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Twittern, Bloggen, Gruscheln & Co. - AGJF

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Sozialverhalten im Netzvermitteln. Ob ein Onlineaustausch zustande kommt, bei dem Identitäten erkennbarwerden, ist also primär von den Betreffenden und ihrem Kommunikationsverhaltenabhängig (z.B. Zeit, Motivation, Nutzungsstil, Kompetenzen).Das beliebige Anonymisieren, Wechseln oder Vortäuschen von Onlineselbstdarstellungen,das sog. Identitäts-Hopping, gilt als Risiko für die Entwicklung jungerMenschen. Es werden Störungen bei der Identitätsbildung und eine Erhöhung derOrientierungslosigkeit befürchtet. Identitätswechsel, vorgetäuschte Identitäten,sowie bis zur Unkenntlichkeit idealisierte Selbstdarstellungen vermitteln nämlichden Eindruck, dass überhaupt keine Identifikation mit der eigenen Person bzw.dem eigenen Selbst existiert, was aber Voraussetzung für eine bedeutungsvolleund stabile Identität ist. Allerdings wird das Identitäts-Hopping in der Praxis nursehr selten und wenn, dann oft auch nur aus Spaß betrieben. Anonymität undPseudonymität (z.T. fiktionalisierte, anonymisierte oder idealisierte Selbstdarstellungen)sind keine weit verbreiteten, alltäglichen Phänomene. Zudem dienen siei.d.R. nicht einer Tarnung. Im Gegenteil – sie unterstützen häufig die persönlicheSelbstdarstellung im Netz und erleichtern es vielfach, gerade auf heikle, kritischeoder sehr persönliche Fragen (z.B. in Online-Selbsthilfegruppen) ehrlich und offenzu antworten. Viele NutzerInnen genießen es, sich ganz offen und authentischzu präsentieren und benutzen relativ konkrete virtuelle Selbstdarstellungen,welche meist die Offline-Identität wiederspiegeln. 48PÖRNBACHER (1999) betont, dass gerade Jugendliche keine „Identitätshopper“sind, die ständig voller Begeisterung ihre Identität wechseln oder mehrere Identitätengleichzeitig pflegen, sondern dass sie sehr an der Kohärenz ihrer Identitätund ihrer Wertvorstellungen interessiert sind. 49 Auch die Ergebnisse der bereitserwähnten Umfrage auf Buffed.de unterstreichen diese Aussage: 19 % der 111 Befragtenbeantworteten die Frage, ob sie sich im Onlinespiel anders als im realenLeben darstellen mit „Nein“. 31 % geben im Netz weniger von sich preis, 20 %verhalten sich offener und weniger schüchtern, 4 % stellen sich in Bezug auf Aussehenoder Status positiver, 6 % negativer dar. 10 % gaben an, ihr Avatar hätteein anderes Geschlecht und lediglich 11 % schlüpfen in eine komplett andereRolle (Mehrfachnennungen waren möglich). Das Gros der SpielerInnen bleibt alsoentweder bei ihren authentischen Selbstdarstellungen aus der realen Welt odernutzt die Besonderheiten der computerbasierten Kommunikation, um entspanntermit anderen interagieren zu können. Nur eine Minderheit nutzt die Möglichkeitendes Internets, um eine andere Identität anzunehmen oder diese zu modifizieren.Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Befragten um <strong>Co</strong>mputerspielerInnenhandelt, so dass Geschlechtswechsel oder das Schlüpfen in Fantasyrollennicht unbedingt persönlich motiviert sein müssen, sondern auch in der Ausgestaltungdes jeweiligen <strong>Co</strong>mputerspiels begründet sein können.Anonymität als Wegbereiter von Devianz und Rücksichtslosigkeit im Netz?Die Anonymität und Nicht-Identifizierbarkeit gilt nicht nur als Gefahr für die Identitätsarbeit,sondern auch als Risiko für deviantes Verhalten im Netz. Allerdingsist die Annahme, dass Menschen sich aufgrund der Möglichkeit zu Anonymitätmassenhaft zu normverletzendem Verhalten hinreißen lassen, kritisch zu bewertenund unterstellt nicht zuletzt ein antisoziales Menschenbild.Beim „Flaming“ (Beleidigungen im Netz) zeigt sich im Gegenteil sogar häufig einebesonders starke Orientierung an Gruppennormen und individuellen oder kollektivenIdentitäten. 50 Die Umfrage auf Buffed.de unterstützt diese These: Befragt zuihrem Sozialverhalten im Netz gaben lediglich 14 % der Teilnehmenden an, aufgrundder relativen Anonymität im Spiel weniger höflich zu sein. 64 % verhaltensich im Netz nicht freundlicher oder weniger freundlich als im realen Leben und23 % gaben an, im Spiel sogar höflicher und rücksichtsvoller zu sein.Es lässt sich also festhalten, dass die Möglichkeit zu Anonymität und Identitätshoppingim Internet zwar Risikopotentiale birgt und unter bestimmten Bedingungenauch negative Folgen nach sich ziehen kann, dieser Zusammenhang aber nichtpauschal für alle UserInnen gilt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang außerdem,dass das Herausfiltern möglicher stigmatisierender oder stereotypisierenderMerkmale und Identitäten auch eine Chance für eine gleichberechtigtere, vorurteilsfreiereOnlinekommunikation darstellen kann. 51Identitätsstärkung im Netz?Welche Identitäten eine Person annehmen und ausleben kann ist abhängig vonden sozialen Szenen, in denen sie sich bewegt oder zu denen sie Zugang hat.Im Internet existieren für alle Arten von Identitäten (sozial etablierte, unterreprä-24

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