12TRENDSInterview mit Kai NörtemannKundenansprachein <strong>der</strong> Web-3.0-WeltJe<strong>der</strong>mann weiß: Web 3.0 verän<strong>der</strong>t die Art <strong>der</strong>Kundenansprache völlig. Doch was hat all dies fürFolgen in <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Kommunikations -kanäle <strong>der</strong> eigenen Bank o<strong>der</strong> Versicherung?CallCenter for Finance sprach darüber mit KaiNörtemann von Tieto.Bild: Sven KörberWas verstehen Sie konkret?unter proaktiver Kundenanspracheim Web?Kai Nörtemann: Proaktive Kunden -ansprache im Web ist die Alternativezum reinen Self Service, <strong>der</strong> sichimmer mehr durchsetzt. Statt zuwarten, dass sich Kunden o<strong>der</strong>Interessenten aus eigenem Antriebper E-Mail o<strong>der</strong> Telefon Rat beimKundenservice holen, initiieren Un -ternehmen selbst den Dialog imWeb, etwa per Live-Chat.Betrachten wir eine verwandte Kundensituationin einem Schuhgeschäft:Dort gibt es Zweifler, die sichnicht sicher sind, ob sie das richtigeModell zum richtigen Preis in ihrenHänden halten. Ein guter Verkäufererkennt das und bietet dem Kundenim geeigneten Augenblick Hilfe an.Dabei stehen ihm verschiedene Informationenzur Verfügung: Ersieht, welchen Schuh <strong>der</strong> Kunde inseiner Hand hält und vor welchemRegal er steht. Eventuell hat er auchverfolgt, wo sich <strong>der</strong> Kunde zuvorumgeschaut hat. <strong>Die</strong>s sind idealeVoraussetzungen für ein Beratungsgespräch.Ohne direkte Anspracheund Beratungsangebot wird sich <strong>der</strong>potenzielle Kunde vermutlich ineinem an<strong>der</strong>en Laden nach einembesseren Angebot umschauen.<strong>Die</strong>se Beratungsintelligenz ist auchim Web umsetzbar. Gemeint ist, denBesucher zum richtigen Zeitpunktzu einem Dialog einzuladen unddabei den Kommunikationskanal zunutzen, <strong>der</strong> für das Unternehmensituationsbezogen <strong>der</strong> Richtige ist.Durch die Möglichkeit, pro Mitarbeiterparallel mehrere Live-Chatszu führen, sind Live-Chats die kostengünstigsteAlternative – und diesohne Medienbruch. Einladungenzu einem Telefonat o<strong>der</strong> Videotelefonatführen zu vergleichsweise höherenKosten, aber auch zu einerintensiveren Kommunikation. Basisfür die regelbasierte Entscheidungüber den richtigen Kommunikationskanalkönnen <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong>Interaktion o<strong>der</strong> möglichen Transaktionsein – aber auch die Verfügbarkeitvon Mitarbeitern. <strong>Die</strong> sensibleBeratung zu Finanzproduktenerfor<strong>der</strong>t meist mehr Vertrauen, dassich in einem Videodialog, <strong>der</strong> demBeratungsgespräch in einer Filialeam ähnlichsten ist, leichter schaffenlässt als durch ein reines Telefonat.Das Gesamtpotenzial <strong>der</strong> proaktivenKundenansprache im Web entfaltetsich am besten durch die Integrationaller Kommunikationskanäleauf einer Multikanalplattform.Wie sollten Banken und Versicherungenhierbei genau vorgehen??Kai Nörtemann: Um die Verkaufsquoteüber das Web zu steigern,werden zu Beginn alle Stellen identifiziertund analysiert, an denenKunden o<strong>der</strong> Interessenten typischerweiseaus dem Kaufprozessaussteigen. Anhaltspunkte liefernStatistiken <strong>der</strong> Webseite sowie Simulationen<strong>der</strong> typischen Abläufeaus Kundensicht durch Personen,die we<strong>der</strong> mit den Produkten nochden internen Abläufen vertrautsind. Zusammen mit Tieto werdendann Kriterien für eine proaktiveAnsprache erstellt, in einem Pilotprojektgetestet und schließlich produktivgenutzt. Der Eingriff in dieWebseiten ist minimal.Soll <strong>der</strong> Service verbessert werden,lohnt sich ein Blick in die häufigs -ten Gründe für Kundenanfragen,um diejenigen zu identifizieren, dieeffektiver direkt aus dem Webdurch proaktive Ansprache gelöstwerden könnten.Für die Auswahl <strong>der</strong> Kommunikationskanäleist zum einen erfor<strong>der</strong>lich,die Kundenkontaktstrategieunter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> „CustomerExperience“ zu betrachtenund zukunftssicher zu gestalten.Zum an<strong>der</strong>en gilt es, die neuen Anfor<strong>der</strong>ungenmit den vorhandenentechnischen Möglichkeiten abzugleichen.Hierfür bietet Tieto bewährteBeratungsansätze, die auchinnovative Workshop-Formate be -inhalten, um die verschiedenenStakehol<strong>der</strong> an einen Tisch zu bringen.Denn das harmonische Zusammenwirken<strong>der</strong> Verantwortlichenfür Portal, Vertrieb und Kundenserviceist die wohl wichtigsteVoraussetzung für den Erfolg.Was meinen Sie mit den Begriffen?„Transparenz“ und „Einfachheit“?Kai Nörtemann: Einfachheit bedeutet,es Kunden und Interessenten soeinfach wie möglich zu machen, miteinem Unternehmen in Kontakt zutreten – egal welchen Kommunikationskanalsie wählen und wo siesich befinden, möglichst ohne Medienbruchund Verlust von Informa-CallCenter for Finance 2/2012
TRENDS13tionen. Daraus ergeben sich Anfor<strong>der</strong>ungenan die Transparenz: Egalwann, wo und wie ich mit einemUnternehmen kommuniziere – icherwarte, dass meine „Geschichte“bekannt ist, dass die Mitarbeiter informiertund die jeweils richtigenAnsprechpartner für mein Anliegensind.Daher sehe ich den Dialog aus demWeb als integralen Bestandteil <strong>der</strong>Multikanalkommunikation, die nurmit einer konzeptuellen Sicht aufdas Ganze und <strong>der</strong> dazu passendentechnischen Umsetzung erfolgreichsein kann. Es gilt, Insellösungen zuvermeiden – sowohl organisatorischals auch technologisch. Für denKunden ist die Organisation einUnternehmen.<strong>Die</strong>s muss auch in <strong>der</strong> Kommunikationdeutlich werden. Für denschnellen, einfachen Einstieg in dieneue Dialogwelt kann in einer ers -ten Phase zum Beispiel mit einemlosgelösten Live-Chat auf <strong>der</strong> Basisvon Software as a Service (SaaS)gearbeitet werden, <strong>der</strong> aber späterintegriert gehört.Welchen Einfluss hat <strong>der</strong> Trend?zu immer mehr Mobilität <strong>der</strong>Anwendungen?Kai Nörtemann: Mobile Anwendungenzeichnen sich vor allem durchihre Einfachheit und die Lokalisierbarkeitdes Benutzers aus. BeideFaktoren lassen sich auch für Dialogemit den Anwen<strong>der</strong>n nutzen! Bezüglich<strong>der</strong> zur Verfügung gestelltenInformationen besteht jedoch auchin diesem Kontext Beratungsbedarf.Ziel sollte sein, auch in den mobilenAnwendungen einen nahtlosenÜbergang zum direkten Dialog zuermöglichen, etwa mittels Chat o<strong>der</strong>Anruf per Klick. Wichtig sindschnelle Antwortzeiten und einetransparente Serviceverfügbarkeitbeispielsweise durch die Anzeige<strong>der</strong> aktuellen Wartezeit im jeweiligenService, da die Benutzer im mobilenKontext noch anspruchsvollersind als ohnehin. So versprechenauch Sprachdialogsysteme wenigAkzeptanz. Besser ist es, Basisinformationenzum Beispiel über denKontaktgrund vor dem Anruf o<strong>der</strong>Chat abzufragen. <strong>Die</strong> im mobilenEndgerät eingebaute Kamera kannwie<strong>der</strong>um mit weniger technischenHürden als auf normalen Webseitenfür ein Beratungsgespräch perVideo genutzt werden.<strong>Die</strong> Lokalisierbarkeit bietet dieMöglichkeit für Synergien zwischen(mobilem) Web, dem Kundenserviceund <strong>der</strong> Filiale. So könnte beispielsweise<strong>der</strong> Mitarbeiter im Servicedirekt einen Termin in einernahe gelegenen Filiale vereinbaren.Auch Störungsmeldungen am Geldautomatenlassen sich schnellerlokalisieren.Welche Ziele sollen insgesamt?damit erreicht werden?Kai Nörtemann: Als Ergebnis einersmarten, proaktiven Kundenkommunikationlocken eine hohe Kundenzufriedenheitvon mehr als 80Prozent, sinkende Kontaktkostenund eine schrittweise Erhöhung <strong>der</strong>Konversionsrate um etwa 20 Prozent.<strong>Die</strong> Reduzierung <strong>der</strong> Kontaktkostenresultiert dabei insbeson<strong>der</strong>eaus <strong>der</strong> besseren <strong>Lösung</strong>squote imErstkontakt, da ineffektive E-Mailsund Anrufe vermieden werden.CallCenter for Finance 2/2012