Abwasserentsorgung und<br />

Trinkwasserversorgung, die Überplanung der Trinkwasseraufbereitung sowie<br />

der Kläranlage Sibiu.<br />

Neben den reinen Ingenieurdienstleistungen muss im Zuge des Auftrags<br />

das gesamte technische Gerät für die anstehenden Aufgaben mit beschafft<br />

werden. Hierzu gehören im Wesentlichen ein Kanalreinigungsfahrzeug, ein<br />

Kanal-TV-Inspektionsfahrzeug, mehrere Gerätschaften für die Durchflussmessung<br />

im Abwasserbereich sowie in der Trinkwasserversorgung, Leckageortungssysteme<br />

sowie im Softwarebereich komplette Computerprogramme<br />

für hydraulische Berechnungen von Trinkwassernetzen und Abwassernetzen,<br />

sowie ein komplettes geographisches <strong>Information</strong>ssystem


mit den dazugehörigen Auskunftsarbeitsplätzen für die Dokumentation,<br />

Verwaltung und das generelle Management des Trinkwasser- und des<br />

Abwassernetzes. Die hierfür notwendige Hardware musste ebenfalls mit<br />

beschafft werden. 90 % des angeforderten Equipments wurden in<br />

Deutschland erworben und nach Rumänien exportiert. Alle Handbücher,<br />

Bedienungsanleitungen, Programme usw. mussten ins Rumänische übersetzt<br />

werden.<br />

Projektumfang<br />

1. Sanierung des Dumbrava-Trinkwasserwerks<br />

Im Zusammenhang mit der Sanierung des Dumbrava-Trinkwasserwerks<br />

müssen die Oxidationsbehälter, die Mischbehälter sowie die komplette<br />

Mess- und Steuertechnik neu gebaut werden. Zur Sanierung stehen die<br />

Absetzbecken, die Sandfilter, die Feinfilter sowie die Zweistromfilter und<br />

die Dosierstation inklusive der Schlammbehandlungsanlage an. Das Wasserwerk<br />

ist auf eine Größe von 900 Liter pro Sekunde, was einem Gesamtvolumen<br />

von 77.760 m 3 pro Tag entspricht, ausgelegt.<br />

2. Überwachung und Verbrauchsmessung des Trinkwassernetzes<br />

Aktuell ist die Verbrauchsmessung in der Stadt Sibiu äußerst lückenhaft.<br />

Aus diesem Grund müssen 7.000 private Wasserzähler<br />

eingebaut werden. Darüber hinaus müssen<br />

für die Druckerhöhungsanlagen 7 Wasserzähler<br />

und für die Drucküberwachung des Wassernetzes<br />

20 Stationen aufgebaut werden. Für die<br />

Überprüfung des Chlorgehalts sind 6 Messpunkte<br />

vorgesehen. Die Durchflussmessung im Wassernetz<br />

wird an 4 zentralen Stellen neu errichtet.<br />

Neben der Überwachung und den Verbrauchsmessungen<br />

müssen 4 Druckerhöhungsanlagen<br />

saniert werden.<br />

3. Sanierung und Erweiterung des Abwassernetzes<br />

Aktuell besteht das Abwassernetz der Stadt Sibiu<br />

überwiegend aus alten Betonkanälen bzw. Mauerwerksprofilen.<br />

Das gesamte Abwassernetz wird<br />

auf Basis von vorhandenen Bestandsplänen mit<br />

teilweise notwendigen Ergänzungen des Bestandes<br />

hydraulisch hydrodynamisch überrechnet.<br />

Hierfür kommt die Hydrauliksoftware des Ingenieurbüros<br />

Pecher aus Deutschland zum Einsatz.<br />

Insgesamt stehen für die dringendsten Neubaumaßnahmen<br />

13 km Regenwasserkanäle, 6 km Mischwasserkanäle sowie 6<br />

km Schmutzwasserkanäle an. 7,5 km Mischwasserkanäle sollen nach Möglichkeit<br />

grabenlos saniert werden. Aus hydraulischer Sicht müssen 21 km<br />

Mischwasserkanäle ausgetauscht werden. Um die Funktion des Abwassernetzes<br />

zu gewährleisten, ist die Sanierung von 3 vorhandenen Großpumpstationen<br />

durchzuführen.<br />

Blickpunkt EU<br />

4. Sanierung der Kläranlage<br />

Die vorhandene Kläranlage der<br />

Stadt Sibiu ist auf 140.000 Einwohnerwerte<br />

ausgelegt (Abb. 3). Der<br />

momentane Trockenwetterzufluss<br />

liegt bei 3.000 m 3 pro Stunde und<br />

der Regenwetterzufluss bei 4.500<br />

m 3 /Stunde. Um den hohen Fremdwasserzulauf<br />

in die Kläranlage einzudämmen,<br />

ist wie bereits angesprochen,<br />

zwingend eine Sanierung<br />

des Trinkwasser- sowie des<br />

Abwassernetzes notwendig. Auf<br />

der bestehenden Kläranlage muss<br />

die Rechenanlage, der Sand- und<br />

Fettfang sowie die Maschinen- und<br />

Elektrotechnik, die Mess- und Steuertechnik<br />

und das Kanalnetz innerhalb<br />

der Kläranlage neu gebaut<br />

werden. Zur Sanierung stehen die<br />

■ Abb. 3: Auf der bestehenden Kläranlage muss die Rechenanlage, der Sandund<br />

Fettfang sowie die Maschinen- und Elektrotechnik, die Mess- und Steuertechnik<br />

und das Kanalnetz innerhalb der Kläranlage neu gebaut werden. Zur Sanierung<br />

stehen die Vorklärbecken, die Belebungsbecken und die Nachklärbecken an.<br />

Vorklärbecken, die Belebungsbecken<br />

und die Nachklärbecken an.<br />

Wie bereits erwähnt, muss neben<br />

den reinen Ingenieurleistungen das<br />

komplette technische Equipment<br />

für das Projekt geliefert werden.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

19


20<br />

Blickpunkt EU<br />

■ Abb. 4: Teamstruktur des Konsortiums Projekt „SIBIU”.<br />

Des Weiteren muss für das Gesamtprojekt<br />

ein Promotionsplan erstellt<br />

werden, um die Bevölkerung in<br />

Sibiu über die anstehenden Maßnahmen<br />

umfassend aufzuklären.<br />

Ebenfalls muss die Rolle der EU bei<br />

diesem Projekt hervorgehoben<br />

werden.<br />

Das Konsortium hat dafür Sorge zu<br />

tragen, dass nach Abschluss des<br />

Projektes das technische Personal<br />

des Abwasser- und Wasserbetriebs<br />

in Sibiu in alle Einzelheiten eingearbeitet<br />

ist und das Projekt dann<br />

selbständig managen und fortführen<br />

kann. Hierzu gehört auch die<br />

komplette Umsetzung aller <strong>Information</strong>en<br />

zu den Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen<br />

in einem geo-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

graphischen <strong>Information</strong>ssystem. Hier kommt abweichend zu der vorgeschlagenen<br />

Arc-View-/Arc-Info-Lösung der Firma ESRI das System MAGEL-<br />

LAN (Rumänische Version) der Geoinform AG, Würzburg, zum Einsatz.<br />

Personalstruktur des Konsortiums<br />

Im Zuge der Prä-Qualifikation muss bereits der gesamte Personaleinsatz<br />

des Konsortiums namentlich benannt werden. Die Gesamtverantwortung<br />

für das Projekt trägt der Teamleader mit seinem Stellvertreter. Unterstützt<br />

werden beide durch einen Assistenten.<br />

Das Projekt wird in vier wesentliche fachliche Blöcke unterteilt (Abb. 4).<br />

Diese teilen sich auf in den Bereich Kläranlage, Trinkwasseraufbereitung,<br />

Ver- und Entsorgungsnetze sowie allgemeine Managementunterstützung.<br />

Diese vier Blöcke werden ebenfalls durch so genannte Schlüsselexperten<br />

besetzt. Jedem Themenblock sind weitere Experten und Spezialisten zugeordnet.<br />

Speziell der Gruppenleiter mit seiner Vertretung sowie die Assistenz<br />

der Projektleitung und die Schlüsselexperten müssen schon im Zuge der<br />

Prä-Qualifikation namentlich benannt werden. Neben der namentlichen<br />

Nennung sind gewisse Grundqualifikationen notwendig. Hierzu gehören<br />

im Wesentlichen die nachgewiesene Sprachkompetenz, die Erfahrung mit


vergleichbaren Projekten sowie die Berufserfahrung von mindestens 15<br />

Jahren. Im Falle einer Auftragsvergabe dürfen die Schlüsselpositionen des<br />

Konsortiums personell nicht mehr verändert werden!<br />

Probleme bei der Projektumsetzung in EU-Beitrittsländern<br />

Sehr häufig werden schon in der Phase der Prä-Qualifikation sehr hohe Anforderungen<br />

an das zum Einsatz kommende Personal gestellt. Hierzu gehören<br />

– wie bereits erwähnt – die nachweislich geeignete Sprachkompetenz<br />

sowie Berufserfahrung, die im Durchschnitt bei 15 Jahren liegen sollte. Je<br />

nach Anzahl der zum Einsatz kommenden Experten können hier bei kleineren<br />

und mittleren Ingenieurbüros bereits Engpässe bei anderen Projekten<br />

auftreten.<br />

Des Weiteren sind sehr viele vertragliche Regelungen zu beachten. Die<br />

kleinste Abweichung von den vorgeschriebenen Regularien kann zum Ausschluss<br />

der Bewerbung führen. Auch bestehen oft Sprachbarrieren zwischen<br />

den nationalen und internationalen Expertenteams, wodurch es<br />

häufig zu Missverständnissen kommt.<br />

Alle Beschreibungen und Handbücher der zu liefernden Maschinen, wie etwa<br />

dem Kanalreinigungsfahrzeug oder dem Kanalinspektionsfahrzeug, mussten<br />

in die rumänische Sprache übersetzt werden. Das Gleiche traf auf alle<br />

zum Einsatz kommenden Softwareprodukte, wie z. B. das geographische<br />

<strong>Information</strong>ssystem MAGELLAN, zu. Hierfür entstehen nicht unerhebliche<br />

Kosten.<br />

Des Weiteren muss jede ausgewählte Gerätschaft vom Auftraggeber<br />

schriftlich genehmigt werden. Das Konsortium hat dafür Sorge zu tragen,<br />

dass das technische Personal vor Ort in alle Maschinen und Fahrzeuge sowie<br />

Messgeräte umfassend und korrekt eingewiesen wird. Alle Schulungen<br />

mussten und müssen in rumänischer Sprache stattfinden. Aus diesem<br />

Grund war es auch unerlässlich, einen internationalen Fachmann mit Englisch-,<br />

Rumänisch- und Deutschkenntnissen einzusetzen.<br />

Speziell der Einsatz eines geographischen <strong>Information</strong>ssystems für die abschließende<br />

Dokumentation der Ver- und Entsorgungsnetze stellt bei solchen<br />

Projekten ein Novum dar. Der Abwasser- und Wasserbetrieb vor Ort<br />

muss in die Lage versetzt werden, selbsttätig seine Daten mit Hilfe des geographischen<br />

<strong>Information</strong>ssystems fortzuführen und auszuwerten. Hier<br />

muss eine einfach zu bedienende und für die Anwendung ausreichende<br />

Softwarelösung kreiert werden.<br />

Mit hoher Sensibilität muss auf die unterschiedlichen kulturellen Eigenarten<br />

der nationalen Experten und Auftraggeber eingegangen werden.<br />

Ebenfalls müssen die unterschiedlichen Arbeitsweisen akzeptiert werden.<br />

Eine Nichtbeachtung der landestypischen Gepflogenheiten kann schnell zu<br />

Spannungen führen.<br />

Schlussbemerkung<br />

Grundsätzlich ist das Engagement von mittelständischen Ingenieurbüros<br />

bei Auslandsprojekten und insbesondere bei EU-Projekten mit hohen Anfangsinvestitionen<br />

verbunden. Zum einen müssen die sehr aufwändigen<br />

Prä-Qualifikationsleistungen erbracht<br />

werden. Bis sich erste Erfolge<br />

bzw. konkrete Aufträge einstellen,<br />

kann mit einer Vorlaufzeit von<br />

bis zu 10 Jahren gerechnet werden.<br />

Zum andern muss die Belegschaft<br />

darauf trainiert werden, sich regelmäßig<br />

in Auslandsprojekte einzubringen.<br />

Dabei muss beachtet werden,<br />

dass inländische Stammkunden<br />

nicht vernachlässigt werden<br />

und auch die nationalen Projekte<br />

weiterhin qualifiziert und termingerecht<br />

abgewickelt werden.<br />

Mangelnde Sprachkompetenz des<br />

hauseigenen Personals ist nach wie<br />

vor eines der größten Probleme bezüglich<br />

der Abwicklung solcher<br />

Projekte. Im Gegensatz zu anderen<br />

europäischen Ländern, wie etwa<br />

den Niederlanden oder Norwegen,<br />

ist das sichere Beherrschen von<br />

Fremdsprachen bei deutschen Ingenieuren<br />

nach wie vor keine<br />

Selbstverständlichkeit. Hier muss<br />

auch von Seiten der Geschäftsführung<br />

früh genug gegengesteuert<br />

werden.<br />

Kontakt<br />

Blickpunkt EU<br />

Dipl.-Ing. Andreas Landau<br />

Steinbacher-CONSULT<br />

Niederlassung Wertingen<br />

Alemannenstraße 19 a<br />

86637 Wertingen<br />

Tel.: 08272/99 56-0<br />

Fax: 08272/99 56-99<br />

E-Mail:<br />

andreas.landau@steinbacher-consult.com<br />

Internet: www.steinbacher-consult.com<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

21


22<br />

Regelwerknews<br />

Normung – Überarbeitung/Überprüfung/Neuerscheinung<br />

„Wahrnehmung“ und Standpunkt des FVST<br />

Normung ist ein unverzichtbares<br />

Hilfsmittel zur Herstellung<br />

und Verwirklichung<br />

von Bauaufgaben. Sie soll<br />

die Verständigung fördern, soll für<br />

genügende Sicherheit der Bauwerke<br />

sorgen, soll Qualitätsmaßstäbe<br />

setzen und die Gebrauchsfähigkeit<br />

regeln. Normung sorgt für einheitlich<br />

rechtliche und kaufmännische<br />

Grundlagen und regelt insbesondere<br />

deren Abwicklung. Als Beispiel<br />

sei hier auf das deutsche Vergaberecht<br />

mit der VOB als Norm hingewiesen,<br />

die für Planung und Bau<br />

unverzichtbar ist. Normung dient<br />

einer sinnvollen Ordnung und der<br />

<strong>Information</strong> auf dem jeweiligen<br />

Gebiet, schafft Klarheit zwischen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

„Lieferanten“ und „Kunden“, erleichtert Konstruktion, Fertigung und Instandhaltung<br />

und dient zur Verständigung in Wissenschaft und Technik.<br />

Normung kann und darf nicht die Kreativität und Eigenverantwortlichkeit<br />

von Planern, Unternehmern oder Herstellern von Bauteilen ersetzen oder<br />

diese einschränken.<br />

Normung ist folglich lebendig und interessant, verbindend und nützlich,<br />

klärend und eindeutig und nicht gegenteilig. Wenn Normung als Begriff<br />

negativ beurteilt wird, dann sicherlich in Unkenntnis der Möglichkeiten,<br />

die in technischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gegeben<br />

sind. Die Selbstverständlichkeit, mit der heute viele Dinge des täglichen<br />

Lebens be- und genutzt werden, wird in vielfältiger Weise durch technische<br />

Regeln zur Herstellung, Anwendung und Sicherheit unterstützt und getragen.<br />

Umso mehr muss Normung ihren Platz im Leitungsbau, respektive im<br />

Kanalbau haben, wo die Bauwerke unterirdisch sind und Aufgaben zur so<br />

genannten Volksgesundheit übernehmen.<br />

Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. nimmt die vielfältigen Aufgaben<br />

der Normung sowohl in nationalen wie auch in internationalen Gremien<br />

wahr, um Erfahrungen und Fachwissen einzubringen und um national<br />

etablierte Regelungen in europäischen Regelwerken einzugliedern.<br />

■ Normung ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen<br />

und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit. DIN 820 Teil 3


DIN EN 1295<br />

Statische Berechnung von Abwasserkanälen<br />

Statische Berechnungen dürfen nicht zum Anhängsel der Planung werden.<br />

Sie müssen die reale Bauausführung erfassen und sind unverzichtbarer Teil<br />

der Planung. Die Randbedingungen zur Berechnung sind während und<br />

nach der Bauausführung zu kontrollieren. Boden-kennwerte sind Abnahmekriterien.<br />

Das europäische Normungsvorhaben DIN EN 1295 „Statische Berechnung<br />

von erdverlegten Rohrleitungen unter verschiedenen Belastungsbedingungen“<br />

konnte nicht mit einem Berechnungsverfahren<br />

beendet werden.<br />

Teil 1 der DIN EN 1295 ist veröffentlicht (September 1997). Er legt „Allgemeine<br />

Anforderungen“ fest und enthält in einem informativen Anhang<br />

die national eingeführten Verfahren zur statischen Berechnung. Für<br />

Deutschland sind damit auf dieser Grundlage die ATV-DVWK-Arbeitsblätter<br />

A 127 und A 161 in einer europäischen Norm enthalten.<br />

Das Bearbeitungsziel, ein Berechungsverfahren für alle Bauteile zu erarbeiten,<br />

wurde nicht erreicht. Die Vorhabensbeschreibung wurde auf Beschluss<br />

des CEN TC 165 im November 2003 mit dem Ziel abgeändert, in <strong>2004</strong> die<br />

vorhandenen Arbeitsergebnisse in einem „Technischen Bericht“ (TR) zu<br />

veröffentlichen.<br />

Einhergehend mit diesen Entscheidungen wurde das „Standstill“ aufgehoben.<br />

Normungsvorhaben zur statischen Berechnung von Abwasserkanälen<br />

können damit national bearbeitet werden.<br />

Die vorliegenden ATV-DVWK-Arbeitsblätter A 127 und A 161 zur statischen<br />

Berechnung von Abwasserkanälen in der offenen und geschlossenen Bauweise<br />

bleiben weiterhin in Deutschland gültig. ATV-DVWK-Arbeitsblatt<br />

A 127 (Ausgabe August 2000) beinhaltet das Berechnungsverfahren für<br />

Vollwandquerschnitte bei Abwasserkanälen. Für profilierte Rohre wird derzeit<br />

immer noch auf ein zu erarbeitendes Merkblatt verwiesen.<br />

Das aus dem Jahre 1990 vorliegende ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 161 „Statische<br />

Berechnung von Vortriebsrohren“ wird derzeit überarbeitet.<br />

Dies erfolgt in Abstimmung mit den ebenfalls in Überarbeitung befindlichen<br />

technischen Regeln zum Rohrvortrieb (ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 125).<br />

DIN EN 1610<br />

Überprüfung auf Aktualität<br />

Die Norm mit dem Titel „Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen<br />

und -kanälen“ wurde im Oktober 1997 als DIN EN in Deutschland<br />

veröffentlicht. Entsprechend den CEN-Regeln wurde es in 2002 erforderlich,<br />

fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung, die Norm zu überprüfen.<br />

Es galt dabei festzustellen, ob sie<br />

● für weitere 5 Jahre ohne Veränderung bestätigt werden kann<br />

● zu überarbeiten ist und welche Gründe hierfür gegeben sind<br />

● zurückzuziehen ist und mit welcher Begründung<br />

Die von CEN vorgegebene Frist von 5 Jahren stellt zunächst eine vergleichsweise<br />

lange Zeitspanne dar, Erfahrungen in der Anwendung neuer<br />

Regelwerknews<br />

Normen zu sammeln. In der Praxis<br />

ihrer Umsetzung in Europa und<br />

dem damit verbundenen Sammeln<br />

von Erfahrungen, handelt es sich<br />

jedoch um relativ kurze Zeiträume.<br />

Gründe hierfür liegen u.a. in der<br />

Projektlaufzeit von Bauvorhaben<br />

bis zur Bauabnahme sowie in der<br />

individuellen Handhabung von<br />

Übergangsfristen. Zudem sind gerade<br />

beim Bau von Abwasserkanälen<br />

in der Regel lange Erfahrungszeiträume<br />

zur Beurteilung unabdingbar.<br />

Vor diesem Hintergrund<br />

und dem Ergebnis der Umfrage<br />

durch das CEN bei seinen Mitgliedern<br />

wurde dann vom CEN TC 165<br />

„Abwassertechnik“ beschlossen,<br />

die DIN EN 1610 weitere 2 Jahre<br />

ohne Veränderungen beizubehalten.<br />

Der nächste Zeitpunkt zur<br />

Überprüfung ist dann folglich in<br />

diesem Jahr. Die nationalen Spiegelgremien<br />

haben ihre Arbeit bereits<br />

begonnen, so dass in 2005<br />

mit dem konkreten Beginn der europäischen<br />

Bearbeitung zu rechnen<br />

ist.<br />

Nationale Ergänzungen<br />

Nationale Ergänzungen können<br />

selbstverständlich offene und nicht<br />

geregelte Themen aufgreifen. Sie<br />

dürfen allerdings nicht im Widerspruch<br />

zu den geltenden europäischen<br />

technischen Regeln stehen.<br />

Im Falle des ATV-DVWK-Arbeitsblattes<br />

A 139 „Einbau und Prüfung<br />

von Abwasserleitungen<br />

und -kanälen“ (Ausgabe Juni<br />

2001) erfolgte dies u.a. zu:<br />

● Randbedingungen zur statischen<br />

Berechnung nach ATV-<br />

DVWK A 127<br />

● Weitergehenden Angaben zur<br />

Leitungszone, einschließlich der<br />

Rohrbettung und dem Rohrauflager<br />

● Anschlüssen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

23


24<br />

Regelwerknews<br />

● Prüfungen nach dem Einbau<br />

zur Bodenverdichtung<br />

● Prüfungen der Dichtheit mit<br />

Wasser- und Luftüberdruck sowie<br />

Luftunterdruck<br />

● Prüfungen der Rohrverformung<br />

Die gleichzeitige Gültigkeit der beiden<br />

technischen Regelwerke muss<br />

als Grundlage von Planung und<br />

Bau vereinbart werden.<br />

Aus der Sicht des FVST können die<br />

im ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 139<br />

vorgenommenen Ergänzungen mit<br />

die Grundlage für eine inhaltliche<br />

Überarbeitung der DIN EN 1610<br />

bilden. Der FVST sieht dringenden<br />

Handlungsbedarf in jedem Fall dahingehend,<br />

dass die Schnittstellen<br />

zum Übergang der Verantwortlichkeiten<br />

im Regelwerk definiert werden<br />

müssen. Ebenso sieht er es als<br />

unbedingt erforderlich an, die häufig<br />

festzustellenden Überschneidungen<br />

von Planung und Bauausführung<br />

sowie die Verlagerung von<br />

Planungsaufgaben in die Bauausführung<br />

über klärende Regelungen<br />

festzuschreiben!<br />

DIN EN 14457<br />

Im September <strong>2004</strong> erschienen<br />

Mit dieser neuen technischen Regel<br />

werden erstmalig europäisch geltende<br />

„Allgemeine Anforderungen<br />

an Bauteile, die bei grabenlosem<br />

Einbau von Abwasserleitungen und<br />

-kanälen verwendet werden“ veröffentlicht.<br />

Diese gelten dann für<br />

Bauprodukte, die in keiner eigenständigen<br />

Produktnorm behandelt<br />

werden. Das DIN veröffentlichte<br />

die deutsche Fassung als DIN EN<br />

14457 mit Ausgabedatum September<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Die Norm wurde in der Arbeitsgruppe<br />

WG 1 TG6 im CEN TC 165<br />

„Abwassertechnik“ und im deutschen<br />

Spiegelgremium im Arbeits-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

ausschuss NAW V 9 beim Normenausschuss Wasserwesen bearbeitet. Die<br />

Arbeit wurde inhaltlich mit der derzeit laufenden Überarbeitung des ATV-<br />

DVWK-Arbeitsblattes A 125 „Rohrvortrieb“ abgestimmt.<br />

Die Leitung der CEN Arbeitsgruppe WG 1 TG6 lag in der Verantwortung<br />

von Dipl.-Ing. K.-H. Flick (FVST).<br />

Im Falle der Steinzeug-Vortriebsrohre gilt weiterhin die DIN EN 295, Teil<br />

7. Die dort enthaltenen technischen Regelungen stehen nicht im Widerspruch<br />

zu DIN EN 14457.<br />

Aktive Mitarbeit ist gefragt<br />

Der Wettbewerb zwischen nationalen und europäischen Normen wird weiter<br />

evident bleiben. Damit das Normungs-Niveau nicht verwässert und<br />

bewährte und etablierte Regelungen auch Aufnahme in das europäische<br />

Regelwerk erfahren, ist die aktive Mitarbeit durch nationale Spiegelgremien<br />

unverzichtbar. Die inhaltliche Bearbeitung europäischer Regeln mit<br />

der Festlegung von Anforderungen und Schutzzielen führt nicht zum Verzicht<br />

nationaler Bestimmungen.<br />

Es ist ein wenig aufwändiger Akt, Normen als unnötige bzw. unbrauchbare<br />

Regelungen abzutun, sie als praxisfern zu verfemen oder sie als von der Industrie<br />

und von Firmen gesteuert zu bezeichnen. Deutlich aufwändiger,<br />

aber wesentlich effizienter und für die Allgemeinheit von wirklicher Bedeutung,<br />

ist die aktive Mitarbeit in Gremien zur Erarbeitung technischer<br />

Regeln für die Abwassertechnik. Dies gilt für Anwendungs- und Produktnormen<br />

gleichermaßen. Und hier sind vor allem die Kommunen gefragt,<br />

die als Betreiber der Netze auf eine gute und nachhaltige Abwasserentsorgung<br />

angewiesen sind. Von besonderem Interesse wird in naher Zukunft<br />

die Einführung europäisch harmonisierter Normen für Bauteile mit den<br />

parallel vorhandenen freiwilligen Normen sein.<br />

Kontakt<br />

Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />

<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />

Max-Planck-Straße 6<br />

50858 Köln<br />

Tel.: 02234/507-271<br />

Fax: 02234/507-204<br />

E-Mail: fachverband@steinzeug.com<br />

Internet: www.steinzeug.com


Bis heute werden Steinzeugrohre immer wieder noch als Tonrohre bezeichnet.<br />

Tonrohre sind jedoch – im Gegensatz zu Steinzeugrohren,<br />

„keramisch“ nicht zu definieren. In der Keramik unterscheidet man<br />

zwischen porösem und dichtem Werkstoff. Steinzeug steht – wie auch Porzellan<br />

– für einen dichten Werkstoff, im Gegensatz zu Steingut und Ziegel,<br />

die als poröse Werkstoffe definiert sind.<br />

Steinzeug ist ein nichtmetallischer, anorganischer Werkstoff, der – je nach<br />

seiner chemischen Zusammensetzung und Brand – zwischen 55 % und<br />

77 % Glas enthält (Tab. 1). Durch eine Temperaturbehandlung von mehr als<br />

800 ºC erhält er seine typischen Eigenschaften.<br />

Mullit 23 % (3Al 2 O 3 · 2SiO 2 )<br />

Cristobalit 1 % SiO 2<br />

Quarz 19 % SiO 2<br />

amorphes Glas 57 % SiO 2<br />

■ Tabelle 1: Beispiel einer Mineralanalyse von Steinzeug.<br />

25,0 % Al 2 O 3<br />

3,5 % Fe 2 O 3<br />

6,0 % Flussmittel (Summe aus Alkalien und Erdalkalien)<br />

65,5 % SiO 2 , nach Feldspat das häufigste Mineral<br />

■ Tabelle 2: Chemische Analyse von Steinzeug.<br />

Mullit 26 %<br />

Cristobalit 4 %<br />

Quarz 14 %<br />

amorphes Glas 56 %<br />

■ Tabelle 3: Mineralanalyse eines Steinzeugrohrs aus dem Jahre 1901.<br />

Warum enthält Steinzeug so viel Glas?<br />

Nimmt man eine chemische Analyse zur Hilfe, so ist dies leicht zu erklären<br />

(Tab. 2). Die 65,5 % SiO 2 = Quarz werden mit Hilfe der Flussmittel beim<br />

Forschung + Technik<br />

Bewährt seit Jahrhunderten<br />

Steinzeug – Material und Bauteil<br />

Brand zum großen Teil in Glas umgewandelt.<br />

Ist die mineralogische<br />

Phasenzusammensetzung, die sich<br />

aus den Rohstoffen und durch den<br />

Brand ergibt, erst einmal abgeschlossen,<br />

bleibt sie für immer unverändert<br />

(Tab. 3).<br />

Hierin liegt die gleichbleibende,<br />

gute chemische Beständigkeit und<br />

Dauerhaftigkeit des Werkstoffes<br />

Steinzeug über einen 100-jährigen<br />

Zeitraum und mehr begründet. Die<br />

Menge des Mullits kann in Abhängigkeit<br />

von der Menge an Al 2 O 3<br />

und der Höhe der Brenntemperatur<br />

variieren. Obwohl der Phasenbestand<br />

von altem Steinzeug und<br />

dem derzeitigen Steinzeug ähnlich<br />

ist, war er früher eher ein Zufallsprodukt.<br />

Der Phasenbestand hat<br />

sich beim Brand in den Kammeröfen<br />

eben ergeben, ohne dass man<br />

genaue Kenntnisse über die chemische<br />

Zusammensetzung, die Mineralogie<br />

oder auch über das thermische<br />

Verhalten besaß. Auch war<br />

der Phasenbestand des Werkstoffes<br />

je nach Standort im Kammerofen<br />

immer etwas unterschiedlich, woraus<br />

sich früher eine größere<br />

Schwankungsbreite im Phasenbestand<br />

ergab als heute.<br />

Durch genaueste Untersuchungsmethoden,<br />

die Aufschluss über die<br />

verschiedensten Eigenschaften der<br />

Mineralien, wie z.B. Illit, Kaolinit<br />

und Montmorillonit, geben, sowie<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

25


26<br />

Forschung + Technik<br />

über die Verträglichkeit der Tone<br />

mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften<br />

untereinander und mit<br />

der verbesserten Temperatursteuerung<br />

im Tunnelofen, ist der Phasenbestand<br />

heute steuer- und reproduzierbar<br />

geworden.<br />

Die Entwicklung des Werkstoffes<br />

Steinzeug ist eine stetige: Es wird<br />

permanent versucht, dickere<br />

Wandstärken und höhere Festigkeiten<br />

zu erzielen.<br />

Große Wandstärke, hohe<br />

Festigkeit<br />

Wie wird eine größere Wandstärke<br />

und eine höherer Festigkeit heute<br />

erreicht? Früher wurden zur Rohrherstellung<br />

nur ein bis zwei Tone<br />

aus der Nähe des Werkes verarbeitet.<br />

Heute werden bis zu 13 verschiedene<br />

Tone aus mehreren<br />

Lokalitäten mit unterschiedlichen<br />

Eigenschaften verwendet.<br />

Einige der geforderten Eigenschaften<br />

sind z.B.:<br />

● hohe Trockenbruchfestigkeit<br />

● hohe Brennbruchfestigkeit<br />

● geringe Ausdehnungen beim<br />

Brand<br />

● geringe organische Bestandteile<br />

● wenig Verunreinigungen<br />

● geringe Mengen an grobem Quarz<br />

Eigenschaften von<br />

Steinzeug<br />

Steinzeug ist chemisch beständig,<br />

außer gegenüber Flusssäure. Steinzeug<br />

ist weder durch Druck noch<br />

durch Temperatur rückverformbar.<br />

Steinzeug hat eine gute mechanische<br />

Festigkeit und Härte.<br />

Kontrolle der Rohstoffe<br />

Die Kontrolle der Tone beginnt bereits<br />

in der Tongrube. Nach dem<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Abbau werden die erforderlichen Eigenschaften im Labor mit den derzeit<br />

modernsten Geräten detailliert untersucht, etwa:<br />

● mit dem Sedigraphen: die Bestimmung der Kornverteilung<br />

● mit dem Dilatometer: die Bestimmung der Ausdehnung beim Temperaturanstieg<br />

● mit der Differentialthermoanalyse: die Bestimmung der exothermen<br />

und endothermen Effekte<br />

● mit dem Röntgenspektrometer: die Bestimmung der chemischen<br />

Bestandteile (Wellenlängendispersiv)<br />

● mit dem Röntgendiffraktometer: die Bestimmung des Phasenbestandes<br />

(Abb. 1)<br />

■ Abb. 1: Gemischanalyse zur Bestimmung des Phasenbestandes mit dem<br />

Röntgendiffraktometer.<br />

Die moderne Rohrherstellung<br />

Wenn auch heute noch Steinzeugrohre für Abwasserkanäle hergestellt<br />

werden, so liegt das vor allem an der ungebrochen hohen Akzeptanz des<br />

keramischen Werkstoffes zum einen, jedoch auch an den vielfältigen<br />

Verbesserungen der Rohre in den vergangenen Jahrzehnten.<br />

Gab es bis vor ca. 20 Jahren 1. und 2. Qualität und eine so genannte Lagerware,<br />

so ist die Qualität bei den heutigen Rohren und bei Formzeugen<br />

gleich – dokumentiert und kontrolliert laut DIN EN ISO 9001. Vielfältige<br />

Verpflichtungen, wie Produkthaftung und Gewährleistungsfristen, verbieten<br />

eine Teilung der Qualitäten in verschiedene Kategorien.<br />

Heute gilt es, während des gesamten Herstellungsprozesses hochwertige<br />

Qualitätskontrollen durchzuführen. Zufällig erreichte Eigenschaften im positiven<br />

wie im negativen Sinne werden konsequent ausgeschlossen – wichtig<br />

ist hier die klare Reproduzierbarkeit aller Prozesse bei der Herstellung<br />

der Steinzeugrohre. Das ist und bleibt die Lösung für die kontinuierliche<br />

Verbesserung der Produkte und deren Qualität.


Aufbereitung<br />

Im Allgemeinen spricht man bei der Aufbereitung vom Zerkleinern,<br />

Mischen und Homogenisieren der Rohstoffe. Beim Zerkleinern wird in der<br />

Keramik die Ton- und Hartstoffzerkleinerung unterschieden.<br />

Zerkleinern<br />

Das Zerkleinern von Ton für die Herstellung von Steinzeugrohren erfolgt<br />

heute durch Kollergänge und Differenzialwalzwerke, die wiederum in Form<br />

des eingestellten Walzenspaltes ständig leistungsstärker wurden. Der<br />

kleinstmögliche Walzenspalt liegt hier im Bereich von 0,4 mm. Für die<br />

Qualität bedeutet dies eine geringste Korngröße möglicher Fremdstoffe/körper<br />

(Pyrit, Kalk u.a.), die ursächlich in der Entstehungsgeschichte<br />

der Tone liegen. Zu große Einschlüsse schwächen bzw. zerstören das<br />

Gefüge im späteren Dichtbrand.<br />

Möglichkeiten zum weiteren Verringern von Fremdstoffen liegen im Abschlämmen<br />

von Tonen und der Trockenaufbereitung, die jedoch in der<br />

Grobkeramik aus Kostengründen keine Anwendung finden.<br />

Das Zerkleinern der Hartstoffe wurde vor mehr als 50 Jahren mit nur einem<br />

Aggregat, meist mit einer Prallmühle durchgeführt. Heute wird das Zerkleinern<br />

entweder mit einer zwei- oder dreistufigen Mahlanlage realisiert. Stufe<br />

eins ist fast überall ein Backenbrecher, Stufe zwei ein Kegelbrecher. Die<br />

dritte Stufe stellt in den meisten Fällen eine Ringwalzenmühle dar, in den<br />

seltensten Fällen auch eine Siebkugelmühle.<br />

Als Hartstoffe dienen der Eigenbruch sowie zum Gefüge passende Fremdkeramikbrüche.<br />

Der neueste Weg des Einsatzes von Hartstoffen liegt in der<br />

Verwendung von Rohstoffen aus der Baustoffindustrie. Hiermit kann der<br />

Hartstoff bis zu 100 % ersetzt werden, womit das Zerkleinern entfällt.<br />

Mischen und Homogenisieren<br />

Mischen bedeutet das Vermengen der drei Hauptbestandteile: Tonversatz,<br />

Hartstoffe und Anmachwasser. Das Mischen und Homogenisieren hat nur<br />

dann den größten Nutzen, wenn dieser Prozess konstant durchgeführt<br />

wird. Im kontinuierlichen Prozess wird hier der Doppelwellentrogmischer<br />

verwendet, wobei die Zugabe der Komponenten gravimetrisch über Bandwaagen<br />

erfolgt. Dieser Prozess läuft heute rechnergestützt, meist vollautomatisch.<br />

Durch den Einsatz leistungsfähiger Steuerungen ist auch die Zugabe<br />

verschiedener bzw. mehrerer Körnungen unterschiedlicher Mengen<br />

konstant realisierbar.<br />

Beim Einsatz von Stäuben werden heute diskontinuierliche Mischer, so genannte<br />

Chargenmischer, eingesetzt. Der Vorteil gegenüber kontinuierlichen<br />

Mischern liegt in der Möglichkeit der theoretisch unbegrenzten Dauer<br />

des Mischvorganges. Erst wenn alle Komponenten optimal vermischt<br />

sind, wird der Vorgang beendet, d.h., die Verweildauer des Mischgutes ist<br />

nicht Aggregat-abhängig, sondern nur zeitabhängig.<br />

Wurde noch vor ca. 30 Jahren nach dem Mischen abgebrochen und die<br />

Masse direkt verpresst, schließt sich nunmehr ein Homogenisierungsprozess<br />

an. Homogenisieren bedeutet eine größtmögliche Vereinheitlichung<br />

der keramischen Masse in ihrer Zusammensetzung und Eigenschaft. Somit<br />

kann das Homogenisieren bereits bei der Lagerung der Tone erfolgen,<br />

Forschung + Technik<br />

indem man zu mischende Tone bereits<br />

mit der Anlieferung schichtweise<br />

einlagert. Im Allgemeinen<br />

spricht man aber erst bei der Nachbehandlung<br />

fertig gemischter Massen<br />

von Homogenisierung. Dazu<br />

wird die Masse durch einen oder<br />

auch mehrere Siebrundbeschicker<br />

gepresst. Dieses Aggregat kann<br />

sich entweder direkt an das Mischaggregat<br />

anschließen, wird aber<br />

auch unmittelbar vor der Formgebungsmaschine<br />

eingesetzt.<br />

Formgebung<br />

Auch die Formgebung von Steinzeugrohren<br />

hat eine große Entwicklung<br />

in den letzten 50 bis 100<br />

Jahren erfahren. Wurden am Anfang<br />

des letzten Jahrhunderts noch<br />

Kolbenpressen genutzt, die eine<br />

maximale Baulänge von 1.000 mm<br />

zuließen, werden heute Vakuumstrangpressen<br />

für die Herstellung<br />

von Rohren mit 2.500 mm Baulänge<br />

der Dimensionen DN 200 bis<br />

800 genutzt.<br />

Das notwendige Evakuieren der<br />

Masse hat immer mehr an Bedeutung<br />

gewonnen. Die Trocknungsund<br />

Brennzeiten werden immer<br />

kürzer (siehe auch Kap. Trocknen<br />

und Brennen). In Verbindung mit<br />

der Automation der nachfolgenden<br />

Fertigungsprozesse wäre die Technik<br />

nicht mehr in der Lage, diesen<br />

(bis vor einigen Jahren) typischen<br />

Pressfehler zu kompensieren, denn<br />

ein Lufteinschluss unter der Presshaut<br />

führt beim Erwärmen zur Volumenvergrößerung<br />

und früher<br />

oder später zum Aufplatzen der<br />

Scherben. Eine 100 %-ige Einhaltung<br />

des Vakuums im Vakuumkessel<br />

der Presse garantiert heute einen<br />

weitgehend ruhigen Verlauf<br />

des Brenn- und Trocknungsprozesses.<br />

Nur so lassen sich die nachfolgenden<br />

Prozesse optimieren. Vaku-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

27


28<br />

Forschung + Technik<br />

Trocknungszeit [h]<br />

■ Abb. 2: Entwicklung der Trocknungszeiten von 1900 bis heute am Beispiel DN 200.<br />

um ist nur ein Parameter, der für eine<br />

hohe Qualität der Steinzeugrohre<br />

sorgt.<br />

Die optimale Drehzahl der Presse<br />

entsprechend der Scherbenwandstärke<br />

und Dimension und der<br />

gleichmäßige Verschleiß des Innenlebens<br />

der Presse sind weitere wesentliche<br />

Parameter. Die Vernachlässigung<br />

beider Parameter führt zu<br />

unerwünschten Texturen (Textur<br />

ist die Verwirbelung von Tonteilchen<br />

in Scherben und führt zur<br />

Schwächung der Scherben).<br />

Neben den Rohren existiert ein<br />

umfangreiches Programm an<br />

Formzeugen. Vor allem in den<br />

stückzahlstarken Dimensionen gab<br />

es wesentliche Fortschritte. Mit<br />

dem Einsatz von Abzweigpressen<br />

ab ca. 1980 konnten die Garnierstellen<br />

– meist Ursache für Undichtigkeiten<br />

und Risse – während des<br />

Trocken- und Brennprozesses abgeschafft<br />

werden. Heute sind alle<br />

gängigen Abzweige maschinengefertigt,<br />

von DN 150 bis 800.<br />

Trocknen<br />

Das Trocknen der Rohre und Formzeuge<br />

erfolgt heute vorwiegend in<br />

der Kanalauftriebstrocknung oder<br />

in der Umlufttrocknung. Neben<br />

den Trocknungszeiten (Abb. 2)<br />

wurde vor allem, dank immer bes-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

serer Handlingsautomaten, die Baulänge<br />

der Bauteile vergrößert. Es erscheint<br />

sicher, dass die derzeitige Baulänge<br />

von 2,5 m nicht das Ende sein<br />

muss.<br />

Generell werden die Rohre im Stehen<br />

getrocknet. Was vor Jahren als nicht<br />

möglich galt (2,5 m der Dimension<br />

200 H mit den bis dato laut Werknorm<br />

295/1 festgelegten Toleranzgrenzen),<br />

wird heute tagtäglich realisiert. Allerdings<br />

die Grenzen des „Stehend-<br />

Trocknens“ sind erreicht.<br />

Eine weitere Verbesserung von Toleranzen<br />

und Produktionssicherheit wurde erst durch den Bau einer gänzlich<br />

neuen Art der Trocknung ermöglicht. Bei diesem hier als Schnelltrocknung<br />

benannten Trocknungsprinzip werden die Rohre bei ständigem Drehen auf<br />

horizontal beweglichen Rollen gelegt. Das Prinzip ermöglicht eine de facto<br />

Einzelbehandlung beim Trocknen hinsichtlich Trocknungszeit und eine wesentliche<br />

Einengung der Toleranzen.<br />

Glasieren und Setzen<br />

Vor dem Brennen erfolgt das Glasieren und Setzen der Rohre. Wichtige<br />

Etappen des Glasurprozesses liegen in der Art der Glasur. Wurden in den<br />

Kammeröfen noch Salzglasuren verwendet, findet man bei den Steinzeugrohren<br />

heute eine Rohlehmglasur, die mittels Tauchvorganges entweder<br />

bereits vor oder nach dem Trocknen aufgetragen wird.<br />

Seit Anfang der 70er Jahre wurden Voraussetzungen für ein automatisches<br />

Setzen und Abladen geschaffen. Nur durch den konsequenten Abbau der<br />

manuellen Handlingsvorgänge kann eine reproduzierbare Qualität erreicht<br />

werden.<br />

Die neueste Produktionslinie, die 2001 in Betrieb genommen wurde, ist<br />

soweit automatisiert, dass erst das fertig verpackte Rohr mit einem manuell<br />

gesteuerten Gabelstapler bewegt wird. Alle anderen Arbeitsplätze sind<br />

nur zur Kontrolle und Bedienung der Servicevorgänge notwendig. Diese<br />

Anlage läuft 24 Stunden täglich.<br />

Brennen<br />

Das Brennen ist von Beginn an der bedeutendste Prozess bei der Herstellung<br />

von Keramik. Kanalisationssteinzeugrohre bilden hier keine Ausnahme!<br />

Sicherlich liegt die Bedeutung des fehlerlosen Brennens auch daran,<br />

dass der Brennprozess im keramischen Sinne am Ende des Wertschöpfungsprozesses<br />

liegt. Einige wichtige Parameter sind:<br />

● Eingangsrestfeuchte<br />

● Aufheizgeschwindigkeit im Bereich der chemischen Entwässerung und<br />

der Verbrennung humider Anteile aus den Tonen<br />

● Einhaltung der Dichtbrandtemperatur<br />

● Abkühlgeschwindigkeit bei Überschreiten des Quarzsprunges (573 °C)<br />

● Gleichmäßiger Temperaturgradient am und um den Gesamtkörper


während des gesamten Aufheiz- und Abkühlprozesses.<br />

Brennzeit [h]<br />

Unter Beachtung sämtlicher Prozessparameter wurde<br />

auch das Brennaggregat immer weiterentwickelt. Angefangen<br />

hat das keramische Brennen mit so genannten<br />

Feldbränden – auch heute noch in einigen<br />

afrikanischen Ländern zu finden.<br />

Steinzeugrohre wurden vor ca. 100 Jahren in Ringkammeröfen<br />

oder Zickzacköfen (abgeleitet von der<br />

Brenngasführung) gebrannt. Mit der Einführung des<br />

Tunnelofenbrandes vor ca. 50 Jahren konnten entscheidende<br />

Verbesserungen bezüglich Reproduzierbarkeit<br />

kontinuierlich laufender Brennprozesse erreicht<br />

werden. Auch wenn sich der Energieträger in<br />

den letzten Jahrzehnten von Schweröl über Leichtöl bis hin zu Erdgas geändert<br />

hat, ist der Tunnelofenbrand für die Vielzahl der Rohrdimensionen<br />

mit dem heutigen Stand der Technik nicht zu ersetzen.<br />

Der Tunnelofenbrand ist ein relativ langsam ablaufender Prozess. Um die<br />

Brenngeschwindigkeit zu forcieren, muss man für eine optimierte Wärmezu-<br />

und -abfuhr sorgen. Dies wurde in der Schnellbrandanlage realisiert<br />

(Abb. 3). Hier wird das Rohr, ähnlich wie bei der Trocknung, de facto<br />

einzelbehandelt.<br />

■ Abb. 3: Layout der Schnellbrandlinie.<br />

Die Entwicklung der Durchlaufzeiten in den Brennöfen zeigt Abb. 4.<br />

Beim Schnellbrand wird das Rohr in horizontaler Lage gebrannt. Wesentlicher<br />

Grund für das Liegen im Schnellbrand ist das Bestreben, dem Kunden<br />

ein immer besseres Produkt anzubieten. Die Schwindung der Rohre beträgt<br />

in der Summe beim Trocknen und Brennen ca. 10 %; durch das ständige Abrollen<br />

des Kreiskörpers erhält man ein nahezu kreisrundes und gerades Rohr.<br />

Forschung + Technik<br />

■ Abb. 4: Entwicklung der Brennzeit von 1900 bis heute am Beispiel DN 200.<br />

Endkonfektionieren<br />

Heute werden zwei Rohrtypen angeboten;<br />

ihre Unterschiede liegen<br />

in der Art des späteren Einbaus. Hat<br />

man bis vor ca. 25 Jahren alle Rohre<br />

in einen offenen Graben verlegt,<br />

werden heute mehr und mehr Rohre<br />

im unterirdischen Vortrieb eingebaut.<br />

Entsprechend unterscheiden<br />

sich heute auch die Dichtungssysteme,<br />

mit denen die Rohre nach<br />

dem Brennen ausgestattet werden.<br />

Die Dichtung der traditionell offen<br />

verlegten Rohre sind erst seit ca.<br />

1965 mit dem Rohr werkseitig fest<br />

verbunden. Bis dato erfolgte die<br />

Verlegung meist mit in Teer getränkten<br />

Stricken. Seit 1965 werden<br />

die Rohre entweder mit der<br />

Steckmuffe „K“ oder „L“ (Kleinrohre<br />

bis DN 200) angeboten. 1992<br />

wurde die Steckmuffe „K“ zu der<br />

Steckmuffe „S“ weiterentwickelt,<br />

wobei die keramischen Toleranzen<br />

nur noch von einer Dichtungsseite<br />

mit Kunststoff ausgeglichen wird.<br />

Das andere „Ende“ ist bearbeitet<br />

und damit gleichzeitig Dichtungsteil<br />

(Abb. 5).<br />

Anfang der 80er Jahre wurden erstmals<br />

Vortriebsrohre ausgeliefert.<br />

Die Verbindung stellt eine Edelstahlmanschette<br />

in Kombination<br />

mit einer untergelegten Lippendichtung<br />

dar. Um die Übertragung<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

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30<br />

Forschung + Technik<br />

Steckmuffe „K“ 1965<br />

Steckmuffe „L“<br />

Schleifmuffe „S“ 1992<br />

■ Abb. 5: Entwicklung Dichtungssysteme<br />

offene Bauweise.<br />

der Vortriebskraft an den jeweiligen<br />

Stirnseiten der muffenlosen Rohre<br />

bestmöglich zu verteilen, werden<br />

Distanzringe eingesetzt. Bis DN<br />

300 sind in der Verbindung fest<br />

verbundene Gummiringe; bei<br />

> DN 100 bestehen die Ringe aus<br />

Holzfasermaterial (Abb. 6).<br />

Die Weiterentwicklung der VT-Verbindung<br />

ist in den Abbildungen 7<br />

und 8 dargestellt.<br />

Mittels Induktionserwärmung wird<br />

ein separater Ring erwärmt und auf<br />

jedes Spitzende geschrumpft. Damit<br />

ist das Vortriebssystem noch<br />

robuster für den späteren Einbau.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

■ Abb. 6: Vortriebsrohrverbindung am Beispiel DN 600 bis 1000.<br />

■ Abb. 7: Induktionsanlage ■ Abb. 8: Montierter Spannring mit<br />

Sandfangring.<br />

Kontakt<br />

■ Abb. 9: Die Bestimmung<br />

der exothermen und endothermen<br />

Effekte (des Rohstoffs)<br />

erfolgt im Probeofen.<br />

Dipl.-Ing. Dietrich Grunwald<br />

Dipl.-Ing. Uwe Bormann<br />

Steinzeug Abwassersysteme GmbH<br />

Max-Planck-Straße 6<br />

50858 Köln<br />

Tel.: 02234/507-0<br />

Fax: 02234/507-207<br />

E-Mail: info@steinzeug.com<br />

Internet: www.steinzeug.com


Die Abbildungen 10 bis 16 dokumentieren verschiedene Abschnitte der Steinzeug-Rohrproduktion.<br />

Forschung + Technik<br />

■ Abb. 10: Umsetzen von Rohlingen für Vortriebsrohre. ■ Abb. 11: Produktionsabschnitt Sägen/Fräsen der<br />

Vortriebsrohre.<br />

■ Abb. 12: Schnellbrandlinie: Ein Roboter übernimmt den<br />

„Weitertransport“ von Muffenrohren.<br />

■ Abb. 14: Kontrollstation für die Muffen- und Spitzendprüfung.<br />

■ Abb. 16: Automatisierte Verpackung für den Transport.<br />

■ Abb. 13: Schnellbrandofen: Die derzeitige Produktionskapazität<br />

beträgt 1 Rohr pro Minute.<br />

■ Abb. 15: Automatisierte Montage der Lippendichtung.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

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32<br />

Forschung + Technik<br />

Risikominimierung<br />

Vortriebsrohre und Druckübertragung<br />

Die Bauverfahrenstechnik zur<br />

Verlegung von Ver- und<br />

Entsorgungsleitungen stellt<br />

heute mit der offenen Bauweise<br />

und der grabenlosen geschlossenen<br />

Bauweise zwei unterschiedliche<br />

Verfahren bereit. Beim Rohrvortrieb<br />

ergeben sich durch den<br />

hohen Mechanisierungsgrad, durch<br />

die geringe Beeinträchtigung der<br />

Oberfläche gerade in dicht besiedelten<br />

Gebieten und durch die<br />

größeren Einbautiefen umweltbezogene<br />

und wirtschaftliche Vorteile<br />

gegenüber der offenen Leitungsverlegung.<br />

Beim Vortrieb sind jedoch trotz<br />

Normen-konformer Bemessung,<br />

modernster Maschinen- und Steuertechnik<br />

sowie messtechnischer<br />

Begleitung der Vortriebe immer<br />

wieder Schäden in Form von Abplatzungen<br />

oder Rissen an Vortriebsrohren<br />

zu beobachten<br />

(Abb. 1). Die Gründe für Schäden<br />

dieser Art liegen in bisher nur unzureichenden<br />

Bemessungs- und<br />

Überwachungsmöglichkeiten der<br />

zulässigen Vorpresskräfte vor und<br />

während des Vortriebs.<br />

Die Ursachen für solche Schäden<br />

sind meist Überlastungen der Vortriebsrohre,<br />

die seltener Folge einer<br />

unzulässigen Erhöhung der Presskräfte<br />

sind, sondern oftmals aus<br />

einer zu großen Verwinkelung der<br />

Vortriebsrohre resultieren. Die<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

■ Abb. 1: Schäden an Vortriebsrohren; links: Scherbenbildung an der Außenseite;<br />

rechts: Abplatzungen am Rohrspiegel.<br />

Gründe für größere Rohrverwinkelungen können unterschiedlicher Natur<br />

sein und z.B. aus zu starken Korrektursteuerungen oder dem umgebenden<br />

Boden resultieren.<br />

Alle Bemessungsansätze im Vorfeld des Vortriebs beruhen auf Annahmen<br />

und Abschätzung der beim Vortrieb erwarteten Abweichungen von der<br />

geplanten Trassenführung. Eine Kontrolle und Überprüfung der einzuhaltenden<br />

Grenzwerte sowie eine eventuelle Korrektur der Bemessungen<br />

während der Ausführung finden nicht statt bzw. sind bisher nicht möglich.<br />

Während des Vortriebs werden lediglich die Lageabweichungen der Vortriebsmaschine<br />

mit den Vorgaben einschlägiger Regelungen (z.B. nach<br />

ATV-DVWK-Arbeitsblatt 125 [1]) verglichen. Über die Belastungen und Verwinkelungen<br />

der hinter der Vortriebsmaschine nachgepressten Vortriebsrohre<br />

liegen während des Vortriebs keine <strong>Information</strong>en vor.<br />

Am Institut für Baumaschinen und Baubetrieb (ibb) der RWTH Aachen<br />

wurden umfangreiche Untersuchungen zur Ermittlung der während des<br />

Vortriebs tatsächlich entstehenden Verwinkelungen und Belastungen der<br />

Vortriebsrohre im Labor und in situ durchgeführt. Gefördert wurden die insgesamt<br />

über vier Jahre laufenden Forschungsarbeiten vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF), von der Abwassertechnischen Vereinigung<br />

e.V. (ATV), der Steinzeug Abwassersysteme GmbH, der Fachvereini-


gung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V. (FBS), der Gütegemeinschaft<br />

Güteschutz Kanalbau e.V. und den Stadtentwässerungsbetrieben Köln.<br />

Ziel der Forschungstätigkeiten war die Ermittlung der während des<br />

Vortriebs tatsächlich entstehenden Belastungen der Vortriebsrohre. Die<br />

Ergebnisse dienen als Grundlage zur Überarbeitung der geltenden Bemessungsrichtlinien<br />

und der Entwicklung einer Messtechnik zur vortriebsbegleitenden<br />

Kontrolle der Rohrverwinkelungen und Rohrbelastungen im<br />

praktischen Einsatz.<br />

Belastung von Vortriebsrohren<br />

Vortriebsrohre werden derzeit auf der Grundlage des ATV-DVWK-Arbeitsblattes<br />

A161 der Abwassertechnischen Vereinigung e.V. [2] bemessen. Die<br />

zulässige Vortriebskraft wird für eine theoretische Rohrverwinkelung (gerader<br />

Vortrieb: z/da=1) vom Rohrhersteller angegeben oder durch eine statische<br />

Berechnung vor Beginn der Vorpressarbeiten ermittelt. Dabei wird<br />

davon ausgegangen, dass<br />

● die Spannungsverteilung in der Rohrfuge linear verläuft<br />

● dass der Elastizitätsmodul der Fugenzwischenlagen konstant ist<br />

Forschung + Technik<br />

● dass das bei der Bemessung gewählte<br />

z/da während des Vortriebs<br />

nicht überschritten wird<br />

In ersten Untersuchungen wurden<br />

in einem speziell entwickelten Versuchsstand<br />

im Institut für Baumaschinen<br />

und Baubetrieb der RWTH<br />

Aachen Vortriebsrohre einem Belastungsverlauf<br />

unterzogen, der weitgehend<br />

die in situ-Randbedingungen<br />

nachstellt. In festgelegten Belastungsversuchen<br />

werden je zwei<br />

Vortriebsrohre gegeneinander gepresst<br />

und verwinkelt. Die Presskraft<br />

wird dabei in Anlehnung an<br />

die Verhältnisse in situ in Stufen gesteigert<br />

und die Verwinkelungen je<br />

Laststufe mehrfach wiederholt.<br />

■ Abb. 2: Rohrversuchsstand RWTH Aachen; oben: Druckmessfolie; unten: Spannungsverteilung in der Rohrfuge verwinkelter<br />

Vortriebsrohre.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

33


34<br />

Forschung + Technik<br />

Mit in den Rohrfugen eingelegten<br />

Druckmessfolien konnten über die<br />

gesamte Querschnittsfläche die<br />

Druckspannungen (Kontaktspannungen)<br />

gemessen werden (Abb. 2).<br />

Es zeigte sich, dass die Spannungsverteilung<br />

nach mehrfacher Belastung<br />

der Fugenzwischenlage nicht<br />

mehr linear ist, sondern zum Rand<br />

hin überproportional ansteigt, und<br />

dass es schon bei kleineren Verwinkelungen<br />

zu hohen Lastspitzen und<br />

Fugenklaffungen kommen kann.<br />

Die maximalen Belastungen der<br />

Vortriebsrohre im Bauzustand entstehen<br />

an den Rohrenden infolge<br />

Verwinkelung der Rohre. Hierbei<br />

hat das mechanische Materialverhalten<br />

der Fugenzwischenlagen<br />

wesentlichen Einfluss auf die Spannungsverteilung<br />

in der Rohrfuge.<br />

Durch die belastungsabhängige<br />

Verfestigung der Fugenzwischenlagen<br />

können Spannungsspitzen an<br />

den Rohrspiegeln entstehen, die<br />

über die Materialfestigkeiten des<br />

Rohrwerkstoffs hinausgehen und<br />

Schäden an den Rohren verursachen.<br />

In Kenntnis der Materialeigenschaften<br />

der in die Rohrfugen eingelegten<br />

Fugenzwischenlagen, der aktuellen<br />

Verformungen während des<br />

Vortriebs und der Verformungshistorie<br />

kann die aktuelle Materialspannung<br />

und die Spannungsverteilung<br />

in der Rohrfuge berechnet<br />

werden. Zur Ermittlung und Beschreibung<br />

des Materialverhaltens<br />

von Fugenzwischenlagenwerkstoffen<br />

wurden umfangreiche Materialuntersuchungen<br />

im Labor durchgeführt.<br />

Die Ergebnisse der Untersuchungen<br />

und das entwickelte<br />

Materialmodell werden nachfolgend<br />

vorgestellt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Fugenzwischenlagen<br />

Zur Übertragung der Vortriebskräfte zwischen jeweils aufeinanderfolgenden<br />

Vortriebsrohren mit druckkraftschlüssiger Rohrverbindung werden Fugenzwischenlagen<br />

in die Rohrfugen eingelegt. Aufgabe der Fugenzwischenlagen<br />

ist die Kompensation von Abweichungen innerhalb der Grenzen<br />

der Fertigungstoleranzen von Rechtwinkeligkeit und Planparallelität<br />

der Rohrspiegel. Weiter haben Fugenzwischenlagen die wesentliche Aufgabe,<br />

die zur Übertragung der Vortriebskraft verfügbare „lastübertragende<br />

Fläche“ zwischen den Vortriebsrohren bei Verwinkelung infolge Steuerkorrektur<br />

oder Kurvenfahrt der Vortriebsmaschine zu vergrößern.<br />

Die Abmessungen der Fugenzwischenlagen sind abhängig von den Abmessungen<br />

der Fugenkonstruktion der Vortriebsrohre und der beim Vortrieb<br />

vorgesehenen Verwinkelungen und Belastungen. ANTZ [3] schlägt in<br />

seinen Untersuchungen die Wahl der Fugenzwischenlagendicke in Abhängigkeit<br />

von den zu erwartenden Rohrverwinkelungen und Rohrabmessungen<br />

vor. Als Richtwert für die Dicke der Fugenzwischenlage werden nach<br />

ATV-DVWK-Arbeitsblatt 125 [1] 10 % der Rohrwanddicke vorgeschlagen.<br />

Die radiale Breite der Fugenzwischenlage sollte keinesfalls die Wanddicke<br />

■ Abb. 3: Fugenausbildung und Fugenzwischenlage bei druckkraftschlüssiger<br />

Rohrverbindung mit fest montierter Stahlmanschette.<br />

am Spitzende des Vortriebsrohres überschreiten. Gerade bei Stahlbetonrohren<br />

sollte die Fugenzwischenlage zwischen der inneren und äußeren<br />

Ringbewehrung angeordnet werden, um Abplatzungen an der Innen- oder<br />

Außenseite des Vortriebsrohres zu vermeiden (Abb. 3).<br />

Normative Regelungen zu Aufbau und Konstruktion von Fugenzwischenlagen<br />

sowie bindende Angaben zu verwendender Materialien existieren bis<br />

heute nicht. Dennoch lassen sich aus den technischen Randbedingungen<br />

nachfolgende Anforderungen an die Materialeigenschaften von Fugenzwischenlagen<br />

ableiten:


Forschung + Technik<br />

■ Abb. 4: Standardadapter mit einem Prüfkörper 19,3 mm vor dem Einbau; Prüfkörper in hydraulischer Materialprüfmaschine.<br />

● hohe Druckfestigkeit<br />

● ausreichende Materialdicke und hohe Verformbarkeit<br />

● elastisches Stauchungsverhalten (hohe Rückverformbarkeit)<br />

● geringst mögliche Querdehnung<br />

● Resistenz gegen physikalische und chemische Einwirkungen<br />

Als Materialien für Fugenzwischenlagen werden überwiegend Holzwerkstoffe<br />

verwendet. Auch wenn diese Materialien die oben angeführten<br />

Anforderungen nicht gänzlich erfüllen, haben sie bisher gegenüber alternativen<br />

Kunststoffen oder Verbundmaterialien einen entscheidenden Preisvorteil.<br />

Die Verformungseigenschaften von Holzwerkstoff-Fugenzwischenlagen<br />

sind durch ein elastisches Materialverhalten im niedrigen Lastbereich und<br />

durch ein nicht linear elastisch-plastisches Materialverhalten bei weiterer<br />

Laststeigerung geprägt. Die Abschätzung des Last-Verformungsverhaltens<br />

mit einem konstanten E-Modul ist deshalb problematisch.<br />

Zur Bestimmung und anschließenden Beschreibung des Materialverhaltens<br />

eines elastisch-plastischen Werkstoffs unter vortriebsspezifischen Belastungen<br />

wurde vom ibb eine zweiteilige Standardprüfung entwickelt (Abb. 4) [4].<br />

Hierbei wird der Fugenzwischenlagen-Prüfkörper in einem ersten Versuch<br />

einer einfachen monoton steigenden lastgesteuerten (5 kN/s) Belastung bis<br />

zur vollständigen Kompression des<br />

Probenmaterials oder bei Erreichen<br />

einer festgelegten Lastgrenze ausgesetzt.<br />

Im zweiten Prüfungsteil wird ein<br />

weiterer, aus gleicher Herstellungscharge<br />

stammender Prüfkörper einer<br />

vortriebsspezifischen Belastungsgeschichte<br />

mit festgelegten<br />

Last- und Verformungswechseln<br />

ausgesetzt (Abb. 5).<br />

Mit dem entwickelten Materialmodell<br />

kann das elastisch-plastische<br />

Verformungsverhalten von Fugenzwischenlagenwerkstoffen<br />

unter<br />

vortriebsspezifischen Belastungen<br />

beschrieben werden. Zudem ist<br />

aufgrund des numerischen Aufbaus<br />

eine Implementierung in einen vortriebsbegleitendenBerechnungs-<br />

■ Abb. 5: Zyklische Belastung von 10,3-mm-Holzwerkstoff-Prüfkörpern; links: Extraktion der vierten Belastungsäste;<br />

rechts: E-Modulverlauf und Polynomapproximation Stauchungsstufe 10 %.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

35


36<br />

Forschung + Technik<br />

algorithmus zur Bestimmung der<br />

Materialspannungen unter Verwendung<br />

einer entsprechenden<br />

Messtechnik möglich.<br />

Umsetzung in der Praxis<br />

Zur praktischen Umsetzung der im<br />

Institut gewonnenen Erkenntnisse<br />

und entwickelten Verfahren zur<br />

Erfassung der Rohrfugenverwinkelungen<br />

und -belastungen wurde<br />

am Institut für Baumaschinen und<br />

Baubetrieb der RWTH Aachen eine<br />

Messtechnik für den praktischen<br />

Einsatz im Rohrvortrieb entwickelt.<br />

Mit dieser Messtechnik werden parallel<br />

zum Vortrieb über die Datenerfassung<br />

der eingesetzten Maschinentechnik<br />

hinaus an ausgewählten<br />

Rohrfugen (Messfugen) Fugenwege<br />

und Spannungen in der<br />

Rohrfuge kontinuierlich und automatisch<br />

gemessen und die Fugenverwinkelungen<br />

berechnet.<br />

Für eine Berechnung der Spannungen<br />

in den Messfugen und zur Ermittlung<br />

der lastübertragenden<br />

Kontaktfläche zwischen den Rohren<br />

werden die hergeleiteten Berechnungsalgorithmen<br />

und das<br />

Materialmodell für die verwendeten<br />

Fugenzwischenlagen in eine<br />

Software integriert. Diese Software<br />

ermittelt die Spannungen in der<br />

Rohrfuge in Abhängigkeit von der<br />

Belastungs- und Verformungsgeschichte.<br />

Eine Erprobung der entwickelten<br />

Messtechnik sowie eine Verifizierung<br />

der erarbeiteten Berechnungsverfahren<br />

zur vortriebsbegleitenden<br />

Erfassung der Fugenspannungen<br />

und Vortriebsrohrbelastungen<br />

fanden im Rahmen von<br />

in situ-Untersuchungen an Rohrvortrieben<br />

in Köln statt. Im Zuge<br />

des Bauvorhabens „Kanalbaumaßnahme<br />

Luxemburger Straße zwi-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

schen Gottesweg und Siebengebirgsallee, Köln-Klettenberg“ wurden<br />

380 m Kanal im Rohrvortriebsverfahren eingebaut und messtechnisch begleitet<br />

[5].<br />

Durch eine kontinuierliche Dokumentation aller Mess- und Steuerdaten der<br />

Vortriebstechnik und speziell der horizontalen und vertikalen Laserdaten<br />

lässt sich die räumliche Trassenführung der Vortriebsmaschine rekonstruieren.<br />

Obwohl es sich bei allen drei Vortrieben um geradlinig geplante Vortriebstrassen<br />

handelte, wurde an den Ergebnissen aller Vortriebsstrecken<br />

ein mehrfach gekrümmter Verlauf der Gradienten infolge Korrektursteuerungen<br />

beobachtet.<br />

■ Abb. 6: Vergleich Fahrt der Vortriebsmaschine – Verwinkelungen der Rohrfugen.<br />

Gerade auf den ersten 20 m der Vortriebsstrecken wurden die größten Abweichungen<br />

der Vortriebsmaschine von der Sollachse beobachtet. Ein<br />

Grund ist die schwierige Steuerbarkeit der Vortriebsmaschine gerade auf<br />

den ersten Metern. Aufgrund noch geringer Einspannung der Vortriebsmaschine<br />

im Boden spricht die Steuerung der Maschine nur schlecht an. Größere<br />

Abweichungen von der Sollachse mit der Notwendigkeit von Korrektursteuerungen<br />

sind die Folge (Abb. 6).<br />

Parallel zu den Daten Vortriebstechnik werden die Verwinkelungen der<br />

Messfugen und Verformungen der darin eingelegten Fugenzwischenlagen<br />

erfasst. Bei einem Vergleich von Maschinenfahrt und Rohrverwinkelungen<br />

wird deutlich, dass die Lage der Rohrtour bzw. die Verwinkelungen der<br />

Rohrfugen im Wesentlichen von der Fahrt der Vortriebsmaschine im Boden<br />

bestimmt werden. Geringe Unterschiede bzw. Reduzierungen der Verwinkelungen<br />

zwischen nachfolgenden Rohrfugen lassen sich mit einem möglichen<br />

Einschleifeffekt des Rohrstrangs in den Boden bzw. Abweichungen<br />

bei der Tarierung der Messsensoren bei Vortriebsbeginn erklären.<br />

Aus den Verwinkelungen der Messfugen und Verformungen der Fugenzwischenlagen<br />

wird softwaretechnisch vortriebsbegleitend die Spannungsverteilung<br />

in den Messfugen bestimmt. Die Größe der lastübertragenden Fläche<br />

in der Messfuge bzw. das Maß der Fugenklaffung wird mit dem Materialmodell<br />

für Fugenzwischenlagen berechnet. Ein Vergleich der Span-


nungsverteilung, der Lage der resultierenden Vorpresskraft in der Rohrfuge<br />

und der Belastungen der Rohre im Fugenbereich mit dem Berechnungsverfahren<br />

nach dem aktuell geltenden ATV-DVWK-Arbeitsblatt 161 machen<br />

die Unterschiede deutlich und heben die Möglichkeit einer genaueren Berechnung<br />

hervor.<br />

Der Berechnungsansatz nach ATV-DVWK-Arbeitsblatt 161 setzt eine lineare<br />

Spannungsverteilung in der Rohrfuge voraus. Das Simulationsmodell berücksichtigt<br />

das nicht lineare Spannungs-Dehnungsverhalten der Fugenzwischenlage.<br />

Die resultierende Vortriebskraft, berechnet mit dem entwickelten<br />

Materialmodell, hat eine größere Ausmitte und stellt somit eine im<br />

Vergleich zum ATV-DVWK-Arbeitsblatt 161 ungünstigere, aber realitätsnahe<br />

Beanspruchung der Vortriebsrohre dar (Abb. 7).<br />

■ Abb. 7: Spannungsverteilung in der Rohrfuge und Lage der resultierenden<br />

Vortriebskraft.<br />

Fazit<br />

Neben einer einwandfreien Herstellung und einer ausreichenden und exakt<br />

angeordneten Bewehrung ist eine genaue Kenntnis der während des Rohrvortriebs<br />

zu erwartenden Belastungen und eine darauf aufbauende Bemessung<br />

der Rohre notwendig, um Schäden während des Vortriebs zu vermeiden.<br />

In die Rohrfugen eingelegte Fugenzwischenlagen und die Kenntnis<br />

und Berücksichtigung ihrer Materialeigenschaften in der Bemessung sind<br />

unerlässlich für eine sichere und wirtschaftliche Durchführung der Rohrvortriebsarbeiten.<br />

Das im Rahmen der Forschungsarbeit entwickelte Materialmodell für Fugenzwischenlagen<br />

zur vortriebsbegleitenden Erfassung der Rohrfugenbelastungen<br />

hat sich in situ bestätigt. Die für einen vortriebsbegleitenden<br />

Einsatz entwickelte Messtechnik wurde erfolgreich auf ihre Praxistauglichkeit<br />

hin erprobt. Durch Anordnung einer Fugenwegmessstation hinter der<br />

Vortriebsmaschine ist es nun möglich, Fugenspannungen, Spannungsverteilungen<br />

in den Rohrfugen und resultierende Vorpresskräfte vortriebsbegleitend<br />

zu bestimmen und mit den Vorgaben der Rohrstatik zu vergleichen.<br />

Damit kann vortriebsbegleitend der „Ausnutzungsgrad“ (aktuelle<br />

Belastung/ zulässige Belastung) der Vortriebsrohre bestimmt und dokumentiert<br />

sowie das Maschinenpersonal frühzeitig vor einer möglichen<br />

Überlastung der Vortriebsrohre gewarnt werden. Durch optimale Ausnutzung<br />

der Rohre können Vortriebe mit optimierter Vorpresskraft und<br />

Vortriebsgeschwindigkeit sicher ohne Überlastungsgefahr für die Vortriebs-<br />

Forschung + Technik<br />

rohre durchgeführt und so Risiken<br />

für Vortrieb und Vortriebsrohre minimiert<br />

werden.<br />

Literatur<br />

[1] ATV-DVWK-Arbeitsblatt 125:<br />

Rohrvortrieb. – Abwassertechnische<br />

Vereinigung e.V. (ATV) und Gesellschaft<br />

zur Förderung der Abwassertechnik e.V.<br />

(GFA), Hennef, Januar 1990<br />

[2] ATV-DVWK-Arbeitsblatt 161: Statische<br />

Berechnung von Vortriebsrohren.<br />

– Gesellschaft zur Förderung der Abwassertechnik<br />

e.V. (GFA), Hennef, September<br />

1996<br />

[3] ANTZ, H. (1986): Untersuchungen<br />

über Kantenpressungen an Vortriebsrohren.<br />

– Bautechnik, Heft 7<br />

[4] PETERS, M., BEYERT, J. & OSE-<br />

BOLD, R. (<strong>2004</strong>): Verfahren zur Ermittlung<br />

des E-Moduls von Fugenzwischenlagen<br />

für Vortriebsrohre. – 3R-International,<br />

Heft 1<br />

[5] PETERS, M., BEYERT, J. & OSE-<br />

BOLD, R. (<strong>2004</strong>): Vortriebsbegleitende<br />

Überwachung der Belastungen von<br />

Vortriebsrohren.<br />

Heft 3<br />

– Bi-Umweltbau,<br />

Kontakt<br />

Dipl.-Ing. Marc Peters<br />

Herrenknecht AG<br />

Schlehenweg 2<br />

77963 Schwanau<br />

Tel.: 07824/302-6676<br />

Fax: 07824/302-186<br />

E-Mail: peters.marc@herrenknecht.de<br />

Internet: www.herrenknecht.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

37


38<br />

Forschung + Technik<br />

Innovation durch Technik<br />

20 Jahre Microtunneling in Berlin –<br />

20 Jahre Berliner Bauweise<br />

Technik ist Anstrengung, um<br />

Anstrengungen zu ersparen<br />

Ortega y Gasset<br />

Am 7. Juni 1984 leiteten die<br />

damaligen Berliner Entwässerungswerke,<br />

jetzt Berliner<br />

Wasserbetriebe, mit dem Startschuss<br />

für den weltweit ersten vollautomatisch<br />

gesteuerten Rohrvortrieb<br />

der Nennweite 250 mm<br />

eine Entwicklung ein, die heute im<br />

Kanal- und Rohrleitungsbau zur<br />

Standardbauweise gehört.<br />

■ Jahr 1984: Baustellenschild der<br />

Berliner Entwässerungswerke zum<br />

1. vollautomatischen Rohrvortrieb in<br />

der Berliner Marlenestraße.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Für den Bau begehbarer Kanäle wurden Tunnelbauweisen schon jahrelang<br />

mit wirtschaftlichem Erfolg praktiziert. Für nicht begehbare Rohrquerschnitte<br />

hatte sich bis dahin die Veränderung im Kanalbau im Wesentlichen<br />

auf die Mechanisierung des Baustellenbetriebes, des Bodenaushubs und<br />

der Einführung neuer Verbaumethoden beschränkt.<br />

Anfang der achtziger Jahre setzten Entwicklungen ein, die die grabenlose<br />

Herstellung nicht begehbarer Kanäle (≤ DN 800) mit ferngesteuert arbeitendem<br />

Bohrkopf zum Ziel hatten. So wurden zum Beispiel in Hamburg<br />

mit Fördermitteln des damaligen Bundesministeriums für Forschung und<br />

Technologie (BMFT) japanische Vortriebsmaschinen erprobt; die Wirth<br />

GmbH entwickelte in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen eine Vortriebsmaschine<br />

für nicht begehbare Querschnitte [1], [2], [3].<br />

Nachteile dieser Maschinen waren zum einen die relativ großen Abmessungen<br />

der Start- und Zielbaugruben, die die Wirtschaftlichkeit einschränkten<br />

und zum anderen der durch diese Maschinen abgedeckte Nennweitenbereich.<br />

In West-Berlin lagen 1984 rd. 74 % der Kanäle im Nennweitenbereich<br />

≤ 400 mm, und man konnte davon ausgehen, dass sich auch bei künftigen<br />

Kanalbauvorhaben die Nennweitenverteilung weiter so entwickeln wird.<br />

Hiermit wird sofort deutlich, dass das Hauptanwendungsgebiet für geschlossene<br />

Bauweisen im Nennweitenbereich bis 400 mm liegen würde<br />

[3].<br />

Diese Anforderungen wurden von der erstmalig eingesetzten Rohrvortriebsanlage<br />

RVS 100 A, die von der Dr.-Ing. Soltau GmbH entwickelt wurde,<br />

erfüllt. Diese Anlage war für Rohrvortriebe der Nennweiten DN 250 bis<br />

DN 400 ausgelegt und so konstruiert, dass sie den Rohrvortrieb aus<br />

Schächten von lediglich 2.000 mm Innendurchmesser zuließ.<br />

Es wäre verfehlt, an dieser Stelle auf weitere Einzelheiten einzugehen, da<br />

jeder Interessierte die technische Entwicklung von Beginn bis heute in den<br />

zahlreichen Veröffentlichungen nachlesen kann [3] bis [19].<br />

Mit dem ersten vollautomatisch gesteuerten Rohrvortrieb DN 250 wurde<br />

von Berlin ausgehend eine Entwicklung in Gang gesetzt, die den Kanalbau<br />

revolutionierte. Diese innovative Technik konnte sich jedoch am Markt nur<br />

so schnell durchsetzen, weil die Berliner Wasserbetriebe den Weg ohne jegliche<br />

Subventionen beschritten haben. Die geschlossene Bauweise musste


■ Nennweiten der Vortriebsrohre anteilig an der Gesamtleistung seit 1984.<br />

sich von Beginn an im Wettbewerb gegen die offene Bauweise durchsetzen.<br />

Somit waren Ingenieure und Techniker der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite<br />

sowie die Maschinenhersteller ständig gefordert, innovativ tätig<br />

zu sein, um die Vortriebstechnik weiterzuentwickeln, die Anwendungsgebiete<br />

zu erweitern und durch geeignete Maßnahmen ständig die Produktivität<br />

zu steigern, damit sich die geschlossene Bauweise in Konkurrenz zur<br />

offenen Bauweise behaupten konnte. Hier waren es insbesondere mittelständische<br />

Tiefbauunternehmen, die ihre Baustellenerfahrungen innovativ<br />

in die Verbesserung der Maschinentechnik einbrachten.<br />

Die „Berliner Bauweise“, das sternförmige Heranführen der Anschlusskanäle<br />

an Start-, Ziel- und Hilfsschächte in geschlossener Bauweise, schon bei der<br />

ersten Baumaßnahme 1984 von den Berliner Wasserbetrieben konzipiert<br />

und mit der Entwicklung gesteuerter Hausanschlussmaschinen eingeführt,<br />

brachte am Markt den endgültigen wirtschaftlichen Durchbruch der<br />

geschlossenen Bauweise [4], [5].<br />

Die Entwicklung setzte sich sprunghaft fort. Mit dem 1987 bei einer Baumaßnahme<br />

in Berlin-Steglitz erstmals erprobten „pipe-eating“ konnten<br />

nun auch schadhafte Abwasserkanäle unterirdisch erneuert werden. Neben<br />

den Maschinen mit Schneckenförderung wurden von der Fa. Herrenknecht<br />

hydraulisch fördernde Maschinen für kleine Nennweiten entwickelt. Die<br />

Firma Bohrtec brachte 1987 eine Hausanschlussmaschine auf den Markt,<br />

die erstmalig einen ferngesteuerten unterirdischen Anschluss an vorhandene<br />

Abwassersammler ermöglichte [7], [9], [12].<br />

1996 gelang ein weiterer wirtschaftlicher Durchbruch in der Geschichte des<br />

Mikrotunnelbaus. Konnten mit der bisher vorhandenen Technik nur Straßenkanäle<br />

mit der kleinsten Nennweite 250 mm aufgefahren werden, so ermöglichte<br />

eine Entwicklung der Fa. Bohrtec, die BM 300, auch das haltungsweise<br />

Auffahren von Straßenkanälen der Nennweiten 200 mm [15], [16].<br />

Forschung + Technik<br />

Die Berliner Wasserbetriebe haben<br />

mit der nunmehr möglichen Nennweitenreduzierung<br />

von DN 250 auf<br />

DN 200 in den letzten 8 Jahren rd.<br />

12 Mio. Euro an Baukosten eingespart,<br />

die für die Beauftragung<br />

anderer Bauvorhaben verwendet<br />

werden konnten.<br />

Die Entwicklung machte auch vor<br />

dem so genannten „begehbaren“<br />

Nennweitenbereich nicht Halt. Mit<br />

der Technik des Mikrotunnelbaus<br />

wurden in Berlin bisher Rohrquerschnitte<br />

bis zur Dimension DN<br />

3000 unbemannt aufgefahren. In<br />

Kürze erfolgt die Unterquerung des<br />

Westhafenkanals mit Stahlbeton-<br />

Vortriebsrohren der Nennweite DN<br />

3000 im Verfahren des unbemannten<br />

Rohrvortriebs. Insgesamt wurden<br />

in Berlin seit 1984 583 km<br />

Sammel- und Hausanschlusskanäle<br />

im Mikrotunnelbau hergestellt.<br />

Alle diese Entwicklungen sind auch<br />

mit Namen verknüpft: Von der Maschinenherstellerseite<br />

sind es deutsche<br />

Unternehmen wie die Dr.-Ing.<br />

Soltau GmbH, die Herrenknecht<br />

AG oder die Bohrtec GmbH; von<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

39


40<br />

Forschung + Technik<br />

■ Jahr 1984: Pressbaugrube mit Pressrahmen. ■ Jahr 1984: Pressbaugrube mit Pressrahmen und Vortriebsrohr.<br />

der Auftragnehmerseite Tiefbauunternehmen<br />

wie Hermann Hein (seit<br />

1999 nicht mehr am Markt), Lemme<br />

oder Gildemeister. Vor allem<br />

aber ist die Entwicklung des Mikrotunnelbaues<br />

von der Auftraggeberseite<br />

nicht nur in Berlin, nicht nur<br />

in Deutschland, sondern man kann<br />

mit Fug und Recht behaupten,<br />

auch in Europa untrennbar mit<br />

dem ehemaligen Leiter des Unternehmensbereiches<br />

Netze der Berliner<br />

Wasserbetriebe, Dipl.-Ing. Knut<br />

Möhring, Träger des Bundesverdienstkreuzes<br />

der Bundesrepublik<br />

Deutschland, der am 13. Dezember<br />

2003 75 Jahre alt wurde, verbunden.<br />

Knut Möhring hatte erkannt, dass<br />

Technik und Zukunft unmittelbar<br />

zusammengehören und Rahmenbedingungen<br />

für die Entwicklung<br />

des Mikrotunnelbaues geschaffen,<br />

indem er Nachfrage generierte,<br />

technische Anforderungen formu-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

lierte und bei allen von ihm angestoßenen Entwicklungen das Gebot der<br />

Wirtschaftlichkeit zum obersten Kredo erhob. Er ließ sich nicht durch Bedenken<br />

beirren, dass diese neue Technik menschenleere Baustellen produzieren<br />

wird und erlag nicht dem Trugschluss, der bis heute noch überaus<br />

populär ist, dass technischer Fortschritt Arbeitsplätze vernichtet, wie folgende<br />

Geschichte zeigt: Zwei Männer beobachten einen riesigen Bagger<br />

bei der Arbeit: „Wenn es diese Maschine nicht gäbe“, stöhnt der eine,<br />

„könnten Hunderte von uns die Arbeit mit dem Spaten erledigen.“ Darauf<br />

der andere: „Oder eine Million mit Teelöffeln.“<br />

Knut Möhring wusste, dass technischer Fortschritt keine Arbeitsplätze vernichtet,<br />

sondern sie nur zu qualitativ Höherwertigem verlagert.<br />

Die Technische Universität Berlin, an der Knut Möhring Bauingenieurwesen<br />

studierte, würdigte in diesem Jahr zu ihrem 125-jährigen Jubiläum ihre verdienstvollen<br />

Professoren mit der Festschrift: „The shoulders on which we<br />

stand – Wegbereiter der Wissenschaft“. In Anlehnung hieran können die<br />

Berliner Wasserbetriebe mit Stolz behaupten, dass Dipl.-Ing. Knut Möhring<br />

zu den „Shoulders on which we stand – Wegbereiter des Mikrotunnelbaues“<br />

gehört.<br />

In den 20 Jahren Mikrotunnelbau Berlin und Berliner Bauweise haben über<br />

3.000 Fachbesucher aus vielen europäischen Ländern, Amerika und Asien<br />

Berliner Kanalbaustellen besichtigt und die in Berlin erzielten Erfolge in der<br />

Anwendung des lasergeführten und rechnergestützten Mikrotunnelbaues<br />

kennen und schätzen gelernt.


Literatur<br />

[1] WEBER, K. & UFFMANN, H.-P. (1983): Steuerbares Horizontalbohrgerät für<br />

nicht begehbare Rohrleitungen. – Tiefbau, Ingenieurbau, Straßenbau 2+3/83<br />

[2] UFFMANN, H.-P. (1984): Vortriebssystem für nicht begehbare Durchmesser. –<br />

Tiefbau, Ingenieurbau, Straßenbau 11/84<br />

[3] MÖHRING, K. (1984): Erster vollautomatisch gesteuerter Rohrvortrieb für den<br />

Bau eines Schmutzwasserkanals DN 250 in Berlin. – Korrespondenz Abwasser, 12/84<br />

[4] MÖHRING, K. (1986): Die „Berliner Bauweise“ bei vollautomatisch gesteuerten<br />

Rohrvortrieben kleiner Nennweiten. – Tiefbau 2/86<br />

[5] MÖHRING, K. (1986): Gesteuerte Rohrvortriebe, eine wirtschaftliche Alternative<br />

beim Bau kleiner Abwasserkanäle. – Tiefbau 11/86<br />

[6] MÖHRING, K. (1990): Einsatz von grabenlos arbeitenden Vortriebsmaschinen.<br />

– bbr 5/90<br />

[7] MÖHRING, K. (1988): Das Überfahren schadhafter Abwasserkanäle (pipeeating).<br />

– Tiefbau 4/88<br />

[8] Mehr als 100.000 m Mikrotunnelbau in Berlin. – 1. Internationales Rohrleitungsbausymposium,<br />

WASSER BERLIN 1993<br />

[9] UFFMANN, H.-P. (1989): Unterirdische Herstellung von Hausanschlüssen. –<br />

Tiefbau 3/89<br />

[10] BECKER, W. (1996): Möglichkeiten und Grenzen des Mikrotunnelbaues unter<br />

Berücksichtigung der Abbauwerkzeuge. – Tiefbau 7/96<br />

[11] MÖHRING, K. (1988): Stand der geschlossenen Bauweise für nicht begehbare<br />

Querschnitte am Beispiel der Berliner Entwicklung. – Steinzeug-<strong>Information</strong> 1988<br />

[12] BECKER, W. (1992): Mikrotunnelbau in Berlin und den neuen Bundesländern.<br />

– 2. Internationales Symposium Mikrotunnelbau, München 4/92<br />

[13] MÖHRING, K. (1994): Die Herausforderung an die Schildtechnik für Rohrquerschnitte<br />

aus Sicht des Anwenders. – Bautechnik 71/94<br />

[14] MÖHRING, K. (1996): Microtunneling – Umweltgerechter und Kostengünstiger<br />

Kanalbau. – DIN Mitteilungen + elektronorm 75, 1/96<br />

[15] UFFMANN, H.-P. & NIEDER, G. (1996): Geschlossene Bauweise von Abwasserhausanschlüssen<br />

und kleinen Sammlern. – bi Umwelt 2/96<br />

[16] MÖHRING, K. (1996): Durchbruch bei der DN 250-Grenze. – Bautechnik<br />

17/96<br />

[17] NIEDER, G. (1996): Durchbruch beim Rohrvortrieb DN 200. – TIS 12/96<br />

[18] UFFMANN, H.-P. (2001): Maschinentechnik des Microtunneling. – bbr<br />

11/2001<br />

[19] HACKETHAL, J. (<strong>2004</strong>): Mikrotunnelbau in Berlin. – Steinzeug-Report 1/<strong>2004</strong><br />

Kontakt<br />

Forschung + Technik<br />

Dipl.-Ing. Jens Neugebauer<br />

Leiter Bau Kanäle und Hausanschlüsse<br />

Berliner Wasserbetriebe<br />

10864 Berlin<br />

Tel.: 030/8644-5472<br />

E-Mail: neugebauer@bwb.de<br />

Internet: www.bwb.de<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

41


42<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Planen – Bauen – Einsteigen<br />

Kanalbauten für Kölns Mammutprojekt:<br />

der Nord-Süd-Stadtbahnbau<br />

■ Geplanter Streckenverlauf der N-S<br />

Stadtbahn in Köln.<br />

(Quelle: 4D DESIGN-AGENTUR)<br />

Bereits mit Beginn des U-<br />

Bahn-Baus im Jahr 1963<br />

dachte man im Kölner Rathaus<br />

über eine direkte unterirdische<br />

Nord-Süd-Stadtverbindung<br />

nach. Jetzt, mehr als 40 Jahre später,<br />

wird dieser Gedanke in die Tat<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

umgesetzt: Im März diesen Jahres begannen sukzessive die ersten Leitungsbauarbeiten<br />

(Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen) für die insgesamt<br />

8 Haltestellen einer rund 4 km langen, unterirdischen Nord-Süd-<br />

Stadtbahn. Ein gigantisches Projekt, das viel Zeit und noch mehr Geld kostet,<br />

der Stadt und ihren Bürgern aber gewaltige Entlastungen und handfeste<br />

Vorteile beschert.<br />

Startschuss für mehr Lebensqualität<br />

Am 4. Dezember 2002 fiel mit einem zünftigen Baustellenfest der Startschuss<br />

für den Bau der Kölner Nord-Süd-Stadtbahn. Vertreter des Bundes,<br />

des Landes und der Stadt würdigten mit diesem Fest die langjährigen Planungs-<br />

und Vorbereitungsarbeiten, die unter der Regie des Bauherrn, die<br />

Kölner Verkehrsbetriebe AG, und der Gesamtprojektleitung, die Stadt Köln<br />

Amt für Brücken und Stadtbahnbau, stattgefunden hatten.<br />

Mit der neuen unterirdischen Verbindung wird das vorhandene Kölner<br />

Schienennetz deutlich entlastet, Altstadt und Südstadt sowie weitere südliche<br />

Stadtteile besser erschlossen und direkter an Hauptbahnhof und Innenstadt<br />

angeschlossen, Fahrzeiten deutlich verkürzt und der innerstädtische<br />

Individualverkehr reduziert. Für Kölns Bürger, aber auch für die vielen<br />

Touristen der Stadt, bedeutet dies ein „Mehr“ an Lebensqualität.<br />

Anfang und Ende<br />

Die Länge des gesamten Stadtbahnabschnitts „Breslauer Platz – Marktstraße“<br />

beträgt 4.020 m. Für diese erste Baustufe, die den dicht bebauten<br />

Innenstadtbereich umfasst, werden zwei unterirdische, parallel verlaufende<br />

eingleisige Tunnelröhren (in Schildvortriebstechnik) mit sieben unterirdischen<br />

Haltestellen gebaut. Nur 160 m der Gesamttrasse entfallen auf die<br />

Rampe und 110 m auf die daran anschließende einzige oberirdische Haltestelle<br />

am Ende der neuen Bahnlinie (Marktstraße). Ein 90 m langer Tunnel<br />

wird den Anschluss zum bereits vorhandenen Tunnel am Dom/Ost sichern.<br />

Die zweite Baustufe erstreckt sich von der U-Bahn-Haltestelle Bonner<br />

Wall bis zur östlich liegenden Rheinuferstraße. Mit diesem Abschnitt ist die


■ Abb. oben und unten: Computer-animierte Darstellung der Bauweise für<br />

die Kölner Stadtbahn.<br />

(Quelle: 4D DESIGN-AGENTUR)<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Anbindung der südlichen Stadtbahnlinie<br />

16 (Verbindung nach<br />

Bonn) in den Nord-Süd-Tunnel vorgesehen.<br />

In der dritten Baustufe soll die<br />

Nord-Süd-Stadtbahn oberirdisch in<br />

Richtung Süden bis zum Verteilerkreis<br />

(Autobahnkreuz) dann verlängert<br />

werden.<br />

Die Inbetriebnahme der Nord-Süd-<br />

Stadtbahn ist für 2010 geplant.<br />

Den Zuschlag für die erste Baustufe,<br />

bestehend aus den Baulosen<br />

Süd und Nord, erhielten im November<br />

2003 zwei Arbeitsgemeinschaften.<br />

Beide haben bereits im<br />

Dezember 2003 mit ersten vorbereitenden<br />

Arbeiten im Streckenverlauf<br />

begonnen. Nach langen Zeiten<br />

der Planung, der Kalkulationen<br />

und der Bauvorbereitung ging es<br />

im März <strong>2004</strong> mit dem Beginn der<br />

Kanalbauarbeiten dann an die Ausführung:<br />

Begonnen wurde damit<br />

am Breslauer Platz; die erste Großbaustelle<br />

des Projekts Nord-Süd-<br />

Stadtbahn Köln wurde eingerichtet.<br />

Vorbereitende und ausführende<br />

Kanalbauarbeiten an weiteren<br />

Streckenabschnitten laufen parallel<br />

an.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

43


44<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

■ Startbeginn der ersten Kanalbauarbeiten für den U-Bahnhof Breslauer Platz . . .<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Baustelle U-Bahnhof<br />

Breslauer Platz<br />

Die bereits seit langem bestehende U-Bahn-Haltestelle Breslauer Platz wird<br />

im Zuge des Baus der Nord-Süd-Stadtbahn durch einen größeren U-Bahnhof<br />

ersetzt. Da sich später hier mehrere Linien „einfädeln“ werden, entsteht<br />

ein großer Umsteigebahnhof mit drei Gleissträngen; ca. 5.000 m 2<br />

groß wird die Baugrube hierfür sein.<br />

Bevor es allerdings an die Aushubarbeiten geht, ist u.a. die Baufeldfreimachung<br />

für die Anfahrgruben des U-Bahnbaus im Rohrvortrieb (70 x 100 m)<br />

sowie die Verlegung aller das Baufeld kreuzenden Kanalleitungen notwendig.<br />

Anlieferverkehr und Bahnhofsbetrieb sollten dabei so wenig wie möglich<br />

beeinträchtigt werden.


Kampf mit der Zeit<br />

Die in Köln seit 1906 ansässige Bauunternehmung für Hoch- und Tiefbauten,<br />

Friedrich Wassermann, blickt auf fast 100 Jahre Erfahrung im heimischen<br />

Kanalbau zurück und ist den spezifischen Anforderungen dieses Projektes<br />

gewachsen. Sie erhielt den Zuschlag und begann im März <strong>2004</strong> unter<br />

Federführung ihres Leiters Tiefbau, Dipl.-Ing. Horst Fischer, mit den<br />

Bauarbeiten am Breslauer Platz.<br />

■ . . . die Steinzeugrohre liegen zum Einbau bereit.<br />

Probleme stellten sich – nicht überraschend – schnell ein:<br />

1. Aufgrund der unmittelbaren Lage zum Hauptbahnhof (Ziel von Bombenangriffen<br />

im Zweiten Weltkrieg) mussten alle neu vorgesehenen<br />

Kanaltrassen vom Kampfmittelräumdienst sondiert werden.<br />

2. Aufgrund der mit Sicherheit zu erwartenden archäologischen Funde<br />

konnte im Bereich bis zu ca. 2 m unter Geländeoberkante die Ausschachtung<br />

der Kanaltrassen nur mit eingeschränktem Maschineneinsatz erfolgen.<br />

3. Im Bereich des Stollenbaus wurden verschiedene Hindernisse wie etwa<br />

außer Betrieb befindliche Mauerwerkskanäle, die nicht in den Plänen verzeichnet<br />

waren, angetroffen.<br />

4. Eine Vielzahl von kreuzenden und teilweise unbekannten Versorgungsleitungen<br />

im Bereich der Kanaltrassen, Leerrohrtrassen mit bis zu 30-<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

Zügen, Fernwärmehaubenkanäle<br />

bis DN 600 sowie Gas- und Wasserrohrleitungen<br />

bis DN 600 wurden<br />

vorgefunden.<br />

5. Teilweise gab es eine parallel<br />

laufende Verlegung von Kabel- und<br />

Rohrleitungstrassen auf engstem<br />

Raum.<br />

Alle diese Unwägbarkeiten beeinträchtigten<br />

den zeitlichen Bauablauf<br />

enorm. Nur durch einen Zwei-<br />

Schichtbetrieb und häufige Nachtarbeit<br />

konnte eine zeitliche Verzögerung<br />

kompensiert werden.<br />

Die Bauausführung<br />

Drei verschiedene Ausführungsvarianten<br />

kamen zur Anwendung:<br />

1. Offene Bauweise, Kanaldielenverbau,<br />

stählern senkrecht<br />

Diese Ausführung kam nur in Bereichen<br />

zum Einsatz, an denen es keine<br />

direkte Bebauung gab, da die<br />

Nachverdichtung des seitlich anstehenden<br />

Bodens (meist Trümmerschutt)<br />

Erschütterungen mit<br />

sich bringt, die möglicherweise<br />

Bauwerks- und Leitungsschäden<br />

verursacht. Somit wurde diese Verbauvariante<br />

nur in einer Kanalhaltung<br />

angewendet.<br />

2. Offene Bauweise, Trägerbohlwandverbau<br />

Diese Verbauweise konnte nur unter<br />

erschwerten Bedingungen eingesetzt<br />

werden, da das gesamte<br />

Baufeld durch Trümmerschutt und<br />

alte Bauwerksreste gestört war. Sie<br />

kommt den Archäologen sehr entgegen,<br />

da der Verbau erst im Zuge<br />

der Aushubarbeiten komplett eingezogen<br />

wird und vorhandene Bodendenkmäler<br />

nicht vorher durch<br />

Kanaldielen (s.o.) zerstört werden.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

45


46<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

■ Transport der Steinzeugrohre auf der<br />

Baustelle.<br />

■ . . . in den Graben abgelassen . . .<br />

■ . . . eingebaut . . .<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

■ Das Rohr wird in den Rohrgraben<br />

eingefädelt . . .<br />

■ . . . Laser-genau positioniert . . .<br />

■ . . . und verfüllt.


3. Geschlossene Bauweise, Stollenbau<br />

Aufgrund verkehrstechnischer Gegebenheiten wurden mehrere Kanalabschnitte<br />

in der geschlossenen, unterirdischen Bauweise (Kölner Stollen)<br />

errichtet. Der Kölner Stollen ist eine bergmännische Tunnelbauweise für<br />

Ortbeton- und Rohrkanäle in Böden aller Art, für die das Unternehmen<br />

mehrere Verfahren entwickelt hat. Mit dem Kölner Stollen wird der Hauptkanal<br />

einschließlich der Haus- und Sinkkästenanschlüsse unterirdisch<br />

gebaut.<br />

Als Rohrmaterial wurde ausschließlich Steinzeug verwendet:<br />

● wandverstärkte Steinzeugrohre DN 300 bis 600<br />

● Haus- und Sinkkastenanschlüsse mit Steinzeugrohren DN 150 bis 200<br />

Die Herstellung der Anfahrgruben und der Stollenbau erfolgten unter<br />

Anwendung der Spritzbetonbauweise.<br />

Die Arbeiten am Breslauer Platz wurden termingerecht im August <strong>2004</strong><br />

abgeschlossen.<br />

Gespräch vor Ort<br />

Im <strong>Information</strong>sbüro der Nord-Süd-Stadtbahn, in unmittelbarer Nähe der<br />

neu zu errichtenden U-Bahn-Haltestelle Severinstraße, stand Dipl.-Ing.<br />

Hans-Peter Nickel von der StEB Stadtentwässerungsbetriebe (AöR) für ein<br />

Gespräch bezüglich der Kanalbauarbeiten zur Verfügung.<br />

?<br />

Herr Nickel, Sie sind für die Ausführungen der Kanalbauarbeiten in diesem<br />

Mammutprojekt Nord-Süd-Stadtbahnbau zuständig. Was bedeutet das<br />

im Klartext? Ist die StEB ausführendes Unternehmen und Sie sind der Bauleiter,<br />

oder haben Sie die Bauaufsicht als Auftraggeber?<br />

H.-P. Nickel: Der Bauherr der Nord-Süd-Stadtbahn ist die Kölner Verkehrsbetriebe<br />

AG, und damit ist sie auch Bauherr für den Kanalbau. Wir, die<br />

Stadtentwässerungsbetriebe, sind die Eigentümer des Kölner Kanalnetzes<br />

und achten somit natürlich auf die ordnungsmäßige Ausführung der<br />

Kanalarbeiten. Wir haben allerdings keinen direkten Einfluss auf die bauausführenden<br />

Firmen. Einflussnahme geht nur über die Bauaufsicht der<br />

KVB.<br />

?<br />

Gilt diese Zuständigkeit für die gesamte Trasse?<br />

H.-P. Nickel: Nein, nicht ganz! Ausnahme ist der Heumarkt und der Gleiswechsel<br />

am Waidmarkt. Hier haben wir im Auftrag der KVB die Bauüberwachung<br />

inne.<br />

?<br />

Welche Maßnahmen müssen für den (Kanal-)Leitungsbau getroffen werden?<br />

Müssen Altleitungen entsorgt, saniert und/oder erneuert werden?<br />

H.-P. Nickel: Da im Bereich der neu zu bauenden U-Bahnhöfe alle Leitungen<br />

erst einmal entfernt werden müssen, ist es notwendig, auch die<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

vorhandenen Kanalleitungen zu<br />

entfernen. Abhängig von den örtlichen<br />

Gegebenheiten werden endgültige<br />

Lösungen neu gebaut oder,<br />

wenn die Situation es erfordert, zunächst<br />

provisorische Entwässerungsleitungen<br />

errichtet und nach<br />

dem Bau der U-Bahnhöfe wieder<br />

zurückverlegt.<br />

?<br />

Welche Probleme tauchen dabei<br />

auf?<br />

H.-P. Nickel: Problematisch wird<br />

es immer, wenn wir auf Leitungen<br />

treffen, die uns nicht bekannt waren,<br />

die nicht dokumentiert sind.<br />

Problematisch sind auch gelegentlich<br />

die Diskussionen mit den Anliegern,<br />

die von unseren Baumaßnahmen<br />

betroffen sind und sich in<br />

Ihrer Existenz bedroht fühlen. Und<br />

natürlich, wenn die Archäologen<br />

des Römisch-Germanischen Museums<br />

fündig geworden sind.<br />

?<br />

In einer Stadt wie Köln, die eine<br />

bewegte historische Entwicklung<br />

genommen hat, sind archäologische<br />

Funde nicht selten. Was bedeutet das<br />

für die Kanalbauarbeiten?<br />

■ Diese Aucissafibel, eine römische<br />

Gewandspange, hat ein römischer Legionär<br />

bei Straßenbauarbeiten verloren.<br />

Dieser archäologische Fund ist einer<br />

von vielen bei den Tiefbauarbeiten<br />

für die Kölner N-S Stadtbahn.<br />

(Foto und <strong>Information</strong>: ABS Gesellschaft<br />

für Archäologische Baugrund-<br />

Sanierung mbH, Köln. Fundort: Bonner<br />

Straße)<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

47


48<br />

Baustellenbericht/-reportage<br />

H.-P. Nickel: Wir haben natürlich<br />

Verständnis für die archäologischen<br />

Arbeiten, und in Köln muss man<br />

natürlich mit Funden rechnen. Für<br />

die Kanalbauarbeiten bedeuten sie<br />

allerdings Baustillstände, Zeitverluste<br />

und manchmal sogar Verlegung<br />

der geplante Trasse.<br />

?<br />

Werden die Leitungen in offener<br />

oder in geschlossener Bauweise<br />

verlegt, bzw. nach welchen Kriterien<br />

wird entschieden?<br />

H.-P. Nickel: Die Wahl der Bauweise<br />

richtet sich nach Art der<br />

Bebauung, nach den Verkehrsgegebenheiten,<br />

nach den Bodenverhältnissen<br />

und schließlich nach den<br />

Forderungen der Archäologen. Die<br />

Kanalleitungen werden also sowohl<br />

in offener als auch in geschlossener<br />

Bauweise verlegt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

?<br />

Müssen die Kanalbauarbeiten unter Zeitdruck ausgeführt werden?<br />

H.-P. Nickel: Meist ja, aufgrund von Stillstandszeiten und Trassenverlegungen.<br />

Wir achten allerdings sehr darauf, dass durch die Zeitnot die Qualitätskriterien<br />

für den Kanalbau peinlichst eingehalten werden.<br />

?<br />

Am Breslauer Platz lagen Steinzeugrohre zum Einbau bereit; in der Severinstraße<br />

werden auch PVC-Rohre vorgehalten. Warum werden verschiedene<br />

Rohrmaterialien eingebaut?<br />

H.-P. Nickel: Es werden im Abwasserbereich nur Steinzeugrohre eingebaut,<br />

damit haben wir gute und langjährige Erfahrungen gemacht. Bei den<br />

PVC-Rohren handelt es sich entweder um Leer-Rohre für die Versorgung<br />

oder um Rohre, die nur für den Einsatz als provisorische Zwischenlösung<br />

gedacht sind.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

(Quelle für die Abb. auf den Seiten 44 und 46: Fotograf: Hunger; freundlich<br />

zur Verfügung gestellt von: FRIEDRICH WASSERMANN GmbH & Co., Köln)<br />

Kontakt<br />

Stadtentwässerungsbetriebe Köln (AöR)<br />

Dipl.-Ing. Hans-Peter Nickel<br />

Willy-Brandt-Platz 2<br />

50679 Köln<br />

Tel.: 0221/221-23668<br />

Kontakt<br />

Friedrich Wassermann<br />

Bauunternehmung für<br />

Hoch- und Tiefbauten GmbH & Co.<br />

Dipl.-Ing. Horst Fischer<br />

Eupener Straße 74<br />

50933 Köln<br />

Tel.: 0221/4 98 76-50<br />

Fax: 0221/4 98 76-55


Die ERZ Entsorgung + Recycling Zürich ist eine Dienstabteilung der<br />

Stadt Zürich, die u.a. für den Betrieb und den Erhalt der Abwasserkanäle<br />

und des Klärwerks zuständig ist. Die einzelnen Geschäftsbereiche<br />

der ERZ tragen jeweils die volle operative und die Budget-bezogene<br />

Verantwortung. Dank der Erkenntnisse aus dem Benchmarking konnten<br />

der Betrieb der Abwasserkanäle optimiert und die Kosten wiederkehrend in<br />

Millionenhöhe reduziert werden; die Qualität der Betriebsleistung ist dabei<br />

erhalten geblieben.<br />

Gottfried Neuhold ist Mitglied der Geschäftsleitung<br />

der ERZ. Mit ihm verfügt<br />

das Unternehmen über einen ausgezeichneten<br />

Strategen, der mit Weitblick und geschicktem<br />

Management für einen wirtschaftlichen<br />

und nachhaltigen Betrieb des<br />

Züricher Kanalnetzes Sorge trägt. In einem<br />

Gespräch mit der Redaktion hat er die „Situation“<br />

der Stadt geschildert und die<br />

wichtigsten Maßnahmen skizziert.<br />

?<br />

Das Abwassernetz der Stadt Zürich<br />

mit ihren 364.000 Einwohnern<br />

hat eine Gesamtlänge von rund<br />

915 km. Der überwiegende Teil der Leitungen<br />

besteht aus Zementrohren, gefolgt<br />

von Betonrohren; zudem werden<br />

seit 1960 auch zunehmend Steinzeugrohre<br />

eingebaut. Sind Sie insgesamt<br />

mit dem Zustand des Netzes zufrieden?<br />

G. Neuhold: Ja, mit Ausnahme der<br />

Zementrohre, von denen große<br />

Mengen in den Jahren von 1920 bis<br />

1960 eingebaut wurden. Diese müssen<br />

bis ins Jahr 2020 vollständig ersetzt<br />

werden.<br />

Portrait/Interview<br />

Erfolgreiche Kanalbaustrategien<br />

In Züri läuft’s supr!<br />

?<br />

In Deutschland klagen viele<br />

Städte und Kommunen über marode<br />

Abwassernetze, die dringend<br />

saniert und/oder erneuert werden<br />

müssen; die öffentlichen Kassen aber<br />

sind leer. Wie ist die Situation in der<br />

Schweiz? Sieht es dort ähnlich aus?<br />

G. Neuhold: Der Zustand der Abwassernetze<br />

in den größeren Agglomerationen<br />

ist im Allgemeinen<br />

gut bis sehr gut. Allerdings wurde<br />

auch dort häufig so konsequent<br />

hochwertiges Material eingesetzt<br />

wie in der Stadt Zürich. Bei den<br />

kleineren Gemeinden stellt sich die<br />

Situation sehr unterschiedlich dar,<br />

wohl eher ähnlich wie in Deutschland.<br />

■ Abb. 1: Einzugsgebiet der Stadt Zürich für den Geschäftsbereich Entwässerung.<br />

Gelbe Linie: Stadtgrenze<br />

Rote Linie: 5,3 km langer Stollen, mit zwei Rohrleitungen aus Steinzeug.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

49


50<br />

Portrait/Interview<br />

■ Abb. 2: Über die laufende Zustandsüberwachung und das Einfließen der Ergebnisse in den Planungsprozess ist der jährliche<br />

Sanierungsbedarf genauestens bekannt.<br />

?<br />

Sie sagten eingangs, dass natürlich<br />

auch Teile des Züricher Abwassernetzes<br />

sanierungs- bzw. erneuerungsbedürftig<br />

sind. Wie hoch<br />

ist denn der jährliche Bedarf?<br />

G. Neuhold: Bei den Abwasserkanälen<br />

aus Steinzeug gehen wir von<br />

einer Mindestlebensdauer von 100<br />

Jahren aus. Daraus resultiert eine<br />

durchschnittliche Sanierungsquote<br />

von 1 % pro Jahr. Dazu kommt,<br />

dass wir die eingangs erwähnten<br />

Zementrohre bis ins Jahr 2020 vollständig<br />

ersetzen müssen, was einen<br />

höheren Investitionsbedarf als<br />

die theoretischen, jährlichen 1 %<br />

zur Folge hat. Wir reden von ungefähr<br />

1,5 bis 2 %.<br />

?<br />

Was hat sich ERZ für den Betrieb<br />

und die Erhaltung seines Kanalnetzes,<br />

sprich für die strategische<br />

Vorgehensweise, als höchste Priorität<br />

gesetzt?<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

G. Neuhold: Es gibt hier zwei Prioritäten und nicht nur eine: Die erste ist<br />

die genaue Kenntnis über den Zustand des Abwassernetzes und die zweite<br />

ist die höchste Qualität bei der Wahl der Materialien: im Wesentlichen<br />

Steinzeug, wo immer möglich.<br />

?<br />

ERZ ist eine Dienstabteilung der Stadt Zürich. Welchen Einfluss hat die Abteilung<br />

auf Entscheidungen zu Sanierung oder Neubau von Abwasserkanälen?<br />

Wer trifft die Entscheidung über zu ergreifende Maßnahmen?<br />

G. Neuhold: ERZ trifft sämtliche Entscheidungen, die im Zusammenhang<br />

mit den Abwasserkanälen stehen, selbst: Und zwar das Wann, das Wo, das<br />

Womit und das Was mit wie viel Geld. Die übergeordnete Planung macht<br />

ERZ; die projektbezogene, die Teilplanung und die Ausführung macht das<br />

Tiefbauamt der Stadt Zürich im Auftrag von ERZ.<br />

?<br />

Seit 1999 konnte der Betrieb der Kanäle optimiert und die Kosten drastisch<br />

reduziert werden. Gleichzeitig blieb die Qualität der Betriebsleistung erhalten.<br />

Mit welchen Mitteln haben Sie das erreicht?<br />

G. Neuhold: Dank des Benchmarkings und den darin enthaltenen Möglichkeiten<br />

zum direkten Vergleich mit anderen Städten, vorwiegend in<br />

Deutschland, haben wir gelernt, unsere Renovierungsintervalle und das<br />

Prozess-orientierte Vorgehen im Allgemeinen so anzupassen, dass wir mit<br />

wesentlich geringerem Aufwand die gleiche Qualität wie früher erreichen.


■ Abb. 3: Der Planungszyklus.<br />

?<br />

Können Sie in Stichworten skizzieren, wie Ihr Planungsprozess gefasst war,<br />

der aus dem einstigen Amt ein Dienstleistungsunternehmen geschaffen<br />

hat, das wirtschaftlichen Erfolg hat und sich zu den besten schweizerischen<br />

Entsorgungsunternehmen zählen darf?<br />

G. Neuhold: 1. Eine Prozess-orientierte Organisation, 2. Aufteilung in Geschäftsbereiche<br />

mit vollständig operativer Verantwortung und 3. Dienstleistungsbereiche,<br />

welche die Geschäftsbereiche zu unterstützen haben<br />

(keine heimlichen Königreiche), 4. Einführung von betriebswirtschaftlichen<br />

Werkzeugen gemäß aktuellem Wissensstand (einschließlich Controlling,<br />

Kostenstellen-Verantwortung, Training Sämtlicher Kaderleute in kaufmännischen<br />

Zusammenhängen usw.); nicht zu vergessen ist der kulturelle Teil:<br />

Sämtliche Mitarbeiter werden in Teambildung, Kommunikation, Konfliktbeherrschung<br />

etc. wiederkehrend geschult.<br />

Von politischer Seite aus ist ERZ in seinem Bestreben, sich kontinuierlich zu<br />

verbessern, immer aktiv unterstützt worden.<br />

?<br />

ERZ finanziert sich ausschließlich über die Abgeltung von wertschöpferischen<br />

Tätigkeiten. Erläutern Sie bitte, was die langfristige Planung und Investitionsplanung<br />

vorsehen?<br />

G. Neuhold: Neben der wiederkehrenden Budgetierung haben wir eine<br />

Mittel- und Langfristplanung eingeführt, die ein Abfallprodukt der Businesspläne<br />

der einzelnen Geschäftsbereiche ist und im Zusammenhang mit<br />

der jährlichen Budgetphase rollend erneuert wird. Sämtliche heute bekannten<br />

Aktionen im Sinne unserer Zielsetzung Betreiben und Erhalten der<br />

Portrait/Interview<br />

uns anvertrauten Investitionen der<br />

Stadt Zürich, werden in unserer<br />

Mittel- und Langfristplanung erfasst,<br />

terminiert und nach heutigem<br />

Wissen zum Wiederbeschaffungswert<br />

bewertet. Daraus kann<br />

der jeweilige Finanzbedarf abgelesen<br />

werden. Die Planung und<br />

die zur Verfügungstellung der nötigen<br />

finanziellen Mittel ist eine logische<br />

Konsequenz daraus. Dieser<br />

Mittelbedarf fließt in die Rechnung<br />

des Preis-Leistungs-Managements<br />

(sprich Gebühren) ein und zwar in<br />

den Infrastrukturpreis.<br />

?<br />

Sie differenzieren zwischen einem<br />

Infrastrukturpreis und einem<br />

Leistungspreis. Wie setzen sich<br />

diese beiden jeweils zusammen?<br />

G. Neuhold: Grundsätzlich deckt<br />

der Infrastrukturpreis, wie schon<br />

der Name sagt, alle Kosten ab, die<br />

für den Erhalt der Infrastruktur nötig<br />

sind. Der Leistungspreis soll<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

51


52<br />

Portrait/Interview<br />

■ Abb. 4: Infrastruktur- und Leistungspreis.<br />

sämtliche operativ abhängigen<br />

Kosten abdecken. Dies ist in der<br />

heutigen Konstellation nicht konsequent<br />

umgesetzt worden. Der<br />

reine Leistungspreis für Abwasser<br />

wäre derart niedrig, dass er die<br />

verlangte Lenkungswirkung vom<br />

Sparen von Frischwasser verlieren<br />

würde. Daher deckt der Leistungspreis<br />

Abwasser auch einen Teil der<br />

Infrastrukturkosten.<br />

?<br />

Wie hoch sind die jährlichen<br />

finanziellen Aufwendungen für<br />

Sanierung und Instandhaltung?<br />

G. Neuhold: Für die Sanierung<br />

und Instandhaltung des Abwassernetzes<br />

setzt die Stadt Zürich 30 bis<br />

40 Mio. Euro jährlich ein; aus der<br />

laufenden Rechnung finanziert.<br />

?<br />

Inwieweit partizipieren die Bürger<br />

vom erfolgsorientierten Wirtschaften<br />

der ERZ?<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

G. Neuhold: Am 18.08.04 hat der Gemeinderat der Stadt Zürich die neue<br />

Abwasserverordnung gutgeheißen. Darin ist neben der gerechteren Verteilung<br />

der Infrastrukturpreise eine Reduktion der Leistungspreise von heute<br />

2,05 SFr auf 1,62/m 3 SFr. enthalten. Zusätzlich werden mit dem Abwasserpreis<br />

sämtliche Investitionen zumindest zu 50 % aus eigenen Mitteln finanziert,<br />

was eine Reduktion der Zinsbelastung zur Folge hat.<br />

?<br />

Eine letzte Frage: Wenn heute der Kanalbau noch mal von vorne beginnen<br />

könnte oder müsste, was wäre in Zürich anders?<br />

G. Neuhold:<br />

1. Man müsste konsequent flächendeckend getrennte Systeme bauen<br />

2. Verwendung von Materialien höchster Qualität, z.B. Steinzeug, wo<br />

immer möglich.<br />

Alle Abbildungen: ERZ<br />

Kontakt<br />

Gottfried Neuhold<br />

CEO ERZ Entsorgung + Recycling Zürich<br />

Bändlistraße 108<br />

CH-8010 Zürich<br />

Tel.: 0041/1/ 645 52 83<br />

Fax: 0041/1/ 645 55 56<br />

Internet: www.stzh.ch


Portrait/Interview<br />

Verabschiedung/Antritt<br />

Große Festveranstaltung für die Wasserexperten<br />

■ NRW-Ministerin Bärbel Höhn verabschiedete sich in ihrer Festrede mit Rückblick auf gemeinsam<br />

durchgeführte und vom Ministerium geförderte Projekte von Prof. Dr. Max Dohmann und freut sich<br />

auf die künftige Zusammenarbeit mit Prof. Johannes Pinnekamp.<br />

(Foto: RWTH Aachen)<br />

Am 19. Juli <strong>2004</strong> hatte das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der<br />

RWTH Aachen zu einer Festveranstaltung anlässlich der Verabschiedung<br />

von Prof. Dr.-Ing. Max Dohmann und des Antritts von Prof.<br />

Dr.-Ing. Johannes Pinnekamp eingeladen. Beim Rundblick durch die Aula,<br />

die u.a. mit vielen „Ehemaligen“ gefüllt war, war jedoch gleich klar: dieser<br />

Nachmittag gehörte in erster Linie dem scheidenden Prof. Dohmann, der<br />

nach 17 Jahren Institutsleitung in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet<br />

wurde.<br />

Entsprechend dem Anlass waren denn auch die Festredner, die Prof. Dohmann<br />

für seine herausragenden Arbeiten ehrten und Prof. Pinnekamp<br />

Erfolg und gutes Gelingen bei seinen neuen Aufgaben wünschten, hochkarätig:<br />

● Bärbel Höhn, Ministerin für<br />

Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz<br />

des Landes NRW<br />

● Prof. Dr. Andreas Troge, Präsident<br />

des Umweltbundesamtes<br />

● Univ.-Prof. Dr. Burkhard Rauhut,<br />

Rektor der RWTH Aachen<br />

● Prof. Dr. Helmut Kroiss, Institut<br />

für Wassergüte und Abfallwirtschaft<br />

der Technischen Universität Wien<br />

● Prof. Dr. Wilhelm Benning,<br />

Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen<br />

der RWTH<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

53


54<br />

Portrait/Interview<br />

Prof. Dohmann kann auf eine<br />

erfolgreiche, über 20-jährige Tätigkeit<br />

als Hochschullehrer und Wissenschaftler<br />

zurückblicken: zunächst<br />

für 4 Jahre an der Universität Gesamthochschule<br />

Essen, danach seit<br />

1987 als Inhaber des Lehrstuhls für<br />

Siedlungswasserwirtschaft und Direktor<br />

des gleichnamigen Instituts<br />

der RWTH Aachen. Neben seinen<br />

Aufgaben als Universitätsprofessor<br />

war Prof. Dohmann in zahlreichen<br />

Gremien als viel gefragter Fachmann<br />

tätig. Und es bleibt zu hoffen,<br />

dass er vielen noch als Experte<br />

der Wasserwirtschaft zur Verfügung<br />

stehen wird.<br />

Zu Ehren von Prof. Dohmann haben<br />

sich zahlreiche ehemalige Doktoranden<br />

zusammengetan und<br />

ihm aus ihren Arbeitsgebieten eine<br />

Festschrift erstellt, die das gesamte<br />

Spektrum und den Erfolg seiner<br />

Forschungen widerspiegelt. Mit<br />

sichtlichem Stolz nahm er sie als<br />

Geschenk entgegen.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Bereits am 8. April <strong>2004</strong> trat sein Nachfolger, Prof. Pinnekamp, sein Amt an<br />

der RWTH Aachen an. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens und<br />

der anschließenden Promotion an der RWTH Aachen wechselte er in die<br />

Freie Wirtschaft zur AEW Plan GmbH, wo er als Fachbereichs- und Geschäftsbereichsleiter<br />

sowie als Technischer Geschäftsführer tätig war. Von<br />

2000 bis <strong>2004</strong> leitete er als Universitätsprofessor die Abteilung „Abwassertechnik“<br />

des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft<br />

der Universität Stuttgart.<br />

Mit seinem fachlichen Background, seinem Mitwirken in den verschiedensten<br />

Gremien und mit seinem stilvollen Lebensmotto: „Man sollte die Dinge so<br />

nehmen, wie sie kommen – aber man sollte vorher dafür sorgen, dass sie<br />

so kommen, wie man sie gerne nehmen möchte“, wird er mit Sicherheit<br />

als Hochschullehrer und Forscher ebenso erfolgreich werden wie sein Vorgänger.<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr.-Ing. Johanes Pinnekamp<br />

Inst. für Siedlungswasserwirtschaft<br />

der RWTH Aachen<br />

Mies-van-der-Rohe-Straße 1<br />

52056 Aachen<br />

Tel.: 0241/8025214<br />

Fax: 0241/8022285<br />

E-Mail: et@isa.rwth-aachen.de<br />

Internet: www.rwth-aachen.de


Die Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens für die private Wirtschaft<br />

wächst ständig. Aufgrund der am 1. Mai diesen Jahres vollzogenen<br />

EU-Osterweiterung müssen nunmehr auch die neuen Mitgliedstaaten<br />

europäische Vergaberechtsstandards anwenden. Die Beitrittsländer<br />

sind: Polen, Litauen, Lettland, Estland, Tschechien, Slowakei,<br />

Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern. Damit sind diese Staaten jetzt auch<br />

dazu verpflichtet, Beschaffungen im Wege transparenter und diskriminierungsfreier<br />

EU-konformer Vergabeverfahren zu vergeben. Die nachfolgenden<br />

Ausführungen geben Aufschluss über die derzeitige Situation des<br />

öffentlichen Auftragswesens in Deutschland und Europa und stellen die<br />

aktuelle vergaberechtliche Situation in den neuen Mitgliedstaaten dar.<br />

Ausgangssituation Deutschlands in der EU<br />

Die Beitrittsakte [1] für die Erweiterung der Europäischen Union sah für die<br />

alten sowie die neuen Mitgliedstaaten Ermächtigungen vor, die europarechtlichen<br />

Grundfreiheiten (insbesondere die Dienstleistungsfreiheit und<br />

die Arbeitnehmerfreizügigkeit) in Übergangsfristen zu beschränken, um<br />

die heimischen Märkte vor der Konkurrenz aus den anderen Mitgliedstaaten<br />

zu schützen. Deutschland hat von dieser Möglichkeit der Beschränkung<br />

des Zugangs zu seinen öffentlichen Märkten am weitesten Gebrauch<br />

gemacht. Während einer Übergangsfrist von zwei Jahren sind damit in<br />

Deutschland Bewerber aus den Beitrittsländern von Ausschreibungen im<br />

Baugewerbe [2], Gebäudereinigung und Dienstleistungen [3] ausgeschlossen<br />

[4]. Diese Maßnahme zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes<br />

kann nach Ablauf der Zweijahresfrist erforderlichenfalls verlängert werden.<br />

Unbeschränkter Wettbewerb besteht nur bei öffentlichen Lieferaufträgen.<br />

Deutsche Unternehmen haben im Gegenzug keine Beschränkungen hinsichtlich<br />

der Beteiligungen an Ausschreibungen in den neuen Mitgliedstaaten<br />

hinzunehmen. Die Beitrittsakte räumte den neuen Mitgliedstaaten<br />

zwar ebenfalls diese Option ein, doch wurde von einer Einschränkung<br />

insbesondere wegen dringend benötigter Investitionen abgesehen. Von<br />

allen Wirtschaftszweigen wird die deutsche Bauwirtschaft damit durch die<br />

Ausnahmeregelung am umfangreichsten vor Konkurrenz aus den neuen<br />

EU-Mitgliedstaaten geschützt.<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Chancen wahrnehmen<br />

Öffentliche Auftragsvergabe in den neuen<br />

EU-Mitgliedstaaten<br />

Rechtssituation in den<br />

neuen EU-Mitgliedstaaten<br />

Die neuen Mitgliedstaaten müssen<br />

seit dem 1. Mai <strong>2004</strong> ohne Übergangsfrist<br />

die EU-rechtlichen<br />

Regelungen bezüglich der öffentlichen<br />

Auftragsvergabe anwenden.<br />

Die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie<br />

[5], die Lieferkoordinierungsrichtlinie<br />

[6], die Baukoordinierungsrichtlinie<br />

[7] sowie die Sektorenrichtlinie<br />

[8] und die beiden<br />

Rechtsmittelrichtlinien [9] wurden<br />

deshalb zum Zwecke der Harmonisierung<br />

der bisherigen nationalen<br />

Vergaberegelungen mit den Vergaberichtlinien<br />

im Vorfeld des 1. Mai<br />

<strong>2004</strong> oder zu diesem Datum in<br />

nationales Recht umgesetzt, indem<br />

europarechtskonforme Vergabegesetze<br />

geschaffen wurden.<br />

Konkret bedeutet der nunmehr<br />

europaweit geltende Grundsatz<br />

der diskriminierungsfreien Vergabe<br />

für Unternehmen, dass insbesondere<br />

aufgrund der Nationalität kein<br />

Unterschied mehr zwischen den<br />

Bieterunternehmen gemacht werden<br />

darf. Dieser Umstand ist für<br />

Bieterunternehmen aus den bisherigen<br />

EU-Mitgliedstaaten wichtig,<br />

denn eine Bevorzugung nationaler<br />

Unternehmen war vor Inkrafttreten<br />

der EU-konformen Vergabesysteme<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

55


56<br />

Wirtschaft + Recht<br />

in einigen der neuen Mitgliedstaaten<br />

an der Tagesordnung.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass deutsche<br />

Unternehmen ein großes Interesse<br />

an der Teilnahme an ausländischen<br />

öffentlichen Ausschreibungen haben,<br />

jedoch allzu oft vor dem<br />

scheinbar fremden und undurchdringlichen<br />

Rechtsraum zurückschrecken.<br />

Beinah unüberwindbare<br />

Grenzen werden vermutet, wenn<br />

es um die Beteiligung an ausländischen<br />

Vergabeverfahren geht.<br />

Durch diese Einstellung verspielen<br />

Unternehmen enorme Chancen,<br />

sich außerhalb der deutschen<br />

Grenzen neue Märkte zu sichern.<br />

Steigerung des grenzüberschreitenden<br />

Wettbewerbs<br />

Durch die vollzogene EU-Mitgliedschaft<br />

wird sich die Anzahl der öffentlich<br />

ausgeschriebenen Projekte,<br />

bedingt durch eine erweiterte Kofinanzierung<br />

durch Brüssel, erweitern.<br />

In vielen Bereichen besteht<br />

ein gesteigerter Nachholbedarf, da<br />

nunmehr europäische Standards<br />

eingehalten werden müssen. Aus<br />

den Strukturfonds werden vorrangig<br />

Projekte in den Bereichen Umwelt<br />

und Infrastruktur gefördert.<br />

Von den EU-Strukturfonds in Höhe<br />

von 24 Mrd. Euro wird zwischen<br />

■ Tabelle 1: Wirtschaftsdaten in den neuen Mitgliedstaaten<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

<strong>2004</strong> und 2006 ein Löwenanteil nach Polen fließen. Die Wirtschaftsdynamik<br />

in den neuen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich: Die<br />

litauische Wirtschaft weist das größte Wachstum auf, wohingegen Malta<br />

als einziges Beitrittsland einen BIP-Rückgang zu verzeichnen hat (Tabelle 1).<br />

Der Markt für öffentliche Aufträge in den bisherigen EU-Mitgliedstaaten<br />

hat ein jährliches Volumen von 1,42 Billionen Euro erreicht und entspricht<br />

damit 16 % des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union. Der Umfang<br />

wird sich durch die EU-Osterweiterung noch erhöhen. Die EU-Kommission<br />

schätzt, dass von den Ausschreibungen bisher nur ca. 15 % grenzüberschreitend<br />

an Bieter aus anderen Mitgliedstaaten vergeben werden.<br />

Studien der Europäischen Kommission belegen, dass die Umsetzung der<br />

Vergaberichtlinien zu mehr grenzüberschreitendem Wettbewerb führen<br />

[11]. Untersuchungen ergaben, dass öffentliche Auftraggeber durch einen<br />

effektiven europaweiten Wettbewerb ihre Beschaffungsausgaben um 30 %<br />

senken können. In Zeiten knapper Haushaltskassen besteht insofern seitens<br />

der öffentlichen Auftraggeber eine immer größere Bereitschaft, öffentliche<br />

Aufträge tatsächlich an ausländische Bieterunternehmen zu vergeben.<br />

Denn Dank der Anwendung von Gemeinschaftsvorschriften kommen<br />

öffentliche Auftraggeber in den Genuss eines optimalen Preis-Leistungsverhältnisses.<br />

Durch die Neuregelungen wird eine effiziente Beschaffungspraxis<br />

vorgeschrieben, welche den europaweiten Wettbewerb intensiviert.<br />

Nationale Spezifikationen<br />

Zwar basieren die nationalen Vergabegesetze jeweils auf den gleichen europarechtlichen<br />

Richtlinien, so dass insofern nunmehr in allen EU-Mitgliedstaaten<br />

ein gemeinsames und gleiches Grundgerüst für die Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge besteht. Hinsichtlich der zwingenden EU-weiten Vergabe<br />

gelten damit die gleichen Schwellenwerte: Für Liefer- und Dienstleistungen<br />

gilt für oberste Behörden ein Schwellenwert von 130.000 Euro, für alle<br />

anderen Beschaffungsstellen 200.000 Euro. Für Bauaufträge gilt einheitlich<br />

der Schwellenwert von 5 Mio. Euro, oberhalb dessen europaweit ausgeschrieben<br />

werden muss. In den neuen Mitgliedstaaten wurden Gesetzestexte<br />

geschaffen, die jeweils sämtliche Vergabegrundregeln umfassen; eine<br />

Aufsplitterung in gesonderte Regelungen für Bau-, Dienst- und Lieferleis-<br />

Land BIP Wachstum zum Vorjahr [10] Strukturförderung in Mio. €<br />

2003 <strong>2004</strong> zwischen <strong>2004</strong> und 2006<br />

Estland 4,8 % 5,4 % 695,06<br />

Lettland 7,5 % 6,2 % 1.164,29<br />

Litauen 8,9 % 6,9 % 1.537,70<br />

Malta -1,7 % 1,4 % 88,74<br />

Polen 3,7 % 4,6 % 12.808,70<br />

Slowakei 4,2 % 4,0 % 1.757,39<br />

Slowenien 2,3 % 3,2 % 456,31<br />

Tschechien 2,9 % 2,9 % 2.621,19<br />

Ungarn 2,9 % 3,2 % 3.207,26<br />

Zypern 2,0 % 3,4 % 2.621,19


tungen, wie dies in der deutschen Vergaberechtsgesetzgebung geschehen<br />

ist, hat keiner der neuen Mitgliedstaaten vorgenommen. Für Unternehmen<br />

aus den bisherigen EU-Mitgliedstaaten ist wichtig, dass sich öffentliche Auftraggeber<br />

aus den neuen EU-Mitgliedstaaten bei der Vorgabe technischer<br />

Spezifikationen primär auf innerstaatliche Normen beziehen müssen, die<br />

europäische Standards umsetzen, auf europäische technische Zulassungen<br />

oder auf gemeinsame technische Spezifikationen. Lediglich für den Fall,<br />

dass diese nicht existieren, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden<br />

[12].<br />

Was jedoch in der Praxis für potenzielle Bieterunternehmen weitaus wichtiger<br />

ist, ist die Tatsache, dass die einzelnen Mitgliedstaaten in Bereichen,<br />

in denen die Richtlinien keine speziellen Vorgaben machen, zum Teil extrem<br />

unterschiedliche Regelungen getroffen haben. Dies führt dazu,<br />

dass für eine erfolgreiche Teilnahme an einem Vergabeverfahren Spezialkenntnisse<br />

des jeweiligen Vergabesystems unabdingbar sind. So ist<br />

insbesondere im Hinblick auf die Angebotserstellung die Kenntnis der<br />

nationalen Vorgaben sehr wichtig, da hier teilweise besondere Bestimmungen<br />

eingehalten werden müssen, deren Missachtung zwingend<br />

zu einem Ausschluss führen. So haben Unternehmen beispielsweise beil<br />

itauischen Vergabeverfahren streng formalistische Vorgaben hinsichtlich<br />

der Form und Ausfertigung des Angebots einzuhalten. Auch hinsichtlich<br />

der Sprache, in der das Angebot eingereicht werden kann, sehen die verschiedenen<br />

Vergaberechtssysteme unterschiedliche Vorgaben vor.<br />

Wichtig ist im Hinblick auf eine Beteiligung an Ausschreibungen in den<br />

neuen Mitgliedstaaten, dass Probleme erkannt werden, bevor sie auftreten<br />

und insbesondere gelöst werden, bevor sie sich für den Unternehmer<br />

nachteilig auswirken. Die genaue Kenntnis der jeweiligen landesspezifischen<br />

Besonderheiten ist deshalb für eine erfolgreiche Teilnahme an Vergabeverfahren<br />

unbedingt erforderlich.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die EU-Osterweiterung für Unternehmen<br />

eine enorme Marktchance bietet, die nicht verpasst werden sollte.<br />

Damit die Beteiligung an einem Vergabeverfahren jedoch mit der Bezuschlagung<br />

des eigenen Unternehmens endet, ist die Beachtung der jeweiligen<br />

nationalen Vorschriften unbedingt notwendig. Denn nur die genaue<br />

Einhaltung der jeweiligen Vorgaben gewährleistet, dass ein Angebot nicht<br />

schon vor der eigentlichen Wertung ausgeschlossen wird.<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Texterläuterungen und<br />

-hinweise<br />

[1] Vertrag über den Beitritt:<br />

AA203/ACT.<br />

[2] Einschließlich verwandte Wirtschaftszweige:<br />

Im Anhang zur<br />

Richtlinie 96/71/EG aufgeführte<br />

Tätigkeiten.<br />

[3] Nur Tätigkeit von Innendekorateuren.<br />

[4] Vertrag über den Beitritt:<br />

AA203/ACT/Anhang VIII/ de 2746.<br />

[5] Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie<br />

(92/50/EWG) des Rates<br />

über die Koordinierung des Verfahrens<br />

zur Vergabe öffentlicher<br />

Dienstleistungsaufträge vom 18.<br />

Juni 1992 geändert durch die RL<br />

92/52/EG vom 13. Oktober 1997.<br />

[6] Lieferkoordinierungsrichtlinie<br />

(93/36/EWG) des Rates über die<br />

Koordinierung öffentlicher Lieferaufträge<br />

vom 14. Juni 1993 geändert<br />

durch die RL 97/52/EG vom<br />

13. Oktober 1997.<br />

[7] Baukoordinierungsrichtlinie<br />

(93/37/EWG) des Rates zur Koordinierung<br />

der Vergabe öffentlicher<br />

Bauaufträge vom 14. Juni 1993<br />

geändert durch die RL 97/53/EG<br />

vom 13. Oktober 1997.<br />

[8] Sektorenrichtlinie (93/38/EWG)<br />

des Rates zur Koordinierung der<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren<br />

im Rahmen der<br />

Vergabe öffentlicher Liefer- und<br />

Bauaufträge vom 21. Dezember<br />

1989 geändert durch die RL<br />

92/50/EWG vom 18. Juni 1992.<br />

[9] Rechtsmittelrichtlinie (89/665/<br />

EWG) zur Koordinierung der Auftragsvergabe<br />

im Bereich der Wasser-,<br />

Energie- und Verkehrsversorgung<br />

sowie im Telekommunikationssektor<br />

vom 14. Juni 1993<br />

geändert durch die RL 98/4/EG<br />

vom 16. Februar 1998 und Sekto-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

57


58<br />

Wirtschaft + Recht<br />

renrechtsmittel-Richtlinie (92/13/<br />

EWG) zur Koordinierung der<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften<br />

für die Auftragsvergabe<br />

im Bereich der Wasser-,<br />

Energie- und Verkehrsversorgung<br />

sowie im Telekommunikationssektor<br />

vom 25. Februar 1992.<br />

Kontakt<br />

Anlagevermögen im Kanal<br />

Abgrenzung von Herstellungs- und<br />

Unterhaltungskosten<br />

Die öffentliche Diskussion<br />

um die Höhe der Abwassergebühren<br />

ist zumindest<br />

regional von Preissteigerungsraten<br />

geprägt, die oberhalb der Steigerungsraten<br />

der allgemeinen Lebenshaltungskosten<br />

liegen. Da die Abgrenzung<br />

zwischen aktivierungsfähigen<br />

bzw. -pflichtigen Herstellungskosten<br />

und laufendem Erhaltungsaufwand<br />

direkten und wesentlichen<br />

Einfluss auf die Höhe der<br />

Entsorgungsgebühren hat, gewinnt<br />

die Fragestellung daher zunehmend<br />

an Relevanz. Dies auch vor<br />

dem Hintergrund, dass die erstmalige<br />

Herstellung der baulichen<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

[10] Quelle: EU-Frühjahrsprognose vom 7. April <strong>2004</strong>.<br />

[11] Der Binnenmarkt – zehn Jahre ohne Grenzen; abrufbar unter:<br />

http://europa.eu.int/comm/internal_market/10years/docs/workingdoc/<br />

workingdoc_de.pdf.[12] Artikel 5 Lieferkoordinierungsrichtlinie; Artikel 10<br />

Baukoordinierungsrichtlinie; Artikel 14 Dienstleistungkoordinierungsrichtlinie.<br />

Dr. jur. Thomas Ax, Maitre en Droit (Paris X-Nanterre)<br />

im Vergaberecht spezialisierter Rechtsanwalt und Mitbegründer der im Vergaberecht spezialisierten<br />

Rechtsanwaltskanzlei Ax Schneider & Kollegen, Neckargemünd sowie Frau Julica Ortlinghaus, LL.M.,<br />

Rechtsanwältin bei der Kanzlei Ax Schneider & Kollegen, Leiterin des Büros in Paris.<br />

Die Kanzlei bietet fachmännische Beratung in allen Bereichen des Vergaberechts.<br />

Nähere <strong>Information</strong>en unter: www.ax-schneider-kollegen.de<br />

Anlagen weitgehend abgeschlossen ist. Die ATV-DVWK hat mit dem Merkblatt<br />

M 807 spezifische Fragestellungen des Themenkomplexes aufgenommen<br />

und erläutert.<br />

Allgemeine Abgrenzungskriterien<br />

Neben der erstmaligen Herstellung knüpft das Merkblatt die Aktivierung<br />

von Herstellungskosten daran, ob ein Vermögensgegenstand<br />

a) in seiner Substanz wesentlich vermehrt<br />

b) in seinem Wesen erheblich verändert<br />

c) über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert oder<br />

d) seine Nutzungsdauer wesentlich verlängert wird.<br />

Substanzmehrung<br />

Substanzmehrung liegt dann vor, wenn bezogen auf das Ganze etwas<br />

Neues oder Zusätzliches geschaffen wird. Die Wesentlichkeit ist gegeben,<br />

falls im Verhältnis zu dem Wiederbeschaffungswert des Gesamtvermögens-


gegenstandes die Substanzmehrung von nicht untergeordneter Bedeutung<br />

ist. Beispiele für die Substanzmehrung sind der Bau eines zusätzlichen<br />

Beckens auf einer Kläranlage bzw. die Erweiterung einer Kläranlage um die<br />

dritte Reinigungsstufe.<br />

Wesensänderung<br />

Erfolgen Maßnahmen im Hinblick auf eine Änderung der betrieblichen<br />

Funktion, liegt eine Wesensänderung vor, und die entsprechenden Kosten<br />

können als Herstellungskosten qualifiziert werden. Hierzu wären zum Beispiel<br />

die Entkernung eines Gebäudes zur Nutzung als Hotel oder die Stilllegung<br />

einer Kläranlage und der Umbau der Klärbecken zu Regenüberlaufbecken<br />

zu zählen. Die Erheblichkeit der Veränderung richtet sich dabei<br />

nach der Haupteigenschaft des betreffenden Vermögensgegenstandes.<br />

Zustandsbesserung<br />

Keine Aktivierungsfähigkeit liegt vor, wenn lediglich eine übliche Modernisierung<br />

des betreffenden Vermögensgegenstandes vorgenommen wird. So<br />

wäre zum Beispiel der Einbau eines neuen Fahrstuhls als Ersatz für einen bestehenden<br />

keine Zustandsbesserung in diesem Sinne. Die Verbesserung<br />

muss deutlich über das bestehende Maß hinausgehen. Fraglich und letztlich<br />

nur im Einzelfall entscheidbar ist in diesem Zusammenhang die Frage,<br />

ob die Einführung eines digitalen Kanalkatasters eine solche Zustandsbesserung<br />

mit sich bringt und eine deutliche Verbesserung gegenüber dem in<br />

der Regel bestehenden nicht digitalen Kanalkataster darstellt.<br />

Verlängerung der Nutzungsdauer<br />

Maßnahmen, die innerhalb der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer<br />

durchgeführt werden und diese nicht verlängern, sind laufender Aufwand.<br />

Wird dagegen die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes wesentlich<br />

erhöht und quasi eine Neuanschaffung umgangen, kann von einer<br />

so genannten Zweitherstellung gesprochen werden, die als Herstellungskosten<br />

qualifiziert werden kann. Im Steuerrecht wird hier auch der Begriff<br />

der „Generalsanierung“ verwendet. Im Grunde ist davon auszugehen, dass<br />

bei der Erstherstellung ein noch nicht existenter und bei der so genannten<br />

Zweitherstellung ein nicht mehr existenter Vermögensgegenstand<br />

geschaffen wird und somit beide Tatbestände wirtschaftlich gleichzusetzen<br />

sind.<br />

Instandhaltungsaufwand<br />

In Abgrenzung zu den oben dargestellten Kriterien definiert sich Unterhaltungsaufwand<br />

als Aufwendungen, die<br />

a) die Wesensart bzw. die Nutzungsmöglichkeit des Vermögensgegenstandes<br />

nicht verändern<br />

b) den Vermögensgegenstand lediglich in ordnungsgemäßem Zustand<br />

erhalten<br />

c) die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes nicht wesentlich erhöhen.<br />

Diese sind durch die gewöhnliche Nutzung des Vermögensgegenstandes<br />

verursacht und zeichnen sich dadurch aus, dass sie regelmäßig in gleicher<br />

Wirtschaft + Recht<br />

Höhe auftreten. Unter Umständen<br />

ist es möglich bzw. notwendig,<br />

Kosten, die für bestimmte Maßnahmen<br />

getätigt werden, in Herstellungskosten<br />

und Erhaltungskosten<br />

aufzuteilen. Dies gilt zum Beispiel<br />

für Kosten einer Kamerabefahrung<br />

im Kanal, die sowohl für Investitionszwecke<br />

als auch für Instandhaltungszwecke<br />

durchgeführt<br />

werden kann.<br />

Besonderheiten im Bereich<br />

der Entsorgungsunternehmen<br />

Neben diesen allgemeinen Abgrenzungen<br />

werden im Merkblatt der<br />

ATV-DVWK spezielle Aussagen zur<br />

Abgrenzung von Herstellungs- und<br />

Erhaltungskosten im Bereich von<br />

Entsorgungsunternehmen getroffen.<br />

Abgrenzung des Vermögensgegenstandes<br />

im Leitungsnetz<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass das<br />

Leitungsnetz ein selbstständiges<br />

Wirtschaftsgut innerhalb eines Entsorgungsunternehmens<br />

darstellt.<br />

Diese Sichtweise, die auch so von<br />

der Finanzverwaltung für den Bereich<br />

der Versorgungsunternehmen<br />

akzeptiert wird, widerspricht<br />

zunächst den allgemein gültigen<br />

Kriterien, die hier insbesondere auf<br />

die Einzelbeschaffbarkeit und die<br />

Einzelveräußerbarkeit als Abgrenzungskriterium<br />

für einen Vermögensgegenstand<br />

abzielen. Insoweit<br />

wird den be-sonderen Bedürfnissen<br />

der Entsorgungswirtschaft Rechnung<br />

getragen.<br />

Darüber hinaus ist es möglich und<br />

auch notwendig, das Leitungsnetz<br />

entsprechend seiner Teilfunktionen<br />

aufzuteilen. So gliedert sich das Leitungsnetz<br />

eines Abwasserentsor-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

59


60<br />

Wirtschaft + Recht<br />

gungsunternehmens beispielsweise<br />

in die Teilfunktionen Verbindungssammler,<br />

Ortssammler und Hausanschlüsse.<br />

Die enge oder weitere Auslegung<br />

des Begriffs Vermögensgegenstand<br />

innerhalb des Leitungsnetzes hat<br />

dabei erhebliche Auswirkungen auf<br />

die Anwendbarkeit der oben definierten<br />

Abgrenzungskriterien zwischen<br />

Herstellungs- und Unterhaltungskosten.<br />

Definiert man im Extremfall<br />

das gesamte Leitungsnetz<br />

als einen einzigen Vermögensgegenstand,<br />

kann man in der Regel<br />

nur sehr eingeschränkt von einer<br />

Substanzmehrung, Wesensänderung,<br />

Zustandsbesserung oder<br />

Verlängerung der Nutzungsdauer<br />

ausgehen, und somit wären die<br />

entsprechenden Kosten als Unterhaltungsaufwand<br />

zu qualifizieren.<br />

Um entsprechende Ergebnissprünge<br />

und damit letztendlich auch<br />

Schwankungen in den Entsorgungsgebühren<br />

zu vermeiden, hat<br />

es sich bewährt, zur Abgrenzung<br />

zwischen Herstellungs- und Unterhaltungskosten<br />

Größenkriterien<br />

heranzuziehen, die sich an der Länge<br />

und Dimension des erneuerten<br />

Anlagenteils orientieren. Im Ergebnis<br />

werden Erneuerungen, die zum<br />

Beispiel eine gesamte Kanalhaltung<br />

betreffen oder eine gewisse Meterlänge<br />

überschreiten, als Herstellung<br />

definiert.<br />

Diese Größenkriterien können von<br />

jedem Entsorgungsunternehmen<br />

grundsätzlich individuell festgeschrieben<br />

werden. Dies sollte jedoch<br />

in der betrieblichen Aktivierungsrichtlinie<br />

dokumentiert und<br />

vereinheitlicht werden, so dass<br />

innerhalb des Unternehmens eine<br />

einheitliche Vorgehensweise gewährleistet<br />

ist, die auch einer zeitlichen<br />

Verstetigung unterliegt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Bei dieser Vorgehensweise ist auch zu beachten, dass neben der Aktivierung<br />

der Maßnahmen ein eventuell vorhandener Restbuchwert des ersetzten<br />

bzw. erneuerten Anlagenteils ausgebucht werden muss.<br />

Inliner- und Berstlining-Verfahren<br />

Grundsätzlich gelten auch beim so genannten Inliner-Verfahren die oben<br />

dargestellten Abgrenzungskriterien, so dass ab einer gewissen Größenordnung<br />

auch Inliner-Erneuerungen aktiviert werden können. Dabei sollte<br />

besonderer Wert auf das Kriterium der Verlängerung der Nutzungsdauer<br />

gelegt werden, da von einer Substanzmehrung, Wesensänderung oder<br />

Zustandsbesserung im oben beschriebenen Sinne in der Regel nicht ausgegangen<br />

werden kann.<br />

Im Bereich von Short- und Partliner-Verfahren ist in aller Regel das Kriterium<br />

der wesentlichen Verlängerung der Nutzungsdauer nicht gegeben, so<br />

dass hier Unterhaltungsaufwand vorliegt.<br />

Im Bereich der Berstlining-Verfahren ist davon auszugehen, dass bei Überschreiten<br />

einer gewissen Größenordnung ein neuer Vermögensgegenstand<br />

hergestellt wird, da der vorhandene Kanal zerstört wird und entsprechend<br />

ausgebucht werden muss.<br />

Kontakt<br />

Dipl. math. oec. Harald Breitenbach<br />

Mittelrheinische Treuhand GmbH,<br />

Koblenz


Ende März diesen Jahres hatte die Europäische Vereinigung der Steinzeugröhrenindustrie<br />

FEUGRES zu ihrer 15. Internationalen Tagung der<br />

Fachleute für Abwassertechnik ins italienische Sorrent eingeladen<br />

(ausführlicher Bericht auf Seite 7).<br />

Rund 330 Teilnehmer aus Europa, dem Nahen Osten und Übersee nahmen<br />

die Gelegenheit wahr, sich über das Thema „Nachhaltigkeit – Verantwortung<br />

übernehmen“ zu informieren. Dazu brachten 12 Experten aus Technik,<br />

Wirtschaft und Politik in ihren Referaten ihre eigenen Erfahrungen, Vorstellungen<br />

und Visionen ein, die zu lebhaften Diskussionen, neuen Denkanstößen<br />

und zahlreichen Gesprächen führten.<br />

Mit 9.500 Fachbesuchern aus allen Kontinenten legte die IFAT China<br />

<strong>2004</strong> vom 29.6. bis 2.7.<strong>2004</strong> in Shanghai eine erfolgreiche<br />

Premiere hin. 252 Unternehmen aus 17 Ländern präsentierten<br />

innovative Produkte und Dienstleistungen aus allen Bereichen des Umweltschutzes<br />

und boten ebenso neue Lösungen für die Versorgung mit traditionellen<br />

als auch mit alternativen Energien an.<br />

Die Teilnehmer der IFAT China gaben bei Befragungen durchweg an, gute<br />

Kontakte geknüpft und viel versprechende neue Geschäftsmöglichkeiten<br />

angebahnt zu haben. 95 % der Besucher und 90 % der Aussteller beabsichtigen,<br />

an der nächsten IFAT China im Jahr 2006 wieder teilzunehmen.<br />

Die Internationale Messe München – als Organisator – und die chinesische<br />

Gesellschaft für die allgemeine Verwendung von Rohstoffen (CARCU) – als<br />

Co-Organisator – ermöglichten es von Anfang an, das erfolgreiche Konzept<br />

der etablierten deutschen Messe IFAT in München an den chinesi-<br />

Messen + Kongresse<br />

FEUGRES-Kongress<br />

Nachhaltig erfolgreich<br />

Die vielfältigen Aspekte – technischer,<br />

wirtschaftlicher, ökonomischer<br />

und juristischer Art –, die in<br />

den Vorträgen thematisiert wurden,<br />

machten erneut deutlich, wie<br />

komplex ein nachhaltig konzipierter<br />

Einbau und Betrieb von Abwasseranlagen<br />

betrachtet werden<br />

muss, um nachfolgende Generationen<br />

vor ruinösen Zuständen ihrer<br />

Abwasserentsorgung zu bewahren.<br />

IFAT China <strong>2004</strong><br />

High-Tech im Land des Drachens<br />

schen Markt anzupassen. Die Messe<br />

wurde mit einer sehr großzügigen,<br />

attraktiven Ausstellungsfläche<br />

ausgestattet und durch ein informatives<br />

Begleitprogramm, das Vorträge<br />

und Workshops zu den ThemenschwerpunktenWasserversorgung,<br />

Abwasserbeseitigung, Abwasserbehandlung,<br />

Prävention zur<br />

Luftverschmutzung, alternative<br />

Energien, Abfallbeseitigung, Erziehung<br />

und Training enthielt, ergänzt.<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

61


62<br />

Messen + Kongresse<br />

■ Rund 9.500 Fachbesucher zählte die Premiere der IFAT China <strong>2004</strong>.<br />

(Foto: Messe München)<br />

Die Chancen stehen gut<br />

Der Bayerische Minister für Umwelt,<br />

Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />

Dr. Werner Schnappauf,<br />

eröffnete die IFAT China mit den<br />

Worten: „China hat gute Chancen<br />

einer nachhaltigen Entwicklung,<br />

wenn ökonomische und ökologische<br />

Entwicklung und Verantwortung<br />

parallel berücksichtigt werden.<br />

Die Volksrepublik China hat<br />

die Chance, Umweltschutz jetzt<br />

zu praktizieren. Die IFAT China<br />

bietet die <strong>Information</strong>splattform<br />

für neue Konzepte, nach denen mit<br />

westlichem Know-how vorhandene<br />

Schäden repariert und neue vermieden<br />

werden können. Aus unseren<br />

Erfahrungen können wir sagen,<br />

dass Vorbeugung besser und billiger<br />

als Nachsorge ist.“<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Investitionen in den ökologischen Markt Chinas (gemäß dem 5-Jahresplan)<br />

von insgesamt 85 Mio. US-Dollar bis 2005 werden angenommen. Experten<br />

erwarten, dass die Volksrepublik China neue Standards auf hohem<br />

Niveau für die ökologische Vorbeugung im neuen 5-Jahresplan (von 2006<br />

bis 2011) etablieren wird. Qualifizierte Standards in der Gesetzgebung und<br />

kontinuierliche Investitionen in den Umweltschutz erwartet man bis 2010.<br />

„Internationale Unternehmen mit ihrem reichen Erfahrungsschatz und<br />

ihrem umfangreichen Know-how in der Implementierung von neuen Technologien<br />

können China im Bereich des Umweltschutzes unterstützen; neue<br />

Geschäftsfelder werden entstehen“, so Eugen Egetenmeir, Stellvertretender<br />

Direktor der Messe München International.<br />

Nachholbedarf<br />

Die Stadt Shanghai ist mit 16,7 Mio. Einwohnern eine der größten Städte<br />

der Welt, die größte Stadt Chinas und das bedeutendste Handels- und<br />

Finanzzentrum des Landes. Ihre erste moderne Abwasserkanalisation wurde<br />

als Mischwasserkanalisation konzipiert und ab 1862 mit gemauerten<br />

Ei-Profilen eingerichtet, Beton wurde ab 1892 verwendet. Die englische<br />

Besatzung veranlasste in den Jahren 1900 bis 1940 für den Bereich ≤ DN<br />

375 den Einsatz von lokal produzierten Steinzeugrohren. Die Fertigungs-


technik dieser Rohre hat sich seit dieser Zeit nicht weiterentwickelt, so dass<br />

den Steinzeugrohren der Ruf eines für den Einsatz in der Abwasserkanalisation<br />

nicht geeigneten Materials vorausgeht.<br />

Im derzeitigen Kanalnetz ist Beton, ohne Beschichtung, der hauptsächlich<br />

verwendete Rohrwerkstoff; zunehmend Anwendung finden Kunststoffmaterialien.<br />

Erweiterung des Abwassernetzes<br />

1921 wurde die erste Anlage zur biologischen Klärung der Abwässer errichtet.<br />

Derzeit hat Shanghai 30 bestehende Kläranlagen, zusätzlich sind 25<br />

Kläranlagen im Bau oder in der Planung. Die Erweiterung der bestehenden<br />

Abwasserkanalisation sieht ein Trennsystem vor.<br />

Die Erweiterung der Kanalisation von Shanghai geht jetzt in die 3. Phase.<br />

Die Detailplanung beinhaltet die Erstellung der Kanalisation, einschließlich<br />

Kläranlagen und Pumpstationen mit einem Auftragsvolumen von ca. 600<br />

Mio. US-Dollar. Die Phase 3 gliedert sich in 6 Projekte, die folgende Kanalbaumaßnahmen<br />

beinhalten:<br />

● ca. 13.000 m DN 3500 Betonrohre, mit Epoxy-Anstrich, im Vortrieb<br />

● ca. 5.000 m DN 2400 vorgespannte Betonrohre, mit Epoxy-Anstrich,<br />

im Vortrieb<br />

● ca. 300.000 m ≤ DN 2000<br />

Auf Anordnung des „Shanghai City Government“ sind die mit der Planung<br />

beauftragten „Design Institutes“ gehalten, folgende Materialien für den<br />

Bau einzusetzen:<br />

● Guss - DN 150, für Hausanschlüsse<br />

● uPVC - ≤ DN 400<br />

■ Ausschnitt des modernen Shanghai, Chinas größter Stadt und eine der größten<br />

Boomtowns Asiens.<br />

Messen + Kongresse<br />

● GFK - DN 225 bis DN 800<br />

Steifigkeit: 5.000 N für normale<br />

Überdeckungen<br />

8.000 N unter Straßen<br />

10.000 N für spezielle Anwendungen<br />

● Beton - DN 400 bis DN 1200,<br />

Glockenmuffenrohr, unbewehrt<br />

● Beton - DN 1300 bis DN 3300,<br />

Falzrohre, bewehrt<br />

● Beton - Tübbings zur Auskleidung<br />

von Tunneln<br />

● Beton-Rechteckprofile im offenen<br />

Graben<br />

DN 300 ist die kleinste für die<br />

öffentliche Kanalisation zulässige<br />

Nennweite.<br />

Politik und Technik...<br />

Für die bestehende Abwasserkanalisation<br />

gibt es keine Zustandsberichte.<br />

Es laufen derzeit Überlegungen,<br />

das gesamte Netz mittels CCTV zu<br />

untersuchen. Kanalreinigung und<br />

-unterhaltung wird mit „vorsintflutlichen“<br />

Geräten nur in Kanälen bis<br />

max. DN 1200 durchgeführt. Ein<br />

modernes Spül-/Saugfahrzeug ist<br />

von SMDA (Shanghai Municipal<br />

Drainage Administration) bestellt<br />

worden.<br />

Das Hydraulic Control Department<br />

der Regierung erstellt Generalentwässerungspläne.<br />

Diese „Preliminary<br />

Design“ werden von den<br />

Design Institutes in Bauentwürfe<br />

(Detailed Design) weiterentwickelt,<br />

die auch die recht global gehaltenen<br />

Ausschreibungen verfassen. Für<br />

Ausschreibungen der öffentlichen<br />

Kanalisation werden mehrere staatliche<br />

Bauunternehmer eingeladen.<br />

Teilweise werden Arbeiten auch<br />

ohne Wettbewerb an staatliche Unternehmer<br />

vergeben. Die bei der<br />

Vergabe von Großprojekten erfolgreichen<br />

Hauptunternehmer vergeben<br />

Teilaufträge an eine Viel-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

63


64<br />

Messen + Kongresse<br />

zahl privater und staatlicher,<br />

auf bestimmte Arbeiten<br />

spezialisierte Subunternehmer,<br />

die im Allgemeinen<br />

auch die Baumaterialien<br />

einkaufen.<br />

Bei privaten Erschließungsmaßnahmenstehen<br />

private und staatliche<br />

Unternehmen im<br />

Wettbewerb.<br />

Rohr- oder Verlegenormen<br />

gibt es nicht. Herstellerangaben<br />

werden<br />

als richtig angenommen<br />

und nicht überprüft. Rohre<br />

werden, wenn überhaupt,<br />

vor der Verlegung<br />

einer optischen Kontrolle<br />

unterzogen. Dichtheitsprüfungen<br />

und/oder Deformationsmessungewerden<br />

nicht durchgeführt.<br />

Bei der Rohrverlegung wird auf eine<br />

Anwendungstabelle zur Ermittlung<br />

der Rohrbettung zurückgegriffen.<br />

Eine statische Berechnungfür<br />

individuelle Anwendungen erfolgt<br />

nicht.<br />

Die derzeit in Shanghai zum Einsatz<br />

kommenden Rohrmaterialien<br />

werden von der Führung der<br />

SMDA als zu minderwertig und für<br />

langfristige Investitionsmaßnahmen<br />

als ungeeignet angesehen.<br />

Aus der Erfahrung von<br />

Besuchen in Deutschland und dem<br />

Wissen, dass Steinzeugrohre in<br />

Deutschland ein hohes Ansehen<br />

genießen, möchte die Führung dieses<br />

Rohrmaterial bei der zukünftigen<br />

Realisierung von Projekten der<br />

Abwasserkanalisation öfter eingesetzt<br />

sehen.<br />

Interesse für Steinzeugmaterialien<br />

Die Teilnahme von Keramo Steinzeug<br />

als 100 %-ige Tochter der<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

■ Mit Keramo Steinzeug, 100 %-ige Tochter der <strong>STEINZEUG</strong>-Abwassersysteme GmbH, Köln,<br />

wurde der Auslandsmarkt für Steinzeug-Rohrmaterialien operativ sondiert.<br />

<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH, Köln, an der IFAT China <strong>2004</strong> hatte<br />

als Ziel, die bewährten Steinzeugrohre als Alternative zu den derzeitig verwendeten<br />

Rohrmaterialien dort vorzustellen.<br />

Die meisten Besucher mit langjähriger Berufserfahrung waren von der<br />

augenscheinlichen Qualität der Exponate überrascht. Das Negativimage<br />

der lokalen Steinzeugrohrproduktion ließ die Erwartung einer solchen<br />

technischen Weiterentwicklung eines „alten“ Produktes in einer anderen<br />

Umgebung nicht zu. Der jüngeren Generation konnte man die Skepsis zu<br />

den Erklärungen der technischen Vorzüge eines modernen Steinzeugrohres<br />

über Wettbewerbsmaterialien ansehen.<br />

Insbesondere die Exponate<br />

● Muffenrohr DN 200, 2,50 m lang<br />

● Muffenrohr DN 600, 2,50 m lang<br />

● Vortriebsrohr DN 600, 2,00 m lang<br />

waren zentrale Orte der Begegnung. Die Rohrverbindungen, die großen<br />

Nennweiten und Baulängen, sowie die Gradheit der vorgestellten Exponate<br />

gaben Anlass zu einem intensiven Austausch von Fragen und Antworten<br />

und ließ auf den hohen <strong>Information</strong>sbedarf der Fachbesucher schließen.<br />

Das große Interesse der Fachbesucher an Steinzeug als Rohrmaterial und<br />

die ausführlichen Gespräche lassen – trotz alteingesessener Skepsis – auf<br />

künftige Akzeptanz im chinesischen Markt hoffen.<br />

Die nächste IFAT China wird vom 27. bis 30. Juni 2006 im Shanghai New<br />

International Expo Centre stattfinden.


■ Aufbau der Steinzeug-Exponate.<br />

Messen + Kongresse<br />

<strong>2004</strong>/2005<br />

Branchentermine im Überblick<br />

NODIG <strong>2004</strong> 15.11.–17.11.<strong>2004</strong> Hamburg<br />

ROHRBAU Weimar 02.12.–03.12.<strong>2004</strong> Weimar<br />

Environment 2005 30.01.–02.02.2005 Abu Dhabi<br />

19. Oldenburger Rohrleitungsforum 10.02.–11.02.2005 FH-Oldenburg<br />

TerraTex und enertec 08.03.–11.03.2005 Leipzig<br />

IFAT 2005 25.04.–29.04.2005 München<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

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66<br />

Messen + Kongresse<br />

Messe der Superlative . . .<br />

. . . mit erweitertem Konzept<br />

Die IFAT 2005, 14. Internationale<br />

Fachmesse für Wasser,<br />

Abwasser, Abfall und<br />

Recycling, präsentiert sich vom 25.<br />

bis 29. April in München mit einem<br />

erweiterten Konzept. Spezifische<br />

Branchenlösungen und der neueste<br />

Stand der Technik zur Umsetzung<br />

praxisorientierter, wirtschaftlicher<br />

Lösungen sowie ein breites Angebot<br />

an qualifizierten Dienstleistungen<br />

im Bereich der Wasser-, Abwasser-<br />

und Abfallwirtschaft bestimmen<br />

die Inhalte dieser weltweit<br />

etablierten Veranstaltung.<br />

Die IFAT hat die Weichen für die<br />

Zukunft gestellt. Am Standort<br />

München hat sie sich seit ihrer Entstehung<br />

im Jahr 1966 zur führenden<br />

Messeveranstaltung der Branche<br />

entwickelt. Und das dokumentieren<br />

eindrucksvoll die Rekordzahlen<br />

von 2002:<br />

● 165.000 m 2 Ausstellungsfläche<br />

● 2.042 Aussteller aus 39 Ländern<br />

● 97.245 Besucher aus 121 Ländern<br />

Für das Jahr 2005 strebt der Veranstalter,<br />

die Messe München GmbH,<br />

eine weitere Steigerung der internationalen<br />

Beteiligung sowie eine<br />

thematische Erweiterung des Messeprogramms<br />

und der begleitenden<br />

Veranstaltungen des Rahmenprogramms<br />

an. Für die kommende<br />

Messeveranstaltung wurde das attraktive<br />

Ausstellungsangebot um<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

die Segmente Lärmminderung und Schallschutz sowie Luftreinhaltung erweitert.<br />

Die Bereiche Wasserversorgung und Abfallentsorgung werden im<br />

Hinblick auf die weitere Internationalisierung aber auch der aktuellen<br />

Trends zu privaten Dienstleistern und der Nutzung innovativer Hardware<br />

weiter ausgebaut.<br />

Im Fokus der Besucherkommunikation für die IFAT 2005 stehen neben dem<br />

deutschen Fachpublikum die internationalen Besucher aus Europa, insbesondere<br />

aus den EU-Beitrittsländern und den MOE-Staaten, dem arabischen<br />

Raum, Asien, Afrika und aus den Ländern Nord- und Südamerikas.<br />

Unter http://www.ifat.de/ gibt es weitere <strong>Information</strong>en für Aussteller und<br />

Besucher.


Mehr Investitionen zum Erhalt der Abwasserkanalisation fordert die<br />

Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall<br />

e. V. (ATV-DVWK). 17 % der deutschen Kanalisationen sind sanierungsbedürftig.<br />

Wohin es führen kann, wenn die Infrastruktur vernachlässigt<br />

wird, zeigt sich bislang noch hauptsächlich im Ausland, etwa die<br />

Stromausfälle in den USA des letzten Jahres.<br />

Infrastruktur stärkt die Wirtschaft<br />

Die Infrastruktur in Deutschland gilt weltweit als hervorragend, sie ist ein<br />

wichtiges Argument für Deutschland als Wirtschaftsstandort. Wie die Substanz<br />

der Abwasserkanalisation erhalten werden kann, ist daher Thema einer<br />

Resolution, die die Mitglieder der ATV-DVWK auf ihrer diesjährigen<br />

Bundestagung am 15. September in Würzburg verabschiedet haben. Die<br />

Fachleute für Wasserwirtschaft sprechen sich darin für verstärkte Investitionen<br />

zum Erhalt der Kanalisation aus. Sie fordern die weitere, kontinuierliche<br />

Sanierung der Kanalnetze und die Bereitstellung der dazu erforderlichen<br />

Finanzmittel. Prof. Hermann H. Hahn, Präsident der Vereinigung:<br />

„Obwohl der Abwasserbeseitigung in den letzten Jahrzehnten die ihr zustehende<br />

Priorität eingeräumt wurde, stehen den Trägern der Abwasserbeseitigung<br />

in den nächsten Jahren noch erhebliche Investitionen für die Sanierung<br />

der Kanalnetze bevor.“<br />

Sanierung ist kein grundsätzliches Finanzierungsproblem<br />

Für die Sanierung der kurz und mittelfristig zu behebenden Schäden in der<br />

öffentlichen Kanalisation müssen rund 45 Mrd. Euro veranschlagt werden.<br />

Die Erfahrung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, dass es bei einer Vielzahl<br />

von Einrichtungsträgern keine grundsätzlichen Finanzierungsprobleme<br />

bei der Sanierung der Kanalisation gibt. Eine praxisgerechte Entgelterhebung<br />

soll nach Ansicht der ATV-DVWK auch die Deckung des Sanierungsaufwandes<br />

ermöglichen.<br />

Was wird aus der Abwasserabgabe?<br />

Die Frage „Abschaffung der Abwasserabgabe – ja oder nein?“ wird schon<br />

seit längerem in der Fachwelt heftig diskutiert. Hier stehen nach Ansicht<br />

Last Minute<br />

ATV-DVWK-Resolution<br />

Wichtige Zukunftsaufgabe:<br />

Substanzerhalt der Kanalisation<br />

der in der ATV-DVWK organisierten<br />

Experten zwei Möglichkeiten zur<br />

Verfügung, die eine Nutzung der<br />

Mittel für den Substanzerhalt der<br />

Kanalisation ermöglichen würden:<br />

Bei einer Abschaffung der Abwasserabgabe<br />

könnten die sich daraus<br />

ergebenden finanziellen Spielräume<br />

für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen<br />

genutzt werden.<br />

Sollte sich eine Abschaffung<br />

der Abgabe politisch nicht durchsetzen<br />

lassen, so sollte zumindest<br />

die gesetzliche Möglichkeit geschaffen<br />

werden, Investitionen aus<br />

der Kanalsanierung auch aus der<br />

Abwasserabgabe finanzieren zu<br />

können.<br />

Weitere Notwendigkeiten<br />

aus Sicht der ATV-DVWK<br />

Um die in den kommenden Jahren<br />

erforderlichen Maßnahmen zur Kanalsanierung<br />

durchführen zu können,<br />

ist es unerlässlich, auf ausreichend<br />

qualifiziertes Personal zurückgreifen<br />

zu können. Hier sind<br />

die notwendigen Weichenstellungen<br />

für die Zukunft zu tätigen. Zudem<br />

ist es erforderlich, den Ausbaustand<br />

der Anlagen zur Ableitung<br />

von Niederschlagswasser<br />

dem der Schmutzwasserableitung<br />

anzupassen. In diesem Bereich be-<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

67


68<br />

Last Minute<br />

steht noch ein erhöhter Bedarf an<br />

Erstinvestitionen.<br />

Die Mitgliederversammlung der<br />

Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft,<br />

Abwasser und Abfall<br />

(ATV-DVWK) hat daher in Würzburg<br />

folgende Resolution beschlossen:<br />

ATV-DVWK-Resolution<br />

„Substanzerhalt der<br />

Kanalisation“<br />

Die Abwasserbeseitigung in<br />

Deutschland hat einen hohen, international<br />

anerkannten Stand erreicht.<br />

Die Träger der Abwasserbeseitigung<br />

in Deutschland haben in<br />

den letzten Jahrzehnten dieser Aufgabe<br />

den ihr gebührenden Vorrang<br />

eingeräumt. Belastungen der Gewässer<br />

und des Untergrundes wurden<br />

erheblich reduziert, die Umwelt<br />

nachhaltig verbessert.<br />

Bürger, Gewerbe, Industrie sowie<br />

alle sonstigen Gebühren- und Beitragszahler<br />

haben die daraus entstehenden<br />

Lasten überwiegend akzeptiert.<br />

Durch die Fördertätigkeit<br />

des Bundes und der Länder wurde<br />

ein hohes Investitionsniveau ermöglicht.<br />

Ungeachtet dessen sind<br />

bei einer Reihe von Trägern der Abwasserbeseitigung<br />

gerade zur Sanierung<br />

der Kanalnetze umfangreiche<br />

Re-Investitionen notwendig,<br />

die erhebliche Finanzmittel erforderlich<br />

machen.<br />

Die letzte Umfrage der ATV-DVWK<br />

zum Zustand der Kanalisation in<br />

Deutschland ergab einen kurz- und<br />

mittelfristig sanierungsbedürftigen<br />

Anteil der Kanalisation von 17%.<br />

Die Mitgliederversammlung der<br />

ATV-DVWK spricht sich daher für<br />

einen verstärkten Einsatz zum Substanzerhalt<br />

der Kanalisation in<br />

Deutschland aus und sieht hierfür<br />

folgende Notwendigkeiten:<br />

<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2004</strong><br />

Bei Anerkennung der kommunalen Finanznot und der für die öffentlichen<br />

Haushalte aktuell bestehenden Finanzierungsschwierigkeiten sollten die<br />

Re-Investitionen in die Kanalnetze nicht vernachlässigt werden. Einrichtungen<br />

zur Abwasserbeseitigung sind kostendeckend zu führen und werden<br />

aus den zweckentsprechend zu verwendenden Entgelten der Gebührenund<br />

Beitragszahler finanziert. Bei einer Vielzahl von Einrichtungsträgern,<br />

die beispielsweise als Eigenbetrieb oder Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert<br />

sind, zeigt es sich, dass es für die Sanierung von Kanalnetzen keine<br />

grundsätzlichen Finanzierungsprobleme gibt. So können auch langfristige<br />

Investitionsprogramme in kontinuierlichen Schritten umgesetzt werden.<br />

Hierdurch wird es möglich, den Ansprüchen an eine ausreichende<br />

Substanzerhaltung und an eine betriebswirtschaftlich optimierte Nutzungsdauer<br />

gerecht zu werden.<br />

Während zur Ableitung von Schmutzwasser die Kanalisation in Deutschland<br />

weitestgehend vorhanden ist, besteht im Bereich der Niederschlagswasserableitung<br />

noch ein deutlich höherer Bedarf an Erstinvestitionen. Zur<br />

Finanzierung dieser Maßnahmen gibt es eigene Finanzierungssysteme und<br />

-möglichkeiten, die sinnvoll genutzt werden können (z.B. separate Beitragserhebung,<br />

gesplittete Gebühren). Bei der Fortschreibung der kommunalen<br />

Abgabengesetze sollte in allen Bundesländern darauf geachtet<br />

werden, dass eine praxisgerechte Entgelterhebung auch zur Deckung des<br />

Sanierungsaufwandes möglich ist bzw. möglich wird.<br />

Nachdem auch im ländlichen Raum die Abwasseranlagen weitgehend erstellt<br />

sind, gehen die Länder vielfach dazu über, die Fördermittel für die Abwasserbeseitigung<br />

zurückzufahren und Mittel der Abwasserabgabe in den<br />

Gewässerausbau oder in Renaturierungsmaßnahmen umzuleiten. Vielen<br />

Trägern der Abwasserbeseitigung könnten durch die Abschaffung der Abwasserabgabe<br />

zusätzliche Finanzierungsspielräume eröffnet werden. Sofern<br />

dies politisch nicht gewollt ist, sollte zumindest gesetzlich die Möglichkeit<br />

geschaffen werden, Investitionen zur Kanalsanierung auch aus der<br />

Abwasserabgabe finanzieren zu können.<br />

Zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Substanzerhaltung ist<br />

eine ausreichende Ausstattung mit qualifiziertem Personal unabdingbar.<br />

Nur hierdurch kann sichergestellt werden, dass bei Planung und Bauausführung<br />

eine Qualität erreicht wird, die den langfristigen Nutzungsansprüchen<br />

genügt.<br />

Kontakt<br />

Auf ihrer Bundestagung in Würzburg beschloss die Mitgliederversammlung<br />

die Einführung eines neuen Kurznamens. Aus dem Kürzel<br />

ATV-DVWK wird nun DWA; der Langname der Vereinigung bleibt<br />

unverändert.<br />

DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und<br />

Abfall e.V.<br />

Theodor-Heuss-Allee 17, 53773 Hennef<br />

Tel.: 02242/872-135, Fax: 02242/872-151<br />

E-Mail: info@atv.de, Internet: www.atv-dvwk.de

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