EditorialÄrztezeitschrift f. Naturheilverf. 4/92, 33. Jahrg.(„Hören Sie, Sie haben Krebs!"), son<strong>der</strong>n in angemessenbehutsamer Form. Vor allem muß <strong>der</strong> Arzt auch bereitsein, sein Vorurteil vom Patienten korrigieren zu lassen.Dann ist das Risiko des Irrtums — für den fähigen Arzt,<strong>der</strong> sich nicht scheut, im Zweifel auch einmal den Kollegennach seiner Meinung zu fragen — bei den Naturheilverfahrensogar noch geringer als bei <strong>der</strong> Apparatemedizin.Denn die Apparatemedizin neigt aufgrund ihrerimposanten Eigenart hochgradig dazu, eine einmal insAuge gefaßte Diagnose zu bestätigen. Der Patient wi<strong>der</strong>sprichtnicht: So viele schöne, teure Apparate könnensich nicht irren! Der Naturheilverfahrer hat es leichter.Von Hause aus nicht mit <strong>der</strong> Respektdistanz eines Schulmedizinersbehaftet, verrät ihm die Rückmeldung des —vielleicht sogar entrüsteten — Patienten schnell, wie weites mit seinem vorerst gefaßten Urteil her ist.Sicher nimmt die Treffsicherheit gerade bei dieser Diagnoseformmit <strong>der</strong> Erfahrung zu. Aber sie kann auchbei einem neu nie<strong>der</strong>gelassenen Arzt hoch sein, wenn ersich Mühe gibt und den richtigen Lehrer gehabt hat.Einen Lehrer, <strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> danach fragt, was demPatienten auf den ersten Blick anzusehen ist — und fürden isolierte Laborwerte stets hinter dem ganzen Menschenzurückzutreten haben.Gerade das aber unterscheidet uns als Naturheiler von<strong>der</strong> Schulmedizin. Wir brauchen nicht erst Laborwerteo<strong>der</strong> Röntgenbil<strong>der</strong>, um eine fundierte Meinung überden Patienten zu haben. Eigentlich müßten wir für dieDiagnose mit dem Stethoskop, den Fingern und dembloßen Wahrnehmungsapparat auskommen. Daß wiruns auch mo<strong>der</strong>ner Geräte bedienen, um die Diagnosezu untermauern, ist eine an<strong>der</strong>e Frage. Wer das aber regelmäßigtut, stellt fest, daß er dadurch kaum jemals einenZugewinn an Information erhält.Denn für den fähigen Arzt ist die Prima-vista-Diagnoseeben gerade nicht die erstbeste Diagnose, son<strong>der</strong>n eineDiagnose, bei <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Arzt nicht scheut, seinem Patientendie Krankheit dank seines fundierten Fachwissensganz einfach anzusehen.So kann er, letztlich allein zum Wohle des Patienten,seine Zeit auf die Behandlung verwenden, statt sie fürsinnlosen Diagnoseaufwand zu verschwenden!Prof. Dr. med. P. A. MaurerH. Amberger Paracelsus — Wegbereiter <strong>der</strong> Naturheilverfahren?Am 24. September 1541, also vor 450 Jahren, verstarbPhillipus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim(1493-1541) o<strong>der</strong>, wie er sich selber nannte, Paracelsus.Wer war dieser Mann, nach dem heute noch Kliniken,Apotheken, Auszeichnungen u. ä. benannt werdenund <strong>der</strong> nicht nur zu seiner Zeit sehr umstritten war.Sein Bild schwankt im Laufe <strong>der</strong> Geschichte bis heute jenach dem Standort und den Werthaltungen des Beurteilers.Er hat ein gewaltiges Schriftwerk hinterlassen, daserst zum Teil veröffentlicht wurde und in kritischer Bearbeitungvorliegt.1493 geboren, was heißt das? Kolumbus war gerade vonseiner ersten Reise zurückgekommen und hatte eineneue Welt entdeckt. Kopernikus war 20 Jahre alt, Luthergerade 10, Granada die letzte Feste <strong>der</strong> arabischen Kulturin Europa, war gefallen. Also: eine neue Zeit beginnt,eine alte geht dahin, es war wie<strong>der</strong> Umbruch unddas Neue noch nicht sichtbar, wir würden heute sageneine Wendezeit (3, 4, 10). In Einsiedeln in <strong>der</strong> Schweizgeboren als Sohn eines schwäbischen Vaters und einerschweizerischen Mutter, großgeworden in Villach, studiertund promoviert in Italien, durchzieht dieser Mannsein Leben laing als Arzt, Gesundheitsprediger, Rebell<strong>der</strong> Medizin und Schriftsteller den süddeutschen Raum.Der zuerst von ihm mit voller Klarheit ausgesprocheneGedanke, daß nur Naturbeobachtung, Erfahrung undExperimente den Fortschritt <strong>der</strong> Heilkunde wie allerNaturwissenschaft verbürge, machte seinen Weg. Dermaßgebliche Grundgedanke <strong>der</strong> paracelsischen Naturphilosophie,aufgebaut auf naturphilosophischen und alchemistischenVorstellungen, ist das Prinzip <strong>der</strong> universalenEinheit und Übereinstimmung des Makrokosmos(das sind die Elemente, Gestirne, Planeten und die irdischeUmwelt des Menschen, Pflanzen, Tieren, Mineralien)mit dem Mikrokosmos, das ist <strong>der</strong> Mensch. DerKosmos und die Natur sind von Gott auf den Menschenangelegt. Nichts ist im Himmel, was nicht auch imMenschen ist und alles, was außerhalb des Menschen zubeobachten ist, findet sich auch im Menschen. Er glaubte,daß bestimmte chemische und vitalisierende Kräfteim menschlichen Organismus wirken, die er mit Schwefel,Salz und Quecksilber bezeichnete. Sie sollen vom„Geist des Lebens", dem Archaeus gesteuert werden,während in <strong>der</strong> Atmosphäre eine weitere Kraft, das„Chaos" existiert. Als Anhänger <strong>der</strong> Makro-Mikrokosmosideepostulierte er drei Seinszustände, die „Entia"<strong>der</strong> göttlichen, seelischen und materiellen Sphäre.Für ihn sitzt die Krankheit im ganzen Körper, nicht nur
Ärztezeitschrift f. Naturheilverf. 4/92, 33. Jahrg.H. Amberger, Paracelsusin den Säften. Paracelsus sieht aber nicht nur den Organismusals eine Einheit, son<strong>der</strong>n es sind Gott Kosmos-Mensch-Natur für ihn Glie<strong>der</strong> einer unteilbaren Ganzheitvon Kräftebeziehungen und Einflüssen.Als erster wendet Paracelsus1. chemische Substanzen in großem Umfang auch innerlichan und2. lehnt er die Anwendung von groben chemischenStoffen ab, son<strong>der</strong>n befürwortet die von ihnen durchReinigung gewonnenen, feinsten Wirkbestandteile.Das sind die Essenzen (Wesenhaftigkeiten), ihre „Arcana".Bislang hielt man chemische Stoffe innerlichfür Gift, Paracelsus definiert, daß alles und nichts Giftsein kann, es kommt nur auf die Dosis an.3. Für die Therapie gilt nicht das Prinzip „Contrariacontrariis" son<strong>der</strong>n das Simile-Prinzip (8).So werden bei Paracelsus neue dynamische Aspekte indie „Materia Medica" hineingetragen.Er verwandte die Arznei nicht roh o<strong>der</strong> als ganze Droge,son<strong>der</strong>n möglichst ihre spezifisch-wirksame Essenz,die er durch alchemistische Techniken zu gewinnensuchte. Er suchte damit die Unreinigkeiten zu beseitigen,das reine Wirkungsprinzip zu verstärken unddurch die inneren Kräfte, ihre „Astra" den Samen einerKrankheit, nicht die Symptome zu beeinflussen.Bei ihm spielen die Medikamente an sich nur eine äußereRolle. Das was wirkt in <strong>der</strong> Hülle ist immateriell; esist das „Arcanum", ein geistiges Spezifikum, das imArzneimittel enthalten ist.„Denn was wir sehen, ist nicht die Arznei, son<strong>der</strong>n dasCorpus, darin sie liegt; denn die Arcana <strong>der</strong> Elementesind unsichtbar und die des Menschen auch: Das dasichtbar ist, ist das Äußere, das nicht dazu gehört."Die Symptome <strong>der</strong> klassischen Medizin interessierendaher Paracelsus kaum.Gerichtet ist dieser Kurs immer nur auf Heilung. Das istso selbstverständlich, daß es fast vergessen wurde. Unddoch darf man daran erinnern; denn:„Die größte Perle und <strong>der</strong> edelste Schatz ist die Heilung.Sie ist in <strong>der</strong> ganzen Arznei alles. Und nichts ist auf Erden,das größer sei als den Kranken zu heilen." Hierwird das Gebot <strong>der</strong> Liebe konkret erfüllt. Was wäreauch edler, als seinem Nächsten Not und Schmerz undden bitteren Tod abzuwenden als durch die Kraft <strong>der</strong>Arznei.Paracelsus hat, wohl ebenfalls als erster, die wirkliche,nicht die legendäre Indikation vieler Pflanzen erkannt,z.B. die antidepressive Wirkung des Johanniskrauts.Auch hat er ein ganzes Gebiet <strong>der</strong> Medizin erstmals alssolches erkannt und dargestellt, das <strong>der</strong>jenigen Krankheiten,bei denen Steinleiden vorkommen. Er nennt siedie tartarischen Krankheiten. Er ist hier, am Beispielvon Erkrankungen, die, chemisch gesprochen, einenNie<strong>der</strong>schlag im Organismus, also Konkremente bildenund ablagern, in das große Gebiet <strong>der</strong> Stoffwechselkrankheitenvorgestoßen. Beson<strong>der</strong>s wichtig dürftenaber seine chirurgischen Schriften sein. Er empfiehlt einekonservative Handhabung in <strong>der</strong> Wundbehandlungund unterstützt damit die Selbstheilung des Organismus.Um das zu erreichen, müsse man die Wunde vorVerunreinigungen und Schädigungen schützen. Ätzmittelund das Kauterisieren mit dem Brenneisen lehnte erab. Damit empfiehlt er ein antiseptisches Vorgehen, wiees erst wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>tsfür sinnvoll befunden wurde und das heute selbstverständlichist.Er hat eine ganze Wissenschaft <strong>der</strong> Medizin begründet,eine Subdisziplin, die erst heute volle Beachtung und Bedeutungfindet: die Gewerbemedizin. Er hat zum erstenmaleine Berufskrankheit auch im heutigen Sinnekorrekt beschrieben und ihre Entstehung gedeutet: Ernennt sie „Bergsucht", es handelt sich um die Staublunge<strong>der</strong> Bergleute. Bei <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> Syphilis hat erdie radikalen Mittel, etwa das Guajakholz, abgelehntund für das Quecksilber eine neue Indikation entdeckt,nämlich eine Anwendung bei <strong>der</strong> Wassersucht. Bis indie 60er Jahre unseres Jahrhun<strong>der</strong>ts wurden Ödeme vorwiegendmit Quecksilberpräparaten ausgeschwemmt,eine Wirkung, die Paracelsus als erster erkannt hat (4, 5).Ob er zu den Klassikern <strong>der</strong> Naturheilkunde gerechnetwerden kann, ist offen. Wenn die Naturärzte später die„Diagnosen" verwerfen, weil sie „nur Kranke, nichtKrankheiten behandeln" wollen, so können sie ganzsicher Paracelsus nicht unter die Ihren rechnen, da ereher einen ontologischen Krankheitsbegriff besaß undnach den Spezifika gegen jede Krankheit suchte. Auchdurch seine Erprobung und Einführung einer Mengechemischer Arzneimittel entspricht Paracelsus in keinerWeise <strong>der</strong> Einstellung <strong>der</strong> Naturheilkunde. Vor allemdie stark wirkenden Metallverbindungen, AntimonundArsenverbindungen, Bleisalz, Eisenchlorid, Eisenoxid,Eisensulfat, Goldchlorid, Kaliumsulfat, Kupfersalz,Wismut- und Zinnverbindungen in ihrer allzureichlichenVerwendung in <strong>der</strong> ärztlichen Praxis des frühen19. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde damals für die „Naturärzte" zuwesentlichem Anlaß, die wissenschaftliche Medizin als„Giftmedizin" zu beschimpfen, sich von ihr abzuwenden.Paracelsus bekämpfte die Polypragmasie <strong>der</strong> arabischenRezepturen zugunsten <strong>der</strong> Simpiiciaverwendung(9). Einerseits steht Paracelsus tief im Denken des Mittelaltersmit seinem transzendenz- und magiebeschwertenWeltbild, an<strong>der</strong>erseits erweitert er durch Hinwendungzur Naturbeobachtung, zum Studium <strong>der</strong> Heilwirkungen<strong>der</strong> Metalle und <strong>der</strong> Pflanzen Arcana und gibt damiteinen Anstoß für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Medizin.Er verwirft die alten Autoren, ohne einen brauchbarenErsatz zu bieten, er verwirft Anatomie und Physiologieund verkennt in tragischer Weise all jene wichtigen Ansätze,die in seiner Zeit in dieser Hinsicht schon gemachtwurden (1). In <strong>der</strong> Schmähung <strong>der</strong> alten Meister,<strong>der</strong>en Meisterwerke er 1527 auf dem Marktplatz zu Baselöffentlich den Flammen übergibt, wandte er die Augenvon den bedruckten Seiten <strong>der</strong> alten Schriften abund sah auf das, was in und unter und auf <strong>der</strong> Erdewächst, welche Kräfte es besitzt. „Es ist nicht denn eitel
- Seite 1 und 2: H 7775 EOrgan des Zentralverbandesd
- Seite 3 und 4: Kongreßankündigungen6./7. Mai 199
- Seite 5 und 6: 10 00-10 15 Uhr Diskussion10.15-10.
- Seite 7 und 8: Telegramm NEUES aus der MEdizin , ,
- Seite 9 und 10: Organ des Zentralverbandesder Arzte
- Seite 11 und 12: w. Schmidt Glaube und Gesundheit, H
- Seite 13 und 14: W Schmidt, Glaube und GesundheitArz
- Seite 15 und 16: W Schmidt, Glaube und GesundheitArz
- Seite 17 und 18: c. zang-svojanovsky Klinik der Ern
- Seite 19 und 20: C. Zang-Svojanovsky, Ernährunglenz
- Seite 21 und 22: H. Hauptmann Das azetonämische Erb
- Seite 23 und 24: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 25 und 26: w. Gawiik Homöopathische Therapie
- Seite 27 und 28: W Gawlik, HomöopathieArztezeitschn
- Seite 29: EditorialDer Arzt verkommt in der D
- Seite 33 und 34: W Rulffs, LuftsprudelbaderArztezeit
- Seite 35 und 36: W Rulffs, LuftsprudelbaderArztezeit
- Seite 37 und 38: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 39 und 40: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 41 und 42: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 43 und 44: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 45 und 46: Ärztezeitschrift f. Naturheilverf.
- Seite 47 und 48: BiologischeZahnmedizinHerausgeber:
- Seite 49 und 50: 70 Jahre Verantwortung für Mensch
- Seite 51 und 52: 46. Tagung der Deutschen Gesellscha
- Seite 53 und 54: 3. Phytotherapie-Kongreß zumThema
- Seite 55 und 56: Kongreßberichtetormechanismen ist
- Seite 57 und 58: Arztezeitschnft f Naturheilverf 4/9
- Seite 59 und 60: Der Hartmannbund informiertHartmann
- Seite 61 und 62: Monographie-EntwürfeMonographie-En
- Seite 63 und 64: Industrie-InformationenDas unter di
- Seite 65 und 66: AdressenänderungLieber Bezieher,le
- Seite 67 und 68: InhaltsverzeichnisAus dem Zentralve
- Seite 69 und 70: Aus dem ZentralverbandVorschau Prog
- Seite 71 und 72: KurseAufbaukurs 1 Wiederholung und
- Seite 73 und 74: . . .. WissaascliEft.;.;* r Klinik