13.07.2015 Aufrufe

Twittern, Bloggen, Gruscheln & Co. - AGJF

Twittern, Bloggen, Gruscheln & Co. - AGJF

Twittern, Bloggen, Gruscheln & Co. - AGJF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sozialverhalten im Netzkann ein Identitätswechsel relativ leicht und unbemerkt vollzogen werden. Genaudiese Identitätswechsel – und im speziellen der Geschlechterwechsel – werdenallerdings als besondere Risikofaktoren für die zwischenmenschliche Qualitätbeim Onlineaustausch gesehen.Viele Geschlechtswechsel im Internet dienen nicht dem Motiv der Identitätsarbeit,sondern stellen strategische Selbstdarstellungen dar, z.B. die Wahl eines männlichenAvatars in einem Onlinespiel, um Belästigungen oder übertriebene Hilfsangeboteanderer männlicher User zu vermeiden. Geschlechtswechsel im Netzsind aber nur dann identitätsrelevant, wenn die Betreffenden sich mit ihrer gegengeschlechtlichenOnlineselbstdarstellung insofern identifizieren, dass sie sich mitden traditionellen Geschlechtsrollen kritisch auseinandersetzen und insbesonderedie gegengeschlechtlichen Selbstaspekte ihrer Persönlichkeit erkunden. Dieskann z.B. so aussehen, dass Jungen anhand einer weiblichen Online-Identität ihreEmotionalität und Verletzlichkeit stereotypkonträr ausleben. Allerdings wechselnnur die wenigsten UserInnen online ihr Geschlecht, und wenn, dann oft auch nuraus Neugierde oder zum Spaß. Die sehr selten ernsthaft vollzogenen Identitätswechselhingegen ermöglichen einen Einblick in die Welt des anderen Geschlechtsund können gegenseitiges Verstehen fördern. Sie konfrontieren die Betreffendenzudem mit neuen Normen und Erwartungen, erweitern ihre Kontaktmöglichkeitenund ermöglichen, abgelöst vom eigenen Körper, die Ausbildung neuer, authentischerTeilidentitäten. Allerdings gilt es, solche positiven Netzerfahrungen mit demErleben und Verhalten außerhalb des Netzes zu verknüpfen, da sie sonst alsSelbst- oder Fremdbetrug bzw. als Alttagsflucht zu werten sind. Zudem werdenimmer auch Fragen nach Täuschung oder Manipulation aufgeworfen und es gilt die„neue“ Identität überzeugend zu repräsen-tieren. Insbesondere durch „Medienwechsel“,also die Wahl eines anderen Mediums, wie z.B. des Telefons, bestehtstets die Gefahr, dass ein Identitätswechsel aufgedeckt wird.Der Wechsel von marginalisierten zu Mainstream-Identitäten findet im Gegensatzzum Geschlechtswechsel relativ häufig statt und kann auch einfacher realisiertwerden. Indem die entsprechenden Stigmata einfach nicht erwähnt werden, gehtdas Gegenüber aufgrund seiner Vorstellung i.d.R. von einer Mainstream-Identitätaus. So können Identitätswechsel ohne große Anstrengung bewerkstelligt undandere Identitäten in den Vordergrund gestellt werden. Ein solcher Identitätswechsellässt sich allerdings nur bei reinen Onlinekontakten auf Dauer aufrechterhalten.In geselligen Online-Foren oder Chats, wo oft ein starkes Interesse am Aussehendes Gegenübers besteht, kommt es häufig zu Experimenten mit fiktionalisiertenund idealisierten Selbstdarstellungen. Sowohl bei der verbalen Selbstbeschreibung(Alter, Haarfarbe etc.) als auch bei der Foto-auswahl geht es nicht nurdarum, evtl. Handicaps zu vertuschen, sondern auch darum, für die anderen KommunikationspartnerInnenmöglichst attraktiv zu erscheinen und so die eigenenKontaktchancen zu steigern. InternetnutzerInnen haben dabei die Möglichkeit,den Eindruck und das Bild, das sie beim Gegenüber erzeugen möchten, aktiv zugestalten und sich ggf. auch komplett neu zu erfinden. Die Grenzen zwischenIdentitätsarbeit und Identitätsspiel sind dabei fließend und abhängig vom jeweiligenInternetnutzer bzw. der jeweiligen Internetnutzerin. Manche sehen in der Anonymitätdes Internets eine Verlockung zum Spiel mit der eigenen Identität, anderedie Chance, sich jenseits sozialer Restriktionen so darzustellen, wie es der eigenenPerson tatsächlich entspricht. Wieder andere betonen die Notwendigkeit, sich imChat authentisch zu geben, um das Gegenüber nicht zu täuschen oder zu verletzen.Die relativ gängigen Idealisierungen haben allerdings dazu geführt, dass eineziemlich große Skepsis bei der Eindrucksbildung im Netz besteht. Trotzdemscheint es so, als ob diese Zweifel und die Neugier auf das wahre Aussehen desKommunikationspartners häufig mit dem Wunsch konkurrieren, das Gegenüberin einem guten Licht zu sehen, um die gemeinsame Kommunikation bessergenießen zu können. 60Im Herzen bin ich eine Gnomenkriegerin – virtuelle Identitäten inOnline-(Rollen-)SpielenIn themenbezogenen Online-Foren, die sich mit ernsten oder persönlichen Angelegenheitenbeschäftigen, wird von den Teilnehmenden Authentizität erwartet.Die Konstruktion neuer, fiktiver Identitäten wird als Normverletzung und Vertrauensbruchgewertet. In Online-(Rollen-)Spielen besteht hingegen ein spielerischer26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!