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34 quadrat 10 / 2012 � lüneburger profi le<br />
seine gleichaltrigen Kumpel sich über die Preiser-<br />
höhung der Kinokarten aufregen, jongliert Börries<br />
mit Millionensummen, denn die sammeln sich<br />
nach nur einem Jahr bereits auf seinem Konto.<br />
Marco Börries hat ein klares Ziel vor Augen: ganz<br />
oben in der Software-Liga mitzuspielen. „Die Welt<br />
braucht eine Alternative zu Microsoft“, posaunt er<br />
großspurig. Kaum jemand nimmt ihn ernst − bis<br />
er sein Softwarepaket Star Offi ce mit Textverar-<br />
beitung, Tabellenkalkulation, Kalender und E-Mail-<br />
Programm auf den Markt bringt, das dem Pendant<br />
teilweise sogar überlegen ist − und dazu nach wie<br />
vor einen entscheidenden Vorteil hat: Es kostet<br />
nur die Hälfte.<br />
ÜBER NACHT ZUM MULTIMILLIONÄR<br />
Seine durchdachte Software schlägt ein wie eine<br />
Bombe. Bald gründete der Senkrechtstarter Büros<br />
in London, Paris und Mailand, beschäftigt 270<br />
Mitarbeiter, die nahezu alle doppelt so viele Lenze<br />
zählen wie er. Marco Börries genießt das Gefühl,<br />
Chef zu sein, erzählt mit jugendlichem Feuereifer<br />
von Erster-Klasse-Flügen und Luxushotels.<br />
Und dann, Anfang August 1999, kommt jener Tag,<br />
der ihn über Nacht zum Multimillionär macht: Er<br />
verkauft seine Firma für rund 75 Millionen Dollar<br />
an den Computerriesen „Sun“, nimmt einen Posten<br />
in der Zentrale an und zieht mit seiner Familie<br />
– er ist inzwischen Vater von zwei Kindern – nach<br />
Kalifornien. Knapp zwei Jahre später, im Frühjahr<br />
2001, ein neuer Wendepunkt: Börries steigt aus<br />
und beschließt, nach 16 Jahren ununterbrochener<br />
Unternehmertätigkeit etwas völlig Verrücktes zu<br />
tun, nämlich: nichts. „Ich wollte mehr Zeit für<br />
mich und auch für meine Familie, sagt er und<br />
zupft seine Krawatte in Position. „Einfach mal eine<br />
Auszeit.“<br />
YAHOO KAUFT BÖRRIES<br />
Aber Börries ist kein Mann der Ruhe, zu viele<br />
Ideen spuken in seinen Gedanken, zu sehr reißt<br />
ihn der Tatendrang mit. Vier Monate später beginnt<br />
der umtriebige Softwarepionier damit, die<br />
Wohnung zu verkabeln, stellt Fernseher und PC-<br />
Monitore auf Flachbildschirme um und installiert<br />
eine digitale Haussteuerung. Dabei fällt ihm auf,<br />
dass es gar nicht so einfach ist, den Videoserver<br />
mit dem drahtlosen Funknetz zu verbinden, geschweige<br />
denn das Garagentor via Bluetooth zu<br />
steuern. Und überhaupt: Wie lassen sich Daten<br />
übertragen, wenn man sich ein neues Handy<br />
kauft? Und wie können Firmen ohne viel Aufwand<br />
Alarmanlagen aus der Ferne bedienen?<br />
Marco Börries und sein ehemaliger<br />
Lehrer Dr. Garhard Scharf<br />
Eine neue Geschäftsidee erblickte hier das Licht<br />
der Welt, und mit ihr Börries’ neue Firma Verdi-<br />
Soft, die parallel in Kalifornien und Hamburg die<br />
Lösung fürs „Connected Life“ entwickeln soll.<br />
„Connecten“ meint: Menschen jederzeit und überall<br />
mit den Informationen zu verbinden, die ihnen<br />
wichtig sind: E-Mails, Bilder, Musik, Videos, Dokumente<br />
– eben alles, was der moderne Mensch<br />
auf seinem Computer sammelt und was zusammengenommen<br />
eine Art digitales Abbild seines Lebens<br />
ergibt.<br />
Diesseits und jenseits des Atlantiks machen sich<br />
seine Programmierer also an die Arbeit und drei<br />
Jahre später ist das Ziel erreicht – eine Art universelle<br />
Schnittstelle zwischen allen Geräten verschiedener<br />
Hersteller. Die Software führt ihn zurück<br />
auf die weltgrößte IT-Messe, die CeBIT, und ist<br />
so gut, dass sie plötzlich zum „Must-Have“ wird.<br />
United Internet meldete Interesse an, T-Mobile<br />
und Vodafone. Aber richtig viel Geld wollen sie<br />
nicht dafür zahlen. Doch dann kommt der Internetgigant<br />
Yahoo ins Spiel, kauft die gesamte Firma<br />
und Börries gleich mit. So wird aus dem Unternehmer<br />
zum zweiten Mal ein Angestellter – obwohl der<br />
Selfmade-Millionär eigentlich genug Geld und das<br />
Arbeiten gar nicht nötig hätte. Aber es reizt ihn,<br />
mit Yahoo gegen Google anzutreten. Es ist das<br />
alte Underdog-Spiel, so ähnlich wie damals das<br />
Duell Star Division gegen Microsoft.<br />
„GERMAN GUY“ IM SILICON VALLEY<br />
Beim Web-Konzern steigt er auf bis in die zweite<br />
Führungsebene, „Senior Vice President“ steht auf<br />
seiner Visitenkarte. Dabei sticht er unter den<br />
lockeren Internetmanagern immer ein wenig als<br />
Exot hervor, in seinen perfekt sitzenden Anzügen,<br />
der roten Krawatte und dem farblich passenden<br />
Einstecktuch. Doch dank Börries ist Yahoo dem<br />
Erzrivalen Google im mobilen Internet weit voraus.<br />
Er ist der hochrangigste Deutsche im Silicon Valley<br />
– und einer der wenigen, die überhaupt im pochenden<br />
Herzen dieser gigantischen Internet-Metropole<br />
arbeiten. So wundert es nicht, dass der<br />
schlaksige Blonde immer wieder Thema in Branchenklatsch-Blogs<br />
ist, wo gegiftet wird, dass der<br />
einzige Ferrari, der auf dem Yahoo-Parkplatz steht,<br />
ausgerechnet ihm gehört.<br />
An Selbstbewusstsein hat es Börries zum Glück<br />
nie gemangelt. Er ist stolz auf das, was er geleistet<br />
hat, und nicht bemüht dies zu verbergen. „Mit<br />
Leistung“, sagt er – und da blitzt es wieder auf,<br />
das siegessichere Lächeln − „kann man alles erreichen!“<br />
Inzwischen hat Marco Börries Kalifornien den<br />
Rücken gekehrt und ist mit seiner Frau Andrea<br />
und seinen drei Kindern in seiner Heimat Deutsch-<br />
land angekommen, genau genommen in Berlin.<br />
Hier betreibt er heute die NumberFour AG, eine<br />
Firma, die sich auf Software für kleine Unternehmen<br />
spezialisiert hat. Also noch immer keine Spur<br />
von „Füße stillhalten“. „Wie ich Marco einschätze,<br />
werden wir noch viel von ihm hören und lesen“,<br />
sagt sein ehemaliger Lehrer Dr. Gerhard Scharf,<br />
der seit Jahren voller Stolz und Spannung seinen<br />
Werdegang verfolgt. Und auch wir sind gespannt:<br />
auf den nächsten Streich des Lüneburgers Marco<br />
Börries … (ch)<br />
FOTO: HAJO BOLDT