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Oktober 2010 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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28<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 4/10<br />

Die Subsahara-Connection<br />

Ethnologen erforschen Konfliktmanagement in Afrika<br />

S ILVIO KISON<br />

Kriege, Krisen, ethnische Differenzen sind in vielen Regionen der Welt immer noch trauriger<br />

Alltag. Oft versuchen internationale Organisationen und auch Nationalstaaten zu intervenieren.<br />

Aber wie erfolgreich sind diese Strategien zur Konfliktbewältigung wirklich? Seit <strong>Oktober</strong> 2006<br />

gehen hallesche Ethnologen dieser Frage nach. Unterstützt werden sie von der VolkswagenStiftung<br />

im Rahmen der Förderinitiative „Wissen für morgen – Kooperative Forschungsvorhaben<br />

im sub-saharischen Afrika“ mit 500 000 Euro.<br />

Das Projekt trägt den Titel „Travelling Models<br />

in Conflict Management. A Comparative<br />

Research and Network Building Project in<br />

Six African Countries (Chad, Ethiopia, Liberia,<br />

Sierra Leone; South Africa, and Sudan)“.<br />

Die Idee für die Studie hatten die halleschen<br />

Wissenschaftler Professor Dr. Richard Rottenburg<br />

und Dr. Andrea Behrends vom Seminar<br />

für Ethnologie der MLU zusammen mit den<br />

Forschern des Max-Planck-Instituts für ethnologische<br />

Forschung in <strong>Halle</strong>. „Das Geld floss<br />

dabei eher durch die MLU hindurch“, erklärt<br />

Projektkoordinatorin Andrea Behrends. Die<br />

Finanzierung richtete sich an die afrikanischen<br />

Partner in den beteiligten Regionen.<br />

Neben den untersuchten Strategien ging es bei<br />

der Förderung um den Aufbau und die Stärkung<br />

von Wissenschaft im sub-saharischen<br />

Afrika.<br />

Die Aufgabe der deutschen Wissenschaftler<br />

liegt vor allem in der Unterstützungsarbeit. Sie<br />

leiten die Forscher an, helfen ihnen beim Aufbau<br />

innerafrikanischer Netzwerke und vermitteln<br />

ihnen Gelder für die Anschaffung neuer<br />

Geräte. „Durch diese Arbeit erhoffen wie uns,<br />

neue Kapazitäten in Afrika auszubilden und zu<br />

etablieren“, so Behrends.<br />

Bei den Einzelprojekten waren es dann auch<br />

die Doktoranden in den afrikanischen Ländern,<br />

die sich selbst das zu untersuchende Modell<br />

aussuchten. Unter dem Motto „Ein Modell<br />

geht auf Reisen“ beschäftigte die halleschen<br />

Ethnologen, was mit den internationalen Konfliktbewältigungsstrategien<br />

vor Ort passiert.<br />

Wie werden sie von den Einheimischen aufgenommen<br />

und übersetzt?<br />

Die Modelle variierten oft von Land zu Land.<br />

In Südafrika untersuchte eine Doktorandin das<br />

so genannte „Community Policing“. Dabei<br />

versucht die Polizei, Menschen in den Gemeinden<br />

davon zu überzeugen, mit ihr zusammenzuarbeiten,<br />

um die Kriminalitätsraten<br />

Andrea Behrends im Gespräch mit Tinashe Pfigu, der Doktorandin aus Südafrika, Foto: Kees van der Waal<br />

zu senken. Im Sudan war es das Konzept des<br />

„Power Sharing“, wo es vornehmlich um die<br />

Aufteilung der Macht auf staatlicher Ebene<br />

geht, um den Übergang zwischen Bürgerkrieg<br />

und Frieden zu ermöglichen. Alle untersuchten<br />

Modelle haben gemeinsam, dass sie von außen<br />

durch Organisationen oder den Staat ins Land<br />

gebracht werden. „Unser Interesse gilt dabei<br />

den Resultaten vor Ort“, erklärt Andrea Behrends.<br />

„Was waren die Intentionen der aussendenden<br />

Seite und wie sind die Reaktionen und<br />

Umgehensweisen mit diesen Modellen auf der<br />

empfangenden Seite?“<br />

Nach vierjähriger Forschungsarbeit kommen<br />

die Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass<br />

alle Modelle sich etwas anders auswirken als<br />

intendiert. Die Forscher sehen die Gründe<br />

hierfür in den oft unterschiedlichen Intentionen<br />

oder Institutionalisierungen der Konfliktbewältigungsstrategie.<br />

„Wenn zum Beispiel<br />

im Tschad die Weltbank sagt, wir schaffen<br />

Gesetze, um die einfließenden Gewinne aus<br />

dem Erdöl gerecht zu verteilen, dann sagt der<br />

tschadische Staat: ‚Okay, wir schaffen ein<br />

Gesetz, um dies zu ermöglichen.’ Aber der<br />

Umgang mit Gesetzen ist im Tschad sowohl<br />

auf staatlicher als auch auf Seiten der Bürger<br />

ein anderer als bei uns. Gesetze werden daher<br />

häufig nicht beachtet“, erläutert Ethnologin<br />

Behrends. Das Resultat ist, dass das Modell<br />

nicht immer den angestrebten Frieden bringt.<br />

Ähnliche Probleme mit der Umsetzung solcher<br />

Strategien fanden die Wissenschaftler in allen<br />

sechs untersuchten Ländern. So wird in Sierra<br />

Leone versucht, die Demokratisierung und die<br />

Förderung von Frauenrechten und Meinungsfreiheit<br />

voranzutreiben. Die Forscher fanden<br />

heraus, dass die Rechte von Frauen in Sierra<br />

Leone gut etabliert sind. Aber keiner fordert<br />

sie ein, weil sie auf unterschiedliche Weise<br />

institutionalisiert sind. „Das Verständnis vor<br />

Ort hängt mit den dortigen Gegebenheiten<br />

zusammen und ist daher notwendigerweise ein<br />

anderes“, stellt die Wissenschaftlerin fest.<br />

Das Projekt wird durch die VolkswagenStiftung<br />

noch einmal bis Mai 2011 mit 250 000<br />

Euro gefördert. „Bis dahin sind die Doktoranden<br />

mit ihrer Arbeit fertig und haben die<br />

Möglichkeit, eigene Projekte zu initialisieren<br />

und das afrikanische Netzwerk weiter auszubauen“,<br />

hofft Behrends. Der letzte Akt des<br />

Projektes ist eine internationale Tagung Anfang<br />

März 2011 in Khartum im Sudan. Diese<br />

ist offen für alle Interessenten und soll helfen,<br />

die Ergebnisse der Studie auch in einer internationalen<br />

Wissenschaftsgemeinschaft publik<br />

zu machen.<br />

■<br />

Dr. Andrea Behrends<br />

Ethnologie<br />

Telefon: 0345 55 24 196<br />

E-Mail: andrea.behrends@ethnologie.uni-halle.de<br />

Internet: www.ethnologie.uni-halle.de/forschung

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