Oktober 2010 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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SCIENTIA HALENSIS 4/10<br />
Zurück in die Zukunft:<br />
Neue Funktionen eines ıalten‰ Vitamins<br />
Forschungsprojekt soll Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Status und Gesundheit des<br />
Herz-Kreislauf-Systems klären<br />
J ANINE PAZDYKA<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland: Etwa jeder zweite Todesfall ist darauf zurückzuführen. „Neuere<br />
Daten lassen vermuten, dass eine verminderte Vitamin-D-Versorgung die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt“, erklärt Prof.<br />
Dr. Gabriele Stangl. Die Ernährungswissenschaftlerin der MLU koordiniert seit 1. Juli ein Projekt, in dem die Einflüsse von Vitamin D auf Risikofaktoren<br />
für kardiovaskuläre Erkrankungen untersucht werden sollen.<br />
Dass Vitamin D für den Knochenbau wichtig<br />
ist, wissen die meisten Menschen. Wenig<br />
bekannt ist hingegen, dass nahezu alle Körperzellen<br />
mit Rezeptoren ausgestattet sind, in<br />
denen Vitamin D ganz spezifische Wirkungen<br />
zu haben scheint. „Auf der Basis bisheriger<br />
wissenschaftlicher Daten gehen wir davon aus,<br />
dass das Vitamin unser Herz-Kreislauf-System<br />
beeinflusst“, so Ernährungswissenschaftlerin<br />
Prof. Dr. Gabriele Stangl. Deshalb läuft seit<br />
dem 1. Juli ein Projekt mit dem Titel „Vitamin<br />
D und kardiovaskuläre Gesundheit - von experimenteller<br />
und epidemiologischer Evidenz<br />
zu innovativen Lebensmitteln“ an der MLU. In<br />
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum<br />
in Heidelberg, dem Deutschen<br />
Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-<br />
Rehbrücke und dem Institut für Binnenfischerei<br />
in Potsdam-Sacrow werden in den nächsten<br />
drei Jahren die Rolle des Vitamins für die<br />
Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems und<br />
die Möglichkeiten einer optimalen Versorgung<br />
untersucht. Stangl erwartet, dass durch eine<br />
Optimierung des Vitamin-D-Status die kardiovaskuläre<br />
Gesundheit verbessert wird.<br />
Vitamin D kommt derzeit vor allem in fettreichen<br />
Seefischen vor. Fische aus der Binnenfischerei<br />
und Aquakultur schneiden<br />
diesbezüglich schlechter ab. Hier setzt der<br />
praktische Teil des Projektes an, bei dem über<br />
neue technologische Verfahren der Vitamin-D-<br />
Gehalt in diesen Fischen erhöht werden soll.<br />
Deshalb ist neben den Wissenschaftlern im<br />
Institut für Binnenfischerei auch die Fischerei<br />
Müritz-Plau GmbH in Waren an der Müritz als<br />
Industriepartner am Projekt beteiligt. „Derzeit<br />
werden Forelle, Karpfen, Zander und Aal aus<br />
unterschiedlichen Habitaten getestet“, erklärt<br />
Gabriele Stangl. „So soll herausgefunden werden,<br />
in welchen Arten und in welchen Körperteilen<br />
der Fische die Konzentration besonders<br />
hoch ist und ob Tageslicht Einfluss darauf hat.<br />
Die Arbeitsgruppe Lebensmittelchemie unter<br />
der Leitung von Prof. Dr. Marcus Glomb der<br />
MLU wird diese Fische auf ihren Vitamin-D-<br />
Gehalt untersuchen.<br />
Mit dem neuen Verbundprojekt wollen die<br />
beteiligten Wissenschaftler der Vitamin D-Forschung<br />
in Deutschland einen starken Impuls<br />
Wie beeinflusst Vitamin D unser Herz-Kreislauf-<br />
System? Dieser Frage geht Prof. Dr. Gabriele Stangl<br />
mit ihrem Team nach. Foto: Maike Glöckner<br />
geben. „Wenn es gelingt, Fisch aus Binnengewässern<br />
im Vitamin-D-Gehalt zu erhöhen,<br />
könnte die Vitamin-D-Versorgung der Bevölkerung<br />
durch ein natürliches Lebensmittel aus<br />
ökologisch nachhaltiger Produktion verbessert<br />
werden“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.<br />
Dadurch ließe sich auch der Wirtschaftszweig<br />
Binnenfischerei und Aquakultur ökonomisch<br />
stärken.<br />
Parallel dazu finden an der MLU Interventionsstudien<br />
am Menschen statt, in denen der<br />
Einfluss von Vitamin D auf Blutdruck, Plasmalipide<br />
und Entzündungsparameter untersucht<br />
werden soll. Diese Art von Studien, die<br />
an mehreren hundert Probanden durchgeführt<br />
werden sollen, ermöglichen es, kausale Zu-<br />
sammenhänge zwischen der Vitamin-D-Versorgung<br />
und kardiovaskulären Risikofaktoren<br />
aufzudecken. Ergänzt werden diese Untersuchungen<br />
durch die Analyse des Vitamin-D-Status<br />
von mehr als 7000 Probanden der EPIC-<br />
Kohorten Heidelberg und Potsdam, EPIC steht<br />
für „European Prospective Investigation into<br />
Cancer and Nutrition“, eine europäische Langzeitstudie.<br />
Die Mechanismen der Vitamin-D-<br />
Wirkungen auf die Gefäßgesundheit sollen<br />
durch molekularbiologische Untersuchungen<br />
an Modelltieren bzw. gentechnisch modifizierten<br />
Tieren aufgeklärt werden.<br />
Das Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung (BMBF) fördert das Projekt insgesamt<br />
mit rund 1,4 Millionen Euro. Zunächst<br />
ist es auf drei Jahre angelegt, die Leiterin<br />
würde es aber gern längerfristig weiterführen.<br />
Mit konkreten Forschungsergebnissen ließen<br />
sich Empfehlungen zur Krankheitsprävention<br />
leichter generieren. Möglicherweise muss auch<br />
über eine Änderung der bisherigen Empfehlungszahlen<br />
für die Vitamin-D-Aufnahme<br />
nachgedacht werden. „Bisher liegt der empfohlene<br />
Tagesbedarf an Vitamin D bei Erwachsenen<br />
bei 5 Mikrogramm, für Personen über<br />
65 Jahre doppelt so hoch“, erklärt die Professorin.<br />
„Ich gehe davon aus, dass diese Mengen<br />
für eine optimale Vitamin-D-Versorgung<br />
nicht ausreichen, zumal die Eigensynthese an<br />
Vitamin D in der Haut durch unseren modernen<br />
Lebensstil geringer geworden ist. Inwieweit<br />
unsere Studien dazu beitragen werden,<br />
die Empfehlungen für Vitamin D nach oben zu<br />
korrigieren, bleibt abzuwarten.“<br />
Bis konkrete Ergebnisse vorliegen empfiehlt<br />
Stangl, mindestens zweimal pro Woche Fisch<br />
zu verzehren. In Bezug auf Vitamin D und<br />
Omega-3-Fettsäuren sei Seefisch wie Lachs,<br />
Hering oder Thunfisch besonders vorteilhaft.<br />
■<br />
Prof. Dr. Gabriele Stangl<br />
Humanernährung<br />
Telefon: 0345 55 22 707<br />
E-Mail: gabriele.stangl@landw.uni-halle.de<br />
Internet: www.ernaehrungswissenschaften.uni-halle.de<br />
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F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN