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82 quadrat 10 / 2012 � reingehört<br />
REINGEHÖRT<br />
OKTOBER<br />
DIANA KRALL<br />
GLAD RAG DOLL<br />
VERVE<br />
Die kanadische Pianistin und Sängerin<br />
Diana Krall macht von sich reden: Auf<br />
ihrem neuen Album arbeitet sie nicht<br />
nur mit T-Bone Burnette und Marc Ribot<br />
(Gitarrist u. a. bei John Zorn und Tom<br />
Waits) zusammen, sondern zeigt eine<br />
bis dato unbekannte, freizügige Seite −<br />
was auch zu hitzigen Diskussionen bezüglich<br />
des Albumcovers führte. Was<br />
pornografisch erscheinen mag, ist als<br />
eine Hommage an die Fotografien Alfred<br />
Cheney Johnstons der Revue-Girls der<br />
Zwanziger Jahre gemeint.<br />
HANNES WADER<br />
NAH DRAN<br />
MERCURY<br />
Hannes Wader bleibt der beste Liedermacher<br />
alter Schule, den wir haben.<br />
Seine aktuelle CD besteht, neben wenigen<br />
Fremdkompositionen, vornehmlich<br />
aus eigenen Stücken. Dass diese<br />
eine für seine Verhältnisse eher düstere<br />
Grundstimmung haben, mag daran liegen,<br />
dass Wader diesmal mit der Lupe auf<br />
manch Übel unserer Zeit aufzeigt und<br />
sie ohne Blatt vorm Mund benennt; so<br />
beispielsweise in „Mahlzeit“, in dem er<br />
den Irrwitz rund um die Massenproduk-<br />
tion von Fleischprodukten, Kaffeebohnen -<br />
import und unseren blinden Umgang mit<br />
denselben bloßstellt – ein herrlich appetitverderbendes<br />
Lied, das zudem im<br />
Refrain darauf hinweist, dass man in jeder<br />
Phase seines Lebens in der Lage<br />
sein sollte, seine alten Gewohnheiten<br />
abzulegen, vor allem wenn der eigene<br />
Erkenntnisstand es gebietet. Das ist mal<br />
wieder Altersweisheit, wie man sie nur<br />
von Wader bekommt. Respekt!<br />
DEXYS<br />
ONE DAY I‘M GOING TO SOAR<br />
BUBACK<br />
Im kollektiven Gedächtnis der Popkultur<br />
bleibt Kevin Rowland wohl für immer als<br />
Latzhosen tragender Schrat in Erinnerung,<br />
der mit seiner Band Dexys Midnight<br />
Runners Jahren den Welthit „Come on<br />
Eileen“ schrieb. Dem Musiker Rowland<br />
wird man mit der Reduktion auf dieses<br />
Lied allerdings nicht gerecht: Das 1980<br />
erschienene Debüt „Searching for the<br />
Young Soul Rebels“ vereinigte die Energie<br />
von Punk mit der Kraft der Soulmusik<br />
und gilt bei Kennern als ein Meilenstein<br />
der Popmusik. Mit der aktuellen Veröffentlichung<br />
scheint er sich nach rund<br />
27 Jahren und einer Achterbahnfahrt<br />
durchs Leben gefangen zu haben. Und<br />
so klingt seine aktuelle CD wunderbar<br />
erwachsen und bietet druckvollen Soul<br />
und zarten Folk, bestechende Harmonien,<br />
die sich gerne auch mal unberechenbar<br />
geben.<br />
PET SHOP BOYS<br />
ELYSIUM<br />
PARLOPHONE<br />
Die Pet Shop Boys sind zurück − mal<br />
wieder. Erstmalig in ihrer gut 30-jährigen<br />
Karriere haben sie ein Projekt in<br />
den USA aufgenommen, dort auf eine<br />
Vielzahl versierter Mitmusiker zurückgegriffen,<br />
so auch auf Orchester und<br />
einen Backgroundchor, was die neuen<br />
Songs ungewohnt „soulful“ klingen lässt<br />
– sicher auch ein Verdienst des Produzenten<br />
und mehrmaligen Grammy- Gewinners<br />
Andrew Dawson. Ihm ist es gelungen,<br />
den Pet Shop Boys einen neuen<br />
Klang zu verleihen, ohne dabei ihrem<br />
originären Stil zu schaden. So ist eines<br />
der besten Alben ihrer Karriere entstanden,<br />
dem man wahrlich anhört, dass sie<br />
schon längst keine „Boys“ mehr sind.<br />
JACKY TERRASSON<br />
GOUACHE<br />
EMARCY<br />
Ihm gelingt es, das Wesen des Jazz auch<br />
nachfolgenden Generationen zugänglich<br />
zu machen: Der französisch-amerikanische<br />
Jazz-Pianist Jacky Terrasson<br />
interpretiert auf dieser Veröffentlichung<br />
neben seinen Eigenkompositionen in<br />
mitunter radikaler Manier Stücke von<br />
Erik Satie, Sonny Rollins, Amy Winehouse,<br />
John Lennon, Henri Betti und −<br />
Justin Bieber! Und genau diese eklek-<br />
tische Auswahl macht das Album sowohl<br />
für jazzgeschulte Ohren als auch<br />
für Laien spannend. Man kann es Terrasson<br />
nicht hoch genug anrechnen,<br />
dass er in seinem Schaffen wieder und<br />
wieder die unausgesprochenen Grenzen<br />
überschreitet, die den Einstieg in den<br />
Jazz für grundsätzlich interessierte<br />
Musikhörer oftmals so schwer machen.<br />
Hier finden sie Türen und Ansatzpunkte.<br />
Umgekehrt weist er − ganz nebenbei −<br />
den Jazzpuristen noch auf aktuelle<br />
Strömungen und Perlen der Popkultur<br />
hin. Sehr empfehlenswert!<br />
ZZ TOP<br />
LA FUTURA<br />
REPUBLIC<br />
Neun Jahre nach „Mescalero“ kehren<br />
ZZ Top mit einem Studioalbum zurück,<br />
das seinesgleichen sucht und wohl eine<br />
der aufregendsten Veröffentlichungen<br />
des Jahres ist. Produziert vom legendären<br />
Rick Rubin, der spätestens mit Johnny<br />
Cashs „American Recordings“ seinen<br />
Platz im Musik-Olymp sicherte, kehren<br />
ZZ Top zu ihren Blues’n’Boogie-Wurzeln<br />
zurück, die Songs auf das Wesentliche<br />
reduziert, aufgenommen ohne unnötige<br />
Studiosperenzchen. Auf den Punkt gebrachte<br />
Triomusik, rau, cool, tanzbar,<br />
rockend wie die Hölle, schweißtreibend<br />
wie eine heiße Nacht in einer kleinen<br />
texanischen Bar im Nirgendwo. Ganz<br />
großes Kino! (ap)