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Leidenschaft - bei 360° Neuseeland

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Culture & Backpacking Report Report Culture & Backpacking<br />

„Novemberkinder“:<br />

Deutsches Filmfestival im<br />

Zeichen des Mauerfalls<br />

Fotoausstellung zum Mauerfall<br />

Ein perfekter Anlass, hochkarätige Gäste und eine<br />

detailgetreue Organisation – das erste deutsche<br />

Filmfestival in <strong>Neuseeland</strong> mit dem Titel „Novemberkinder“<br />

stand unter einem guten Stern und musste wahrlich<br />

ein voller Erfolg werden. Schon zum Eröffnungsfilm<br />

„Novemberkind“ des Newcomer-Regisseurs Christian<br />

Schwochow strömten Hunderte von interessierten Besuchern<br />

nach Wellington, um ein Stückchen mehr über die<br />

deutsche Kultur und Geschichte des einst zweigeteilten<br />

Landes zu erfahren.<br />

Deutsches Filmfestival mit Herzblut arrangiert<br />

Nahezu zwei Jahre lang hat das Goethe-Institut in der Landeshauptstadt<br />

Wellington damit verbracht, das Festival zu<br />

organisieren. „Es gibt ein italienisches, ein französisches<br />

Geschichte zum Anfassen – der Trabbi<br />

Filmfestival – wir haben über viele Jahre immer erfolgreich<br />

mit den nationalen Partnern gear<strong>bei</strong>tet und deutsche Filme<br />

<strong>bei</strong>spielsweise auf dem internationalen Filmfestival hier<br />

gezeigt. Und dann kam das Jubiläum zum 20-jährigen Fall<br />

der Mauer – das war dann der Auslöser, endlich auch ein-<br />

mal ein eigenes deutsches Filmfestival ins Leben zu rufen“,<br />

erklärt Christoph Mücher, Veranstalter und Direktor des<br />

Goethe-Instituts in Wellington die Entstehungsgeschichte<br />

des Events. Gezeigt wurden 20 deutsche Filme, viele im<br />

Zeichen des Autorenkinos. Um den Kiwis die deutsche<br />

Geschichte hautnah zu präsentieren, wurde sogar ein originaler,<br />

grüner Trabant <strong>bei</strong> Ebay ersteigert und mithilfe des<br />

Sponsors DB Schenker per Container nach <strong>Neuseeland</strong> verschifft.<br />

Auch ein alter gelber VW-Käfer wurde organisiert,<br />

der als „Wessi“ das Gegenstück zum Trabant im vereinten<br />

Deutschland darstellte.<br />

Deutsche Historie im neuseeländischen Parlament<br />

Fast einen Monat lang stand im Rahmen des ersten deutschen<br />

Filmfestivals in <strong>Neuseeland</strong> das Thema Mauerfall<br />

und die Ost-West-Teilung auf der Agenda. Zwei Fotoausstellungen<br />

zur Wiedervereinigung führten die Teilnehmer in<br />

die Thematik um die deutsch-deutsche Historie ein: „Ortszeit<br />

Local Time“ von Stefan Koppelkamm verdeutlichte auf<br />

verblüffende Weise, wie sich das Erscheinungsbild des<br />

Ostens nach der Wiedervereinigung gewandelt hatte. Der<br />

Fotograf reiste 1990 durch die ehemalige DDR und nahm<br />

verschiedene Straßenzüge, Gebäude und Plätze auf. „Es<br />

schien damals fast so, als sei hier die Zeit über die letzten<br />

Jahrzehnte still gestanden. So muss es in Deutschland vor<br />

dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen haben!“, erläutert der<br />

Künstler seine Eindrücke. Zehn Jahre später reiste Koppelkamm<br />

noch einmal nach Ostdeutschland und nahm die selben<br />

Gebäude, Plätze und Straßen aus exakt dem gleichen<br />

Blickwinkel noch einmal auf. Entstanden ist eine unglaublich<br />

aussagekräftige Kulissensammlung in Schwarz-Weiß -<br />

Stillleben, die Bände sprechen. Wo ein leer gefegter, mit<br />

Kopfsteinpflaster bedeckter Platz einem sauber geteerten<br />

Parkareal für asiatische Kleinwagen wich, bekam das verfallende<br />

Gebäude im Hintergrund eine Hochglanzpolitur. Auf<br />

anderen Exponaten wird klar, dass die Wiedervereinigung<br />

erst zum völligem Verfall und zur Menschenleere führte.<br />

Im Fokus der zweiten Fotoausstellung stand Polen, und<br />

unter dem Titel „Der polnische Weg zum Frieden“ wurden<br />

bewegende Aufnahmen von Schießereien, Militäraufgebot<br />

und Trennung gezeigt.<br />

Im Podiumssaal erörterten die Experten in einer spannenden<br />

Diskussion die politischen Gegebenheiten zur Zeit<br />

des Mauerfalls, die Wandlung von Ost und West nach der<br />

Wende und die Position Deutschlands im heutigen Europa.<br />

Mehrere Tage wurden verschiedene Debatten im Parlament<br />

abgehalten. Lord Christopher Patten aus England saß zu<br />

Zeiten der Wiedervereinigung im Thatcher Parlament und<br />

berichtete im ehrwürdigen Rahmen des alten Saales hautnah<br />

von seinen Erfahrungen. Dr. John Leslie, heute Politologe<br />

an der Victoria Universität in Wellington, war 1989 als<br />

Produzent für den amerikanischen TV-Sender NBC in Berlin.<br />

Der smarte Amerikaner kann sich noch an jedes Detail<br />

erinnern: „Wir waren eigentlich auf der Durchreise nach<br />

Moskau, um über die Wahlen um Boris Jelzin zu berichten,<br />

doch unser Headquater in New York meinte, wir könnten<br />

in Berlin nach einer guten Story suchen. Einen Abend vorher<br />

wollten wir noch die Satelliten testen, entschieden uns<br />

aber dagegen.<br />

So gingen wir am 9. November abends live nahe des Brandenburger<br />

Tors auf Sendung. Das war der Zeitpunkt, als<br />

die Mauer fiel. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern<br />

gewesen. Menschenmassen feierten, tanzten und jubilierten<br />

in den Straßen. Westler saßen auf der Mauer und<br />

wurden von den ostdeutschen Grenzern mit Wasserkanonen<br />

bespritzt. Nicht mit voller Stärke, sonst wären sie ja von<br />

der Mauer gefallen. Eine junge Frau hockte mit einem gelben<br />

Regenumhang in diesem Wasserstrahl und ihr Mantel<br />

drehte sich durch die Kraft des Wassers wie ein Kreisel.<br />

Durch das Licht unserer Scheinwerfer sah man genau,<br />

wie die tausend feinsten Wassertröpfchen abperlten und in<br />

allen Regenbogenfarben durch die Luft gewirbelt wurden.<br />

Es war ein gigantisches Bild auf dem Monitor. Dieser historische<br />

Moment war eines der beeindruckendsten Erlebnisse<br />

in meinem Leben. Das werde ich nie vergessen!“<br />

Deutsche Regisseure berichten live über<br />

das Leben in der DDR<br />

Podiumsdiskussion mit Simon Morris,<br />

Dr. Rüdiger Steinmetz, Christian<br />

Schwochow und Andreas Dresen (von links)<br />

Eine der Podiumsdiskussionen fand unter anderem mit<br />

den <strong>bei</strong>den deutschen Stargästen statt. Christian Schwochow,<br />

der Newcomer-Regisseur und Macher von „Novemberkind“<br />

trat gemeinsam mit Alt-Star Andreas Dresen<br />

(„Halbe Treppe“, „Whisky with Wodka“) und dem Medienwissenschaftler<br />

der Universität Leipzig, Dr. Rüdiger Steinmetz,<br />

gegen den Filmguru der neuseeländischen Medienlandschaft,<br />

Simon Morris, an. Nachdem ein Kurzvortrag<br />

über die Veränderung des Films und der Filmemacher in<br />

Ost und West als Einführung über die Bühne gegangen<br />

war, startete die eigentliche Debatte um die Inhalte der<br />

deutschen Filmklassiker. International renommierte Filme<br />

wie „Das Leben der Anderen“ und „Good bye Lenin“ standen<br />

<strong>bei</strong> der Diskussion um den deutschen Film zum Thema<br />

„Mauerfall und geteiltes Land“ im Fokus. Der Neuseeländer<br />

und Filmkenner Simon Morris fand, <strong>bei</strong>de Ost-Filme<br />

lieferten für völlig Unwissende im Ausland einen guten<br />

Einblick in die Geschichte und das Leben der ehemaligen<br />

DDR. „Die Bespitzelung der Bevölkerung durch die Stasiagenten,<br />

die einfach überall waren, der graue Alltag im<br />

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