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Ausgabe 09/2011 - Wirtschaftsjournal

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Pro & Kontra<br />

Energie<br />

Ist die Verstromung der mitteldeutschen Braunkohle wirtschaftlich notwendig und ökologisch vertretbar?<br />

Zum Thema<br />

Eine zuverlässige, ausreichende<br />

und bezahlbare Energieversorgung<br />

ist die zentrale Grundlage<br />

für eine funktionierende Wirtschaft.<br />

Zusätzlich zeigen solche<br />

Ereignisse wie in Fukushima<br />

deutlich, dass der Umwelt- und<br />

Klimaschutz mittlerweile nicht<br />

weniger existienziell notwendig<br />

ist. Nicht zuletzt erfordern die<br />

Gewinnung, Speicherung und die<br />

Verteilung von Strom und Wärme<br />

eine entsprechende Infrastruktur,<br />

Technologien und qualifizierte<br />

Mitarbeiter, deren Zukunftsfähigkeit<br />

für einen Industriestandort<br />

entscheidend sind. In diesem Zielkonflikt<br />

setzen die verschiedenen<br />

Energie- und Wirtschaftsexperten<br />

zum Teil sehr weit auseinander<br />

liegende Prioritäten. Das <strong>Wirtschaftsjournal</strong><br />

befragte Prof.<br />

Martin Maslaton, u. a. Landesvorsitzender<br />

des Bundesverbandes<br />

Windenergie Sachsen (BWE),<br />

sowie Dr. Hermann Borghorst,<br />

ehemaliges Vorstandsmitglied<br />

von Vattenfall und Vorsitzender<br />

der Wirtschaftsinitiative Lausitz<br />

e. V., zu der gerade für Mitteldeutschland<br />

prägenden Braunkohleverstromung.<br />

wirtschaftsjournal.de/id11<strong>09</strong>3301<br />

Pro Kontra<br />

Dr. Hermann Borghorst, ehemaliges Vorstandsmitglied von<br />

Vattenfall und Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative<br />

Lausitz e. V.<br />

Etwa 70 Prozent der deutschen Stromerzeugung erfolgte<br />

bisher auf Basis von Kernenergie, Stein- und Braunkohle.<br />

Der Ausstieg aus der Kernenergie kann nicht gleichzeitig<br />

auch noch den Ausstieg aus der heimischen, langfristig verfügbaren<br />

Braunkohle bedeuten. Braunkohleverstromung<br />

findet in Deutschland auf einem weltweit höchsten Technologie-Standard<br />

konkurrenzfähig statt. Der Industriestandort<br />

Deutschland braucht eine sichere, kostengünstige und<br />

klimafreundliche Energieversorgung.<br />

Für den Energiemix der Zukunft steht ohne Zweifel ein<br />

verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energie einschließlich<br />

der Entwicklung tragfähiger Speichertechnologien an. Hier<br />

kann und sollte Deutschland auch im internationalen Wettbewerb<br />

Vorreiter sein.<br />

Gleichzeitig geht es darum, die bisherige Energieerzeugung<br />

durch Effizienzsteigerungen sowie eine deutliche Verringerung<br />

von CO2 -Emissionen zu verbessern. Hier ist die<br />

Erprobung und Anwendung der CCS-Technologie sowie die<br />

stoffliche Verwertung von CO2 (CCU) von entscheidender<br />

Bedeutung. Diese Zukunftstechnologien bieten vielversprechende<br />

Exportchancen weltweit.<br />

Für den Industriestandort Lausitz ist die Braunkohleund<br />

Kraftwerkswirtschaft ein Kernstück der regionalen<br />

Wertschöpfung. Ca. 2000 mittelständische Unternehmen<br />

in Brandenburg und Sachsen profitieren von den Aufträgen.<br />

Über 17.000 Lausitzer Jobs hängen insgesamt von der<br />

Braunkohle ab. Junge Menschen haben klare berufliche<br />

Perspektiven. Sie müssen nicht abwandern, um Zukunft zu<br />

erleben. Warum sollte eine Region und Deutschland auf<br />

Braunkohle verzichten, wenn eine klimafreundliche Zukunft<br />

möglich ist?<br />

Prof. Dr. Martin Maslaton ist Rechtsanwalt und u. a. Leiter der<br />

Forschungstelle „Neue Energien und Recht“ der Universitäten<br />

Chemnitz und Freiberg.<br />

Die Perspektive der Braunkohle liegt in ihrer Eignung als<br />

Chemie- und Energierohstoff, also in der stofflich-energetischen<br />

Kohlenutzung, – nicht in ihrer Verbrennung. Momentan<br />

werden etwa 16 Millionen Tonnen Erdöl in Deutschland<br />

von der chemischen Industrie für die Erzeugung vor<br />

allem von Olefinen (Ethylen und Propylen) mit einer Menge<br />

von ca. 8,6 Millionen t/a genutzt. Bedingt durch die zu<br />

erwartende weitere Steigerung des Ölpreises könnten die<br />

vorgenannten Mengen an Olefinen auch aus ca. 70 Millionen<br />

Tonnen Rohbraunkohle hergestellt werden. Unter<br />

Zugrundelegung des Energiekonzepts der Bundesregierung<br />

wäre diese Menge bereits 2030 bereitstellbar. Diese stoffliche<br />

Nutzung der Braunkohle beinhaltet eine breite Palette.<br />

So kann die Braunkohle nicht nur Basis einer stofflichen<br />

Nutzung für Grundchemikalien sein, sondern auch als Brennstoff<br />

zum Betrieb von konventionellen Gasturbinen genutzt<br />

werden. Vor allem aber muss man auch sehen, dass durch<br />

die zusehend knapper werdenden Erdölressourcen Braunkohle<br />

in den nächsten 10 – 15 Jahren der vergleichsweise<br />

kostengünstigste Chemierohstoff für Kohlenwasserstoffe<br />

werden wird. Ein weiterer Aspekt – CO2-Emissionen: Bei<br />

der Kohleverbrennung zur Stromerzeugung werden 100<br />

Prozent des Kohlenstoffs zu CO2 umgewandelt mit den entsprechenden<br />

Belastungen. Selbst bei ungünstigsten Annahmen<br />

ist die CO2-Emission bei der stofflichen Nutzung um<br />

mehr als 50 Prozent geringer mit den weiteren Folgen, dass<br />

Braunkohle im stofflichen Markt eine viel größere Attraktivität<br />

gewinnen wird, da die CO2-Regularien (Emissionszertifikate)<br />

für eine ungleich größere Kostenverursachung bei<br />

der Verstromung sorgen. Diese Fakten sind im Strategiepapier<br />

der Technischen Universität Bergakademie Freiberg,<br />

Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen,<br />

am 31.01.<strong>2011</strong> ausführlich publiziert.<br />

<strong>Wirtschaftsjournal</strong> | September <strong>2011</strong><br />

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