Oktober 2010 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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ein Laufdiktat: Jeder bekommt Stift und Zettel,<br />
ein Text liegt einige Meter entfernt auf dem<br />
Rasen. Nun sprinten die jungen Sportler zum<br />
Text, prägen sich einige Wörter ein, laufen<br />
zurück zu ihrem Blatt Papier und notieren, was<br />
sie sich gemerkt haben. Die Schüler rennen so<br />
lange hin und her, bis der Text vollständig auf<br />
ihren Blättern steht.<br />
„Aus pädagogischer Sicht ist der Ansatz sehr<br />
gut, weil beim Sport die Durchblutung des<br />
Gehirns höher als am Schreibtisch ist“, erklärt<br />
Vogt. „Deshalb fällt es leichter, kognitive Aufgaben<br />
zu lösen.“ Umgesetzt wird „Kicken mit<br />
Kopf“ von MLU-Studierenden verschiedener<br />
Fachrichtungen, wobei die Projektteilnehmer<br />
entweder einen Bezug zum Fußball haben oder<br />
angehende Lehrer sind. So ist beispielsweise<br />
auch eine Grundschulpädagogik-Studentin<br />
beteiligt, die sich Aufgaben für jüngere Schüler<br />
überlegt.<br />
Diejenigen, denen noch nicht die Puste ausgeht,<br />
trainieren weiter. Abschließend wird<br />
sogar noch ein Turnier ausgetragen. Und auch<br />
dabei werden nicht nur die Beine angestrengt,<br />
sondern auch der Kopf. Bei dem Wettkampf<br />
gibt es für jedes Tor einen Punkt, auch für<br />
Siege erhalten die Teams Punkte. Natürlich<br />
möchte jeder Spieler wissen, wie er abgeschnitten<br />
hat. Um seine Platzierung zu erfahren,<br />
muss er seine Gesamtpunktzahl aber selbst<br />
ausrechnen.<br />
Spielerisch trainieren die Neun- bis 14-Jährigen<br />
nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre<br />
geistigen Fähigkeiten. „Über den thematischen<br />
Bezug zum Fußball kann man auch Kinder erreichen,<br />
die sonst nicht gern lesen oder sich in<br />
ihrer Freizeit nicht mit Lernen beschäftigen“,<br />
so Vogt. Sporttraining solle nicht in Konkurrenz<br />
zur Schule stehen – auch das soll „Kicken<br />
mit Kopf“ vermitteln. Vielmehr könne beides<br />
einhergehen und Sport diene sogar als Bildungsantrieb.<br />
Ziel des Projekts ist es, eine Art kostenlose<br />
Nachhilfe anzubieten. „Immer mehr Kinder<br />
benötigen Hilfe neben der Schule. Diese ist<br />
oft sehr kostspielig und für sozial Schwächere<br />
nicht bezahlbar, aber auch deren Kinder sollten<br />
die Möglichkeit nutzen können“, findet Vogt.<br />
Sport sei ein guter Anreiz, sich mit Bildung<br />
auseinanderzusetzen. „Wenn der Trainer sagt,<br />
dass Schule wichtig ist, hat es bei vielen<br />
Kindern einen anderen Stellenwert<br />
als wenn es von Eltern oder<br />
Lehrern kommt.“<br />
18 Uhr: Nach zwei Stundenabwechslungsreichen<br />
Trainings<br />
kommen die jungen<br />
Kicker zufrieden<br />
vom Platz. An<br />
dem Versuchsvorhaben<br />
nahmen in<br />
der ersten Jahreshälfte<br />
wöchentlich<br />
bis zu 18 Schüler teil,<br />
womit die Initiatoren<br />
sehr zufrieden seien, wie Vogt sagt. Das habe<br />
wohl auch daran gelegen, dass es sich um ein<br />
kostenloses Angebot handelte, für das vorab<br />
keine Anmeldung nötig war. Bekannt gemacht<br />
wurde es durch Flyer und Plakate in Kinder-<br />
und Jugendeinrichtungen wie dem Krokoseum<br />
in den Franckeschen Stiftungen und den Kinderhäusern<br />
„Schnitte“ des Christlichen Vereins<br />
Junger Menschen.<br />
Ursprünglich war „Kicken mit Kopf“ als<br />
Plattform verschiedener Organisationen und<br />
Initiativen geplant, um einzelne Stärken zu<br />
bündeln. In Zusammenarbeit mit sozialen<br />
Einrichtungen und Sponsoren sollte ein zweiwöchiges<br />
Sommercamp entstehen, bei denen<br />
Kinder und Jugendliche spielerisch gefördert<br />
werden. „Leider fanden wir dafür nicht genug<br />
Mitstreiter“, bedauert Vogt. Das Konzept sei<br />
bereits durch die Projektgründer erarbeitet<br />
gewesen und sah vor, Bildungsinhalte praxisnah<br />
zu vermitteln, beispielsweise mithilfe<br />
sportlicher Übungen oder durch das Zusammenbauen<br />
eines Fahrrads, wie der 22-Jährige<br />
erklärt. „Ein Sportbildungscamp ist allerdings<br />
SCIENTIA HALENSIS 4/10<br />
sehr aufwändig, dafür hätten wir finanzielle<br />
und organisatorische Unterstützung benötigt.“<br />
Und so mussten die ehrgeizigen Studierenden<br />
ihre Pläne wieder verwerfen.<br />
Aus diesen Gründen können Vogt und seine<br />
Mitstreiter das Projekt auch nicht so weiterführen<br />
wie im April begonnen. Stattdessen<br />
arbeiten sie jetzt mit dem Fußballverein<br />
Turbine <strong>Halle</strong> zusammen, wo sie derzeit die<br />
G-Jugend spielerisch fördern. Da die Vier- bis<br />
Siebenjährigen noch nicht lesen können, wird<br />
deren Fußballtraining altersentsprechend durch<br />
Malen und Basteln ergänzt. „Geplant ist, dass<br />
wir diese Kinder während der Grundschulzeit<br />
begleiten und dann auch fußballspezifische<br />
Lese- und Rechenübungen mit ihnen machen“,<br />
so Robert Vogt, der in der Herrenmannschaft<br />
des Vereins kickt.<br />
■<br />
Robert Vogt<br />
Projekt „Kicken mit Kopf“<br />
E-Mail: sportvogt@web.de<br />
Nur Fußball im Kopf? Das<br />
muss nicht sein, sagten sich<br />
mehrere MLU-Studierende,<br />
die nun Bildungsinhalte in<br />
Kombination mit Fußballtraining<br />
vermitteln.<br />
Abbildung:<br />
Scott Maxwell / Fotolia<br />
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S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN