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Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ärzte für ...

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Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/92, 33 JahrgW Schmidt, Glaube und GesundheitInhaltlich ist dieser Glaubenstyp von einer relativ allgemeinenaufgeklärt-optimistischen Religiosität erfüllt, <strong>der</strong>Inhalt selbst ist im übrigen nicht so wichtig Vorrangig ist,daß jemand überhaupt ein überzeugendes Weltbild besitzt,das ihm Lebens- und Zukunftsorientierung ermöglichtEin Beispiel dieses Glaubenstyps findet man in demBuch von Howard J Clinebell, „Wachsen und Hoffen"(München 1982) Clinebell spricht in seinem Buch nichtvon Glauben, son<strong>der</strong>n von geistlichem Wachstum„Geistliches Wachstum ist <strong>der</strong> Schlüssel zu allem persönlichenWachstum Weil die Menschen von Natur aus überihre eigene Person und unsere Welt hinaus .transzendieren',gibt es keinen an<strong>der</strong>en Weg, sich selber zu .erfüllen',außer <strong>der</strong> Beziehung zur größeren geistlichen Wirklichkeit"(ebda, S 177)Etwas weiter heißt es „Religion, die Gesundheit undWachstum schafft, entsteht, wenn Menschen ihre geistlichenBedurfnisse offen befriedigen, das Leben bejahenund die Wirklichkeit achten" (ebda, S 122) Zu den geistlichenBedurfnissen rechnet Clinebell „eine sinnvolle Lebensphilosophie",„schöpferische Wertvorstellungen"und „eine integrierende, kräftigende und wachsende Beziehungzu dem liebevollen Geist, den die Religion Gottnennt" (ebda, S 123)Abgesehen davon, daß Clinebell in (meiner Ansicht nach)ziemlich unkritischer Weise einen direkten Zusammenhangvon Religion und Gesundheit postuliert (wenn Menschenihre geistlichen Bedurfnisse offen befriedigen, entstehtGesundheit und Wachstum), ist für unserenZusammenhang doch entscheidend, daß in diesem Glaubensverstandnisüberhaupt eine ganzheithche Perspektiveim Blick auf Krankheit und Gesundheit impliziert ist,die einen Fortschritt an Differenzierung gegenüber demzuerst geschil<strong>der</strong>ten Typus darstellt Geistig-seelischeProzesse, <strong>der</strong> Glaube eines Menschen, seine Eigenverantwortungund die Art seiner sozialen Beziehungen werdenin ihrer Bedeutung für den Gesamt-Lebenszusammenhanggesehen und berücksichtigtDamit entspricht dieser Glaubenstypus in etwa Ansätzen<strong>der</strong> neueren psychosomatischen Medizin Alexan<strong>der</strong> Mitscherlichz B spricht von „leib-seelischen Gleichzeitigkeiten",die er folgen<strong>der</strong>maßen erläutert „Das Erlebniseines Gefuhlsaffektes, einer Stimmung, ist gleichzeitig inuntrennbarer Einheit Korpergeschehen Erlebnis undKorperleistung sind zwei Aspekte ein und desselbenErregungsvorganges" (A Mitscherlich, Die Unfähigkeitzu trauern, Frankfurt am Main 1967, S 14)Bei einem solchen Ansatz wird es dann möglich, nach <strong>der</strong>spezifischen Funktion, nach dem Sinn einer Krankheit imLebens- und Gesellschaftszusammenhang zu fragen undwie Gerd Overbeck das zum Beispiel im einzelnen entfaltet,Krankheit als Anpassungsleistung, als Versuch einerKonfliktlosung o<strong>der</strong> als Selbstschutz zu verstehen (GOverbeck, Krankheit als Anpassung, Frankfurt 1984)Aus dieser Sicht spielt natürlich auch <strong>der</strong> Glaube, die religiöseEinstellung eines Menschen, eine wichtige Rolledabei, ob und wie jemand gesund ist bzw krank wird Nurlaßt sich das nicht im Sinn einliniger Kausalität, im Sinnvon Ursache und Wirkung nachweisen Im systemischenModell wirken eine Vielzahl von Faktoren zusammen, <strong>der</strong>Effekt eines einzelnen Faktors ist häufig nicht direkt nachweisbar,und doch spielt er im mosaikartigen Gesamtzusammenhangeine nicht zu ersetzende RolieNeben den positiven Aspekten ist nun aber kritisch anzumerken,daß dieser aufgeklarte Glaubenstypus und dieihm korrespondierende psychosomatische Medizin dasimplizierte Gesundheitsverstandnis kaum grundsätzlichhinterfragen Bei Clinebell klingt es so, als ob Gesundheiteine standige Progression sei, und <strong>der</strong> psychosomatischenMedizin ist manchmal <strong>der</strong> Vorwurf gemacht worden,daß sie die Kranken nur noch effektiver und umfassen<strong>der</strong>an die Arbeits- und Leistungsnormen <strong>der</strong>Gesellschaft anpasseGerade von theologischer Seite kann gefragt werdenwelchen Stellenwert in dieser Konzeption von Leben undGesundheit die Endlichkeit und Begrenztheit des Menschenund, als Folge und Ausdruck dessen, Leiden,Schmerz und die Erfahrung von Ohnmacht haben Sindes zwar sinnhaft-verstehbare, aber letztlich doch immerzu überwindende Phänomene 7Diese Frage wird nun für den dritten Glaubenstypus dieentscheidende Rolle spielen3 Diesen dritten Typus mochte ich mit den Worten „vertrauensvollesLoslassen" charakterisierenDaß Glauben im Sinn <strong>der</strong> fides qua creditur etwas mit Vertrauenzu tun hat, ist durch den Begriff des Urvertrauens,wie ihn Enkson entwickelt hat, wie<strong>der</strong> starker ms theologischeBewußtsein getreten So wie sich ein kleines Kind inseinem Urvertrauen bei den Eltern ganz fraglos aufgehobenfühlt, so kann sich ein Mensch mit einem vertrauensvollenGlauben vom Grund des Lebens, von Gott, getragenwissen Das schließt Zeiten des Zweifels und <strong>der</strong>Unsicherheit nicht aus, weil Vertrauen keine einmal zu erreichende,unverän<strong>der</strong>liche Qualität bezeichnet, son<strong>der</strong>neinen lebendigen Beziehungsprozeß <strong>der</strong> notwendigerweisezwischen Vertrauen und Mißtrauen hm- und herpendeltEntscheidend ist nun, daß ein solches Vertrauen zu einemGegenüber, zu einem an<strong>der</strong>en Menschen o<strong>der</strong> zuGott, diesen nicht festhalt, sich nicht an ihn anklammert,son<strong>der</strong>n gerade zum Loslassen befähigt Ein Kind, das in<strong>der</strong> Beziehung zu seinen Eltern Urvertrauen entwickelnkonnte, ist in <strong>der</strong> Lage, seine Eltern gehen zu lassen undselbständig zu werden, weil es ein vertrauenswürdigesBild von ihnen und dadurch auch von sich selbst intemahsierthat Ein solches Loslassen heißt, übertragen auf denGlauben an Gott, das zu tun und zu lassen, was zum Lebennotig ist — in dem Wissen, daß von diesem Tun undLassen mein Wert als Mensch, als Geschöpf Gottes nichtabhangt, daß Sinn und Ziel meines Lebens nicht nurdurch meine Anstrengung konstituiert werden müssen,son<strong>der</strong>n immer schon, mindestens teilweise, mir gegebenund vorgegeben sindMartin Luthers Unterscheidung von Person und Werk ist<strong>der</strong> theologische Ausdruck dieses Sachverhalts, dessen305

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