Die politische Arbeit und Probleme der ... - aggi-info.de

Studienmaterial für Soldaten die Lesehefte „Wissen und Kämpfen“ bzw. die „Leseheftefür die politische Schulung der Unteroffiziere“.1983 und 1988 durchgeführte soziologische Untersuchungen weisen aus, daßSoldaten und Unteroffiziere die politische Schulung durchaus für notwendig, diepraktizierte Form jedoch nicht für zweckmäßig hielten.(12) Qualität und Wirksamkeitder politischen Schulung unterlagen in allen Jahren sowohl aus der Sicht derZentrale wie auch in der Reflexion der Teilnehmer, wenn auch aus unterschiedlichenBeweggründen, einer kritischen Bewertung.So bewertete der Bericht der Politischen Hauptverwaltung an die XIII. Delegiertenkonferenzder SED in der NVA und den Grenztruppen der DDR im Februar 1984,„daß es vornehmlich in der politischen Schulung noch beträchtliche Qualitätsunterschiedegibt, die beruflichen und Lebenserfahrungen der Soldaten mitunter ungenügendberücksichtigt werden. Nach wie vor erleben wir Lehrveranstaltungen, in denenabstraktes und schematisches Herangehen dominiert und enger Praktizismus zumAbsinken des theoretischen Niveaus führt.“ (13)Die Soldaten und Unteroffiziere erlebten die politische Schulung in unterschiedlicherWeise. Unteroffiziere gelangten zu deutlich günstigeren Urteilen als Soldaten. Dashat sicher mit den erfahreneren Schulungsgruppenleitern zu tun, aber ebenso auchmit der inneren Einstellung der Schulungsteilnehmer. Gemeinsam war ihnen, daß sieentsprechend ihrer politischen Interessiertheit vor allem Antworten auf Fragen ausdem Alltag suchten, handhabbar für das Leben. Alltag umfaßte dabei für sie sowohlaktuelles politisches Geschehen als auch die Ereignisse in ihrer ganz persönlichenErlebniswelt, dem Dienst, der beruflichen und sozialen Entwicklung u.a.Nach unseren aktuellen Befragungen meinen aus heutiger Sicht jedoch weniger alsein Drittel der Soldaten und nur 38 % der Unteroffiziere, daß sie häufig die Fragender Zeit behandelt habe, der Rest erfuhr eher das Gegenteil. Jeder zweite Unteroffizier,aber nur jeder vierte Soldat erklärte schließlich, die politische Schulung habeseinen geistigen Ansprüchen zumindest häufig genügt. Zweifellos spiegeln sich indiesen Aussagen von 1998 bereits auch neue Erkenntnisse und veränderteAnsichten wider. Immerhin hatten bei Untersuchungen im Jahr 1984 in der NVA 69 %der Soldaten und 78 % der Unteroffiziere angegeben, daß die politische Schulungihnen „ hilft, Antwort auf aktuelle Fragen zu finden“. Erklärbar wird diese unterschiedlicheBewertung, wenn man die Aussagen in die gesellschaftlichen Bedingungen derjeweiligen Zeitabschnitte einordnet. In den 70er Jahren hatte die internationale Politikder DDR weltweit Anerkennung erfahren. Die Zustimmungswerte waren auch bei denArmeeangehörigen mit fast 90 % sehr hoch. Insbesondere der in außen- und militärpolitischenThemen vermittelte Lehrstoff hat zweifellos wesentlich zur Identifikationmit dem Auftrag der NVA beigetragen. Nicht zuletzt, weil zwischen dem, was manüber die Friedens- und Sicherheitspolitik der Partei- und Staatsführung hörte, undden eigenen Interessen und Empfindungen weitgehende Übereinstimmung bestand.Was sollte daher u.a. auch in der politischen Schulung falsch sein an den ehrlichenBekundungen zur Völkerverständigung, zum Antifaschismus und zum Frieden?Ein nicht unwesentlicher Faktor war die Veränderung der inhaltlichen Struktur undZielstellung der politischen Bildung und Erziehung. Während anfänglich eineergebnisorientierte Argumentation im Disput zur Meinungsbildung führte, wurde derUnterricht in den 70er Jahren mehr und mehr durch vorgegebene Lehrinhaltegeprägt. Damit wurden nicht mehr Meinungen, sondern Wissen bewertet. Letztlichwurde das Wissen über Parteibeschlüsse als Kriterium der politischen Zuverlässigkeitgenommen.7