Blick von der Hohen Kugel in Richtung VorarlbergerRheintal und BregenzerwaldFoto: Friedrich Böhringerin Vorarlberg nachhaltig zu decken, habenwir drei Maßnahmen definiert. Erstens wollenwir eigene Potenziale besser nutzen, indemwir junge Menschen und insbesondereauch Mädchen für Technik und Wissenschaftbegeistern. Zweitens versuchen wir, VorarlbergerStudenten für den regionalen Arbeitsmarktzurückzugewinnen. Diese beidenMaßnahmen greifen mittel- bis langfristig.Für die Deckung des aktuellen Bedarfs bietenwir qualifizierten Fachkräften aus demAusland eine Karriere in Vorarlberg. Das istdie dritte Maßnahme. Das Modell funktioniertsehr gut. Mittlerweile haben fünf unterschiedlicheRekrutierungsevents in Spanienund Slowenien stattgefunden und dasFeedback der teilnehmenden Unternehmenund der rekrutierten Fachkräfte ist sehr positiv.Wichtig ist dabei, dass wir jene Fachkräftefinden, die zur Region und den Unternehmenpassen. Wir suchen speziell jene Talente,die wie wir die Region zu schätzenwissen, hohen Wert auf Work-Life-Balancelegen sowie innovative kleine Betriebe börsennotiertenGroßkonzernen vorziehen. Esmuss jedes Bundesland selbst sein Erfolgsrezeptfinden, speziell hinsichtlich des Profilsder Fachkräfte, der geografischen Zielsetzungund des angebotenen Unterstützungsmodells.n Warum können Vorarlberger Unternehmenauf dem österreichischen Arbeitsmarktnicht ausreichend qualifizierteArbeitskräfte anwerben?Der steigende Bedarf an technischen Fachkräftenist keine auf Vorarlberg begrenzteHerausforderung. Sowohl die gesamtösterreichischeals auch die mitteleuropäischeWirtschaft sind davon betroffen. Deshalb isteine Rekrutierung innerhalb Österreichszwar wichtig und wird laufend realisiert, istaber nur bedingt zielführend. Für viele Ostösterreicherist Vorarlberg zu weit weg undsie wissen zu wenig über die erfolgreichenUnternehmen im Land. Mit der Teilnahmean Karrieremessen in Graz, Wien und Leobenwird das Bewusstsein für die Karrierechancenim westlichsten Bundesland seitJahren gezielt gestärkt.n Wie beschreiben Sie die Vorzüge Vorarlbergsfür jemanden, der seinenWohn- und Arbeitsplatz aus anderenRegionen Österreichs oder Europasins Ländle verlegen will?Vorarlberg kann zwar hinsichtlich eines urbanenUmfeldes nicht mit Metropolen wieZürich oder München mithalten, wir habenaber eine beeindruckende Kombination vonattraktiven Karrierechancen und wertvollerLebensqualität. Die erholsame Natur liegtbei uns so nah, dass auch nach einem Arbeitstagnoch eine Ski- oder Mountainbike-Tour möglich ist. Uns Vorarlbergern wirdnachgesagt, dass wir fleißig und ehrgeizigarbeiten, aber in der Freizeit unglaublichspontan darin sind, die Natur um uns herumzur Erholung zu nutzen. Darüber hinaus habenwir ein hervorragendes Angebot im Bereichder Kultur. Und hinsichtlich Karrierechancenmüssen wir uns mit Weltmarktführernwie Alpla, Doppelmayr, Blum oder Wolford,um nur einige zu nennen, kaum hinterZürich oder München verstecken. ÜiZur PersonMag. Karlheinz RüdisserGeboren am 25. Februar 1955 in Bregenz, verheiratet mit Birgit, eine Tochter, zweiSöhne, wohnhaft in LauterachAusbildung:1969 – 1974 Handelsakademie in Bregenz (Abschluss mit Matura)1975 – 1980 Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien1980 – 2008 Wirtschaftsabteilung des Landes Vorarlberg1986 – 2008 Vorstand der WirtschaftsabteilungFoto: VLKPolitische Laufbahn:1990 – 2008 Gemeindevertretung der Marktgemeinde Lauterach1992 – 2008 Mitglied im Gemeindevorstand der Marktgemeinde Lauterach1995 – 2008 Vizebürgermeister der Marktgemeinde Lauterach2008 – 2011 Mitglied der Vorarlberger Landesregierung mit RessortzuständigkeitWirtschaft, Tourismus, Verkehr, Raumplanung, Wohnbauförderung,Gewerbe- und Verkehrsrechtseit Dezember 2011 Landesstatthalter (Landeshauptmann-Stellvertreter, Anm.)WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN <strong>10</strong>/<strong>2013</strong> 13
Wirtschaft & PolitikEigentum verpflichtetGemeinwohlökonomie: Zwischen Utopie und NotwendigkeitChristian Felber im Gespräch mit Siegfried HetzKooperation statt Konkurrenz, dasEnde von Hierarchien und Wachstumszwang,eine Bank, die die Zinsenabschafft und Bonität auch nach ethischenGesichtspunkten bewertet. Das sind einigeder zentralen Positionen der von ChristianFelber entworfenen Gemeinwohlökonomie.Dass auch Utopie im Spiel ist, wird gar nichtin Abrede gestellt. Im Übrigen soll die „Gemeinwohlökonomie“auch nicht als Dogma,sondern als Vorschlag gelesen werden.Der Zweck des Unternehmens liegt nicht imStreben nach Gewinn. Mit diesem Einleitungssatznimmt Christian Felber die Herausforderungan, die Gemeinwohlökonomie(GWÖ) in wenigen kurzen Sätzen zu erläutern.Nicht die Konkurrenz steht im Mittelpunkt,sondern die Kooperation mit dem Zieldes größtmöglichen Gemeinwohls. Im Prinzipfußt die GWÖ auf den fünf Werten Menschenwürde,Solidarität, soziale Gerechtigkeit,demokratische Mitbestimmung undTransparenz.Ohne Energie ist jeder Körper totWenn Felber seine Theorie erläutert, verzichteter weitgehend auf die Fachsprache derÖkonomie und positioniert dagegen eine fasttherapeutische Sprache. Dabei ist viel vonWürde die Rede, von Würde, die dem Menschenund der Natur gebührt, von Verantwortungund von Energie. „Energie“, so Felber,„ist die Basis aller Lebensvorgänge. Alles,was wir tun, unternehmen, entwickeln undumsetzen, benötigt Energie. Der gesellschaftlicheWandel, die damit einhergehendeInnovation und Kreativität benötigen Energieund Motivation. Das wollen wir zumAusdruck bringen. Die moderne Physik beschreibtalle ‚realen‘ Phänomene gleichzeitigals Materie und Energie. Nachdem wir inden letzten Jahrzehnten das Materielle überbelichtethaben, schwenken wir die Aufmerksamkeitauf die nichtmaterielle Dimension.Als Tänzer spüre ich das in jeder Fasermeines Körpers: Ohne Lebensenergie ist derKörper tot. Die internationale Gemeinwohl-iInformationAktuell werden 1.352 Unternehmen,56 Politikerinnen und Politiker, 4.263Personen und 172 Vereine als Unterstützergezählt.Christian Felber wurde am 9. Dezember 1972 in Salzburg geboren. Seine Kindheit verbrachte erzwischen Mattsee und Wallersee und widmete sich schon sehr früh der Himbeer- und Forellenzucht.Von 1990 bis 1996 Studium der Romanischen Philologie (Spanisch) in Wien und Madrid.Seit 1996 freier Publizist und Autor, ab 2000 Mitbegründung und Aufbau von Attac Österreich.Seit 2004 zeitgenössischer Tänzer und Performer, ab 2008 Lektor an der WirtschaftsuniversitätWien und weitere Lehrverpflichtungen an den Universitäten Graz und Valencia. Foto: Florian EckelÖkonomie-Bewegung beruht rechtlich und‚materiell‘ auf Vereinen und Unternehmen,aber die Motivation, der Esprit und die Kreativitätsind die entscheidende menschlicheEbene des gemeinschaftlichen Handelns undUmsetzens.“Kooperation statt KonkurrenzFelber ist auch kein Wirtschaftstheoretiker,sondern studierter Romanist und nebenberuflichTänzer. Da ist der Vorwurf desTraumtänzers schnell bei der Hand. Felberist aber viel mehr, er ist ein humanistisch geprägterStichwortgeber, der ernsthaft um denZustand der Gesellschaft besorgt ist. „Ausdem frühen Wahrnehmen der Einheit mit derNatur und allen anderen Menschen auf deriFoto: Zsolnay Deuticke Verlag WienAktuelle Bücher50 Vorschläge für eine gerechtereWelt, 2006Neue Werte für die Wirtschaft, 2008Kooperation statt Konkurrenz, 2009Die Gemeinwohl-Ökonomie, 20<strong>10</strong>Retten wir den Euro, 2012Welt ergeben sich Werthaltungen: dass Kooperationmehr Sinn hat als Konkurrenz unddass Teilen wichtig ist. Ich bin katholisch sozialisiertworden und habe den Widerspruchwahrgenommen zwischen dem Anspruch derNächstenliebe und des Teilens und dem realenLeben der Menschen, die in die Kirchegehen. Ich habe mich für die Arbeit an derVision entschieden.“Eigentum verpflichtetMit schmunzelnder Gelassenheit verweistFelber darauf, dass ein auf das Gemeinwohlausgerichtetes Wirtschaften mehr Notwendigkeitals Utopie ist und als Forderung soreal, dass es sogar in einigen Verfassungenverankert ist. Eigentum verpflichtet. Was zueinem festen Bestandteil unserer Alltagssprachegeworden ist, hat seinen Ursprungin der Weimarer Reichsverfassung aus demJahre 1919. „Der Gebrauch des Eigentumssoll zugleich dem Wohle der Allgemeinheitdienen.“ So steht es auch in dem 1949 verabschiedetendeutschen Grundgesetz. Auchin die spanische Verfassung von 1978 wurdeeine Sozialbindungsklausel aufgenommen.Grundlage dafür war die katholische Soziallehre.Ü14WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN <strong>10</strong>/<strong>2013</strong>